Einweghass von mystique (∼ Eine Art, zu hassen ∼ SanjixZorro) ================================================================================ Kapitel 2: Verfluchter ---------------------- Sanji liebte das Kochen. Er lebte für das Kochen, es hatte sein Leben geprägt, ihn zu dem gemacht, was er heute war. Er war vermutlich einer der wenigen Menschen auf der Grand Line, der das von sich aus behaupten konnte. Er war vermutlich auch der einzige Mensch auf der Grand Line, der, wenn er über mehrere Stunden hinweg keine Kombüse sah, kein Küchenmesser in der Hand hielt oder nicht den vertrauten Klang von frischem Gemüse in einer heißen Pfanne vernahm, das Gefühl hatte, etwas von sich verloren zu haben. Zudem war er der einzige gottverdammte Mensch auf der gesamten Welt, der in diesem Moment den Drang verspürte, das ersehnte Küchenmesser nicht zum Kochen oder ähnlich Wundervollem, sondern zum Massakrieren eines bestimmten verdammten Schwertkämpfers zu benutzen! Einweghass ∼ Verfluchter Sanji stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch, seine Hände waren schweißnass und zitterten, wann immer er sie zu Fäusten ballte. Die Zigarette in seinem Mundwinkel hatte die unmögliche Aufgabe, sein Gemüt zu beruhigen, doch es endete bei jeder Kippe auf dieselbe Weise: Sanji verlor die Geduld, biss vor lauter angestauter Frustration zu fest zu, sodass sie bereits nach weniger als vier Zügen nutzlos wurde und er sich gezwungen sah, sie zu entsorgen. Dann folgte die Reue, begleitet von noch mehr Wut, weil wieder eine Zigarette das verfrühte Ende gefunden hatte und die Packung sich bereits bedrohlich dem Ende näherte. Er hatte mittlerweile sämtliche Gänge des Marineschiffes durchstreift, hatte jede Ebene mehrfach überprüft, ohne die geringste Spur von Zorro. Es war offensichtlich, dass er sich auf dem falschen Schiff befand, doch Sanji war noch nicht bereit, es sich einzugestehen. Zuzugeben, dass Zorro nicht auf diesem Schiff war, würde voraussetzen, einen Weg zu finden, von diesem Schiff auf das nächste zu kommen. Und es war mehr als offensichtlich, dass so ein Weg nicht existierte. Für den Bruchteil einer Sekunde sah Sanji sich selbst in einem winzigen Ruderboot, welches er aus voller Fahrt am Schiff hinab ließ und anschließend bei hohem Wellengang versuchte, dass Schiff nicht nur wieder einzuholen, sondern auch zu überholen und zum nächsten zu gelangen, bevor er feststellen musste, dass es keinen Weg an Bord gab. Ja, das war wahrlich einen Versuch wert. Es würde seinen Mordwunsch an dem Spinatschädel nur vervierfachen. Sanji blieb an einem Bullauge stehen und blickte nach draußen. Die Sonne ging unter, der Himmel leuchtete in einem satten Karmesinrot, es herrschte kaum Wellengang und kurzzeitig beruhigte er sich, während er abwesend in die Ferne blickte. Vielleicht gingen die Marineschiffe bei Nacht vor Anker, dachte er resignierend. Das wäre die einzige Möglichkeit. Er könnte zum nächsten Schiff schwimmen und an dem Anker hinaufklettern. Ja, so würde er es machen, es würde bestimmt niemand an Deck Wache stehen, man würde ihn nicht bemerken und falls doch, würde er behaupten, ihm sei nach einem Bad gewesen. Ja, so würde er es machen, das klang gut. Seufzend lehnte er die Stirn an das kühle Glas und schloss die Augen. Schwachsinn, schollt er sich gedanklich und verzog die Lippen zu einem verächtlichen Lächeln. Es war unmöglich, unbemerkt an Bord des anderen Schiffes zu gelangen. Warum hatte Zorro sich auch gefangen nehmen lassen? War der idiotische Schwertkämpfer wirklich so verblödet, dass er sich von der Marine überwältigen ließ? Sanji kam nicht umhin, enttäuscht zu sein. Er hatte mehr von Zorro erwartet. Als die Nacht hereinbrach und Ruhe auf den Marineschiffen einkehrte, stand Sanji an der Rehling und blickte abwesend zu den anderen Schiffen hinüber. Das fahle Mondlicht war seine einzige Lichtquelle und sorgte nur dafür, dass er mehr Schatten sah als alles andere. Er wurde aus den Gedanken gerissen, als Schritte hinter ihm erklangen. Er drehte sich um und musste sich in Erinnerung rufen, dass er Marinekleidung trug und darum keinesfalls auffällig, geschweige denn verdächtig wirkte. Die Holztür zu den hinteren Bereichen des Schiffes, wo die Räume des Kapitäns lagen, war geöffnet. Sanji wusste, dass Zorro dort nicht sein konnte, denn die Zellen befanden sich im unteren Teil des Schiffes, außerdem hätten die Matrosen an Bord davon gesprochen. Sanjis Aufmerksamkeit wurde von eine schlanken Gestalt angezogen, die die Tür nun hinter sich schloss. Es war eine Frau - eine unglaublich attraktive Frau, wie Sanji selbst im schwachen Mondlicht erkennen konnte. Sie hatte lange, helle Haare, die faszinierend glänzten und es dauerte Sekunden, bis Sanji realisierte, dass sie die Uniform des Kapitäns trug. Sie richtete sich an die Matrosen, die die Segel einholten und rief: „Den Anker auswerfen.“ „Jawohl, Miss Hina!“ Die Männer salutierten, bevor sie sich an den Seilen hinab ließen und den Befehl befolgten. Die Kette des Ankers klirrte, als er in das Meerwasser sank. Sanji konnte nicht anders als die Frau anzustarren. Er kannte den Namen, hatte ihn bereits gehört, wusste nur nicht mehr genau wo. Dabei würde er sich jederzeit an einer Schönheit wie sie erinnern, da war er sich sicher. Er bemerkte, dass sein Blick zu offensichtlich war, als sie ihn direkt ansah. „Matrose“, sagte sie schneidend und Sanji befürchtete bereits, dass sie ihn als Hochstapler erkannt hatte. „Admiral Smoker wünscht Hina zu sehen. Du wirst sie begleiten.“ Sanji, zunächst irritiert durch die Sprechweise der Frau, nickte reflexartig, nicht in der Lage zu widersprechen. Dann erst wurde ihm die wahre Bedeutung ihrer Worte bewusst und er musste sich daran hindern, wie ein Idiot zu grinsen. Endlich hatte er seine Lösung. Sie war weitaus simpler, als er befürchtet hatte und dennoch genauso, wenn nicht sogar um Weiten effektiver. Er salutierte gehorsam. „Sehr wohl, Miss Hina.“ Er lächelte charmant. „Und darf ich bemerken, dass Sie heute besonders reizend aussehen.“ Hina warf ihm einen warnenden Blick zu. „Hina wird diese Aussage übergehen, sollte es sich jedoch wiederholen wird sie demonstrieren, wie reizend sie wirklich ist.“ Sanji nickte, spürte den Stich der Enttäuschung, ließ es sich jedoch nicht anmerken. „Natürlich, Miss Hina.“ „Und jetzt bereite das Boot vor.“ Sanji befolgte den Befehl. Er ließ das Boot ins Wasser gleiten, warf die Strickleiter aus und blieb erwartungsvoll stehen. Hina nickte ihm knapp zu, dann kletterte sie die Leiter hinab. Sanji wartete, bis sie unten war, dann folgte er ihr. Er hatte gerade Platz genommen und griff nach den Rudern, als über ihnen aufgebrachte Stimmen erklangen. „Miss Hina, wohin gehen Sie?“ „Wollen Sie uns etwa zurücklassen?“ Die Köpfe von zwei Marinesoldaten schoben sich über den Rand der Rehling. Sanji erstarrte mitten in der Bewegung, als das Mondlicht eines der Gesichter beschien. Beinahe wäre das Ruder seinem mit einem Mal schwachen Griff entglitten. Kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn, unwillkürlich fröstelte er. Oben an Deck, gekleidet in eine gewöhnliche Marineuniform, stand Fullbody Eisenfaust, ehemaliger Leutnant einer Marineeinheit. Sanji konnte sich noch gut an ihn erinnern, er war ihm zum ersten Mal im Baratie begegnet. Damals hatte Fullbody den Vize von Don Kriegs Piratenbande, Gin, gefangen genommen und war voller Arroganz im Baratie erschienen, um seinen Erfolg zu feiern. Dort hatte er es gewagt, Sanji zu kritisierten, wofür er teuer bezahlt hatte. Diese Schmach hatte er Sanji nie verziehen, auch später, als sie sich erneut begegnet waren, doch wieder hatte er eine Niederlage verbüßen müssen. Tatsache war jedoch, dass er Sanjis Gesicht kannte – besser als Sanji es sich wünschte – und somit in der Lage war, Sanjis gesamten Plan zu ruinieren und noch viel schlimmer – ihn als Hochstapler zu enttarnen. „Hina wird von Admiral Smoker erwartet“, riss Hinas Stimme Sanji aus den Gedanken an vergangene Ereignisse. „Sie wird bald zurückkommen.“ „Und Sie wollen uns nicht mitnehmen?“, fragte Fullbody und wirkte tatsächlich enttäuscht. Der Mann neben ihn, von ungewöhnlichem Äußeren mit dunklen Brillengläsern und einem markanten Bart schüttelte bedauernd den Kopf: „Wir sind Miss Hinas treueste Untergebene!“ „Gefreiter Fullbody, Gefreiter Jacko, Hina muss euch auffordern, hier zu bleiben.“ „Niemals!“ „Nur über unsere Leichen!“ Bevor Hina protestieren konnte, taten die Männer das, was Sanji befürchtet hatten und ließen sich zu ihnen ins Boot hinab. Sie griffen jeweils nach einem Ruder und setzten das Boot in Bewegung. Misstrauisch beäugten sie Sanji, der sich reflexartig die Marinemütze tiefer ins Gesicht zog und ihren Blick auswich. „Und wer ist er? Ist er etwa Ihr neuer Gefreiter, Miss Hina?“ „Nein, er stand zufällig dort und Hina hat ihn gebeten, sie zu begleiten. Dennoch schuldet Hina euch keine Rechtfertigung.“ „Und wie heißt er?“, knurrte Fullbody und beäugte Sanji finster, während er ruderte. „Matrose San“, log Sanji und verstellte seine Stimme, so weit es möglich war, dabei betend, dass Fullbody sein Gesicht im bloßen Mondlicht nicht wieder erkennen würde. Waren seine Haare weitgehend von der Mütze verdeckt? Würde sein Kinnbart ihn verraten? Hätte er wohlmöglich höher sprechen sollen, anstatt tiefer? „Hab dich hier noch nie gesehen“, erwiderte Fullbody und ließ ihn nicht aus den Augen. „Bin neu“, murmelte Sanji und wandte den Blick ab. „Hab noch nicht viel Erfahrung.“ „Ein Neuling“ entwich es dem anderen Mann, der auf Sanji einen weitaus umgänglicheren Eindruck machte. Erst jetzt erkannte Sanji, dass die Gläser seiner Brille herzförmig waren. „Man gewöhnt sich schnell an dieses Leben. Für mich war es nicht schwer, du musst wissen, ich war eigentlich Tänzer, und obwohl ich furchtbar berühmt hätte sein können, habe ich mich für dieses Leben entscheiden, weil -“ „Red keinen Unsinn“, unterbrach Fullbody ihn schroff, „aus deiner Karriere ist nichts geworden, darum bist du hier.“ „Das sagst du!“ „Das sagen alle.“ Sanji war erleichtert, dass das Gespräch eine andere Richtung einschlug und als sie schließlich das andere Schiff erreichten, konnte er es kaum abwarten, dass enge Boot zu verlassen. An Deck blickte er sich erwartungsvoll um, stellte jedoch fest, dass es dem anderen Schiff beinahe haargenau glich. „Hina wird in Kürze zurückkehren“, sagte die Frau im Vorbeigehen und betrat den hinteren Bereich des Schiffes, wo Smoker auf sie zu warten schien. Sanji atmete erleichtert aus und wollte sich bereits abwenden, als eine Hand sich schwer auf seine Schulter legte. „Wir sind uns schon begegnet“, sagte Fullbody und seine Stimme war nachdenklich. Sanji erstarrte. „Ich komme bloß nicht drauf. War es vielleicht bei der Ausbildung?“ Mechanisch nickte der Smutje. „Das muss es gewesen sein“, murmelte Fullbody und ließ ihn los. „He Jacko, hast du schon mal Matrosen aus deinem Ausbildungslager wieder gesehen?“ „Ich hatte nie eine Ausbildung. Ich wurde umfunktioniert.“ „Wie bescheuert klingt das denn?“ „Aber es ist so.“ Sanji nutzte die Unachtsamkeit der Gefreiten, um sich von ihnen zu entfernen. Bevor einem der beiden seine Abwesenheit auffiel, war er bereits unter Deck. Er durchkämmte die erste Ebene, ohne Erfolg, in der zweiten wurden seiner Hoffnungen bestätigt. Er schlich an einer offenen Tür vorbei, als vertraute Geräusche seine Aufmerksamkeit erregten und ihn innehalten ließen. Voller Faszination wanderte sein Blick durch die Kombüse des Marineschiffes. Sie war sauber, ordentlich und alles, wovon er in den vergangenen Stunden geträumt hatte. Ein Teil von ihm drängte ihn dazu, nur kurz hineinzugehen und sich genauer umzusehen, doch der vernünftigere andere Teil befahl ihn, sich von diesem wundervollen, atemberaubenden, traumhaften .... – sich von diesem Anblick zu lösen! Er schüttelte den Kopf und löste sich aus der Starre. „Reiß dich zusammen“, murmelte er und wandte sich ab, als Stimmen aus der Kombüse seine Aufmerksamkeit erregten. „Was ist mit dem Essen für den Gefangenen? Der Matrose hätte vor Stunden kommen sollen.“ „Lass doch stehen. Kälter kann es nicht werden.“ „Aber sollte man nicht –“ „Das da unten ist ein elender Pirat, es schadet nichts, wenn man ihn vergisst.“ Sanji horchte auf und konnte im ersten Moment seinen Ohren nicht trauen. Das war zuviel des Guten auf einmal, das war unmöglich! „Da hast du auch wieder Recht.“ „Pirat ist und bleibt Pirat. Abschaum der Meere.“ Sanji verzog bei dieser Bezeichnung den Mund, zwang sich zur Ruhe und betrat dann die Kombüse. „Entschuldigung für die Verspätung.“ Er lachte verlegen. „Hatte doch tatsächlich vergessen, was der Chef mir aufgetragen hat.“ Die Blicke der noch anwesende Köche und Küchenjungen ruhten auf ihm. Sanjis Blick fiel auf ein Tablett und er griff danach. „Bitte erzählt nichts von meiner Unachtsamkeit, es ist nicht gerne gesehen“, fuhr er fort und lachte erneut. Die Blicke, die auf ihm ruhten waren ernst, dann lockerte sich die angespannte Stimmung und einer der Köche stimmte in sein Lachen mit ein. „Ist doch kein Problem. Niemand kommt dabei zu Schaden.“ Ja, außer Zorro, dachte Sanji und spürte kalte Wut angesichts der Gleichgültigkeit, die den Piraten zuteil kam. Aber er ist ja nur ein dreckiger Abschaum der Meere. „Das stimmt wohl“, grinste er und fühlte sich dabei für einen Moment so unglaublich schlecht, dass es ihn selbst überraschte. „Also danke.“ Mit einem letzten Gruß verließ er die Kombüse. Schnelle Schritte entfernten ihn von dem Gang, führten ihn mehrere Holztreppen nach unten, bevor er schwer atmend stehen blieb. „Elende Heuchler der Gerechtigkeit!“, zischte er leise, der Griff um das Tablett verkrampfte sich, bis seine Knöchel weiß hervortraten. „Als wären wir irgendwie weniger wert, nur weil wir Piraten sind. Wir sind immer noch Menschen.“ Er richtete sich auf und schob diesen Gedanken beiseite. Er musste Zorro finden, er durfte sich nicht von der Moral der Menschen an Bord beeinflussen lassen. Er lief weiter, wusste zunächst nicht wohin, bis er einen Flur erreichte, an dessen Ende ein Marinesoldat vor einer Tür Wache hielt. Sanji wusste instinktiv, dass er richtig war. „Ich bringe Essen für den Gefangenen“, sagte er und gab sich genervt, angesichts der lästigen Aufgabe, die ihm zuteil wurde. „Etwas spät“, bemerkte der Soldat beiläufig, bevor er beiseite trat und den Weg freigab. „Tja, besser spät als nie“, entgegnete Sanji, dann zog er die Tür hinter sich zu. Es folgten weitere Stufen, dann öffnete sich vor ihm ein langer Gang, zu dessen Rechten und linken sich die Zellen befanden. Sanji griff nach einem Schlüsselbund, der neben ihm an einem Nagel im Holz hing und streckte ihn sich in die Tasche, dabei darauf bedacht, das Tablett nicht fallen zu lassen, bevor er sich in Bewegung setzte. Sein Blick wanderte durch die einzelnen Zellen und als sich vor ihm die Umrisse, einer sitzenden Gestalt abzeichneten, spürte er tatsächlich einen Stich der Erleichterung, bevor sie keinen Augenblick später von heißer Wut verdrängt wurde. Dort saß der Mann, der Schuld an all diesem Chaos war. Einzig wegen ihm hatte Sanji die vergangenen Stunden nur Probleme gehabt! Die Gestalt rührte sich und kurz vergewisserte Sanji sich, dass außer ihnen kein weiterer Gefangener hier war. Abgesehen von einer Tür am anderen Ende des Ganges konnte er nichts erkennen, auch keine schattenhaften Schemen in den anderen Zellen. Er griff nach dem Schlüssel in seiner Tasche und schloss die Zelle auf. Er trat ein und stellte das Tablett vor Zorro auf den Boden. Er wusste, dass der Schwertkämpfer ihn bis zu diesem Moment nicht ein einziges Mal aus den Augen gelassen hatte. Nun ruhte sein Blick auf der kümmerlichen, für einen Koch wie Sanji - der offensichtlich vollkommen andere moralische Vorstellungen hatte, als die Köche der Marine – mehr als unverschämte Mahlzeit. „Ich möchte mich ja nicht beklagen“, sagte Zorro mit eindeutigem Spott in der Stimme, „nicht angesichts dieser unbestreitbaren Gastfreundschaft“ – Sanji musste bei dieser Wortwahl unwillkürlich grinsen – „aber eine Frage stellt sich mir leider dennoch. Wie soll ich ohne Hände essen und trinken.“ Das Klirren der Handschellen erregte Sanjis Aufmerksamkeit und er kam nicht umhin, sich dieselbe Frage zu stellen. Die Marine war wirklich ein Haufen inkompetenter Idioten, ganz wie er es immer geahnt hätte. Auch hätten sie sonst nie ein so hohes Kopfgeld auf einen ebensogroßen Idioten wie Zorro ausgesetzt. Sanjis Mundwinkel zuckten. „Wie wäre es mit den Füßen. Tun Affen im Dschungel das nicht?“ Zorros Reaktion war interessant zu beobachten. In einer raschen Bewegung sah er auf, hatte er die Stimme doch zweifellos wieder erkannt. Sanji steckte sich seine letzte Zigarette zwischen die Lippen, dann entzündete er das Feuerzeug und gab Zorro mit dem schwachen Licht, das seine eigenen Züge erhellte, den letzten Hinweis. Die Spitze der Zigarette glomm rot auf, als Sanji den wohl angenehmsten Zug seit langem nahm. Zorro konnte es im ersten Moment nicht glauben und fragte sich verwirrt, ob der Schlag auf den Kopf ihm seinen letzten Rest an Verstand geraubt hatte. Den, der nicht in dem Kampf gegen Falkenauge hops gegangen war. Doch die Gesichtszüge waren unverkennbar, ebenso die Stimme und gerade dieses widerliche Grinsen im Gesicht des Smutjes war einmalig. Nein, Zorro wusste im selben Moment, in dem er es zu bestreiten versuchte, dass er nicht halluzinierte, dass Sanji tatsächlich vor ihm stand und dass der Koch offenbar seinen Verstand verloren haben musste, wenn er sich als Pirat auf ein Marineschiff wagte. „Wie ich sehe bist du wohlauf, Säbelrassler“, bemerkte Sanji und stieß den Rauch seiner Zigarette in die Luft. Zorro starrte ihn an, öffnete den Mund und sagte schließlich: „Bist du denn vollkommen wahnsinnig?!“ Sanji schien mit vielem gerechnet zu haben, jedoch nicht mit diesen Worten. Er beugte sich vor und schien ernsthaft verwirrt. „Was?“ „Bist du von allen verdammten Geistern verlassen, Smutje?!“ Zorro starrte Sanji wütend an. „Hegst du irgendwo in deinem offenbar inaktiven Gehirn den Wunsch, so zu enden wie ich?“ „Ich fürchte, ich verstehe nicht“, sagte Sanji langsam und ging vor Zorro in die Hocke. „Ich bin durch all diesen Mist gegangen, um dich zu befreien, wäre beinahe dafür durchs Meer geschwommen, bin nur knapp der Enttarnung entkommen, habe sämtliche Kippen wegen dir verschwendet und“ - Sanjis Hand schnellte nach vorne und er packte Zorro grob am Kragen seines blutigen Hemdes – „so dankst du es mir?! Indem du mich beleidigst. Ich fürchte, du verstehst nicht, in welcher Lage du dich befindest Spinatschädel, aber ich bin es, der dich –“ „Und ich fürchte du verstehst nicht, in welche beschissene Gefahr du dich begeben hast!“, spuckte Zorro zurück, woraufhin der Griff um sein Hemd sich verfestigte. „Verdammt Sanji, das ist ein verfluchtes Marineschiff!“ „Das weiß ich auch! Ich bin derjenige, der schon zwei von ihnen absuchen konnte, weil du ja unbedingt in diesem hier sein musstest! Hab ich dir eigentlich schon gesagt, dass ich dich dafür hasse?!“ Zorros Augenbrauen zogen sich zusammen. „Zwei von ihnen? Wie viele sind es?“ „Drei“, knurrte Sanji. „Aber das ist egal, es ädert nichts daran –“ Zorro hörte ihm nicht zu. „Das bedeutet, mindestens hundertfünfzig Soldaten.“ „Inklusive Smoker“, ergänzte Sanji. „Ja“, stimmte Zorro und sein Blick wurde noch finsterer. „Das erklärt, warum sie da war.“ „Wer?“ „Tashigi.“ „Ah.“ Sanji lag ein Kommentar auf den Lippen, aber er beschloss, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt dafür war. „Und schließlich noch die andere Frau.“ „Meinst du Hina?“ Zorro sah auf. „Du kennst sie?“ Sanjis Mundwinkel hoben sich gegen seinen Willen. „Ich war bis eben noch ihre Eskorte auf dieses Schiff“, bemerkte er voller Stolz. Zorro hob die Augenbrauen, zuckte dann jedoch gleichgültig die Schultern, ignorierte dabei den Schmerz der verkrampften Muskeln. „Das erklärt, wie du es auf dieses Schiff geschafft hast.“ Sanji war im ersten Moment verärgert, weil Zorro ihm nicht die angemessene Anerkennung zuteil kommen ließ, doch die Erkenntnis, dass die dunklen Flecken auf Zorros Gesicht, die er zunächst für bloßen Schatten gehalten hatte, Blut waren, lenkten ihn von seinem Ärger ab. „Was hat man denn mit dir gemacht?“ „Wieso?“ Zorro war irritiert. „Sehe ich so fertig aus?“ „Nein, aber du bist blutverschmiert im Gesicht. Wenn das das Blut deines Gegners ist, will ich ihn nicht sehen.“ „Ist es nicht. Das ist meins.“ Sanji beugte sich zur Seite um einen Blick auf die Seite von Zorros Kopf zu bekommen und er erblickte einen großen, roten Fleck. „Wenn es nur halb so scheiße aussieht, wie ich mich fühle, dann bin ich erleichtert“, grinste Zorro und schloss für wenige Sekunden die Augen. Sanji warf ihm einen flüchtigen Blick zu. „Das ist eine beschissene Art von Humor, Zorro.“ „Das war kein Scherz“, war alles, was Zorro noch sagte, bevor er lange schwieg. Sanji musterte ihn eindringlich, dann blickte er auf das Tablett hinab. „Vielleicht solltest du wirklich etwas essen.“ „Vielleicht“, stimmte Zorro ihm zu. „Aber erst muss ich diese Handschellen loswerden. Oder willst du mich füttern?“ „Sei nicht albern, Säbelrassler.“ Sanji griff nach Zorros Arm und zog ihn hoch. Er griff nach dem Schlüsseln, als laute Stimmen vor der Tür ihre Aufmerksamkeit erregten. „Ja ... ist hier vorbeigekommen ...“ „... was gesagt?“ „... Essen, für den Gefangenen bringt.“ „Lasst uns durch!“ „Scheiße“, fluchte Sanji und ließ Zorro los, der sich schwer atmend gegen die Gitter sinken ließ. Der Schlag auf den Kopf war ein guter Treffer gewesen, doch er war noch immer in der Lage zu erkennen, dass Sanji und er Probleme bekamen. Fahrig griff Sanji nach dem Schlüsselbund und suchte nach dem Gegenstück für Zorros Handschellen. Der erste Schlüssel war der Falsche, den zweiten bekam er beinahe nicht mehr aus dem Schloss. „Verdammt“, zischte der Smutje. „Warum jetzt? Komm schon ...“ Die Tür am Ende des Ganges wurde aufgerissen und nun drangen die Stimmen klar und deutlich zu ihnen vor. „Wo ist er?“ „Er kann nicht weit sein!“ „Ich wusste, ich kenne dieses Gesicht! Ich könnte es nie vergessen.“ Auch der dritte Schlüssel passte nicht und das war der Moment, in dem ein Ruck durch Zorros Körper ging. „Lauf, Sanji“, sagte er und gab dem Koch mit seiner Schulter einen Stoß. Sanji starrte ihn voller Fassungslosigkeit an. „Was?!“ Zorro hob ein Bein und trat Sanji in die Kniekehlen, woraufhin er aus der Zelle stolperte, dicht gefolgt von Zorro selbst. „Das ist er!“ „Lasst ihn nicht entkommen!“ „Steh da nicht rum!“, fuhr Zorro ihn an und stieß ihn erneut in die Richtung der anderen Tür. „Geh!“ „Nein, was ist mit –“ „Verdammt Smutje, lauf!“ Zorro schrie ihn jetzt an. „Aber –“ „Hörst du schlecht?! Lauf!!“ Sanji sah aus, als stünde er neben sich, doch er drehte sich um und befolgte den Befehl. Zorro sah ihm nicht nach, richtete seine Konzentration auf die drei Marinesoldaten, die auf ihn zustürmten. Zwei der Gesichter kamen ihm flüchtig bekannt vor, doch er hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, ob er ihnen schon einmal begegnet war. Er musste sie aufhalten und Sanji einen angemessenen Vorsprung verschaffen, damit er wenigstens eine kleine Chance hatte. „Aus dem weg, Pirat!“ „Nur über meine Leiche“, grollte Zorro, holte Schwung und stieß einem der Marinesoldaten die Schulter vor die Brust. Der Mann schrie auf und stolperte zurück. Einer der anderen holte mit dem Schwert aus und hätte Zorro einen Arm abgetrennt, hätte der Schwertkämpfer ihm nicht den Rücken gekehrt und den Schlag mit den Eisenschellen um seine Handgelenke abgefangen. Er spürte Hände, die an ihm zerrten, ein Stechen in seinem Oberarm zeugte von einer Schnittwunde, doch er konnte nicht aufgeben. Er holte aus und schleuderte seine gefesselten Hände mit allem Gewicht das er hatte in den Magen eines der Soldaten. Mit einem Stöhnen brach dieser zusammen und Zorro verzog triumphierend die Lippen. Ein explodierender Schmerz in seinem Kopf zwang ihn Momente später in die Knie. Er sah auf und erblickte einen der Soldaten, die eiserne Faust gehoben. Und in diesem Moment erkannte auch Zorro Fullbody Eisenfaust wieder, doch es war bereits zu spät. „Gute Nacht, Piratenjäger“, hörte er ihn noch sagen, bevor sich vor seinen Augen erneut grelles Licht einem Inferno gleich ausbreitete und Dunkelheit ihn umfing. „Scheiße“, keuchte Sanji und sprintete über die Flure. „Scheiße, scheiße, scheiße!“ Er hörte keine Schritte hinter sich, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sie die Verfolgung aufnehmen würden. Zorro könnte sie nicht ewig aufhalten, noch dazu war er verletzt und – Sanji blieb schwer atmend stehen und sah sich um. Er öffnete eine Tür, erkannte zu seiner Erleichterung, dass es sich um eine Vorratskammer handelte und schloss sie hinter sich, bevor er sich an dem Holz hinab gleiten ließ. Er zog ein letztes Mal an seiner Zigarette, die er zu seiner eigenen Verwunderung nicht verloren hatte, bevor er sie achtlos beiseite schnippte und die Augen schloss. Verdammt, wie hatte alles nur so schief gehen können? Er wollte es nicht, fluchte über seine Schwäche und über alle Umstände, aber er machte sich Sorgen um Zorro. Seine Aktion dürfte sein Ansehen nicht gebessert haben, Sanji rechnete nicht damit, dass Zorro durch sein Verhalten auch nur einen Funken besser behandelt würde. Was wenn Sanji Zorros Strafe durch seinen misslungenen Rettungsversuch nur verschlimmert hatte? „Verfluchter Spinatschädel“, murmelte er und schloss die Augen. „Mit dir hat man nichts als Ärger.“ Sanji hasste nichts mehr als Selbstmitleid. Er hatte als Junge 85 Tage ohne Nahrung auf einer verlassenen Insel verbracht, hatte sich jeden Tag mit der Frage gequält, warum ausgerechnet er dieses Schicksal erleiden musste, war in Selbstmitleid versunken, bis er den Entschluss gefasst hatte, den Piraten Jeff, der ihn überhaupt erst in diese Lage gebracht hatte, zu töten und seines Proviants zu berauben. Erst als herausgefunden hatte, dass Jeff keinen Proviant besaß und bei Sanjis Rettung noch dazu sein Bein verloren hatte, hatte Sanji realisiert, dass Selbstmitleid Gift war, dass den eigenen Verstand benebelte, bis man bereit war, alles zu glauben, nur um dem Selbstmitleid ein Ende zu setzen. An dem Tag, an dem Jeff und er gerettet wurden, hatte er sich geschworen, sich nie wieder von Selbstmitleid manipulieren zu lassen. Bis heute hatte er es geschafft und Zorros elende Engstirnigkeit hatte ihn beinahe soweit gebracht, denselben Fehler wie vor neun Jahren zu wiederholen. Verfluchter Säbelrassler. Sanji musste sich einen neuen Plan überlegen, Zorro zu befreien und im selben Zug unerkannt zu bleiben. Fullbody kannte sein Gesicht und er hatte Sanji wieder erkannt. In Kürze dürfte auf dem gesamten Schiff nach ihm gesucht werden, es wäre Wahnsinn, sich in seiner Lage aus diesem Raum, geschweige denn an Bord zu wagen. Sanjis Blick wanderte durch die Vorratskammer. Sie war größer als er im ersten Moment angenommen hatte. Regale säumten die Wand und im hinteren Teil waren Fässer übereinander gestapelt. Er stand auf und betrachtete sie genauer, stellte dabei fest, dass zwischen den Fässern und er Wand genug Platz war, um dich dazwischen zu zwängen. Er drehte sich um und betrachtete die Vorräte genauer. Er fand die wesentlichen Grundnahrungsmittel, Limetten, die mit ihren Vitaminen Skorbut verhindern sollten, Wasser und sogar Sake. Sanji grinste und setzte sich auf eines der Fässer. Er hatte alles was er brauchte, um mehrere Tage in diesem Raum zu überstehen, wann immer einer der Küchenjungen hierher kommen würde, würde er sich hinter den Fässern verstecken und sollte zwischendurch der Drang aufkommen, sich zu erleichtern, trug er noch immer die Marineuniform. Sie würde ihn mit Sicherheit für wenige Minuten die gewünschte Tarnung zukommen lassen und wenn er mitten in der Nacht ginge, wäre die Wahrscheinlichkeit einem Matrosen zu begegnen ohnehin verschwindend gering. Genau so würde er es machen, er konnte bloß warten, bis die Marineschiffe vor Anker gingen, erst dann hätte er die Möglichkeit für einen weiteren Befreiungsversuch. Sanji wusste, dass dieser Plan für Zorro am unangenehmsten sein würde, aber wenn das, was man sich über Lorenor Zorro erzählte stimmte, dann hatte er schon einmal eine längere Zeit in Gefangenschaft der Marine verbracht. Es wäre also keinesfalls etwas Neues für ihn, er wusste, worauf er sich eingelassen hatte, als er Sanji zur Flucht verholfen hatte. Egal wie man es drehte und wendete, Sanji war nicht zufrieden mit ihrer Situation. Die einzige Hoffnung, die er hatte war die, dass seine Freunde wenigstens wohlauf und der Marine entkommen waren. Es wäre das Mindeste und zumindest ein kleiner Trost für diese ganze Misere. Er schloss die Augen und lehnte sich an die Wand hinter sich. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr ihm der gesamte Tag zugesetzt hatte, wie müde er war und für wenige Minuten ließ er es zu und ergab sich der Müdigkeit. Aus den Minuten wurde eine Stunde, aus der Stunde wurden mehr Stunden und als Sanji die Augen das nächste Mal aufschlug, schien Sonnenlicht durch das Bullauge in die Kammer. Der Smutje sprang auf und blickte sich irritiert um, brauchte Sekunden, um sich seiner Situation bewusst zu werden. Schläfrig fuhr er sich durch die Haare, spürte den aufkeimenden Drang nach einer Zigarette und bekämpfte ihn, indem er nach eine Flasche Sake in dem Regal griff. Der Tag hatte noch nicht einmal begonnen und er ertränkte seine Sorgen bereits im Alkohol. Er war wirklich kein Deut besser als der Idiot von einem Schwertkämpfer. Mit diesem Gedanken und einem gemurmelten „Prost“ an Zorro nahm er einen Schluck. Es waren wüste Beschimpfungen und harsche Befehle, die Zorros Bewusstsein wieder zurückholten. Stechende Kopfschmerzen empfingen ihn, gepaart mit einer zunächst befremdlichen Desorientierung, die sich jedoch legte – ganz im Gegensatz zu den Kopfschmerzen – je mehr Sekunden verstrichen. Seine Rückkehr in die Realität blieb nicht unbemerkt, grobe Hände packten und zogen ihn hoch, zwangen ihn auf die Beine und Zorro kämpfte die Übelkeit zurück, die sich bei dieser Bewegung in seinem Magen zu bilden begann. „Beweg dich“, wurde er angefahren und mechanisch setzten seine Beine sich in Bewegung. Während man ihn aus der Zelle und an Deck führte, versuchte er seinen Verstand und insbesondere seine Sinne weitgehend zu schärfen. Als man ihn ins Sonnenlicht hinaus stieß und er nach vorne stolperte, empfingen ihn mindestens fünfzig Matrosen an Deck des Marineschiffes. Sie schienen ihn erwartet zu haben, machten eine Schneise frei, die von Bord führte. „Atme noch ein letztes Mal die frische Luft ein“, erklang eine tiefe Stimme neben ihm. Zorro wandte den Kopf und erblickte Smoker, in dessen Zügen Triumph lag. „Du wirst wahrscheinlich nie wieder die Chance dazu bekommen.“ Zorros Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. „Ich bin kein Freund von Frischluft“, gestand er und hob provozierend die Augenbrauen. „Sie wird mir nicht fehlen.“ „Führt ihn ab“, befahl Smoker den Soldaten, die Zorro flankierten und mit einem schmerzhaften Stoß in den Rücken gab man ihm zu verstehen, dass er sich in Bewegung setzen sollte. Zorro zog es vor, die Behandlung nicht weiter zu kommentieren. Man eskortierte ihn von Bord des Schiffes und Zorro nahm sich die Zeit, die er hatte, um sich umzusehen. Er kannte diese Felsen, er kannte diese Formation. Man hatte ihn nach Navarone gebracht, die Marinebasis, die auch unter dem Namen G8 bekannt war. Zorro konnte sich noch daran erinnern, als die Flying Lamb von Himmel mitten in die Basis gefallen war. Er und seine Freunde hatten alles daran setzten müssen, zunächst sich selbst nicht gefangen nehmen zu lassen und anschließend die Flying Lamb zu befreien. Er musste zugeben, es war ihm weitaus lieber, zu wissen, wo er sich befand, als sich in irgendeiner fremden Basis wieder zu finden, doch das Wissen um einen Aufenthaltsort war ebenso ernüchternd. Es würde schwer werden, Navarone zu entkommen. Beim ersten Mal waren sie um Haaresbreite der Gefangennahme entkommen und Zorro wusste nicht, wie robust die Zellen waren. Es blieb ihm also nur geduldig zu sein und auf eine geeignete Fluchtmöglichkeit zu warten. Und dann gab es da noch Sanji, der sich höchstwahrscheinlich noch an Bord des Schiffes befand und darauf wartete, dass sich eine Gelegenheit ergab, es zu verlassen. Zorro zweifelte auch jetzt noch an der Intelligenz des Smutjes. Welcher Teufel hatte Sanji geritten, ihm zu folgen und sich auf einem Marineschiff einzuschleichen? Er riskierte damit nicht nur seine Freiheit, sondern auch sein Leben. Zorro verstand es nicht, es war doch offensichtlich, dass er sich selbst würde befreien können. Ruffy hätte er diesen Wahnsinn noch zugetraut, aber bei Sanji hatte er Vernunft vermutet. Soviel zu dieser Theorie. Er sollte sich weniger Gedanken über dem Smutje machen. Der Schnitzelklopfer musste wohlauf sein, andernfalls hätte Zorro Sanjis Eskorte sehen müssen. Oder sie wären gemeinsam vom Schiff geführt worden. Ein weiterer unsanfter Stoß eines Schwertgriffes in den Rücken, gepaart mit der rüden Aufforderung, schneller zu gehen, beschleunigte Zorros Schritte. Schweigend folgte er den Anweisungen, ließ sich in die Basis und in den Zellentrakt führen. Die Zellen in Navarone waren bei Weitem geräumiger und regelrecht komfortabler als an Bord des Schiffes, stellte Zorro fest, als man ihn in seine Zelle stieß und die Tür hinter ihm mit einer letzten Verwünschung schloss. Wieder bestätigte sich Zorros Bild der Marine, sie war nicht annähernd so moralisch und sauber, wie ein Großteil der Bevölkerung glaubte. Dort, wo Macht herrschte, gab es auch jene, die sie missbrauchten. Zorro richtete sich an einen der Marinesoldaten. „Ich würde wagen zu behaupten, dass es hierfür keine Verwendung mehr gibt.“ Er klirrte demonstrativ mit seinen Handschellen. Er wusste nicht, wie lange er ohne Bewusstsein gewesen war, aber die Muskeln in deinem Nacken und Rücken sagten ihm, dass er die Handschellen mindestens zwei, wenn nicht gar drei Tage trug. Der Soldat warf seinem Kollegen einen flüchtigen Blick zu, dann begannen beide zu lachen. „Du bist witzig, Lorenor Zorro“, höhnten sie und Zorro spürte einen Stich der Wut in sich aufflammen. „Kapitän Hina hat den Befehl gegeben, dir die Handschellen unter keinen Umständen abzunehmen.“ Zorro gab einen abfälligen Laut von sich, während er langsam an den Gittern der Zelle hinab sank und sich in den Schneidersitz setzte. „Dann richtet ihr aus, dass man ohne Hände nicht Essen kann.“ „Deine Rationen sind gestrichen“, bemerkte einer der Soldaten, während er sein Gewehr schulterte. „Diesmal eine Anweisung von Admiral Smoker. Du hattest offenbar noch genügend Kraft, um drei Matrosen in Schach zu halten und zu versuchen, auszubrechen.“ „Ah“, war alles, was Zorro dazu sagte. Sein Interesse verflog und die Soldaten kommentierten sein Schweigen mit einem Schulterzucken. „Was ist mit meinen Schwertern?“, fragte Zorro nach einer Weile. Fassungslose Blicke folgten seiner Aussage. „Du bist von der Regierung festgenommen worden und alles was dich kümmert sind deine Schwerter?“ „Ja. Also, was ist mit ihnen?“ „Als ob es uns befugt wäre, dir zu sagen, wo sie sind.“ Wenigstens hatte man sie nicht weggeworfen oder – viel schlimmer – zerstört. Zorro wusste, er würde sich vergessen, sollte man sein Wadoichi Monji beschädigen. Es war das einzige, was ihm von Kuina geblieben war, der Beweis für das Versprechen, das er ihr einst gegeben hatte. Zorro schwieg, dieses Mal endgültig. Die Soldaten erkannten, dass er nicht bereit war, sie weiter zu beachten und gingen. Zorro blieb alleine in seiner Zelle zurück, in der Stille des Gefangenentraktes. Er war nicht sicher, was genau als nächstes geschehen würde, aber angesichts der Tatsache, dass ein Kopfgeld von sechzig Millionen Berry unter der Aufschrift Tot oder lebendig auf ihn ausgesetzt war, bezweifelte er, dass die Regierung Milde walten lassen würde. Er mochte einst ein Piratenjäger gewesen sein, doch auch dieses Handwerk war nicht gerne gesehen, obwohl es der Regierung half. Zorro hatte seit jeher Probleme mit der Marine gehabt, war mehrfach in Gefangenschaft gewesen, doch dieses Mal war es anders. Dieses Mal war er ein Pirat und jeder wusste, was auf gefangene Piraten wartete: Die Hinrichtung. Zorro machte sich keine falschen Illusionen, er wäre längst ausgebrochen, bevor sein Urteil überhaupt ausgesprochen würde. Nein, dieser Spaß würde ihm vorenthalten bleiben. Mit einem klagenden Laut lehnte er den noch immer schmerzenden Kopf gegen die Gitter, hoffte auf ähnliche Wirkung wie an Bord des Schiffes und wartete. Je länger er wartete, je weiter die Zeit voranschritt und je mehr sein Zeitgefühl verloren ging, desto bewusster wurde ihm, dass sein Optimismus schneller zu schwinden begann, als er erwartet hatte. Er zwang sich zur Ruhe, schloss die Augen und versuchte, alles um ihn herum auszublenden. Es hatte weitaus schlimmere Schmerzen in seinem Leben verspürt, Kopfschmerzen waren unlängst das harmloseste, was er erleiden konnte, dennoch hatten sie eine ungemein penetrante Art, sich ihm aufzudrängen. Wann immer er sich entspannte, sich abzulenken versuchte, zwangen ihn die stechenden Schmerzen in die Realität zurück. Mit einem Knurren schlug Zorro die Augen wieder auf. Wenn nicht bald etwas geschah, würde er wohlmöglich noch dem Wahnsinn verfallen. Andererseits würde er mit der Kraft eines Verrückten vielleicht seine Fesseln sprengen können. Er lachte leise. „Lächerlich. Dabei hab ich schon schlimmeres erlebt.“ Er lehnte sich weiter an die Gitter und begann erneut zu warten. Er wartete, das Licht, das durch die vergitterten Fenster fiel, wurde zunehmend schwächer. Zorro wartete weiter, wusste zunächst nicht worauf, bis die Wahrheit unbestreitbar war: Er wartete auf Sanji. Er begann zu begreifen, dass dieses Mal die Umstände weitaus komplizierter waren, als jemals zuvor. Er hatte keine Schwerter, er war gefesselt, die Handschellen waren zu stark für ihn. Zum ersten Mal in seinem Leben war Lorenor Zorro ratlos und auf jemand anderen angewiesen. Dass es ausgerechnet der Love Cook sein musste, ärgerte ihn. Er war frustriert und je mehr er wartete, je dunkler es vor den Fenstern wurde und je länger Sanji ihn warten ließ, desto wütender wurde er. Sanji hatte sich entgegen aller Vorsicht auf das Marineschiff geschlichen, er hatte es darauf angelegt, Zorro zu retten, er hatte den Rettungsversuch verdammt noch mal verbockt, jetzt hatte er die Aufgabe Zorro als Gegenleistung endgültig zu befreien. Zorro schwor sich, dem Koch bei nächster Gelegenheit seine Dankbarkeit zu demonstrieren, scharf und schmerzhaft und dieser Gedanke erheiterte ihn kurzzeitig. Zorro bekam während seiner Inhaftierung keinen Besuch. Er hatte das Gefühl, dass Tage verstrichen, ohne das jemand den Zelltrakt betrat. Man brachte ihm keine Mahlzeiten, nicht einmal Wasser und so ungerührt er sich gab, so gut er sein Hungergefühl auch im Griff hatte, den stetig zunehmenden Durst konnte er nicht kontrollieren. Eines Nachts wurde er von dem entfernten Tropfen von Wasser geweckt und ein Blick nach draußen verdeutlichte ihm, dass es regnete. Mühsam hatte er sich aufgerichtet, sich unter das Fenster gestellt und versucht, es mit seinen Schultern aufzuschieben, irgendwie das Glas zu zerstören, bloß auf irgendeine Art und Weise das Wasser zu erreichen, doch erfolglos. Das Fenster mit den Gittern ließ sich nicht öffnen. Das stetige Tropfen in einer der anderen Zellen brachte ihn in dieser Nacht beinahe um den Verstand, bis er vor Erschöpfung und von Durst geplagt schließlich am Boden unterhalb des Fensters einschlief. Der dritte Tag war der schlimmste für ihn. Die Sonne stand hoch am Himmel, schien in seine Zelle und der Trakt war stickig und heiß. Zorro atmete schwer und versuchte, seinen Körper zurück in seine Gewalt zu bekommen, doch er gehorchte ihm nicht mehr. Er hätte nie erwartet, dass Wassermangel ihn derart mitnehmen würde, für jemanden wie ihn war diese Erkenntnis ein harter Rückschlag. Er, der seinen Körper jahrelang getrimmt, an seine Grenzen und darüber hinaus getrieben hatte, wurde von fehlendem Wasser in seine Schranken gewiesen und besiegt. Am Boden der Zelle liegend entwich seiner trockenen Kehle ein raues Lachen. Er wollte sich nicht ausmalen, was für ein Bild des Jammers er, Lorenor Zorro, jetzt bot. Es war eine Schande, aber er war nicht einmal mehr in der Lage, sich darüber Gedanken zu machen. Die Zeit verstrich quälend langsam und als Zorro irgendwann Schritte wahrnahm, hielt er sie zunächst für eine Einbildung, bedingt durch seine Schwäche. Er lauschte, doch die Schritte verklangen nicht. Stöhnend versuchte er sich aufzusetzen, bis er halb aufrecht an der Wand lehnte. Sein Blick ruhte verschwommen auf der gegenüberliegenden Seite der Zelle, dort, wo die Gitter die Sicht auf den Gang freigaben. Die Schritte kamen stetig näher und irgendwann erkannte Zorro, dass es nicht die Schritte einer einzelnen Person waren. Stimmen drangen in sein Bewusstsein vor und dann erschienen mehrere Gestalten in seinem Sichtfeld. Zorro blinzelte und versuchte, seinen Blick zu schärfen, bis er in der Lage war, die Personen zu erkennen. Als er es konnte, wurde ihm bewusst, dass er sich diese Mühe hätte sparen können. „Besonders gesund wirkt er nicht.“ „Hina ist erfreut, dass ihre Fesseln gehalten haben.“ „Drei Tage ohne Nahrung und Wasser haben durchaus ihre Wirkung.“ Zorro grinste, doch es fühlte sich viel mehr gequält, denn spöttisch an. „Bin ich hier eine Attraktion, die man umsonst besichtigen kann?“, fragte er und wurde, kaum dass er die Worte ausgesprochen hatte, von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt. „Hina findet ihn im anbetracht der Umstände erstaunlich lebendig“, kommentierte Kapitän Hina seine Worte. Zorro sah dies als Herausforderung und zwang seinen Körper, sich hochzustemmen, bis er aufrecht stand. „Ihr werdet überrascht sein ... wie lebendig ich noch bin.“ „Lorenor Zorro“, sagte Smoker und stieß den Rauch seiner Zigarren aus. „Es scheint als habe dir die Rationsstreichung nicht deinen Willen geraubt.“ „Es wäre eine Schande, wenn ich mir davon“, Zorro hustete, „den Willen hätte rauben lassen.“ „Ich verstehe.“ Smoker verschränkte die Arme. „Ich fürchte jedoch, dass ich schlechte Nachrichten für dich habe. Der Strohhut ist noch nicht aufgetaucht, um dich zu befreien.“ „Er wäre dumm, euch zu folgen“, grinste Zorro und lehnte sich an die Wand hinter sich, da seine Beine ihm den Dienst zu versagen drohten. „Er scheint endlich schlau geworden zu sein.“ „Bedauerlich.“ Smoker betrachtete ihn ungerührt. „Besonders für dich. Das Hauptquartier zeigt Interesse an dir. Einer der Admirale ist auf dem Weg hierher.“ „Was denn, ausgerechnet wegen mir? Ich fühle mich geehrt.“ Das Grinsen wich nicht aus Zorros Zügen. „Was will er denn von mir? Will er mich verhören?“ „Das ist nicht nötig“, beantwortete Hina seine Frage. „Du bist der Piraterie für schuldig erklärt worden und die Strafe dafür ist –“ „Hinrichtung“, beendete Zorro den Satz. „Genau.“ Smoker blies Rauch in die Luft vor sich. „Dem Strohhut bleibt nicht mehr viel Zeit, wenn er seinen besten Mann retten möchte. Und genau darauf warten wir.“ „Ich bin also nur der Köder“, stellte Zorro fest und blickte zur Seite. „Tze, wie offensichtlich.“ „Jedoch effektiv“, ergänzte Smoker. „Ich fürchte nur, aus eurem gut durchdachten Plan wird nichts.“ „Wenn du denkst, das eingeschlichene Crewmitglied könnte dich befreien, liegst du falsch.“ Zorro sah auf und begegnete Hinas kühl kalkulierendem Blick. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er entdeckt wird. Außerdem ist er machtlos, als Einzelner auf einer Marinebasis mit mehr als tausend Soldaten.“ „Vielleicht“, sagte Zorro, widersprach ihr jedoch gedanklich. Er war davon überzeugt, dass Sanji ihn finden würde. Er kannte den Smutje, kannte seine Hartnäckigkeit, wenn er sich ein Ziel gesetzt hatte und er wusste auch, dass Sanji ein Talent besaß, sich unsichtbar zu machen, wenn es darauf ankam, genauso wie er sich exzentrisch in den Vordergrund rücken konnte, wenn ihm danach war. „An deiner Stelle würde ich nicht zu optimistisch sein, Lorenor Zorro“, sagte Smoker ernst, dann wandte er sich ab und Zorro hörte, wie seine und Hinas Schritte sich entfernten. Sobald sie nicht mehr zu sehen waren, rutschte er langsam an der Wand hinab. Er atmete rasch ein und aus. „Optimismus“, knurrte er verächtlich. „Ich wünschte, ich hätte noch halb so viel, wie vor drei Tagen.“ Seine Augen fielen zu und er driftete ab, fiel in eine Mischung aus Schlaf und Ohnmacht, bis Gefluche und unregelmäßige, rasche Schritte ihn weckten. Er schlug die Augen auf und sah im ersten Moment nichts, dann gewöhnten sie sich an die Dunkelheit. Er schüttelte desorientiert den Kopf, versuchte die Benommenheit von sich zu werfen, bis ihm bewusst wurde, dass die Schritte neben seiner Zelle gestoppt hatten. Er hörte das Klirren der Schlüssel, das Quietschen einer Zellentür und schließlich stolpernde Schritte, gepaart mit einer üblen Verwünschung. Die Tür wurde wieder zugeschoben, anschließend abgeschlossen, dann entfernten sich die Schritte, eine weitere Tür fiel schwer ins Schloss. Stille. Zorro lauschte seinem flachen Atem und blickte starr in die Dunkelheit vor sich. „Zorro?“ Der klang der vertrauten Stimme war wie ein Schlag ins Gesicht. Zorros Augen weiteten sich, er öffnete den Mund, doch nur ein Krächzen verließ seine Kehle. „Zorro ... bist du das?“ Er schüttelte fassungslos den Kopf, öffnete erneut den Mund und fragte dann voller Unglaube: „Sanji?!“ „Tze, wer sonst?“ Zorro wollte etwas erwidern, doch erneut wurde er nur von starkem Husten geschüttelt, ausgelöst von seiner trockenen Kehle und dem Bedürfnis nach Wasser. „Was ist denn mit dir passiert?“, hörte er Sanji fragen. Er rappelte sich mühsam auf und wankte auf die andere Seite der Zelle, die unmittelbar an Sanjis grenzen musste. Schnaufend setzte er sich hin und es verstrichen Sekunden, in denen er versuchte, seinen Atem zu beruhigen. „Zorro?“, fragte Sanji in die Stille. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ „Natürlich“, antwortete Zorro entgegen der Wahrheit, doch er würde sich lieber die Zunge abbeißen, als vor Sanji zuzugeben, dass Wassermangel ihn langsam, jedoch stetig dahinraffte. „Ich fürchte“, sagte Sanji und Zorro konnte regelrecht das selbstironische Grinsen auf den Zügen des Smutjes sehen, „ich bin etwas unachtsam gewesen. Hab mich doch glatt schnappen lassen.“ „Idiotischer Koch.“ „Vertrottelter Säbelrassler.“ Zorro gab es nur ungern zu, aber Sanjis Anwesenheit beruhigte ihn in gewisser Hinsicht. Er unterdrückte einen Fluch, schloss die Augen und lauschte seinem und Sanjis Atemzügen. Wenn er eines hasste, dann waren es Selbsterkenntnisse, auf die er im Nachhinein lieber verzichten würde. Dies war eine davon, ausgelöst durch den Schnitzelklopfer. Und in diesem Moment wurde Lorenor Zorro zum ersten Mal bewusst, dass man keine Feinde brauchte, solange man Freunde besaß. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)