Erlösung vom Leid von Mamitasu ================================================================================ Den Kopf vom Himmel wieder auf den Fußweg lenkend schlenderte Yukihiro die Straßen Tokyos entlang. Seine Gedanken waren dabei auf vergangene Tage gerichtet. Tage, welche die Schönsten seines bisher doch recht kurzen Lebens darstellten. Tage, an denen er sein Glück neben sich gehabt hatte. Tage, die er nie wieder vergessen würde. Sie würden auf ewig in seiner Erinnerung bleiben und jedes Mal Schmerzen hervorrufen, wenn er daran dachte, was er an diesen mit Gackt gemacht hatte. Und doch wollte er sie auch nicht vergessen, denn sie bedeuteten, dass auch er im Stande war mit Menschen zusammen zu leben, die nicht zu L'Arc~en~Ciel gehörten. Mit einem tiefen Seufzer lief er die Treppen zu der Haltestelle des Shinkansen hoch. Auf dem Bahnsteig zog er seinen Schal enger um seinen Hals und vergrub seine Hände tiefer in den Taschen, während er auf die Einfahrt des Zuges wartete. Nach weiteren Minuten in der Kälte von Tokyo kam die Bahn und er konnte in die Wärme steigen. Schnell suchte sich der Drummer einen Sitzplatz und lehnte seinen Kopf gegen die Scheibe, denn er wollte die vorbeiziehende Landschaft betrachten können. Doch auch jetzt drifteten seine Gedanken zu jenem entscheidenden Tag ab. Der Tag, an dem ihn sein damaliger Freund betrogen hatte. Und das nicht wie er erwartet hätte mit einem anderen Kerl, sondern mit einer Frau. Es war für ihn ganz normaler Alltag gewesen. Er musste früh raus, um mit den anderen zu proben. Anschließend hatten sie noch einen Auftritt, den sie zu seinem Glück oder auch Pech, je nachdem wie man es betrachten wollte, eher beenden konnten. Denn so konnte Yukki eine Party besuchen, zu welcher er und Gackt eingeladen gewesen waren. Ein gemeinsamer Freund von ihnen hatte Geburtstag gefeiert und er hatte vorher abgesagt gehabt, da er davon ausging, dass er es nicht schaffen konnte. Dass dies nun doch der Fall war, ließ den Drummer den Solisten mit einer Frau auf dem Schoss erwischen. Sie war eine schwarze Schönheit, soweit es Yukihiro von dem Eingang des Wohnzimmers aus erkennen konnte, und klein. Das Herz des Schlagzeugers zog sich schmerzlich zusammen, als er sah, wie diese Frau seinen Freund leidenschaftlich küsste. Er wandte sich ab und suchte erstmal das Geburtstagskind. Etwas später am Abend sah er die beiden dann tanzen, was ihn noch mehr aus der Fassung brachte. Die Schwarzhaarige verführte den Sänger förmlich auf der kleinen zum Tanzen frei geräumten Fläche. Und, was ihn noch mehr schockierte war, dass Gackt darauf einging. Ruckartig drehte sich Yukihiro um und verließ schnellen Schrittes die Wohnung. Vor der Tür brach er in Tränen aus und rannte mehr, als das er ging, zu sich nach Hause. Seitdem herrschte Funkstille zwischen ihm und dem Solisten. Dies war nun ein halbes Jahr her und er hatte es immer noch nicht überwunden. Jedes Mal wenn er ein Plakat mit Gackt sah oder nur ein Lied von ihm hörte, kehrten die Tränen und ein Stechen in seiner Brust zurück, was ihn an die glücklichen Tage zu zweit erinnerte. Mit einem Ruck stand die kleine, zierliche Gestalt auf und verließ den Zug, da er an seinem Ziel angekommen war. Langsam ging er die vereisten Stufen herunter und vergrub anschließend seine Hände erneut in seinen Tasche. Mit gesenktem Haupt und Tränen nassen Wangen beschritt er den Weg zu seinem Elternhaus. Er hatte sie schon eine Weile nicht mehr gesehen und da kam ihm das Fest der Liebe gerade recht. Zumal er dieses Jahr niemanden hatte mit dem er es lieber feiern würde. Der Platz an seiner Seite war leer und erkaltet ebenso wie sein Herz. Denn er hatte sich vollkommen zurück gezogen. Niemand wusste wie es in dem kleinen Drummer aussah. Keinem hatte er sich anvertraut, auch wenn seine Bandkollegen nachgefragt hatten. Mit einem schweren Seufzer lief er zu der Haustür. Auf seinem Weg hierher hatte er die schneeweißen Häuser nicht wahrgenommen, auch nicht den Sternen behangenen Himmel. Zu sehr nahmen ihn die Erinnerungen ein und er hatte sein Haupt gesenkt gehalten. Doch jetzt hob er seinen Kopf und betrachtete das Haus seiner Eltern. Sie hatten den Eingang und den kleinen Vorgarten nicht geschmückt, dies übernahm der Schnee. Denn er tauchte alles in ein reines, unschuldiges Weiß. Er war auch einmal rein und unschuldig gewesen. Doch jetzt war diese Zeit vorbei. Denn das letzte halbe Jahr hatte er damit zugebracht sich Ablenkung zu suchen. Diese bestand zwar hauptsächlich aus Männern, aber es war jedes Mal ein anderen. Er vertrieb sich seine einsamen Nächte mit One Night Stands. Er schüttelte seinen Kopf, denn daran wollte er sich nicht erinnern. Auch wenn er jedes Mal für einige Minuten seinen Schmerz vergessen konnte, so war das schlechte Gefühl, was er hinterher hatte, wesentlich schlimmer. Und doch konnte er nicht aufhören, nachdem er einmal damit angefangen hatte. Er seufzte und betätigte nun endlich die Klingel, denn einen Schlüssel für diese Haus besaß er nicht mehr. Die Tür vor ihm öffnete sich und der Schlagzeuger erstarrte. Er war nicht fähig seine Hand zu senken, die noch erhoben war, weil er mit dieser den Knopf gedrückt hatte. Noch konnte er seinen Mund schließen, welchen er geöffnet hatte, da er der Annahme erlegen war, dass seine Mutter ihm aufmachen würde. Er konnte es nicht fassen. Vor ihm Stand der Verursacher seiner Schmerzen, seines gebrochenen Herzens in Fleisch und Blut. „Was...“ brachte er gebrochen über seine Lippen. Der wesentlich größere Mann vor ihm reagierte nicht weiter auf die Frage, sondern lächelte ihn schlicht an. Langsam kam wieder leben in den Schlagzeuger, als er von drinnen seine Mutter rufen hörte. Er betrat das Haus und zog sich hastig seine Schuhe und seinen Wintermantel aus. Den Schal vergaß er dabei. Er stürmte mit schnellen Schritten in das Wohnzimmer. „Mam, Dad. Was macht der hier?“ dabei deutete er auf den Mann hinter ihm, da dieser dem Hellbraunhaarigen gefolgt war. „Er hat gesagt, dass er ganz dringend mit dir reden müsste. Und da haben wir ihm angeboten hier zu warten“, erklärte ihm seine Mutter mit einem unschuldigen Ton. „Aber“, wollte ihr Sohn aufbegehren, als sie fort fuhr: „Er hat dich nicht erreicht, meinte er ebenfalls. Und das obwohl er es schon seit Monaten versuchte.“ „Schon Mal daran gedacht, dass ich vielleicht nicht erreicht werden wollten?“ schrie er seine Eltern an, da seine Tränen nicht anders unterdrücken konnte. Verwirrt und fragend sahen ihn seine Erzeuger an. Beruhigend legte sich eine Hand des Blonden auf die Schulter des Drummers. „Sie können nichts dafür“, sprach Gackt leise und beruhigend auf den anderen ein. „Stimmt“, fuhr ihn Yukihiro nun direkt an, nachdem er die Hand weggefegt hatte und sich um 180 Grad gedreht hatte. Wütend funkelten die braunen Augen den Solisten an. „Du bist an allem Schuld“, damit verschwand der Kleine aus dem Raum und rannte die Treppe hoch in sein altes Zimmer. Mit einem entschuldigenden Blick zu Frau und Herr Awaji folgte Camui dem anderen, jedoch bedächtiger. Er wollte seinem ehemaligen Partner Zeit geben, sich zumindest etwas abzureagieren. Als er oben angekommen war, sah er, dass eine Tür nur angelehnt war. Leise schritt er auf diese zu und spähte durch den Schlitz. Was er sah, ließ ihm sein Herz zusammenziehen. Yukihiro hatte sich auf sein Bett geschmissen und weinte. Er weinte nach fünf Monaten zum ersten Mal wieder, aber er hielt es nicht aus. Er konnte es nicht verkraften, dass seine große Liebe in seiner letzten Zuflucht aufgetaucht war und ihm nun diese auch noch nahm. Er war einen Monat nach dem Ende umgezogen, um zumindest nicht jeden Tag an ihre gemeinsame Zeit erinnert zu werden. Denn Camui und er waren oft in seiner Wohnung gewesen. „Wieso bist du aufgetaucht?“ fragte Yukihiro flüsternd sein Kissen. „Weil ich dich sehen wollte“, antwortete es ihm von der Tür aus. Sofort fuhr der Drummer hoch und herum. Mit Schrecken in den Augen sah er den Blonden an. Dieser Ausdruck in den braunen Seelenspiegeln, die ihn einst so warm angesehen hatten, bescherte dem Sänger einen großen Stich im Herzen. „Es tut mir leid, was geschehen ist“, sagte er, als er langsam auf den anderen zu kam. Er näherte sich ihm Schritt für Schritt und als er das Bett erreicht hatte, rutschte Yukki an die Wand und kauerte sich zusammen, während Camui sich auf der Bettkante niederließ. „Ich wollte dir nicht wehtun.“ „Oh. Was wolltest du dann damit erreichen?“ Wütende, Hass erfüllte Augen blitzten den blonden Sänger an. „Mir zeigen wie viel ich dir bedeute? Das hast du geschafft.“ „Nein. Ich...“ Gackt brach ab und rauft sich die Haare. Er konnte nicht ruhig bleiben, wenn ihn der andere so anfuhr. Auch der große Gackt verkraftete einen Wutausbruch eines gebrochenen Mannes nicht, wenn er für diesen mehr empfand. „Was du?“ wollte sein Opfer wissen. „Ich weiß nicht, wie es dazu kam.“ „Ach nein. Ich denke, du hast sie gesehen und festgestellt, dass sie dich mehr anturnt, als ein Gerippe wie ich.“ Tränen brachen aus den braunen Augen hervor und liefen ungehemmt die Wangen herunter. „Nein. Ich wusste nicht, was ich für dich genau empfinde und auch nicht, wie sehr es schmerzen würde, dich nicht mehr sehen zu können.“ Langsam hob Camui seinen Kopf und sah den anderen aus traurigen Augen an. „Und weißt du jetzt, was ich dir bedeute?“ Mit Zynismus, soweit er diesem mit Tränen erstickte Stimme rüber bringen konnte, war die Frage gestellt. „Ich liebe dich“, sagte Gackt schlicht und sah den anderen dabei die ganze Zeit ernst in dessen Seelenspiegel. So konnte er erkennen, dass dieser damit überhaupt nicht gerechnet hatte und zum wiederholten Male an diesem Tage erstarrt war. Nachdem mehrere Minuten vergangen waren und immer noch keine Reaktion von Yukihiro gekommen war, stand der Solosänger auf und verließ ohne ein Wort den Raum. Perplex sah ihm der Schlagzeuger hinterher. Er war noch nicht in der Lage sich zu rühren, erst als der die Haustür hörte kam wieder Leben in ihn. Er sprang von seinem Bett und rannte die Treppe herunter, den Flur entlang und riss die Tür auf. Hektisch blickte er sich um und konnte zu seinem Glück den Mann, welchen er über alles liebte, nicht allzu weit entfernt entdecken. Sofort stürmte er aus dem Haus und lief ihm hinterher. „Gackt!“ rief er. Dieser blieb wie unter einen Peitschenschlag stehen und drehte sich in Zeitlupe um, da er sich nicht sicher war, ob er sich nicht doch verhört hatte. Als er jedoch die halbe Drehung geschafft hatte, musste er seine Arme hochreißen, um den Drummer, welcher ihn eingeholt hatte und sich nun in seine Arme schmiss, aufzufangen. „Was?“ fragte Camui den Kleineren perplex. „Versprichst du mir mich nieder zu betrügen?“ wurde er ihm Gegenzug ernst von dem Mann in seinen Armen gefragt. „Ich verspreche es, denn ich kann den Schmerz in deinen Augen nicht ertragen, wenn ich dich verletze“, antwortete der Sänger ehrlich. „Das ist gut.“ Langsam löste sich Yukihiro von dem anderen und stellte sich etwas von diesem entfernt direkt vor ihn. Er hob seinen Kopf und lächelte Gackt aus roten, verweinten Augen an. „Magst du noch etwas bleiben?“ Einen Moment dauerte es, bis der Sinn der Frage bei dem Solisten angekommen war, doch danach gab es kein Halten mehr für diesen. Er nickte eifrig und schnappte sich die Hand seines Geliebten. „Dann lass uns rein gehen, nicht dass du dich noch erkältest.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)