Crystal blue von Armie ================================================================================ Kapitel 1: Intro [die Reise beginnt] ------------------------------------ Das Dröhnen der großen Rotorblätter hallte in Belas Kopf wieder als säße nicht er im Helikopter, sondern der Helikopter in ihm. Seit mehreren Stunden waren er und Farin nun schon gefangen in dem ohrenbetäubend lauten Fluggerät und obwohl der Drummer die schwarzen Ohrenschützer konstant getragen hatte, brummte ihm nun der Schädel. Mit verschränkten Armen saß er da und wusste nicht, ob er lieber aus dem Fenster und somit auf den kristallklaren unendlich blauen Atlantik schauen sollte, oder ob es vielleicht befriedigender wäre Farin mit vorwurfsvollen Blicken zu strafen. Er entschied sich für Variante Zwei, doch der Blonde schien das gar nicht so wirklich wahrzunehmen. Nur einmal schaute er kurz von seinem Buch auf, bemerkte Belas Blick, hob eine Augenbraue und widmete sich dann wieder seiner Lektüre. Es war zum aus der Haut fahren. Man konnte sich nicht beschäftigen, keine Musik hören und dass Farin es bei dem dröhnenden Lärm noch schaffte zu lesen, kam Bela wie ein Ding der Unmöglichkeit vor. Genervt rümpfte er die Nase, hob schließlich eine Hand zum Mund und begann gelangweilt an seinen Nägeln zu kauen. Eins stand auf alle Fälle fest: sollte Farin noch mal auf die Idee kommen, mit einem Helikopter in den Urlaub fliegen zu wollen, würde Bela das nicht mal gegen Bezahlung mitmachen. Nicht für eine so lange Strecke. Der Blonde hatte ihn dieses Mal zwar in Grund und Boden argumentiert, aber beim nächsten Mal würde der Drummer schlauer sein. Farins Lieblingspunkt ‚mehr Beinfreiheit’ ... ging ihm doch am Arsch vorbei. Im Flugzeug bekam man zumindest noch Essen serviert, hier hatte er nicht mal das. Warum hatte er sich eigentlich noch mal überreden lassen zu einem 6 Wochen langen Urlaub in Brasilien? Ah ja, die brasilianische Trash-Metalband Soulfly plante dort einen der größten Gigs des Jahrtausends. Metalbands aus allen Ecken der Welt spielten dort auf einem 3-tägigen Festival und das konnte Bela sich natürlich auf keinen Fall entgehen lassen. Die restlichen Tage würde er schon irgendwie füllen. Brasilien ist ja schließlich bekannt für seine gutgebaute weibliche Bevölkerung. Er würde schon keine Langeweile aufkommen lassen, da war er sich sicher. “Wann sind wir endlich da?“, moserte der Drummer schlecht gelaunt. Diese Ohrenschützer waren seiner Meinung nach die reinste Verarsche, sie hielten zumindest nicht wirklich den Lärm der Rotorblätter ab, aber durch sie konnte man zumindest mit seinen Begleitern kommunizieren. Jeder hatte ein kleines Mikrofon vorm Mund und wenn er was sagte, hörten die Anderen es über kleine Lautsprecher in den Ohrenschützern. Praktisch wie bei einem Headset. “Sag nicht, du musst jetzt auf Klo...“, kam es trocken von Farin, ehe er von seinem Buch aufblickte und den Drummer mit seinem typischen FU-Grinsen™ attackierte. Logisch, dass Farin gute Laune hatte, sie flogen schließlich gerade in den Urlaub. „Das auch, aber hauptsächlich ist mein süßes Hinterteil kurz davor mit dem Leder unter ihm zu verwachsen. Gottverdammt, mir tut der Arsch weh!!“ “Liegt daran, dass dein Zuckerarsch einfach nichts gewohnt ist...“ Gerade als Bela empört zu einer Antwort ansetzen wollte, verschwamm die Welt vor seinen Augen und ein ohrenbetäubendes Geräusch schien seinen Kopf von innen heraus zu sprengen. Der Druck auf seinen Ohren war so stark, dass er dachte gleich ohnmächtig zu werden. Es ging abwärts. Panisch krallte er sich in seinen Sitz, während der Druck, der auf ihm lastete, ihn bald zu zerquetschen schien. Dröhnendes Rattern hämmerte durch seinen Kopf. Die Welt außerhalb des Fensters drehte sich, wie die Wäsche in einer Waschmaschine. Meer und Himmel schienen wild durcheinander gewürfelt zu werden. Einzelne Gegenstände flogen haltlos durch den Helikopter und kurze Zeit später wurde Farin von einem wuchtig am Kopf getroffen. Blut schoss aus der Wunde, der Blonde hing sofort bewusstlos in den Gurten. Mit vor Schreck geweiteten Augen, sah Bela zu ihm rüber und konnte kaum mehr einen klaren Gedanken fassen. Wild kämpfte er um Luft, doch seine Lungen schienen wie zugeschnürt, Übelkeit kroch in ihm auf und nur ein paar Sekunden später wurde auch ihm schwarz vor Augen. ... Geweckt durch den leisen und weit entfernten Schrei einer Möwe öffnete Farin die Augen und blickte auf graues Metall. Wie durch Watte konnte er das leise Rauschen des Meeres vernehmen, seinen Körper spürte er nicht. Erst als er begann sich zu bewegen schoss ein ungeheuerlicher Schmerz durch seine Glieder, so stark dass er aufschrie und begann sich zu winden. Als er sich beruhigt hatte, versuchte er sich umzusehen und durch die ganzen Berge an rumliegendem deformierten Metall einen Überblick zu erhalten. Er saß noch immer auf seinem Sitz, der Gurt lang eng und erbarmungslos an seinem Oberkörper, seine Beine waren unter einer großen Metallplatte begraben, schienen allerdings noch funktionstüchtig zu sein, denn er konnte deutlich spürbar mit den Zehen wackeln. “Bela?“ Sofort schnallte der Blonde sich ab, arbeitete sich unter der Platte hervor und erblickte den Drummer. Scharf zog er die Luft ein. Bela lag nahe der rechten Außenwand am Boden, der Gurt schien ihn nicht gehalten zu haben. Das luftige Shirt des Drummers war blutgetränkt und die Blutung ging eindeutig von einer Wunde aus in der eine große Eisenstange steckte. Der Schwarzhaarige war im wahrsten Sinne des Wortes aufgespießt worden. “BELA!!!!“ Der panische Schrei Farins durchbrach die nun vorherrschende Stille des Helikopterwracks und drang noch weit über es hinaus. Kapitel 2: First Aid -------------------- Ungeschickt kämpfte Farin sich über den Schutt hinweg zu Bela, kniete sich neben ihn und stöhnte erleichtert auf, als er bemerkte, dass der Drummer röchelnd atmete. Jetzt hieß es Ruhe zu bewahren und sachgemäß zu handeln. Adrenalin rauschte durch die Adern des Blonden und doch zwang er sich ruhig zu bleiben und einen Schritt nach dem Anderen zu machen. Belas Wohl war weitaus wichtiger als blinde Panik. Nachdem er einmal tief ein- und ausgeatmet hatte, beugte Farin sich über den liegenden Körper und musterte die Stelle an der die Eisenstange im Brustkorb steckte, doch vor lauter Blut und dem Stoff des Shirts konnte er nicht einschätzen wie tief der Eindringling sich gebohrt hatte. Er konnte nur beten, dass keine Organe verletzt worden waren. Bela legte den Kopf auf die Seite und kniff fest die Augen zu, sein Gesicht nahm einen schmerzverzerrten Ausdruck an. Er war kurz davor zu erwachen. Farin hatte gehofft, dass er noch so lange ohnmächtig bliebe, bis er die Eisenstange entfernt hatte, denn das hätte dem Drummer sicherlich einigen Schmerz erspart. Beruhigend strich er nun durch das schwarze Haar und begann leise die Lage zu erklären, bevor der Verletzte auf die Idee kam unüberlegt zu handeln und sich vielleicht aufsetzte oder gar auf die Seite rollte. “Dirk?“ “Mhmmhm...“, kam die schwache Antwort und die grünen Augen öffneten sich für eine Sekunde, nur um dann wieder geschlossen zu werden. Die rechte Hand des Drummers wanderte zu der Wunde, doch Farin packte sie bevor sie die schmerzende Stelle erreichen konnte. “Nicht. Wir sind abgestürzt. Mir geht es gut, aber du hast da eine Stange zwischen den Rippen stecken. Beweg dich nicht, hörst du? Ich werde den Erste-Hilfe-Koffer suchen und versuchen dich von dem Ding zu befreien. Hast du sonst noch irgendwo Schmerzen?“ Ein leises leidendes Stöhnen drang zu dem Gitarristen. Ein dünner Schweißfilm bildete sich auf Belas Stirn und sein Gesicht verkrampfte immer wieder schmerzerfüllt. “Mein Kopf...“ “Ok, ich... guck mir das mal an.“ Erst jetzt realisierte Farin, dass auch sein Kopf wahnsinnig schmerzte. Als er die Stelle von welcher der Schmerz ausging berührte, zuckte er kurz zusammen und musste erkennen, dass auch er selbst nicht ganz unverletzt war. Blut klebte nun an seinen Fingern. Aber im Gegensatz zu Bela war er noch entsprechend gut weggekommen. Ne Platzwunde und diverse Schrammen waren sehr gut zu verkraften. Als Bela erneut wimmerte, begann der Blonde sich dessen Kopf zu besehen, konnte aber keine Wunden feststellen. Vielleicht zwei oder drei Beulen, aber nichts was blutete oder sich in irgendeiner Art und Weise entzünden konnte. Allerdings bestand natürlich immer noch die Möglichkeit, dass Bela eine Gehirnerschütterung oder ein Schleudertrauma erlitten hatte, das konnte er auf den ersten Blick nun wirklich nicht feststellen. Mit zitternden Beinen raffte Farin sich nun auf und machte sich auf die Suche nach dem Erste-Hilfe-Koffer. Ursprünglich war dieser unter seinem Sitz befestigt gewesen, doch als er dort nachschaute war er nicht mehr an seinem ursprünglichen Platz. Angestrengt und so schnell wie möglich schob er demolierte Bestandteile des Helikopters hin und her, kämpfte sich durch sie und fand schließlich das was er gesucht hatte direkt hinter dem Sitz des Piloten. Der Pilot!!! Schnell beugte sich der Blonde nach Vorne, um einen Blick auf ihn erhaschen zu können, doch der Anblick ließ ihn nur erschrocken aufschreien. Dort im Sitz saß eine blutüberströmte und seltsam verbrannte Leiche, mit grotesk verzerrtem Gesichtsausdruck. Ein Anblick der Farin kurz zum Würgen brachte. Dem Piloten war nicht mehr zu helfen. Geschockt torkelte Farin ein wenig rückwärts, krallte seine Finger um den Erste-Hilfe-Koffer und versuchte die Tatsache mit einer Leiche in einem Raum zu sein zu verdrängen. Wenn er sich nicht beeilte, dann wären es vielleicht sogar bald 2. Die Stange steckte genau mittig zwischen zwei Rippen auf der rechten Seite von Belas Brustkorb. Mittlerweile hatte Farin sich neben ihn gekniet, vorsichtig mit einer Schere das Shirt zerschnitten und vom Oberkörper des Drummers entfernt. Mit dem Gesicht nur ein paar Zentimeter von der Wunde entfernt betrachtete er jetzt die verletzte Stelle. An ihrem Rand hatte sich schon eine dünne Kruste gebildet, die den Blutfluss stoppte, doch um die Stange herum war sie noch geöffnet und glänzte nass-rot. Eiter hatte sich zum Glück nicht gebildet. Farin nahm sich die sauberen Überreste des Shirts, die er zuvor mit der Schere von den blutgetränkten getrennt hatte und hielt sie nah an die Wunde. Seine andere Hand umschlang die Eisenstange. “Das wird jetzt gleich schmerzen“, sagte er zu Bela, der nun ängstlich wimmernd zu ihm aufblickte, „beiß die Zähne zusammen. Ich zähle bis 3, dann zieh ich sie heraus.“ Er hatte keine Ahnung wie tief die Stange saß und wie viel Kraft er aufbringen musste, aber er wollte es so schnell wie möglich tun. “1....“ Sein Griff um die Stange wurde stärker, der Körper unter ihm begann zu zittern. “2...“ Ein letztes Mal wurde tief Luft geholt, Bela schloss fest die Augen und ballte seine Hände zu Fäusten. “3!!!“ Lediglich ein lautes schmerzvolles Aufstöhnen war zu vernehmen, dann das geräuschvolle Scheppern der Eisenstange, die Farin vor lauter Wucht aus der Hand gerutscht und gegen die Rückwand des Helikopters geschossen war. Sofort presste dieser die Shirtfetzen auf die nun wieder stark blutende Wunde und strich dem keuchenden, wild atmenden Bela sanft durchs Haar. “Ist alles in Ordnung, Dirk? Die Stange ist jetzt draußen, ich glaube sie hat nicht sonderlich tief gesteckt. Geht es dir gut?“ Bela nickte. “Ja, es... es geht. Fuck... das brennt wie Hölle...“ Nickend nahm Farin zur Kenntnis, dass Bela langsam wieder vollständig bei Bewusstsein war und lächelte ihn kurz aufbauend an. „Das wird schon wieder. Hauptsache keine Organe sind verletzt und die Wunde entzündet sich nicht.“ Er löste die Hand aus Belas Haar und griff sich eine Flasche mit Desinfektionsmittel aus dem Koffer. „Jetzt noch mal Zähne zusammenbeißen und dann hast du es geschafft.“ Als die alkoholische Flüssigkeit auf Belas Wunde traf, jaulte dieser kurz auf und wand sich ein wenig hin und her, doch dann blieb er ruhig liegen. Wenn starke Schmerzen verklungen waren, wirkten leichte immer wie die reinste Wohltat, beinahe als wären sie gar nicht da. Der Stein, der nun von Farins Herzen fiel, löste die angestaute Panik und Anspannung in dem Blonden und ließ diesen sich erschöpft nach hinten an die Außenwand des Helikopters lehnen. Eine Hand presste noch immer die Stofffetzen auf die Wunde, mit der anderen fuhr er sich über das Gesicht. Bela hatte überlebt und schien auf dem Weg der Besserung zu sein, das war die Hauptsache. Der Blonde wusste nicht, was er getan hätte, wäre Bela in seinen Armen weggestorben. Nachdem mehrere Minuten vergangen waren, nahm er den nun knallroten Stoff von der Wunde und versorgte diese mit Kompressen und einem Verband. Bela, der nun schon wieder aufrecht am Boden saß, sah sich fassungslos in dem Helikopterwrack um. “Wie genau ist das eigentlich passiert?“ Farin zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Der Treibstoff wird wohl kaum ausgegangen sein, wir hatten vorher extra noch mal voll tanken lassen.“ Neugierig war der Gitarrist mittlerweile aufgestanden und hatte sich die Stange geholt, die eben so geräuschvoll aus seiner Hand geflogen war. Der blutige Rand an einer Seite zeigte ihm, dass sie vielleicht gerade mal einen Zentimeter tief in Bela gesteckt hatte und sich wohl auch nur so standhaft in ihm gehalten hatte, weil sie blöd zwischen dessen Rippen verkeilt gewesen war. Wäre das nicht der Fall gewesen, wäre sie an jeder anderen Körperstelle niemals stecken geblieben, sondern einfach zur Seite umgekippt. “Was ist mit dem Piloten?“, kam es von Bela. “... tot...“ Eiskalte Schauer liefen über die Rücken der Beiden und keiner konnte es lassen einen kurzen Blick in Richtung Frontscheibe zu werfen. Auch wenn man den Piloten nicht sehen konnte, so war allein das Wissen, dass er dort leblos in den Gurten hing, Grund genug, dass ihr Verlangen das Wrack zu verlassen seinen Höhepunkt erreichte. Farin stand als erstes auf und öffnete mit einem starken Ruck die leicht verklemmte Seitentür. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)