Sleepless in Seattle von abgemeldet (Alice X Jasper - alternative story!) ================================================================================ Kapitel 2: Last train home -------------------------- „Guten Morgen, Seattle! Es ist halb Sieben und endlich Freitag, der Start ins Wochenende, auch wenn es wieder mal ganz schön verregnet wird! Doch wir können euch die Sonne zurückbringen, denn wir verlosen exklusiv...“ Der Radiowecker verstummte mit einem lauten Knall, als ich ihn mit meinem unkoordinierten Händewackeln von meinem Nachttisch fegte. Langsam richtete ich mich auf. Der Schock von letzter Nacht saß mir immer noch in den Knochen. Natürlich erst als ich schlafen wollte, begann mein Gehirn zu registrieren, was mir eigentlich zugestoßen war, oder noch hätte zustoßen können. Jedoch umso länger ich nachdachte, umso mehr fragte ich mich, ob es wirklich passiert war. Ob das ein Selbsterhaltungsinstinkt war? Das traumatische Erlebnis in die Kategorie `nicht passiert` abzuschieben? Ich seufzte, schlug die Bettdecke beiseite und stand auf. Während der Kaffee durch die Maschine lief, ging ich runter zum Briefkasten um die Zeitung zu holen. Wenn es wirklich passiert war, dann müsste ja zumindest was über die gefundene Leiche drinstehen. Sowas stand doch immer drin, wenn die Person eines unnatürlichen Todes gestorben ist. Und so ein Genickbruch passierte wohl nicht jeden Tag, vor allem nicht einfach so. Mir lief bei dem Gedanken ein kalter Schauer über den Rücken. Denk dran, Alice. Ansonsten hätte heute was über dich in der Zeitung stehen können, versicherte er mir. Ich machte mir einen Becher Kaffee fertig und setzte mich mit der Zeitung auf den alten, blauen Stoffsessel, der in einer Ecke meiner kleinen Küche stand. Ich überflog die Zeitung und suchte nach einer passenden Schlagzeile, während ich an meinem Kaffee nippte. Ich wunderte mich, als ich die Zeitung komplett durch hatte, und keine Überschrift auch nur annähernd passte. Wirklich seltsam, dass absolut nichts drin stand. Ich stand auf, stellte meinen Becher in die Spüle und ließ die Zeitung im Papierkorb verschwinden. Ich hatte jetzt einfach keine Lust, die anderen Artikel zu lesen. Im Bad sah ich dann heute zum ersten mal in den Spiegel. Ich zog das alte Sweatshirt aus und suchte nach irgendwelchen Verletzungen. Suchen war jedoch das falsche Wort, da sie nun mehr als offensichtlich waren. Meine beiden Unterarme waren aufgeschürft, und eine dunkle Kruste machte das ganze wirklich unansehnlich. Mein Blick wanderte weiter nach oben zu meinen Oberarmen. Hier machten sich dicke Hämatome breit, an den Stellen, wo der Angreifer mich gepackt hatte. Ich seufzte. Ärmellose Oberteile konnte ich wohl die nächste Zeit vergessen. Naja, bei dem Wetter nicht weiter schlimm. Ich beugte mich weiter vor um meinen Hals näher betrachten zu können. Und tatsächlich, ich fand eine dunklere Stelle vor, wo der Mann mir seine Lippen auf den den Hals gepresst hat, direkt bei der Halsschlagader. Doch die Haut war noch unversehrt. Ich fragte mich, was der Mann geplant hatte. Er benutzte keinerlei Waffen, nur seine Zähne spürte ich über meine Haut gleiten. Es war als würde er mir in den Hals beißen wollen, warum auch immer. Ich sprang unter die Dusche und machte mich fertig. Schließlich musste ich ein paar meiner Bilder in die Uni bringen, die ausgestellt werden sollten. Ich hasste es so voll bepackt mit sperrigen Bildern U-Bahn zu fahren. Aber was blieb mir anderes übrig, ein Auto konnte ich mir nicht leisten. Ich war schon froh mit dem Verkauf mancher Bilder und dem Nebenjob in einer Bar meine kleine Wohnung halten zu können. Lange hatte ich sie noch nicht, etwa 1 ½ Jahre. Eben seit ich auf der Uni bin. Vorher lebte ich zu hause in Forks, bei meinen Eltern. Ich war gerade 18 geworden, als ich dann hierher kam. Ich fühlte mich sofort wohl. Vielleicht lag es auch dran, das meine beste Freundin Bella ebenfalls nach Seattle gezogen ist, um bei einer kleinen Zeitung anzufangen. Sie verdiente eindeutig besser als ich, und lud mich öfters mal ein, was mir eigentlich ziemlich unangenehm war. Doch sie ließ sich davon nicht abhalten. „Sie es als Strafe dafür, dass ich immer deine Shoppingtouren mitmachen, und dabei ständig als deine Modepuppe herhalten muss!“, sagte sie immer, wenn ich mich beschwerte, dass sie zu viel für mich zahlt. Für heute Abend hatte sie auch schon wieder Musicalkarten besorgt. Wie das Stück hieß, hatte ich bereits wieder vergessen. Wir gingen fast jedes Wochenende ins Theater, oder in die Oper und was weiß ich was noch. Da kam man mit der Zeit nicht mehr ganz mit, was man nun schon gesehen hatte, und was nicht. Am Abend war ich gerade noch dabei, mich zu schminken, als es schon an der Tür klingelte. Ich stürmte zur Freisprechanlage. „Bella, du bist 10 Minuten zu früh!“, teilte ich mir mit und drückte den Knopf, damit die Haustür im Erdgeschoss aufging. Ich öffnete meine Wohnungstür und ging wieder ins Bad, um mir noch etwas Mascara aufzutragen. „Alice, beeil dich, es fängt bald an zu regnen!“, rief sie mir aus dem Wohnzimmer zu. Ich band mir noch schnell ein Halstuch um, um den unansehnlichen Fleck an meinem Hals zu verdecken. Dann ging ich ins Wohnzimmer wo Bella auf der Couch saß und mich ungeduldig anschaute. „Keine Angst, ich bin ja schon fertig“, beruhigte ich sie und nahm meine Handtasche, in die ich das wichtigste Zeug reinwarf. Mit Stolz stellte ich fest, dass Bella das dunkelrote Kleid trug, was ich ihr ausgesucht hatte. Es sah einfach toll an ihr aus. Ihr dunkelbraunes Haar fiel ihr in großen Wellen über die Schulter. Sie verdrehte leicht genervt die Augen, als sie mein triumphierendes Grinsen sah. „Jaja, du hattest Recht, als du meintest, ich soll das Kleid kaufen“, gab sie geschlagen zu, musste dann aber selber auch grinsen. Mein Outfit hatte ich im am selben Tag gekauft. Ich trug ein schwarzes Kleid, was knapp über die Knie ging. Ein kürzeres hätte ich nicht anziehen können, da sich dunkle Schürfwunden über meine Knie zogen. Meine Arme wurden von einem kurzen cremefarbenen Jäckchen verdeckt, welches ich den ganzen Abend anbehalten musste. Meine kurzen dunklen Haare waren fransig und standen leicht ab, so wie immer eben. Wir gingen zum Bahnhof und fuhren mit dem Zug, da das Theater etwas außerhalb von Seattle war. Es war eines der schönsten Gebäude hier in der Gegend. Es war im viktorianischen Stil erbaut und wirkte auf mich sehr ehrfürchtig, wie es umringt von großen Ahornbäumen mit hellen Spotlights beleuchtet wurde. Ein großes Plakat über der riesigen Eingangstür zeigte an, welches Musical wir heute sehen würden: Tanz der Vampire. Stimmt ja, das war es, wovon Bella schon geschwärmt hatte. „Ich freu mich schon seit einer Ewigkeit, darauf“, meinte sie begeistert. Wir gingen gemeinsam rein und tranken zum Empfang ein Glas Sekt. Die große Eingangshalle wirkte fast, wie als hätte jemand Anfang Zwanziger die Zeit angehalten. Es war einfach wunderschön, und der pompöse Lüster tauchte alles in ein angenehm warmes Licht. Etwas später wurden wir in den Theatersaal zitiert, welcher mit seinen blutroten Samtsitzen und Vorhängen den Zwanzigerjahre Flair weiterhin auffasste. Es war einfach großartig, und Bella schien ebenso begeistert zu sein, wie ich. Wir setzten uns auf unsere Plätze und ich strich sanft über die weiche Armlehne. Wenige Minuten später ging das Licht aus, und das Stück begann. Die Anfangsmelodie ertönte und auch gleich zeigten sich die Darsteller. Es war ein tolles Stück, ich war absolut begeistert. Jedoch kam dann eine Stelle, wo sich Graf von Krolock, der Vampir, an dem Duft einer jungen Dame genoss und sich an ihren Hals presste. Unwillkürlich griff ich mir selber an den Hals. Es war wie ein De ja vù, und mir wurde leicht schwindelig vor Augen. Mein Angreifer hatte sich genau wie ein Vampir verhalten. Ich starrte auf die Bühne. Sei nicht dumm, als ob du an Vampire glauben würdest! Ich atmete tief durch und konnte schließlich doch über mich selbst grinsen. Jedoch ging mir der Gedanke nicht so ganz aus dem Kopf. Der Regen prasselte laut gegen die Fensterscheibe des Zugabteils. Mein Kopf war dagegen gelehnt und ich sah zu, wie die Tropfen unter der Geschwindigkeit an der Scheibe wanderten. Dabei sprenkelten sie das Mondlicht, welches auf der nassen Glasfläche glitzerte. Bella war bereits eine Station früher ausgestiegen, um schneller zu hause zu sein. Die gedämpfte Damenstimme ertönte und sagte mir, dass wir nun die Endstation erreicht hatten. Ich zog meinen kleinen Regenschirm aus meiner Handtasche und öffnete ihn noch im Zug vor der Tür, ehe ich ausstieg. Der Bahnhof war wie leergefegt, außer den Menschen, die aus dem Zug in die verschiedensten Richtungen strömten. Nur eine Person rannte nicht. Ein junger Mann, mir mit dem Rücken zugedreht. Er starrte auf den beleuchteten Abfahrtsplan, der in einem Glaskasten vor dem Regen geschützt wurde. Ich sah den Mann an. Er regte sich kein Stück. Er wurde pitschnass, und trotzdem rettete er sich nicht ins Trockene. Ich ging ein paar Schritte auf ihn zu und hielt meinen Schirm schützend über unsere beiden Köpfe. Nun drehte er seinen Kopf langsam zu mir. Er sah mich an, leicht verwundert aber er lächelte sanft. Eigentlich benutzte ich für Männer nicht das Wort `schön`. Ich war der Meinung, Frauen konnten schön, und Männer attraktiv sein. Doch ihn hätte nichts anderes beschrieben. Sein blasses Gesicht hatte etwas majestätisches an sich, seine blonden Locken hielten dem Regen gerade noch stand. Seine bernsteinfarbenen Augen blickten ruhig in meine. Auch ich lächelte leicht. „Zug verpasst?“, fragte ich nach. Er nickte leicht und warf noch einen Blick auf den Fahrplan. Ich folgte seinem Blick, als ob ich mich vergewissern wollte, dass er Recht hatte. Ich sah ihn erneut an. „Und jetzt?“ Er zuckte leicht mit den Schultern. „Ich werde hier wohl bis morgen früh warten müssen“, antwortete mit einer Stimme, weich wie Honig und doch irgendwie...löwenhaft. Was anderes fiel mir nicht dazu ein. „Aber sie holen sich doch den Tod, wenn sie hier so klitschnass warten!“, meinte ich empört. Ich hatte das seltsame Gefühl, ihm helfen zu müssen. Es war fast wie als würde ich ihn kennen. Meine Bemerkung schien ihn zu amüsieren, ein leichtes Grinsen huschte über sein Gesicht. „Ich denke, ich werds überleben.“ Ich sah ihn weiterhin an, und er musterte mich ebenfalls. „Kommen Sie mit mir. Dort können Sie ebenso gut auf den Zug warten“, bot ich an. Ich war über mich selbst verwundert. Ich würde sonst nie im Leben einen fremden Mann auffordern, mit in meine Wohnung zu kommen. Vor allem nicht nachdem, was mir gestern Nacht passiert war. Aber bei ihm, ich weiß nicht, kam es mir wie meine Pflicht vor. Er lächelte leicht. „Wenn es ihnen keine Umstände bereitet?“ Dann nahm er den Schirm, hielt ihn schützend über uns beide, und wir liefen los. Wir schwiegen eine Weile, doch es war nicht im geringsten unangenehm. Jedoch schaute ich ihn von der Seite aus an. „Wohin wollen sie denn fahren?“ „Nach hause“ „Sie wohnen nicht in Seattle?“ „Nicht direkt. Etwas außerhalb.“ „Was haben sie hier gemacht?“ Nun sah er mich auch an. Und lächelte leicht. „Ich musste mich um etwas kümmern!“ Ich nickte leicht und sah wieder nach vorne. „Wollen sie mir Ihren Namen verraten?“, fragte er höflich nach und blickte mich weiter an. „Alice.“ „Ein schöner Name. Schön sie kennenzulernen, Alice. Mein Name ist Jasper!“ Ich lächelte ihm zu. „Freut mich ebenfalls, Jasper!“ Wieder gingen wir schweigend weiter, bis wir an meinem Haus ankamen. „Hier wäre es. Im dritten Stock“, erklärte ich, während ich die alte Haustür aufschloss. Sobald ich im Flur war, faltete er den Regenschirm zusammen und folgte mir die Treppe nach oben. In meiner Wohnung tastete ich erstmal nach dem Lichtschalter, und das chaotisch, aber liebevoll eingerichtete Wohnzimmer wurde beleuchtet. „Machen Sie es sich bequem, ich hol erstmal ein Handtuch“, teilte ich ihm mit und verschwand im Bad. Dort griff ich nach einem frischen Tuch und ging in den Wohnbereich, wo er vor dem Sofa stehen blieb. „Sie können sich ruhig hinsetzen!“ „Aber ich möchte Ihre Couch nicht nass machen!“ Er sah mich an. Ich grinste. „Halb so wild, setzen Sie sich!“, forderte ich ihn freundlich auf. Er zögerte erst noch, setzte sich dann aber doch auf das Sofa. Ich setzte mich neben ihn und reichte ihm das Handtuch. Er zog sein Jackett aus und legte es vorsichtig über den Couchtisch, darauf bedacht, nichts der daraufliegenden Sachen zu erwischen. Sein weißes Polohemd war ebenso durchnässt und zeichnete so seinen muskulösen Oberkörper ab. Er kam mir wirklich bekannt vor, aber ich wusste einfach nicht woher. „Sind Sie Schauspieler?“ Vielleicht hatte ich ihn ja mal mit Bella in einem Stück gesehen. Das Aussehen hatte er allemal. Doch er sah mich verdattert an und hielt inne beim abtrocknen. „Nein, weshalb fragen Sie?“ Er sah mich an, als würde er versuchen, meinen Blick zu deuten. Ich winkte ab. „Nur so!“ Er strich weiter mit dem Handtuch über seinen nassen Körper und ich gab mir Mühe, ihn dabei nicht anzustarren. „Kann ich Ihnen etwas anbieten? Haben Sie Durst? Oder vielleicht Hunger?“ Er lächelte erneut. „Nein danke, ich brauch nichts!“ Ich sah ihn weiter an. „Das sollten Sie auch noch ausziehen, dann kann ich das Zeug in den Trockner stecken“ Er sah mich mit einem unergründlichen Blick an. „Keine Angst, ich dreh mich natürlich weg!“, versicherte ich ihm grinsend. Ich stand auf und ging ins Bad, um ihn meinen Bademantel zu bringen. Er nahm ihn entgegen und ich ging in die Küche, um mir etwas zu trinken zu holen. Dort wartete ich an den Thresen gelehnt ab, bis er soweit war. Keine Minute später stand er schon in der Küchentür, bedeckt von meinem dunkelblauen Bademantel und hielt seine Kleidung sauber zusammengefaltet in der Hand. „Sie können froh sein, dass ich nicht auf Pink stehe“, meinte ich und nickte grinsend zum Bademantel. Er lächelte ebenfalls breit. Ich nahm ihm seine Klamotten ab und brachte sie in den Keller, wo sich die Waschküche befand. Ich stopfte es in den Trockner und machte mich wieder auf den Weg nach oben. Jasper saß nun auf dem Sofa, die Hände im Schoß gefaltet. Ich setzte mich erneut neben ihn. Da tat er etwas, was mich sehr überraschte. „Alice, geht es Ihnen gut?“, fragte er nach und sah mir direkt in die Augen. „Äh ja, wieso sollte es nicht?“, antwortete ich perplex. Er hielt dem Blick stand, und seine Augen drückten plötzlich etwas wie Besorgnis, oder auch Mitgefühl aus. „Wirklich?“ Ich zögerte eine Weile, ehe ich nickte. Es war fast, wie als wüsste er, dass mir etwas zugestoßen ist. Doch er fragte nicht weiter nach und sein Blick wurde wieder lockerer. Seine Augen wanderten mein Wohnzimmer ab, und blieben in der kleinen Ecke hängen, wo ich meine Skizzen, Leinwände und angefangene Bilder aufbewahrte. Unsicher schaute er wieder zu mir. „Darf ich?“ Ich nickte lächelnd. „Natürlich!“ Er stand auf und ging zu meinen Arbeiten. Auf einer Staffelei waren ein paar Skizzen, welche er langsam durchsah, jeder einzelnen schenkte er seine volle Aufmerksamkeit. Bei einem Bild hielt er inne. Es war das letzte, was sich auf der Staffelei befand. Ich hatte es unter den anderen Skizzen begraben, weil es mich einfach nicht zufrieden stellte. Ich konnte die Emotionen darin nicht einfangen, die empfand, als ich dieses Motiv am eigenen Körper erlebte. Es stellte letzte Nacht dar, meinen Schutzengel und mich. Ich hatte es heute erst angefertigt. Aber wie gesagt, mir gelang es nicht, die Emotionen auch nur annähernd darzustellen. Die Verwunderung, die Vertrautheit, sowie auch das Gefühl der Sicherheit und des Glücks. All das, was ich fühlte, während ich in den Armen meines Retters lag. Das Bild konnte ihnen nicht gerecht werden. Jasper jedoch konnte seinen Blick von dem Bild nicht losreißen. Ihn schien es zu bewegen. Langsam fuhr er mit den Fingerspitzen über die beiden Personen. Ganz vorsichtig, als hätte er Angst, auch nur einen Strich zu verwischen. Ich stand auf und stellte mich neben ihn, den Blick ebenfalls auf die Skizze gerichtet. „Es ist... ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll!“ Die Emotionen, die sein Blick mit sich brachten, hauten mich fast um. Er bündelte sowas wie Sehnsucht, Stolz und Trauer gleichzeitig. Ich war sprachlos. „Es spiegelt jedoch nicht meine Gefühle wieder!“, erklärte ich leicht bedrückt. Es gefiel ihm, und dadurch war ich noch bestürzter, dass es meinem Inneren nicht gerecht wurde. Warum auch immer. „Wie hast du denn gefühlt?“, fragte er leise mit fast schon flehenden Ton. Es war das erste Mal, dass er mich duzte. Und der Klang seiner Stimme fesselte mich. Er hob langsam seine Hand, und es sah so aus, als würde er mir über die Wange fahren wollen, doch er ließ sie schnell wieder sinken, ehe er mit meiner Haut in Kontakt kam. „Entschuldigen Sie meine Frage, das war zu persönlich!“, meinte er und seine Stimme klang wieder distanzierter. Er legte die anderen Skizzen wieder vorsichtig über das Bild und sah dann zu mir. „Wollen Sie nicht schlafen gehen? Sie sind doch sicher müde!“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin nicht Müde. Sind Sie es denn?“ Es war nicht ganz die Wahrheit, aber ich wollte bei ihm sein. Er zog mich irgendwie in seinen Bann. Seine Augen, seine Stimme. Die Art wie er mit mir redete. Wie er tausende Gefühle in einen Blick packen konnte, ausgelöst durch eine einfache Skizze von mir. Er lächelte leicht und schüttelte schließlich langsam den Kopf. „Ich bin es auch nicht!“ Ich grinste breit. „Gut! Ich könnte eigentlich mal nach ihren Sachen sehen, der Trockner dürfte schon ganze Arbeit geleistet haben!“ Er lachte. „Wenn es Ihnen keine Umstände bereitet“, meinte er noch immer grinsend. Ich winkte ab und flitzte erneut in den Keller. Und tatsächlich waren seine Klamotten schon trocken. Ich nahm sie in die Hand und rannte die Treppen hoch. „Ich könnte sie ihnen noch bügeln, das....“ „Das wären wirklich zu große Umstände!“, unterbrach er mich charmant und nahm mir die Sachen aus der Hand, während er meinen Blick fixierte. Ich gab mich geschlagen und verschwand wieder in der Küche, damit er sich ungestört umziehen konnte. „Tut mir leid,Sie aus Ihrem eigenen Wohnzimmer zu verscheuchen!“, rief er mir rüber. „Oh das ist kein Problem! Würde es mir was ausmachen, wäre ich einfach sitzen geblieben!“, rief ich aus der Küche zurück, woraufhin wieder sein Lachen ertönte. „Es gibt nicht viele Personen“, seine Stimme kam näher, „die so hilfsbereit sind, wie Sie!“ Nun stand er am Rahmen der Küchentür gelehnt, wieder perfekt zurechtgemacht und sah mich mit einem fast besorgten Blick an. „Jedoch ist es ganz schön waghalsig, einen fremden Mann mit in die Wohnung zu nehmen!“ Ich hielt seinem Blick stand. „Nun ja, aber Sie tun mir ja nichts!“ „Aber das wussten Sie ja nicht, als Sie mich am Bahnhof angesprochen haben.“ Er sah mich immer noch an. Ich lächelte leicht. „Doch! Irgendwie schon“, gestand ich, während ich an ihm vorbei zurück ins Wohnzimmer ging. Er folgte mir, leicht überrascht über meine Antwort. „Verraten Sie mir, warum?“ Ich blieb stehen und drehte mich um. Er stand direkt vor mir, und ich musste zu meinen Kopf recken um zu ihm aufzusehen. „Ich weiß nicht. So hilflos wie sie im Regen standen...vielleicht hat es einfach meinen Mutterinstinkt geweckt!“ Sein hinterfragender Blick verwandelte sich erneut in ein Lächeln. „Sah ich etwa so Mitleid erregend aus?“, hakte er nach. Ich lachte. „Naja, ein wenig schon!“, neckte ich ihn. „Belassen wir es einfach dabei, dass ich das Gefühl hatte, sie könnten mir nie etwas böses tun!“ Und änderte sich sein Blick und wurde nachdenklich. Er ließ meine Bemerkung unbeantwortet. Wir setzten uns wieder auf die Couch. Ich zog meine Beine an und kuschelte mich in die Ecke, welche mit Kissen übersät war, während er lässig die Beine übereinander schlug und sich, mir zugewandt, ebenfalls zurücklehnte. Er fragte mich, wie ich nach Seattle gekommen sei, er fragte über meine Kunst, und er fragte mich so vieles mehr. Ich war die ganze Zeit am reden, er hörte aufmerksam zu, und ließ es garnicht so weit kommen, dass ich ihn ebenfalls Dinge fragen konnte. Ich wachte in meinem Bett auf. Die Sonne war noch nicht richtig aufgegangen, oder war es einfach nur wegen der Regenwolken so dunkel? Ich schwang die Beine aus dem Bett und sah, dass ich noch immer mein Kleid an hatte. Jasper! Ich sprang aus dem Bett und ging ins Wohnzimmer. Er war weg... Ich lehnte mich seufzend an den Türrahmen an. Wieso hatte er mich nicht geweckt? Ich sah zum Wohnzimmertisch. Dort stand eine Vase, mit einer einzelnen roten Rose drin. Die war da gestern noch nicht. Nichtmal die Vase kannte ich. Ich ging hin um sie näher zu betrachten. Ein kleiner Zettel lag davor. Ein einzelnes Wort stand drauf, fein säuberlich geschrieben, wie es kaum von Menschenhand geschafft werden konnte. „Danke“. Ich ließ mich aufs Sofa fallen, den Zettel in der Hand und auf die Rose starrend. Er war weg. Ich wollte es nicht wahrhaben. Und ich wusste nicht warum. Wie konnte ein wildfremder Mann, den ich nachts am Bahnhof aufgegabelt hatte, solche Gefühle in mir auslösen? Ich wusste so gut wie gar nichts über ihn. Aber trotzdem hatte ich das Gefühl, ihn zu kennen. Ich fühlte mich sicher mit ihm, er hatte mein Vertrauen. Und jetzt sah ich ihn nie wieder. Das einzige was ich hatte, war die Rose und einen kleinen Zettel. Mein Gott, werd nicht sentimental, Alice! Das ist ja fast schon peinlich. Trotzdem musste ich weiter an ihn denken. Den ganzen Tag lang. Und auch in der Nacht hielt er mich vom schlafen ab..... Fortsetzung folgt.... wenn ihr wollt! ;) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)