The Healing Touch von MayTanner (This was love at first sight, love everlasting, a feeling unknown, unhoped for, unexpected...) ================================================================================ Prolog: Prologue ---------------- Art der FF: X-Men comic-/movie-verse Genre: Romantik, Action, Thriller Inhalt/Bemerkungen: Der zentrale Chara der Story war plötzlich in meinen Gedanken, so daß ich diese Story einfach schreiben mußte. Ich will nicht zuviel verraten, aber ich werfe einen neuen Chara mit besonderen Fähigkeiten in die Welt der X-Men und daraus ergeben sich natürlich Verwicklungen. Lest einfach und laßt euch überraschen. (Die Betonung der FF liegt nicht auf Sex oder Gewalt, aber einige der Szenen haben die Höherstufung erforderlich gemacht.) Hauptcharakter/Paar: Logan / eigener Charakter Weitere Charaktere: Viele vom X-Men-Film/Comic-Universum in Nebenrollen Disclaimer: X-Men und alle damit verbundenen Charaktere sind eingetragene Warenzeichen™ und stehen unter dem Copyright © von 20th Century Fox und Marvel Comics. Diese Fanfic wurde lediglich zum Spaß geschrieben und nicht, um damit Geld zu verdienen. Jegliche Ähnlichkeiten zu lebenden und toten Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Alle weiteren Charaktere sind Eigentum des Autors. ******** PROLOG ******** Es war spät in der Nacht, die Stadt wurde gerade von einer eisigen Kältewelle heimgesucht, die das Nachtleben fast vollständig zum Erliegen brachte. Kein Mensch verließ freiwillig den Schutz seiner warmen Wohnung, wenn es nicht unbedingt nötig war. So fiel die einsame Gestalt des Mannes mit einem dunklen Kapuzenumhang angetan niemandem auf der leergefegten Straße auf. Er bewegte sich energisch vorwärts und steuerte auf ein heruntergekommenes Haus zu, in dem größtenteils Arbeitslose, Drogenabhängige und Huren hausten. Im zweiten Stock klopfte er an eine Tür, von der die Farbe schon abblätterte und wartete darauf, daß ihm geöffnet wurde. Es dauerte nicht lange und eine junge Frau mit langen, schwarzen Haaren spähte durch den Türspalt auf den Flur. Trotz ihres dunklen Teints konnte man die plötzliche Blässe ihrer Wangen erkennen und ihre Augen wurden von großer Sorge überschattet. Dennoch schob sie die Sicherheitskette beiseite und ließ den Mann mit der Kapuze, die sein Gesicht bis auf die Mundpartie verbarg, eintreten. „Es ist soweit, ich bin gekommen, um sie zu holen.“ Mehr sagte er nicht, keine Begrüßung, keine unnötigen Floskeln. Die Schultern der jungen Frau sackten herunter und sie ging in die Ecke des Zimmers, wo eine Kinderwiege neben dem alten Ölofen stand. Ein Baby lag darin, das leise wimmerte, als seine Mutter es daraus hochhob. Mit dem Kind auf ihren Armen faßte sie neuen Mut, sie warf ihren Kopf zurück und sah den Mann herausfordernd an. „Ich werde es nicht zulassen, daß mein Baby in die Dunkelheit und Isolation gezwungen wird! Du hast kein Recht, ihr dieses Leben aufzuzwingen!“, rief sie aufgebracht und drückte den inzwischen weinenden Säugling, der in eine kratzige Decke gehüllt war, an ihren Busen. „Du warst einverstanden, dein Leben gegen das eines Kindes. Du hast es versprochen, Weib!“ Die Stimme des Mannes war nur ein heiseres Flüstern, doch die junge Frau zuckte dennoch angsterfüllt zusammen. „Es ist nicht richtig. Ich kann sie nicht hergeben! Ich trug sie 9 Monate in meinem Bauch, ich habe für sie die Drogen aufgegeben, ich habe einen Job, ich kann für sie sorgen. Bitte laß sie bei mir“, flehte die Mutter mit Tränen in den Augen. Man konnte sehen, wie die Lippen des Mannes zu einem schmalen Strich wurden, dann ging er auf die Mutter und das Kind zu, das inzwischen erbärmlich weinte. Die helle Hand des Mannes tauchte unter dem Ärmel der Kutte auf und er legte sie auf den Kopf des Kindes, dessen Weinen Augenblicke später verebbte. „Sie spürt, daß sie zu mir gehört, Weib. Sie wird es gut bei uns haben, sie ist eine von uns. Du mußt dich an dein Versprechen halten: Dein Leben für das ihre. Es gibt kein Zurück.“ Die junge Mutter drückte ihr Kind fest mit der einen Hand an sich, während sie die andere in Wiege tauchte. „Sie braucht ihren Schnuller und das Bärchen zum Einschlafen“, versuchte sie den Mann abzulenken, dessen Namen sie nicht einmal kannte. Sie war die Mutter seines Kindes und sie wußten nichts voneinander, außer daß sie ihm ihr Leben schuldete. Endlich spürte sie das kalte Metall in ihren Händen. Sie richtete sich blitzschnell auf und hielt die Waffe hoch, die sie sich hier auf der Straße besorgt hatte. Sie hatte geahnt, daß der Mann in der Kutte ihr das Baby nicht kampflos überlassen würde. „Laß das, Weib. Wenn nicht heute, dann holen wir das Kind an einem anderen Tag. Du wirst uns nicht entkommen. Wir sind überall!“ Der Mann kam einen Schritt auf sie zu und da ihre Hand vor Furcht ziemlich unkontrolliert zitterte, löste sich ein Schuß. Dann noch einer und noch einer. Einmal angefangen konnte sie nicht aufhören, auf den Teufel zu schießen, der ihr das Kind entreißen wollte, nur weil sie als Sterbende ein Versprechen gemacht hatte, dessen Konsequenzen sie mit dem von Drogen umnebelten Gehirn nicht abschätzen konnte. In heller Panik legte sie das Baby in eine fadenscheinige Tragetasche und zog sich schnell einen Mantel über. Der Mann lag bewegungslos am Boden und die Blutlache unter ihm wurde immer größer. Sie mußte hier verschwinden, bevor einer seiner Gefährten hier auftauchte und ihr Kind in die Hölle zwang. Sie stopfte ihre wenigen Habseligkeiten in eine Tasche, die sie innerhalb von Sekunden gefüllt hatte, dann stieg sie über den am Boden liegenden Mann, ohne in sein Gesicht zu blicken. Auf der Straße schlug ihr die Kältewelle entgegen und fegte etwas von der Panik hinweg, die sie bisher angetrieben hatte. ‚Heilige Mutter Gottes, was soll ich tun? Sie werden mich finden und dann ist das Kind verloren’, flüsterte sie verzweifelt und sah auf ihre kleine Tochter herunter, deren große, silberne Augen sie vertrauensvoll ansahen. Das Kind schien sie anzulächeln, doch sie war gerade mal drei Wochen alt, sie mußte sich das einbilden, doch sie würde dieses süße Gesichtchen nie in ihrem Leben vergessen. Sie wußte nun, daß sie sich von ihrem Kind trennen mußte, wenn es eine Chance auf ein normales Leben haben sollte. Ihre Tränen flossen beständig, als sie sich von ihrem Kind mit einem letzten Kuß auf die Stirn verabschiedete. Aus sicherer Entfernung sah sie zu, wie es in dem Körbchen gefunden und in die sichere Wärme getragen wurde. Das war das letzte, was sie von ihrer kleinen Tochter sah, bevor sie aus der Stadt floh, um der Verfolgung durch den Mann und dessen Gefährten zu entkommen. Fortsetzung folgt... Kapitel 1: Strangers in the Night --------------------------------- X X X Dunkle Gassen, heruntergekommene Bars, abgerissene Gestalten… Nacht für Nacht ertrug sie diese düstere Umgebung auf der Suche nach unschuldigen Opfern, die in einen Krieg gezogen wurden, dessen Existenz sie sich nicht einmal bewußt waren. Niemand wußte von der Mission, die sich selbst auferlegt hatte, sie hätten wohl dafür kein Verständnis aufgebracht. Warum sollten sie sich auch um das Schicksal derer kümmern, die sie als verantwortlich für ihre eigene Misere erachteten? Sie war noch eine Schülerin gewesen, als ihr zum ersten Mal richtig bewußt wurde, daß etwas mit ihr nicht stimmte. Sie konnte sich noch gut an den Sportunterricht erinnern, der im Freien stattgefunden hatte, wo sie den Jungs beim Footballtraining zuschauen konnten. Die Cheerleader hatten eine Pyramide trainiert, dabei war ein Mädchen aus drei Meter Höhe auf den Boden gestürzt. Ihre Schmerzenschreie hallten über das Trainingsgelände und ließen jeden in seiner Tätigkeit inne halten. Sie hatte nicht gezögert und hatte sich neben die Verletzte gekniet, während ihre Mitschüler nur starr vor Angst um das weinende Mädchen standen. Die Trainerin der Mädchen hatte sich am anderen Ende des Rasens mit dem Coach der Jungs unterhalten, so daß sie nicht gleich am Ort des Geschehens sein konnte. Der Knöchel war mit Sicherheit gebrochen, so eigenartig verdreht wie der Fuß war, und sie zog dem Mädchen den Schuh aus, bevor der Fuß noch weiter anschwoll und die Prozedur noch schmerzhafter werden würde. Instinktiv hatte sie gewußt, was zu tun war, sie rieb ihre Handflächen einander und umfaßte den Knöchel ihrer Schulkameradin, ein kurzer Ruck und der verschobene Knochen saß wieder an seinem Platz. Die Verletzte war kurz zusammen gezuckt und ihr Weinen verebbte. Der Knochen war zusammengewachsen, sie hatte es richtig gespürt, wie ein Stück ihrer eigenen Energie in das Mädchen geflossen war. Gott sei Dank hatte sie geistesgegenwärtig behauptet, daß sie den Knochen nur eingerenkt hatte, denn sie wollte nicht erklären müssen, wie sie es fertig gebracht hatte, einen glatten Durchbruch zum Zusammenwachsen zu bringen und das innerhalb von Sekunden. Im Laufe der Jahre hatte sie gelernt, ihre besondere Fähigkeit soweit zu kontrollieren, daß sie die Schwere der Verletzungen immer weiter steigern konnte, ohne daß sie ihr eigenes Leben dabei in Gefahr brachte. Sie war eines dieser Geschöpfe, die in der heutigen Zeit mit Mißtrauen und Angst betrachtet wurden. Mutant, eine Bezeichnung, die ihr nicht sonderlich behagte, es war wie ein Brandmal auf der Stirn, das sie von ihren Mitmenschen absonderte. Sie wußte nicht einmal, wem sie diese besondere Fähigkeit verdankte, sie war als Baby in einer kalten Februarnacht auf den Stufen eines katholischen Waisenhauses in Spanish Harlem abgelegt worden und weil gerade Maria Lichtmeß war, hatte man sie dem Kirchenfeiertag zu Ehren "Maria de la Candelaria" getauft. Sie sah tatsächlich ein wenig aus, als wäre sie südamerikanischer Abstammung mit den dunklen Haaren und der getönten Haut, sie war sich jedoch nicht sicher, denn ihre Augen hatten eine eigentümliche graue Farbe, die manchmal wirkte, als tanzten Nebelschwaden darin. Sie war dann im Alter von zwei Jahren von einem italienischstämmigen Ehepaar adoptiert worden und seitdem wurde sie Candy Genova genannt. Das kinderlose Paar hatte jedoch überraschend Nachwuchs bekommen, als Candy acht gewesen war, der kleine Junge war in den Mittelpunkt des Interesses gerückt und ihre Existenz war mit einem Mal nicht mehr wichtig gewesen. Als Candy das College beendet hatte, für das ihre Eltern nur widerwillig die Finanzierung übernommen hatten, war die Familie Genova nach Florida gezogen, weil der sportlich talentierte Roberto dort ein hochdotiertes Stipendium angeboten bekommen hatte. Candy hatte sie seit Jahren nicht mehr gesehen, sie war in New York geblieben, wo sie als freie Fotografin tätig wurde. So konnte sie sich ihre Aufträge aussuchen und ihre Zeit frei einteilen. Bei der Erstellung der Bildserie „Visions of the Night“ war dann etwas passiert, daß sie auf die Idee gebracht hatte, wie sie ihre Kräfte sinnvoll nutzen konnte, ohne dabei von unnötigen Fragen belästigt zu werden. Mutanten hielten sich oft im Untergrund auf, da mußten sie sich nicht verstellen oder körperliche Auffälligkeiten verstecken. In der Gegend der Docks gab es einige Kaschemmen, die häufig von Mutanten frequentiert wurden. Heute Nacht war es jedoch ziemlich ruhig und Candy verließ gegen drei Uhr morgens die Kneipe „Drunken Monkey“ durch den Hintereingang. Sie schlich sich durch die engen Gäßchen, sie wollte zu ihrem Wagen, den sie immer in sicherer Entfernung parkte. Ein unmenschliches Brüllen ließ sie dann erschrocken zusammenzucken. Sie spähte um die Ecke und erblickte eine Gruppe von merkwürdigen Gestalten, die erbarmungslos aufeinander einschlugen. Candy kniff die Augen zusammen und versuchte zu erfassen, ob Menschen dabei in Gefahr waren, doch sie erkannte an der Heftigkeit der Schläge und dem sich schnellen Erholen der Getroffenen, daß es sich wohl um Mutanten handeln mußte. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, sie wußte nicht, ob sie es wagen konnte, gegen so viele Mutanten anzugehen. Sie zögerte kurz und als sie loslaufen wollte, blendete sie ein heller Lichtschein, der sie sekundenlang außer Gefecht setzte. Sie stolperte fast blind in die inzwischen wieder erdunkelte Gasse und suchte nach Verletzten. Sie blinzelte ein paar Mal und wäre fast über einen Mann gestolpert, der regungslos am Boden lag. Er war ganz in dunkles Leder gekleidet, und er schien nicht mehr zu atmen. Candy drehte ihn vorsichtig auf den Rücken, womit sie aber überraschenderweise ziemliche Schwierigkeiten hatte, und suchte ihn dann nach Verletzungen ab. Aus dem Stehkragen der Lederkluft quoll Blut hervor und Candy riß die Augen entsetzt auf, als sie seine Kehle entblößte. Einer der anderen Angreifer hatte ihm schier die Kehle zerfleischt. Sie fluchte leise und holte aus ihrer Tasche ein paar Mullkompressen, die sie immer bei sich trug, wenn sie auf Patrouille war. Sie wischte das Blut weg, so gut es ging und konzentrierte sich dann. Ihre Hände legten sich um seinen Hals und sie ließ ihre Energie in das Opfer fließen. Dabei geschah etwas Eigenartiges: Die heilende Energie wurde von dem Verletzten abgewehrt, sie schoß in Candy zurück, die nicht damit gerechnet hatte und von der Wucht der Energiewelle überrollt die Besinnung verlor. Es war, als wäre eine blockierte Schußwaffe beim Abfeuern in ihrer eigenen Hand explodiert. xxx Einige Augenblicke später schlug Logan die Augen auf, die Bande um Sabretooth war verschwunden, und er fühlte, wie seine Verletzung schon wieder verheilte. Er hätte die Idioten bestimmt besiegt, wenn sie nicht von ihrer Zentrale weg teleportiert worden wären. Die Schwachköpfe hatten jemanden gefunden, der sie mit technischen Spielereien ausstattete, die Vorstellung behagte ihm gar nicht. Er wollte sich erheben, spürte dann ein Gewicht auf seiner Brust, das sich als Kopf einer jungen Frau herausstellte. Logan richtete sich vorsichtig auf und stütze die Bewußtlose mit seinen Armen ab. Wer war diese Frau? Sie war vorhin nicht am Kampf beteiligt gewesen. Logan runzelte die Stirn und ließ seinen Blick über die zierliche Gestalt gleiten, dabei bemerkte er ihre blutverschmierten Hände und die voll gesogenen Kompressen auf dem Boden. Er durchwühlte ihre Tasche und entdeckte darin eine ganze Erste-Hilfe-Ausrüstung. Dann stimmten also die Gerüchte, die ihm zu Ohren gekommen waren, es gab tatsächlich einen Heiler, der sich nachts durch gefährliche Gegenden schlich und versuchte, verletzte Menschen und Mutanten zu behandeln, die bei Auseinandersetzungen verletzt wurden und von niemandem sonst Hilfe bekommen würden. Er hatte nur nicht damit gerechnet, daß es ausgerechnet eine so junge Frau sein würde. Endlich schlug sie ihre Augen auf und sah ihn ein wenig ängstlich an. „Sind Sie okay?“, fragte sie flüsternd und streckte die Hand aus, um nach seinem Hals zu fassen. Logan knurrte leise und griff nach ihrem Handgelenk, um sie von der Berührung abzuhalten. „Bist Du komplett verrückt, ich könnte dich in Stücke reißen!“ Logan schüttelte den Kopf über soviel Leichtsinn, hatte niemand ihr beigebracht, daß man Fremden gegenüber mißtrauisch sein sollte? Candy preßte nur die Lippen aufeinander und entwand sich aus seinem sicheren Griff, um sich aufzusetzen und schnell zu erheben. Sie schloß kurz die Augen und kämpfte gegen den Schwindel an, der sie erfaßt hatte. Sie wich ängstlich einen Schritt zurück, als er geschmeidig wie eine Raubkatze auf die Füße sprang. Sie war erstaunt, daß er nur einen halben Kopf größer als sie war. obwohl sie selbst nicht gerade großgewachsen war. Er strotzte nur so von Muskeln und seine Schultern waren mindestens so breit, daß er bestimmt Probleme mit schmalen Türen hatte. Sein grimmig blickendes Gesicht war von dunklen Haaren eingerahmt, die wild in alle Richtungen abstanden. „Du siehst zwar aus wie ein Arsch, aber Du gehörst zu den Guten, also komm mir nicht Predigten, Klugscheißer!“, preßte sie hervor und versuchte, sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Logans Mund verzog sich zu einem amüsierten Grinsen, mit dieser Erwiderung hatte er nicht gerechnet. „Gut geraten, Baby, aber irgendwann einmal kann sich das als sehr böser Irrtum herausstellen! Und Du siehst nicht aus, als ob Du länger als eine Runde durchstehen könntest“, konterte er trocken. Sein durchdringender Blick ließ Candy erröten, denn sie kam sich vor, als würde er sie mit seinen tiefliegenden Augen taxieren und regelrecht entkleiden. „Ich rate nicht, ich weiß es! Und da Du ja anscheinend meine Hilfe nicht brauchst, werde ich jetzt gehen.“ Candy drehte sich von ihm weg und stiefelte aufgebracht aus der Gasse. Sie bog um die Ecke, aus der sie gekommen war und lehnte sich dann seufzend an die Wand, wo er sie nicht mehr sehen konnte. Der Energierumschwung bereitete ihr immer noch Probleme, sie hätte liebend gerne in Erfahrung gebracht, was der Grund dafür gewesen war, sie mußte sich in Zukunft vor solchen Überraschungen schützen können. Aber dieser Kerl war so unverschämt gewesen. Sie atmete flach und preßte ihre Hände an ihre pochenden Schläfen, die Übelkeit rollte wie eine Welle durch sie hindurch. Bevor sie wegen ihrer nachgebenden Knie wieder auf den Boden glitt, wurde sie mit erstaunlicher Kraft hochgehoben und an eine breite Brust gedrückt. „Es geht bestimmt bald wieder, ich…“ Ihre Stimme erstarb und ihr Kopf glitt kraftlos nach hinten. Logan grummelte etwas und bettete ihren Kopf auf seine Schulter, danach durchsuchte er ihre Tasche und wurde fündig. In ihrem Geldbeutel steckte ihr Führerschein: Candy Genova hieß sie also. Er fand auch noch Autoschlüssel, dann mußte sie irgendwo in der Nähe ihren Wagen abgestellt haben. Er war mit dem Motorrad unterwegs, da konnte er schlecht eine Bewußtlose transportieren. Wie gut, daß seine Mutation ihm erlaubte Gerüche zuzuordnen, so konnte er wie ein Hund den Standort ihres Autos erschnüffeln. Logan konnte sich gar nicht vorstellen, wie „normale“ Menschen in dieser Welt zurecht kamen, seine hochentwickelten Sinne zeichneten für ihn ein besonderes Bild seiner Umwelt, die aus mehr Facetten bestand als nur aus simplen visuellen Eindrücken. Zu dieser späten Stunde hatte Logan die Frau unbemerkt von Nachbarn in ihre Wohnung schaffen können. Sie wohnte in einer früheren Fabrikhalle, die in lauter kleine Lofts unterteilt war, in einer Gegend New Yorks, die früher heruntergekommen war, aber nun von aufstrebenden Künstlern bevölkert wurde. Hinter einem schweren Vorhang fand er am Ende des schlauchartig angelegten Lofts das Bett, wo er seine Last vorsichtig ablegte. Er zog ihr vorsichtig die gefütterte Lederjacke aus, worunter sie nur ein dünnes Shirt trug, das sich an ihren Oberkörper wie eine zweite Haut schmiegte. Logan konnte keine Verletzung entdecken und auch kein Blut riechen, er wunderte sich, warum die Frau ohnmächtig geworden war. Er streifte ihr das feste Schuhwerk ab und sah dann nachdenklich auf die bewußtlose Frau herunter. Candy kam langsam wieder zu sich, sie lag weich und irgendwie kam ihr die Umgebung bekannt vor, dann wurde ihr klar, daß sie in ihrem eigenen Bett lag. Sie riß die Augen auf und setzte sich abrupt auf. Im Zimmer war es stockdunkel und sie konnte die Umrisse eines Mannes erkennen, der an ihrem Bettende stand. „Nicht erschrecken, Du bist zuhause. Du bist einfach umgekippt!“ Der Fremde trat näher und setzte sich zu ihr auf den Rand des Bettes, das unter seinem nicht unbeträchtlichen Gewicht nachgab, so daß Candy unwillkürlich in seine Nähe rutschte. „Wer bist Du? Wie hast Du hierher gefunden?“ Candy strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten. „Ich heiße Logan. Deine Wohnung zu finden war einfach, Du hast schließlich deinen Führerschein dabei, Candy!“ Seine Stimme war tief und er grollte leicht, als er ihren Namen aussprach. Sie hatte noch nie eine Gänsehaut beim Klang ihres Namens bekommen, aber der Typ schaffte es, sie total aus dem Konzept zu bringen. Sie wich seinem durchdringenden Blick aus und umschlang ihre angezogenen Knie. „Danke fürs Heimbringen, Logan. Ich schulde dir etwas!“ Logan grinste breit, denn er konnte ihre Unsicherheit körperlich spüren: „Ja, eine Erklärung, warum Du umgekippt bist und vorhin auf mir lagst! Nicht, daß ich mich darüber beklage!“ Sie wandte ihm ihr Gesicht zu und sah ihm tief in die Augen, sie mußte sicher gehen, daß er wirklich keine Bedrohung für sie darstellte. „Ich habe beobachtet, wie Du mit den anderen in der Gasse gekämpft hast, dann gab es eine Explosion von Licht und nur Du warst noch da. Du warst schwer verletzt, ich habe versucht, dir zu helfen. Du hast jedoch irgendwie verhindert, daß ich dich heilen konnte…“ Ihre Stimme erstarb und sie senkte den Blick auf seinen Hals, bevor er es verhindern konnte, hatte sie den Reißverschluß seiner Uniform ein Stück heruntergezogen. „Du kannst dich also selbst heilen!“, rief sie etwas lauter als beabsichtigt, weil sie von dem Anblick seines unverletzten Halses überrascht war, und ihre Fingerspitzen strichen federartig über seine unversehrte Kehle. Es war nichts mehr von seiner Verletzung zu sehen. Candy war absolut davon fasziniert, sie hatte noch nie jemanden mit ähnlichen Fähigkeiten wie sie selbst getroffen. Fortsetzung folgt... Kapitel 2: Spontaneous Combustion --------------------------------- X X X Logan blieb still sitzen, weil er die zarte Berührung als sehr angenehm empfand. Es passierte nicht oft, daß Menschen ohne jede Scheu auf ihn zugingen, dazu war sein Äußeres einfach zu furchteinflößend. Candy schien sich jedoch davon nicht abschrecken zu lassen. Ihre Hand legte sich vorsichtig um seinen Hals und sie schloß die Augen. „Ich habe noch nie jemanden getroffen, der sich selbst so schnell heilen kann, das ist absolut phant…“ Bevor sie das Wort zuende aussprechen konnte, hatte Logan seinen Mund auf ihre vollen Lippen gepreßt. Sie hatte ihre Sinne für ihn geöffnet, da sie seinen Zustand hatte kontrollieren wollen, deshalb traf sie die Berührung wie ein Keulenschlag. Ihre Lippen öffneten sich seiner warmen Zunge, die in ihren Mund drang und gegen ihre rieb. Ihre Zungen rangen miteinander wie zwei wilde Mustangs, die sich in einem ausgelassenen Spiel gegeneinander aufbäumten. Sie war absolut überwältigt von den Gefühlen, die sein heißer Kuß in ihr auszulösen vermochte. Ihr Körper glühte regelrecht und als er den Kuß beendete, konnte sie ihn nur sprachlos anstarren. Logans Hände hatten ihre Taille umspannt und er bemerkte verwundert, daß seine Fingerspitzen auf ihrem Rücken sich fast berührten. Er hätte sie mit Leichtigkeit zerdrücken können, doch immer noch zeigte sie keine Anzeichen von Angst. Sie sah ihn nur mit diesen eigentümlichen Augen an, als hätte er sie eben in den Himmel gehoben. Warum stieß sie ihn nicht weg? Logan war sich sicher, daß sie nicht der Typ Frau war, der sich auf leichtsinnige Abenteuer mit wildfremden Männern einließ. Seine gut ausgebildeten Instinkte trogen ihn in der Einschätzung von Menschen nur sehr selten. Er zog seine rechte Hand von ihrer Taille und hob sie vor ihr Gesicht, wo er dann seine Klauen zwischen seinen Knöcheln langsam hervorgleiten ließ, bis sie fast ihre Nasenspitze berührten. Candys Augen verfolgten die wachsenden Klingen und dann blickte sie ihn wieder prüfend an. „Willst Du mir damit Angst machen? Das kannst Du bleiben lassen, ich fürchte dich nicht. Du kannst deine Messer also ruhig wieder einstecken!“ Logan war durch ihre sanfte Selbstsicherheit verunsichert und die Klauen glitten wieder in seine Hand zurück. Candy nahm sie dann in beide Hände und sah zu, wie die Verletzungen zwischen seinen Fingerknöcheln verblaßten und nach wenigen Augenblicken nicht mehr zu sehen waren. Seine Hand lag auf ihrer kleinen Handfläche und die andere strich fast ehrfürchtig über seinen Handrücken. „Du mußt mich nicht davon überzeugen, daß Du gefährlich bist! Das ist nicht zu übersehen, Logan. Ich bin jedoch nicht dein Feind, ich muß mich nicht vor deiner Kraft fürchten.“ Sie lächelte ihn an warm an und drückte dann, ohne groß zu überlegen, einen sanften Kuß auf den Knöchel seines Mittelfingers. Er spürte, daß die Geste keine Anmache sein sollte, doch die Berührung schoß heiß durch ihn hindurch und entfachte eine glühende Hitze in seinen Lenden. Candy erzitterte, als er seine Hand auf ihr Kreuz schob und sie zu sich heranholte. Logan entzog ihr die andere Hand und legte sie vorsichtig um ihr Gesicht. Sie sollte ihn wegschicken, denn er hatte die Barrieren, die sie sonst schützten, mühelos niedergerissen und sie fühlte sich nackt und bloß, seiner Anziehungskraft total ausgeliefert. Logan war ihr vollkommen fremd, sie sollte ihn wirklich bitten zu gehen, sie war sonst nicht so leichtsinnig, sich einem vollkommen Unbekannten zu öffnen. Doch sobald sie seine Lippen an ihrem Mundwinkel fühlte, waren diese Gedanken wie weggewischt. Nur noch ein Kuß, sagte sie sich und schaffte es dann einfach nicht, damit aufzuhören. Sie glitten auf die Matratze und Logan wurde vorwitziger. Seine starken Hände erkundeten ihren Körper, der sich geradezu nach seinen Berührungen verzehrte. Logans Verstand hatte sich schon lange verabschiedet, ihre rückhaltlose Antwort auf seine Liebkosungen hatte alle Bedenken weggefegt. Er mußte sie einfach spüren und so glitt seine Hand, während sie sich hungrig küßten, unter ihr Shirt, wo er vorsichtig ihre Brust über einem einfachen BH aus Baumwolle umfaßte. „Oh, Logan!“, seufzte sie leise seinen Namen und bog sich seiner fordernden Berührung entgegen. Es gab kein Zurück mehr, er ließ eine der Klauen aus seiner Hand herausgleiten und trennte ihr Shirt samt BH damit auf, sodaß der Stoff zu Seite glitt und ihre perfekt gerundeten Brüste entblößte. Es war wie ein Schock, als er seine Lippen um eine der Knospen schloß und seine leicht rauhe Zunge darüber gleiten ließ. Jetzt verstand sie, was mit dem Ausdruck süßer Schmerz gemeint war, sie war davon überzeugt, daß sie jeden Augenblick vor Lust vergehen würde. Irgendwann hatte er sie vollkommen ausgekleidet und hatte sich dann von dem Bett erhoben, um seine Lederkombination abzustreifen. Candy mußte schlucken, als er schließlich vollkommen nackt vor ihr stand. Er war nur knapp 1,70 m groß, doch sein Körper bestand nur aus Muskeln und seine Brust war stark behaart. Dann wanderte ihr Blick zu seiner Körpermitte, folgte der Spur seiner immer schmaler werdenden Brustbehaarung, und sie erschauerte, ob aus Vorfreude oder Ehrfurcht konnte sie nicht sagen. Er war überall ziemlich beeindruckend gebaut. Bevor er sich wieder zu ihr legte, hatte sie sich aufgerichtet und ihre Hände legten sich um seine Hüften. Sollte sie? Ihre Zungenspitze strich probeweise über seine die empfindliche Spitze, sie empfand keinerlei Scheu ihm gegenüber. Sie wollte, daß er sich genauso hilflos wie sie fühlte, deshalb schloß sie ihre Lippen um ihn und spürte wie er stahlhart wurde. Sein Geschmack füllte ihren Mund aus und sein Stöhnen trieb sie an, ihre Liebkosungen zu verstärken. Nach einiger Zeit nahm er ihren Kopf zwischen seine Hände und zog sie von sich weg. Mit einem wilden Glitzern in den Augen sah er auf sie herunter. „Später vielleicht, Candy“, flüsterte er heiser, während er sie wieder auf die Matratze drückte und sich zwischen ihre gegrätschten Beine kniete. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, als er mit seinen Fingern ihre intimste Stelle berührte und sie scharf den Atem einziehen mußte, weil er so heftige Empfindungen in ihr auszulösen vermochte. Ein zufriedenes Grollen formte sich in seiner Kehle, während er ihre Hüften umspannte und sie leicht anhob. Candy wollte etwas sagen, doch die Worte wichen einem Aufstöhnen, als sie ihn unvermittelt in sich spürte. Sie fühlte sich komplett von ihm ausgefüllt und krallte sich hilflos ihren Empfindungen ausgeliefert in das Laken unter sich. Er fing an, sich in ihr zu bewegen, aufreizend langsam, so daß sie den ersten Schmerz bald vergaß. Instinktiv umschlangen ihre Beine seine Hüften, sie bog sich ihm entgegen, damit er tiefer in sie eindringen konnte. Sein griff um ihre Hüften wurde immer fester, seine Stöße kamen immer schneller und heftiger. Candy hatte dem nichts entgegen zusetzen, sie stöhnte seinen Namen, flehte und wußte nicht, worum sie bat, bis sie den Gipfel erklomm und total die Kontrolle unter ihm verlor. Als sie nur noch schreien konnte, legte sich Logan auf sie, seine dichte Brustbehaarung ihre empfindliche Knospen reizend, spürte sie tief in ihrem Schoß die Antwort seines Körpers auf die geteilte Leidenschaft. Logans Stöhnen vermischte sich mit ihrem, sie suchte seinen Mund und küßte ihn hungrig, dann umfing sie samtene Schwärze… Logan lag auf der Seite und hielt Candy fest an sich gedrückt, die ihr Gesicht an seine Brust geschmiegt hielt und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Ihr Herz galoppiert in einem wilden Takt und sie zitterte in den Nachwehen der heftigen Empfindungen gefangen. Logan war aus ihr geglitten und atmete tief ein, er mußte wissen, ob das Gefühl vorhin ihn getrogen hatte. Nein, da war es, der leicht süßliche Geruch von frischem Blut. Es hätte ihm schon viel früher auffallen müssen, aber sie hatte keine Sekunde gezögert und sein eigenes Verlangen hatte seinen Verstand vernebelt. „Du hättest mir sagen müssen, daß Du noch nie mit einem Mann geschlafen hast, Candy.“ Die geflüsterten Worte schreckten sie aus ihrer Versunkenheit auf und sie sah ängstlich zu ihm hoch. Sein Gesicht sah so abweisend aus, daß ihr die Worte fehlten. „Bist Du jetzt sauer?“, fragte sie leise, ohne wirklich auf seine Frage zu antworten. Sie wollte von ihm abrücken, doch sein starker Arm hielt sie an seinen stählernen Körper gedrückt. „Nein, aber ich wäre rücksichtsvoller gewesen, oder hätte es ganz bleiben lassen. Das erste Mal sollte schon etwas Besonderes sein, mit jemandem, den Du kennst, dem Du tiefe Gefühle entgegen bringst.“ „Und danach ist es in Ordnung sich in One-Night-Stands zu stürzen? Was für eine verquere Moral, Logan. Nur weil ich noch unerfahren bin, heißt das nicht, daß Du mich anders behandeln mußt als andere Frauen! Du wußtest vorher nichts über mich, jetzt kannst Du dir deine Sorge auch sparen!“ Sie stemmte sich gegen seine Brust, um seiner Nähe entkommen zu können, doch er ließ sie nicht gehen. „Candy, laß das! Ich bin viel stärker als Du. Ich wollte dir nicht weh tun. Es tut mir leid, wirklich.“ Ihre Augen flossen über, er hatte recht, sie war mit der Situation überfordert und überempfindlich. Sie hätte ihm gerne erklärt, warum sie mit ihm geschlafen hatte, doch sie fand nicht die richtigen Worte und brachte es nicht über sich, sich ihm einfach anzuvertrauen. Sie waren zwei Fremde, die sich zu nichts verpflichtet hatten. „Es ist schon gut, Logan. Du hast vollkommen recht, ich habe keine Ahnung, wie ich auf das Geschehene reagieren werde. Aber es liegt in meiner Verantwortung, ich bin eine erwachsene Frau und muß sehen, wie ich damit klar komme.“ Logan kam sich vor wie ein mieses Schwein, als sich Candy wieder vertrauensvoll an ihn schmiegte. Was hatte er ihr mit diesem Abenteuer angetan? Er wollte nicht dafür verantwortlich sein, ihr gefühlvolles Wesen zerstört zu haben. Er ging nur mit Frauen ins Bett, die die Regeln kannten und keine Probleme damit hatten, nur eine von vielen zu sein. Er lauschte ihren Atemzügen und stellte fest, daß sie in seinen Armen eingeschlafen war. Es war Jahre her, daß er die ganze Nacht mit einer Frau verbracht hatte, meistens verzog er sich, wenn der Hunger nach Sex gestillt war. Irgendwie schaffte er es nicht, sich jetzt einfach davonzuschleichen. Er hielt sie die ganze Nacht in den Armen und sah zu, wie das Licht der aufgehenden Sonne ihr entrücktes Gesicht erleuchtete. xxx Candy erwachte langsam aus einem tiefen, erholsamen Schlaf. Ihre Glieder fühlten sich angenehm schwer an und eine wohlige Wärme erfüllte sie bis in die Zehenspitzen. Sie seufzte zufrieden und schlug dann die Augen auf, um direkt auf Logans aufmerksamen Blick zu treffen. Sie errötete bezaubernd und lächelte ihn erfreut an: „Du bist bei mir geblieben?“ Sie streckte die Hand aus und legte sie auf seine warme von Bartstoppeln übersäte Wange. Logan stöhnte innerlich, er sollte das nicht tun, er sollte sie nicht weiter ausnutzen, aber er schaffte es einfach nicht, sich ihrer Wärme zu entziehen. Ihre Lippen trafen in einem schläfrigen Kuß aufeinander und Logan zog ihren warmen Körper auf seinen. Obwohl sie noch verschlafen war, spürte sie jeden Quadratzentimeter seines Körpers an ihrem und genoß die süßen Schauer, die er in ihr bewirkte. Sie bemerkte erst, als Logan ihre Pobacken mit festem Griff umfaßte, daß er wieder zu ihr kommen würde. Er nahm ihr Aufstöhnen mit einem Kuß in sich auf und reizte sie mit seinen langsamen Stößen, bis sie sich wie von selbst aufrichtete und unter seiner kundigen Leitung den richtigen Rhythmus fand. Er ließ sie alle Zurückhaltung vergessen und sie warf den Kopf in den Nacken, bog ihren Rücken durch, bis Logan sie mit einem festen Griff um ihre Taille stützen mußte. Sie hatte nicht damit gerechnet, daß der Orgasmus noch gewaltiger sein könnte als der zuvor, Logan trieb sie über einen gewaltigen Gipfel, der sie vor Wonne aufschluchzen ließ. Erst da erlaubte sich Logan, ebenfalls die Beherrschung zu verlieren. Sie glitt vollkommen erschöpft von den aufwühlenden Erfahrungen auf seine Brust und ließ sich von ihm in den Armen halten. Er spürte ihre Tränen auf seiner Brust und fühlte sich mit Ehrfurcht erfüllt. Sie hatten kaum drei Stunden geschlafen und Logan tat nichts, um sie am erneuten Einschlafen zu hindern. Er blieb etwa noch eine Stunde bei ihr liegen, dann schlüpfte er aus dem zerwühlten Bett, wo er dann schnell in seine Kleider überstreifte, die überall auf dem Boden verstreut lagen. Sie lag auf dem Rücken und er betrachtete bewundernd ihren nackten Körper, er stellte mit Bedauern fest, daß sein fester Griff um ihre Hüften wohl einen blauen Fleck zurücklassen würde. Auf der freien Bettseite entdeckte er den verräterischen Blutfleck und zuckte schuldbewußt zusammen. Er mußte an das junge Mädchen denken, das er vor einigen Jahren auf der Straße aufgelesen hatte. Wenn ein Mann sie so behandeln würde, dann würde er nicht zögern, dem Kerl eine sehr schmerzhafte Lektion zu erteilen. Ein letzter Blick und Logan drehte sich weg und verließ das Loft mit dem festen Vorsatz, die Erinnerungen an diese Nacht vollkommen aus seinem Gedächtnis zu löschen. Candys Lider flatterten auf und sie sah noch ein letztes Mal seinen breiten Rücken, bevor der Vorhang wieder zurückglitt und ihr den Blick auf ihn versperrte. Sie zog die Bettdecke zu sich herauf und kuschelte sich tief in das Kissen, das noch nach ihm duftete. Sie würde ihn wohl nicht wieder sehen und der Gedanke daran trieb ihr unwillkürlich die Tränen in die Augen. Wie sollte sie mit diesem Verlust fertig werden? In Momenten wie diesen verfluchte sie ihre Fähigkeit, hinter die Fassade eines Menschen blicken zu können. Wieder einmal hatte sie ihr keinen Schutz geboten, nur das Verlangen danach hinterlassen, diesem besonderen Mann näher zu kommen. Aber sie mußte sich wohl mit dieser kurzen Nacht voller Leidenschaft begnügen… Fortsetzung folgt... Kapitel 3: Time After Time -------------------------- X X X Es vergingen Monate, in denen sie sich in die Arbeit stürzte und ihre geheimen Missionen so lang wie möglich in die frühen Morgenstunden hinauszögerte, weil sie alleine in ihrem Bett keinen Schlaf fand. In den letzten Wochen hatten sich Zwischenfälle gehäuft, in denen Menschen des Nachts auf offener Straße angegriffen wurden, so daß Candy ihr Einsatzgebiet über die Grenzen des Hudson Rivers hinaus erweiterte. Dann wurde die Sehnsucht in ihr stiller und sie konnte ihre Kraftreserven wieder auftanken. Dennoch begleitete sie Logan Tag und Nacht, sie wünschte sich sehnlichst, daß er sich bei ihr melden würde, doch es kam nie eine Nachricht von ihm. Und warum auch? Es ärgerte sie, daß sie ihn einfach nicht aus ihren Gedanken verbannen konnte. Sie sollte genauso wie er fähig sein, diese kleine Episode realistisch zu betrachten und sie endgültig abhaken. Trotz allem tauchte sein markantes Gesicht immer wieder vor ihrem geistigen Auge auf oder erschien ihr in ihren Träumen. Ein Auftrag für eine Zeitschrift führte sie einige Wochen später nach Upstate New York, wo sie Bilder von Privatschulen schießen sollte. Sie hatte den Auftrag dankbar angenommen, da es ihr bestimmt gut tun würde, mal etwas frische Landluft zu schnuppern. Das Xavier Institut für Hochbegabte behielt sie sich für den Anfang ihrer kleinen Rundreise vor, weil der Redakteur gemeint hatte, daß sie dort persönlich beim Leiter der Schule eine Genehmigung für die Bilder einholen müßte. So konnte sie gleich weiterziehen, wenn sie wider Erwarten eine Absage erhalten sollte. Das Ganze kam Candy zwar ziemlich merkwürdig vor, doch der Auftrag wurde gut bezahlt und lenkte sie von ihrem Kummer ab, außerdem war die Umgebung von Westchester im Spätsommer absolut überwältigend. Es war angenehm warm, die Bäume verfärbten sich jedoch schon in Tausend verschiedene Rottöne, die schon aus der Ferne leuchteten und ihr ein paar phantastische Landschaftsaufnahmen einbrachten, die sie später bestimmt gewinnbringend verkaufen konnte. Der Herbst war in diesem Teil des Landes einfach überwältigend und Candy war froh, daß sie einige Zeit umgeben von der Atmosphäre eines impressionistischen Bildes arbeiten durfte. Mit ihrem alten Ford Mustang fuhr sie am Haupteingang der Schule vor und läutete am großen schmiedeeisernen Tor, eine angenehme Männerstimme verlangte über Lautsprecher ihren Namen, dann wurde das Tor automatisch geöffnet und glitt leise surrend zur Seite. Sie fuhr den kiesbestreuten Weg entlang bis zu dem Fuß einer eleganten Freitreppe, wo ein junger Mann mit einer verspiegelten Sonnenbrille auf der Nase auf sie wartete. Sie stieg aus und warf sich ihre Fototasche über die Schulter. „Guten Tag, Sie sind Candy Genova?“, fragte er und Candy erkannte die Stimme aus dem Lautsprecher wieder. Sie nickte: „Ja, ich bin ein bißchen zu früh dran, aber ich habe einen Termin mit Professor Xavier. Sind Sie…?“ Sie unterbrach sich, als ihr Gegenüber lachend den Kopf schüttelte: „Nein, ich heiße Scott Summers, ich bin sein Stellvertreter und soll Ihnen die Zeit kurz vertreiben, bis der Professor soweit ist, Sie zu empfangen.“ Sie schüttelte seine Hand und ließ sich von ihm die Tasche abnehmen, die er in der imposanten Eingangshalle auf einer Kommode ablegte. „Ich könnte Sie ein wenig in unserem Garten herumführen, wenn Sie möchten, Miss Genova.“ Die Bezeichnung „Garten“ war eine ziemliche Untertreibung von ihm gewesen, denn der Garten stellte sich als weitläufige Parkanlage heraus, die einen Wald, einen See, Stallungen und Gewächshäuser beherbergte. „Sie habe eine wunderschöne Schule, sie ist überwältigend. Auf Bildern werde ich diesen lebhaften Eindruck fast nicht einfangen können. Ich glaube, dazu bräuchte ich wohl einen Helikopter“, scherzte sie gutgelaunt. Candy strahlte Scott Summers begeistert an, der von ihrer Herzlichkeit ziemlich überrascht war. Er hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit einer so liebenswürdigen Person und einem so einnehmenden Wesen. Scott machte ihr eine besondere Freude, als er ihr die Pferde in den Stallungen zeigte und ein Fohlen, das gerade mal ein paar Monate alt war. Sie lockte es mit einer Mohrrübe an und streichelte seine weichen Nüstern. Sollte Mr. Summers sie ruhig für albern halten, aber sie redete mit dem Fohlen und benutzte dabei unsinnige Kosenamen. Ihre Eltern hatten sie einmal auf einem Pony reiten lassen und ihr versprochen, daß sie bald Reitunterricht bekommen würde, doch dann war Roberto zur Welt gekommen und die Genovas hatten das Versprechen vergessen. „Der Professor müßte jetzt Zeit für Sie haben, Miss Genova.“ Scotts Stimme holte sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und sie folgte ihm zurück ins Haus, wo er sie einige Gänge entlang führte und dann vor einer massiven Holztür stehen blieb. Er klopfte kurz und öffnete ihr dann die Tür zu einem Arbeitszimmer, in dem ein Mann Mitte Fünfzig hinter einem kostbaren Schreibtisch saß und ihr freundlich entgegen lächelte. Er trug einen eleganten Anzug und war vollkommen kahl, was den Eindruck der scharfen Intelligenz in seinem Blick jedoch nur verstärkte. „Willkommen in meiner Schule für Hochbegabte, Miss Genova. Ich bin Professor Charles Xavier, bitte nehmen Sie doch Platz“, forderte er sie freundlich auf. Er sprach mit wohltönender Stimme, die seine Herkunft aus England verriet und Candy lächelte ihn etwas unsicher an, der Mann hatte eine außerordentliche Ausstrahlung, die ihre Sensoren kitzelte, sie nahm jedoch ihm gegenüber Platz und bezwang den Drang, ihre Fühler nach ihm auszustrecken. „Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie dem Magazin die Bilderstrecke erlauben möchten. Das Anwesen ist wunderschön und wird jede andere Schule in den Schatten stellen.“ Der Mann lächelte leicht und lehnte sich in seinem Stuhl zurück: „Ich muß Ihnen leider gestehen, daß der Auftrag nicht existiert. Das war nur eine Möglichkeit, wie wir Sie ohne große Erklärungen hierher locken konnten.“ Candy runzelte die Stirn und sah den Professor ungläubig an. „Aber ich habe einen Brief von dem Redakteur bekommen und einen sehr großzügigen Vorschuß…“ Aus dem amüsierten Aufblitzen in den Augen des Professors las sie die Wahrheit heraus, so daß die Worte auf ihren Lippen erstarben. „Es tut mir leid, daß wir zu einem solchen Trick greifen mußten, doch Sie wurden uns empfohlen und meine Quelle befürchtete, daß sie eine offene Einladung von dieser Seite nicht annehmen würden.“ „Aber ich arbeite oft auf Empfehlung und hatte noch nie Ärger mit Auftraggebern. Um wen handelt es sich denn?“ Sie war absolut unvorbereitet und ohne jeden Hintergedanken in die Falle getappt, der stille Zuhörer, der sich hinter der Tür zum Nebenzimmer versteckt hatte, kam nun herein und meldete sich zu Wort. „Ich war die Quelle, Candy!“, sagte eine tiefe Stimme hinter ihr, die ihr einen Schauer des Erkennens den Rücken herunter jagte. Sie fuhr erschrocken zu ihm herum und starrte ihn ungläubig an, dann ging ihr Blick zum Professor und wieder zurück zu Logan. Er stand leibhaftig vor ihr und sein Anblick durchfuhr sie wie ein Stromstoß, ihr Herz setzte aus, in ihren Ohren rauschte das Blut und ihr Kopf fühlte sich mit einem Mal so leicht an. Sie zwang sich, ruhig zu atmen, damit sie nicht aus lauter Beklemmung und Verlegenheit vom Stuhl kippte. „Warum haben Sie mich herbestellt?“, brachte sie nur mehr in einem heiseren Flüstern heraus. Vor Ärger über ihre Unfähigkeit, ihren Gefühlsaufruhr zu verbergen, brannten ihre Wangen und sie versuchte, nicht in Logans Richtung zu blicken, der nur wenige Zentimeter hinter ihr stand. Sie konnte seine Nähe mit jeder Faser ihres Körpers fühlen und hielt den Blick starr auf Professor Xavier gerichtet, der sie entschuldigend ansah. „Logan meinte, daß Sie uns mit Ihren speziellen Fähigkeiten helfen könnten. Bitte regen Sie sich nicht auf, Ihr Geheimnis ist bei uns sicher. Hier leben nur Mutanten. Diese Schule ist eine Zuflucht für Kinder, die ebenso wie Sie besondere Kräfte haben. Wir haben eine kranke Kollegin, der Sie vielleicht helfen können, wo unsere medizinischen Möglichkeiten versagen. Logan hat es sich nicht leicht gemacht, aber der Zustand der Kranken verschlechtert sich von Tag zu Tag. Sie sind wahrscheinlich die letzte Hoffnung, die uns bleibt.“ Logan gehörte also hierher in dieses kleine Paradies, in dem tatsächlich Mutanten-Kinder unterrichtet wurden. Mr. Summers und der Professor waren also auch Mutanten. Und Logan hatte sie nur gerufen, damit sie ihnen mit ihren Fähigkeiten half. Am liebsten wäre sie davon gelaufen, aber sie hatte sich selbst einen Eid geleistet, niemals einen Menschen in Not leiden zu lassen. Auch wenn sie kein Arzt war, so fühlte sie sich dennoch ihrer Gabe verpflichtet, sie könnte niemals einem Kranken oder Verletzten den Rücken kehren, wenn sie um Hilfe gebeten wurde. Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter und sagte dann so gefaßt wie möglich: „Bringen Sie mich zu der Kranken, ich werde mein Möglichstes tun. Ich kann jedoch nichts versprechen, Professor Xavier. Manchmal haben meine Kräfte schon versagt.“ Dem Professor waren ihre aufgewühlten Gefühle nicht entgangen, er wunderte sich, daß sie so schnell ohne Erklärungen zu fordern, auf seine Bitte eingegangen war. Er blickte kurz zu Logan, der nur die düster dreinblickte und hilflos mit den Schultern zuckte. „Logan wird Sie zu ihr bringen, sie liegt in der Krankenstation. Ich werde später nachkommen. Ich danke Ihnen vielmals, Miss Genova.“ Sie nickte nur stumm und erhob sich dann von dem Stuhl, Logan wartete schon an der Tür und sie folgte seinen ausholenden Schritten. Sie achtete dabei nicht auf den Weg und wunderte sich auch nicht, daß sie einen Lift bestiegen, der nach unten fuhr, soweit sie das beurteilen konnte. Sie starrte dabei die ganze Zeit auf den Boden, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. Sie traten dann in einen mit Neonröhren erleuchteten Gang und Logan führte sie durch ein Labyrinth von Gängen, die sich alle irgendwie glichen. Alleine würde Candy den Weg niemals wieder zurück an die Oberfläche finden, doch im Moment war das ihre geringste Sorge. Logan blieb vor einer Stahltür stehen, die zur Seite glitt, nachdem er einen Kontakt berührt hatte, und den Blick auf ein modernes Krankenzimmer freigab. In einem Spezialbett lag eine kleine Gestalt, die von Kopf bis Fuß in Verbänden eingewickelt war. Eine junge Frau mit einem roten Pferdeschwanz, einer Goldrandbrille auf der Nase und angetan mit einem weißen Arztkittel erhob sich von einem Stuhl und kam ihnen besorgt entgegen. „Sie schläft jetzt, Logan. Ich mußte sie betäuben, die Schmerzen waren einfach zu stark.“ Ihr fragender Blick glitt zu Candy. „Sind Sie Miss Genova, die Heilerin? Ich bin Dr. Jean Grey-Summers.“ Sie schüttelte der groß gewachsenen Frau die Hand, die ihr mit den grünen Katzenaugen prüfend in die Augen blickte, während sie die Tür hinter sich ins Schloß zog. „Was benötigen Sie, um meiner Patientin zu helfen?“, verlangte die rothaarige Ärztin zu wissen. „Eigentlich gar nichts, aber wenn Sie mir sagen, was ihr passiert ist, kann ich gleich an die Arbeit gehen.“ Jean zog die Augenbrauen hoch, doch Bettler durften nicht wählerisch sein. Sie mußte ihren Argwohn herunterschlucken. Der Professor hatte die Frau als bedenkenlos eingestuft, sonst wäre sie nie so weit vorgedrungen. „Marie hat ziemlich kritische Verbrennungen davongetragen, sie sind von der Schwere zweiten und dritten Grades und ihr ganzer Körper ist betroffen sowie Teile ihres Gesichtes.“ Jean unterbrach ihre Erklärungen, weil sie sehen wollte, ob diese angebliche Heilerin wirklich etwas von Medizin verstand. „Dann ist es ein Wunder, daß sie überhaupt noch lebt. Die Sauerstoffzufuhr dürfte ein großes Problem sein, zusätzlich die unerträglichen Schmerzen. Lassen Sie mich keine Zeit verlieren, jede Sekunde zählt. Über meine Mutation können wir uns auch später noch unterhalten, Dr. Grey-Summers.“ Candy betonte den Titel der jungen Frau besonders, sie konnte sich gut vorstellen, daß sie als Verfechterin der Schulmedizin skeptisch auf ihre Gabe reagieren mußte. Logan war von Candy beeindruckt, er war sich selbst nicht sicher gewesen, wie gut sie als Heilerin war. Er hatte sich ja auch nicht unbedingt Mühe gegeben, etwas über sie zu erfahren. „Am besten Sie lassen sich mit der Patientin allein. Ich bin es nicht gewohnt, Zuschauer bei der Arbeit zu haben, das könnte meine Konzentration stören.“ „Candy, alles, was Du willst, nur hilf Marie bitte!“, bat Logan eindringlich. Logans inständige Bitte stimmte sie nur trauriger, er empfand wohl sehr viel für die verletzte Frau. „Ich werde alles tun, was ich kann, mach dir keine Sorgen, Logan!“, versuchte sie, ihn zu beruhigen. Hier ging es nicht um Logan oder sie, es ging um eine Kranke, die ihre Hilfe brauchte, alles andere mußte dafür in den Hintergrund treten. Candy nahm einen tiefen Atemzug, der sie beruhigen sollte, und betrat dann das Krankenzimmer. Sie schob die Tür hinter sich zu, dann trat sie zu der Verletzten ans Bett. Sie konnte nur ihre Nasenspitze sehen und einen Schwall dunkler Haare, die auf dem Kissen lagen. Sie konzentrierte sich auf ihre Fähigkeiten und schob alles andere beiseite, obwohl die junge Frau ohne Bewußtsein war, hatte sie schreckliche Schmerzen und Candy litt mit ihr. Candy kniete sich neben das Bett und griff nach der bandagierten Hand der jungen Frau. Die Verletzungen waren schlimmer als erwartet. Sie spürte, daß sie den Heilungsprozeß eigentlich in zwei Schritten vollziehen müßte, aber sie wollte auch so schnell wie möglich weg von hier. Sie gab ein Stück ihrer Energie weiter und machte eine kurze Pause, um den Verband der Hand mit einer Schere aufzuschneiden, die sie auf dem Nachtschränkchen der Patientin gefunden hatte. Die Haut darunter sah nicht mehr so schlimm aus, sie war nur noch leicht gerötet, als wäre sie nur mehr mit heißem Wasser übergossen worden. Candy biß die Zähne zusammen und griff nach der zierlichen Hand der Frau, dann hielt sie den Kontakt und ließ zu, daß ihr die Energie von der Verletzten zur Heilung abgezogen wurde. Gegen Ende des Prozesses wurden ihre Schmerzen unerträglich und sie stopfte sich ein Teil des Lakens in den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Die Patientin war zum Glück betäubt, so daß sie nur wenig von der rasenden Heilung mitbekam. Nach Vollendung des Heilungsprozesses glitt Candy kraftlos auf den Boden und weinte leise, weil die Schmerzen nicht aufhören wollten. Wenigstens hatte sie den Trost, daß die Frau gesund werden würde. Sie kroch auf allen Vieren zum Waschbecken in der Ecke des Raumes und zog sich daran hoch, sie trank gierig das kalte Wasser und benetzte ihr erhitztes Gesicht damit. Ihr ganzer Körper brannte, als hätte sie die Verletzungen der Frau übernommen. Das war die Strafe dafür, daß sie die Grenze überschritten hatte. Heiße Tränen liefen über ihre Wangen und sie wischte sie beständig mit kaltem Wasser fort. Sie kroch zur Wand und lehnte sich Halt suchend daran, während sie daran herunter rutschte, sie zog ihre Knie zu sich heran und vergrub den schmerzenden Kopf auf ihren brennenden Armen. Das waren die schlimmsten Schmerzen, die Candy je nach einer ausgedehnten Heilung verspürt hatte. Fortsetzung folgt... Kapitel 4: The Healing ---------------------- xxx Als sie nach dreißig Minuten immer noch nichts von der Frau hörten, spähte Jean mit Hilfe ihrer Telepathie in den Raum, was sie wahrnahm, veranlaßte sie, die Tür aufzureißen und nach den beiden Frauen zu sehen. In der Ecke saß die Heilerin zusammengekauert an die Wand gelehnt und weinte leise. Marie lag ruhig in dem Bett und Jean konnte unter dem offenen Verband unversehrte Haut erkennen. Vorsichtig öffnete sie die übrigen Bandagen und fand meistens vollkommen heile Haut und nur selten noch leicht gerötete Stellen. Sie war absolut sprachlos. Logan war neben Candy in die Knie gegangen und berührte sie leicht an der Schulter. Sie zuckte zusammen und rückte von ihm weg. Ihr tränenverschmiertes Gesicht versetzte ihm einen Stich. „Bitte nicht anfassen! Deiner Freundin geht es wieder gut“, sagte sie mit vom Weinen belegter Stimme. Sie zitterte am ganzen Leib und schämte sich, daß sie es vor ihm nicht verbergen konnte. „Es ist unglaublich, Maries Haut ist fast unversehrt…“, murmelte Jean ungläubig. Die Ärztin trat neben die beiden und erschrak über den Zustand von Miss Genova. Sie hätte nicht gedacht, daß eine Heilung eine derart heftige Reaktion bei der jungen Frau auslösen würde. Da der Fall sehr dringend gewesen war, hatte sie sich keine Zeit nehmen können, die Fähigkeiten der Heilerin zuerst zu erforschen. „Was kann ich tun, um Ihnen zu helfen?“, fragte sie professionell. „Könnten Sie mir eine Spritze mit Morphium setzen? Ich mache das sonst selbst, ich habe nur meine Tasche nicht dabei. 10 mg müßten genügen.“ Jean verkniff sich den Kommentar, daß die Dosis einen ausgewachsenen Bullen ruhig stellen konnte. Aber Miss Genova war ja nicht neu in dem Metier, sie kannte ihre Grenzen wohl selbst am besten. Das hoffte sie zumindest... Mit eingeübten Handgriffen zog sie die Spritze auf und setzte die Injektion. Logan sah indessen nach Marie und fand sie fast geheilt vor, es war wirklich unfaßbar. Fünf Minuten später stand Candy vom Boden auf und nur noch das fiebrige Glänzen ihrer Augen verriet, daß sie bis vor kurzem ein zitterndes Nervenbündel gewesen war. Sie sah auf die schlafende Frau in dem Bett herunter und erkannte nun ohne die Verbände eine dunkelhaarige Schönheit mit cremiger Haut. Obwohl die Eifersucht ihre Klauen in ihr Herz schlug, drehte sie sich zu der Ärztin um. „Ich muß noch einmal eine kurze Sitzung mit ihr abhalten. Ich habe es nicht ganz geschafft, ihre Verletzungen waren sehr schwer. Ich brauche etwas Ruhe vor einer erneuten Anwendung. Gibt es hier in der Nähe ein Hotel?“ Logan packte sie unsanft an der Schulter. „Hast Du den Verstand verloren? In deinem Zustand gehst Du nirgends hin. Es gibt hier genug Platz für dich!“ Sie wich seinem Blick aus und sah zu Dr. Grey hinüber. „Logan hat absolut recht. Er kann Ihnen ein Gästezimmer zuweisen, Sie sollten Ihre eigene Gesundheit nicht gefährden. Marie muß durch Ihr Eingreifen jetzt nicht mehr leiden, alles andere hat Zeit, bis Sie wieder kräftig genug sind.“ Logan führte sie also wieder zum Lift, diesmal stiegen sie jedoch in einer anderen Etage aus, wo er sie in ein Gästezimmer führte, dessen Fenster zum Garten ging. „Wenn Du irgend etwas brauchen solltest, dann ruf mich über das Haustelefon. Man findet mich dann, egal, wer dran ist.“ Er sah dabei zu wie sie sich kraftlos auf das Bett fallen ließ. Logan ging zu ihr rüber und kniete neben ihr nieder, er zog ihr die Schuhe aus und legte dann eine Hand auf ihr Knie. „Ich danke dir, daß Du Marie geholfen hast. Du bist unglaublich, ich stehe tief in deiner Schuld.“ „Blödsinn! Das ist mein Job, Du schuldest mir rein gar nichts!“, wehrte sie sofort ab. Sie kroch auf das Bett, legte sich auf das Kissen und schloß die Augen. „Ich muß mich jetzt ausruhen!“, murmelte sie mit schwacher Stimme. Logan erhob sich langsam und sah bedauernd auf Candy herunter, er wollte Wiedergutmachung leisten, doch sie ließ ihn nicht an sich heran. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, mit ihr zu streiten, sie sollte lieber erst ihre Kraftreserven aufladen. X X X „Du bist ein wunderschönes Pferd, aber ich darf dir sicher nicht so viel zu Fressen geben, mein Süßer.“ Candy streichelte die Nüstern des zutraulichen Fohlens und gab ihm das letzte Stück Karotte. Sie hatte etwa 15 Stunden durchgeschlafen und war kurz nach Sonnenaufgang aufgewacht. Jemand hatte ihr Gepäck auf die Truhe am Ende des Bettes gestellt, deshalb hatte sie eine Dusche genommen und frische Sachen angezogen. Irgendwie hatte sie den Weg zu den Stallungen gefunden und Trost bei ihrem neuen kleinen Freund gesucht. Sie wünschte sich, daß sie die Kranke noch einmal aufsuchen könnte, um es hinter sich zu bringen, doch sie fand den Lift nicht, er mußte wohl durch die Wandtäfelung getarnt sein. Sie verwünschte ihre gestrige Unachtsamkeit, so hätte sie längst wieder auf dem Weg nach Hause sein können. „Ich wußte, daß ich Sie hier finden würde, Miss Genova. Wollen Sie nicht ins Haus kommen? Wie wäre es mit Frühstück?“ Sie lächelte Mr. Summers zögernd an: „Guten Morgen, ich wollte vorhin niemanden wecken, es war gerade mal kurz nach fünf. Und bitte nennen Sie mich Candy, ich benutze den Namen Genova nicht oft.“ Scott lächelte sie freundlich hinter seiner verspiegelten Brille an: „In Ordnung, Candy! Ich heiße Scott und ich bin mir sicher, daß meine Frau nichts dagegen hat, wenn Du sie Jean nennst, ihr Doppelname ist wirklich zu umständlich!“ Die Ärztin war also mit diesem netten Mann verheiratet, der seine Augen immer hinter der Brille versteckt hielt. Wollte Logan diese Marie vielleicht auch heiraten? Die Frage blitzte einfach so auf, ohne daß sie das gewollt hatte. Sie schob den Gedanken erbost beiseite, sie hatte kein Recht, sich in Logans Leben einzumischen oder Ansprüche zu stellen. „Ich will nicht unhöflich sein, trägst Du die Brille wegen deiner Mutation?“, fragte sie zögernd, doch sie war auch neugierig, sie hatte zwar Umgang mit anderen Mutanten gehabt, aber nie auf der persönlichen Ebene. Scott versicherte ihr, daß er die Frage durchaus berechtigt fand und erklärte ihr, daß er ohne die Brille seine Kräfte nicht kontrollieren konnte. Candy berührte ihn wie beiläufig an der Hand und wurde dafür mit einem Blick in sein warmherziges Wesen belohnt. Sie blinzelte und legte dann den Kopf schief. „Du hast eine Verletzung am Stammhirn, die vernarbt ist und dadurch verhindert, daß Du deine Fähigkeiten kontrollieren kannst.“ Scott starrte die junge Frau sprachlos an. „Ich bekomme die Informationen durch Berührung, ich kann keine Gedanken lesen oder beeinflussen. Ich funktioniere wie ein Röntgengerät, oder so“, erklärte sie ihm und zuckte hilflos mit den Schultern. „Das ist ziemlich beeindruckend, vor allen Dingen, wenn ich bedenke, daß Du deine Fähigkeiten ganz alleine in den Griff bekommen hast.“ Candy errötete und sah verlegen auf den Boden, sie war es nicht gewohnt, daß jemand ihre Heilerfähigkeiten als etwas Besonderes betrachtete. Sie folgte Scott in den Speisesaal der Schule, wo erst wenige verschlafen dreinblickende Schüler an den Tischen saßen. Der junge Mann führte sie an einen Tisch am Fenster, wo seine Frau neben einer umwerfend hübschen Schwarzen mit langen, weißblonden Haaren saß. „Guten Morgen, Candy, das ist Ororo Munroe, ein weiteres Mitglied des Lehrkörpers“, stellte Scott die Frau mit den traurigen, dunklen Augen vor. Ororo lachte und ließ ihre perfekt weißen Zähne blitzen: „Das klingt ziemlich dämlich, nenn mich bitte Storm, Ororo ist für Anfänger ein ziemlicher Zungenbrecher!“ Candy schüttelte ihr die Hand und unterdrückte den Impuls, sie zu lesen, sie sollte wirklich nicht ungefragt in die Privatsphäre eines Menschen eindringen. Sie riß die Augen auf und starrte zu Jean Grey-Summers rüber, deren Stimme sie eben in ihrem Kopf gehört hatte. Sie setzte sich auf den Stuhl, den ihr Scott zurecht schob und runzelte kurz die Stirn. Candy goß sich während dieses stillen Gedankenaustausches ein Glas Orangensaft ein und nahm ein süßes Hörnchen auf ihren Teller. Sie brauchte Kalorien! Ihre Kraftreserven mußten schnell wieder aufgeladen werden. Nach schweren Heilungen konnte sie wahre Freßgelage veranstalten, das wollte sie hier aber lieber nicht tun. Sie mußte eben später um eine Infusion mit Glukose bitten, sie machte das auch zuhause, aber lieber ließ sie der Natur ihren Lauf. Bald füllte sich der Raum mit weiteren Schülern und die Luft war von leisen Gesprächen und Gelächter erfüllt. Candy sah sich in dem mit Sonnenlicht überfluteten Raum um und wünschte sich, daß sie auch ein Teil einer solchen Gemeinschaft sein könnte. „So, alle fertig? Der Professor erwartet uns in seinem Büro zu einem kurzen Briefing, bevor der Unterricht beginnt.“ Scott er hob sich und mit ihm seine Kolleginnen und sah sie auffordernd an. „Soll ich etwa mit?“, fragte sie zur Sicherheit. Scott lächelte sie verschmitzt an: „Ja, natürlich! Es geht ja dabei um dich!“ Als die anderen wegschauten, stibitzte sie ein paar Würfelzucker aus der Dose auf dem Tisch und steckte sie in die Hosentaschen ihrer Capri-Jeans. Irgendwie wäre ihr lieber gewesen, wenn sie formellere Kleidung dabei gehabt hätte. Das enge Baumwolltop und ihre Sneaker schienen ihr irgendwie unpassend, um an so etwas Offiziellem wie einem „Briefing“ teilzunehmen. Auf ihren Fototouren trug sie ihre bequemsten Klamotten, da sie oft dabei Turnübungen vollführen mußte, wenn sie beispielsweise ein Objekt aus einem ungewöhnlichen Winkel fotografieren wollte. Scott sah makellos aus in seinem beigefarbenen Hemd und der schwarzen Stoffhose und seine Frau trug sogar ein leichtes Sommerkostüm, Storm war etwas verwegener gekleidet, doch ihre Sachen sahen nicht so aus, als würde sie damit auf Bäume klettern. Sie schob sich ein Stück des Zuckers in den Mund und genoß, wie die Süße ihre Geschmacksknospen umspülte. Sie konnte fast spüren, wie ihre Zellen gierig das Glukagon aus dem Essen in ihrem Magen aufsogen. Als sie das Büro des Professors betraten, stellte Candy überrascht fest, daß Xavier in einem Rollstuhl saß, sie schüttelte innerlich den Kopf über sich, sie war gestern ziemlich unaufmerksam gewesen. Um den Professor herum standen mehrere Leute, die sich entspannt miteinander unterhielten, darunter befand sich auch Logan. Candy verschluckte sich fast an dem Zuckerstück in ihrem Mund, als sie ihm direkt in die Augen sehen mußte. Sie senkte den Blick und bemerkte dabei, wie das enge weiße T-Shirt sich an seinen muskulösen Oberkörper schmiegte und wie stramm die schwarzen Jeans auf seinen kräftigen Schenkeln saßen. Dadurch entgingen ihr die neugierigen Blicke der anderen Anwesenden. „Miss Genova, darf ich Sie nochmals in unserer Mitte willkommen heißen? Sie haben innerhalb kürzester Zeit wahre Wunder vollbracht, die Patientin ist fast vollkommen genesen. Wollen wir uns nicht alle setzen?“, forderte sie der Schulleiter freundlich auf. Der Professor rollte um seinen Schreibtisch herum, während sich die anderen halbkreisförmig auf die bereitgestellten Stühle um ihn herum setzten. „Ich sollte Ihnen meine Mitarbeiter noch vorstellen. Das ist Kurt Wagner, er ist ein Teleporter.“ Der Professor wies auf einen blauhäutigen Mann, der ein bißchen wie ein Elf aussah, aber ein sehr freundliches Lächeln hatte, das zu erwidern Candy sehr leicht fiel. "Das ist Bobby Drake, er hat die Fähigkeit, die Wassermoleküle seiner Umwelt in Eis zu verwandeln." Das war der junge Mann mit den eisblauen Augen, unter denen ein leichter Schatten lag. „Dr. Hank McCoy, Arzt und mit der Fähigkeit ausgestattet, sich in ein sehr kräftiges, affenähnliches Wesen zu verwandeln.“ Der Mann mit den sandfarbenen Haaren und der randlosen Brille sah gar nicht so aus, als würde er einer Fliege etwas zu leide tun geschweige denn sich in ein Biest verwandeln können. „Jubilation Lee, Kitty Pryde und Piotr Rasputin sind leider nicht anwesend. Scott Summers und seine Fähigkeiten kennen Sie ja bereits, Dr. Jean Grey-Summers ist ebenfalls Ärztin und eine Telepathin mit telekinetischen Fähigkeiten, Ororo Munroe beherrscht Wetterphänomene, und Logan muß ich Ihnen ja nicht mehr vorstellen.“ Hier mußte sich Candy zwingen, nicht zu ihm herüberzuschauen. Er saß ihr ärgerlicherweise genau im Halbkreis gegenüber. „Wir agieren unter Codenamen und sind in gewissen Kreisen als X-Men bekannt.“, fuhr der Professor fort und hatte nun ihre volle Aufmerksamkeit. „Ich habe von Ihnen gehört, im Untergrund wird viel über den Krieg zwischen Menschen und Mutanten gesprochen. Dann ist es also wahr und es gibt auch die Bruderschaft?“ „Und viele andere Vereinigungen, die an beiden Fronten kämpfen. Sie haben gestern verhindert, daß wir ein Teammitglied verlieren und bevor sie von der anderen Seite dasselbe Angebot erhalten, und es wird sicher dazu kommen, da die Gerüchte über ihre Fähigkeiten auch die militanten Gruppen interessieren werden. Kurz gesagt: Ich schlage Ihnen vor, meinem Team beizutreten.“ Candy wußte nicht, was sie sagen sollte, die Informationen des Professors hatten sie schon erschlagen, aber sein Vorschlag versetzte sie in Erstaunen. Sie sah die anderen Mitarbeiter des Professors an und die meisten lächelten sie an. Logans Gesichtsausdruck blieb für sie jedoch unergründlich. Wollte er sie möglicherweise gar nicht in seiner Nähe haben? „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, Professor. Das Angebot kommt ziemlich überraschend für mich“, antwortete sie zögernd. „Nun, wenn Sie es tatsächlich in Betracht ziehen mögen, sollten Sie uns gegenüber offen sein. Können Sie uns Ihre Fähigkeiten genauer erklären?“ „Wie meinen Sie das? Ich kann Menschen heilen, das wissen Sie doch inzwischen.“, erwiderte Candy stirnrunzelnd. Dr. McCoy meldete sich zu Wort: „Wie genau funktioniert Ihre Mutation? Die Ergebnisse, die sie bei Marie erzielt haben, sind unglaublich. Die Regenerationsrate liegt bei etwa 95 %! Und das innerhalb einer lächerlich kurzen Zeitspanne.“ „Ich bin kein Wissenschaftler, ich habe nur Laienwissen über die Vorgänge, die sich bei dem Energietransfer abspielen. Ich mußte noch nie erklären, was ich tue…“ Candy fühlte sich etwas in die Enge gedrängt, weil die Augen aller Anwesenden auf sie gerichtet waren und sie noch nie mit jemandem offen über ihre Mutation gesprochen hatte. Sie hatte ihre besondere Anlage auch noch nie so bezeichnet. Sie sah nicht ein, sich selbst in diese Schublade zu stecken. Doch hier war sie nun von Gleichartigen umgeben, die keine Scheu zeigten, sich zu ihren Fähigkeiten zu bekennen. Scott beugte sich in seinem Stuhl vor und lächelte sie aufmunternd an: „Niemand verlangt eine wissenschaftliche Erklärung, aber Du hast mir vorhin einen sehr anschaulichen Einblick in deine Gabe gegeben. Das würde uns schon reichen.“ Candy erhob sich von ihrem Stuhl und trat direkt vor den Schreibtisch von Prof. Xavier. „Würden Sie mir kurz Ihre Hand reichen, Professor?“, bat sie leise und versuchte, ihre plötzliche Nervosität in den Griff zu bekommen. Xavier ließ seine Hand auf ihre ausgestreckte Handfläche gleiten und sah ihr fest in die Augen. „Ich spüre die Verletzungen instinktiv auf, ich glaube der Fachbegriff dafür ist Empathie. Sie waren sehr schwer verletzt, Professor, die Knochen ihrer Beine waren wie zermalmt, es ist ein Wunder, daß der Schaden, den die Wirbelsäule damals davongetragen hat, wieder regenerierte. Diese Knochenbrüche kann ich nun nicht mehr heilen.“ Candy zog ihre Hand weg und setzte sich wieder auf ihren Platz. „Wie weit gehen diese empathischen Fähigkeiten? Sie nutzen Ihnen nicht nur beim Aufspüren von Verletzungen, habe ich recht?“ Candy nickte zustimmend, der Professor war als Telepath ihr gegenüber im Vorteil: „Es hilft mir, die Menschen einzuschätzen. Ich kann keine Gedanken lesen, aber dafür Gefühlszustände. Das bewahrt mich davor, gefährlichen Verletzten zu nahe zu kommen. Sonst hätte ich nie im Untergrund arbeiten können. Ich kann meine Kräfte inzwischen recht gut beherrschen und einteilen.“ „Und warum war dann gestern Morphin nötig, nachdem Du Rogue behandelt hast?“, fragte Jean sachlich. „Rogue? Du meinst Marie? Das war ein Fehler, ich hätte die Behandlung aufteilen müssen, aber ihre Schmerzen waren so schlimm, daß ich das kleinere Übel gewählt habe.“ Ihre Wangen verfärbten sich, auch weil sie die Wahrheit gerade etwas zurecht gebogen hatte und sie eigentlich keine besonders geübte Schwindlerin war. „Und nun? Bist Du wieder komplett regeneriert?“, fragte Storm mit leichter Besorgnis in der Stimme. Logan knurrte irgend etwas und meldete sich dann zu Wort: „NEIN! Sonst würde sie nicht ständig Zucker in sich reinstopfen. Wieso sagst Du nicht, daß Du behandelt werden mußt?“ Sie fühlte, wie ihre Wangen brannten und dann das ganze Blut aus ihrem Gesicht wich, um sich in ihren Füßen zu sammeln und ein leeres Gefühl in ihrem Kopf zu hinterlassen. Wie zum Teufel hatte er das bemerkt? „Es geht schon, wirklich! Mein Energiehaushalt muß sich erst wieder einpendeln und das kann ich schnell mit einer Glukose-Infusion regeln oder mit Essen. Letzteres macht natürlich mehr Spaß.“, versuchte sie zu scherzen, doch keiner der X-Men lachte über ihren Witz. „Miss Genova, Sie sollten niemals leichtfertig ihre Kraftreserven verbrauchen, es könnte sein, daß sie einmal in die Situation kommen, in der Sie sie für sich selbst benötigen! Ich denke, das Beste wird sein, daß Hank Sie ins Labor mitnimmt und mit dem Nötigen versorgt. Werden Sie unser Gast bleiben, während Sie mein Angebot erwägen? Sie hätten für die Fotostrecke auch mindestens zwei Tage bei uns verbracht.“ Candy nickte ihr Einverständnis und folgte dem groß gewachsenen Hank McCoy nach draußen, die Luft in dem Raum war ihr auf einmal ziemlich stickig erschienen. „Verdammt, wieso spielst Du uns hier die Heldin vor?“, zischte Logan ihr aufgebracht ins Ohr, nachdem er sie von den Füßen gefegt hatte und sie dann plötzlich in seinen starken Armen lag. „Laß mich runter, deine Kollegen gaffen schon!“, wisperte sie aufgebracht zurück, doch er hörte nicht auf sie und trug sie zum Fahrstuhl, wo Hank auf sie wartete. Während der kurzen Fahrt verlor sie immer wieder das Bewußtsein, sie brauchte einfach mehr Energie. Sie bekam kaum mit, daß Logan sie auf einer Bahre ablegte und Hank dann mit effizienten Griffen eine Infusion legte. xxx Oben vor Xaviers Büro tauschten sich Storm und Jean aus, die auf dem Weg zu ihren Unterrichtsräumen waren. „Was hältst Du von ihr, Ro? Sie ist ein wenig widersprüchlich. Manchmal erinnert sie mich mit ihrer ruppigen Art sogar irgendwie an Logan.“ Storm lächelte breit: „Wie gut, daß Du das gerade erwähnst, als Telepathin sollte dir eigentlich aufgefallen sein, daß sowohl Logan als auch Candy sich ziemlich auffallend verhalten. Ich verwette meine kostbaren Orchideen, daß Logan hinter Xaviers Jobangebot steckt. Aber er scheint die junge Dame irgendwie verärgert zu haben. Was bei Logans speziellem Charme ja keine besondere Überraschung ist.“ Jean krauste die Nase: „Du hast recht, sie hat die ganze Zeit vermieden, in seine Richtung zu sehen. Und außerdem habe ich noch nie gesehen, daß er den Gentleman für eine Teamkollegin außer Rogue gibt. Candy tut mir aufrichtig leid.“ Ororo kicherte: „Pff, Du kannst gerade still sein! Du bist nur sauer, daß Logan dich nicht mehr anschmachtet!“ „Nonsens!“, rief Jean aus und ließ Ro stehen, um ihre Klasse zu betreten. Storm ging grinsend weiter, Logans Veränderung hatte sie schon seit einiger Zeit bemerkt, nur nicht zuordnen können, was der Grund dafür gewesen war. xxx Candy öffnete die Augen, als jemand an die Tür klopfte und der junge Mann mit den eisblauen Augen das Zimmer betrat. „Darf ich kurz reinkommen?“, richtete er seine Frage an Logan, der neben der Bahre stand und mit vor der Brust verschränkten Armen auf sie heruntersah. „Was ist Bobby? Etwas mit Rogue?“, fragte Logan und warf ihm einen kurzen Blick zu, der seine Anrede mit dem Heben einer Augenbraue quittierte. „Nein, sie ist fast wieder die Alte, es geht ihr gut. Ich wollte mich nur bei Miss Genova persönlich für ihre Hilfe bedanken.“ „Ich heiße Candy, nenn mich bitte nicht Miss Genova. Und Du mußt dich nicht bedanken, ich bin froh, daß es Marie besser geht.“ Candy richtete sich auf und schwang die Beine über die Bahre, weiter kam sie nicht, weil Logan sie an der Schulter faßte und mit Leichtigkeit an ihrem Platz hielt. „Du bleibst schön sitzen, bis die Infusion durchgelaufen ist, Missy!“, befahl er mit nachdrücklichem Tonfall. Candy schmollte, doch sie blieb sitzen, wo sie war. Es war einfach zu schön, Logans Hand auf ihrer nackten Schulter zu fühlen. „Wie Du gehört hast, möchte Candy keine Dankesbekundungen hören, Bobby. Paß das nächste Mal besser auf deine vorwitzige Verlobte auf. Oder ich versohle ihr persönlich den Hintern.“, meinte Logan trocken. Bobby grinste erleichtert: „Trotzdem muß ich mich bedanken, Marie bedeutet alles für mich und Du hast sie mir wieder gegeben.“ Bobby beugte sich vor und küßte sie auf die Wange, dann verließ er schnell das Zimmer, während ihm Candy verblüfft hinterher starrte. Marie und dieser Bobby waren ein Paar? „Hast Du gedacht, daß Marie und ich zusammen sind?“ Logan setzte sich neben sie und sein Arm strich über ihre empfindliche Haut am Oberarm, was ihr ein Kribbeln in der Magengegend bereitete. Sie brachte nur ein leises „Nein“ heraus, das Logan wohl kaum überzeugen würde. "Kann es sein, daß es meine Schuld ist, daß Du Rogues Heilung nicht zwei Schritten vollzogen hast?" Seine grollende Stimme war so leise, daß sie sie wie eine Liebkosung empfand. „Marie ist wie eine Tochter für mich, ich habe sie vor einigen Jahren in Kanada aufgelesen und wir sind gemeinsam zu den X-Men gestoßen.“ „Was ist eigentlich mit ihr passiert?“, fragte sie, bevor Logan bemerkte, daß sie seine Frage gar nicht beantwortet hatte. „Sie wurde von einem feindlich gesinnten Mutanten angegriffen. Pyro war früher mal ein Schüler hier und ein Freund von Rogue und Bobby, er beherrscht das Feuer. Seitdem er die Seiten gewechselt hat, ist es schwer für die beiden, gegen ihn anzutreten. Rogue hat einfach zu lange gezögert, ihre Kräfte gegen ihn einzusetzen. Dafür hat er sie fast umgebracht.“ Candy spürte wie eine unangenehme Gänsehaut über ihre Arme kroch. Wie schrecklich mußte das sein, wenn man einen früheren Freund zum Feind hatte. An Rogues Stelle hätte sie wohl auch gezögert. „Eure Namen verwirren mich irgendwie, Marie ist Rogue, Ororo Storm. Hat jeder von euch einen passenden Codenamen, der seine besonderen Fähigkeiten beschreibt?“ Logan sah sich den Stand der Infusionsflüssigkeit an und beschloß, Candy mit seiner Beschreibung der Kollegen die Zeit zu vertreiben. „So ungefähr, die Namen beschreiben die Fähigkeiten oder hervorstechenden Persönlichkeitsmerkmale einer Person. Scotts Codename lautet Cyclops, Jean wird Phoenix genannt, weil sie einmal aus den Fluten eines Stausees emporgestiegen ist und dem Tod ein Schnippchen geschlagen hat. Bobby wird Iceman gerufen, Marie ist Rogue, weil ihre Mutation sie zu einem Einzelgänger gemacht hat. Sie kann durch bloße Berührung die Lebensenergie aus dir aussaugen und die Fähigkeiten von Mutanten für eine gewisse Zeit übernehmen. Früher konnte sie das nicht kontrollieren, aber inzwischen beherrscht sie die Kraft perfekt. Hank wird Beast genannt, Kurt ist Nightcrawler, das ist das Pseudonym, mit dem er früher als Zirkusakrobat aufgetreten ist. Xavier ist einfach Professor X.“ Candy schwirrte der Kopf von so vielen Namen, sie schielte zu Logan rüber, der ganz entspannt neben ihr saß. „Und dein Codename? Oder hast Du keinen?“ „Ich bin Wolverine!“ Logan prüfte ihre Reaktion auf seinen Spitznamen und wurde mit einem amüsierten Grinsen belohnt. „Ich gehe mal nicht davon aus, daß Du so genannt wirst, weil Du viel essen kannst. Ich kenne nur Bilder von dem Tier und finde es ziemlich niedlich!“ Logan lächelte süffisant: „Diesen Fehler machen viele, Süße! Der Vielfraß ist klein, haarig und äußerst angriffslustig. Wenn es sich das Tier in den Kopf setzt, dann kann es eine komplette Wolfsmeute in die Flucht schlagen!“ Klein, haarig und angriffslustig?! Candy konnte sich nicht helfen, sie brach in schallendes Gelächter aus, die Beschreibung paßte wie die Faust aufs Auge. Sie mußte sich an Logan festhalten, weil sie vor Lachen kaum noch Luft bekam. Sein Arm schlang sich um ihre Taille und drückte sie fest an seine Seite. „Worüber lachst Du eigentlich? Du bist selbst ein Zwerg!“ Logan legte ihr seinen Zeigefinger unters Kinn und hob ihr Gesicht zu sich an, das immer noch von ihrem Heiterkeitsausbruch strahlte. „Werd nur nicht fre…“ Der Rest des Satzes wurde von seinem fordernden Mund erstickt, an Gegenwehr war nicht zu denken, sie hatte monatelang von seinen Küssen geträumt. Doch die Realität übertraf alles, was sie sich hatte vorstellen können. Ihre freie Hand fuhr in seine wilde Mähne und krallte sich haltsuchend daran fest, während ihr die fordernden Stöße seiner Zunge heiße Schauer über den Rücken jagten. Ein leises Räuspern ließ die beiden auseinander fahren, Hank war zurückgekommen, um die Infusion zu kontrollieren. Candy wurde blutrot unter dem neckenden Blick des Arztes, Logan blieb jedoch kühl und beherrscht, als hätten sie sich eben nicht wie zwei Wahnsinnige geküßt. „Ich lasse euch beide dann mal allein“, warf Logan den beiden kurz zu und verließ den Untersuchungsraum dann. „Wie fühlst Du dich?“, fragte Hank sie, während er ihr die Kanüle aus dem Handrücken ihrer Linken zog. Er blickte sie fragend an und grinste schief, als er ihre Verlegenheit bemerkte: „Das war eine rein medizinische Frage, ehrlich!“ Candy mußte über ihre eigene Dummheit lächeln, sie hatte schließlich nichts Verbotenes getan, es war nur ein harmloser Kuß gewesen, wenn man bei Logan von Harmlosigkeit sprechen konnte. Fortsetzung folgt... Kapitel 5: Workout with the Kids -------------------------------- X X X Candy hielt sich nun schon zwei Tage in der Schule von Professor Xavier auf und nahm am Leben der Gemeinschaft teil, damit sie eine Entscheidung bezüglich ihres Verbleibs treffen konnte. Sie hatte bisher den regulären Unterricht der Kinder besucht und war überrascht, wie normal alles ablief, auch wenn die Atmosphäre hier besser war als in jeder Schule, die sie je von innen gesehen hatte. Von Logan sah sie nicht viel, er schien ihr aus dem Weg zu gehen, sie konnte jedoch nicht beurteilen, ob er zuviel zu tun hatte, oder ob er ihr einfach nur ihren Freiraum gönnen wollte, bis sie ihre Entscheidung getroffen hatte. „Kommen Sie mit uns mit, Miss Genova? Wir haben jetzt Selbstverteidigung und Waffentechnik bei Wolverine.“, wurde sie von einem Schüler gefragt, der neben ihr stehen geblieben war, während seine Klassenkameraden eilig aus dem Zimmer strömten. Candy hatte während des Unterrichts still in ihrer Ecke gesessen und gen Ende war ihre Aufmerksamkeit abgeschweift, da sie mit Maschinenbau nicht unbedingt etwas anfangen konnte, Scott jedoch war hier in seinem Element. Candy hatte nicht mal die Hälfte von dem verstanden, was er da erzählt hatte, doch die Schüler hatten eifrig mitgemacht und sogar mit Scott diskutiert. „Ähm, ich weiß nicht! Wo findet denn der Kurs denn statt?“, erwiderte sie aus ihren Träumereien gerissen. Candy sah den blonden Jungen, der etwa 16 war und viel zu zerbrechlich für Waffen oder Selbstverteidigung wirkte, fragend an. Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln,mit dem der junge sicher seine Mitschüelrinnen schon gehörig aus dem Konzept gebracht hatte: „In den Katakomben, ich kann Ihnen den Weg zeigen, wenn Sie möchten.“ Candy erhob sich zögernd und blickte zu Scott nach vorne, der gerade die Tafel abgewischt hatte und nun seine Bücher einsammelte. „Scott, dein Schüler möchte mich in Logans Kurs mitnehmen, geht das in Ordnung?“, fragte sie zögernd, ohne Logans Codenamen zu benutzen, der ihr immer noch ein Schmunzeln entlockte. Scott lächelte sie aufmunternd an: „Sicher! Du sollst dich ja hier umsehen. Und der Kurs findet unten in Danger Room statt, den Du ja noch nicht kennst. Laß dich überraschen, Logans Klassen sind immer sehr unterhaltsam!“ Candy ließ sich von dem Schüler also den Weg zeigen, er führte sie zu einem der geheimen Aufzüge, deren Zugänge überall in der Mansion verteilt waren. Candy erschreckte sich jedes Mal fast zu Tode, wenn einer der Schüler oder Lehrer aus einer dieser getarnten Türen trat. „Verrätst Du mir deinen Namen?“, fragte Candy, als der Junge den Knopf zu den Kellergeschossen betätigt hatte. „Ich werde Psi gerufen, ich heiße Frank Richards. Und Psi ist mir lieber.“, grinste der Junge sie verschmitzt an. „Oh, bedeutet das, daß Du auch Gedanken lesen kannst wie der Professor?“, fragte sie nach, weil der griechische Buchstabe Psi in der Regel als Symbol für telepathische Fähigkeiten verwendet wurde, aber man konnte bei den Jugendlichen ja nie ganz sicher sein. Psi schüttelte den Kopf: „Im Moment nicht. Der Professor, meine Eltern und ich haben beschlossen, daß es für den Moment besser ist, meine Fähigkeiten mit einem Block zu belegen, damit ich damit kein Unheil damit anrichte.“ Candy war erstaunt über die Offenheit des jungen Mannes, sie fragte sich, ob sie dieses Vertrauen vielleicht dem Professor verdankte. Hatte er seinen Schülern vielleicht mitgeteilt, daß sie vertrauenswürdig war? Sie konnte verstehen, daß er seine Schüler schützen wollte und wäre sicher nicht sauer darüber. Psi grinste breit: „Meine Kräfte sind dennoch vorhanden, ich träume oft von zukünftigen Ereignissen und vor ein paar Tagen habe ich von Ihnen geträumt, Miss Genova. Deshalb weiß ich, daß ich Ihnen trauen kann. So wie Sie wissen, daß Sie mir trauen können, weil Sie empathische Fähigkeiten besitzen.“ Candy starrte den Jungen sprachlos an und wollte etwas erwidern, doch die Fahrstuhltüren glitten auf und Psi ging schnellen Schrittes den Gang entlang. „Ich bin spät dran und Wolverine mag das überhaupt nicht. Ich muß noch in die Trainingsklamotten schlüpfen. Sie können die Einsatzzentrale über die Tür am Ende des Ganges betreten, Miss Genova!“, rief er ihr im Laufen zu und war dann hinter einer anderen Stahltür verschwunden. Candy ging zu der gesicherten Tür, die man wohl nur öffnen konnte, wenn man den passenden Zahlencode in den Computer an der Wand eingab. Sie runzelte die Stirn und betrachtete das Gerät skeptisch, als die Stahltür zur Seite glitt und ihr Logan fast Auge in Auge gegenüber stand. „Waren wir verabredet?“, fragte Logan in seiner typisch grollenden Sprechweise und stemmte die Hände in die Hüften. Der Morgen lief gar nicht gut für sie, erst brachte sie der Junge mit seinen Bemerkungen aus der Fassung und nun stand sie einem Logan in „Reizwäsche“ gegenüber. Candy runzelte ärgerlich die Stirn, was war ihr da eben durch den Kopf geschossen? Logan trug ein enges weißes Shirt und Sweatpants und schaffte es, damit sexy wie die Hölle auszusehen, was wohl daran lag, daß die anschmiegsamen Stoffe seine austrainierten Muskeln darunter betonten und sie nur zu gut wußte, wie er sich unter den Klamotten anfühlte. ‚Scheiße, reiß dich zusammen, Candy! Du sabberst ja schon!’, ermahnte sie sich selbst in Gedanken. „Nein, Scott meinte nur, daß ich gerne deinem Selbstverteidigungskurs zusehen könnte, da ich den Danger Room noch nicht kenne.“ Logan zog eine Augenbraue hoch und legte den Kopf schief, sein Blick glitt anschätzend über ihre Aufmachung und er machte Candy damit nur noch hibbeliger. „Wie wäre es, wenn Du dir etwas anderes anziehst? Dann kannst Du mitmachen, wenn Du hier bleiben möchtest, dann mußt Du sowieso noch einiges lernen.“ „Lieber nicht.“, wehrte sie kurz ab. Doch weiter kam sie nicht, denn Logan rief eine seiner Schülerinnen, die ihr den Weg in die Umkleide zeigte und bald saß sie, sehr zu ihrem Unwillen, zwischen den Schülern und verschmolz praktisch mit der Gruppe der Jugendlichen, da sie wie sie in einem Trainingsanzug steckte, der mit dem Schulemblem, einem X in Brusthöhe, versehen war. „Dieses Mal werden wir wieder ein wenig praktisch arbeiten. Für unseren Gast erkläre ich noch mal den Danger Room…“ Candy folgte seinen Ausführungen gebannt: Der einfache quadratische Raum, der aussah, als wäre er mit Stahlplatten tapeziert, war vollgestopft mit der neuesten Technologie. Sie hatte von einigen Dingen, die Logan erwähnte, nur in Science-fiction-Filmen gehört und war erstaunt, daß er es anscheinend ernst meinte, wenn er über Computer-Hologramme sprach, die so real waren, daß man sie sogar anfassen konnte. „…Heute werde ich eine Szene einspeisen, die sich tatsächlich so in New York City abgespielt hat. Ich werde euch nicht erzählen, was passiert ist. Zuerst werdet ihr ohne Informationen an der Aufgabe arbeiten. Nur so viel, es handelt sich um vier Gegner. Viel Glück!“ Nach dieser kurzen Instruktion ließ sie Logan einfach stehen und verschwand hinter der Tür zum Kontrollraum. Candy wußte nicht, was sie tun sollte, am liebsten wäre sie abgehauen, da sie die angespannte Nervosität der Kids körperlich spüren konnte. Sie wußten, was auf sie zukommen würde, sie selbst hatte gar keine Ahnung, was in diesem kahlen Raum passieren würde. Sie war umgeben von acht Schülern, die alle etwa 15 oder 16 Jahre alt waren, einer der Jungen saß sogar im Rollstuhl. Psi zwinkerte ihr aufmunternd zu, doch das konnte sie nicht beruhigen, ihr Magen verknotete sich und sie verwünschte Logan, der sie in diese unangenehme Situation gebracht hatte. „Es geht los!“ Logans Stimme hallte durch den Raum und Candy sah ihn über sich in einem Kontrollraum hinter einer Wand aus Glas stehen, da er das Licht im Raum ausgeschaltete hatte. Die Kabine um ihn herum wurde dann ebenfalls dunkel, sie hatte gerade noch mitbekommen, wie er amüsiert grinste, bevor alles um sie herum schwarz wurde. Ein kurzes Flackern und dann stand die Gruppe mitten auf einer schlechtbeleuchteten Straße. Candy drehte sich einmal um ihre eigene Achse und erkannte mit Schrecken die Docks des New Yorker Hafenviertels. Sie stand genau da, wo sie Logan vor ein paar Monaten zum ersten Mal getroffen hatte. Sie sah, wie Logan, oder vielmehr seine Projektion, gegen vier Männer kämpfte. „Heilige Scheiße!“, entfuhr es ihr, ohne nachzudenken. Eines der Mädchen hinter ihr quittierte ihren Ausspruch mit einem nervösen Kichern. „Das waren unmöglich normale Menschen!“, dachte sie schon wie beim ersten Mal, als sie das Ende Kampfes kurzzeitig beobachtet hatte. Logan schleudert einen riesigen Kerl mit blonden, zotteligen Haaren gerade auf einen Mann, dessen Körper vollkommen aus Kristall bestand. Die beiden kullerten über den Boden, während sich ein Hüne, der wie ein häßlicher, weißer Sumo-Ringer aussah, auf Logan stürzte. Ein dunkelhäutiger Mann mit weißen Haaren und abstoßendem Gesicht schoß Wurfsterne auf Logan ab, die er mit geschickten Bewegungen seiner Klauen abwehrte, so daß mit einem kleinen Funkenregen in ihrer Flugbahn gestört wurden und ihr Ziel verfehlten. Candy brach allein bei dem Anblick der gefährlichen Männer der Angstschweiß aus, sie hatte gesehen, wie Logan am Ende des Kampfes ausgesehen hatte und machte sich um die Kinder sorgen. Hatte Logan es vorhin ernst gemeint, als er sagte, daß man die Hologramme anfassen konnte? Bedeutete das, daß diese Fantasiegestalten einem auch eine echte Verletzung beibringen konnten? „Paige, Du kümmerst dich um Kristallbubi. Synch, Du solltest dich wohl in die Nähe von Fettbacke begeben. Um den Rest müssen wir andere uns kümmern.“, flüsterte Psi, als der virtuelle Logan zu Boden ging. Sie stürzten sich ins Kampfgeschehen und Candy merkte bald, daß Logan nicht übertrieben hatte, wenn er über die Echtheit der Simulationen sprach. Der Latino mit den weißen Haaren warf nicht nur mit Wurfsternen, er drehte sich so schnell um seine eigene Achse, daß er kleine Wirbelstürme erzeugte, dabei schoß er irgendwie messerähnliche Geschosse ab, die sich einem sehr schmerzhaft ins Fleisch bohrten. Candy wurde an der Schulter und am Oberschenkel getroffen und hätte am liebsten vor Schmerzen aufgejault, doch sie wollte die Schüler nicht in ihrer Konzentration stören. Das Mädchen, das Psi mit Paige angesprochen hatte, verwandelte sich in Sekundenschnelle. Ihr Körper bestand mit einem Mal auch aus Kristall, so daß sie gegen den gläsernen Angreifer angehen konnte. Der schmächtige, schwarze Junge, der wohl Synch hieß, leuchtete urplötzlich in einer bunten Aura, als würde er das Licht um sich herum wie ein Prisma brechen. Er stand bei dem Ringertypen und kämpfte mit ihm, wobei er genauso kräftig zu sein schien wie der bestimmt fünf Mal so schwere Mann mit der Glatze. Der Wirbelsturm wurde von dem Jungen im Rollstuhl und einem Wolf in die Mangel genommen. Candy hätte sich am liebsten die Augen gerubbelt, sie hatte nicht mitbekommen, daß eines der Kinder sich in einen Wolf verwandelt hatte. Sie war einen Moment abgelenkt gewesen und hatte nicht mitbekommen, wie der Mutant mit dem langen Fellmantel Psi und einen südländischen Jungen durch die Gegend geschleudert hatte, so daß sie an der Backsteinwand der Gasse aufschlugen und benommen liegen blieben. Candy bemerkte ihn erst, als er vor ihr stand und sie mit seiner mit scharfen Krallen bewährten Pranke am Hals packte und mühelos vom Boden hochhob. Sie mußte röcheln und zappelte in seinem stählernen Griff. Nun wußte sie, wer Logan damals die schwere Verletzung beigebracht hatte, denn die Krallen des Mannes bohrten sich in ihr Fleisch und sie spürte wie ihre Haut nachgab und sich die Klauen immer tiefer in ihre Kehle bohrten. „Du dreckiger Flohsack, laß die Kleine los, oder Du wirst es bereuen!“, grollte plötzlich eine tiefe Stimme neben ihnen. Vor Candys Augen tanzten helle Sterne und doch konnte sie Logans leblose Form noch hinter ihrem Angreifer am Boden liegen sehen. Aber er stand jetzt auch direkt neben ihr, wie war das möglich? Fantasierte sie etwa wegen des akuten Sauerstoffmangels? Der Angesprochene knurrte etwas, doch er stieß sie von sich, so daß sie auf dem Boden landete und keuchend nach Luft schnappte, während sie zusah, wie der Mann im Fellmantel ausholte, um nach Logan zu schlagen. In dem Moment löste sich Logan in Luft auf und der Schlag des Angreifers ging ins Leere, so daß er die Balance verlor und gegen eine leere Mülltonne taumelte. Ein junger Araber, der es irgendwie fertigbrachte zu fliegen, ließ von oben eine volle Mülltonne auf ihn runtersauen, so daß der Mann mit den Zotteln darunter begraben wurde. So schnell wie sie angefangen hatte, hörte die Simulation auf und sie lagen oder standen alle wieder in einem nackten Raum, der mit merkwürdigen Metallplatten verkleidet war. Zu ihrer Schande bemerkte Candy, daß sie die einzige war, die am Boden lag. Sie stemmte sich mit den Armen nach oben und setzte sich aufrecht hin. Die Wurfsterne, die eben noch in ihr gesteckt hatten, waren verschwunden, doch die Wunden bluteten noch. „Miss Genova, alles in Ordnung?“, fragte ein hübsches, indianisches Mädchen, das neben ihr in die Hocke ging und sie besorgt ansah. „Ich habe Logans Projektion nicht lange genug aufrecht erhalten, ich wollte den großen Kerl damit von Ihnen ablenken.“, erklärte sie weiter und nun verstand Candy, warum sie Logan plötzlich im Doppelpack gesehen hatte. Die Jugendlichen versammelten sich um sie und Candy spürte, wie sie aus Verlegenheit rot anlief, weil sie sich neben diesen jungen Leuten wie ein kompletter Versager fühlte. „Das war wohl wieder eine Lektion vom Meister.“, meinte Psi trocken und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie meinst Du das?“, fragte der japanische Junge im Rollstuhl. „Ganz einfach! Über Miss Genova geht das Gerücht um, daß sie sich und andere heilen kann. Wer von uns ist nicht dem Trugschluß erlegen, daß sie wie Wolverine auch fast unverwundbar ist und über enorme körperliche Kräfte verfügt?“ Psi sah seine Klassenkameraden der Reihe nach an, er schien der geborene Anführer zu sein, denn keiner seiner Kameraden schien seine Autorität anzuzweifeln. „Gut erkannt, Mr. Richards!“, tönte Logans Stimme über den Lautsprecher zu ihnen durch. „Ihr seid mit einer Unbekannten in den Kampf gezogen, ohne ihre speziellen Fähigkeiten zu kennen. Das war ein großer Fehler! Genauso hättet ihr euch dem neuen Teammitglied vorstellen sollen, sie konnte ja nicht wissen, wer von euch ihr Schutz bieten würde!“ Die Kinder machten betretene Gesichter und Candy rappelte sich auf die Füße auf, damit sie nicht mehr ein so bemitleidenswertes Bild bot. Sie wischte sich das Blut mit einer wütenden Geste vom Hals, Logan hatte sie als Versuchskaninchen mißbraucht und langsam wurde sie richtig sauer. „Mir geht es gut. Seht her, die Wunden sind schon wieder verheilt. Macht euch keine Sorgen um mich. Braucht einer von euch Hilfe? Oder war ich die einzige hier, die in diese fiesen Wurfsterne gelaufen ist?“ Candy sah sich fragend um, da streckte ihr ein blondes Mädchen ihre Hand entgegen, die einen bösen Schnitt aufwies. „Gib mir deine Hand, es wird nicht weht tun, keine Angst. Wie heißt Du?“ Sie lächelte das Mädchen beruhigend an, als sie sie aus stachelbeergrünen Augen etwas besorgt ansah. Das hübsche Mädchen lächelte schief: „Ich heiße Rahne Sinclair, ich habe die Pfote nicht früh genug zurückgezogen. Ich bin eine Metamorph, ich kann mich in einen Wolf verwandeln, deshalb nennt man mich Wolfsbane.“ Candy lächelte sie an, als die Erkenntnis sie traf: „Ach, Du warst das vorhin. Ich hatte nicht mit so etwas gerechnet. Siehst du? Schon passiert.“ „Danke, Miss Genova.“, meinte Rahne und bestaunte ihre unversehrte Hand, an der nur noch ein paar Blutspritzer auf eine Verletzung hinwiesen. Sie heilte auch den jungen Latino Angelo, der Skin genannt wurde, weil er an seinem Körper fast zwei Quadratmeter mehr Haut hatte als normale Menschen, die er so weit zu kontrollieren vermochte, daß er sie wie Tentakel ausfahren konnte wenn nötig. Im entspannten Zustand sah er ein wenig aus wie die chinesische Hunderasse Shar-Pei, die einen Körper voller Hautfalten besaßen. Innerlich köchelte Candy wütend vor sich hin und wartete darauf, daß Mr. Großmaul sich blicken ließ, damit sie ihm einmal ordentlich die Meinung sagen konnte. Fortsetzung folgt... Kapitel 6: Learning a Lesson about Logan ---------------------------------------- xxx Logan betrat den Raum nach ein paar Minuten und bat die Schüler, sich auf den Boden zu setzen und tat es ihnen dann gleich. Candy setzte sich erst dazu, als er sie auffordernd ansah. Am liebsten hätte sie ihm die Zunge rausgestreckt, weil er sie herumkommandierte und wie eine Schülerin behandelte. Sie war doch nicht seine persönliche Assistentin oder eine dämliche Praktikantin, die an den Zigarren ihres Vorgesetzten lutschte! Den letzten Gedanken strich sie lieber aus ihrem Bewußtsein, da ihr einfiel, daß Logan ein passionierter Zigarrenraucher war. „Ihr wart gar nicht schlecht, dafür daß ich euch gar keine Hintergrundinfos geliefert habe, und ihr die Angreifer nicht kanntet.“, meinte Logan gnädig, während er einen Knopf auf einer Art Fernbedienung drückte. Neben ihm erschien die Gestalt des ersten Angreifers in Lebensgröße und Candy zuckte erschrocken zusammen, weil die Projektion so lebensecht war. Der Typ sah zum Fürchten aus, als wollte er sich jede Sekunde sie stürzen. „Das ist Sabretooth, er ist gemeingefährlich, er genießt es, anderen Schmerzen zuzufügen. Seine Fähigkeiten sind meinen sehr ähnlich, also solltet ihr ihm besser nie unvorbereitet begegnen.“ Candy hätte gerne nach den genauen Fähigkeiten des Mutanten gefragt, weil sie immer noch nicht richtig wußte, was Logans Anlagen waren, außer daß er schnell heilte und ziemlich gut austeilen konnte. Wieder drückte Logan den Knopf und neben ihm erschien der Sumo-Ringer-Typ, der doppelt so breit war wie der schon sehr kräftige Logan. Logan reichte dem Kerl gerade mal bis zur Schulter, was den anderen noch gefährlicher aussehen ließ. „Das ist Blockbuster, allein durch seine Masse ist er gefährlich und seine Kräfte sind immens. Seine Schwachpunkte sind eindeutig seine langsamen Bewegungen und ein Mangel an Intelligenz, doch auch er würde nicht zögern, jemanden aus purer Lust zu töten.“ Candy überlief ein eisiger Schauer, als sie Logans Ausführungen zuhörte, wie war sie nur in diese Sache hinein geraten? Sie hatte zwar immer wieder den Opfern des Krieges geholfen, doch war noch nie direkt an einem Kampf beteiligt gewesen, die Brutalität dieser Mutanten machte ihr Angst. Waren sie schon soweit, daß unschuldige Jugendliche in den Kampf hineingezogen wurden? Logan hatte auch noch Prism, den Kristallmann, und Riptide, den Mexikaner mit den Wurfsternen, vorgestellt. „Wir wissen, daß diese vier den „Marauders“ angehören, das ist eine Bande von Mutanten, die von einem uns unbekannten Drahtzieher zusammengestellt wurde. Wir wissen leider immer noch nicht, wie viele Mitglieder dieses Killerkommando hat, oder wer die Fäden in der Hand hält. Von diesen vier erfuhr ich durch einen Informanten, der sie zufällig nach einem Überfall beobachtet und belauscht hatte. Ich war dabei, auszukundschaften, was diese Bande vorhat, als ich in ihren Hinterhalt lief. Ich vermute, daß mein Informant ein weiteres Zusammentreffen mit ihnen nicht überlebt hat, da er sich seitdem nicht mehr bei mir gemeldet hat. Wir wissen nicht, was diese Verbrecher genau vorhaben und müssen auf der Hut sein, denn es könnte auch zu ihren Plänen gehören, uns anzugreifen. Der Professor möchte, daß jeder Bewohner der Mansion gegen einen möglichen Angriff gewappnet ist. Wir wollen schließlich nicht noch einmal ein solches Desaster erleben wie vor drei Jahren, als das Militär die Schule überfallen hat und die Bewohner dem Angriff nichts entgegenzusetzen hatten.“ Candy riß die Augen auf und hing förmlich an Logans Lippen, das alles war absolut neu für sie. Das Militär hatte die Schule angegriffen? Sie stellte sich die bange Frage, ob dabei Schüler oder Lehrer umgekommen waren. Wie konnten die Kinder mit dem Wissen leben, daß sie jederzeit von Fremden angegriffen werden konnten, die ihnen wirklich nach dem Leben trachteten? „…Das war’s für Heute, der Unterricht ist beendet. Auf dem Tisch neben der Tür liegen Disks mit Informationen über die Marauders, ich möchte, daß ihr ein Dossier über sie zusammenstellt und einen Bericht über die heutige Übung, das geht in die Endnote mit ein.“, fügte Logan als Ansporn hinzu. Die Schüler erhoben sich und Candy mit ihnen, sie fühlte sich so als eine der ihren, daß sie am liebsten eine der Disks genommen hätte, um sich an die Arbeit zu machen. Die Kids verabschiedeten sich gutgelaunt und Psi forderte sie auf, mit ihnen Mittag zu essen, wenn sie Zeit hatte. Sie lächelte den Jungen erfreut an, irgendwie war er ihr schon richtig ans Herz gewachsen, obwohl sie ihn nur etwa eine Stunde kannte. Aber das war bei ihr schon immer so gewesen, wenn sie jemanden mochte, dann stand das für sie nach wenigen Augenblicken der Bekanntschaft fest. Ihre feinen Antennen warnten sie nicht nur vor gefährlichen Gegnern, sie schlugen auch aus, wenn sie eine verwandte Seele traf. „Nun? Die Kinder sind weg, Du kannst mich jetzt ruhig ein wenig anbrüllen, das wolltest du doch die ganze Zeit machen, oder?“ Logan verzog keine Miene bei dieser Provokation, doch in seinen dunklen Augen konnte sie deutlich das amüsierte Glitzern erkennen. „Ich finde es nicht lustig, ohne Vorwarnung von irgendwelchen irren Mutanten angegriffen zu werden. Und dann die Kinder! Wie könnt ihr es zulassen, daß sie sich einer solchen Gefahr aussetzen? Sie könnten sich dabei ernsthaft verletzen! Ihr seid komplett verrückt, alle miteinander! Mit diesen Kriegsspielchen möchte ich nichts zu tun haben!“, schoß Candy aufgebracht zurück, die sich langsam in Rage redete. Logans Augen verzogen sich zu schmalen Schlitzen, da war keine Belustigung mehr zu entdecken, als er bedrohlich näher kam und genau vor ihr stehen blieb. Sein Blick bohrte sich in ihre blitzenden Augen, die sich durch die Wut verdunkelt hatten. „Diese Kinder konnten sich besser zur Wehr setzen als Du! In der Nacht hätte dir dasselbe Schicksal geblüht, wenn die Truppe nicht plötzlich abgezogen wäre. Du hättest null Chancen gehabt, deine Mutation kann nicht alle Verletzungen heilen!“, gab er aufgebracht zurück. Candy zog einen Schmollmund, weil sie keine passende Erwiderung auf Logans Worte fand und sie das noch viel wütender machte. „Du stellst die Sache dar, als hätte ich keine Ahnung von dem, was ich da tue! Ich bin immer vorsichtig gewesen, mein sechster Sinn hätte mich gewarnt, mich diesen Mutanten zu nähern! Du hast kein recht, dich zum Richter über mich aufzuschwingen!“ Logan grinste sie herablassend an: „Wirklich? Deine Menschenkenntnis in allen Ehren, Missy! Sie hat dich nicht davon abgehalten, in der Nacht einen wildfremden Mutanten in dein Bett zu lassen.“ Candy wurde erst kalkweiß, dann zog eine brennende Röte in ihre Wangen, sie war außer sich vor Empörung, die eben erlebten Schrecken und Logans verbaler Angriff brachten das Faß zum Überlaufen. Sie ballte die rechte Hand zur Faust und holte dann ohne Vorwarnung aus. Sie traf Logan genau am Kinn, doch der zuckte nicht mal mit der Wimper, als ihn der Schlag traf. Dafür spürte Candy, wie ihre Knöchel regelrecht zerbröselten und dann schoß ein unerträglicher Schmerz in ihre Hand, der ihr die Tränen in die Augen trieb. „Verdammt, was…?“, mehr konnte sie nicht sagen, da sie auf die Knie sank und sich die schmerzende Hand hielt. „Fuck!“, fluchte Logan und kniete sich neben Candy, die immer noch total überrumpelt auf ihren geröteten Handrücken starrte. „Candy? Was ist los?“, fragte er vorsichtig. Sie sah ihn mit tränenverschmierten Augen an, die ihm sofort ein schlechtes Gewissen machten. „Woraus bist Du gemacht, Logan? Meine Knöchel sind gebrochen! Es tut höllisch weh, das ist! Verdammt!“ Candy schloß die Augen und konzentrierte sich auf die Selbstheilung, was durch den Schmerz, den sie empfand, erschwert wurde. Nach einigen Augenblicken konnte sie die Finger wieder bewegen, die Knochensplitter waren zusammengewachsen und die Motorik wieder intakt. „Candy?“, flüsterte Logan leise. Er streckte die Hand nach ihr aus und legte sie ihr behutsam auf die Schulter, da endlich öffnete sie die Augen und erwiderte seinen besorgten Blick sehr ernst. „Dieser Sabretooth hat dieselben Fähigkeiten wie Du, nicht wahr? Wenn ein wehloser Mensch oder Mutant ihm in die Hände fallen sollte, hat der keine Chance gegen ihn. Ich verstehe jetzt, was Du meinst. Ich wäre ihm hilflos ausgeliefert gewesen und den anderen wahrscheinlich auch. Aber… es sind Kinder, Logan! Sie sollte nicht lernen, auf Leben und Tod zu kämpfen. Sie sollten Zuhause wohnen, auf die Schule gehen und Spaß mit ihren Freunden haben.“, wisperte sie mit erstickter Stimme. Logan verzog kurz den Mund und erwiderte dann: „In einer perfekten Welt sollten sie das tun können, ich wünsche es den Kids von ganzem Herzen. Aber unsere Welt ist nicht perfekt, sie ist grausam, besonders zu Menschen wie uns. Du hast vorhin Angelo kennen gelernt. Jean hat ihn vor zwei Jahren vor einem wütenden Mob gerettet, der gerade dabei war, ihn zu Tode zu prügeln, weil seine Andersartigkeit so offensichtlich ist. Seine Mutter hat ihn verstoßen, nachdem seine Mutation zum Ausbruch kam, er lebte auf der Straße und versuchte, sich vor den Menschen zu verstecken. Psi hatte schon als Kleinkind so beängstigende Fähigkeiten, daß seine Eltern Xavier um Hilfe baten, er besucht die Schule schon seit Jahren, der Professor konnte ihm dabei helfen, die Mutation zu unterdrücken, bis er mental stark genug ist, mit ihr fertig zu werden. Taki, das ist der Junge im Rollstuhl, wurde als Kleinkind ausgesetzt, weil seine Mutation schon sehr früh zu Tage trat, er erkrankte wegen Vernachlässigung an Kinderlähmung und kann seitdem nicht mehr laufen. Diese Kinder haben mehr schreckliche Dinge erlebt, als Du dir vorstellen kannst! Es ist besser, wenn sie ihre Fähigkeiten beherrschen und für eine gute Sache kämpfen, bevor sie über den Haß der Menschen verbittern und selbst zu Attentätern oder Schlimmerem werden!“ Logan konnte sehen, wie sehr seine Worte sie trafen, ihre Augen liefen über, doch sie sagte nichts, sie war wohl von den ganzen neuen Informationen ziemlich überfordert. Candy biß sich auf die bebende Unterlippe und sah unsicher in sein Gesicht, das wie immer ein bißchen abweisend wirkte. Sie tat einen zögernden Schritt vorwärts, sie brauchte unbedingt ein wenig Trost und Zuwendung, auch wenn Logan das nun befremdlich finden würde, nachdem sie ihm Vorwürfe gemacht und sogar einen, wenn auch wirkungslosen Kinnhaken, verpaßt hatte. Sie umschlang seine Taille und schmiegte ihr Gesicht an seine breite Brust, ohne weiter über die Konsequenzen ihres Handelns nachzudenken. Logan versteifte sich kurz, als Candy ihn plötzlich umarmte, das war das Letzte, womit er gerechnet hatte. Ihr leises, zufriedenes Seufzen verursachte ihm eine Gänsehaut und seine Arme legte sich automatisch um sie, um sie fest an sich zu drücken. ‚Das ist keine gute Idee’, schoß ihm durch den Kopf, als Candy schließlich den Kopf hob und ihn mit leuchtenden Augen ansah. Logan mußt nur ein wenig den Kopf beugen, da sie ihm auf halbem Weg entgegenkam, bevor ihre Lippen aufeinander trafen. Logan überraschte sie mit seiner Zärtlichkeit, seine Lippen neckte sie, knabberten an ihrer vollen Unterlippe, bis Candy die Arme hob und sein Gesicht mit beiden Händen umfaßte und fast verzweifelt mit ihrer Zunge in seinen Mund drang, um ihn endlich zu schmecken. Seine Hände fuhren über ihren Rücken, bis sie in unter den Bund ihrer Sweathose glitten, wo er ihre Pobacken fest umfaßte und sie fest an seinen Unterleib drückte, während er ihren süßen Mund erforschte. Logan war froh, daß seine geschärften Sinne noch funktionierten, denn er hörte, wie jemand draußen den Gang entlang lief und unterbrach den Kuß ziemlich abrupt. Er nahm seine Hände aus Candys Hose und trat einen Schritt von ihr weg. Wie gut, daß er heute ziemlich weite Hosen trug… Candy war von seinem plötzlichen Rückzug total überrascht, doch sie hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, weil die Tür des Danger Rooms aufgerissen worden war und Scott die beiden mit einem Stirnrunzeln betrachtete. Candy hoffte, daß er wegen seiner rotgetönten Brille nicht sehen konnte, daß sie vor Verlegenheit glühte. Sie war kurz davor gestanden, sich mit Logan auf dem Boden zu wälzen, um ihr Verlangen nach ihm zu stillen, wenn Scott nicht im falschen oder vielmehr richtigen Moment aufgetaucht wäre. „Logan? Hast Du Candy ohne Vorbereitung an der Übung teilnehmen lassen?“, fragte Scott mit kontrollierter Stimme, die seine Wut nur um so wirkungsvoller unterstrich. Der Angesprochene verschränkte die Arme vor der Brust und grinste provokativ: „Ja, was dagegen? Wie soll sie sich für oder gegen ein Leben als X-Men entscheiden, wenn sie nicht weiß, was hier auf sie zukommt? Deine Methoden in allen Ehren, Cyke, aber mir ist lieber, wenn sie aufgrund von handfesten Tatsachen entscheidet.“ Scott atmete tief durch, bevor er weitersprach: „Frank hat mir erzählt, daß sie bei der Übung verletzt wurde. Meinst Du nicht, daß diese Tatsache etwas zu handfest ist? Sie hat keinerlei Kampferfahrung!“ Candy sah zwischen den beiden Streithähnen hin und her, die anscheinend vollkommen vergessen hatten, daß sie, die Betroffene, noch anwesend war. „Scott, bitte, streitet euch nicht meinetwegen. Ich gebe zu, daß ich vorhin auch ziemlich sauer war, aber in einem Punkt hat Logan recht: Ich weiß jetzt viel besser, was mich erwartet, wenn ich mich euch anschließen sollte.“ Candy ging auf Scott zu, während sie sprach. Sein Blick glitt prüfend über sie und als er die blutverschmierten Stellen auf dem Anzug entdeckte, wo die Wurfsterne gesteckt hatten, kniff er um Beherrschung bemüht die Lippen zusammen. Sie lächelte ihn entschuldigend an und er lächelte zurück, schließlich war sie ja nicht an Logans verrücktem Plan beteiligt gewesen. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter und drückte sie leicht. „Hank und Jean hatten für heute Nachmittag eine Versuchsreihe angesetzt, aber nach deinem Abenteuer sollten wir das verschieben. Könntest Du den beiden Bescheid geben? Sie sind im medizinischen Labor 4, das ist zwei Gänge weiter“, bat er mit sanfter Stimme, die die Entrüstung in seinen Augen Lügen strafte. Candy nickte zustimmend, an die Versuchsreihe hatte sie gar nicht mehr gedacht, dem fühlte sie sich nun wirklich nicht mehr gewachsen. Candy schlüpfte an Scott vorbei und verließ den Raum, ohne sich noch mal nach Logan umzusehen, sie rief ihm nur ein kurzes „Bye, Logan“ zu, das er mit einem finsteren Blick quittierte. Es paßte Logan gar nicht, daß Scott sich zu Candys Beschützer aufschwang und noch weniger, daß Candy ihn richtig zu mögen schien. Diesmal verkniff sich Scott ein Grinsen, seine gute Laune war mit einem Mal wiederhergestellt. Wer hätte gedacht, daß Logan mal in dieselbe Situation wie Scott kommen würde? Am liebsten hätte er laut aufgelacht, doch Logan sah schon so aus, als würde er mit dem größten Vergnügen einen Streit vom Zaun brechen, um sich körperlich an Scott abreagieren zu können. Den Gefallen würde ihm Scott nicht machen. Sollte der ruhig in seinem eigenen Saft schmoren und sehen wie ihm seine eigene Suppe schmeckte. Er ließ einen frustrierten Logan im Danger Room zurück, der sich das Computer-Programm lud, in dem er wieder auf die vier Gegner von vorhin traf. Logan war so zornig und frustriert, daß von ihnen am Ende nur Kleingehacktes übrigblieb. Fortsetzung folgt... Kapitel 7: Candy, Lollipop or a Remedy? --------------------------------------- X X X Candy wäre früher nie auf die Idee gekommen, ihre Fähigkeiten wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Sie hatte sie immer als ein Teil von sich akzeptiert, ein begnadeter Pianist ließ sich ja auch nicht von Spezialisten durchleuchten, um die Herkunft seiner Begabung zu entdecken. Der Professor hatte ihr jedoch erklärt, daß es unerläßlich war, ihre Grenzen auszuloten und die Funktionsweise ihrer Mutation zu entschlüsseln, um sie optimal einsetzen zu können, ohne daß sie sich selbst oder andere dabei gefährdete. Dazu waren eine Reihe von Tests nötig, die Blutabnahme, ein EKG sowie ein EEG, ein komplettes CT, eine vollständige neurologische Untersuchung und dergleichen mehr beinhalteten. Candy war noch nie in ihrem Leben bei einem Arzt gewesen und staunte nicht schlecht, was Hank so alles mit ihr anstellte. Sie nutzte die Gelegenheit, den freundlichen Arzt mit Fragen zu löchern, was ihn jedoch nicht zu stören schien. Im Gegenteil, es kam nicht oft vor, daß seine Testpersonen so eifrig bei der Sache waren. Zum Teil lag das wohl daran, daß Candy ihre Gabe nicht als Fluch betrachtete wie viele andere Mutanten, die manchmal sehr beängstigende Fähigkeiten entwickelt hatten, ohne zu wissen, wie man diese kontrollieren konnte. Er erinnerte sich noch sehr gut an die Jahre, in denen Rogue fast über ihren Fähigkeiten verzweifelt war, bis sie endlich einen Weg fand, sie zu beherrschen. Der Zeigefinger von Candys rechter Hand war mit einer Elektrode überzogen, die den Hautwiderstand maß, während sie Hank nach Aufforderung an der Hand berührte. Ihre Kopfhaut war ebenfalls mit Elektroden übersät, die ihre Hirntätigkeit aufzeichnen sollten. „Sieh nur, die Spannung sinkt deutlich, wenn Du versuchst, bei mir eine Diagnose zu stellen. Und deine Hirnwellen verändern sich ebenfalls. Das ist das typische Muster für einen Empathen.“ Hank rollte mit dem Stuhl zurück zu seinem Computer und machte ein paar Einträge in ihre Akte, dann nahm er einen Karton, der mit Luftlöchern versehen war, und rollte wieder zu Candy, die in einem bequemen Behandlungsstuhl saß. „Dieses Eichhörnchen hat ein Schüler heute Morgen bei mir abgegeben, es lag verletzt unter einem Baum. Könntest Du es heilen?“ Hank blinzelte sie hinter seiner randlosen Brille fragend an. Candy hob den Deckel und fand zwischen Zeitungsschnipseln ein graues Eichhörnchen, das sie aus schwarzen Knopfaugen ängstlich musterte. Sie streckte die Hand vorsichtig aus und berührte das Tier am Rücken. Sie spürte sofort, daß es verletzt war und Schmerzen hatte. „Sein Hinterlauf ist gebrochen, ich werde es wieder richten, hab’ keine Angst, Kleines.“, flüsterte sie beruhigend, während sie ihre heilende Energie in das Tier gleiten ließ. Hank beobachtete fasziniert, wie das EEG seiner Patientin sich veränderte, die Zeitspanne war sehr kurz, doch das Muster der Hirnwellen verriet Aktivitäten in Hirnregionen, die normalen Menschen nicht bewußt zugänglich waren. Ähnlich den Telepathen mußte Candy Zugang zum Frontallappen der Großhirnrinde haben, wo die Wissenschaft Fähigkeiten wie Präkognition und Telepathie vermutete. Aber wie war es möglich, daß sie eine differenzierte Diagnose der Verletzungen erstellen und sogar frühere bereits verheilte Krankheiten noch diagnostizieren konnte? Sein Gesicht in nachdenkliche Falten gezogen bemerkte er nicht, wie Candy ihn fragend ansah. „Hank? Stimmt etwas nicht?“, fragte Candy nervös und streichelte das inzwischen putzmuntere Eichhörnchen, das in dem Karton herum wuselte. „Alles bestens! Ich habe dir ja schon erklärt, welche Hirnregionen bei dir wohl reagieren werden, das ist bestätigt, doch ein Geheimnis bleibt: Du bist fähig, genaue Diagnosen zu stellen, wenn Du Menschen berührst. Um das zu enträtseln, müßte ich dich und deinen Patienten verkabeln. Meinst Du es reicht, wenn ich mich mit einem Skalpell schneide?“, fragte er leise und kratzte sich überlegend am Kopf. „Hank! Auf keinen Fall! Das lasse ich nicht zu!“, rief Candy entsetzt aus. „Bei aller Liebe zur Wissenschaft, das geht zu weit!“ Hank zog eine Grimasse und lächelte dann etwas belämmert: „Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken, aber wenn mich mal ein Problem packt, dann läßt mich das nicht mehr so schnell los. Außerdem rennt mir die Zeit davon, wenn Du gehen solltest, bevor die Versuche zu Ende sind, dann bleibe ich auf dem Geheimnis sitzen. Das würde mich in den Wahnsinn treiben, wirklich!“ Hank legte grinsend eine Hand auf seine Brust und lächelte sie leutselig an. Candy mußte lachen: „Das würde ich dir niemals antun, Hank! Ich habe heute Morgen mit Professor Xavier ein langes Gespräch geführt. Ich werde probeweise drei Monate bei euch leben, bevor ich mich endgültig entscheide. Schließlich bin ich keine Lehrerin sondern Fotografin und muß erst mal sehen, wie ich hier bei euch zurecht komme.“ Hank tätschelte beruhigend ihr Knie und zwinkerte ihr fröhlich zu: „Mach dir keine Sorgen, das Leben hier ist ein bißchen wie ein ständiges Feriencamp.“ Candy mußte lachen, Hank war immer so guter Laune, daß sie sich gerne für seine Experimente zur Verfügung stellte. Sie war sehr froh, daß er dafür zuständig war und nicht Dr. Summers-Grey. In Gedanken zog sie eine Grimasse, die Ärztin war ihr nicht unbedingt sympathisch mit ihrer unterkühlten Art und den Katzenaugen, die sie immer zu durchleuchten schienen, wenn sie sich zusammen in einem Raum aufhielten. Zudem wurde sie immer ein wenig nervös, da Jean ja Gedanken lesen konnte und somit vielleicht Candys versteckte Antipathie bemerken könnte. Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als die Tür des Untersuchungsraumes aufglitt und zwei Schüler hereinplatzten. „Dr. McCoy! Synch bräuchte die Hilfe von Miss Loll…, äh, Miss Genova!“, rief Psi aus und wurde knallrot, als er sich fast bei ihrem Namen versprochen hätte. Der junge Schwarze hing praktisch an der Schulter seines Freundes und zog ein Bein nach, während sie weiter in den Raum liefen. Hank sprang von seinem Stuhl auf und half Synch auf den Untersuchungstisch, der am Ende des Raumes stand. „Was habt ihr schon wieder angestellt?“, fragte Hank Psi streng, der versuchte, unschuldig dreinzublicken, was ihm Dank seiner großen, blauen Augen auch fast gelang. „Dr. McCoy? Können Sie sich die Standpauke für später aufheben? Mein Bein tut höllisch weh.“, preßte Synch mühsam hervor und sah seinen Lehrer flehend an. Candy hatte sich aus dem Stuhl erhoben, konnte aber nicht weit gehen, da sie ja durch die Elektroden gebunden war. „Hank? Kannst Du mich losmachen? Ich komme hier nicht weg.“ Der Arzt blickte zwischen Patient und Heilerin hin und her und seine Augen leuchteten dann erfreut auf. Hier ergab sich die perfekte Gelegenheit, um die Heilung an einem Menschen zu verfolgen. „Bleib, wo Du bist, Candy! Ich rolle Synch in deine Nähe, dann kann ich die Testreihe abschließen.“ Gesagt, getan. Hank machte die Rollen des Untersuchungstisches los und schob den verletzten Jungen in Reichweite von Candy. Er kontrollierte dann die Elektroden und Verbindungen und gab dann grünes Licht für den letzten Versuch des Tages. Die zwei Rabauken waren wenigstens für etwas gut, ging ihm dabei durch den Kopf. „Keine Angst, Synch. Es tut nicht weh, wahrscheinlich fühlt es sich nur ein wenig komisch an.“, sagte Candy zu dem Jungen, der tapfer lächelte, obwohl er durch den gebrochenen Unterschenkelknochen schreckliche Schmerzen litt. Sie hielt seine Hand fest in ihrer und konzentrierte sich darauf, seinen Knochen zu heilen, während Hank die Aufzeichnungen der Meßgeräte verfolgte und die Ergebnisse eifrig in den Computer tippte. Es dauerte nicht mal zwei Minuten und der Knochen war zusammengewachsen, ohne daß Synch etwas mehr gespürt hätte als ein Kribbeln in seinem Bein. „Wow! Sie sind fabelhaft, Miss Genova! Das perfekte Allheilmittel!“, rief Psi begeistert aus, als er zusah, wie sein Freund von der Bahre sprang und sein linkes Bein auf Belastbarkeit testete. Candy grinste ihn an: „Doch kein Lollipop?“ Frank wurde dunkelrot, als sie ihren Spitznamen laut aussprach. Er hatte gedacht, daß sie es vorhin nicht mitbekommen hatte. Sein vorwitziges Mundwerk brachte ihn oft in Schwierigkeiten. „Sorry, Miss Genova! Das sollte keine Beleidigung sein, das war nur ein Spaß, weil Sie keinen Codenamen haben. Wir haben nur rumgealbert.“ Synch boxte seinen Kumpel auffordernd in die Seite, um ihm klar zu machen, daß eine Entschuldigung fällig war. Auch wenn der Neuzugang nicht so zimperlich wie die anderen Damen der Mansion war, mußte man es sich ja nicht gleich mit ihr verderben. Psis Augen blitzten in dem Moment auf, ein sicheres Zeichen für einen Geistesblitz bei ihm. „Wie wäre es, wenn wir Sie ab jetzt Remedy nennen würden? Ich denke schon seit Tagen darüber nach, welcher Codename am Besten zu Ihnen passen würde!“ „Remedy?“, sprach Candy den neuen Namen aus und testete seinen Klang. „Klingt sehr gut, wenn Du mich fragst.“, warf Hank ein und stellte sich den beiden Schülern in den Weg. „Gefällt mir! Psi, ich schulde dir etwas. Der Name ist super!“ Psi und Synch strahlten um die Wette und hofften darauf, sich jetzt unauffällig verdrücken zu können, doch Dr. McCoy wich nicht zur Seite. Er starrte sie vielmehr durchdringend an, bis Psi begütigend die Arme hob. „Okay, okay! Ich geb’s ja schon zu. Es war eine Runde Super-Ball! Synch hat Jetstreams Kräfte geklaut, doch der hat sich zu weit von ihm entfernt und er ist abgestürzt und dabei ziemlich blöd auf dem Boden aufgekommen.“ Hank schüttelte mißbilligend den Kopf: „Ich werde euch melden müssen, ihr wißt, daß der Professor das nicht gerne sieht. Unser Leben ist gefährlich genug, da müßt ihr nicht noch in eurer Freizeit so einen Blödsinn machen. Wenn ihr zuviel Energie übrig habt, werde ich Logan darüber informieren, daß er seine Trainingseinheiten mit euch etwas anspruchsvoller gestalten muß.“ Synch verzog gequält das Gesicht, Logan würde sie Blut und Wasser schwitzen lassen, das war kein Spaß mehr. Frank sah ihn abbittend an, doch die Wahrheit wäre sowieso rausgekommen, das war das größte Übel, wenn der Rektor der Schule über telepathische Fähigkeiten verfügte. „Wieso habt ihr überhaupt wieder mit dem Unsinn angefangen? Nach dem letzten Mal dachte ich, daß der Professor euch deutlich gemacht hätte, wie gefährlich das Spielchen ist“, hakte Hank noch einmal nach. Psi warf Candy einen verstohlenen Blick zu, beantwortete die Frage jedoch nicht. Sie runzelte die Stirn und atmete dann tief durch, als ihr die Antwort klar wurde. „Wo stecken eure Mitspieler?“, verlangte sie zu wissen und die beiden Jungs zuckten zusammen, als sie den ungewohnt stählernen Unterton ihrer Stimme vernahmen. „Candy?“ Sie drehte sich zu Hank um, der sie fragend ansah, weil er sie bisher nicht wütend oder aufgebracht erlebt hatte. „Wir sind für heute fertig, oder Hank? Mach mich bitte los, damit ich die beiden nach oben begleiten kann. Ich muß dringend etwas klären.“ Die Jungen sahen betreten zu, wie Dr. McCoy Candy von den Elektroden losmachte und sie dann vom Stuhl glitt und sie mit einem knappen Handzeichen anwies, voranzugehen. „Bis zum nächsten Mal, Hank!“, verabschiedete sie sich kurz und folgte dann den Jungen nach oben. Es wunderte sie nicht, daß alle Schüler aus Logans Kurs diesem sogenannten Super-Ball frönten. Frank erzählte ihr bereitwillig, daß sie sich im Wald trafen, der zum Grundstück der Schule gehörte und dann eine Art Basketball spielten, bei dem jeder gegen jeden spielte und seine Fähigkeiten einsetzen durfte. Das Spiel war in der Vergangenheit so ausgeartet, daß es ziemlich oft zu Verletzungen gekommen war. Wohl mit ein Grund, warum Logan die Bande in Waffentechnik und Selbstverteidigung unterrichtete. Der jugendliche Überschwan der Schüler mußte auf sinnvolle Weise kanalisiert werden. Die übrigen Mitspieler warteten nervös auf den Ausgang von Psis und Synchs Ausflug in die Katakomben, sie hatten sich alle beim Bootshaus versammelt, wo sie ihnen besorgt entgegensahen, als sie bemerkten, daß Miss Genova die beiden begleitete. „Alles in Ordnung, Synch?“, fragte Rahne, das war das Wolfsmädchen, ängstlich, als sie in Hörweite waren. Candy fiel dem Jungen ins Wort, bevor er überhaupt den Mund öffnen konnte: „Wenn Du seine Verletzung meinst, die ist verheilt. Aber sonst ist gar nichts in Ordnung!“ Candy stemmte aufgebracht die Hände in die Hüften und ließ ihren stechenden Blick über die Gruppe von Jugendlichen gleiten. Moonstar hatte eine Schramme auf der Wange und Skin hielt sich seinen rechten Unterarm. „Was habt ihr euch dabei gedacht, dieses blöde Spiel entgegen der Verbote wieder aufzunehmen?! Miss Genova wird’s schon richten? Ich bin keine Freikarte für euren Blödsinn! Meine Energien sind begrenzt, wenn ich eure Blessuren heile und jemand anderem dadurch nicht helfen kann, was macht ihr dann? Was glaubt ihr, wie ich mich dabei fühle? Ich spüre die Schmerzen, die Angst und den Kummer für die Zeit, in der ich jemanden heile. Das ist kein Spaß!“ Den letzten Satz sprach sie nur noch flüsternd, weil ihr die Stimme zu versagen drohte. Sie machte sich Vorwürfe, nicht an die Konsequenzen gedacht zu haben, wenn sie in ein soziales Gefüge einbrach, das ihre Fähigkeiten kannte. Mit steinerner Miene ging sie auf Angelo zu und griff nach seinem Arm. „Dein Handgelenk ist verstaucht“, meinte sie leise und sah ihm in die dunklen Augen, die immer ein wenig traurig schimmerten. „Jeder Schmerz erinnert dich an diesen einen Tag, an dem Du dachtest, Du müßtest sterben.“ Skin riß die Augen auf und schluckte schwer, als ihn Candy wieder gehen ließ. Sie griff nach Moonstars Hand, bevor das Mädchen sich ihr entziehen konnte. „Nur eine kleine Schramme, sie ist gleich verschwunden. Du bist genauso einzigartig wie die anderen hier, Danielle. Du mußt nicht fliegen oder dich verwandeln können, um besonders zu sein.“ Sie drehte sich zu den anderen um, die ihren bekümmerten Blick noch schlimmer zu ertragen fanden, als wäre sie immer noch wütend auf sie gewesen. „Das war nur ein kurzer Blick hinter ihre Fassade. Je schwerer die Verletzung desto länger der Kontakt, desto mehr fühle ich mit der Person, die ich gerade behandle. Und das wollt ihr mir nun auf regelmäßiger Basis antun, nur um euch in diesem Spiel zu beweisen?“ Frank trat vor sie, was sie nicht überraschte, er war der geborene Anführer und schreckte nicht davor zurück, die Verantwortung für sein Tun zu übernehmen. „Bitte seien Sie nicht mehr böse auf uns! Das Ganze war meine Idee, ich habe die anderen überredet. Ich habe nicht nachgedacht, als ich Ihre Fähigkeiten als perfekten Ausweg für Verletzungen betrachtet habe. Sie werden doch deswegen nicht weggehen?“ Es war, als hielten die Jugendlichen die Luft an, während sie darauf warteten, daß Miss Genova die Frage beantwortete. Sie hatten bisher nicht herausbekommen können, wie sich Miss Genova entschieden hatte und nun hatten sie ihr womöglich einen Grund geliefert, sich gegen ein Leben bei den X-Men zu entscheiden. „Nein, aber ich möchte, daß ihr dafür sorgt, daß eure Mitschüler wissen, daß es für mich keine Kleinigkeit ist, andere zu heilen. Bisher wußte niemand aus meiner näheren Umgebung, was ich bewirken kann, deshalb mußte ich nie darüber nachdenken, wie die anderen die Fähigkeit wahrnehmen. Was glaubt ihr, was die anderen Lehrer oder der Professor dazu sagen würden, wenn ich ständig irgendwelche selbstverschuldeten Blessuren heile? Ich denke, man würde mich sofort rausschmeißen, oder nicht?“, sprach Candy mit sehr ernster Miene auf die Jugendlichen ein. „Sehr richtig!“, sagte eine nachdrückliche Stimme hinter ihr und alle fuhren zu Scott Summers herum, dessen bedrohlich Visier in der Sonne aufblitzte, was durchaus als böser Blick gedeutet werden konnte. „Die Schüler sofort ins Haus! Der Professor würde gerne mit dem Super-Ball-Team ein Gespräch führen. Miss Genova bleibt bei mir“, befahl Scott mit eindringlicher Stimme und keiner wagte es, dem Anführer der X-Men zu widersprechen. Die Gruppe schlich sich ziemlich kleinlaut davon, dabei warfen sie immer wieder Blicke zurück, um zu sehen, ob Mr. Summers Candy womöglich zusammenstauchte. Candy fröstelte mit einem Mal und schlang ihre Arme in einer schützenden Geste um sich, während sie Scotts ausdrucklose Miene besorgt musterte. Es war unmöglich seine Gedanken zu erraten, da man seine Augen wegen der verspiegelten Brille nie sehen konnte, was Candy ziemlich irritierte. „Das hast Du gut gemacht, Candy. Die Kids werden nicht mehr im Traum daran denken, deine Fähigkeiten als Auffangnetz für ihre Leichtsinnigkeiten zu mißbrauchen.“, meinte er ruhig, als er sicher war, daß die Kinder außer Hörweite waren. Candy starrte ihn sprachlos an, das hatte gar nicht wie ein Vorwurf geklungen. „Es tut mir leid, ich wollte das nicht. Ist der Professor böse auf mich?“, fragte sie, um sicher zu gehen. Scott zog überrascht die Augenbrauen hoch, als er ihren bekümmerten Gesichtsaudruck bemerkte und den traurigen Schimmer in den Augen, die sogar durch seine durch das Rubinquarz seiner Schutzbrille verzerrte Sicht als besonders auffielen. „Davon war nie die Rede. Wir mußten damit rechnen, daß die Kinder deine Fähigkeiten als Freibrief für Unfug sehen könnten. Ich hätte in den nächsten Tagen mit dir darüber gesprochen, dich trifft doch gar keine Schuld. Die Schüler brauchten nur eine kleine Lektion.“ Scotts Worte sollten sie aufheitern, doch zu seinem Erstaunen sah er, wie eine einzelne Träne sich von ihren Wimpern löste und sie regelrecht zitterte. Sie wußte selbst nicht richtig, warum sie das Ganze so mitnahm. Es war doch gar nichts passiert, den Kindern ging es gut und sie hatte die Sache mit ihnen geklärt. „Candy? Was ist los?“, fragte Scott besorgt, als sie sich von ihm wegdrehte und auf den See rausstarrte, auf dessen Oberfläche die Sonnenstrahlen tanzten und ihn in ein warmes, goldenes Licht tauchten. „Mach dir keine Sorgen, Scott. Es sind nur die Nachwehen vom Heilen. Ich bin wahrscheinlich nur wegen der ganzen Tests überreizt.“ Sie spürte seine Hände auf ihren bebenden Schultern und hielt den Atem an, um ihr Schluchzen zu unterdrücken, doch Scott hatte schon bemerkt, daß sie weinte. Er drehte sie zu sich um und zog sie in eine tröstende Umarmung. „Wein dich ruhig aus, Candy. Es ist okay.“, flüsterte er in ihre Haare, während er sie fest an sich drückte. Sie wurde einfach von zu vielen neuen Eindrücken und Gefühlen bestürmt. Sie war gerade mal eine Woche hier und hatte so viele Menschen kennen gelernt, die sie in ihr Herz schließen konnte. Scott, den großen Bruder, den sie nie gehabt hatte, der Professor, ein gütiger Mentor, dem sie vertrauen konnte, Hank, der fürsorgliche Arzt, der ihr half, ihre Mutation zu verstehen, die Kids, mit denen sie sich identifizieren konnte und deren Gefühle nun auch ein Teil von ihr waren und vor allen Dingen Logan, der sie an den Rand des Wahnsinns trieb und der sich in ihren Gefühlen und Gedanken fest gebissen hatte wie das zähe Tier, dem er seinen Codenamen verdankte. Am anderen Ende des Sees stieg eine kleine Rauchwolke in die Luft, die man kaum von diesem Ufer ausmachen konnte. Dort saß ein Mann in einer dunklen Lederjacke und starrte auf das Pärchen, das sich in den Armen lag. Er fühlte sich, als hätte er sich selbst seine Klauen tief in die Brust gerammt. Roter Nebel stieg vor seinen Augen auf, während er die beiden bei ihrem Tun beobachtete. Sein Verstand sagte ihm, daß es vollkommen harmlos war, doch er wäre am liebsten um den See herum gerannt und hätte die beiden auseinander gerissen. Er knurrte mißgelaunt, als ihm klar wurde, daß er nun seine eigene bittere Medizin schlucken mußte und daran zu ersticken drohte. Fortsetzung folgt… Kapitel 8: Farewell Old Life ---------------------------- X X X ~ „Caliban, hast Du sie wieder aufspüren können?“ Die Frage hallte durch den Raum mit der hohen, gewölbten Decke, obwohl sie mit leiser Stimme gestellt worden war. Es war dunkel und nur ein kleines Feuer im Kamin durchbrach mit seinem Flackern die Düsternis, die hier herrschte. Ein Mann saß in einem altmodischen Lehnstuhl und starrte in die Flammen, während der Angesprochene auf das Feuer zuging und seine weißen Hände über die wärmende Feuerstelle hielt. Trotz der hier herrschenden Dunkelheit leuchtete seine Haut weiß und hob sich von seiner dunklen Kleidung ab. Wenn ihn unwissende Menschen zu Gesicht bekamen, dachten sie immer, daß sie nun eine Begegnung der Dritten Art erlebten. „Nein, bisher nicht. Das letzte Mal war es nur ein flüchtiges Gefühl, mein Freund. Ich bin mir immer noch nicht sicher. Es ist einfach zu lange her.“, antwortete Caliban mit seltsam hoher Stimme, die nicht so recht zu seinem bizarren Äußeren passen wollte. Der andere kniff die Augen zusammen und erhob sich abrupt von seiner Sitzgelegenheit, um einige Holzscheite ins Feuer zu werfen, dessen Flammen sofort hungrig nach der neuen Nahrung leckten. „Such bitte weiter, Caliban. Du hast dich noch nie geirrt, ich vertraue auf dich.“ Er legte seinem Gefährten die Hand auf die Schulter und blickte bittend in seine leuchtend gelben Augen mit den schwarzen Pupillen ohne Iris. „Wenn sie hier irgendwo ist, dann finde ich sie. Egal wie lange es dauert, das verspreche ich.“ Seine weiße Hand legte sich über die seines Freundes und drückte diese zuversichtlich. Zeit spielte hier keine Rolle. ~ Candy war nach New York gefahren, um ihre Angelegenheiten für die Zeit ihrer Abwesenheit zu regeln. Sie wollte einem befreundeten Nachbarn Bescheid geben, daß sie die nächsten drei Monate nicht in der Stadt sein würde, außerdem wollte sie ihre Ausrüstung und Klamotten zusammen packen. Sie stand in ihrer Dunkelkammer und warf immer wieder nachdenkliche Blicke auf ihre Erste-Hilfe-Tasche, die dort in der Ecke stand. Die würde sie wohl im Institut nicht mehr brauchen, die nächtlichen Patrouillen waren für die nächsten Wochen oder gar für immer gestrichen. Sie wollte schließlich versuchen, ein Teil dieser verschworenen Gemeinschaft zu werden, die wie sie das Ziel hatte, Menschen und Mutanten, auch vor sich selbst, zu schützen. Trotzdem würde sie ihre besondere Aufgabe vermissen, die ihr ermöglicht hatte, Frieden mit ihrer Mutation zu schließen. Ein letztes Mal? Candy klappte den fertig gepackten Metallkoffer zu, in dem ihre Kameraausrüstung ruhte und griff sich die Tasche. Ihre Jacke lag auf der Truhe, die im Eingangsbereich stand und sie schnappte sie sich und ihre Autoschlüssel. Sie fuhr durch das nächtliche New York und hielt Ausschau nach Menschen, die ihre Hilfe brauchen könnten. Während der Fahrt entschied sie sich, spontan nach Hoboken in New Jersey zu fahren, dort gab es ebenfalls in der Hafengegend einige Lokale, die von Mutanten frequentiert wurden. Zudem würde sie eine phantastische Aussicht auf die Skyline New Yorks haben und sich auf diese Weise von der City verabschieden können. Die Bar „The Cave“ war ein beliebter Treffpunkt für schwere Jungs, Candy wußte, daß in den Hinterzimmern um hohe Geldsummen gezockt wurde und wenn man auf der Suche nach einer Waffe war, fand man hier bestimmt einen gut bestückten Lieferanten. Hier kümmerte sich niemand darum, ob der Gast ein wenig merkwürdig aussah. Es herrschte das ungeschriebene Gesetz, daß man Mutanten einfach übersah, solange sie friedlich ihr Bier tranken. Candy schlängelte sich zwischen den Leuten durch, die an den Tischen standen, sie steuerte zielsicher die Bar an. Sie brauchte eine Erfrischung, nachdem sie einen Sicherheitsmann versorgt hatte, der wohl zur falschen Zeit am falschen Ort aufgetaucht war. Sie benötigte Zucker und am besten ein wenig Alkohol, der ihre aufgewühlten Sinne ein wenig betäuben würde, deshalb bestellte sie Cola mit Rum. Sie wurde niemals betrunken, da ihre Mutation ihre Leber schneller jedweden Giftstoff abbauen ließ, dennoch reichte die kurze Wirkungszeit des Alkohols ihre Nerven zu beruhigen. Während sie ihren zweiten Drink kippte, ließ sie ihren Blick über die Leute in der Bar gleiten. Durch die Rauchschwaden und die karge Beleuchtung war es ziemlich schwer, überhaupt etwas zu erkennen, doch Candy spürte viel aufgestaute Aggressivität um sich herum. Sie war froh, daß sie daran gedacht hatte, weite Klamotten anzuziehen, die ihre Formen verbargen, denn mit den Männern hier war nicht zu spaßen und sie blieb lieber unauffällig im Hintergrund. Als sie ihr Glas wieder an die Lippen führte, verharrte sie plötzlich mitten in der Bewegung. Entlang der Wand rechts von den Billardtischen zogen sich mehrere Nischen, die viele für private Unterhaltungen nutzten. Ein Mann war eben aus der hintersten Nische hervorgetreten und Candy wäre fast das Glas aus der Hand gefallen, als ihr klar wurde, daß es Logan war. Sie kippte ihren Drink auf ex, stellte das leere Glas auf dem Tresen ab und sah stirnrunzelnd zu, wie er zwei jungen Frauen ein Handzeichen gab, die eben die Bar betreten hatten. Was sollte das werden? Ein flotter Dreier? Und überhaupt, was machte Logan in New Jersey? Es war eindeutig Logan, daran gab es nicht den geringsten Zweifel, der Mann war unverwechselbar auch in einer rauchverhangenen Kneipe. Candy war mit einem Mal stinksauer. Ihr Blick glitt zu den beiden Frauen, die auf Logan zugingen. Beide waren blond und hochgewachsen, die eine hatte raspelkurze platinblonde Haare, die andere trug die wohl halblangen Haare in einem eleganten Knoten zusammengesteckt und war ebenfalls blond, wenn auch in einem etwas dunkleren Ton. Sie trugen zwar Jeans und unauffällige, dunkle Lederjacken, doch irgendetwas an ihrem selbstbewußten Gang verriet ihr, daß das nicht ihr übliches Outfit war. Candy beschloß sofort, daß sie unbedingt den Billardspielern zusehen mußte, die am Tisch der Nische gegenüber spielten. Mit einem dritten Drink in der Hand ging sie unauffällig die zwei Stufen zu der Empore hoch, wo die Spieltische standen. Im Schutz der Spieler schlich sie an der Nische vorbei und sah, wie die Drei die Köpfe zusammen steckten. Logans Hand schoß eben nach vorne und umklammerte das Handgelenk von Miss „Spike“. Candy nannte sie so, weil sie diejenige mit den kurzen Haaren war, und sie sie wegen der Frisur an den Charakter aus dieser einen Serie über eine Vampirjägerin erinnerte. Die andere legte ihre Hand auf seine und grinste ihn kopfschüttelnd an, mehr bekam Candy nicht mit, da sie den Blickkontakt verlor. Sie konnte doch nicht ständig hin und her laufen, das würde die Spieler irritieren und mit solchen Kerlen wollte sie sich wirklich nicht anlegen. Sie spielten um hohe Summen und wären sicher nicht erfreut, wenn sie sie in ihrer Konzentration stören würde. Sie lehnte sich neben einem Spielautomaten an die Wand und hatte so wenigstens eine der Frauen im Visier, die eben die Stirn runzelte und etwas sagte, was Candy natürlich nicht hören konnte. ~ „…Was ist los? Werden wir beobachtet?“, war die Frage, die Candy nicht hatte hören können. Logan hielt eine Hand hoch, um die Frau zum Schweigen zu bringen und nahm einen tiefen Atemzug. Er hatte sich nicht getäuscht, unter allen unbekannten Gerüchen, ortete er einen, den er unter Tausenden herausfiltern konnte. Wie war das möglich? Spielte ihm seine Wahrnehmung einen Streich? Nein, entschied er, er mußte nachsehen. Er irrte sich nie, und bestimmt nicht hier und heute. ~ Sie nippte an ihrem Drink und hätte sich beinahe daran verschluckt, als Logan aus der Nische schlüpfte und sich suchend in der Bar umschaute. Sie hustete atemlos und drehte ihm den Rücken zu, bevor er den Blick auf sie richten konnte. ‚Scheiße!’, fluchte sie in Gedanken und ihr Herz schlug vor Aufregung, entdeckt zu werden, schmerzhaft gegen ihre Rippen. Sie umklammerte ihr Glas und versuchte, mit der Wand zu verschmelzen, doch daraus wurde nichts. Sein übelgelauntes Knurren jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken und dann wurde sie am Oberarm gepackt und heftig zu ihm umgedreht, das Glas fiel ihr dabei aus der Hand und der Rest der Cola ergoß sich auf den fleckigen Holzboden. Bei dem Lärmpegel, der hier herrschte, bekam das zum Glück keiner mit. „Was zum Teufel machst Du hier?“, zischte Logan aufgebracht und schüttelte sie unsanft, so daß Candy den Eindruck bekam, ihre Knochen würden jeden Moment anfangen zu klappern. „Autsch!“, quietschte Candy indigniert und sah ihn vorwurfsvoll an. „Du tust mir weh! Die gleiche Frage könnte ich dir stellen, Du Scheißkerl! Was soll das werden? Gibt es in Westchester und New York nicht mehr genug Frauen, klapperst Du jetzt schon die Bars in New Jersey ab?“ Candy hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen, als Logans wütende Fratze einem selbstzufriedenen Grinsen wich. Sie hätte gleich ein Spruchband mit den Worten hochhalten können: Seht her, eifersüchtige Idiotin macht eine Szene! Logan erwiderte leichthin: „Komm, Süße! Wenn ich mich recht entsinne, bist Du eine willige Gespielin. Wer weiß, vielleicht findest Du Gefallen an einem neuen Spiel?“ Candy starrte sprachlos vor Zorn in seine Augen, die nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt waren und sie herausfordernd anblitzten. Bevor sie reagieren konnte, hatte sie Logan mit einem festen Griff um ihren Oberarm zu der Nische geschleift und drückte sie unsanft auf die Sitzbank, wo er dann ebenfalls hineinrutschte, so daß sie keine Möglichkeit zur Flucht hatte. „Logan, was soll das? Wir hatten doch vereinbart, daß nur Du zu diesem Treffen kommst! Wenn euer ganzes Team hier auftaucht, können wir gleich eine Pressekonferenz abhalten!“, murrte die Frau mit der Hochsteckfrisur und starrte Candy feindselig aus blauen Augen an. Candy sah zu Miss „Spike“ rüber, die ebenfalls stechend blaue Augen hatte und fragte sich immer noch ein wenig eifersüchtig, ob die beiden irgendwo geklont worden waren. „Sorry, das war wirklich nicht geplant, Hill! Purer Zufall, daß sie hier ist. Ich kann mich für Remedy verbürgen. Okay?“ Candy warf Logan einen Seitenblick zu, als er ihren nagelneuen Codenamen in die Runde warf, sie hatte ihm doch noch gar nicht davon erzählt. Woher wußte der Kerl das denn nun schon wieder? „Darf ich vorstellen, das sind Shiva und Greenhill, Agenten der Regierung, sie arbeiten für das CMTU, das ist die Counter Mutant Terrorist Unit. Wir tauschen gelegentlich Informationen aus, damit die Regierung der Bedrohung von militanten Mutantengruppierungen besser entgegenwirken kann.“ Candy wäre vor Scham am liebsten im Erdboden versunken. Sie hatte Logan wissen lassen, daß sie eifersüchtig auf zwei Spione der Regierung war. Na Prima! „Also schön, Logan! Weil Du es bist, lassen wir dir das noch mal durchgehen.“, sagte Shiva mit einem verführerischen Lächeln und ärgerte Candy damit, daß sie Logan aus diesen strahlend blauen Augen anflirtete. „Kommen wir zum Punkt: Ich will nicht, daß wir noch mal unterbrochen werden.“, warf Greenhill ein und warf einen mißtrauischen Blick durch die Bar, um sich nach möglichen Lauschern umzusehen. Als sie kein verdächtiges Subjekt entdecken konnte, fuhr sie fort: „Zu den Angriffen auf Menschen, die sich in letzter Zeit so gehäuft haben, kann ich sagen, daß es sich dabei immer um Mutantengegner gehandelt hat. Die Angriffe betreffen militante Gruppen aber auch Zivilisten, die sich mutanten-feindlich verhalten haben. Bisher gab es keine Toten, deshalb denke ich nicht, daß die Gruppe dafür verantwortlich ist, die sich Marauders nennt. Hast Du neue Erkenntnisse über sie sammeln können, Logan?“ Der verzog mißgelaunt den Mund und schüttelte den Kopf: „Nein, leider nicht! Mein letzter Informant ist einem Teil von ihnen schon zum Opfer gefallen, wir kennen immer noch nicht alle Mitglieder und auch nicht ihren Auftraggeber! Ich habe auch keinen blassen Schimmer, was die überhaupt zusammen treiben, die vier, die wir kennen, sind eigentlich absolute Einzelgänger.“ Durch diese ernsthafte Unterhaltung wurde Candy von ihren profanen Problemchen abgelenkt. Es gab also noch mehr Gegner da draußen, die gerade in diesem Moment ihr Unwesen trieben, deshalb hatte sich die Zahl der Verletzten in der letzten Zeit so gehäuft. Sie konnte von Glück sagen, daß sie bisher nicht in eine so gefährliche Auseinandersetzung hineingelaufen war, das grenzte praktisch schon an ein Wunder! „Was ist mit Xavier, kann er sie nicht orten?“, hakte Shiva nach und nippte dann an ihrem Bier, das die Bedienung gerade vor sie hingestellt hatte. Logan hatte die Runde bezahlt und der kecken Person einen Klaps auf den Hintern gegeben, der von ihr mit einem Kichern quittiert wurde. Candy runzelte die Stirn, wurde jedoch von Shivas Ausspruch von Logans Frechheit abgelenkt. Was sollte diese Frage bedeuten? Konnte der Professor etwa Mutanten orten? So langsam kam sie sich wirklich wie ein unbedarftes Schulmädchen vor, das von nichts eine Ahnung hat und den Erwachsenen den Vortritt lassen muß. Kein sehr angenehmes Gefühl. „Schon versucht, keine Chance! Auch das bereitet uns Kopf zerbrechen. Chuck und Jeannie haben beide dunkle Vorahnungen, können aber nichts Genaueres sagen. Wir sind in Alarmbereitschaft, doch können erst reagieren, wenn wir endlich etwas Handfestes herausbekommen. Verdammt!“, rief Logan erbost aus und knallte mit der geballten Faust auf den Tisch, so daß die Tischplatte eine Delle bekam, da das sperrige Holz unter seinem Ansturm nachgegeben hatte. Greenhill schmunzelte und legte eine Hand auf seine Faust: „Nur die Ruhe! Wir haben auch schon ganz andere Informationen aufgetrieben. Wir werden uns einfach mehr Mühe geben, Sweetie.“ Candy hatte da Gefühl in dieser Richtung nicht mehr viel einstecken zu können, man würde jede Sekunde wie in einem schlechten Cartoon Rauch aus ihren Ohren aufsteigen sehen, weil sie ihre eifersüchtigen Neigungen einfach nicht unter Kontrolle hatte. „Ich denke, unsere kleine Konferenz hat sich hiermit erledigt, wir sprechen uns wieder, wenn einer von uns etwas Neues herausfindet. Okay?“ Logan nickte zustimmend und sah zu, wie die beiden Frauen sich erhoben und sich dann zielsicher durch die Gäste schlängelten, wobei sie die aufdringlichen Blicke vieler Männer herausfordernd erwiderten. Die beiden strahlten etwas aus, das sogar die fiesesten Kerle im Zaum zu halten schien. Candy sah ihnen schmollend nach und bemerkte nicht, daß Logan sich zu ihr drehte und seinen Ellenbogen locker auf den Tisch ablegte. „Jetzt erklär mir doch bitte, was Du hier überhaupt zu suchen hattest? Solltest Du nicht zuhause deine Sachen packen?“ Candy fuhr zu ihm herum und wäre fast zurückgezuckt, als sie merkte, wie nah ihr Logan tatsächlich war. Ihre Nasenspitzen stießen fast einander und seine Augen waren so nah, daß sie verwundert feststellte, daß sie gar nicht braun waren, wie sie bisher gedacht hatte. Sie waren von einem dunklen Blau, das bei den ungünstigen Lichtverhältnissen hier fast schwarz wirkte, wenn man nicht genau hinsah. „Willst Du mir nicht antworten?“, flüsterte Logan. Candy blinzelte verwirrt und versuchte, ihre fünf Sinne beisammen zu halten und das Studium seiner faszinierenden Augen einzustellen, bevor sie sich noch komplett zum Narren machte. „Äh, ich wollte nur noch ein letztes Mal auf Patrouille gehen, von hier aus kann man die Skyline New Yorks besonders gut sehen. Ich wollte mich sozusagen von der City verabschieden.“ Logan zog die Augenbrauen zusammen und kniff auch die Augen zusammen, was ihm ein sehr strenges Aussehen verlieh. „Deine Alleingänge solltest Du bis auf Weiteres einstellen, Frau! Du hast doch gehört, daß sich gefährliche Mutanten in der Stadt herumtreiben. Du bist noch nicht so weit, einen Kampf mit ihnen zu überstehen.“ „Spiel dich nicht als mein Beschützer auf, Logan, nur weil Du zufällig in mich reingelaufen bist! Ich mache dir doch auch keine Vorschriften!“, blaffte sie zurück und starrte ihn mit blitzenden Augen an, in denen die Farbe wie in einer öligen Pfütze Schlieren bildete. Logan betrachtete das Farbspiel gebannt und sein Mund verzog sich zu einem schiefen Grinsen: „Ach, nein? Was war mit deiner Empörung über die beiden Damen? Das war eindeutig ein Versuch, mich zurechtzuweisen!“ Candy schnaubte nur und versuchte, seinen Arm vom Tisch zu schieben, damit sie an ihm vorbei konnte, doch er wich keinen Millimeter. „Laß mich durch, Logan! Ich möchte jetzt nach Hause fahren!“, verlangte sie aufgebracht. Logan schürzte nur die Lippen und ließ sie sich ein wenig austoben, bevor er sich erhob und Candy am Oberarm mit aus der Nische zog. Sie hatte keine Wahl, außer ihm durch die Bar nach draußen zu folgen. „Wo steht dein Wagen? Wenn Du es mir nicht sagst, finde ich ihn trotzdem.“, meinte Logan amüsiert, als er ihren aufsässigen Blick auffing. Sie brummelte etwas und wies dann in die Richtung, wo ihr Wagen stand, als sie ihn erreicht hatte und die Autoschlüssel aus der Tasche gezogen hatte, riß ihr Logan den Bund einfach aus der Hand. „Ich fahre!“, meinte er nur und schloß ihr die Beifahrertür auf. Candy blitzte ihn wieder an, doch ihre Wut prallte an ihm ab und sie ließ sich in den Sitz plumpsen und schnallte sich immer vor sich hin murmelnd fest. Jetzt wurde sie auch noch enteignet, als ob sie nicht selbst Auto fahren könnte! Um nach Manhattan zurückzukommen, mußten sie durch einen der Tunnel fahren, die zurück auf die Insel führten. Logan entschied sich für den Holland-Tunnel, der um diese späte Uhrzeit eigentlich immer gut zu befahren war, doch diesmal hatten sie Pech. Als sie den Tunnel auf halber Strecke durchfahren hatten, fuhren sie direkt in eine Absperrung der Polizei. Anscheinend hatte sich ein LKW im Tunnel so quer gelegt, daß man erst einen speziellen Abschleppdienst abwarten mußte. Logan war kurz ausgestiegen, um mit einem der Officers zu reden, der ihm mitteilte, daß sie etwa 30 bis 40 Minuten weiterfahren können würden. „Wir müssen eine halbe Stunde warten, Candy. Der Abschleppdienst ist gleich da, aber die Bergung könnte kompliziert sein.“ „Ist jemand verletzt?“, fragte sie auf einmal ernüchtert. „Nein, der LKW-Fahrer hatte Glück, er hat eine kleine Beule, die wird ihn daran erinnern, daß man nicht angetrunken Auto fährt.“, gab Logan knurrig zurück und schaltete dann das Radio ein, damit die Stille im Auto nicht mehr so erdrückend war. Candy war froh, daß Logan nicht zur mitteilsamen Sorte gehörte, so konnte sie in aller Ruhe die Ereignisse in der Bar Revue passieren lassen, ohne in ihren Gedanken gestört zu werden. Warum in aller Welt hatte sie sich gerade die Spelunke ausgesucht, wo Logan sich mit den beiden Agentinnen traf? In der Mansion gelang es ihnen doch auch erfolgreich, einander aus dem Weg zu gehen, warum mußten sie sich ausgerechnet hier treffen? „Die beiden Agentinnen, waren das auch Mutanten?“, wollte sie schließlich von Logan wissen. Logan lehnte sich bequem in den Sitz zurück und hob die Hände, um sich frustriert durch die Haare zu fahren. Die Frau brachte ihn an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Einen Moment war sie eine Wildkatze und plötzlich wieder zahm wie ein Schoßhund. So ein Wechselbad der Gefühle irritierte Logan sehr, denn er war immer für direkte Lösungen und kein Freund von Zurückhaltung. Aber diesmal war es anders, da er ja selbst beschlossen hatte, Candy vorerst in Ruhe zu lassen. „Ja, das sind sie. Aber es darf niemand wissen, also behalte es für dich. Die Regierung würde sie sofort ausmustern, wenn sie davon Wind bekäme. Shiva ist ein Technikgenie, sie kann mit Hilfe ihrer Gedanken, technische und elektronische Geräte steuern, Greenhill ist sozusagen ein wandelnder Computer. Sie kann Tonnen von Informationen verarbeiten und auswerten, einfach indem sie einmal einen Blick auf die Daten wirft. Die beiden gehören schon seit Jahren zum Informationsnetzwerk des Professors.“ Candy ließ die Informationen in sich einsinken, wenn sie bei den X-Men blieb, dann tauchte sie in eine Welt ein, die viel komplizierter war, als sie bisher gedacht hatte. „Würde diese Behöre, oder was immer die CMTU ist, euch auch verfolgen, wenn sie von eurer Existenz wüßte?“, fragte sie, um die Sachlage genauer verstehen zu können. Logan grinste breit: „Sicher nicht. Der Professor ist ein geachteter aber auch gefürchteter Mann. Nach dem Angriff durch das Militär haben wir dafür gesorgt, daß die Regierung nie wieder so etwas zuläßt. In Washington ziehen sie jetzt vor, mit uns zu kooperieren. Die X-Men haben einfach schon zu oft den Sturz der Regierung verhindert, weil wir die Gefahr von Angriffen militanter Gruppen abgewehrt haben. Es wäre nur nicht hilfreich, wenn sie wüßten, daß unsere Verbindungen weiter reichen, als sie bisher wissen. Shiva und Greenhill sind zwei Mutanten, deren Fähigkeiten nicht so einfach ins Auge fallen, deshalb sind sie für diesen Job prädestiniert.“ Candy nickte nachdenklich. In ihrem Fall konnte man das schlecht sagen, wenn sie nicht ständig ihren Einsatzort wechselte, würde ihre Arbeit über kurz oder lang jemandem auffallen müssen. Sie verfielen wieder in Schweigen und beobachteten dabei das Voranschreiten der Bergungsarbeiten. Logan juckte es in den Fingern, auszusteigen und den tölpelhaften Arbeitern zur Hand zu gehen, mit Hilfe seiner Körperkraft hätte er den LKW mit Leichtigkeit von der Stelle schieben können, damit er in die richtige Position für das Abschleppfahrzeug kam. Er blieb jedoch ruhig sitzen und verfolgte die stümperhaften Arbeiter still weiter. Fortsetzung folgt… Kapitel 9: Candy's Little Secret -------------------------------- ° ° ° Endlich! Die Idioten hatten den LKW festgezurrt und die Seilwinden begannen, ihn auf die Plattform zu ziehen. Candy war genauso erleichtert wie Logan, daß sie bald von hier weg kommen würden. Der Tunnel war zwar gut belüftet, aber dennoch überkam sie langsam eine merkwürdige Beklemmung. Sie rutschte tiefer in den Sitz und versuchte, ihre Atemfrequenz zu kontrollieren. ‚Ganz ruhig, es dauert nicht mehr lange. Höchstens fünf Minuten’, versuchte sie, sich in Gedanken zu beruhigen. Eine eiskalte Hand griff nach ihrem Herzen und drückte zu, so daß sie einen stechenden Schmerz in ihrer Brust fühlte, der ihren Atem stocken ließ. Sie sah sich um, konnte jedoch nichts entdecken, was diese Panikattacke erklären konnte. Sie hatte noch solche Platzangst verspürt… „Was ist los?“, fragte Logan, der kurz zu ihr rüber geschaut und dabei entdeckt hatte, daß sie auf einmal leichenblaß war und am ganzen Körper zitterte. Sie sah ängstlich zu Logan rüber, doch er war nicht die Quelle ihrer Beklemmung, ihre empathischen Fähigkeiten hatten das sofort ausgeschlossen. „Ich weiß nicht.“, preßte sie mühsam hervor und starrte blind durch die Windschutzscheibe. „Ich habe Angst, entsetzliche Angst!“, ihre Stimme erstarb in einem trockenen Schluchzen, das Logan außerordentlich beunruhigte. Er konnte deutlich ihren galoppierenden Herzschlag vernehmen, ihr Atem ging stoßweise und auf ihrer Stirn stand der Angstschweiß. Er sah sich in den Tunnel um, doch er konnte niemanden erspähen, der diese Reaktion bei ihr auslösen könnte. „Wovor hast Du Angst? Ist jemand in der Nähe, der dir gefährlich werden könnte?“ Logan mußte einfach wissen, was los war, ansonsten konnte er ihr nicht richtig helfen. „Bitte bring mich hier weg, Logan! Es ist so schrecklich.“, flehte sie nun weinend. Logan fluchte leise und zog sie in seine Arme. Er wußte überhaupt nicht, ob sie einfach einen hysterischen Anfall hatte, oder ob sie gerade von einem Unbekannten attackiert wurden. Den ersten Gedanken verwarf er sofort, Candy war nicht der Typ für hysterische Anfälle, ihre Angstreaktion mußte etwas mit ihrer Gabe zu tun haben. Sie spürte wohl irgendeine Bedrohung, die er selbst nicht wahrnehmen konnte. „Ruhig, Candy. Bitte halte es noch ein paar Minuten aus, die Absperrungen werden schon abgebaut und der Weg ist gleich frei. Bitte halte noch ein wenig aus.“, flüsterte ihr beruhigend zu, während sie ihre Arme so fest um seinen Hals schlang, daß er fast Atemnot bekam. Seine Sinne waren aufs Äußerste gespannt, während er versuchte, Candy solange zu beruhigen, bis sie den Tunnel verlassen konnten. Nach fünf Minuten fuhren die Fahrzeuge vor ihnen endlich los, alles ging aber nur im Schneckentempo, da im Tunnel die zweite Spur immer noch gesperrt war. Candy saß wieder auf ihrem Sitz, doch ihr Zustand war nicht besser geworden, im Gegenteil, sie hatte ihren Oberkörper umschlungen und wiegte sich vor und zurück, während sie weinte und manchmal leise stöhnte, als hätte sie unerträgliche Schmerzen. Logan umklammerte das Lenkrad, so daß seine Knöchel weiß hervortraten, und schnitt einem einscherenden Wagen die Vorfahrt, aber er wollte einfach diesen Tunnel so schnell wie möglich verlassen. Nach fünfzehn weiteren Minuten verließen sie endlich den Tunnel und Logan fuhr den Wagen nach der Ausfahrt rechts ran, wo er vor einem alten Backsteingebäude parkte. Candy war in sich zusammen gesunken und Logan hatte schon Angst, daß es ihr noch schlechter gehen könnte, doch als er sie an der Schulter faßte, richtete sie sich auf. „Es… es ist besser, es ist endlich besser geworden.“, seufzte sie leise, ließ ihren Kopf gegen seine Schulter fallen und schloß erschöpft die Augen. Logan betrachtete ihr blasses Gesicht, auf dem die geweinten Tränen noch glänzten und atmete erleichtert auf. Ihre Vitalwerte begannen sich zu normalisieren, er konnte aber auch spüren, daß sie vollkommen ausgelaugt von dieser Erfahrung war. „Geht es wieder? Ich möchte dich so schnell wie möglich nach Hause bringen, am besten wäre es, wenn wir gleich nach Westchester zurückkehren und diese Sache sofort aufklären.“ Candy rührte sich nicht und Logan dachte schon, daß sie eingeschlafen sei, doch sie antwortete nach einigen Augenblicken: „Nein, ich will nur nach Hause. Ich will keine Fragen beantworten, nicht jetzt. Bitte, Logan.“ Logan grummelte leise: „Also schön. Ich bringe dich nach Hause, aber ich bleibe bei dir. Einverstanden?“ Candy hob den Kopf und lächelte ihn warm an: „Danke, Logan.“ Sie küßte ihn kurz auf die stoppelige Wange und setzte sich dann wieder aufrecht auf ihren Sitz. Es war, als wäre nie etwas passiert. ~ Wieder betrat Logan mitten in der Nacht ihre Wohnung, ohne von jemandem bemerkt zu werden, diesmal war Candy jedoch bei Bewußtsein und stand auf ihren eigenen zwei Beinen. Sie ging zielstrebig auf ihre Küche zu, wo sie aus dem Tiefkühler eine Packung Eis herausfischte und sich gleich über den Inhalt her machte, während sie auf der Arbeitsplatte saß und ihre Beine baumeln ließ. Sie fühlte sich, als hätte sie zehn Schwerverletzte geheilt und brauchte dringend eine Energiezufuhr, bevor sie ihre Spritzen rauskramte und sich einen Schuß Glukose setzte, war ihr diese Methode des natürlichen Ausgleichs wesentlich lieber. Diese besorgniserregende Panikattacke hatte sie völlig ausgelaugt und innerlich vollkommen aus der Bahn geworfen. Sie glitt schließlich von der Platte und ließ sich auf einen Stuhl fallen und schob sich genüßlich die mit Eiscreme beladenen Löffel in den Mund. Logan lehnte sich an die Theke, die die Küche von den anderen Räumen trennte und beobachtete fasziniert, wie Candy eine riesige Portion Eis verdrückte. Es hatte schon etwas Faszinierendes eine Frau beim Schlemmen zu beobachten, die mehr verdrücken konnte als manch ausgewachsener Kerl, den Logan kannte. Er mochte Frauen mit einem gesunden Appetit und Candy hatte nichts von ihren Freßgelagen zu befürchten, da sie die Nahrung als Energiequelle für ihre Fähigkeiten benötigte. Logan ging es manchmal ähnlich, seine Anlagen erlaubten ihm mit sehr wenig Energiezufuhr zurecht zu kommen, er mußte seine Energie ja nicht mit Verletzten teilen, aber nach einer gewissen Zeit verlangte sein System Wiedergutmachung, und er hatte dann vergleichbare Freßattacken. „Ähm, sorry, Logan! Ich bin nicht gerade der perfekte Gastgeber, aber ich mußte unbedingt etwas Süßes essen.“, meinte Candy nach einigen Minuten und wurde rot, als ihr bewußt wurde, daß Logan sie die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hatte. Sie war es nicht gewohnt, jemanden an ihren kleinen Marotten teilhaben zu lassen. Sie hatte nicht vergessen, daß eine befreundete Fotografin sie einmal der Bulimie bezichtigt hatte, nachdem Candy mal ihre Deckung hatte fallen lassen. Seitdem war sie besonders vorsichtig im Umgang mit Fremden, wenn es um ihre Eßgewohnheiten ging. Logan grinste sie nur verschmitzt an und blieb in der coolen Pose, während Candy den leergeputzten Eiscontainer in die Müllklappe steckte. „Fühl dich ganz wie zuhause, ich muß jetzt unbedingt eine Dusche nehmen.“ Candy ging an Logan vorbei und war froh, daß er immer noch nichts sagte. Sie wollte noch nicht über die Ereignisse dieser Nacht sprechen, vielleicht später. Logan sah sich in Candys Küche um und entdeckte zu seinem Erstaunen einen Vorrat an harten Drinks in einem ihrer Oberschränke, die von ausgesuchter Qualität waren. Damit hätte er nun wirklich nicht gerechnet. Wenn sie auch noch einen Vorrat an kubanischen Zigarren hatte, dann würde er den Aufenthalt in ihrer Wohnung bis in alle Ewigkeit hinziehen können. Mit einem schiefen Grinsen schenkte sich Logan einen großzügigen Drink ein und mit dem Glas in der Hand ging er durch die sonst unbeleuchtete Wohnung. Er machte jedoch kein Licht, da der Schein aus dem Badezimmer den Rest der Wohnung genügend erhellte, so daß seine scharfen Augen Einzelheiten erkennen konnten. An der nackten gemauerten Wand im Wohnbereich hing über der Couch eine Bilderserie, die sich Logan genauer ansah, vielleicht verrieten ihm die Bilder etwas über ihre Persönlichkeit. Es waren sechs Schwarz-Weiß-Bilder, die treppenförmig an der Wand festgemacht waren und von links nach rechts aufsteigend angeordnet waren. Das Thema schien Gewalt auf den Straßen zu sein, denn das erste Bild zeigte zwei Männer, die miteinander kämpften. Auf ihren Gesichtern war deutlich der Wille zu töten abzulesen. Die Darstellung der Gewalt steigerte sich von Bild zu Bild und das letzte Bild zeigte eine Straßenflucht voller maskierter oder dick geschminkter Menschen, die fantasievolle Kostüme trugen, es mußte wohl in New Orleans aufgenommen worden sein, denn irgendwie kam es Logan so vor, als würden die Menschen auf dem Bild den „Mardis Gras“ feiern, den typischen Karneval in dieser Stadt. Im Zentrum des Bildes lag in einem Kreis, den die Maskierten freigelassen oder geräumt hatten, der seltsam verzerrte Körper einer jungen Frau, deren sonst reinweißes Kostüm von einem großen schwarzen Fleck auf ihrer Brust besudelt wurde. Logan war sofort klar, daß das Blut sein mußte, ihm war, als stiege ihm der süße Duft davon in die Nase, während er das Bild betrachtete. Candy war ziemlich geschickt darin, sich in Bildern auszudrücken. Er war sich sicher, daß sie den Kontrast der fröhlichen Masken gewählt hatte, um damit die Verachtung darzustellen, die sie vor Gaffern empfand. Er nahm einen tiefen Schluck von dem Whiskey und schlenderte weiter, wobei er einen Blick in das Bad werfen konnte, wo Candy unter der Dusche stand. Er blieb wie vom Donner gerührt stehen, als er ihre nackte Silhouette hinter einer Wand aus Glasbausteinen erhaschen konnte. Sein Mund wurde plötzlich ganz trocken und er nahm einen weiteren Schluck des hochprozentigen Getränks, das ihm nunmehr brennend die Kehle herunterglitt, aber keinesfalls sein plötzlich erwachtes Verlangen löschen konnte. Er sah gebannt zu, wie sie ihre Hände auf dem Glas abstütze und ihren Rücken dem Wasser zudrehte. Logan konnte nicht verhindern, sich sehr bildlich vorzustellen, was er mit ihr machen würde, wenn er nun hinter ihr stünde. Wieso zum Teufel hatte sie die Badezimmertür nicht zugezogen? Er kippte den Rest des Drinks hastig herunter und stellte das Glas achtlos auf einem Beistelltisch ab, dann ging er zwei Schritte auf das Bad zu, während er seine Jacke abstreifte und sie einfach auf den Boden fallen ließ. Im Bad angekommen fiel als Letztes seine Hose, womit Logan auch jegliche Bedenken ob seines Tuns ablegte. Dies hier war unvermeidlich gewesen und nun hatte sich sogar die perfekte Gelegenheit ergeben. Hier und Heute würden sie von keinem Bewohner der Mansion gestört werden und schon gar nicht von der von ihm selbst auferlegten Zurückhaltung. Mit einem Lächeln auf den Lippen, trat er zu Candy in die Dusche, wo ihn gleich ein heißer Wasserstrahl traf, der seine Haare durchnäßte und sie an seinen Kopf klatschte. Candy fuhr erschrocken zurück, als er zu ihr in die Dusche trat, aber mehr als ein ersticktes „Oh“ kam nicht über ihre Lippen. Sie hatte eben so intensiv an ihn gedacht, daß sein Erscheinen in der Dusche wie die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches war, der sich in der Realität als so überwältigend herausstellte, daß man nicht richtig darauf reagieren konnte. Sie sah fasziniert zu, wie das Wasser über sein Gesicht lief und seine Haare durchnäßte, so daß seine markanten Gesichtszüge noch deutlicher als sonst hervortraten. Es war nicht mehr wichtig, wer den ersten Schritt tat, irgendeine Macht zog sie zueinander hin und ihre Lippen verschmolzen in einem heißen Kuß, während das Wasser stetig über sie strömte und nur die brennende Hitze zwischen ihnen verstärkte. Candy wünschte sich mit einem Mal, daß Wasser wäre kühler, als Logans Hände eine brennende Spur auf ihrem Rücken hinterließen und dann ihre Pobacken umfaßten. Sie konnte deutlich spüren, wie erregt Logan war, als er ihren Unterleib an seinen drückte und begann, sich provokativ an ihm zu reiben. Sofort wurde sein Kuß hungriger und seine Finger gruben sich fester in ihr Fleisch, doch das veranlaßte Candy nur, tief in ihrer Kehle aufzustöhnen. Mit einer geschmeidigen Bewegung wurde sie einfach von ihm hochgehoben, so daß sie ihre Beine um seine Hüften schlingen konnte, seine unbändige Kraft jagte ihr einen Wonneschauer über den Rücken. Irgendwie steigerte es ihre Lust, daß Logan sie praktisch zerquetschen konnte, wenn er nur fest genug zudrückte. Das Gefühl ihm vollkommen ausgeliefert zu sein, steigerte ihr Verlangen ins Unermeßliche, löschte jeden klaren Gedanken aus, die bis vor kurzem noch durch ihren Kopf geschossen waren. Logan zögerte nicht lange, er hielt Candy mit einem Arm umschlungen und mit der freien Hand fand er ihren Eingang, dann glitt er mit einem kräftigen Stoß in sie hinein, der ihr den Atem nahm und sie den Kuß unterbrechen ließ. Sie nahm einen zitternden Atemzug, während Logan ruhig in ihr verharrte und ihr tief in die Augen schaute, in denen nun alle Farben des Regenbogens tanzten. „Ich will, daß Du mich die ganze Zeit ansiehst, Candy! Du sollst mich ansehen, ich will deine Augen sehen, wenn Du kommst.“, flüsterte er heiser und spürte wie sie erschauerte, obwohl das heiße Wasser immer noch über sie prasselte. Candy hielt sich an seinen Schultern fest, während er begann, sich aufreizend langsam in ihr zu bewegen. Er half ihr mit einem Griff um ihre Hüften, ihren Rhythmus zu finden. Unerbittlich hielt er die Frequenz seine Stöße niedrig, obwohl Candys beschleunigtes Atmen ihm bald verriet, daß sie auf ihren Höhepunkt zusteuerte. Sie beide würden sich nicht lange zurückhalten können, das Verlangen aufeinander war einfach zu überwältigend. „Logan, bitte…“, flehte sie ihn bald an. Doch er gab ihr nicht nach, er spürte schon die ersten Kontraktionen und quälte sie weiterhin mit seiner Zurückhaltung. Ihre Pupillen waren so klein, daß ihre Augen bald wie kleine, mit tanzendem Nebel angefüllte Kristallkugeln wirkten. Sie sah ihn fast ungläubig an, ihre Lieder begannen zu flattern, doch er verlangte befehlend, daß sie die Augen offen halten sollte: „Sieh mich weiter an, Candy!“ Der Orgasmus überrollte sie wie eine warme Welle, der sie nichts entgegen zu setzen hatte, sie mußte Logan nachgeben und war gefangen von seinen dunklen Augen. Sie klammerte sich an ihn, versuchte ihn mit sich über die Grenze der Selbstbeherrschung zu zuziehen, doch seine Kinnlinie blieb gespannt, und er blieb standhaft. Er zog sie eng an sich und hielt sie einige Minuten fest an sich gedrückt, während ihr Körper sich langsam beruhigte. Dank seiner wirklich langjährigen Erfahrungen auf diesem Gebiet wußte er, daß sie Erfüllung gefunden hatte, aber sich dennoch seltsam leer nach diesem Erlebnis fühlen würde. Er hatte ihr nicht alles gegeben, was sie begehrte, wonach auch sein eigener Körper mit jeder Faser schrie. Er stellte sie auf ihre Füße, als er sicher war, daß sie wieder fest auf ihren Beinen stehen konnte. „Logan? Was…“ Er unterbrach ihre Frage einfach mit einem zärtlichen Kuß und wisperte dann in ihr Ohr: „Dreh dich um und stütze deine Hände an der Wand ab.“ Er mußte sie so besitzen, sonst würde er nie zur Ruhe kommen, das Bild würde ihn tage- oder wochenlang in seinen Träumen verfolgen. Candy tat wie geheißen und schluckte, als er über ihren Rücken strich und sie damit zum Durchbiegen ihres Kreuzes veranlaßte. Seine Hand fuhr zwischen ihre Pobacken und sofort schoß wieder heißes Verlangen durch ihre Lenden. Sie dachte, daß er gleich zu ihr kommen würde, doch er hielt sich lieber damit auf, ihren Körper zu liebkosen und ihre vom Verlangen schweren Brüste von hinten zu umfassen. Eine Seiner Hände glitt dann über ihren Bauch und tiefer, bis sie auf ihrem Venushügel zur Ruhe kam. Sie spreizte ihre Beine, damit er sie leichter berühren konnte und hielt den Atem an, als er begann, ihre Klitoris sanft zu massieren. Sie wollte sich ihm entwinden, um sich ihm wieder zuwenden zu können, doch die Hand auf ihrem Kreuz hielt sie zurück. Er fuhr wieder über ihren Po, doch diesmal stoppte er nicht, bis er mit einem Finger in sie eingedrungen war und ihr abgehacktes Stöhnen entlockte. Sie hatte keine Chance sich ihm entgegenzustellen, er spielte mit ihr wie ein Virtuose auf seinem Instrument und entlockte ihr nie gekannte Reaktionen. Endlich kam er schließlich zu ihr, diesmal hielt er sich nicht zurück, sondern stieß heftig in sie hinein, doch genau das wünschte sie sich im Moment mit aller Macht. Sie hatte das Gefühl, gleich zu explodieren. Seine Hand an ihrem Unterleib stimulierte sie immer noch und irgendwann konnte sie nur noch stöhnen, als der Orgasmus sie diesmal wie eine Keule traf und sie nicht mehr wußte, was sie tun konnte außer schreien, um endlich alle aufgestaute Lust aus sich heraus zu lassen. Als Logan in ihr kam, vermischten sich ihre Schreie der Lust und sein tiefes Stöhnen zu einer Melodie der Leidenschaft, die sie beide über eine tiefe Klippe stürzte. Candys Beine gaben nach und Logan fing sie um ihre Hüften auf, ging langsam mit ihr auf den Boden herunter, wo er dann vorsichtig aus ihr herausglitt. Dabei blickte er auf den hellen Fliesen unter sich und sah noch, wie sich das in den Abfluß laufende Wasser von rot über hellrot bis rosa verfärbte und dann wieder klar wurde. Er runzelte kurz die Stirn, schob aber den Gedanken an seine Beobachtung erst einmal beiseite. Zuerst half er Candy auf die Füße, die immer noch etwas wackelig auf den Beinen war, doch das laufende Wasser schien sie wieder etwas zu beleben. Logan griff nach ihrem Duschgel und schäumte sie zärtlich damit ein, die Berührungen sollten sie wieder beruhigen, er konnte sich vorstellen, daß sie noch ziemlich aufgewühlt sein mußte. „Gehst Du zuerst raus? Ich komme nach“, forderte er sie leise auf, nachdem Candy den Schaum wieder abgespült hatte. „Ich lege dir noch ein Handtuch hin.“, gab sie schwach zurück. Sie trat aus der Dusche und schlang ein großes Badetuch um sich, bevor sie Logan ein identisches aus einem kleinen Schrank holte und es gut sichtbar für ihn auf dem Handtuchhalter platzierte. Logan kam nach zehn Minuten aus dem Bad, er hatte sich seine Jeans und das T-Shirt übergestreift und seine Haare trocken gerubbelt, so daß sie wieder wild in alle Richtungen abstanden. Candy sah ihn unsicher an, sie saß auf ihrer Couch unter der Bilderserie „Visions of the Night“ und hatte die Beine angezogen und mit ihren Armen umschlungen. ‚Hat er etwas bemerkt?’, fragte sie sich beklommen, während er lässig auf sie zuging. Sie zupfte nervös am Saum ihres bodenlangen Kaftans mit dem bunten, psychedelischen Muster, den sie so gerne trug, um zuhause gemütlich abzuhängen. Logan ging an ihr vorbei und setzte sich an das andere Ende der Couch, wo er seinen Arm auf die Lehne aufstützte und sie gründlich musterte. Sie konnte an seinem Blick erkennen, daß ihm trotz allem, was sie eben erlebt hatten, die Tatsachen nicht entgangen waren und sie wurde blutrot unter seinem wissenden Blick. Sie senkte den Kopf und verbarg ihr brennendes Gesicht auf ihren Knien. „Erklärst Du mir bitte, wie das möglich ist, Candy?“, fragte er nach einigen Augenblicken, die Candy wie eine Ewigkeit vorkamen. Candy stöhnte zutiefst beschämt auf, sie hatte nicht mehr damit gerechnet, es ihm erklären zu müssen. Das war kein Thema, das man eben beiläufig erwähnen konnte und irgendwie hatte sich dazu auch nie eine Gelegenheit ergeben. „Logan, ich bin eine Heilerin, jedwede Verletzung, die mir zugefügt wird, heilt wieder zusammen, auch wenn ich mich nicht darauf konzentriere. Es dauert etwas länger, aber am Ende heilt jede Verletzung.“, erklärte sie mit dumpfer Stimme, da sie den Kopf immer noch in den Armen vergraben hielt. „Wie lange dauert das?“, fragte er mit gerunzelter Stirn. Candy verdrehte die Augen, die Frage hatte natürlich kommen müssen! „Keine Ahnung, ich kontrolliere das nicht, aber bestimmt zwei bis drei Monate, zufrieden?!“ Ihr Kopf schoß hoch und sie sah ihm trotzig in die Augen, während ihre Wangen immer noch vor Schamesröte glühten. Logan wußte nicht, was er daraufhin erwidern sollte, eigentlich hätte er von selbst darauf kommen müssen, doch als Mann mit Selbstheilungskräften hatte er nie so weit gedacht, was diese Fähigkeit an Auswirkungen für Frauen hatte. Er wußte nun, daß sie keine unerfahrene Jungfrau mehr war, aber das bedeutete trotzdem nicht, daß sie ihm ebenbürtig war. Fortsetzung folgt… Anmerkung: Da ich schon darauf angesprochen wurde, daß Logan und Candy aber sehr verantwortungslos mit dem Thema Verhütung in Zeiten von AIDS umgehen… Beide Charas sind Selbstheiler, können sich also nicht mit einer Krankheit infizieren, zudem können beide auf natürliche Verhütungsmethoden zurückgreifen, wenn es darum geht, eine Schwangerschaft zu verhindern (Logans Sinne verraten ihm Allerlei...). Ansonsten hätte ich die beiden nicht so gedankenlos handeln lassen! Kapitel 10: Saved by the Elf ---------------------------- ° ° ° „Wieso hast du nichts gesagt?“, hakte Logan nach. Candy schnaubte: „Sicher! Das ist genau das richtige Konversationsthema nach einer wilden Nacht, oder wie auch immer Du unser erstes Zusammentreffen nennen magst. Ich habe nie behauptet, daß ich keine Erfahrungen auf diesem Gebiet habe, das hast Du allein aus der Tatsache geschlossen, daß ich… Du weißt schon!“, beendete sie den Satz etwas lahm. Diese anatomische Besonderheit war mit ein Grund, warum Candy sehr zurückhaltend gewesen war, wenn es um Beziehungen ging. Das und die Tatsache, daß man nicht an jeder Ecke Mutanten traf, mit denen man sich eine Beziehung vorstellen konnte. Sie strich sich die noch feuchten Haare aus dem Gesicht und sah zögernd zu ihm rüber. Sie fragte sich, wie das zwischen ihnen weiter gehen würde. Immerhin sollte sie mit den Leuten von Professor Xavier zusammen arbeiten und Logan war nun so etwas wie ein Kollege. Gab es im Institut von Professor Xavier Richtlinien für Angestellte? Sie hatte ja keinen offiziellen Vertrag mit den X-Men, war sozusagen auf Probe dort. Das war alles so kompliziert! „Ich würde ja sagen, lassen wir es langsam angehen. Zieh in die Mansion und dann sehen wir weiter, aber wenn wir beide unter demselben Dach schlafen, kann ich für nichts garantieren.“, sprach Logan Candys Gedanken laut aus. Sie blinzelte verwirrt, weil sein Einfühlungsvermögen sie überraschte, was er mit einem seiner typischen, schiefen Grinsen quittierte. Was hatte er damit gemeint, daß er für nichts garantieren konnte? „Komm her.“, forderte er sie mit einem leisen Grollen in der Stimme auf, das ihr einen erwartungsvollen Schauer den Rücken herunterjagte. Candy schluckte, als ihr klar wurde, was sein letzter Satz wirklich bedeutete, sie kroch zu ihm rüber und setzte sich mit gegrätschten Beinen auf seinen Schoß, während seine Arme sie umschlangen und sie fest an seinen muskulösen Oberkörper preßten. „Dafür hast Du dich aber in den letzten Tagen ziemlich gut in der Gewalt gehabt, Logan.“, meinte sie neckend. Sie hob ihre Hände und fuhr mit gespreizten Fingern in seine Haare, die noch feucht waren und sich dadurch seltsam weich anfühlten. Sie sah ihm mit einem amüsierten Glitzern in ihren Augen tief in seine, die fast schwarz erschienen, weil seine Pupillen so geweitet waren. Seine Antwort war ein tiefes Knurren und dann hatte er sie gepackt und rücklings auf ihre Couch geworfen, um sich auf sie zu stürzen. Er machte jede Unterhaltung unmöglich, da er sie mit wilden Küssen zum Schweigen brachte, sie konnte ihn gerade noch davon abhalten, ihren Lieblingskaftan in Fetzen zu schneiden, bevor ihr alles egal wurde, weil Logan sie erneut auf einen gewaltigen Gipfel trieb, der alles andere auslöschte… ~ Sie mußten auf der Couch eingeschlafen sein, denn Candy erwachte, weil sie in ihrer Nacktheit fröstelte. Sie lag auf Logan, dessen Arm um ihre Taille lag und ihr Halt gab. Sie überlegte gerade, ob sie ihn wohl wecken würde, wenn sie vorsichtig von ihm herunterglitt, um eine Decke zu holen, als er heftig in die Höhe schnellte und sie dadurch von ihm herunter gestoßen wurde und ziemlich unsanft auf dem Boden landete. Er sprang behende auf die Füße, stieß ein aggressives Knurren aus und die Klauen schossen mit einem zischenden Laut aus seinen Händen. Candy starrte ängstlich zu ihm auf, er sah wirklich gefährlich aus. Sie hielt ein nervöses Kichern zurück, als ihr der Gedanke durch den Kopf schoß, daß Logan so eindrucksvoll aussah, nackt und in Angriffsstellung, daß sie ihn am liebsten abgelichtet hätte. Was war nur los mit ihm? Candy hob die Arme schützend vor die Brust und versuchte, das Zittern ihrer Glieder unter Kontrolle zu bringen. Sie hätte am liebsten angsterfüllt aufgeschrieen, als er einen Schritt auf sie zuging, doch sie preßte sich eine Hand auf den Mund, um den Ausruf zu unterdrücken. Sie wollte Logan nicht unnötig erschrecken. Logan sah sich gehetzt in dem Zimmer um, sein Atem kam nur noch stoßweise und ein Schweißfilm bildete sich auf seinem in mürrische Falten gezogenen Gesicht. „Logan?“, Candy bekam seinen Namen vor Nervosität kaum über ihre blassen Lippen. Er zuckte zusammen und fuhr zu ihr herum. Einen Moment dachte sie voller Schrecken, er würde sich auf sie stürzen, doch er ballte die Fäuste und ließ seine Klauen wieder in seinen Händen verschwinden. „Irgendjemand lauert uns auf! Das ist nicht normal, ich kenne keine Angst“, keuchte Logan und glitt auf die Knie, da die Empfindungen immer stärker wurden. Candy robbte zu ihm herüber und legte ihm vorsichtig eine Hand auf den Arm, um ihn nicht weiter zu ängstigen. Sie aktivierte ihren sechsten Sinn und zuckte sofort zurück, als sie die Panikwelle überrollte, die Logan gerade durchlitt. Sie war viel schlimmer als diejenige, die Candy im Tunnel gespürt hatte. „Logan was soll ich tun?“, fragte sie ängstlich. „Wir müssen sofort verschwinden, wer immer dahinter steckt, könnte uns jetzt angreifen und ich könnte dich nicht beschützen.“, brachte Logan stockend hervor. Candy griff nach ihrem Kaftan und zog ihn schnell über, während sie fieberhaft überlegte, wie sie hier wegkommen könnte, ohne diesem mysteriösen Angreifer in die Falle zu gehen. Ihr Herz begann noch schneller zu hämmern, wenn sie daran dachte, daß jemand ihnen draußen vor der Tür auflauern könnte. Logan konnte kaum mehr zusammenhängend denken, die Angst zerfraß jeden vernünftigen Gedanken, es war umso schlimmer für ihn, da er dieses Gefühl kaum kannte. Dennoch schaffte er es, sich aufzurichten und zu seiner Lederjacke zu torkeln, die immer noch auf dem Boden lag. Er durchwühlte die Taschen nach dem Miniatur-Funkgerät, das er immer auf Missionen mitnahm, um eventuell Verstärkung herbei rufen zu können. Kurt! Er wartet bestimmt noch auf mich! Der Name des Teamkollegen blitzte plötzlich in seinem Kopf auf und er wählte mit zitternden Fingern seine Nummer. „Candy, sprich Du mit ihm, ich… kann nicht.“ Er streckte die Hand mit dem Funkgerät aus und ließ sich wieder auf den Boden gleiten, wo er die Beine anzog und versuchte, nicht komplett den Verstand zu verlieren. „Logan, soll ich dich abholen? Wo steckst Du?“, tönte die jungenhafte Stimme von Kurt aus dem Gerät. „Kurt, hier spricht Candy! Logan ist bei mir, es… irgendetwas stimmt nicht. Er meint, daß wir angegriffen werden. Kannst Du uns holen? Bitte! Es wird immer schlimmer!“, stammelte sie aufgeregt, weil sie plötzlich auch einen Anflug der Angst spürte. Kurt fragte sie nach ihrem genauen Standort und war dann innerhalb von Sekunden in ihrer Wohnung mit einem leisen „Bampf“ aufgetaucht. Er hielt sich nicht weiter mit der Begrüßung auf, nachdem er Logan und Candy nebeneinander sitzend auf dem Boden des Wohnzimmers entdeckte. Sie klammerten sich wie zwei ängstliche Kinder hilfesuchend aneinander. „Kurt, schnell! Ich… diese Angst ist unerträglich!“, flehte Candy den jungen Mann an. Er ging hinter den beiden in die Knie und legte jeweils einen Arm um Logan und Candy, um den Kontakt mit ihnen während ihrer Reise halten zu können. Mehr als drei Leute hatte er bisher nie teleportiert, aber Logan mußte man doppelt zählen, er war viel schwerer als ein normaler Mann, da das Adamantium um seine Knochen sein Gewicht so gut wie verdoppelte. Kurt sandte ein kleines Gebet zum Himmel und packte fest zu, er schloß die Augen und konzentrierte seine Kräfte, um die beiden Passagiere sicher nach Hause zu bringen. Wieder ein leises „Bampf“ und nur eine dunkle Rauchwolke und ein leichter Geruch nach Schwefel blieben von ihnen übrig. Der Aufbruch war keine Sekunde zu früh gekommen, denn in dem Moment wurde die Tür zu Candys Wohnung eingetreten und zwei dunkle Gestalten betraten den Raum. „Sie sind weg! Das kann doch nicht sein!“, rief eine der Gestalten mit einer hohen Stimme aus. Er eilte durch die Wohnung und durchsuchte sie, doch kann niemanden entdecken. „Die anderen Person war ein Mutant und ziemlich stark, ich habe einfach zu lange gebraucht, es tut mir leid, mein Freund.“, meinte er bedauernd, als er sicher war, daß sich niemand mehr in der Wohnung aufhielt. „Es ist gut. Ich bin jetzt sicher, daß sie am Leben ist. Wir werden sie wieder finden, mach dir keine Vorwürfe. Laß uns nach Hause gehen.“ Der Mann mit der angenehmen Stimme verließ die Wohnung und sein Freund folgte ihm mit hängenden Schultern schweigend nach draußen… ~ Kurt hatte Logan und Candy sofort in die medizinischen Labors teleportiert, damit sich die Ärzte des Teams um die beiden kümmern konnten. In der ganzen Hektik hatte Candy total vergessen, daß Logan vollkommen nackt und sie ebenfalls nur leicht bekleidet war. Sie wurde knallrot, als Jean sie beide in dem Krankenzimmer mit einem hochmütigen Heben der Augenbrauen begrüßte und ihr Blick auf Logan fiel, der immer noch unbekleidet auf einem Untersuchungstisch lag. Sie hatte zu ihrer Beschämung noch nicht einmal daran gedacht, Logans Blöße zu bedecken, nachdem Kurt den Untersuchungsraum verlassen hatte, um das restliche Team über den nächtlichen Notfall zu unterrichten. Sie war einfach nur froh gewesen, daß sie beide mit heiler Haut aus ihrer Wohnung heraus gekommen waren. Die Ärztin sah trotz der späten Stunde wie aus dem Ei gepellt aus, als würde sie in ihren Kleidern und perfekt frisiert schlafen. Candy fragte sich mißmutig, ob diese Fähigkeit zu ihrer Mutation gehörte. Nervös versuchte sie, mit beiden Händen ihre wirren Haare wenigstens etwas zu glätten, die wohl in alle Richtungen abstanden, da sie nicht dazu gekommen war, sie nach dem Duschen zu frisieren. Sie war ja mit anderen Dingen beschäftigt gewesen… Jean holte eine leichte Decke aus dem Schrank und warf sie über Logan, der die Augen geschlossen hatte und immer noch heftig atmete, als hätte er eben einen Sprint hingelegt. Jean heftete ihre grünen Augen auf Candy, die am Kopfende des Tisches stand und besorgt auf Logan runterblickte. „Was ist passiert?“ Die kühle Stimme der Ärztin riß Candy aus ihrer Erstarrung. „Ich bin nicht sicher. Etwas oder jemand hat uns beiden Angst gemacht, es war schrecklich. Ich kann es einfach nicht erklären…“, sagte sie noch ziemlich durcheinander von den sich überschlagenden Ereignissen der letzten Stunden. Jean runzelte irritiert die Stirn und meinte fordernd: „Ich muß es schon genauer wissen, Candy. Sonst kann ich Logan nicht behandeln.“ Candy zuckte schuldbewußt zusammen und versuchte, sich zusammenzureißen. „Tut mir leid, Jean. Ich werde versuchen, es besser zu erklären.“, murmelte sie kleinlaut. In dem Moment schlug Logan die Augen auf und richtete sich auf, indem er sich auf seine Ellenbogen stützte. „Ich brauche keine medizinische Behandlung, Jean. Das muß ein ziemlich mächtiger Mutant gewesen sein, der da seine Fühler nach uns ausgestreckt hat. Irgendwie habe ich das Gefühl, daß es dabei nicht um mich sondern um Candy ging. Schließlich war der erste Angriff direkt auf sie gerichtet und beim zweiten Angriff hielt ich mich in ihrer Wohnung auf. Es ist merkwürdig, daß wir von einem solchen Mutanten nichts wissen sollten. Ist Charles zuhause? Ich würde gerne mit ihm darüber sprechen.“ Candy war erleichtert, daß Logan sich soweit erholte hatte, daß er wieder normal sprechen konnte. Am liebsten hätte sie ihn berührt, um auch ganz sicher zu gehen, daß er nicht mehr litt, doch unter dem taxierenden Blick der stets beherrschten Jean wollte sie das nicht riskieren. Jean schüttelte den Kopf: „Nein, er ist in New York und kommt erst am Wochenende wieder. Du weißt doch, daß er an der Columbia Seminare anbietet.“ Logan verzog bedauernd den Mund, das hatte er tatsächlich vergessen. Professor Xavier war von einem Mitglied der Universitätsleitung gebeten worden, im Fachbereich Physik einige Seminare für Fortgeschrittene anzubieten. Xavier hatte dem Angebot nicht widerstehen können, da er in der Schule nie so weit in seinem Lieblingsthema vorstoßen konnte wie an der Universität. Das bedeutete natürlich auch, daß er wochenweise in der Mansion ausfiel. „Wie geht es den beiden?“, fragte Scott Hank, die sich auf dem Flur vor dem Untersuchungsraum getroffen hatten. Hank zuckte mit den Schultern und meinte: „Ich weiß nicht, Kurt hat mir eben Bescheid gegeben, daß es einen Zwischenfall gab. Am besten sehen wir nach.“ Scott klopfte telepathisch bei Jean an, die ihm gleich die Erlaubnis gab, den Raum zu betreten. Candy hätte sich am liebsten in ein Erdloch verkrochen, als Hank und Scott das Zimmer betraten. Ihr war klar, daß die Kollegen über den Vorfall unterrichtet werden mußten, aber hätte das nicht warten können, bis Logan und sie wieder anständig angezogen waren? „Was genau ist in New York passiert?“, fragte Scott sogleich, er mußte als Anführer der X-Men wissen, ob eines seiner Teammitglieder in Gefahr war. Trotzdem entging seinem aufmerksamen Blick weder Candys und Logans Aufmachung noch die Tatsache, daß Logan bei Candy übernachtet hatte. Er unterbrach Logans Bericht jedoch nicht, die drohende Gefahr war viel wichtiger als sein Privatleben, das ihn im Grunde ja auch nichts anging. Jedenfalls solange es nicht mit den Interessen und der Sicherheit des Teams kollidierte. Scott strich sich nachdenklich über das Kinn, während er aufmerksam zuhörte. „Candy, bist Du jemals einem solchen Mutanten auf deinen Missionen begegnet? Oder hast Du dir Feinde gemacht, indem Du jemanden geheilt hast, der eigentlich sterben sollte?“, hakte er nach, als Logan seinen Bericht beendet hatte. Alle Augen waren auf sie gerichtet und Candy wurde immer unbehaglicher zumute, sie konnte nicht glauben, daß irgendjemand ein Interesse an ihr haben könnte. Allein der Gedanke daran erzeugte ein Gefühl der Beklemmung in ihr. „Ich habe bei meinen Einsätzen niemals solche Angst verspürt, in diesem Fall hätte ich auf ein Eingreifen verzichtet, das kannst Du mir glauben. Und ich bin auch noch nie bedroht worden, ich war immer sehr vorsichtig. Niemand hat jemals meinen Namen erfahren, ich bin immer gleich nach der Heilung verschwunden. Ich weiß, daß es Gerüchte gab, aber erst in letzter Zeit.“ „Auf jeden Fall bedeutet der Zwischenfall, daß Du allein in New York auf keinen Fall mehr sicher bist. Ich bin davon überzeugt, daß irgendeine Gruppierung Wind von deinen Fähigkeiten bekommen hat und sie gerne für sich nutzen möchte. Könnten es die Marauders sein, Logan? Hast Du in New York etwas herausbekommen können?“ Der Angesprochene richtete sich in eine sitzende Position auf, so daß Candy genau auf seinen nackten Rücken starren konnte, da sie genau hinter ihm stand. Sie konnte noch verblassende Spuren der Kratzer entdecken, die sie ihm mit ihren Fingernägeln während ihres Liebesspiels beigebracht hatte und versuchte sogleich, den Gedanken daran aus ihrem Hirn zu verbannen. Sie leuchtete bestimmt schon wie eine Ampel und offenbarte somit jedem Anwesenden, daß etwas zwischen ihr und Logan lief. „Nein. Leider nicht! Hill und Shiva konnten nur von Angriffen einer anderen mutmaßlichen Gruppierung berichten, sonst gab es nicht Neues. Sie melden sich, sobald sie etwas Genaueres wissen. Sie sind dabei, einer vagen Spur zu folgen, haben aber noch nichts Konkretes.“ „Ich denke, daß wir für Heute genug Aufregungen hatten, jedermann sollte sich schlafen legen. Morgen steht wieder Unterricht an“, schloß Scott die provisorische Besprechung ab. Logan und Candy blieben in dem Untersuchungsraum zurück, nachdem sich die anderen von ihnen verabschiedet und eine Gute Nacht gewünscht hatten. Logan schwang die Beine über den Untersuchungstisch und griff gleichzeitig nach Candys Hand, um sie an sich zu ziehen, bis sie an seiner Brust landete und zwischen seinen Oberschenkeln gefangen war. „So hatte ich mir die Nacht mir dir nicht vorgestellt.“, flüsterte er in ihr vom Schlaf zerzaustes Haar. Candys Herz begann wild in ihrer Brust zu schlagen, als sie seine Lippen an ihrem Ohrläppchen spürte. „Logan? Geht es dir wirklich wieder gut? Ich hatte solche Angst, als deine Klauen plötzlich herausschossen…“, fragte sie besorgt nach und sah ihm prüfend in die dunklen Augen.. „Mir geht es gut, Du mußt dir keine Sorgen machen. Der Angreifer hatte den Überraschungseffekt auf seiner Seite. Noch mal wird er mich nicht so treffen können. Angst ist ein physiologischer Prozeß, den meine Mutation genauso verarbeitet wie eine Verletzung. Eigentlich müßte es dir genauso gehen, oder?“ Candy blinzelte überrascht, sie hatte nicht damit gerechnet, daß Logan so gut über die medizinische Seite seiner Mutation Bescheid wußte. Aber schließlich lebte er seit Jahren mit den X-Men, da war es sehr wahrscheinlich, daß sie seine Fähigkeiten ebenfalls ausgelotet hatten. „Nein, leider nicht. Das muß an der Empathie liegen, daß ich immer noch Angst verspüre. Aber wie reagierst Du dann auf Bedrohungen?“ „Ich bemerke die atmosphärischen Veränderungen durchaus, aber bin selbst nicht davon betroffen. Deshalb hat mich die Attacke vorhin auch so aus dem Konzept gebracht.“ Logan streichelte sanft ihren Nacken, als sie ihren Kopf an seine Schulter lehnte. Scott hatte recht gehabt, sie sollten wirklich schlafen gehen. Candy mußte sich von dem Angriff erholen, trotz ihrer Selbstheilungskräfte war sie nicht an die Auswirkungen von solchen Vorfällen gewöhnt. Er glitt vom Tisch herunter und Candy trat einen Schritt zur Seite. Logan lief so wie er war, die Decke war auf den Boden geglitten, zu einem Schrank in der Ecke, wo er eine Sweathose aus einem Regal zog, die er sich überstreifte. Sie hatte die Decke vom Boden aufgelesen und zusammengefaltet auf den Tisch gelegt, um ihren Blick von seinem gestählten Körper loszureißen, dessen Anblick allein genügte, um ihr Herz wieder schneller schlagen zu lassen und das Verlangen nach ihm erneut zu wecken. „Wir sollten uns jetzt schlafen legen.“ Logan wartete an der geöffneten Tür auf sie und sie folgte ihm zu den Aufzügen, die sie nach oben in den Wohntrakt führten. Als Candy den Knopf für ihr Stockwerk betätigen wollte, sie wohnte noch in dem Gästezimmer im ersten Stock, hielt Logan sie zurück und drückte den Knopf zur dritten Etage, wo er sein Zimmer hatte. Ihre Kehle schnürte sich zusammen, als Logans intensiver Blick sie traf. Er schaffte es, ohne Worte seine Wünsche auszudrücken. Und Candy folgte ihm genauso wortlos, da sie sich genauso danach sehnte, die Nacht bei ihm zu verbringen... Fortsetzung folgt… Kapitel 11: Watching the Kids ----------------------------- X X X Candy flog durch die Luft als wäre sie nicht mehr als eine zappelnde Stoffpuppe und prallte mit dem Rücken dumpf gegen die Wand, sie konnte durch ein schnelles Anspannen der Nackenmuskulatur gerade noch verhindern, daß auch noch ihr Schädel schmerzhaft dagegen knallte. Sie rutschte an der Wand entlang und landete dann unsanft auf dem Boden. Ihr ganzer Körper schmerzte und ihr Atem kam nur noch stockend, am liebsten wäre sie liegen geblieben, doch das würde nur einen weiteren Angriff provozieren und ihr weitere schier unerträgliche Schmerzen bereiten. Sie erhob sich ein Stöhnen unterdrückend und versuchte, die Schmerzen zu ignorieren, die in ihrem Körper tobten. Wenn sie sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen ließ, konnte sie schneller heilen und die Qualen würden von allein verschwinden. Ihr Angreifer kam wieder auf sie zugeschossen und Candy ging in Kampfposition. Sie blockte den Schlag seiner Faust ab, obwohl ihr linker Unterarmknochen dadurch fast brach - zumindest war das Knacken zu leise für einen glatten Durchbruch gewesen - und landete einen gezielten rechten Haken auf die Nase ihres Gegners, aus der sofort Blut schoß und ihre Trainingsklamotten bespritzte, wo es sich mit ihrem eigenen Blut vermischte. Sie zögerte nicht weiter und landete einen Tiefschlag, der ihren Gegner fast in die Knie zwang und ihm ein unterdrücktes Grunzen entlockte. Dann schlangen sich zwei starke Arme um ihre Taille und sie wurde auf die Trainingsmatten geworfen und von Logans Gewicht in den Boden gedrückt. Candy stöhnte auf: „Oh, ich kann nicht mehr, Logan! Können wir für heute Schluß machen? Bitte!“ Sie keuchte vor Anstrengung, sein ganzes Gewicht auf sich aushalten zu müssen und er stützte sich auf seine Hände ab, damit sie wieder leichter Atem schöpfen konnte. Logan hob eine Hand vor sein Gesicht und wischte sich das Blut von der Oberlippe, es hatte nicht lange geblutet, denn sein Selbstheilungsfaktor hatte die Blutung bald eingestellt. „Nicht übel, Baby! Du hast nicht vergessen, daß die Nase ein viel besseres Ziel für einen Kinnhaken ist als die unempfindliche Kinnlinie. Sehr gut!“, lobte er sie grinsend. Candy verdrehte genervt die Augen, wie könnte sie seine Lektionen jemals vergessen, wenn er sie doch immer sehr anschaulich vorführte, vorzugsweise mit ihr als Versuchskaninchen. Der verdammte Arsch hatte nur zwei Stellen, die ihr einen Angriff ohne Schmerzen erlaubten: Seine Nase und seine Kronjuwelen! Jeder andere Kerl wäre auch noch durch Schläge auf Leber oder Niere angreifbar gewesen, aber Logan hatte Bauchmuskeln aus Stahl, gegen die es für sie kein Ankommen gab. Traf sie dagegen ein hieb seiner Faust oder ein Tritt seiner Füße, sah sie Sternchen und flog meistens meterweit durch die Gegend, wo sie als wenig dekorativer Wandschmuck endete. ‚Irgendwann macht er mich bestimmt fertig, läßt mich nach dem Exitus wie ein erlegtes Wildschwein ausstopfen und hängt meine Fratze an die Wand des Danger Rooms, um seinen anderen Schülern zu vor Augen zu führen, was passiert, wenn man in seinem Unterricht nicht aufpaßt’, dachte Candy schlechtgelaunt. Seit vier Wochen drehte sie der Nahkampfexperte durch seine unerbittliche Mangel und versuchte ihr beizubringen, die Schmerzen während eines Kampfes zu ignorieren, damit sie ihre eigene Selbstheilung schneller durchführen konnte. Hank hatte in einer seiner Testreihen festgestellt, daß Candy zwar viel schneller heilte als Logan, die Fähigkeit aber durch eigene Schmerzen stark beeinträchtigt wurde. Daraufhin hatte Logan eigens einen Trainingsplan für Candy aufgestellt, der es ganz schön in sich hatte und wohl jeden normalen Menschen binnen kürzester Zeit freiwillig in sein eigenes Grab getrieben hätte. Von asiatischer Kampfkunst bis hin zum gewöhnlichen Faustkampf reichten seine Trainingsstunden, sie nahm an den Danger-Room-Sitzungen der Kids teil und bekam Einzelunterricht in Waffentechnik, da sie dem Wissen der Kinder hinterher hinkte, zu dem mußte sie sich daran gewöhnen, schmerzhafte Einstiche von Klingen oder das unangenehme Brennen von Schußwunden einfach zu ignorieren. Und sie konnte sich nicht mal vor diesen Lehrstunden drücken, da ihr dämlicher Selbstheilungsfaktor, wie sie dieses Wort inzwischen haßte, eine Krankmeldung verhinderte. Candy zappelte unter Logans Last und versuchte, ihn von sich runter zu schieben, doch sie hatte keine Chance gegen den schweren Mann. „Geh runter, Du Koloß! Ich kann kaum Luft holen!“, schimpfte sie und stemmte ihre Hände gegen seine Schultern. Logan lachte schallend und Candy wurde durch die Vibrationen regelrecht durchgeschüttelt. „Das hat dich gestern Nacht kaum gestört, kleine Wildkatze!“, sagte er leise, während sein Gesicht ihrem so nah kam, daß seine Nasenspitze ihre fast berührte. Candy kniff aufgebracht die Augen zusammen, Logan schaffte es mit Leichtigkeit, sie so weit zu bringen, ihn gleichzeitig küssen und vermöbeln zu wollen. Wobei der letzte Wunsch für sie wohl kaum in die Realität umzusetzen sein würde. „Erklär mir doch noch mal, warum ich ausgerechnet mit dir trainieren muß, Du Grobian!“, murrte Candy übelgelaunt und stemmte ihre Hände weiter gegen seine Schultern, obwohl sie ihn am liebsten zu sich herunter gezogen und hemmungslos geküßt hätte. Das Training hatte den zusätzlichen Nebeneffekt, daß ihr Adrenalinspiegel jedes Mal in ungeahnte Höhen schoß, und sie Logan am liebsten gleich hier im Trainingsraum die Klamotten vom Körper gerissen hätte. Und dieser eingebildete Scheißkerl wußte das nur zu gut! Logan grinste breit: „Kein anderer Trainer würde es wagen, so hart zuzuschlagen wie ich, Süße! Deshalb!“ „Es macht dir also Spaß, mir Schmerzen zuzufügen und meine Knochen zu brechen, Du bist pervers!“, schnaubte Candy, doch in ihren Augen blitzte es belustigt auf. Logan lachte auf: „Total!“ Er beugte sich weiter zu ihr herunter und preßte seine verlangenden Lippen auf ihren leicht geöffneten Mund. Ihre Hände krallten sich kurz in seine Nackenmuskulatur, dann erwiderte sie seinen leidenschaftlichen Kuß und ließ ihre Finger in seine Haare gleiten, wo sie seinen Hinterkopf festhielt. Am Ende des Kusses lag sie auf Logan und er versuchte verzweifelt, seine Hände im Zaum zu halten, es war ihm nämlich siedendheiß eingefallen, daß er ihre Trainingseinheiten auf Video aufzeichnete und auch wenn er die Endsequenz löschen konnte, wollte er lieber kein Risiko eingehen. Nicht in einem Haushalt, wo es von übermütigen Teenagern wimmelte, die teilweise fähig dazu waren, den Zentralrechner des Pentagon zu knacken, wenn sie es darauf anlegen würden. „Für heute reicht es wohl, wie wäre es mit duschen?“, schlug Logan atemlos vor. Die Trainingseinheit konnte er locker wegstecken, aber die sexuelle Spannung zwischen ihnen ließ seine Sinne verrückt spielen und strapazierte seine Selbstbeherrschung. Candy konnte stur sein und das bedeutete, daß sie nicht wollte, daß jemand in der Mansion mitbekam, daß etwas zwischen ihnen lief. Auch wenn Logan ihr versichert hatte, daß es dafür zu spät war nach ihrem Abenteuer in New York, beharrte Candy eigensinnig auf ihrem Standpunkt. Candy räusperte sich: “Gute Idee! Wir sollten uns beim Abendessen blicken lassen. Wir sind heute Abend für die Kids verantwortlich, das hätte ich fast vergessen!“ Candy richtete sich mit Logan auf und ließ sich von ihm auf die Füße helfen und ging dann zu der Umkleide, während Logan sich um die Videoaufzeichnung der Trainingsstunde kümmerte. Heute Abend waren sie die einzigen Erwachsenen in der Mansion. Der Professor hielt sich in New York auf, wo er an einer universitären Veranstaltung teilnahm, Jean und Scott gönnten sich ein verlängertes Wochenende und waren nach dem Unterricht mit unbekanntem Ziel abgereist und nur in dringenden Notfällen erreichbar. Ororo, Hank und Kurt waren nach Genosha gereist, wo sie mit dem geläuterten Magneto einige neuere Erkenntnisse bezüglich der Entstehung von Mutationen erörtern wollten. Candy war sehr darüber erstaunt gewesen, daß es tatsächlich ein Land gab, in dem nur Mutanten wohnten. Genosha lag an der Ostküste Afrikas in der Nähe von Madagaskar und war ein ziemlich wohlhabender Staat gewesen, da sie ihre Mutanten ausbeuteten und aus ihnen Kapital schlugen. Der frühere Widersacher der X-Men, Erik Lehnsherr oder Magneto, hatte davon erfahren und die X-Men gebeten, sie im Kampf gegen die Unterdrücker zu unterstützen. Nun war Magneto das politische Oberhaupt des ersten nur von Mutanten und ihren Familien bevölkerten Kleinstaates und schien in der Aufgabe, ein Utopia für seine Leidensgenossen zu schaffen, vollkommen aufzugehen. Candy hatte damals in den Zeitungen über einen Bürgerkrieg in einem afrikanischen Staat gelesen, doch die NATO hatte eine Nachrichtensperre verhängt, um den Weltfrieden nicht durch internationale Mutantenaufstände zu gefährden. Zu sehr erinnerte die Ausbeutung der Mutanten an delikate, geschichtliche Tragödien wie den Sklavenhandel oder die Internierung von Minderheiten wie Juden oder Japanern während des Zweiten Weltkrieges. Candy war es kalt den Rücken herunter gelaufen, als sie die Berichte im Zentralcomputer der Mansion aufrief. Als Teammitglied auf Probe hatte sie natürlich auch eingeschränkten Zugang zum weiten Informationsnetz der X-Men. Sie wagte es sich gar nicht vorzustellen, was sie als vollwertiges Mitglied des Teams alles in Erfahrung bringen könnte. ~ Zur selben Zeit in Los Angeles bereitete sich Alison Blaire gerade in der Künstlergarderobe auf ihren Auftritt in einer Fernsehshow vor. Sie war eine bekannte Punkrock-Sängerin namens Dazzler und auf US-Tour, um ihr neue CD „Incarnation of Light“ zu promoten. Die Tür zu ihrer Garderobe wurde aufgerissen und ihre Managerin betrat völlig außer Atem das Zimmer und knallte die Tür hinter sich ins Schloß. „Ally, ich habe schlechte Nachrichten für dich! Will hat mich eben angerufen, man hat sich in seinen Computer eingehackt und Teile deines Films geklaut. Sie wurden einem Sender in New York angeboten und die werden die Ausschnitte wohl heute Abend in den Nachrichten zeigen.“ Bernice stellte sich hinter Allys Stuhl und suchte ihren Blick im Spiegel, ihre Freundin verstand sofort, warum sie so alarmiert war und drehte sich heftig zu ihr um. „Wie konnte das passieren?! Verdammt! Können wir das irgendwie verhindern?“, fragte Allison wütend und ihre blauen mit schwarzen Kajal umrandeten Augen blitzten empört auf. Bernie legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter und schüttelte bedauernd den Kopf: „Ich telefoniere seit Stunden mit Anwälten und Vertretern des Senders, ohne Erfolg! Die Story ist einfach zu heiß. Wir können nichts machen. Soll ich den Auftritt heute absagen, zu deiner eigenen Sicherheit?“ Ally schüttelte vehement den Kopf: „Nein! Auf keinen Fall, ich stehe dazu. Der Film war zur Veröffentlichung gedacht, ich wollte zwar den Zeitpunkt selbst bestimmen, aber c’ est la vie! Welche Szenen wurden denn geklaut?“ Ally griff wieder zum dunklen Lidschatten, um ihr Make-up zu vollenden. Ihre Hand zitterte leicht, als sie den Applikator zu ihrem Auge führte und verriet, daß sie doch beunruhigter war, als sie zugeben mochte. Bernie zuckte hilflos mit den Schultern und strich sich in einer verzweifelten Geste die Haare aus dem Gesicht. „Will meinte, es waren auch Szenen dabei, die eigentlich nicht zur Veröffentlichung gedacht waren. Die Sequenz, in der Du deine Familie erwähnst und Annikas mögliche Fähigkeiten…“ Bernie ließ den Satz bedeutungsvoll offen und ließ Ally Zeit, die Tragweite der Information zu erfassen. „Fuck, fuck, fuck! Wieso sind die nicht schon längst vernichtet worden?“, stieß die junge Frau mit der stacheligen Frisur fluchend hervor. Ally sprang von dem Stuhl auf und ließ die Lidschattenbox achtlos auf den Boden fallen, wo der schwarze Puder einen unschönen Fleck auf dem hellen Teppichboden hinterließ. Sie starrte mit schreckgeweiteten Augen ihre langjährige Freundin und Managerin an. „Annika ist allein in New York, ich habe ihr erlaubt, dieses Wochenende in meinem Haus zu wohnen. Sie hatte Streß mit unseren Eltern. Meinst Du, daß sie dort sicher ist?“ Genau die Frage hatte sich Bernie auch gestellt, doch sie konnte sich auch nicht vorstellen, daß das Mädchen wirklich in Gefahr sein sollte. „Ich glaube schon, aber sie weiß nichts von deinen Plänen, das macht mir viel mehr Sorgen. Dein Haus hat eine Alarmanlage.“ Ally stampfte erbost mit dem Fuß auf, der in schwarzen Mörderstiefeln steckte und ließ sich wieder auf den Stuhl fallen. „Es hilft nichts, der Auftritt ist gleich und wir wissen noch nicht mal, was da gesendet werden wird. Ich kümmere mich später um Annika.“ Ally griff nach ihrem blutroten Lippenstift und versuchte, sich auf den bevorstehenden Auftritt zu konzentrieren. Das Gesicht, das ihr nun im Spiegel entgegen blickte, kam ihr trotz des üppigen Make-ups blaß und farblos vor. ~ Die älteren Schüler der Mansion hatten Candy überredet, an ihrem „DVD- und Pizzaabend“ teilzunehmen, sie hatten den Fernsehraum mit dem Großbildschirm mit Beschlag belegt und sich auf diversen Sitzgelegenheiten - von Pizzakartons und Schüsseln angefüllt mit Popcorn eingerahmt – verteilt. Logan hatte entsetzt das Weite gesucht, ihm stand der Sinn nicht nach den Albernheiten der Schüler und er hätte nicht mal neben Candy sitzen können, da er ja sonst gegen ihr Dekret „Nicht in der Öffentlichkeit“ verstoßen würde. Er kam sich schon vor wie ein gemaßregelter Halbwüchsiger, der seine Angebetete sabbernd aus der Ferne anschmachten mußte. Logan zog es vor, sich mit einem Buch, Zigarren und einem Vorrat an Molsons, das war seine Lieblings-Biermarke aus Kanada, in ein ruhiges Zimmer zurückzuziehen, während er darauf wartete, daß Candy von den Schülern genug hatte und sich zur Ruhe begab. Hätte Candy den Einband des Buches gesehen, wäre sie sicher überrascht gewesen. „Walden“ von Henry David Thoreau war nicht unbedingt die Lektüre, die man Logan zutraute. Andererseits ging es in dem Buch um ein Selbstexperiment des Autors, der Mitte des 19. Jahrhunderts der Zivilisation den Rücken gekehrt hatte und zwei Jahre in der freien Natur abseits menschlicher Siedlungen gelebt hatte. Ein Verhalten, das Logan durchaus nicht fremd war. Im Wohnzimmer stritt sich das ‚Filmkomitee’ gerade lautstark darüber, welchen Film man sich zuerst anschauen sollte, die Mädchen und Jungen hatten natürlich verschiedene Präferenzen. Candy enthielt sich amüsiert und nahm sich lieber ein weiteres Stück Pizza, bevor sich die hungrige Meute auch noch darüber hermachte. Die Trainingseinheit mit Logan hatte nämlich einiges ihrer Kraftreserven abgeschöpft. Sie nahm die Fernbedienung und zappte durch die Kanäle, während sie genüßlich auf dem Pizzastück herumkaute. Bei Kanal 20 verharrte sie kurz, da gerade Nachrichten liefen und sie sich wunderte, daß plötzlich das Bild der populären Sängerin Dazzler eingeblendet wurde. „Miss G. können sie den Ton anstellen? Die reden da gerade über Dazzler!“, rief Danielle, die ihre Musik mochte und sogar ein Poster von ihr über ihrem Bett hängen hatte. Candy tat ihr den Gefallen und schaltete den Ton wieder an. Sie war selbst neugierig, was die Sängerin angestellt haben mochte, um in die 8-Uhr-Nachrichten zu kommen. „… hierbei handelt es sich um einen exklusiven Ausblick auf einen Film, der laut unseren Informationen bald veröffentlich werden soll. Der Ausschnitt stammt aus einer Dokumentation über das Privatleben von Alison Blaire, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Dazzler. Sehen Sie selbst…“ Die Kamera schwenkte vom Moderator weg, und es wurde das Gesicht der Sängerin eingeblendet, die auf dem Rand einer Bühne saß, und wohl gerade einen ihrer Auftritte probte. Eine männliche Stimme aus dem „Off“ fragte: „Wann hast Du diese Veränderungen an dir bemerkt?“ Die junge Frau mit den strahlenden, blauen Augen antwortet lächelnd: „Ich muß etwa 15 gewesen sein, als es das erste Mal passierte. Ich war auf der Highschool und spielte die Hauptrolle in der Schulaufführung, ich war gelähmt vor Lampenfieber und als der Vorhang hochgezogen wurde, passierte es…“ Alison unterbricht ihre Erzählung und spreizt die Hände, zwischen ihren Fingern tanzen plötzlich bunte Lichter auf und als sie die Hände hebt, ist es als würde ein buntes Feuerwerk über ihr gezündet, das in allen Regenbogenfarben leuchtet. Candy und die anderen starrten vollkommen sprachlos auf den Fernseher, während Dazzler völlig unbekümmert erklärt, daß sie eine Vertreterin der Spezies Mutanten ist. „…Ich verstehe einfach nicht, was daran bedrohlich sein soll. Ich habe es mir nicht ausgesucht, diese Fähigkeiten waren eines Tages einfach da. Ich möchte nicht, daß meine Schwester Annika genauso schockiert ist wie ich, wenn sie ihre Mutation entdeckt. Sie ist jetzt fast 17 und es kann jeden Tag passieren…“ Hier wurde wieder auf den solariumgebräunten Nachrichtensprecher geschwenkt, der mit geölter Stimme sagte: „Soviel zum Thema „prominente Mutanten“ und nun zum Wetter…“ Candy schaltete den Fernseher aus und ließ die Fernbedienung auf die Couch fallen. Sie konnte nicht glauben, was sie da eben gesehen hatte. Man hatte einfach zwei Mutanten geoutet, ohne an die Folgen darüber zu denken. „Ich glaub’s einfach nicht! Dazzler ist ein Mutant und steht öffentlich dazu?“, fragte Danielle verwundert und sah sich ungläubig im Raum um. Skin zog die Brauen zusammen, was ihm das Aussehen eines mürrischen Welpen verlieh, da er seine Haut entspannt hatte. Er hatte seine zusätzliche Haut soweit unter Kontrolle, daß er sie verstecken konnte, wenn nötig, doch hier unter Freunden traute er sich, zu seinem besonderen Äußeren zu stehen. Er meinte ziemlich ernst: „Ich weiß nicht, ob das gut ist. Es gibt einfach noch zu viele Mutanten-Gegner. Was, wenn sie ihre Konzerte und Platten boykottieren oder Schlimmeres? Solange wir als Mutanten nicht auffallen, können wir ein ruhiges Leben führen. Dazzler weckt mit diesem Geständnis nur schlafende Hunde. Stellt euch vor, einer von euch würde diese Annika sein, was dann? Ich möchte nicht im Fernsehen öffentlich als Mutant benannt werden.“ Das konnte jeder gut verstehen, schließlich hatte Angelo am eigenen Körper erfahren, wie sehr Menschen Andersartigkeiten verabscheuen konnten. Sie redeten noch eine Weile über die aufwühlende Neuigkeit und beschlossen dann, sich eine Komödie anzusehen, um ihre Stimmung zu heben und sich davon abzulenken. Candy genoß den Abend mit den Schülern, auch wenn er mit einem kleinen Schock begonnen hatte, den sie jedoch über ihrem ausgelassenen Gelächter über die Slapstick-Einlagen des Filmkomikers schnell vergaßen. ~ Candy rieb ihr Gesicht verschlafen am weichen Kissen, es war noch viel zu früh, um aufzustehen. Sie fragte sich, warum sie aus dem Schlaf hoch geschreckt war und bemerkte neben sich das leere Bett. Wo war Logan hin? Sie hob blinzelnd den Kopf und entdeckte ihn an der Tür stehend, die er nur einen Spalt breit geöffnet hatte. Er flüsterte mit irgendjemandem und drückte dann die Tür ins Schloß. „Ist etwas passiert?“, wisperte Candy leise, wobei sie sich im Bett aufsetzte und das Laken an ihren Oberkörper gedrückt hielt. „Frank steht draußen, er wollte mir etwas Dringendes sagen.“ Logan grinste schief und setzte sich zu ihr aufs Bett. Candy runzelte die Stirn: „Woher weiß er, daß Du hier bist?“ Logan versuchte, ernst zu bleiben, obwohl ihn ihre Verwirrung ziemlich amüsierte. „Frank ist ein Psi-Talent, aber auch wenn er das nicht wäre, hätte er die richtigen Schlüsse daraus gezogen, daß ich mitten in der Nacht die Tür zu deinem Zimmer öffne, nachdem er mich nicht in meinem eigenen gefunden hat!“ Candy ließ sich wieder ins Kissen fallen und stöhnte genervt auf. All die Mühe umsonst und das nur, weil sie es vorhin nicht über sich gebracht hatte, Logan in sein eigenes Zimmer zu schicken, nachdem sie wie zwei ausgehungerte Teenager übereinander hergefallen waren. „Psi wartet draußen auf uns, Du solltest dir etwas überziehen.“ Sich immer noch meisterhaft beherrschend, erhob sich Logan vom Bett und sammelte seine auf dem Boden verstreuten Kleidungsstücke ein. Candy schlüpfte aus dem Bett und trippelte ins angrenzende Bad, um sich das Gesicht mit Wasser zu bespritzen und damit die Müdigkeit zu vertreiben. Fünf Minuten später traten Logan und Candy aus dem Zimmer und trafen dort auf Psi, der wartend an der Wand gegenüber lehnte. Candy blickte prüfend in sein Gesicht und suchte nach Anzeichen von Belustigung, doch davon konnte keine Rede sein. Er sah nur verschlafen und beunruhigt aus. „Tut mir leid, Miss G., ich hätte Sie nicht geweckt, wenn es nicht wichtig wäre“, sagte Psi leise und sah sie abbittend an. „Schon gut, Psi. Laß uns nach unten gehen, ich will die anderen Kids nicht wecken“, meinte Logan und ging voran. Sie versammelten sich in der Küche, wo sie sich an den Tisch setzten und Frank aufforderten, den Grund für seinen Alarm zu erklären. „Ich hatte wieder eine Vorahnung, es ging dabei um die junge Frau, von der wir in den Nachrichten gehört haben, Annika hieß sie. Die jüngere Schwester von Dazzler. Sie ist in Gefahr. Durch die Verbreitung der Nachricht wurden wohl einige Mutantengegner auf sie aufmerksam. Im Traum konnte ich sehen, wie das Mädchen von einem wütenden Mob bedroht wird.“ Candy sah Logan betroffen an, der Franks Ausführungen sehr ernst zu nehmen schien. Sie konnte nicht beurteilen, mit welcher Treffsicherheit, Psis Vorhersagen zutrafen, hier mußte Logan entscheiden, der den Jungen viel länger kannte als sie. Im Grunde ihres Herzens wußte sie jedoch, daß Frank sie niemals ohne triftigen Grund aufgesucht hätte und niemals das Leid eines anderen Menschen vortäuschen würde. Er war zwar der Anführer, wenn es um Streiche ging, doch er wußte auch, wo die Grenze zur Geschmacklosigkeit lag. „Ausgerechnet Heute! Wann findet der Angriff statt? Haben wir noch Zeit?“, fragte Logan knapp. Er schien von der Richtigkeit von Psis Aussage überzeugt, was Candy jedoch keinesfalls beruhigte. Sie und Logan waren im Augenblick die einzigen, die dem Mädchen zur Hilfe eilen konnten, da die anderen Mitglieder des Teams außer Haus waren. Psi schüttelte den Kopf: „Vielleicht eine Stunde oder zwei, aber bestimmt nicht länger. Ich kann aber sagen, wo sie sich aufhält, es ist zum Glück nicht so weit weg.“ Logan erhob sich und blickte Candy auffordernd an. „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir beide gehen auf eine „Such- und Rettungsaktion“, während die Seniors die Aufsicht hier übernehmen. Wenn alles glatt läuft, dann merkt keiner, daß wir weg waren. Frank, ich übertrage dir die volle Verantwortung.“ Der junge Mann versicherte ernsthaft, daß man sich auf ihn verlassen könne. Wenn es hart auf hart ging, dann legte Frank schnell seine lockere Art ab, Scott hatte in seiner letzten Beurteilung über ihn geschrieben, daß er sich den jungen Mann in der Zukunft durchaus als einen Anführer eines weiteren X-Teams vorstellen könne. Logan nahm Candy indessen bei der Hand und lief mit ihr im Laufschritt zu den Aufzügen, vor der Mission mußten sie sich noch umziehen. ~ In der noblen Wohngegend auf Long Island war an diesem frühen Samstagmorgen noch alles ruhig, die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen. Die elegante von Bäumen eingesäumte Allee war wie leergefegt, sie wand sich am Ende einen kleinen Hügel hinauf, wo sie schmaler wurde und zu einer einsamen Villa führte, die von einem elektronischen Zaun umgeben war. Im Haus war es sehr still, da das Personal frei bekommen hatte und nur noch eine Person sich darin aufhielt. Das Mädchen schlief tief und fest und hatte angenehme Träume über die Party, die sie gestern Nacht besucht hatte, ohne daß ihre strengen Eltern, ihr Heimkommen kontrolliert hatten. Die frühmorgendliche Ruhe wurde jäh gestört, als ein Autokorso lärmend die Allee hochfuhr und vor dem eisernen Zaun anhielt. Aus den über zwanzig Autos stiegen Menschen jeden Alters, sogar Kinder waren dabei, die alle unauffällige Windjacken mit Kapuzen trugen und ihre Gesichter mit Halstüchern vermummt hatten. Sie bereiteten sich wortlos auf ihre Aufgabe vor. Aus den Kofferräumen wurden Plakate und Bettlaken geräumt, die sie hochhielten oder an dem Zaun befestigten. Auf ihnen stand zu lesen: „Mutanten sind hier nicht erwünscht“, „Mutanten fürchtet den Zorn Gottes“ oder dergleichen Sprüche mehr. Sie hatten sogar CDs, Poster und Zeitschriften von Dazzler mitgebracht, die sie auf einen kleinen Haufen warfen und dann mit Spiritus übergossen, um ihn danach anzuzünden. Der Anführer der Gruppe stachelte seine Anhänger via Megaphon an, in dem er Verse aus dem Alten Testament zitierte und ihren Sinn völlig verdrehte, bis sie als Rechtfertigung zum Auslöschen aller Mutanten gelten konnten, die diese Menschen als nicht lebenswerte Abartigkeit der Natur betrachteten. Der Lärmpegel auf der Straße stieg beständig an und lockte neugierig gewordene Nachbarn an, die sich das Treiben in Morgenmäntel gehüllt und aus sicherer Entfernung besahen. Keiner fühlte sich jedoch dadurch veranlaßt, die Polizei zu alarmieren. Die meisten würden sehr froh sein, wenn ihre merkwürdige Nachbarin wegen des Tumults einen Umzug in Betracht ziehen würde. Man hatte sie schon als störend empfunden, da sie als Rockstar oft Parties feierte, zu denen in den Augen der Anwohner wenig anständige Gäste kamen. Sie hatten aber allesamt gestern die Nachrichten gesehen. Mutanten waren schön und gut, doch die Vorstellung so ein Geschöpf als direkten Nachbar zu haben, stieß die feinen Leute ziemlich ab. Das hier war eine ruhige, gepflegte Wohngegend und man wollte in jedem Fall einen Wertverlust der Grundstückspreise vermeiden, indem die Gegend durch Anwesenheit eines oder gar mehrerer Mutanten negative Publicity erhielt. Fortsetzung folgt… Kapitel 12: Remedy's First Combat Mission ----------------------------------------- X X X ~ Annika schreckte aus dem Schlaf hoch, da sie von einem lauten Geräusch in ihrem Zimmer geweckt worden war. Sie sah sich desorientiert in dem dämmrigen Zimmer um und entdeckte dann, daß sich die Vorhänge aus hellrosa Voile im Wind bauschten. Sie runzelte die Stirn, weil sie absolut sicher war, daß sie das Fenster geschlossen hatte, bevor sie vor ein paar Stunden ins Bett gekrochen war, so viel hatte sie gestern nicht getrunken, daß sie schon Gedächtnislücken hatte. „Für jedermann sichtbar soll das Zeichen der Unwürdigen sein! Scheut euch nicht, meine Freunde, diese widerwärtige Spezies muß ausgerottet werden!“, rief eine laute, blechern klingende Stimme unter ihrem Fenster, die Annika zu Tode erschreckte. Sie sprang aus dem Bett und schlich zum Fenster, wo sie durch einen Spalt in den Vorhängen nach unten schauen wollte, um festzustellen, was da eigentlich los war. Sie lief barfüßig auf die Glasscherben vom eingeworfenen Fenster und schrie schmerzerfüllt auf. Die Überraschung ließ sie stolpern und sie krallte sich in die Vorhänge und landete unsanft an der Flügeltür, deren Scheibe ein großes Loch aufwies, wo jemand einen Stein in das Zimmer geworfen hatte. Annika rappelte sich mit zitternden Knien auf und starrte das beschädigte Fenster entsetzt an. „Da! Da ist jemand! Das muß ihre Schwester sein, sie ist auch ein Mutant!“, schrie jemand von unten herauf. Annika erkannte nun, daß sich unter ihrem Fenster eine ganze Gruppe von vermummten Gestalten versammelt hatte, die Plakate und Transparente mit Anti-Mutanten-Sprüchen hochhielten. Wie hatten sie nur das Tor überwinden können? Dann fiel ihr siedendheiß ein, daß sie die Alarmanlage vor dem Zubettgehen nicht aktiviert hatte, weil sie sich hier in dieser Gegend sicher wähnte. Die Panik schwappte wie eine riesige Welle über sie hinweg und sie stand wie erstarrt am Fenster, wo sie unzählige Augenpaare feindselig zu ihr herauf starrten. Der Anführer wollte gerade seine Mitstreiter auf das Mädchen aufmerksam machen, als es plötzlich nicht mehr im Fenster stand, obwohl er es keine Sekunde aus den Augen gelassen hatte. Das war bestimmt einer ihrer Mutanten-Tricks, dachte er verächtlich und stachelte seine Leute weiter auf. Annika stand immer noch bewegungslos am Fenster und starrte auf den wütenden Mob herunter. Warum kam ihr denn niemand zur Hilfe? Wie kamen die Leute überhaupt darauf, daß sie ein Mutant sein könnte? So etwas gab es in ihrer Familie doch gar nicht. Der Schmerz pochte in ihren Füßen und sie beschloß, sich erst einmal darum zu kümmern und dann die Polizei einzuschalten, denn die Meute machte keine Anstalten, das Grundstück zu verlassen. Sie blickte auf den Boden und keuchte entsetzt auf: Alles, was sie sehen konnte, waren mehrere Blutlachen auf dem hellen Teppichboden. Sie konnte sich selbst nicht mehr sehen! Sie humpelte zur Kommode, wo ein Spiegel angebracht war, in dem sie sonst ihr Make-up überprüfte und starrte ins Leere. Sie hatte kein Spiegelbild, hatte sich einfach in Luft aufgelöst. Annikas Knie gaben nach und sie landete mit einem unsanften Plumpsen auf dem Teppichboden. Es mußte alles ein schrecklicher Alptraum sein, das konnte doch nicht passieren, sie hatte gestern wohl mehr getrunken, als sie gedacht hatte. Ein leises Schluchzen entfuhr ihrer Kehle und ihre Augen, die sonst strahlend blau wie die ihrer Schwester waren, liefen über. Sie spürte die heißen Tränen auf ihrer Wange und wischte sie mit den Fingern weg. Als sie die Hand hochhielt, konnte sie sie jedoch nicht sehen, keine Hand, keine Tränen, keinen Körper. Sie glitt leise weinend auf den Boden, genau in dem Moment als einer der Demonstranten im Erdgeschoß die gläserne Verandatür mit einem Gartenstuhl einwarf und die aufgebrachte Menge in das Haus ihrer älteren Schwester Haus strömte. ~ Candy war zum ersten Mal in ihrem Leben geflogen und das ausgerechnet in einem kompakten Helikopter aus dem Bestand des Hangars der X-Men, der wie eine kleines, aggressives Insekt durch die Luft schoß und Candys Magen zum Revoltieren brachte. Sie saß hinter Logan, der das Ding mit traumwandlerischer Sicherheit flog, sie aber mit seinem Können keineswegs beruhigen konnte. Candy kniff die Augen zusammen, als Logan im Tiefflug über ein Waldgebiet brauste und sie veranlaßte, sich in die Sitzlehne vor sich zu klammern. „Alles klar dahinten?“, rief Logan ihr zu, der die Kapriolen des Fliegers richtig zu genießen schien. Candy kontrollierte zum hundertsten Mal den Sitz ihres Sicherheitsgurtes und dachte an ein paar wenig damenhafte Schimpfwörter, die sie dem Angeber gerne an den Kopf geworfen hätte. Sie wollte den Piloten aber auch nicht verärgern, deshalb beschränkte sie ihre Antwort auf ein hervor gepreßtes „Alles bestens“. Logan schmunzelte belustigt und zog den Helikopter höher, er wollte Candy vor dem Einsatz nicht vollkommen zur Weißglut treiben. Er liebte es, mit diesem Ding in die Luft zu steigen, es war als würde er selbst fliegen können, so wendig war die ausgeklügelte Maschine. Der Flug dauerte etwas über dreißig Minuten und Candy vergaß ihre Angst vor dem Fliegen sehr schnell, als sie an ihren Zielort erreichten. Dort unten herrschte ein regelrechter Aufstand von Mutantengegnern und soweit Candy erkennen konnte, waren sie auf das Grundstück gestürmt und waren dabei, ins Haus einzubrechen. Und die lieben Nachbarn standen nur dabei und machten gar nichts. Wie sie sensationslustige Gaffer verabscheute! Logan schwenkte um die Villa herum und landete mit einem leichten Rütteln auf der Wiese hinter dem Haus. Er stieg aus, als die Rotoren sich noch immer wie wild drehten und der Wind an seinen Haaren zerrte. Er riß die Tür auf und half Candy beim Aussteigen, die vom Rotorenwind fast niedergestreckt worden wäre, wenn Logan sie nicht festgehalten hätte. „Wir sollten keine Zeit verschwenden und die Kleine finden. Die Meute hat schon das Haus gestürmt. Und halte dich nicht zurück, wenn sich dir jemand in den Weg stellen sollte, das sind gefährliche Fanatiker, die vor nichts zurückschrecken! Also Keine Gnade!“ Candy nickte, Logan hatte sie gründlich für den Einsatz instruiert, nachdem Frank ihnen die Einzelheiten seiner Vision mitgeteilt hatte. Die Demonstranten gehörten der „Mutant Liberation Front“ an, einer militanten Gruppierung, die auch den Einsatz von Gewalt gegen Mutanten unterstützte, am liebsten hätten sie alle Mutanten interniert, um ihre Existenz völlig ausradieren zu können. Da stellte sich einem die Frage, wer hier der absonderlicheren Spezies angehörte. Sie betraten das Haus über den Hintereingang, den Logan mit seinen Klauen einfach eingeschlagen hatte, auf einen weiteren kleinen Schaden kam es auch nicht mehr an. Sie trafen in der Vorhalle auf ihre Gegner, die eben ausschwärmten, um das Haus nach anwesenden Mutanten zu durchsuchen. „Alle raus hier!“, forderte Logan mit grimmiger Miene und stelle sich einem der Vermummten breitbeinig in den Weg. Candy blieb schräg hinter ihm stehen und versuchte, genauso furchterregend wie ihr Teamgefährte auszusehen, obwohl ihr das Herz beim Anblick der überzähligen Gegner bis zum Hals schlug. Der Anführer zog eine Waffe unter seiner Jacke hervor und grinste hämisch: „Wen haben wir denn da? Die Mutantenbrut der X-Men. Ihr solltet besser verschwinden.“ Der Mann hob die großkalibrige Waffe und zielte auf Logan, der zum Sprung ansetzte und auf dem Mann landete, bevor der auch nur daran denken konnte, den Abzug zu betätigen. Nach einem kurzen Gerangel hatte er den Mann entwaffnet und ihm die Maske vom Gesicht gezogen. „Wenn deine Leute nicht sofort verschwinden, dann bist Du ein toter Mann!“, grollte Wolverine und ließ seine Klauen herausschießen, wo sie über der Kehle des am Boden liegenden Mannes stoppten, so daß die Spitzen sich leicht in dessen empfindliches Fleisch bohrten und ihm deutlich machten, was ihn erwartete, wenn er falsch reagierte. Die meisten Demonstranten traten einen Schritt zurück, doch Candy bemerkte, wie einer der Männer eine Pistole aus seinem Hosenbund zog. Sie zögerte nicht und stürmte auf den Schützen zu, und bevor er die Waffe heben konnte, hatte sie ihn mit einem Kick gegen sein Handgelenk entwaffnet, ein rechter Kinnhaken streckte den Kerl zu Boden. Candy fühlte wie das Adrenalin heiß durch ihre Adern schoß und war erstaunt, daß sie den Kampf gerne weiter hinausgezogen hätte, um ihre Wut über diese militante Gruppierung an dem Tölpel auslassen zu können. Die ersten Anhänger der MLF zogen sich unauffällig zurück und verließen so schnell sie konnten das Haus, um zu ihren Wagen zu rennen. Ohne ihren Anführer waren sie wie kopflose Lemminge, die nur noch den Schutz ihres Baus aufsuchen wollten. „Such nach dem Mädchen, ich kümmere mich hier um Mr. Großmaul!“, forderte sie Logan auf und riß sie aus ihren Gedanken. Er erhob sich und zog den Mann am Schlafittchen in die Höhe, der nur noch ein wimmerndes Bündel war, nachdem er nicht mehr den Schutz der Anonymität und der Überzahl genoß. Candy hetzte die Treppen hoch und wollte die Zimmer absuchen, doch sie kam nicht weit, da sie in zwei Vermummte hinein lief, die eben aus einem der Zimmer gekommen waren. „Wen haben wir denn da?“, fragte ein junger Mann, dessen Augen begehrlich aufblitzten, als sein Blick über ihren eng sitzenden Lederanzug glitt, den Candy heute zum ersten Mal in aller Öffentlichkeit trug. Die Uniform war speziell für sie angefertigt worden, nachdem ihre Maße über einen Scanner, der aussah wie eine Duschkabine, auf einen Computer übertragen worden waren. Der anthrazitfarbene Anzug mit dem silbernen X über ihrer rechten Brust saß wie eine zweite Haut, obwohl er aus kevlarverstärktem Leder gemacht war. Der Ausstatter der X-Men hatte irgendwie einen Weg gefunden, das Leder so zu behandeln, daß es die Elastizität von Seide erreichte, um die Einschränkung der Bewegungsfreiheit so minimal wie möglich zu halten. Um die Hüften trug Remedy so etwas wie einen silbernen Waffengürtel, in dem ein kompaktes Maschinengewehr steckte, auch so eine Erfindung der X-Men. Das Ding war so klein und handlich wie eine Handfeuerwaffe und ermöglichte auch ungeübten Schützen, ihr Ziel zu treffen. Da man zehn bis zwölf Schuß pro Sekunde mit der Waffe abgeben konnte, erhöhte sich die Trefferwahrscheinlichkeit beträchtlich. „Ihr haut besser ab, wenn ihr schlau seid“, erwiderte Candy bedrohlich, sie war im Angesicht der unerwarteten Gegner plötzlich ganz ruhig geworden. Die Antwort darauf war ein hämisches Lachen und die beiden Männer griffen sie dann gleichzeitig an. Candy hätte nie gedacht, daß sie Logan für sein unerbittliches Training dankbar sein würde, doch er hatte sie dazu befähigt, die beiden Typen mit einer Leichtigkeit fertig zu machen, die sie selbst am meisten überraschte. Gegen Logans Attacken war das hier ein Kinderspiel, auch wenn ihr Jochbein nach einem Fausthieb brach, konnte sie, ohne mit der Wimper zu zucken, den Schlag parieren und die Nase des Gegners mit einiger Genugtuung zu Brei schlagen. Den anderen jagte sie mit einem festen Tritt in den Bauch die Treppen herunter, wo er stöhnend am Boden liegen blieb, nachdem er unsanft die Stufen herunter gepoltert war. Candy ließ ihre Gegner zurück und begann, die Zimmer einzeln abzusuchen, doch sie konnte niemanden finden. Als sie das letzte Zimmer auf dem Gang verließ, erhaschte sie einen Schatten aus dem Augenwinkel. Instinktiv holte sie aus und wollte ihre Faust in das Gesicht des vermeintlichen Angreifers rammen, als ihr Handgelenk gepackt wurde und sie im vollen Schwung gegen Logans breite Brust fiel. „Hoppla, Ich bin’s nur! Die Scheißer sind abgezogen. Hast Du das Mädchen gefunden? Unten war niemand“, meinte ihr Partner breit grinsend. Candy schüttelte bedauernd den Kopf: „Nein, leider nicht. Vielleicht ist sie vor dem Angriff entkommen?“ Logan runzelte die Stirn und legte Candy die Hand auf den Mund, um sie zum Schweigen zu bringen. „Hier ist jemand. Ich höre deutlich den heftigen Herzschlag einer weiteren Person. Sei leise, ich werde sie schon finden.“ Er ging den Gang entlang und blieb vor einer weit geöffneten Tür stehen, die den Blick auf ein Jugendzimmer freigab. „Da war ich schon drin, da war niemand.“, flüsterte Candy leise. Die Männer waren vorhin aus diesem Zimmer gekommen und hatten auch niemanden gefunden, doch Logan schien davon überzeugt, daß sich jemand in dem Zimmer befand. „Komm raus, Mädchen! Du brauchst keine Angst zu haben. Wir sind gekommen, um dich in Sicherheit zu bringen. Du kannst uns vertrauen.“ Candy verdrehte hinter ihm die Augen, Logans Tonlage und seine grummelnde Sprechweise waren schon unter normalen Umständen nicht gerade vertrauenerweckend. Falls sich das Mädchen tatsächlich irgendwo versteckt hielt, würde sie Logan in seiner nachtschwarzen Uniform, die seine Bedrohlichkeit nur unterstrich, bestimmt nicht hervorlocken können. Sie wollte gerade einige besänftigende Worte anfügen, als die Stehlampe neben dem Bett plötzlich waagerecht über dem Boden schwebte und auf Logan zusauste. Er war genauso überrascht wie Candy und wurde direkt auf den Kopf getroffen, wo er eine unschöne Platzwunde erlitt, die sofort ordentlich Blut auf den schönen Teppich verspritzte. Logan packte die Lampe und warf sie mit Gewalt zur Seite. Man hörte ein Scheppern und ein lautes Plumpsen, als würde ein Mehlsack zu Boden fallen, dann einen spitzen Schmerzensschrei. Neben der Lampe flackerte es, als würde man über der Wüste eine Fata Morgana flimmern sehen, die sich dann als ein Mädchen in einem rosa Pyjama materialisierte. Ihre langen, dunkelbraunen Haare hingen wirr in ihr blasses Gesicht, das von großen, blauen Augen beherrscht wurde, die sie gehetzt anstarrten. „Du mußt keine Angst haben, Annika, wir werden dir nichts tun. Wir sind Freunde, ich bin Remedy und das hier ist Wolverine, wir gehören zu den X-Men. Du hast doch bestimmt schon von ihnen gehört, oder?“ Das Mädchen nickte wortlos und starrte ihre zitternden Hände an, die sie vor ihr Gesicht gehoben hatte. „Ich kann mich wieder sehen. Was ist mit mir passiert?“, flüsterte sie verwirrt und blickte irgendwie verloren zu den beiden in der Lederuniform der X-Men auf. Candy ging neben dem Mädchen in die Knie und lächelte sie aufmunternd an: „Du kannst dich wohl unsichtbar machen, Annika. Deine Schwester Alison ist auch ein Mutant, die Wahrscheinlichkeit, daß Du auch solche Fähigkeiten entwickeln würdest, war sehr groß. Sie treten meist während der Pubertät auf und zeigen sich in Zeiten von erhöhtem Streß. Der Angriff von den Mutanten-Gegnern hat wohl als Auslöser gewirkt.“ Logan hatte sich das Blut provisorisch mit der Hand von der Stirn gewischt und stellte sich neben die beiden. „Wir haben leider keine Zeit für Erklärungen, ich höre Polizeisirenen. In zwei bis drei Minuten kommen wir hier nicht mehr ohne Komplikationen weg.“ Candy stieß den Atem aus und seufzte dann: „Tut mir leid, Annika. Wir müssen gehen. Erklärungen gibt es später, okay? Kannst Du laufen?“ Das Mädchen wollte sich aufrappeln, doch Logan war schneller, nachdem er ihre blutverschmierten Fußsohlen bemerkt hatte. Er ging in die Knie und hob die Kleine mühelos hoch, die nach kurzem Zögern ihre Arme um seinen Hals legte. Im Laufschritt verließen sie das Haus und bestiegen den Helikopter, der sich in die Lüfte erhob, als die ersten Polizeiautos durch das offene Tor fuhren. ~ „…In den frühen Morgenstunden wurde die Villa der Sängerin Dazzler von Demonstranten gestürmt, die einer militanten Gruppierung angehören, der MLF. Diese hat es sich zum Ziel gemacht, alle öffentlich bekannten Mutanten zu brandmarken. Die Polizei erschien erst am Tatort, als das Haus von Unbekannten evakuiert worden war, die umstehende Beobachter jedoch nicht näher beschreiben konnten. Sie gaben allerdings einstimmig an, daß ein Hubschrauber mit drei Insassen sich vom Garten der Villa in die Lüfte erhoben hat. Wir konnten bisher Dazzlers Aufenthaltsort nicht bestimmen, werden Sie aber über die weiteren Entwicklungen aufklären, sobald wir nähere Informationen erhalten haben.“ Psi drückte auf den Aus-Knopf der Fernbedienung und sah grimmig in die Runde. Er hatte seine Zimmerinsassen geweckt und da er sowieso nicht mehr schlafen konnte, hatten sie beschlossen, sich im Fernsehraum zusammen zu setzen und so nach und nach waren alle seine Freunde dazugestoßen. „Wie es scheint, haben Wolverine und Remedy den Einsatz erfolgreich beendet“, meinte Rahne, als sie das gedämpfte Knattern der Rotorenblätter des Helikopters über dem Haus vernahm. Die Kids erhoben sich und liefen den Heimkehrern entgegen, um sich von ihrer Unversehrtheit zu überzeugen. Der geheime Hangar der X-Men, er befand sich unter dem Basketballcourt, konnte über die Untergeschosse oder über einen unauffälligen Geräteschuppen, der vornehmlich Sportgeräte beherbergte, erreicht werden. Sie kamen gerade noch rechtzeitig, um den Helikopter in der Erde versinken zu sehen. Mit einem leisen Surren schloß sich die bewegliche Decke und der Sportplatz lag wieder vollkommen unversehrt da. Die Jugendlichen rannten auf den geparkten Helikopter zu, aus dem Logan gerade ein Mädchen in einem rosa Pyjama hob, das anscheinend verletzt war. Paige machte sich Sorgen, da Miss Genova doch eigentlich eine Heilerin war und dem Mädchen hätte helfen müssen. ‚Hoffentlich ist nichts Schlimmes passiert’, dachte sie beklommen. „Miss Genova, geht es Ihnen gut?“, fragte sie atemlos und trat einen Schritt nach vorne. Logan knurrte nur leise, als er den Aufmarsch der Kids bemerkte, doch er hielt sich mit Kommentaren zurück, als das Mädchen in seinen Armen ihr Gesicht an seiner Schulter versteckte. Er drückte sie ein weniger fester an sich, als er ihr Zittern spürte. „Es ist alles in Ordnung, Husk. Macht euch keine Sorgen. Logan und ich werden unseren Gast versorgen, wärt ihr so nett und kümmert euch um das Frühstück? Wir erzählen euch dann alles, versprochen.“ Damit mußten sich die Freunde zufrieden geben, wenn nur Wolverine und die anderen Erwachsenen auf der Mission gewesen wären, dann hätten sie wohl Null Informationen bekommen. Candy folgte Logan zu einem der medizinischen Labors, wo er das Mädchen auf eine Bahre ablegte und einen Schritt zur Seite machte, damit Candy an sie rankam. „Deine Schmerzen werden gleich vergehen, Annika. Hab’ keine Angst. Darf ich mir deine Füße anschauen?“, fragte Candy leise, um das Mädchen nicht weiter zu beunruhigen, das an diesem Tag schon mehr als genug Aufregungen erlebt hatte. Sie setzte sich auf einen Hocker mit Rollen und nahm einen der blutigen Füße in die Hand, sofort schoß der Schmerz und die Angst des Mädchens durch sie hindurch, doch sie schob die Empfindungen erstmal beiseite. Sie konnte die Heilung erst beginnen, wenn sie alle Glasstücke aus der Haut entfernt hatte, da sie sonst mit dem umliegenden Gewebe zusammenwachsen würden. Diese Lektion hatte sie auf sehr grausige Weise gelernt, als sie das Ausmaß ihrer Fähigkeiten noch nicht voll begriffen und erforscht hatte. Nicht umsonst hatte sie darum gebeten, ihren Waffengürtel mit einem scharfen Skalpell auszustatten. Mit Hilfe einer Lupe und einer Pinzette entfernte sie die Glassplitter aus Annikas Fußsohlen und säuberte sie dann gründlich, nachdem sie die Wunden zugeheilt hatte. „Wie haben Sie das gemacht?“, fragte Annika überwältigt, da ihre Füße nicht mehr wehtaten, obwohl sie gar kein Anästhetikum gegen die Schmerzen bekommen hatte. Candy lächelte: „Meine Mutation bewirkt, daß ich andere Menschen heilen kann, aber ich mußte vorher das Glas aus der Wunde entfernen, sonst hätte ich es schon früher gemacht.“ Annika wackelte mit den Zehen und besah sich ihre unversehrte Fußsohle. Sie kam sich vor, als wäre sie Alice im Wunderland, wo die Realität genauso verzerrt war wie in diesem Wachtraum, den sie gerade erlebte. „Annika, wir müssen deine Eltern und deine Schwester benachrichtigen, daß es dir gut geht. Kannst Du uns ihre Telefonnummern geben? Danach kümmern wir uns um ein paar Klamotten für dich, einverstanden?“ Logan zog sich diskret zurück, nachdem das Mädchen ihm die Adresse und Telefonnummern ihrer Verwandten auf einen Zettel gekritzelt hatte. Den Teil der Mission überließ er Remedy gerne, die im Umgang mit den Kids viel besser war, als er je sein würde. Emotionale Teenager ließen seine Nackenhaare zu Berge stehen. Bei dem Gedanken grinste er schief, da er als Lehrer an einer Schule dann nicht gerade am richtigen Platz war, schließlich gab es hier hysterische Jugendliche zuhauf. Schmunzelnd betrat er die Einsatzzentrale und setzte sich an den Zentralcomputer, wo er Annikas Daten und Stichpunkte zur Mission eingab. Leider war Xavier in New York und er konnte Dazzler deshalb nicht mit Cerebro orten lassen, aber mit Hilfe des vernetzten Großrechners der X-Men hatte er die Eltern und Dazzler bald gefunden. Da fiel ihm ein, daß er etwas noch mehr haßte als hysterische Teenager und das waren hysterische Eltern… ~ In der Küche saß Candy bei den Schülern, nachdem sie ihren Gast mit einem Schlafmittel und einem Bett in einem der Mädchenzimmer versorgt hatte, und versuchte zwecks Energiezufuhr, so viel wie möglich in sich reinzustopfen, wenn ihr mal eine Redepause gegönnt wurde. Sie löcherten sie mit Fragen nach ihrem ersten Einsatz, dem die Schüler immer noch entgegen fieberten. Danger-Room-Sessions waren ja recht unterhaltsam, doch alle wünschten sich insgeheim, mal an einer echten Mission teilnehmen zu dürfen. „Die Kleine hat Logan eins übergebraten?“, fragte Danielle mit aufgerissenen Augen. Candy mußte lachen: „Allein dafür muß man ihr einen Orden verleihen. Sie hat wirklich Mumm, ich muß zugeben, daß ich an ihrer Stelle wohl die Flucht ergriffen hätte. Auch wenn man seine Fähigkeiten nicht kennt, reicht doch sein bloßer Anblick, um in einem den Wunsch zu erwecken, nicht von ihm vermöbelt zu werden.“ Die Schüler lachten lauthals, da sie den Wusch sehr gut nachempfinden konnten, jeder einzelne von ihnen hatte durch Logans besondere Trainingsmethoden schon die Erfahrung mit seinen „Vermöbelungstechniken“ gemacht und seitdem einen Heidenrespekt vor dem verbissenen Kämpfer. „Irgendwie gilt der Angriff nicht, er kam ja aus dem Hinterhalt und sie war unsichtbar“, protestierte Synch grinsend, als das Lachen seiner Freunde langsam verebbte. Frank klopfte auf die Tischplatte und rief: „Ha! Du hast der Neuen gerade einen Codenamen verpaßt, Ev!“ Der sah seinen Freund verdutzt von der Seite an und meinte: „Wie? Was meinst Du? Ich sagte nur, daß sie unsichtbar war.“ Frank grinste breit: „Ich meinte Hinterhalt. Sie wird als Unsichtbare immer aus dem Hinterhalt angreifen können. Ich finde Ambush wäre ein toller Codename für sie.“ Candy schüttelte amüsiert den Kopf und biß genüßlich in ihr Brötchen, der Kerl hatte schon wieder einen neuen Namen aus dem Ärmel geschüttelt. Sie dachte an den Einsatz zurück, als Logan sie mit ihrem Codenamen vorgestellt hatte und ihr wurde irgendwie warm ums Herz. Ein neuer Name, eine neue Aufgabe und irgendwie eine neue Familie. Sie war nach einem Einsatz nach Hause gekommen und wurde von besorgten Freunden erwartet, die sich um ihr Wohlergehen sorgten und sich um sie kümmerten. Ein krasser Gegensatz zu dem Abschluß ihrer Missionen in New York, wo sie immer eine dunkle, leere Wohnung erwartete und sie mit keiner Menschenseele über die aufwühlenden Ereignisse sprechen konnte. Die Schüler hatten gewußt, daß Candy ihre Fähigkeiten wieder aufladen mußte und deshalb extra für sie Zimtrollen aufgebacken, für die sie eine besondere Schwäche hatte. Und keiner von ihnen warf ihr schiefe Blicke zu, weil sie sogar mehr verputzte als die verfressenen Jungs. Es war schön von Freunden umgeben zu sein, die einen so akzeptierten, wie man war. Die Erlebnisse dieses Wochenendes bestärkten sie in ihrer Überzeugung, hier einen Ort gefunden zu haben, an dem sie sich eine Zukunft vorstellen konnte. Fortsetzung folgt… Kapitel 13: Recalling the Past ------------------------------ X X X „Du wolltest doch unterrichtet werden, wenn die CMTU wieder interessantes Informationsmaterial für dich hat, Darling.“, schallte Logan die angenehme Stimme von Greenhill aus dem Lautsprecher entgegen. Kitty hatte ihn gerufen, nachdem der Telefonanruf für ihn auf der abhörsicheren Leitung der Mansion eingegangen war. Logan zog eine Augenbraue hoch und beugte sich in dem Ledersessel vor, von dessen Sorte ein Dutzend um einen polierten Tisch standen, an dem die Teambesprechungen der X-Men stattfanden. „Was hast Du für mich? Ist es etwas Gutes?“, fragte er gespannt und hielt sich nicht weiter mit Höflichkeiten auf. Die Agentin lachte amüsiert: „Danke, mir geht es bestens, Du alter Brummbär! Shiva ist ebenso gerührt von deiner freundlichen Sorge um ihr Wohlergehen.“ Logan hörte ein erheitertes Prusten im Hintergrund und wußte nun, daß auch Hills Kollegin anwesend war. Er verdrehte genervt die Augen, die beiden machten sich einen Spaß daraus, ihn zur Weißglut zu treiben. Bei ihrem nächsten Treffen würde er ihnen wohl Manieren beibringen müssen. „Komm endlich zur Sache, Babe! Daß diese Truppe so schwer zu finden ist, macht mir langsam echte Sorgen. Es ist zum Verrücktwerden, die sind normalerweise so auffällig wie eine Horde Elefanten in einem Porzellanladen.“ Am anderen Ende der Leitung wurde Greenhill ernst, es ging um das Wohlergehen ihrer Artgenossen und die diese Terrormutantentruppe könnte mit einem Schlag alles zerstören, was Xavier und seine Verbündeten in den letzten Jahren aufgebaut hatten. Das friedliche Zusammenleben beider Spezies funktionierte wie ein zerbrechliches Equilibrium, das durch den kleinsten Zwischenfall aus dem Gleichgewicht gebracht werden konnte. „Hör zu, Du hast ständig betont, daß die Typen von den Marauders normalerweise alleine arbeiten, sie waren vorher schon als Einzelkämpfer ins Visier der CMTU gefallen und wurden teilweise Jahre lang überwacht. Es ist fast unmöglich an diese sporadischen Daten zu kommen, aber Shiva hat da so ihre Möglichkeiten, wie Du weißt. Langer Rede kurzer Sinn: Dhana hat die Dateien geknackt und zusammengesucht und ich habe sie mir reingezogen. Du kannst dir die Massen an Daten gar nicht vorstellen, mein Guter, ich schicke dir eben über eine sichere Verbindung die Ergebnisse dieser Recherche. Es kann alles und nichts bedeuten. Zeig die Bilder deinen Kollegen, vielleicht ergibt sich da etwas.“ Logan erhob sich von dem Ledersessel und begab sich zur Stirnseite des Zimmers, wo eine riesige Computeranlage fast die gesamte Wand einnahm. Er setzte sich an die Konsole und gab rasch einige Befehle ein, um die Datei von Greenhill abzurufen. Logan runzelte die Stirn, als er feststellte, daß es sich dabei um mehrere Bilder handelte und nur sehr wenig Text. Er zuckte mit den Schultern und arrangierte die Daten so, daß die Bilder auf dem überdimensionalen Flachbildschirm auf Knopfdruck über ihm erscheinen würden. So konnte er seinen Kollegen eine kleine Diashow zeigen, wenn sie sich gleich hier einfanden. Er klickte sich durch die Bilder durch und verstand, warum Greenhill und Shiva der Meinung gewesen waren, daß die X-Men sich das mal anschauen sollten. „Ich denke, daß ihr da ein Muster herausgefiltert habt. Gute Arbeit, Mädels! Dafür schulde ich euch ein Essen.“ Logan hatte großen Respekt vor den beiden brillanten Agenten, die ihn bisher noch nie enttäuscht hatten. Shiva und Greenhill lachten unisono: „Und jede Menge Drinks, Logan! Wir nehmen dich beim Wort! Und vergiß nicht, uns Bescheid zu geben, wenn ihr etwas damit anfangen könnt, okay? Bis zum nächsten Mal, Süßer!“ Damit wurde die Verbindung unterbrochen und Logan bat den Professor telepathisch, eine Versammlung des Teams einzuberufen, das endlich wieder vollzählig war, nachdem der Professor aus New York, Jean uns Scott aus ihrem Kurzurlaub und der Rest des Teams aus Genosha zurückgekommen war. ~~~ Candy hatte sich im Stall aufgehalten, als sie der telepathische Ruf des Professors ereilte, der alle X-Men zu einer Besprechung in den Kellergeschossen bat. Sie gab dem Fohlen das letzte Stück Apfel und joggte zum nächsten getarnten Lift, der sie in die Katakomben bringen würde. So langsam fand sie sich in dem riesigen Herrenhaus gut zurecht und mußte nicht mehr ständig nach dem Weg fragen, obwohl es unten ein wenig anders aussah. Die medizinischen Labors, die Trainingsräume und den Danger-Room fand sie ohne weiteres, doch sie hatte bisher an keiner der Besprechungen teilgenommen. Sie trat aus dem Lift und sah sich fragend um, als plötzlich eine junge Frau durch die Decke hindurch zu ihr herab schwebte. Candy zuckte erschrocken zusammen, erkannte jedoch Kitty Pryde, die Dank ihrer Fähigkeiten einfach durch Wände gehen und sogar auf den Molekülen der Luft spazieren laufen konnte, was dann aussah als würde sie schweben. „Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken“, meinte Kitty lächelnd, als sie neben ihrer Kollegin sanft auf dem Boden aufkam. Candy lächelte sie schief an: „Schon gut! Ich war nur in Gedanken, weil ich nicht sicher bin, in welche Richtung ich laufen muß.“ „Ich weiß, Logan schickt mich, damit ich dich zur Zentrale bringe, die anderen sind schon alle da.“ Candy folgte Kitty den Gang entlang und betrat dann einen Raum, wo die X-Men sich um eine große Tafel versammelt hatten, die Candy irgendwie an die Tafelrunde von König Artus erinnerte, nur daß dieser Tisch oval war und keine Schwerter darauf lagen. Aber sie waren eine verschworene Gemeinschaft mit einem gemeinsamen Ziel und hehren Idealen ganz wie die Ritter der Tafelrunde. Logan saß am Kopfende des Tisches Xavier genau gegenüber, hinter ihm flimmerte der Bildschirm des Großrechners und Candy setzte sich zwischen Kitty und Kurt, die ihr einen Platz freigehalten hatten. Er hatte sie nur mit einem leichten Nicken begrüßt, während die anderen ihr mehr oder weniger salopp einige Begrüßungsworte zugeworfen hatten. „Ich will es kurz machen, da Greenhills und Shivas Informationen auch gar keine Bedeutung haben könnten. Aber bisher haben sie immer mit ihren Recherchen ins Schwarze getroffen, deshalb sollte sich jeder die Bilder, dich ich gleich einblenden werde, genau anschauen.“ Alle Augen waren gebannt auf Logan gerichtet, während er dem Team die Vorgehensweise und die Hintergedanken der befreundeten Agenten erklärte. Candy versuchte, seinem Fachjargon zu folgen, und fragte sich, woher er sich so gut mit Spionage, Flugzeugen, Computern und dergleichen auskannte. Er hatte nie erwähnt, daß er jemals für die Regierung tätig gewesen war. „Ich habe die Bilder mal ein in eine Reihenfolge gebracht, die uns den Zusammenhang leichter verstehen läßt. Vorher waren sie chronologisch sortiert.“ Logan drückte auf eine Fernbedienung, die vor ihm auf dem Tisch lag und auf dem Monitor über ihm flammte ein grobkörniges Bild auf. Zwei Männer waren darauf abgebildet, die nebeneinander auf einer Bank saßen. Viel mehr konnte man nicht erkennen, doch Candy kam der eine große Kerl irgendwie bekannt vor. „Wie ihr sehen könnt, ist das unser alter Freund Sabretooth mit einem Unbekannten.“, nahm Logan Candy buchstäblich das Wort aus dem Mund, da der Name ihr praktisch auf der Zunge gelegen hatte. Sie konnte sich noch gut an den Zusammenstoß mit dem Kerl während ihrer ersten Danger-Room-Session erinnern. Und schon wechselte Logan durch ein Klicken das Bild aus, wo ein zweites, ebenso grobkörniges auf dem Bildschirm erschien. „Das ist doch dieser Fettklops, den Synch damals mit seinen Kräften im Zaum gehalten hat!“, schoß es Candy durch den Kopf, glücklicherweise war sie nicht damit heraus geplatzt. Wieder schien es ein konspiratives Treffen mit einem Fremden zu sein, der nicht genau zu erkennen war. Candy kniff die Augen zusammen, doch nicht mal mit viel Phantasie hätte sie den anderen, von dem man nur das Profil sehen konnte, genauer erkennen können. Diesen Blockbuster hatte sie auch nur erkannt, weil er einfach unverwechselbar gebaut war. Nach zwei weiteren Bildern wurde deutlich, daß es sich um die Marauders handelte, die sich immer mit demselben Mann getroffen hatten, so viel war klar. Bevor Logan die anderen Bilder abrief, erklärte er noch: „Das sind die uns bekannten Marauders gewesen. Es folgen noch fünf weitere Bilder mit uns bisher unbekannten Mutanten, die mit demselben Mann abgebildet wurden. Die Qualität der Bilder wird besser, wenn jemand den Mann identifizieren könnte, wäre das sicher eine große Hilfe. Die Bilder entstanden in einem zeitlichen Rahmen von etwa sechs Monaten und wenn mich nicht alles täuscht, hat dieser Mann die Truppe zusammengestellt.“ Logan drückte wieder auf einen Knopf und Candy erwartete erneut ein verschwommenes Bild, doch diesmal war es sogar in Farbe und relativ scharf. Das Foto war vermutlich auf einer Ranch entstanden, denn die zwei Hauptpersonen standen am Zaun vor einer Pferdekoppel. Die Frau sah aus wie eine Mexikanerin, trug einen Cowboyhut über den halblangen, schwarzen Haaren und stemmte die Hände in die Hüften, während ihr Gegenüber lässig am Zaun lehnte. Er hatte ebenfalls einen Hut auf und ihn tief ins Gesicht gezogen, so daß man es wieder nicht genau sehen konnte. Candy wollte ihren Blick schon enttäuscht abschweifen lassen, als sie in der Hand des Mannes einen Gegenstand entdeckte, der ihr einen Schauer des Erkennens den Rücken hinunter jagte. Sie irrte sich bestimmt, das konnte unmöglich sein, oder? Logan rief das nächste Bild auf und das war gestochen scharf. Es war irgendwo in der Wildnis aufgenommen worden und Candy sah gar nicht mehr zu der anderen Person hin, weil der geheimnisvolle Fremde diesmal frontal in die Kamera blickte. Es war, als griffe eine eisige Hand nach Candys Herz und drücke dann unerbittlich zu. Der Mann auf dem Bild trug eine Sonnenbrille, doch Candy sah seine merkwürdigen Augen genau vor sich, diese Augen konnte man nicht so leicht vergessen, auch wenn sie die Erinnerung daran in die Tiefen ihres Unterbewußtseins verdrängt hatte. Candy zitterte mit einem Mal und fühlte wie eine unangenehme Gänsehaut sich auf ihrem Körper ausbreitete. Sie blickte von dem Monitor weg und sah auf die glänzende Tischplatte herunter, wo vor ihrem inneren Auge ein kleiner Film über längst vergessen geglaubte Ereignisse abzulaufen begann… x x x (Some years earlier...) New Orleans brodelte, die Grande Dame der Südstaaten hatte sich herausgeputzt und blendete ihre Besucher mit ihrer exotischen Schönheit. Es war Anfang März und die Feierlichkeiten des „Mardi Gras“ waren in vollem Gange. Am Nachmittag würden die Umzüge stattfinden und am Abend würden die Festlichkeiten mit großen Straßenparties und privaten Bällen gefeiert werden. Und Candy war mitten drin, sie wohnte im exklusiven „The Inn on Bourbon“, wo sie als Normalsterblicher zu dieser Zeit wohl kaum ein Zimmer bekommen hätte, wenn sie nicht von der Familie eines ehemaligen Auftraggebers in die Stadt eingeladen worden wäre. Der Verleger, der aus Louisiana stammte und die Dependance des Familienunternehmens in New York leitete, hatte gestern in großem Stil geheiratet und Heute würde seine Frau auf einem traditionsreichen Ball in die vornehme Gesellschaft von New Orleans eingeführt werden. Justin Roy-Desjardins wollte seiner Braut eine unvergeßliche Hochzeit bieten und hatte keine Kosten und Mühen gescheut, seinen Traum zu verwirklichen. Er hatte Candy sogar ein Erster-Klasse-Ticket für die Bahn spendiert, damit sie an den Hochzeitsfeierlichkeiten teilnehmen konnte, da sie zögerte, ein Flugzeug zu benutzen. Sie hatte die Brautleute auf einer ihrer Ausstellungen einander vorgestellt und seit dem behaupteten die beiden, Candy wäre ihr ganz privater Cupido gewesen, was natürlich vollkommener Unsinn war. Mr. Roy-Desjardins hatte mit seiner großzügigen Unterstützung die Ausstellung erst möglich gemacht und Madison kannte sie, weil sie mit dem Fotomodell zu Beginn ihrer Karriere einige Shootings gemacht hatte. Sie hatte sich gar nichts dabei gedacht, als sie Madison ihrem großzügigen Geldgeber vorgestellt hatte, außer vielleicht daß die beiden optisch gut zueinander paßten. Candy stand auf dem Balkon des Hotels, der sich entlang der ganzen Etage lang zog und sah lächelnd auf das bunte Treiben der Straße herunter, wo viele Kostümierte und Maskierte eng beieinander standen und sich schon einen guten Platz für den Umzug sichern wollten. Sie machte mit ihrer Kamera Bilder, farbenfrohe Impressionen, die sie später verkaufen konnte, denn der Mardis Gras war ein begehrtes Motiv. Bis zum Abend hatte sie genug Zeit, einige spektakuläre Bilder zu machen, dann mußte sie sich für den formellen Ball umziehen, der im prunkvollen Familiensitz der Roy-Desjardins gefeiert werden würde. Dieser Ball hatte eine über hundert Jahre alte Tradition und reichte zurück auf die „Krewe of Rex“ (ausgesprochen kru), einer geheimen Gesellschaft, die sich im Jahr 1872 zusammengeschlossen hatte, um dem Großherzog Alexis Romanoff von Rußland einen gebührenden Empfang in New Orleans bereiten zu können, wo man ja nicht mit echten Adligen aufwarten konnte. Die in jüngerer Zeit gegründeten Krewes waren für die Gestaltung der Umzüge in der Gegenwart zuständig, die Mitglieder der altehrwürdigen Krewes blieben meist unter sich. Candy fand die Geschichte um den Mardis Gras faszinierend und würde nun selbst an einem der begehrten Bälle der feinen Gesellschaft teilnehmen können, zu der oftmals nicht mal wichtige Persönlichkeiten aus der Politik eingeladen wurden, weil sie vom Veranstaltungskomitee nicht als der Teilnahme würdig erachtet wurden. Der Tag verging angenehm mit Impressionen der Umzüge und einem Termin im Beautysalon des Hotels, wo sie sich für den Ball die Haare elegant hochstecken ließ. Sie konnte von ihrem Zimmer direkt auf den Balkon treten, deshalb nahm sie die Gelegenheit wahr, um kurz nach sieben am Abend noch einmal einige Bilder zu machen. Inzwischen war es dunkel geworden und sie konnte die Kapriolen der Flambeaux-Träger, das waren brennende Fackeln, viel besser auf Bilder bannen. Sie schlenderte auf dem Balkon entlang, von wo aus sie die berühmten Toulouse und die Bourbon Street überblicken konnte und ließ die Musik und den Gesang der Menschen auf sich einwirken. Sie sah sich nach einem geeigneten Motiv um und entdeckte es in einer blonden Schönheit, die ein sehr aufreizendes Kostüm trug und durch die Menge eilte. In der Aufmachung hätte sich Candy nicht mal zum Karneval auf die Straße getraut, doch die junge Frau bahnte sich im Laufschritt einen Weg durch die Menge, als wäre es ein Leichtes, in den hochhackigen geschürten Stiefeln, die ihr bis zur Oberschenkelmitte reichten, zu laufen. Über der weißen Corsage trug sie einen weißen flatternden Umhang, der einen Stehkragen hatte. Candy verstärkte den Zoom, um ein Bild von ihrem Gesicht zu machen und wunderte sich über den gehetzten Gesichtsausdruck der jungen Frau. Sie kam dem Hotel immer näher und kam dann abrupt zum Stehen, als wäre sie gegen eine Wand gelaufen. Candy war so aufs Fotografieren konzentriert, daß sie erst nach einer Reihe von Bildern merkte, was sie da eigentlich abgelichtet hatte. Die junge Frau war zu Boden geglitten und unter ihrer Brust breitete sich ein hässlicher, roter Fleck aus, der ihr sonst makellos weißes Kostüm besudelte. Die Menschen wichen vor der Verletzten zurück, in ihren Gesichtern konnte man Entsetzen aber auch Sensationslust entdecken, einige der überraschten Ausrufe wurden wohl von dem Lärm, der auf den Straßen herrschte, übertönt. Das Abschlußmotiv für ihre Bilderserie „Visions of the Night“ war ihr praktisch in den Schoß gefallen. Sie hatte nur gewußt, daß sie die Serie mit einer Anklage gegen Sensationsgier bei Gewaltverbrechen beenden wollte, doch die Realisierung dieses Vorhabens gestaltete sich schwieriger als erwartet, wenn sie nicht selbst als einer dieser Gaffer enden wollte. Candy drückte noch ein paar Mal ab, scannte auch die Umgebung nach einem möglichen Angreifer ab, konnte jedoch nichts Verdächtiges in dem Gewimmel entdecken. Die Straße war so voller Menschen, das man nur noch ein Meer von Köpfen sah, aus dem ab und an ein spitzer Hut oder einige Federn der phantasievollen Kostüme ragten. Die junge Frau lag noch immer regungslos auf dem Boden und keiner der Umstehenden hatte sich ihr genähert. Das Verhalten war so typisch für Augenzeugen, jeder wartete darauf, daß ein anderer den ersten Schritt machte. Niemand wollte riskieren, sich den bissigen Kommentaren der Meute auszusetzen, die unweigerlich folgen würden, wenn sich schließlich ein Individuum überwand, der Frau zu helfen. Candy fluchte leise und lief zurück zu ihrem Zimmer, wo sie ihre Kamera auf das Bett warf, in ihre Schuhe schlüpfte und in ihrem leichten Sommerkleid auf die Straße lief. Sie verließ das Hotel am Seitenausgang, wo sie die junge Frau schneller erreichen würde, doch die Menschenmenge machte es ihr fast unmöglich, zu ihr durch zu kommen. Am Ende war sie gezwungen, ihre Ellenbogen einzusetzen, um endlich zu der Verletzten vordringen zu können. Sie mußte jedoch feststellen, daß sie nicht die Erste am Tatort war, die sich um die Verletzte kümmern wollte. Ein Mann in einem braunen, langen Ledertrenchcoat hatte sich eben über die Frau gebeugt und den schlaffen Körper hochgehoben. Sie konnte nur seinen breiten Rücken sehen, dann hob er eine Hand leicht an und mit einer eleganten Bewegung aus dem Handgelenk warf er etwas vor sich auf den Boden, das eine laute Explosion verursachte, die die Umstehenden erschrocken zurückfahren ließ. Keiner hielt den Mann auf, als er sich mit seiner leblosen Bürde durch die Menge bewegte. Nach dem ersten Schreck nahm Candy die Verfolgung auf und heftete sich dem Mann an die Fersen, der sich gnadenlos seinen Weg durch die feiernden Menschen bahnte und immer wieder Betrunkene brutal zur Seite stieß. Keiner hielt ihn auf, die meisten dachten wohl, daß die junge Frau in seinen Armen vom Alkohol benebelt war, da die direkten Zeugen des Vorfalls immer noch beim Hotel standen und das Ganze wohl für einen Gag hielten. Der Mann schien sich im French Quarter von New Orleans auszukennen, denn er bog mehrere Male in dem Straßengewirr des alten Viertels ab, so daß sie sich bald von den feiernden Menschen absonderten und sich wohl dem Ufer des Mississippi immer weiter näherten. Mit seiner leblosen Last verschwand der Fremde schließlich in einem Hauseingang und Candy beschleunigte ihren Schritt, um ihn nicht vollkommen aus den Augen zu verlieren. In der dunklen Hofeinfahrt wurde sie plötzlich an der Kehle gepackt und unsanft gegen die Wand gedrückt. „Sie hören immédiatement auf, mich zu verfolgen, Mademoiselle, compris?“, zischte der Mann mit einem starken französichen Akzent, dessen Gesicht durch die Schatten in der Einfahrt verborgen wurde. Candy keuchte leise und starrte ihren Angreifer angsterfüllt an. „Bitte lassen Sie mich los. Oder wollen Sie mich auch umbringen?“, preßte sie mühsam hervor, da sie kaum Luft bekam. Der Druck auf ihrer Kehle ließ plötzlich nach, als er seine Hand wegzog und sich zu ihr herunter beugte, so daß sich ihre Nasenspitzen fast berührten. Sie konnte seine Augen nicht sehen, da er eine dunkle Sonnenbrille trug und sah nur ihr eigenes angstverzerrtes Gesicht als Spiegelung in seinen dunklen Brillengläsern. „Ich war das nicht. Mehr müssen Sie nicht wissen, gehen Sie wieder nach Hause, d’ accord?“ Er hielt sie wohl für keine Bedrohung, denn er wandte sich von ihr ab und ging neben der Frau in die Knie, die er auf dem Boden weiter hinten in der Einfahrt abgelegt hatte. Er senkte mutlos den Kopf und flüsterte mit gebrochener Stimme: „Bella, pourquoi?“ Obwohl sie sich immer noch vor dem Mann fürchtete, mußte Candy sicher sein, daß sie der Frau nicht mehr helfen konnte. Sie ging neben ihm in die Knie und nahm die schlaffe Hand der Bewußtlosen in ihre, bevor er sie davon abhalten konnte. Sie befand sich wirklich schon an der Schwelle zum Tod, ihr Geist war fast schon komplett von ihrem Körper losgelöst, doch mit etwas Anstrengung würde Candy sie zurückholen können. Sie war jedoch zu schwach, um sie richtig zu lesen, doch das konnte Candy ja nachholen, wenn sie ihren Zustand etwas stabilisiert hatte. „Was zum Teufel fällt dir ein?!“ Der Ausruf des Mannes fiel zusammen mit einem tiefen Aufstöhnen der Verletzten, die Candy mit aller Gewalt am Leben hielt. Er wollte ihre Hand von der Frau losreißen, doch Candy packte sein Handgelenk und schüttelte energisch den Kopf: „Nein! Wenn ich die Frau loslasse, dann stirbt sie! Sie ist sehr schwer verletzt!“ Der Mann ließ sie gewähren, nachdem er sie eine Weile lang schweigend betrachtet hatte, Candy versuchte, nicht nervös zu werden, weil sie seine Augen nicht sehen konnte. Wenn er ihr etwas hätte tun wollen, dann hatte er genug Gelegenheit dazu gehabt, sie durfte die Schwerverletzte jetzt einfach nicht aufgeben. „Dann halte sie weiterhin fest, ma petite, ich werde sie hochnehmen und nach oben tragen.“, sagte er in seiner einschmeichelnden Sprechweise mit dem starken Cajun-Akzent in seinem Englisch. Candy lief also neben dem Fremden her, der die Frau über einen Hinterhof in ein altes Haus trug, das eine Gaststätte zu beherbergen schien, denn man konnte laute Musik und Stimmen hören, die bis ins düstere Treppenhaus drangen. Er trug die Frau die Treppen hoch und dann einen langen Flur entlang, wo er vor einer Tür stehen blieb, die mit einem bunten Perlenvorhang geschmückt war, den man vor das Türblatt gehängt hatte. Der Mann bollerte mit der geballten Faust gegen die Tür und rief auf Französisch: „Maman Mèmène, ouvrez la porte, tout de suite, c’ est moi, Remy!“ (Mutter Mèmène, öffnen Sie sofort die Tür, ich bin es, Remy!“ Die Tür wurde aufgerissen und eine kräftige Schwarze, die einen farbigen Turban um ihren Kopf geschlungen trug, schob den Perlenvorhang klimpernd zur Seite. Sie lächelte breit, wobei ihre weißen Zähne in dem dunklen Gesicht aufblitzten. Sie sagte etwas zu dem Mann, dessen Name Remy war, das Candy nicht verstand, weil sie schnell in einem ungewohnten Akzent Französisch sprach. Sie hielt den Perlenvorhang auf und trat zur Seite, was wohl bedeutete, daß sie willkommen waren. Unter ihnen schien eine große Party zu steigen, denn der Lärm und die Musik von unten ließen den Boden unter ihren Füßen vibrieren, während sie durch die Wohnung gingen und in ein spärlich eingerichtetes Gästezimmer geführt wurden. Der Mann legte die Verletzte auf einem altmodischen, französischen Bett ab und unterhielt sich dann wieder in rasendem Französisch mit der dunkelhäutigen Frau. Sie hatte die Verletzte so weit stabilisiert, daß sie sie ihren Gesundheitszustand nun besser einschätzen konnte. Sie konzentrierte sich auf ihre Verletzung und bekam einen ziemlichen Schrecken. Die Frau war tatsächlich angeschossen worden, die Kugel hatte jedoch den Körper nicht wieder verlassen sondern steckte in ihrer Leber fest, was eine unerwartete Komplikation darstellte. „Die Frau muß in ein Krankenhaus gebracht werden, eine Kugel steckt in ihrer Leber“, meldete sie sich zu Wort, als die beiden eine Pause beim Sprechen einlegten. Der Mann widersprach ihr sofort: „Impossible! Du hast sie von den Toten zurückgeholt, dann kannst Du auch die Kugel entfernen.“ Candy sah unsicher zu der Frau namens Maman Mèmène rüber, die ihre Arme über ihrem ausladenden Busen verschränkt hatte und ebenfalls den Kopf schüttelte. „Nein, Sie verstehen nicht! Ich habe sie zurückgeholt, ohne zu wissen, was ihr genau fehlt. Das war ein Fehler, aber ich hätte nicht länger warten können. Die Kugel ist…“ Candy mußte schlucken, bevor sie weitersprechen konnte: „Das Gewebe um die Kugel ist verheilt, ich habe nicht früh genug gestoppt. Sie muß operiert werden, um die Kugel herauszuholen, verstehen Sie? Jede Minute zählt, denn die Leber kann mit der Kugel nicht richtig funktionieren und meine Kräfte sind auch nur begrenzt einsetzbar.“ Sie sah ängstlich zu den beiden hoch, da sie neben der Frau auf dem Bett saß und hoffte, daß sie nicht zuviel über ihre Fähigkeiten verraten hatte. Sie wußte, daß sie niemandem vertrauen durfte, wenn sie nicht irgendwo als Versuchskaninchen enden wollte. Sie hatte abscheuliche Gerüchte darüber gehört, wie das Militär Mutanten mit besonderen Fähigkeiten verschleppt hatte, um mit ihnen unerlaubte Experimente durchzuführen. Hatte sie einen Fehler gemacht, sich den beiden so weit zu offenbaren? Hatte sie überhaupt eine Wahl? „Das Krankenhaus ist keine Option, die uns offensteht, ma petite. Tu es une mutante, n’ est-ce pas?“ (…Du bist eine Mutantin, nicht wahr?) Candy nickte stumm und erschauerte, als der Mann vor sie trat und eine Hand auf ihre Wange legte, während er mit der anderen seine dunkle Sonnenbrille abnahm. Sie hatte immer gedacht, daß es keine merkwürdigeren Augen als ihre geben konnte, doch ihr Gegenüber belehrte sie eines Besseren. Seine Iriden waren blutrot und das Weiß seiner Augen schwarz wie die Nacht, sie konnte gar nicht anders, als ihn einfach nur fassungslos anzustarren. „Wir sind Deinesgleichen, Du brauchst keine Angst zu haben, ma chère. Aber Du wirst diese Operation selbst ausführen müssen. Mèmène wird dir dabei helfen, sie macht so was oft.“ Candy wurde blaß und starrte den Mann an, als hätte er den Verstand verloren, doch seine Augen blickten klar und bezwingend. „Ich kann doch keinen Menschen aufschneiden, ich bin kein Chirurg, ich heile nur.“, rief sie entsetzt aus. „Du machst besser, was Remy sagt. Ich hole meine Tasche.“, erwiderte Mèmène kurz angebunden und verließ kurz das Zimmer, um nach einigen Augenblicken mit einer schwarzen, abgewetzten Arzttasche wieder zukommen, die sie auf einem kleinen Tisch beim Bett abstellte. Remy umfaßte ihr Kinn und hob ihr bleiches Gesicht zu sich an, während er leise fragte: „Du kannst Bella wieder heilen, wenn wir die Kugel rausgeholt haben, oder nicht?“ Alles in Candy schrie „Nein“, doch die Lüge kam nicht über ihre Lippen, während sie der hypnotische Blick des Mannes gefangen hielt. Das muß ein Alptraum sein, dachte sie verzweifelt. Doch sie spürte am eigenen Leib, wie sehr die Verletzte litt und gegen den Tod kämpfte. Die Frau holte ihre Instrumente aus der Arzttasche und eine Ampulle mit einem Betäubungsmittel, aus dem sie eine Spritze aufzog, die sie der unruhigen Verletzten in den Arm injizierte. Candy lehnte die angebotenen Latexhandschuhe ab, sie brauchte den direkten Kontakt zur Verletzten und mußte nicht wie Ärzte steril arbeiten. Mèmène hielt ein scharfes Skalpell hoch und fragte, als wäre es das Normalste auf der Welt: „Toi ou moi?“ (Du oder ich?) Währenddessen hatte Remy den Oberkörper der Frau bloßgelegt, um den Zugang zu ihrem Oberbauch zu ermöglichen. „Ich, ich kann das nicht.“, wisperte Candy schwach und fühlte gleichzeitig, wie das Bewußtsein der jungen Frau durch das Medikament gedämpft wurde. „Laß dir von ihr zeigen, wo die Kugel steckt, Mèmène. Das weißt Du doch, oder?“, ordnete Remy unerbittlich an. „Ici“, gab Candy kurz zurück und wies auf die genaue Stelle unter dem rechten Rippenbogen der Frau, ohne zu bemerken, daß sie auf Französisch geantwortet hatte. Sie erstarrte, als die Frau mit dem Turban das Skalpell auf die makellose Haut der jungen Frau setzte und mit festem Druck einen tiefen Einschnitt machte, der sofort stark blutete, da die Leber neben dem Herzen das meiste Blut im Körper umsetzte. Candy wurde übel, als die Frau den langen Schnitt mit bloßen Fingern auseinander hielt, um in die Eingeweide der Verletzten blicken zu können. „Hol die Kugel raus, mach schon! Dépêche-toi!“ (…beeil dich!) Remys Befehl ließ sie zusammenfahren und die zitternde Hand ausstrecken. Den grausigen Anblick ihrer blutbesudelten Hand tief im Körper eines Menschen würde sie nur schwer vergessen können. Wie hatten es die Pioniere der Medizin in der Vergangenheit nur fertig gebracht, ohne genaues Wissen über den Aufbau und die Funktionen des menschlichen Körpers, Kranke aufzuschneiden? Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie die Kugel mit den Fingerspitzen erspürte, die noch von einer Gewebemembran umgeben war. Sie griff nach dem Skalpell und schnitt die Kugel frei, denn die Zeit drängte, das war ein invasiver Eingriff, der das Leben der Frau aufs Neue gefährdete. Candy warf die blutverschmierte Kugel achtlos zur Seite und befahl Mèmène ihre Hände wegzunehmen, so daß die Wundränder zusammen glitten, nachdem sie nicht mehr gewaltsam auseinander gehalten wurden. Sie aktivierte ihre Kräfte erneut und schloß die Augen, um den Heilungsprozeß nicht beobachten zu müssen, für Heute hatte sie genug Blut und andere anatomische Abscheulichkeiten gesehen. Sie fürchtete jetzt schon die Alpträume, die ihr dieses Erlebnis sicherlich bescheren würde. Sie waren wie Schlachter über die Frau hergefallen und Candy war am Ende ihrer Kräfte. Als die Heilung vollendet war, wäre sie beinahe vom Bett gerutscht, weil ihre Energiereserven fast bis zur Neige ausgeschöpft waren, und sie am Rande einer Ohnmacht stand. Remy hatte sie gestützt, bevor sie aufs Bett glitt und dann hochgezogen, fort von der jungen Frau, deren Oberbauch zwar noch voller Blut war, aber nicht mehr durch einen grausigen Einschnitt verunstaltet wurde. „Mèmène wird sich um den Rest kümmern“, meinte Remy und führte sie in ein kleines Badezimmer, wo Candy zu ihrer Beschämung zur Toilettenschüssel taumelte und sich heftig übergab. Da ihr Magen leer war, kam nur noch ätzende Gallenflüssigkeit hoch, die unangenehm in ihrer Kehle brannte. Sie keuchte erbärmlich und stöhnte wegen der schmerzhaften Kontraktionen ihres leeren Magens. Candy konnte in ihrem desolaten Zustand gar nicht mehr beurteilen, ob sie vor Schmerzen oder aus lauter Verzweiflung weinte, die Tränen liefen einfach über ihr erhitztes Gesicht und sie konnte ihnen keinen Einhalt gebieten. Fortsetzung folgt… Kapitel 14: Remembering Remy ---------------------------- . . . „Alors, Du mußt nicht weinen, Du hast es geschafft, ma petite“, sagte der Fremde mit sanfter Stimme und half ihr wieder auf die Beine, um ihr mit einem feuchten Handtuch über das heiße Gesicht zu wischen. Sie schlug seine Hand mit einem letzten Funken von Energie, den sie in sich finden konnte, aufgebracht zur Seite. Sie gab ihm die Schuld, daß sie dieses entsetzliche Erlebnis durchmachen hatte müssen. Am liebsten hätte sie ihn geschlagen oder angebrüllt, aber sie fühlte sich einfach zu schwach dafür, sie hatte sogar Mühe, sich aufrecht auf ihren wackeligen Beinen zu halten. „Lassen Sie mich alleine. Ich komme schon zurecht!“, blaffte sie ihn ziemlich bissig an. Candy drehte sich von ihm weg und stütze sich am Waschbecken ab, um nicht in die Knie zu gehen, da sie sich immer entkräfteter fühlte. Remy lachte nur amüsiert auf: „La politesse n’ est pas nécessaire autours amis, ma petite! Brauchst Du Medikamente oder etwas anderes? Die Sitzung scheint dich ziemlich mitgenommen zu haben.“ (Unter Freunden muß man nicht höflich sein, Kleine!) Candy stöhnte innerlich auf, sie brauchte dringend Energie und sie mußte wohl oder übel die Hilfe dieses Kerls annehmen, wenn sie nicht umkippen wollte. So knapp wie möglich verlangte sie nach etwas Eßbarem wenn möglich mit hohem Zuckergehalt, was der geschniegelte Typ schmunzelnd zur Kenntnis nahm und sie dann endlich allein ließ, damit sie sich frisch machen konnte. Sie hatte sich im Badezimmerschränkchen umgeschaut und zu ihrer Freude eine noch verpackte Zahnbürste entdeckt, mit der sie sich bestimmt fünf Minuten lang die Zähne putzte, um den sauren Geschmack der Galle loszuwerden. Als sie aus dem Bad trat, wartete Mèmène auf sie und wies ihr den Weg durch eine enge Diele zur Küche, aus der verlockende Düfte kamen, die Candy gierig durch die Nase zog. Wenn sie nicht bald etwas zu essen bekam, dann würde sie einfach über den Kühlschrank der Frau herfallen und alles in sich hineinstopfen, was ihr in die Hände fiel. Und das würde bestimmt kein schöner Anblick werden! An einem einfachen Holztisch saß schon der junge Mann und sah ihr lächelnd entgegen: „Setz dich, Maman wird uns gleich mit ihrem Bread Pudding verwöhnen.“ Candy fragte nicht nach, was das sein sollte, sie würde jetzt alles essen. Mèmène stellte eine Auflaufform auf den Tisch, dessen Inhalt mit einer karamelisierten Kruste überzogen war. Bald hatte Candy einen Teller mit einem großen Stück der Spezialität vor sich stehen und schob sich probeweise eine Gabel des Backwerks in den Mund. Der süße Geschmack explodierte in ihrem Mund und der Alkohol schoß sofort in ihre Adern, wo er für etwas Ruhe in ihrem Nervensystem sorgte. Sie verputzte das köstliche Mahl in Rekordzeit und bemerkte erst, als ihr Teller leer war, daß Remy und Mèmène sie amüsiert beobachteten. Die Frau sagte irgendetwas zu Remy, was ihn zu lautem Lachen veranlaßte und legte ihr gleich noch ein Stück vom Bread Pudding nach. Candy warf alles Schamgefühl über Bord, in den Augen des Mannes konnte sie eigentlich nicht mehr viel Peinlicheres anstellen als ihren Ausbruch im Bad. „Das Zeug schmeckt phantastisch“, murmelte sie und schob sich eine weitere, voll beladene Gabel in den Mund. Als Normalsterblicher bekam man von diesem Dessert bestimmt einen Schwips, denn es war regelrecht mit Whiskey durchtränkt, doch es schmeckte einfach göttlich. Remy grinste breit: „Mèmène kocht noch typisch auf die alte Cajun Art, ihr gehört die Kneipe die sich im Erdgeschoß befindet, die „Cachette“. Ihr Bread Pudding ist heiß begehrt. Verrätst Du uns deinen Namen?“ „Ich heiße Candy“, gab sie kurz angebunden zurück, im Moment war die Nahrungsaufnahme wichtiger. Remy zog eine Augenbraue hoch und er taxierte die junge Frau genauer, dabei fiel ihm auf, daß ihre Frisur irgendwie nicht zu dem legeren Kleid passen wollte. „Sehr passend, wenn ich so deinen Appetit betrachte, ma chère. Hast Du noch etwas vor?“ Candy sah ihn irritiert an und verstand ihn erst, als seine Hand kurz über ihre kunstvoll zusammengesteckte Haare fuhr, die wie ein Wunder nicht allzu sehr durcheinander geraten waren. (…und die Frisur hält… *g*) „Mein Gott!“, rief sie aus und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war gerade mal eine Stunde vergangen, seitdem sie das Hotel verlassen hatte, dennoch kam es ihr vor als wäre sie schon Stunden hier. Sie war schon viel zu spät dran! „Ich muß sofort zurück zum Hotel, verdammt. Ich werde zu spät zum Ball kommen.“ Candy sprang auf die Füße und sah Remy auffordernd an. „Ich muß sofort zurück. Wie komme ich wieder zum Hotel?“ Remy erhob sich und setzte seine Sonnenbrille wieder auf, die er in der Innentasche seines Mantels versteckt hatte, den er immer noch trug. „Mach dir keine Sorgen, ich bringe dich, ma petite. Das ist doch das Mindeste, was ich tun kann pour la compensation (Wiedergutmachung)“, erwiderte er charmant. Mèmène schloß sie zum Abschied kurz in ihre Arme und drückte sie an ihren großen Busen. „Wenn ich irgendwann einmal etwas für dich tun kann, Du brauchst nur zu fragen, fillette. Du hast Bella zwei Mal das Leben gerettet, Du mußt etwas ganz Besonderes sein.“ Candy wehrte alle weiteren Dankesbezeugungen ab, dennoch war sie gerührt, daß die Frau sich nun doch von der herzlichen Seite zeigte. Sie bedankte sich in ihrem besten Schulfranzösisch und folgte dann Remy wieder nach draußen. Als sie sich dem Hotel näherten, nahm er sie fest an der Hand und führte sie sicher durch die tobende Menge, bis sie das Foyer ihres Hotels betraten. Candy lief zielstrebig zum Empfang und fragte nach, ob der bestellte Chauffeur sie schon erwartete. Sie mußte ihn um eine halbe Stunde vertrösten, denn sie wollte noch duschen und sich umziehen. „Soll ich bei den Roy-Desjardins Bescheid geben, daß Sie sich zum Dinner verspäten werden, Miss Genova?“, fragte der Portier hilfsbereit. „Das wäre sehr nett, vielen Dank“, gab Candy zurück und hoffte, daß ihre Verspätung nicht zu sehr ins Gewicht fiel. Sie würde sonst irgendeine Lüge erfinden müssen und sie verabscheute Unehrlichkeit, auch wenn sie in ihrem Fall wohl gerechtfertigt war. Sie drehte sich um und lief in Remy hinein, der überraschenderweise immer noch da war. Sie hatte sich bei ihm fürs Zurückbringen bedankt und gedacht, daß er gleich danach verschwinden würde. „Hoppla, nicht so stürmisch. Du gehst also auf einen großen Ball, wer hätte das gedacht!“ Candy stockte der Atem, als er sie fest in die Arme nahm, doch sie konnte noch erwidern: „Ich hab’s eilig, Remy. Ich werde erwartet und bin schon zu spät dran.“ „Eh bien, poulette (Hühnchen im Sinne von Schätzchen)! Dann sollten wir uns nun verabschieden.“, meinte er mit einem leichten Lächeln auf seinem schön gezeichneten Mund, dessen Form Candy erst jetzt auffiel, nachdem sie ihm so nah war. „Au revoir!“, sagte Candy und betonte die Wörter bestimmt, damit er sie endlich los ließ und sie in ihr Zimmer kam. Remy zog nur seine Brille ab und sah ihr tief in die Augen. „Ma chère, das ist doch kein Abschied. Vielleicht sehen wir uns nie wieder!“, flüsterte er einschmeichelnd. Candy wollte ihm an den Kopf werfen, daß sie das auch schwer hoffte, daß er sich seine blöden Kosenamen sonst wohin stecken konnte, doch irgend etwas in seinem Blick brachte sie zum Schweigen. Ihre Lippen öffneten sich leicht, doch sie fand keine Worte, versank in dem bezwingenden Blick seiner bemerkenswerten, rotschwarzen Augen. Als sich sein Mund auf ihren senkte und die Berührung wie ein Stromschlag durch sie hindurch schoß, war es, als würde er ihr damit ihren sehnlichsten Wunsch erfüllen und sie ließ seine warme Zunge in ihren Mund dringen, ohne daran zu denken, daß sie im Foyer eines Hotels stand und jedermann ihnen zusehen konnte. Am Ende hielt Remy ihr glühendes Gesicht umfaßt und lächelte auf sie herunter, denn er war über einen Meter achtzig groß und überragte Candy um mehr als zwanzig Zentimeter. „Das war ein Abschied, à bientôt!“, flüsterte er neckend und ließ sie dann vollkommen durcheinander in der Eingangshalle des Hotels stehen, wo er bald aus ihrem Blickfeld verschwand, nachdem er das Hotel über den Haupteingang verlassen hatte. Candy riß sich mit aller Macht zusammen und stürmte zu den Aufzügen, sie hatte keine Zeit, sich um diesen elenden Casanova Gedanken zu machen und konnte trotzdem sehr zu ihrem Unmut keine Sekunde aufhören, an ihn zu denken. ° ° ° Justins Familiensitz war überwältigend, ein weißes Gebäude noch aus der Kolonialzeit, das im Antebellum Stil gebaut war, den wohl jedes Kind noch aus dem Film „Vom Winde verweht“ kannte. Beim Anblick des Hauses erwartete man regelrecht, eine Südstaatenschönheit mit einem weit schwingenden Reifrock und einem kecken Sonnenschirmchen über der Schulter auf der Veranda flanieren zu sehen. Als sie die Allee in der eleganten Limousine, die ihr Justin ins Hotel geschickt hatte, entlang gefahren war, bemerkte sie, daß die Straße extra für diese Veranstaltung abgesperrt worden war, und damit keine ungebetenen Gäste sich dem Anwesen nähern konnten, wurden sogar Personenkontrollen durchgeführt. Ihr Chauffeur lud sie am Haupteingang ab, wo schon sehr viele Gäste in kleinen Gruppen draußen auf der Terrasse standen und die laue Nacht genossen. Viele waren in erlesenen Kostümen gekleidet und die Damen trugen dazu ihren wertvollsten Schmuck, der im Schein der Lichter bei jeder Bewegung funkelte. Candy hätte am liebsten Bilder gemacht, doch die Kamera lag im Hotelzimmer, sie wäre kein passendes Accessoire für ihr elegantes Abendkleid gewesen. Es war aus dunkelrotem Samt und hatte sie bei der Anprobe ein wenig an das weltbekannte Kleid von Scarlett O’Hara erinnert, die berühmte Szene mit den herunter gerissenen samtenen Vorhängen, und sie fand es passend für ein Fest in New Orleans, das wie Georgia ja auch zu den Südstaaten zählte. Das Essen hatte sie natürlich verpaßt, aber die strahlende Madison in einem Originalkleid aus der Kolonialzeit hatte es ihr zum Glück nicht übel genommen. Zumindest entnahm sie das dem glücklichen Lächeln und dem kleinen Zwinkern, die ihr die Braut geschenkt hatte, als sie in den Armen ihres frisch angetrauten Ehemannes an ihr vorbei geschwebt war. Candy nippte an ihrem Champagner und ihr Blick glitt über die vorbei tanzenden Gäste, die ein Kaleidoskop an Farben vor ihren Augen aufblitzen ließen. „Mademoiselle? Würden Sie mir den nächsten Tanz gewähren?“, flüsterte eine Stimme von hinten in ihr Ohr, die ihr einen wohligen Schauer den Rücken hinunterjagte. Sie drehte sich abrupt um und starrte zu Remy hoch, der zu seinem eleganten Smoking eine verspiegelte Sonnenbrille trug und verboten gut aussah. „Remy! Was machst Du hier?“, entfuhr es Candy überrascht. Er nahm ihr das Champagnerglas aus der Hand und stellte es einem der Kellner aufs Tablett, die die Gäste beständig mit einem Strom alkoholischer Getränke versorgten. Dann nahm er ihre Hand in seine und hauchte einen galanten Handkuß darauf, der Candy ein Kribbeln in der Magengegend verursachte. Er lächelte sie spitzbübisch an: „Ich bin dein Begleiter, Chérie!“ Er nahm sie in die Arme und dirigierte sie unbarmherzig in die tanzenden Gäste hinein, wo er sich dann geschickt in die Tänzer einreihte und sie schwungvoll über die Tanzfläche führte. Candy hatte keine Chance zur Gegenwehr, denn Madison tanzte in der Nähe und bedeutete ihr mit einem verschwörerischen Lächeln, daß sie Candys Begleiter äußerst attraktiv fand. Candy setzte ein Lächeln für die Umgebung auf, zischte dem eingebildeten Kerl jedoch erbost zu: „Was fällt dir ein! Justin ist ein sehr mächtiger Mann, wenn ich auf seiner Party einen Skandal provoziere, kann das böse Konsequenzen für mich haben!“ Remy drückte sie nur fester an sich und erfreute sich an dem Aufblitzen ihrer besonderen Augen, die wie kleine silberne Seen aussahen. Es wäre interessant zu sehen, wie sich ihre Augen veränderten, wenn sie sich der Leidenschaft hingab. „Übrigens heiße ich Remy LeBeau, wenn dich jemand fragen sollte. Und mach dir keine Sorgen, ma chère, ich werde die Brautleute nicht stören.“ Candy schnaubte aufgebracht, der Kerl hieß doch tatsächlich LeBeau, der Schöne, mit Nachnamen? Das war wirklich der Gipfel! Kein Wunder, daß er so eingebildet war! Was wollte Remy hier auf diesem Ball? Wie hatte er die strengen Sicherheitsvorkehrungen überhaupt unbehelligt überwinden können? Ihretwegen war er bestimmt nicht gekommen, da war sie sich sicher. Bei diesem Gedanken runzelte sie verärgert die Stirn, da ihr Herz bei seinem Anblick vorhin tatsächlich einen kleinen Satz gemacht hatte. Ihr Verdacht wurde bestätigt, als er sie von den Tänzern wegzog und ihren Arm durch seine Armbeuge zog. Das sah für die Umstehenden vollkommen entspannt aus, aber er hielt ihre Hand fest umklammert, damit sie sich ihm nicht entziehen konnte. Sie probierte es, doch er machte nur einen leisen schnalzenden Laut. „Remy, was soll das?! Laß mich los!“, verlangte Candy genervt, doch er ließ nicht locker. Sie liefen durch das Haus und Remy führte sie eine Treppe nach oben, wo er zielstrebig auf eine verschlossene Tür im hinteren Teil des Hauses zuging, die von zwei Bodyguards in dunklen Anzügen flankiert wurde. Der eine streckte die Hand abwehrend aus, um sie aufzuhalten, doch Remy hatte blitzschnell ausgeholt und den Mann mit einem Kinnhaken niedergestreckt und mit einem Kick seines Beines den anderen zu Boden geworfen. Die Männer blieben ziemlich benommen liegen, während Candy mit einem erschrockenen Aufschrei zurückgewichen war, doch Remy packte ihre Hand und öffnete die Tür, dann zog er sie mit in den Raum hinein. Hier drinnen hielten sich weitere Gäste auf, die scheinbar dem Glücksspiel frönten, einige saßen an Roulettetischen, andere an Tischen mit Baccarat- oder Pokerrunden. Die meisten Spieler blickten nicht einmal auf, als sie das Zimmer betraten, sie waren viel mehr an den hohen Einsätzen auf den Spieltischen interessiert. Remy ging zielstrebig auf einen Mann mit langen dunklen Haaren, die eindrucksvoll über seine Schulter fielen, zu. Er saß in einem Stuhl mit hoher Lehne und eine provokant gekleidete Asiatin mit einer aufgetürmten Pompadour-Frisur beugte sich eben zu ihm herunter, um ihn eine Zigarre anzuzünden. Der Ausschnitt ihres Corsage-Oberteils war so tief, daß Candy jede Sekund erwartete, der Busen der Frau würde herausfallen, wenn sie sich weiter so tief über den Mann beugte. Als sie den Mann fast erreicht hatten, stürzten die Bodyguards in den Raum und wollten sich auf Remy werfen, doch der Mann mit der Zigarre hob nur kurz die Hand und die Männer zogen ab, obwohl sie mit den Zähnen knirschten und ihre Körperhaltung von schwer unterdrückter Angriffslust kündete. „Impulsiv wie immer Remy, mon ami! Das wäre doch auch wesentlich eleganter zu lösen gewesen“, meinte der Mann und paffte seelenruhig auf seiner Zigarre weiter, während um sie herum die Spieler ihre Einsätze machten und keinerlei Notiz von ihnen nahmen. „Tessa*, laß das sein!“, meinte Remy und warf der asiatischen Schönheit, die ihre Hände in die Hüften gestützt hatte und ihn nicht aus den katzenhaft betonten Augen ließ. Die Asiatin zuckte nur mit den Schultern und grinste Remy keck an. Candy fragte sich, was Remy gemeint hatte, aber sie wagte es kaum, einen Atemzug zu nehmen, während sie ihr Gegenüber abschätzend taxierte. Das Auftreten des Mannes machte den Eindruck, als wäre er sehr mächtig und skrupellos, sein Gesicht sah aus wie aus Bronze gegossen und seine schwarzen Augen blickten verschlagen. „Ich wollte dem schwarzen König nur persönlich ausrichten, daß sein Anschlag mißglückt ist. Bella geht es gut. Was ein Glück für dich ist, Shinobi*, denn sonst wärst Du ein toter Mann.“ Dieser Shinobi war also auch ein Asiat, Candy hatte schon überlegt, ob er wohl von amerikanischen Ureinwohnern abstammte, da dunkel getönte Haut und hohe Wangenknochen hatte. Wieso nannte ihn Remy den schwarzen König? Hatte das etwas mit der Tatsache zu tun, daß der Mann einen fetten Siegelring am rechten Ringfinger trug, auf dem eine dunkle Schachfigur abgebildet war? Shinobis Mund verzog sich zu einem schmallippigen Lächeln: „Wieso glaubst Du, ich hätte etwas mit einem Anschlag auf deine Ex-Frau zu tun? Remy, das ist einfach nicht mein Stil.“ Die Asiatin hielt ihm in einer devoten Geste einen silbernen Aschenbecher hin, wo der Mann seelenruhig die Zigarrenasche abstreifte. Remy lachte trocken auf: „Weil sie Marius’ Tochter ist und Du noch eine Rechnung mit dem Anführer der „Thieves Guild“ hast.“ Candy verstand kein Wort von dem, was die beiden Männer da besprachen. Anführer einer Innung von Dieben? Wo gab es denn so etwas? Konnte man die etwa in den Gelben Seiten nachschlagen? „Mais non! Das Problem ist erledigt, ich denke, daß ein übereifriges Mitglied hier am Werk war. Richte Marius aus, daß ich mich darum kümmern werde. Du mußt dir angewöhnen, weniger hitzköpfig zu handeln. Wir regeln im Hellfire Club die Probleme immer auf zivilisierte Weise. Und nun solltest Du die Party genießen, Du ängstigst deine entzückende Begleitung nur unnötig, wenn Du solche wüsten Drohungen ausstößt.“ Candy trat unwillkürlich einen Schritt näher an Remy heran, als der Blick des Mannes erneut auf sie fiel. Sie hätte ihm gerne gesagt, daß er seine Untergebenen sehr schlecht unter Kontrolle hatte, wenn die einfach Mordanschläge auf wehrlose Opfer verübten, doch sie wußte auch, wann man besser den Mund hielt. Zwischen Remys Fingern der rechten Hand blitzte plötzlich eine Spielkarte auf, die er mit einer eleganten Bewegung aus dem Handgelenk schießen ließ, so daß sie auf dem Schoß des Mannes landete, der erschrocken zurückzuckte und fast seine Zigarre fallen ließ. Es war das Pik As, die Karte des Todes. „Wenn Bella etwas passieren sollte, wird die nächste Karte dich entmannen, das verspreche ich dir, Shinobi. Ich werde nicht durch so zivilisierte Anwandlungen, wie sie dich heimsuchen, davon abgehalten werden. Paß also auf deine hirnlosen Lakaien auf. Komm Candy, ich bin sicher, daß dir die Party unten besser gefallen wird.“ Er legte einen Arm um ihre bloßen Schultern und verließ mit ihr das Spielzimmer. Candys Herz klopfte bis zum Hals, weil sie fürchtete, dieser Shinobi würde sie aufhalten lassen, doch die Bodyguards ließen sie, wenn auch mit ziemlich saurer Miene unbehelligt passieren. Nach einem Blick in ihre versteinerte Miene beschloß Remy mit Candy nach draußen zu gehen, damit sie sich wieder fassen konnte, ohne von jemandem dabei beobachtet zu werden. Draußen waren die Bäume mit Lichterketten geschmückt worden, so daß er den Weg zu einem kleinen Pavillon im Park fand, in dem einige bequeme Gartenmöbel standen. Candy ließ sich auf einen gepolsterten Stuhl fallen und nahm einige tiefe Atemzüge, um ihren galoppierenden Herzschlag zu beruhigen. „Was ist dieser Hellfire Club und hat Justin etwas damit zu tun?“, fragte sie nach einigen Augenblicken und sah mit großen Augen zu ihm auf, deren Pupillen immer noch schreckgeweitet waren. Remy lehnte sich an einen Pfeiler des Pavillons und spielte gedankenverloren mir einer anderen Spielkarte, die er irgendwie aus seinem Ärmel gezaubert hatte. „Je nachdem, wie Du das meinst. Der Hellfire Club ist nach außen hin mit dem Rotary-Club vergleichbar. Viele angesehene Geschäftsleute sind Mitglieder dieses Clubs. Es gibt aber einen Inneren Kreis, zu dem Shinobi Shaw gehört, dessen Mitglieder, sagen wir, sich nicht scheuen, ihren Gewinn auch mit skrupellosen Geschäften zu vergrößern. Ich denke nicht, daß dein Freund davon weiß, der Innere Kreis lebt von der Geheimhaltung. Die meisten reichen Gönner werden als Aushängeschild benutzt, um die geheimen Machenschaften zu verschleiern.“ Candy atmete innerlich auf, sie hätte Madison ungern mitgeteilt, daß ihr Mann ein Verbrecher erster Güte war. Remy wartete auf ihre weiteren Fragen, die wohl unweigerlich kommen würden. Er hatte der Frau in der kurzen Zeit ihrer Bekanntschaft schon ziemlich viel zugemutet. Aber sie war sein Trumpf in diesem Spiel gewesen, er hatte nur riskieren können, Shinobi zu konfrontieren, weil er wußte, daß Candy ihn wieder zusammenflicken konnte, wenn der schwarze König den Befehl gegeben hätte, ihn liquidieren zu lassen. „Warum hatte Shinobi solche Angst vor einer einfachen Spielkarte?“, fragte Candy weiter. Remy grinste breit und gab eine kleine Vorstellung, indem er die Karte die er in der Hand hielt, leicht auflud und dann in die Dunkelheit warf, wo sie in einem kleinen Funkenregen leise explodierte. „Das geht natürlich auch viel heftiger, ma petite. Damit kann ich jemanden sehr wehtun oder sogar töten, und es muß nicht einmal eine Spielkarte sein, ich könnte das mit der Gabel des Mannes machen, ohne daß er es bemerkt und beim nächsten Mahl explodiert sein canard à l’ orange ihm mitten im Gesicht.“ „Oh!“, entfuhr es Candy ehrfürchtig, diese Vorstellung würde sie auch zu Tode erschrecken. „Hast Du keine Angst, daß der Mann dich für diese Provokation tötet? Ich meine, er schien mir, als würde er vor nichts zurückschrecken.“ Remy lächelte leicht: „Machst Du dir Sorgen um mich? Brauchst Du nicht, ich werde gut auf mich aufpassen, es ist nicht die erste Morddrohung für mich.“ Candy schüttelte den Kopf, sie wußte nicht, ob sie seine Haltung bewundern oder für total hirnlos halten sollte. Sie erhob sich von dem Gartenstuhl und trat neben ihn, da er an der Säule neben dem Eingang lehnte. „Wie geht es deiner Ex-Frau? Ich habe in der ganzen Aufregung vergessen, nach ihr zu sehen, bevor ich ins Hotel zurück bin.“ Remy verzichtete darauf, Candy darüber aufzuklären, daß sie genau genommen noch verheiratet waren, obwohl sie seit Jahren getrennt lebten. Das Ganze wäre einfach zu kompliziert gewesen. „Bella geht es gut, als ob nie etwas passiert wäre. Ich habe sie bei ihrem Vater abgesetzt, bevor ich hierher gekommen bin. Die Familie Boudreaux würde dir gerne für dein Eingreifen danken. Kann ich ihnen ausrichten, daß Du sie Morgen besuchen kommst?“ Candy nickte: „Ja, ich bin sowieso noch zwei Tage in der Stadt. Ich sollte jetzt wieder reingehen, ich habe noch gar nicht mit dem Brautpaar gesprochen.“ Sie wollte an ihm vorbei gehen, doch er hielt sie am Oberarm auf. „Nicht so hastig, Mademoiselle! Ich werde dich begleiten.“ Seine Hände umfaßten ihre nackten Oberarme und zogen sie näher an sich heran, bis sie an seine muskulöse Brust stieß und ihn bei jedem Atemzug spürte. Sie wollte sich gegen ihn stemmen, doch ihre Hände entwickelten ein Eigenleben und glitten über seine Brust um seinen Hals, wo sich ihre Finger in sein weiches Haar gruben, das er länger trug als die Vertreter der eleganten Gesellschaft. Diesmal machte Candy den ersten Schritt und küßte ihn hungrig auf die Lippen, die ihrem Ansturm sofort nachgaben und sich ihrer Zunge öffneten. Der Mann hatte irgendetwas an sich, das sie bis in die Zehenspitzen elektrisierte und ihre Barrieren einfach zu Boden riß. Etwa zehn Minuten später betraten beide wieder das Haus und suchten nach den Brautleuten, damit Candy ihre gesellschaftliche Pflicht erfüllen konnte. Gegen Mitternacht verließen sie gemeinsam den Ball und wurden von der Limousine zum Hotel gefahren, in dem Candy wohnte. Entgegen ihrer sonst so strengen Prinzipien ließ sie es einfach zu, daß Remy sie auf ihr Zimmer begleitete und verbrachte sogar die Nacht mit ihm… ~ ~ ~ „Candy? Was ist los?“ Logans dröhnende Stimme riß Candy aus ihrer Versunkenheit und sie wurde rot, als sie bemerkte, daß die Augen aller Anwesenden auf sie gerichtet waren. Was hatte Logan gesagt? Wie lange hatte sie eben vor sich hingeträumt? Sie starrte hoch zum Monitor, wo sie ein neues Bild entdeckte. Da stand Remy wieder bei einer unbekannten Person, diesmal trug er sogar diesen Trenchcoat, der seinerzeit sein Lieblingsstück gewesen war. „Wir haben leider festgestellt, daß dieser Mann keinem vom Team bekannt ist. Hast Du jemanden auf den Bildern erkannt?“, fragte Scott freundlich, der sich vorstellen konnte, daß Candy sich unter ihrer ersten Teamsitzung wohl etwas Aufregenderes vorgestellt hatte als eine ergebnislose Diashow. Sie kannte einfach zu wenig Mutanten, um ihnen in diesem Fall behilflich sein zu können, da wären seine Gedanken wohl auch abgeschweift. Sie sah kurz zu Logan rüber, der im Begriff war sich zu erheben und platzte dann einfach raus: „Der Mann heißt Remy LeBeau!“ Logan plumpste auf seinen Stuhl zurück, der unter seinem Gewicht ächzte, und die anderen starrten Candy sprachlos mit großen Augen an. „Welcher Mann?“, hakte Logan nach und die Härchen in seinem Nacken stellten sich auf, wie immer, wenn er eine ungute Vorahnung hatte. „Na, derjenige, der die Marauders zusammengestellt haben soll. Er ist es bestimmt. LeBeau ist auch ein Mutant, er kann leblose Objekte mit Energie aufladen und diese explodieren dann bei Kontakt. Am liebsten benutzt er Spielkarten und dieser Trenchcoat gehört zu seinen Markenzeichen.“ Candy wurde immer leiser beim Sprechen, weil Logans Miene immer finsterer wurde. Sie sah in die Gesichter ihrer Kollegen, die jedoch eher freudig erregt wirkten als aufgebracht. Ihr wäre wirklich lieber gewesen, wenn sie nicht diejenige gewesen wäre, die den Mann identifizieren konnte. Wieso ausgerechnet Remy, ging ihr immer wieder durch den Kopf. „Remedy, würdest Du uns erklären, woher Du diesen Mann kennst?“, fragte der Professor in die erdrückende Stille hinein und benutzte ihren Codenamen, um ihr zu zeigen, daß es sich um eine offizielle Teambesprechung handelte und keiner hier ein Interesse daran hatte, in ihre Privatsphäre einzudringen. Was sollte Candy darauf erwidern? „Es ist schon eine Weile her, über fünf Jahre, Professor Xavier. Ich habe Remy in New Orleans während des Mardis Gras kennen gelernt. Ich habe seine Frau geheilt, als sie damals angeschossen wurde. Danach habe ihn nur noch einmal in New York wieder gesehen.“ Candy hatte ihre Worte sehr sorgfältig ausgewählt und absichtlich erwähnt, daß sie Remys Frau geheilt hatte. Logan blickte jedoch keineswegs besänftigt und in den Augen einiger X-Damen konnte sie erkennen, daß sie mehr hinter ihren harmlosen Worten vermuteten. „Ich nehme nicht an, daß Du eine Adresse von ihm besitzt?“, fragte Scott hoffnungsvoll. Candy schüttelte den Kopf: „Nein, das nicht. Aber ich kenne jemanden in New Orleans, zu dem Remy regelmäßigen Kontakt hält. Und dann wäre da noch die Familie seiner Frau.“ Der Professor lächelte zufrieden: „Dann ist unser nächster Schritt klar. Remedy und Logan fliegen nach New Orleans, um diesen Mutanten aufzuspüren, der zumindest Kontakt zu den Marauders hat, wenn er nicht der Kopf der Bande ist. Es wäre ein großer Durchbruch für uns, wenn wir seiner habhaft werden könnten. Das wäre alles, wir warten die Ergebnisse der Reise ab und sehen dann weiter.“ Die Versammlung löste sich auf und die X-Men verließen in Grüppchen das Besprechungszimmer, bis nur noch Logan und Candy übrig waren. Sie blieb unschlüssig neben ihrem Stuhl stehen und sah ihn unsicher an, während er noch am Computer saß und konzentriert einige Daten eingab. „Wir fliegen Morgen sehr früh, ich will nicht in den dichten Flugverkehr kommen, wir treffen uns um sechs am Hangar.“, sagte er über seine Schulter zu ihr. „Ich werde da sein, Logan. Ich will dich nicht länger stören, wenn Du noch zu arbeiten hast. Vielleicht sehen wir uns später beim Abendessen?“ „Ja, vielleicht.“, gab er kurz angebunden zurück und sah nicht einmal in ihre Richtung. Er hatte ihrer Stimme angehört, daß sie gerne mit ihm geredet hätte, daß seine schroffe Abfuhr sie verletzt hatte, doch er brachte es im Moment nicht über sich, ihr entgegenzukommen. Candy betrachtete traurig seine gespannte Kinnlinie und den verkrampften Rücken. Das stand groß und breit: Do not trespass! Sie seufzte leise und wählte den schweigenden Rückzug, sie mußte selbst erst einmal ihre Gedanken sortieren, bevor sie mit Logan über ihre Vergangenheit sprach. Fortsetzung folgt… *Anmerkung der Autorin: Die erwähnten Charas wie Shinobi und seine Assistentin Tessa stammen aus dem X-Comic-Universum und gehören dem "Hellfire Club" an. Der Club wurde später von Emma Frost angeführt, der "White Queen", die sich öfters mit den Comic-X-Men angelegt hat, aber das ist eine andere Story... Die Verwicklungen, daß Shinobi Ärger mit Bellas Dad hat, habe ich einfach erfunden, weil es mir so in den Kram gepaßt hat. Auch die Thieves Guild gibt es im Comic, und Remy wurde von deren Anführer großgezogen. Falls ihr euch wegen dem kleinen "Schlagabtausch" zwischen Remy und Tessa wundert, sie ist ein leichtes Psi-Talent und hat versucht, Remy zu beeinflussen, doch er kennt ihre Tricks ja. Tessa und Shinobi haben nur einen kleinen Gastauftritt, deshalb habe ich ihre Fähigkeiten nicht weiter erklärt. So sieht der Leser die Konfrontation durch Candys unwissende Augen. P.S.: Remys Steckbrief ist unter Charaktere unter Punkt 8 nachzulesen. Kapitel 15: Girls' Talk ----------------------- ~ Beim Abendessen war Logan natürlich nicht aufgetaucht, Candy vermutete über sein Verhalten verschnupft, daß er raus in die Natur gegangen war und über die Ungerechtigkeiten der Welt brütete. Als sie nach dem Essen auch noch zusehen mußte, wie Jean und Scott Hand in Hand die Mansion verließen, um schick auszugehen, und dabei scherzten und alberten wie zwei Teenager, landete ihre Laune auf einem Tiefpunkt. Ihr fiel nämlich ein, daß Logan und sie noch nie ein richtiges Date gehabt hatten. Nicht daß sie ihr eine märchenhafte Fantasie über eine romantisches Dinner in einem First-Class-Restaurant vorschwebte, aber dennoch wäre ein Abend zu zweit außerhalb der Mansion doch mal so etwas wie der Anfang zu einer normalen Beziehung gewesen. Sie hatte das Gefühl, daß sie ohne diese kleinen, alltäglichen Rituale vermieden, sich über die Natur ihrer Beziehung klar zu werden. Und wenn sie ehrlich war, trug sie selbst genauso viel Verantwortung dafür wie Logan, seit der Sache mit Remy vertraute sie ihrem eigenen Urteilsvermögen nicht mehr und war Männern aus dem Weg gegangen. Candy war tief in Gedanken versunken auf die Terrasse hinaus geschlendert und fuhr zusammen, als Rogue sie lächelnd begrüßte: „Guten Abend, Candy. Möchtest Du dich zu mir setzen?“ Die junge Frau saß auf einer gemütlichen Hollywoodschaukel und hatte sich in eine warme Decke gehüllt. Es war Mitte Oktober und an Abenden schon recht kühl. Candy war froh, daß sie einen dicken Pulli übergestreift hatte, bevor sie aus dem Haus gegangen war. „Ein paar Minuten gerne.“, erwiderte sie freundlich und setzte sich neben die junge Frau, die ihr immer ein wenig gedankenverloren vorkam. „Ich habe dir noch nie persönlich dafür gedankt, daß Du mich damals geheilt hast, Candy.“, sagte Rogue unerwartet und drehte ihren Oberkörper, so daß sie Candy besser anschauen konnte. Candy wehrte natürlich sofort ab: „Bitte, Rogue. Du mußt mir nicht danken, ich habe das gerne gemacht und außerdem hat sich B- Rob schon tausend Mal dafür bedankt.“ Candy hätte fast vergessen, daß der junge Mann sich dagegen verwehrte, ständig Bobby gerufen zu werden, schließlich war er ein erwachsener Mann und kein Schuljunge mehr. Die Leute in der Mansion hatten akzeptiert, daß er von nun an Rob oder Iceman zu rufen war. Wolverine war der einzige, der den jungen Mann noch mit seinem alten Spitznamen ansprechen durfte, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. Es war nicht leicht für die ehemaligen Schüler aus dem Schatten ihrer behüteten Rolle zu treten, wenn sie graduierten und als Lehrer an das Institut zurückkehrten, wo sie von ihren ehemaligen Zieheltern empfangen wurden und von Schülern, die sie noch als ausgelassene Teenager gekannt hatten. Rogue lächelte leicht: „Trotzdem! Ich weiß von Logan, daß er nicht gerade lautere Mittel verwendet hat, dich hierher zu bekommen. Er hat mir natürlich nicht erzählt, warum er das gemacht hat. Aber der Mann vergißt immer, daß ich ihn in- und auswendig kenne und er vor mir keinerlei Geheimnisse hat.“ An Candys erstauntem Gesichtsausdruck erkannte Rogue, daß Logan mal wieder sehr mundfaul gewesen war und die arme Frau über ziemlich viel im Dunkeln gelassen hatte. „Hör zu, Candy. Logan kann sich selbst heilen, andere jedoch nicht, mit einer Ausnahme, nämlich mich. Bei Berührung sauge ich die Lebenskräfte von Menschen auf und bei Mutanten auch ihre Fähigkeiten. Logan war bei dem Einsatz dabei, als mich Pyro so zugerichtet hat. Er hat vor Ort versucht, mir seine Fähigkeiten zu übertragen. Das hat natürlich Konsequenzen für ihn gehabt. Ich hätte ihn fast wieder umgebracht.“ Rogue legte eine kleine Pause ein, damit Candy nicht von den ganzen Informationen erschlagen wurde. Als sie fragte, was Rogue mit „wieder“ gemeint hatte, erklärte sie ihrer Teamkollegin, daß Logan sie schon einmal auf diese Weise gerettet hatte, als Magneto noch ihr Feind gewesen war und Rogue als Batterie für seine Fähigkeiten mißbraucht hatte, um damit halb Manhattan mit Hilfe einer von ihm erfundenen Maschine künstlich zu mutieren. „Diesmal waren meine Verletzungen aber viel schlimmer, ich wäre beinahe schon am Einsatzort gestorben. Die Verbrennungen waren dritten Grades und ein sehr großes Hautareal betroffen. Durch Logans Eingreifen sank der Schweregrad von 3 auf 2b und 2a, aber er hätte mich nicht weiter heilen können, er wäre unweigerlich dabei gestorben. Er wollte es versuchen, doch der Professor und ich hielten ihn davon ab. Da müssen ihm wieder deine speziellen Fähigkeiten eingefallen sein.“ Candy schluckte schwer, Verbrennungen dritten Grades? Das hatte Candy bisher nur in Lehrbüchern gesehen, die Haut wurde dadurch so stark beschädigt, daß sie wie abgestorben aussah. Sie hatte sich im Laufe der Jahre ein breites medizinisches Wissen angeeignet und wußte, daß die Behandlung derartiger Verletzungen sehr heikel war. Man versetzte solche Patienten oft in ein künstliches Koma und die Heilung war selten vollständig, ziemlich langwierig und zog oft viele komplizierte Operationen nach sich. „Ich bin froh, daß er mich hergeholt hat. Das waren sicher unerträgliche Schmerzen.“, meinte Candy schließlich. „Die Du mir ohne zu zögern abgenommen hast. Ich weiß, was es bedeutet, das Leid anderer Menschen zu spüren, Du mußt dich sicher jedes Mal aufs Neue überwinden, deshalb hast du meinen vollen Respekt, Candy“, erwiderte Rogue ernsthaft. Candy lächelte sie verwundert an, sie hatte zwar bei der Heilung ein wenig von Rogues Charakter erspürt, doch da sie in tiefer Bewußtlosigkeit gelegen hatte, waren das nur nebelhafte Wahrnehmungen gewesen. Ihr wurde klar, daß sie noch sehr wenig über ihre Teamkollegen wußte. Wenn man mit Menschen, die über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügten, zu tun hatte, dann mußte man auch bedenken, daß diese Auswirkungen auf ihre Persönlichkeit hatten. Rogue konnte mit einer einfachen Berührung einem Menschen den Tod bringen, ihn vollkommen in sich aufsaugen, Candy wurde nun klar, daß ihr distanziertes Wesen darin seinen Ursprung hatte. In ihrem Fall hätte sie auch Angst gehabt, den Menschen zu nahe zu kommen, auch wenn sie inzwischen fähig war, ihre Anlagen zu kontrollieren, würde es wohl Jahre dauern, bis Rogue diese Unsicherheit überwunden hatte. „Ich muß mich noch daran gewöhnen, daß hier alle anderen genauso mit ihrer Mutation zurecht kommen müssen wie ich. Irgendwie vergesse ich immer wieder, wo wir hier sind, weil sich hier alle so normal verhalten. Ich fühle mich schon richtig zuhause.“, schloß Candy, wobei ihre Stimme etwas unsicher klang und ihr Blick in die Dunkelheit schweifte zum nahegelegenen Wald, wo sie Logan vermutete. Rogue legte ihr eine Hand auf den Unterarm, den Candy auf der Rückenlehne abgelegt hatte, so daß sie sich ihr wieder zuwandte. „Laß dich von seinen Launen nicht abschrecken. Es ist ein Teil seiner animalischen Natur, er muß oft schwer dagegen ankämpfen, seine Urinstinkte nicht Überhand gewinnen zu lassen. Du hast ihn vorhin wohl ziemlich geschockt.“, meinte Rogue und grinste spitzbübisch. Candy erwiderte mit einem leisen, verlegenen Lachen: „Ich war selbst geschockt, ich hätte nie gedacht, daß ich in diese Sache verwickelt sein könnte. Außerdem ist es fünf Jahre her!“ Rogue zog die Augenbrauen hoch und ihr Grinsen wurde breiter: „Das mag sein, aber der Kerl sieht verdammt gut aus und ihr beide sollt ihn nun auch noch aufspüren. Sagen wir es mal so: Logan hat wohl panische Angst vor Konkurrenz. Genau genommen ist es ausgleichende Gerechtigkeit!“ Hier brach Rogue in schallendes Gelächter aus und ihre grünen Augen blitzten fröhlich auf, bis sie sich die Seiten halten mußte und nach Luft schnappte. Candy konnte nur verdutzt zusehen und sich fragen, was Rogue mit ihrer Anspielung wohl meinte. Es dauerte einige Zeit, bis sich Rogue von ihrem Heiterkeitsausbruch erholt hatte und wieder sprechen konnte, ohne dabei zu japsen. „Sorry, Candy! Die Erkenntnis kam mir eben gerade, ein altes Erinnerungsfragment von Logan schoß mir durch den Kopf, und ich konnte förmlich spüren, was ihn wohl so aufgebracht hat.“, erklärte Rogue, wobei ihre Augen immer noch vergnügt leuchteten. „Als Logan zum ersten Mal in die Mansion kam, hat er sofort eine Schwäche für Jean entwickelt. Sie war damals schon mit Scott verlobt, doch plötzlich war ein neues Alpha-Männchen im Rudel, das Jean außerordentlich anziehend fand. Ich denke, es machte ihr Spaß, ein wenig mit dem wilden Kerl zu flirten, doch am Ende blieb sie bei Scott. Frag mich bloß nicht, was sich Logan dabei gedacht hat, dazu sage ich nur: Nicht viel!“ Candy wußte nicht, ob sie über Rogues Frechheiten lachen oder auf Logans Gefühle für Jean eifersüchtig reagieren sollte, obwohl sie wußte, daß das total kindisch wäre. Rogue ließ ihr keine Zeit, zu einer Entscheidung zu kommen, denn sie fuhr fort, ihren Gedankengang zu erklären: „Jetzt stell dir mal vor, daß ihr diesen Remy findet und ihn hierher bringt. Dann würde er durchaus die Kriterien eines „Bad Guy“ erfüllen, mit dem Du in der Vergangenheit eine bisher ungeklärte Verbindung hattest. Männer mögen solche Konkurrenz gar nicht, frag Scott, wie es ihm ging, als Logan ihm das Leben zur Hölle gemacht hat.“ So betrachte hatte Rogue recht, wenn Remy sich seit ihrem letzten Treffen nicht verändert hatte, dann würde wohl jeder Mann in der Mansion, der eine feste Beziehung hatte, den passionierten Womanizer als äußerst lästige Konkurrenz betrachten. Und wenn sie in sich ging und ehrlich gegen sich selbst war, dann würde eine von Logans alten Flammen hier in der Mansion sie auch die Wände hochtreiben. Allein der Gedanke an Jean und ihre Vergangenheit mit Logan schnürte ihr vor Eifersucht die Kehle zu. Fünf Jahre waren wohl doch keine so lange Zeitspanne, wie sie gedacht hatte. Candy lächelte ihre Kollegin dankbar an: „Ich danke dir, daß Du mir das alles erzählt hast, Rogue. Ich hoffe, daß ich dich damit in keine unangenehme Situation bringe.“ Rogue wehrte lachend ab: „Keine Sorge, ich darf mir Logan gegenüber mehr rausnehmen als jeder andere. Das ist der einzige Vorteil meiner Mutation: Ich kenne Logans Gedankengänge so gut, daß ich jeden Streit mit ihm gewinne!“ Candy stimmte in Rogues Lachen ein, sie saßen noch ein paar Minuten zusammen, bis ihr zu kalt wurde und sie der Teamkollegin eine Gute Nacht wünschte. Bevor sie die Terrasse verließ, rief ihr Rogue noch zu: „Gute Nacht, Candy! Und bei Gelegenheit solltest Du Wolverine mal nach seinem Alter fragen.“ Candy warf stirnrunzelnd einen Blick zurück auf Rogue, die jedoch nur ein rätselhaftes Lächeln in ihre Richtung warf und ihr mit der Hand zum Abschied zuwinkte. Candy hob ebenfalls kurz ihre Hand und verschwand dann sehr nachdenklich im Haus. Wieso sollte sie Logan nach seinem Alter fragen? Sie war kein Teenager mehr und mit 29 doch im richtigen Alter, um mit einem Mann Mitte Dreißig eine wie auch immer geartete Beziehung zu führen. So in ihren Gedanken versunken, merkte sie nicht, daß ihre Füße sie instinktiv zu Logans Zimmer geführt hatten. Sie klopfte kurz an und nachdem sich keiner meldete, öffnete sie die Tür und schlüpfte in sein Zimmer hinein. Sie würde hier auf ihn warten… . . . New York hatte sie wieder, die Zeit in New Orleans erschien Candy wie ein flüchtiger Traum, der sich einem entzieht sobald man die Augen öffnet und in der wirklichen Welt aufwacht. Remy war ein Teil dieser Illusion, doch sie litt unter der Trennung als wäre sie auf Entzug, als würde ihr Körper mit jeder Zelle nach ihm gieren. Das Gefühl war so stark, daß Candy richtig Angst davor bekam, sie konnte sich die Heftigkeit ihrer Reaktion einfach nicht erklären. Candy stürzte sich lieber in die Arbeit, sie bereitete eine neue Ausstellung vor, deren Herzstück die vollendete Serie „Visions of the Night“ sein würde. Bei einem nächtlichen Streifzug durch das Künstlerviertel Greenwich Village fiel ihr Blick auf die Auslage einer Apotheke, in der eine alte Arzttasche und die dazugehörenden Instrumente im Schaufenster aufgebaut waren. Sie stand noch unter dem starken Eindruck der Ausstellungsvorbereitungen und der Anblick der Arzttasche brachte einen unfertigen Gedanken in ihr zum Klingen. Sie würde ihre eigene Arzttasche packen und auf nächtliche Patrouillen gehen, dahin, wo sie niemandem auffallen würde. So wie in New Orleans. Sie würde dann in der Lage dazu sein, Menschen mit ihrer Fähigkeit zu helfen, oder gar solchen, die wie sie ein wenig mehr von der Natur begünstigt waren, und deshalb den Besuch eines herkömmlichen Arztes scheuten. Vier Wochen waren seit ihrem Entschluß vergangnen und Candy ging drei bis vier Mal die Woche auf Patrouille, wie sie es nannte, dabei öffnete sich ihr eine völlig neue Welt. Es war unglaublich, daß es so viele Mutanten in New York City gab, die ihr bisher gar nicht aufgefallen waren. Im Schutze der Dunkelheit kamen sie aus ihren Verstecken und waren oft das Opfer von Angriffen durch Verbrecher oder Mutantengegner. Heute Nacht hatte es eine Massenschlägerei in einer Bar gegeben, nachdem ein illegales Kartenspiel ziemlich ausgeartet war. Candy hatte so viele Verletzte wie möglich versorgt, ohne als Heilerin aufzufallen. Sie wußte instinktiv, daß ihr Status geheim bleiben und sie ihr Inkognito in jedem Fall wahren mußte. Sie lief leichtfüßig die dunklen Treppen zu ihrem neu erworbenen Loft hoch, den Erlös ihrer letzten Ausstellung hatte sie als Anzahlung für eine Eigentumswohnung verwendet, noch ganz berauscht von ihren vielen Heilungserfolgen, doch auch leicht im Kopf, weil ihr ziemlich viel Energie abgezapft worden war und sie nun einen Bärenhunger verspürte. Sie beschloß, gleich Morgen in die nächste Bibliothek zu gehen, um den Energiehaushalt des menschlichen Körpers zu studieren. Es mußte doch eine andere Möglichkeit geben, ihren Energieverbrauch schneller auszugleichen als mit simpler Nahrungsaufnahme. Vielleicht fand sie Hinweise bei Extremsportlern wie Bergsteigern oder Marathonläufern. Sie kramte mit einem zufriedenen Lächeln nach ihren Schlüsseln, als sie eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahrnahm. Sie hörte leises Atmen und ihr entfuhr ein erstickter Schrei. Eine Hand griff nach ihrem Handgelenk und die Schlüssel glitten aus Candys schwachen Fingern und fielen mit einem lauten Klirren zu Boden. „Calme-toi, princesse, c’est moi, Remy“, hauchte eine tiefe Männerstimme in ihr Ohr. (Beruhig dich, Prinzessin, ich bin es, Remy.) „Remy?“, brachte Candy mit dumpfer Stimme hervor und streckte die Hand aus, um sie ihrem Gegenüber auf die Brust zu legen. Sie spürte das weiche Leder seines Mantels unter ihren Fingern und atmete erleichtert aus. „Was machst Du hier im Dunkeln?“, fragte Candy plötzlich ungehalten und bückte sich nach ihrem Schlüsselbund. Sie schloß die Tür auf und machte gleich das Licht an, um sich davon zu überzeugen, daß er keine Einbildung war. „Sacrebleu! Du bist vraiement brutale“, meckerte Remy und bedeckte seine Augen schützend mit einer Hand, weil ihn das starke Licht blendete, nachdem er über zwei Stunden im dunklen Treppenhaus auf sie gewartet hatte. Er trug heute keine Sonnenbrille und als er die Hand runter nahm, sah Candy die Spuren von Übermüdung in seinem sonst so makellosen Gesicht. Sie stellte ihre Tasche ab und legte ihre Jacke über die Truhe neben der Tür, die ihr als provisorische Garderobe diente. „Komm rein, ich bin gerade umgezogen, also wundere dich nicht über die vielen Kartons. Sie lief in die Küche und ging an den Kühlschrank, wo ein Vorrat an zuckersüßer Schokoladenmilch auf sie wartete, die sie selbst mit viel Traubenzucker anreicherte. Unter normalen Umständen wäre ihr von diesem sirupartigen Gebräu schlecht geworden, doch nach harten Einsätzen schmeckte es wie Ambrosia. Sie nahm eine Flasche und trank den Inhalt gierig auf ex, der Schreck über Remys plötzliches Auftauchen schien ihre Kraftreserven bis zum Nullpunkt ausgesaugt zu haben. Remy lehnte an ihrer unfertigen Theke - ein Freund wollte sie noch mit Alu verkleiden - und sah ihr besorgt zu, während sie ein den Inhalt einer zweiten Flasche vertilgte. „Wo hast Du gesteckt? Es ist mitten in der Nacht und ich glaube nicht, daß Du von einem Fotoshooting kommst.“ Candy drehte sich heftig herum und starrte ihn ungläubig an. „Hast Du den Verstand verloren, Remy? Du tauchst unangemeldet in meiner Wohnung auf und spielst dich auf?! Es geht dich gar nichts an, was ich treibe oder mit wem!“, schnaubte Candy verächtlich und pfefferte die leere Flasche mit mehr Gewalt als nötig in die Müllklappe. Remy schien blasser zu sein, als noch vor ein paar Minuten, jedenfalls kam es Candy so vor. Es wunderte sie auch, warum er ihr keine Widerworte gab, er war doch sonst nicht von der stummen Truppe… „Candy, ich hoffe, das Zeug hat dich wieder auf die Beine gebracht, ich brauche deine Hilfe...“ Nach diesen dahin gehauchten Worten schwankte Remy bedenklich und glitt dann im Zeitlupentempo auf den Boden. Candy stand einen Moment wie erstarrt und sprang ihm dann zur Hilfe, sie konnte jedoch seinen Sturz nur abmildern, denn er war viel zu schwer, um ihn aufzufangen. Seine gespenstige Blässe verursachte Candy eine Gänsehaut. Wieso hatte sie nicht vorher gemerkt, daß es ihm schlecht ging?, dachte sie beklommen. Sie nahm seine linke Hand in ihre und suchte nach dem Grund für seine Ohnmacht. Candy war entsetzt, als sie das Ausmaß seiner Verletzungen erspürte, es war ein Wunder, daß er sie aufrecht stehend begrüßt hatte. Mehrere Rippen waren gebrochen, er blutete innerlich und seine rechte Hand war innerlich fast in ihre Einzelteile auseinander gefallen, als hätte sie in einem Schraubstock gesteckt. Sie brauchte alle frisch aufgeladene Energie, um Remy vollständig von seinen Verletzungen zu heilen. Sie lud ihre Kraftreserven erneut auf, bevor sie Remy, der immer noch bewußtlos am Boden lag, weckte. Er konnte schlecht die Nacht auf dem Boden verbringen und er war viel zu schwer, um ihn in ihr Bett zu tragen. Mit Hilfe von etwas Riechsalz brachte sie ihren Patienten wieder zur Besinnung. Er blinzelte verwirrt und seine Augen blickten sich hektisch um, als suchte er nach einem Angreifer. „Le diable, il est le diable en personne. Je... Candy?“, fragte er unsicher und streckte seine Hand aus, um sie sanft an der Wange zu berühren. (Der Teufel, er ist der Teufel in Menschengestalt…) „Ja, ruhig, Du bist hier in Sicherheit. Hier wird dir keiner etwas tun, Remy. Wer hat dir das angetan, deine Verletzungen waren sehr schwer.“ Candy strich ihm zärtlich eine Haarsträhne aus der Stirn und sah ihn besorgt an. Remy wich ihrem Blick aus und setzte sich auf, Candy wich zurück und sah zu, wie er auf die Füße sprang, was er jedoch bereute, als ihn ein leichter Schwindel erfaßte. Candy erhob sich ebenfalls und meinte: „Mach langsam, Du bist zwar geheilt, aber dein Körper braucht dennoch Ruhe. Du mußt dich von dem Schock der Heilung erholen, Du wirst dich wohl eine Weile ein wenig eigenartig fühlen. Ich kann es dir leider nicht genauer erklären, weil ich bisher nicht viele Daten darüber habe sammeln können.“ „Okay, kann ich mich auf deine Couch legen, ma petite?“, fragte Remy und sah ihr treuherzig in die Augen. Candy verzog den Mund und seufzte dann innerlich: „Leider nein, Du wirst dir mit mir meine Matratze teilen müssen. Ich habe noch nicht alle Möbel geliefert bekommen. Es ist alles ein wenig provisorisch.“ Remy lächelte sie strahlend an: „Très bien! Ich wußte, daß ich mich auf dich verlassen kann.“ Candy verdrehte die Augen und wies ihn dem Weg zu ihrem provisorischen Schlafzimmer, das sie mit einem schweren samtenen Vorhang vom Rest der Wohnung abgeteilt hatte. Auf dem Boden lag eine große Matratze, die sie in orientalisch anmutender Üppigkeit mit vielen bunten Kissen dekoriert hatte. Candy runzelte die Stirn, als ihr klar wurde, daß sie Remy praktisch in die perfekte Liebeshöhle geführt hatte. „Hier ist Platz genug für uns beide, wir werden ungestört schlafen kön…“ Candy blieb das letzte Wort in der Kehle stecken, da sie sich zu Remy umgedreht hatte, der nur noch in Unterwäsche vor ihr stand und eben seine letzte Hülle herunterzog, so daß er bald splitternackt vor ihr stand. Ihr Mund fühlte sich mit einem Mal staubtrocken an und sie hatte das Gefühl, daß ihr das Herz bis zum Hals schlug. Völlig ungeniert kroch Remy unter die Decke und machte es sich auf ihren weichen Kissen bequem. Mit einem breiten Grinsen sah er zu ihr hoch: „Ich fühle mich wie ein Sultan, princesse! Dein Stil gefällt mir.“ Candy enthielt sich eines Kommentars und suchte aus ihrer Kommode Pyjamahosen und ein Shirt heraus, sie hatte nicht vor, sich nackt schlafen zu legen, auch wenn sie das die meiste Zeit vorzog. Remy war hier als ein Patient, bestenfalls als ein Freund, sie wollte nicht an New Orleans anknüpfen, wo sie alle Prinzipien über Bord geworfen hatte und sich in ein Abenteuer mit einem Frauenhelden gestürzt hatte, der immer noch verheiratet war. Sie hatte den Schreck ihres Lebens bekommen, als sie die Familie Boudreaux in Remys Begleitung aufgesucht hatte und Belladonna beiläufig in einem Gespräch erwähnt hatte, daß Remy und sie eine sehr komplizierte Ehe führten. Zurück im Hotel hatte sie Remy eine Szene gemacht, die sich gewaschen hatte und zu ihrer Schande war sie wieder mit ihm im Bett gelandet. Wie sehr hatte sie sich am nächsten Tag dafür geschämt, besonders als eine Lieferung von Bella für sie im Hotel angekommen war. Sie hatte sich mit der jungen Frau über ihren Wunsch unterhalten, in New York Wohneigentum zu erwerben und mögliche Einrichtungsstile diskutiert. Candy hatte ihre Schwäche für schwere Stoffe und orientalische Schnörkel eingestanden und Bella hatte sich bei ihr für ihre Rettung bedankt, indem sie ihr einen wunderschönen Kristallspiegel schenkte, der mit filigranen vergoldeten Ornamenten verziert war. Dieser Spiegel hing eben über ihrer Kommode und sie konnte in diesem Augenblick ihr Spiegelbild darin betrachten. ‚Du wirst dich nicht noch einmal von seinem Charme einlullen lassen. Der Kerl ist ein Egoist durch und durch. Ich kann mir gut vorstellen, warum die Ehe mit ihm kompliziert ist.’, sprach Candy in Gedanken zu sich selbst und blickte sich dabei streng in die Augen, wie um sich anzuspornen, dem Mann nicht nachzugeben, wie verführerisch er auch sein mochte. Ihre guten Vorsätze hatten nur bis zum nächsten Morgen gehalten… ~ Logan betrat sein Zimmer und ihm wurde sofort klar, daß er nicht allein war, als ihm sein Geruch vermischt mit dem einer anderen Person in die Nase stieg. Candy war hier, in diesem Augenblick. Er blickte zum Bett, doch das lag verlassen da, obwohl jemand darin gelegen haben mußte. Logan sah sich stirnrunzelnd um, während er die Tür leise ins Schloß drückte und abschloß. Er blickte zu dem schweren Sessel, der am Kamin stand, wo er oft die Nächte durchlas, wenn er innerlich zu unruhig war, um sich schlafen zu legen. Dort hingen zwei nackte Beine über der Lehne. „Candy?“, flüsterte Logan und ging um den Sessel herum. Sie lag eingehüllt in eines seiner weichen Flanellhemden quer über dem Sessel, so daß ihr die Lehne als Kissen diente und schlief tief und fest, wie er an der Tiefe und Regelmäßigkeit ihrer Atemzüge erkennen konnte. Er konnte sie nicht so liegen lassen, in dieser Position würde sie kaum die nötige Ruhe für den morgigen Einsatz finden. Logan nahm sie vorsichtig hoch und als er sie sicher in seinen Armen hatte, trug er sie zum Bett, wo er sie behutsam ablegte. Sie hatte das Hemd nicht zugeknöpft und es klaffte auf, als Logan die Decke unter ihr heraus zog. Er verharrte in der Bewegung und starrte ihre weichen Formen an, die nun vom Mondlicht beschienen wurden und ihrer Haut einen silbernen Schimmer verliehen. Er hatte noch nie etwas Erotischeres gesehen, als die selbstvergessene Schläferin, die in sein Hemd gehüllt war, als wollte sie das Gefühl heraufbeschwören, von ihm umarmt zu werden. Er setzte sich vorsichtig neben sie und beobachtete sie im Schlaf, dabei schalt er sich einen Narren. Er hatte sich wie ein kompletter Idiot verhalten, nachdem Candy dem Team mitgeteilt hatte, daß sie die gesuchte Person kannte. Es war ihm klar gewesen, daß er nicht der einzige Mann in Candys Leben gewesen sein konnte. Was für eine Vermessenheit! Allein dafür hätte er es verdient, in ein kaltes Bett zu kommen. Aber wegen einer alten Geschichte so einen Ärger zu machen? Das war wirklich unterste Schublade. Aber er war auch nicht besonders gut darin, vor Frauen zu Kreuze zu kriechen. Was sollte er nun machen? „Nein!“ Logan zuckte erschrocken zusammen, als Candy plötzlich sprach und den Kopf heftig hin und her warf. „Wie konntest Du nur!“, sagte sie vorwurfsvoll. Candy schluchzte im Schlaf auf und dann quollen dicke Tränen unter ihren geschlossenen Augenlidern hervor, worunter Logan die unruhigen Augenbewegungen der REM-Schlafphase erkennen konnte. Candy schien einen heftigen Alptraum zu durchleben. „Du Mistkerl! Ich will dich nie wieder sehen!“, brachte sie hervor und ihre Stimme klang tränenbelegt. Logan umfaßte ihre Schultern und rüttelte sie leicht, um sie zu wecken, er konnte nicht zulassen, daß sie weiter von ihren Träumen gequält wurde. „Candy, wach auf! Du träumst!“, sagte Logan eindringlich und schüttelte sie wieder, dieses Mal etwas fester. Sie riß ihre Augen auf und starrte ihn ohne ein Zeichen des Erkennens an. „Laß mich, ich sagte, daß ich die nie wieder sehen will, Du Bastard!“, schrie Candy aufgebracht und schlug wild um sich, als sie die Hände eines Mannes um ihre Schultern spürte. Logan wurde unsanft auf der Nase getroffen, bevor er ihre Fäuste einfangen konnte und sie mit einer Hand an seine Brust gedrückt hielt. „Candy, ich bin es Logan, Du hast nur schlecht geträumt“, sprach er mit beruhigender Stimme auf sie ein. Ihre Gegenwehr erschlaffte und dann sah sie traurig mit tränenverschmierten Augen zu ihm hoch. „Logan?!“, wisperte sie unsicher. „Es tut mir leid, ich, was ist passiert?“ Logan strich ihr sanft mit dem Daumen die Tränen von der Wange und antwortete: „Du hast schlecht geträumt. Du hast gesagt, daß Du mich nie wieder sehen möchtest und daß ich ein Mistkerl und ein Bastard bin. Es tut mir leid, wenn dich mein Verhalten so sehr aufgebracht hat, daß Du davon Alpträume bekommst.“ Logan war selbst überrascht, wie leicht ihm die Entschuldigung in Angesicht von Candys Tränen über die Lippen kam. Candy riß ungläubig die Augen auf, als Logan sich für sein Verhalten entschuldigte. Sie überlegte, ob sie eine Auseinandersetzung einfach vergessen hatte, aber sie hatte ihn ja gar nicht mehr nach dem Abendessen gesprochen. Sie war in sein Zimmer gegangen, nachdem sie sich mit Rogue unterhalten hatte, um auf ihn zu warten. Als er um elf immer noch nicht auf sein Zimmer gekommen war, war sie aus dem Bett geschlüpft und hatte sich in eines seiner Hemden gehüllt in seinen Sessel gesetzt. So hatte sie der Illusion hingeben können, in seinen Armen einzuschlafen. Bevor sie eingeschlafen war, hatte sie an ihre Anfänge als „Undercover-Heilerin“ gedacht und daran, wie Remy sie in New York aufgesucht hatte, nachdem er von einem unbekannten Gegner krankenhausreif geprügelt worden war. Remy! „Ich habe nicht dich gemeint, Logan“, erklärte Candy leise und richtete sich im Bett auf. Sie zog sein Hemd vor ihrer Brust zu und umschlang ihre angezogenen Beine. Logan kannte sie inzwischen gut genug, daß sie das immer machte, wenn sie unsicher oder etwas beichten wollte, was ihr peinlich war. „Wer sollte sich zum Teufel scheren, Candy?“, fragte Logan sanft und strich ihr eine wirre, dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich meinte Remy. Ich muß wohl von ihm geträumt haben. Ich habe gedacht, daß ich das alles schon längst vergessen hätte. Immerhin hatte meine Bekanntschaft mit ihm etwas Gutes, durch ihn bin ich auf die Idee gekommen, auf meine nächtlichen Patrouillen zu gehen.“ Logans Blick verdüsterte sich etwas, aber diesmal, weil er spürte, daß Remy Candy verletzt haben mußte, denn sonst hätte sie wohl kaum Alpträume, die ihn betrafen. „Was hat der Dreckskerl dir angetan?“, grummelte Logan erbost und runzelte dabei die Stirn. Candy lächelte ihn zögernd an: „Du mußt mich nicht beschützen, Logan. Ich war selbst schuld, ich hätte selbst darauf kommen müssen. Er hat einfach mein Vertrauen mißbraucht und das hat mich damals sehr aufgeregt. Ich begann, an meinen Fähigkeiten zu zweifeln und wurde sehr vorsichtig im Umgang mit Männern. Und dann traf ich dich…“ Candy ging auf die Knie und umschlang ihn mit ihren Armen, um ihren Kopf an seine Schulter zu betten. Logan nahm sie fest in die Arme und drückte sie an sich, während ihm klar wurde, was sie da gesagt hatte. Er hatte mit seinem ersten Eindruck doch nicht so falsch gelegen, sie war unerfahren und zudem noch von einem miesen Kerl enttäuscht worden. Gott! Das war eine ziemliche Verantwortung und er wußte nicht, ob er der Richtige war, um diese Erfahrung wieder auszugleichen. Er hatte so viele Fehler und Eigenheiten, die er eine ganze Weile gehegt hatte, war daran gewöhnt, alleine zu sein und ziemlich egozentrisch. Man konnte ihn wohl kaum als den idealen Seelentröster bezeichnen. Wäre ein Mann wie zum Beispiel Scott Summers nicht viel besser geeignet, Candy die nötige Geborgenheit und Sicherheit zu geben? Das Tier in ihm fletschte bei dem Gedanken sofort die Zähne und ging in Angriffsstellung, er würde jeden Heini, der sich Candy auch nur auf einen Meter näherte, in Stücke reißen. Logan atmete tief durch, um seinen Anfall von unbegründeter Eifersucht zu unterdrücken. Seine Urinstinkte trieben ihn dazu, seine Partnerin mit Haut und Haaren besitzen zu wollen, und er mußte sich des öfteren ins Gedächtnis rufen, daß er ein Homo Sapiens war und kein triebgesteuerter Vierbeiner. Er hätte gerne erfahren, wie dieser Kerl Candy enttäuscht hatte, doch ihre Lippen wanderten gerade seine Kehle hinauf und verschlossen ihm dem Mund mit einem innigen Kuß, bevor er die Frage stellen konnte. Seine Hände glitten unter das Hemd, das sie sich von ihm ausgeliehen hatte, wo sie sich warm und weich anfühlte, und sie begann seine Hemdknöpfe mit fiebrigen Fingern zu öffnen, plötzlich war alles egal und er ließ sich mit ihr nach hinten auf die Matratze gleiten, wo sie sich an seinen Hosen zu schaffen machte. Morgen…, dachte Logan, als sich Candy halb aufrichtete und sich küssend einen Weg über seine Brust nach unten bahnte. Fortsetzung folgt… Kapitel 16: Rondtrip to New Orleans ----------------------------------- X X X Auf dem kleinen Flughafen außerhalb von New Orleans hatte sie eine warme Brise begrüßt, die einen den nahenden Winter im Osten vergessen machen konnte. Unter anderen Umständen hätte Candy die Reise in die pulsierende Metropole Louisianas in Logans Begleitung viel eher genießen können. Soviel zu ihrer Vorstellung von einer normalen Beziehung! Sie mieteten sich eine Limousine mit Navigationssystem, nachdem sie die Sicherheitskontrollen des Flughafens ohne Zwischenfälle passiert hatten. „Logan, wie ist das möglich, daß Du unbehelligt durch die Metalldetektoren schlüpfen konntest?“, fragte ihn Candy neugierig, als sie neben ihm saß und er sich rasant in den Verkehr der Interstate einfädelte, die sie zum Stadtzentrum bringen würde. Logan bestand ja praktisch von Kopf bis zu den Füßen aus dem Edelmetall Adamantium und müsste eigentlich einen Alarm ausgelöst haben. Er sah kurz zu ihr rüber, wo Candy ein amüsiertes Aufblitzen in seinen Augen entdecken konnte. „Warst Du eben deshalb so nervös? Ich hätte dir vielleicht sagen sollen, daß ich für jegliche elektronische Überwachung unsichtbar bin. Ich habe das in Australien machen lassen, wo Charles einige Verbindungen hat. Ansonsten würde ich wohl ständig irgendwo Sirenengeheul auslösen.“, meinte Logan trocken, als wäre es alltäglich, die Sicherheitsmaßnahmen an Flughäfen zu überlisten. Zwei Stunden später waren sie im Wirrwarr des French Quarters unterwegs und folgten den Anweisungen des Navigationssystems, das sie sicher zu ihrem Zielort führte. Die „Cachette“ war um diese Uhrzeit noch geschlossen, es war noch nicht mal Mittag, und Candy führte Logan hinter das Haus, wo sich die Hofeinfahrt befand, über die sie die Wohnung von Maman Mèmène erreichen konnten. Bei Tageslicht wirkte die Einfahrt nicht mehr so gruselig wie an dem Abend, als sie in Remy hineingelaufen war. Im Treppenhaus war es jedoch dunkel und Candy fühlte sich sofort fünf Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt. Hier sah alles noch genauso aus wie in der Nacht, als sie Remy zum ersten Mal begegnet war. Nein, diesmal führte sie den Weg an und ein Mann, dem sie ihr Leben blind anvertrauen konnte, folgte ihr so dicht, daß sie seine beruhigende Körperwärme in ihrem Rücken spüren konnte. An der verwitterten Holztür klopfte Candy energisch an und wartete dann darauf, daß jemand öffnete. „Da kommt jemand!“, meinte Logan leise, der mit seinen empfindlichen Ohren auch das Trippeln von Mäusefüßchen durch eine massive Wand hindurch vernehmen hätte können. Die Tür wurde einen Spalt breit geöffnet und Candy hörte das Klimpern des Perlenvorhangs, als er genau wie damals zur Seite geschoben wurde. „Qu’ est-ce que vous voulez? (Was wollen Sie?)“, fragte eine junge Frau und sah sie aus dunklen Augen stechend an, die dick mit schwarzem Kajal betont waren. Candy hielt Logan zurück, der schon drauf und dran war, die Tür gewaltsam aufzustoßen. „Guten Tag, ich heiße Candy Genova und würde gerne mit Maman Mèmène sprechen, wenn sie noch hier wohnt.“ Die junge Frau zog eine Augenbraue hoch und streifte Logan mit einem verächtlichen Blick, den er mit düsterer Miene erwiderte. Candy hätte am liebsten die Augen verdreht, Logan besaß nicht wirklich ein Talent dafür, sich bei Fremden beliebt zu machen. „Bien, entrez!“, sagte die junge Frau knapp und hielt den Vorhang zur Seite, während sie die Wohnung betraten. Sie ging voran und fuhr fort: „Ich möchte nicht, daß Sie meine Tante aufregen. Und glauben Sie mir, ich habe Mittel, das zu verhindern.“ Bei den letzten Worten warf sie Logan einen herausfordernden Blick zu, den er mit einem süffisanten Grinsen quittierte. Logan konnte Herausforderungen nur schlecht widerstehen und wenn sie von hübschen Frauen kamen dann noch weniger. Das mußte der alte Macho in ihm sein. „Logan, halt dich bloß zurück, ich möchte gerne ein paar Informationen bekommen, okay?“, flüsterte Candy ihm zu, als die junge Frau vor einer Tür stehen blieb. Ein kurzes Brummen war alles, was Logan daraufhin von sich gab. „Tata, ici est une Candy Genova qui veut parler avec toi. Soll ich sie zu dir lassen?“, rief die Frau in das Zimmer hinein, als sie die Tür geöffnet hatte. (Tantchen, hier ist eine Candy Genova, die mit dir sprechen möchte) Logan lief schon auf die Tür zu, doch er kam nicht weit, er lief gegen eine unsichtbare Wand und fluchte leise, als sein Schädel mit einem metallischen Scheppern dagegen knallte. „Non, mon chère! Erst wenn ich es erlaube!“, grinste die junge Frau und hob den Zeigefinger, als wäre er ein unartiger Schuljunge, den sie bei einem Streich ertappt hatte. „Merveille!! Hör sofort auf, meine Gäste zu ärgern. Candy ist eine alte Freundin, laß sie passieren!“, rief eine ihr bekannte Stimme aus dem Zimmer. Die Angesprochene rümpfte die Nase und deutete mit einer grazilen Geste ihrer rechten Hand an, an der sie jede Menge Gold in Form von Ringen und Armreifen trug, daß das Hindernis beseitigt war. Sie war so groß wie Logan und konnte ihm daher genau in die Augen sehen, als er nach Candy das Zimmer betrat. Die Haut zwischen seinen Knöcheln juckte unangenehm, weil er am liebsten seine Klauen gezückt hätte, um der Frau ein paar Manieren beizubringen, doch um Candys Willen hielt er sich zurück. Bei dieser Mission war sie schließlich der Boß! Candy erschrak, als sie Mèmène erblickte. Die resolute Schwarze war nur noch ein Schatten ihrer selbst, ihre Wangen waren eingefallen und sie lag in einem Bett mit unzähligen bunten Kissen im Rücken. „Mein Gott! Was ist passiert?“, fragte Candy bestürzt und rannte auf das Bettende zu, wo sie sich am Rahmen abstützte und die früher vor Lebenskraft strotzende Frau bestürzt ansah. Die junge Frau namens Merveille setzte sich zu ihrer Tante aufs Bett und nahm ihre knochige Hand in ihre. „Ist sie das, Tata?“, fragte sie leise und die ältere Frau nickte schwach. Logan stellte sich neben Candy und sah sie fragend an, doch sie verstand selbst nicht, was die beiden Frauen meinten und konnte nur ahnungslos mit den Schultern zucken. Merveille drehte sich zu ihnen um, in ihren schönen Schokoladenaugen schimmerten Tränen und ihre ganze hochmütige Haltung schien wie weggefegt zu sein. Sie strich sich nervös die langen, schwarzen Haare hinter beide Ohren und verursachte damit ein leises Klimpern, da sie schwere Ohrhänger trug, an denen goldene Plättchen befestigt waren, die bei jeder Bewegung aufeinander trafen. Merveille nahm einen tiefen Atemzug und sagte dann schließlich: „Meine Tante ist sehr krank, sie hat Lungenkrebs, es haben sich schon Metastasen gebildet und die Ärzte geben ihr höchstens noch ein paar Monate. Sie sind unsere letzte Hoffnung!“ Mèmène richtete sich keuchend auf und tätschelte ihrer Nichte die Hand. „Das klingt so dramatisch, ma petite. Ich habe keine Angst vor dem Tod. Wir können von Candy nicht verlangen, daß sie mir hilft. Wenn das überhaupt möglich ist“, brachte die Kranke mit fester Stimme hervor, wurde aber durch einen Hustenanfall durchgeschüttelt, der sie wieder in die Kissen zwang. Candy atmete tief durch, mit Krebs hatte sie nicht viele Erfahrungen, denn sie hatte auf ihren Missionen meist Schnittwunden, Knochenbrüche und dergleichen geheilt. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann. Aber ich werde es natürlich versuchen, Mèmène. Warum habt ihr mich nicht schon früher gerufen?“ Candy nahm auf der anderen Seite des Bettes Platz und ergriff die Hand der älteren Frau, die immer noch eine Vorliebe für bunte Turbane zu haben schien. Sie begann, die Frau zu lesen und stellte eine massive Degeneration der Lunge fest und auch die unnatürlichen Wucherungen an anderen Organen in ihrem Körper. „Merveille, ich kann deiner Tante Linderung verschaffen, muß aber später etwas zur Stärkung zu mir nehmen. Könntest Du etwas vorbereiten?“ Mèmène lachte gackernd: „Richte ihr einen Bread Pudding mit extra viel Alkohol und Zucker, hörst Du? Das wird auch ihrem Begleiter schmecken. Il es très mignon!“ Candy kicherte leise, ihr wäre nicht im Traum eingefallen, Logan als „niedlich“ zu bezeichnen. Sie blickte lieber nicht in seine Richtung, denn er hatte wohl verstanden, was Mèmène gesagt hatte, als Kanadier sprach er bestimmt auch Französisch. Merveille wollte, daß Logan sie nach draußen begleitete, doch er schüttelte nur den Kopf, er würde Candy nicht aus den Augen lassen. Sie mochte sich hier sicher fühlen, er war aber lieber weiterhin wachsam, die Kräfte der jungen Frau waren doch ziemlich beunruhigend. „Also, warum wurde ich nicht gerufen?“, hakte Candy nach. Mèmène seufzte leise und warf Logan einen abschätzenden Blick zu, dann sah sie wieder Candy an und meinte: „Remy ist auf der Suche nach dir. Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen und als er das letzte Mal in New Orleans war, hat er gesehen, daß es mir schlecht geht.“ „Et alors (Na und)? Wo ist das Problem?“, fragte Candy, die bei der Erwähnung von Remys Namen leicht in Rage geriet. „Sonst ist er auch nicht so schüchtern!“ Wieder ein Blick in Logans Richtung bevor Mèmène antwortete: „Quant à femmes il est bête comme ses pieds. Du hättest sehen sollen, wie er und Merveille aneinander geraten sind, als sie davon erfuhr, daß er eine Heilerin kennt und er nicht sofort bereit war, sie hierher zu schaffen.“ [frei übersetzt: Was Frauen betrifft ist er ein Idiot; wörtlich: Er ist so doof wie seine Füße.] Hier mischte sich Logan ein, dem das Ganze zu lange dauerte: „Was heißt das, er ist auf der Suche nach Candy?“ „Er ist nach New York, um nach ihr zu suchen, da er sie telefonisch nicht erreichen konnte. Ich dachte, er hätte euch hierher geschickt.“, antwortete die Frau verwundert. Candy warf Logan einen erstaunten Blick zu. Das war wirklich absurd! Sie waren hier auf der Suche nach Remy und er suchte sie im Gegenzug In New York City! Natürlich hatte er sie nicht finden können, da sie seit Wochen in Westchester wohnte und niemand wußte, wo genau. „Hm, ich hätte noch eine Frage! Warum wollte dieser Remy Candy nicht um Hilfe bitten?“ Mèmène lächelte verschmitzt: „Les affaires du cœur sont très fragiles, tu comprends?“ [Die Angelegenheiten des Herzens sind sehr zerbrechlich] Logans Miene verdüsterte sich daraufhin und Candy wurde blutrot, nicht aus Verlegenheit, sondern viel eher vor Empörung. Was hatte Remy den Frauen bloß für einen Mist erzählt? „Mèmène, Logan! Wir können später reden, zuerst kümmere ich mich um die Heilung. Ich muß mich konzentrieren, also bitte redet nicht mehr.“, verlangte Candy energisch. Candy kümmerte sich zuerst um die Lunge, denn die bereitete der Patienten am meisten Beschwerden. Sie konnte die Gewebeschäden in dem Körper der Frau mit Leichtigkeit heilen, das war nicht anders als bei Knochenbrüchen, doch bei dem Tumor in der Lunge und den Metastasen sah die Sache anders aus. Sie spürte die Anomalie des Zellwachstums, konnte die unkontrollierte Zellteilung auch einstellen, doch das bereits erkrankte Gewebe würde im Körper verbleiben. Nach etwa zwanzig Minuten unterbrach Candy die Sitzung, sie war froh, daß Logan sich hinter sie gestellt hatte und sie sich haltsuchend an ihn lehnen konnte. „Du solltest jetzt am besten schlafen, Mèmène! Ich schaue später noch mal nach dir, einverstanden?“ „Ich danke dir, Candy! Ich kann jetzt wieder richtig Luft holen. Danke! Geht jetzt am besten in die Küche, Du brauchst bestimmt eine Stärkung.“ Logan stütze Candy mit einem starken Arm um ihre Schultern und sie führte ihn in die Küche, wo Merveille eben eine zweite Auflaufform auf den Küchentisch stellte. Sie kam händeringend auf sie zu und wollte schon nach dem Zustand ihrer Tante fragen, als Logan sie mit dem Heben seiner Hand zum Schweigen brachte. „Laß Candy erstmal etwas essen, sie wird dir dann alles erklären.“ Logan wollte zuerst nichts zu sich nehmen, überlegt es sich aber anders, als Candy ihm eine Gabel in den Mund schob. Das Zeug war mit Whiskey durchtränkt und war ganz nach seinem Geschmack. Die Köchin hat wirklich nur besten Fusel für die Herstellung der Spezialität verwendet, dachte er anerkennend. Candy erhob sich nach der ersten Portion und verschwand kurz im Bad, wo sie ein Gerät aus ihrer Hosentasche fischte, das entfernt an ein mobiles Telefon erinnerte. Es war jedoch eine Spezialanfertigung für die X-Men, damit sie bei Bedarf mit der Zentrale Kontakt aufnehmen konnten. Sie drückte die Nummernkombination, unter der sie Hank jederzeit erreichen konnte und besprach kurz etwas mit ihm, bevor sie wieder in die Küche ging, um Merveille Rede und Antwort zu stehen. „Deiner Tante geht es gut, ich habe ihren Zustand stabilisiert, der Gewebeschaden ist weitgehend behoben, aber die Tumore sind noch in ihrem Körper. Diese können nur auf chirurgischem Weg entfernt werden, das will ich lieber von einem Arzt machen lassen, da ich eine solche Behandlung noch nie durchgeführt habe. Deine Tante müßte uns nach Westchester begleiten, wo wir die Möglichkeit haben, sie zu operieren. Ich habe eben mit einem unserer Ärzte gesprochen und er ist jederzeit bereit, den Eingriff durchzuführen.“ Merveille sah sie ziemlich überwältigt an, sie hatte eindeutig nicht mit einer so positiven Nachricht gerechnet. „Remy hat erzählt, daß Du Wunder vollbringen kannst, aber ich habe es nicht geglaubt. Ich muß mich wohl bei ihm und auch bei euch entschuldigen. Ich stehe tief in eurer Schuld.“ Die junge Frau in dem orangeroten Kleid, das ihre schokoladenbraune Haut hervorhob, erhob sich und umarmte Candy herzlich, die die Umarmung erfreut erwiderte. Sie war Merveille nicht böse, schließlich hatte sie sich nur um ihre todkranke Tante gesorgt. „Am besten packst Du jetzt ein paar Sachen für ein oder zwei Tage zusammen, wir nehmen euch gleich mit, wir sind mit dem Flugzeug da. Und es findet sich bestimmt jemand, der euch auf demselben Weg wieder zurückbringt.“ Merveille ließ Candy los und verließ lächelnd die Küche, um die Anweisung gleich auszuführen. „So habe ich mir diesen Einsatz echt nicht vorgestellt. Mir wäre lieber, wir hätten diesen komischen Kauz im Gepäck und nicht die beiden Frauen.“, brummelte Logan und verschränkte die Arme vor der Brust. Candy stellte sich vor ihn und umfaßte sein Gesicht mit beiden Händen, so daß ihre Finger in seine dichten Koteletten glitten. Er versuchte zwar, weiterhin grimmig dreinzuschauen, doch Candy sah genau, wie sich ein Lächeln in seine dunklen Augen stahl. „Hey, mir wäre das auch lieber. Aber wir wissen jetzt, wo wir suchen müssen. Es hätte ja auch sein können, daß er keinen Kontakt mehr zu Mèmène hat. Wir erwischen ihn garantiert!“ Sie küßte ihn zärtlich auf den Mund, was er mit einem zufriedenen Brummen untermalte, das Candy veranlaßte ihn mit noch mehr Eifer zu küssen. ~ Zur gleichen Zeit in New York: Charles Xavier fühlte sich mit der Welt im Reinen, während er den eifrigen Blicken seiner Studenten begegnete, die seinen Ausführungen über Nanotechnologie im Bereich angewandter Physik gebannt folgten. Die Kurse, die er an der Columbia anbot, erfreuten sich immer größerer Beliebtheit, und er hatte mit diesem Kurs schon in einen größeren Hörsaal umziehen müssen. Die Arbeit mit den jungen Leuten machte ihm sehr viel Spaß, hier konnte er endlich ein Thema zum Abschluß bringen, ohne von irgendwelchen Krisen in der Mutantenwelt unterbrochen zu werden. Er war einfach Professor Charles Xavier, eine Kapazität auf dem Gebiet der Physik. Mitten in der zweiten Unterrichtsstunde wurden er und seine Studenten durch einen Feueralarm aufgeschreckt. Zuerst lachten die Studenten und erhoben sich langsam von ihren Sitzen, doch als sie die Tür erreicht hatten, quollen Rauchschwaden durch die Ritzen und der Hörsaal füllte sich mit dem beißenden Geruch nach Feuer. Panik verbreitete sich und einige Studenten schrieen angsterfüllt auf, so daß Xavier sich veranlaßt sah, sie Kraft seiner Gedanken zu beruhigen, nachdem seine ruhigen, laut ausgesprochenen Worte das nicht vermocht hatten. Xavier hielt den Kontakt zu den verängstigten Studenten und rollte zum Ausgang, wo er dann den Hörsaal als Letzter verließ. Das Feuer war schon unter Kontrolle, doch er hatte Gedankenfetzen von Feuerwehrmännern aufgefangen, die über irgendwelche Chemikalien, die in den Labors für Experimente aufbewahrt wurden, besorgt waren. Deshalb hielt er es für sicherer, das Haus zu verlassen und an die frische Luft zu gehen. Aus einem der Hörsäle für Chemie stiegen dicke Rauchwolken auf, die sich bald bunt verfärbten, was Xavier stutzen ließ. Das war keine zufällige chemische Reaktion, da waren wohl Vandalen am Werk gewesen. Er scannte unauffällig die Gedanken der umstehenden Schaulustigen und entdeckte bald die Übeltäter, die sich einen Spaß mit dem Auslösen von bunten Rauchbomben erlaubt hatten. Er würde dem Dekan einen kleinen Hinweis geben, damit man die Übeltäter zur Rechenschaft ziehen konnte, durch die entstandene Panik hätte gut jemand verletzt werden können. Das war kein Lausbubenstreich mehr, da hatte jemand eine ziemlich kriminelle Neigung. An Unterricht würde heute nicht mehr zu denken sein und Xavier entließ seine Studenten, er selbst würde in seinem kleinen Büro haufenweise Papierkram erledigen müssen, da er wegen seiner begrenzten Zeit am College keine eigene Sekretärin hatte, die ihm diese Arbeit abnehmen konnte. Zuerst der Papierkram, dann die Vorbereitung der nächsten Vorlesungen und anschließend könnte er noch in einem der Labors einen Versuch aufbauen, den die Studenten später selbst in Gruppenarbeit vervollständigen konnten. Zufrieden mit seinen Plänen rollte Xavier zur physikalischen Fakultät, so in Gedanken versunken, daß er nicht bemerkte wie ihn mehrere Augenpaare verfolgten. In einem Paar brannte soviel Haß, daß es einem zufälligen Betrachter bei diesem Anblick sicher kalt den Rücken hinuntergelaufen wäre. ~ Am frühen Nachmittag waren Candy und Logan mit den beiden Frauen in der Mansion eingetroffen und man brachte sie sofort in die medizinischen Labors, wo Hank bereits auf seine neue Patientin wartete, um einige Tests mit ihr durchzuführen, bevor er zusammen mit Candy die Operation durchführte. Er wollte für seine Forschungsunterlagen den Eingriff dazu nutzen, neue Daten über Candys Mutation zu sammeln, denn ein Fall von Krebs würde bestimmt nicht mehr so schnell auftauchen. Zudem waren alle Beteiligten Mutanten, so daß man sich nicht um die Geheimhaltung sorgen mußte. Mèmène war ein einfaches Psi-Talent und konnte Gedanken lesen jedoch nicht beeinflussen, von Candy wusste Hank, daß sie die Fähigkeit als Wahrsagerin einsetzte und in New Orleans den Ruf einer Hexe hatte. Ihre Nichte Merveille Rozier war ebenso eine Mutantin mit leichten telekinetischen Fähigkeiten, sie konnte mit der Kraft ihrer Gedanken, Schutzschilder aufbauen, indem sie die Moleküle der Luft zum Erstarren brachte. Logan hatte bereits am eigenen Leib erfahren, daß sich das anfühlte als laufe man gegen dickes Panzerglas. Die beiden Frauen würden bestimmt nicht herumerzählen, daß es in Westchester eine Schule gab, die mit der allerneuesten Technologie des Medizinmarktes besser als jedes Krankenhaus des Landes ausgestattet war. „Wow, dein Blutdruck ist im Moment ziemlich hoch, Candy. Liegt das an der Behandlung unseres Gastes?“, fragte Hank und sah sie neugierig über den Rand seiner Brillengläser an, während er ihr die Manschette vom Arm streifte. Candy schüttelte den Kopf: „Nein, ich…, es ist nur, daß ich mich darüber ärgere, den Typ nicht gefunden zu haben. Ich kann immer noch nicht glauben, daß der Kerl in New York sein soll und nach mir sucht.“ Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper, als Hank sie mit einer großen Nadel in die Armbeuge stach und ihr für eine Analyse Blut abnahm, solch geringe Schmerzen konnte sie inzwischen vollkommen ausblenden. „Du bist wirklich eine Musterpatientin, Candy! Ich darf mich nur nicht daran gewöhnen, sonst malträtiere ich bald meine anderen Patienten!“, lachte der junge Arzt, als er genügend Blut abgezapft hatte und Candys Wunde sich wenige Augenblicke verschloß, nachdem er die Nadel aus ihrem Arm gezogen hatte. Es klopfte kurz an der Tür und Logan betrat den Untersuchungsraum. „Xavier wird spät am Abend nach Hause kommen, er hat noch einiges an der Uni zu tun. Wenn er da ist, können wir versuchen, diesen LeBeau-Typen mittels Cerebro zu orten.“ Candy erhob sich und meinte: „Gut! Das gibt mir genügend Zeit, mich um Mèmène zu kümmern. Was sagst Du Hank? In zwei Stunden?“ Hank sah von der kleinen Zentrifuge auf, in die er eine Viole mit Candys Blut gesteckt hatte. „Ja, das paßt mir gut. Ich werde die Tests wohl bis dahin fertig haben und vergiß nicht, etwas mit kurzen Ärmeln anzuziehen, dann lege ich dir die Infusion über den Ellenbogen, einverstanden?“ Candy nickte zustimmend: „Ich werde dran denken. Bis in zwei Stunden!“ Candy würde bei der OP assistieren, Hank war für die Entfernung der Tumoren zuständig, sie für die schnelle Wundheilung. Dafür würde sie Hank an eine Glukose-Infusion legen, um zu sehen, ob er damit den Energiehaushalt von Candy während des Eingriffs hochhalten konnte, damit sie sich hinterher nicht so erschöpft fühlte wie sonst nach einer Behandlung. Candy verließ mit Logan den Raum und ließ sich von ihm in die Arme nehmen, als sie vor der Tür standen. „Machst Du dir Sorgen wegen Mèmène? Du und Hank bekommt das bestimmt hin.“, sprach Logan ihr Mut zu und drückte sie fest an seinen muskulösen Oberkörper. Candy schmiegte ihre Wange an seine Schulter und seufzte leise: „Zugegeben, ich bin ein wenig aufgeregt, aber Hank wird dabei sein, er weiß, was er tut. Ich weiß auch nicht, was mich so hibbelig macht. Vielleicht die Vorstellung, daß Remy in unserer Reichweite ist und ich ihn bald wiedersehen werde.“ Sie konnte spüren, wie Logan alle Muskeln anspannte, als sie Remy erwähnte. Sie konnte ihm keinen Vorwurf machen, daß er nicht begeistert von der Vorstellung war, einem Kerl aus ihrer Vergangenheit zu begegnen. Es wäre ihr nicht anders ergangen, wenn es umgekehrt gewesen wäre. Als sie vorhin Jean über den Weg gelaufen war, hatte sie sich auch gefragt, ob Logan noch etwas für die attraktive Ärztin empfand. „Ich werde mich ein wenig hinlegen. Kommst Du mit? Oder hast Du noch zu tun?“, fragte Candy leise und sah zu ihm auf. Als Antwort erhielt Candy einen fast verzweifelten Kuß, den Logan nach ein paar Minuten atemlos unterbrach. „Ich kann nicht. Danger-Room-Übung mit Iceman und Rogue ist angesagt, wir dürfen das Training nicht vernachlässigen.“, antwortete er bedauernd. Candy zog einen enttäuschten Schmollmund und lächelte dann schelmisch: „Müßte ich mich sehr anstrengen, wenn ich versuchen wollte, dich umzustimmen?“ Sie stützte sich mir beiden Händen an seiner Brust ab und sah mit einem unschuldigen Augenaufschlag zu ihm auf. Logan knurrte leise und packte sie an den Hüften, um sie heftig an sich zu ziehen und ihren Unterleib an seinen zu drücken. „Beantwortet das dein Frage, Babe?“, flüsterte er leise, während er sie mit seinem Körper an die Wand neben der Tür pinnte. Candy sog erschrocken die Luft ein, als sie seine körperliche Reaktion auf ihr Geplänkel deutlich an ihrem Unterbauch spürte. Er ließ ihr keine Gelegenheit für eine Antwort, weil sein Mund sich wieder auf ihren senkte und seine Hände ihre Seiten heraufwanderten, bis er ihre Brüste über ihrem Pulli umschloß. Sie konnte nur ein unterdrücktes Stöhnen von sich geben, weil sie sich immer noch leidenschaftlich küßten. Nach ein paar Minuten gab Logan Candy kurz frei, um sie an der Hand zu nehmen und sie in das nächstbeste, dunkle Zimmer zu zerren, wo er die Tür verriegelte und sie dann wieder in seine Arme zog. „Logan, wir haben keine Zeit…“, brachte Candy atemlos hervor, als er ihr den Pulli hochzog, um ihn ihr auszuziehen. Er antwortete nicht, sondern zerrte ihr die Jeans herunter, nachdem er ihr die Schuhe abgestreift hatte. Ihre Unterwäsche kam nicht so billig davon, die schnitt er mit einer seiner Klauen in Fetzen. Wenn sie sich nicht so verzweifelt gewünscht hätte, endlich mit Logan zur Sache zu kommen, hätte sie ihm bestimmt einige Schimpfworte an den Kopf geworfen. Es war nämlich eine äußerst kostspielige Angelegenheit, von Logan ausgezogen zu werden, dabei fielen in schöner Regelmäßigkeit ihre Klamotten seinen Klauen zum Opfer. Sie war dabei sein Hemd aufzuknöpfen, doch er ließ ihr keine Zeit, ließ nur die Hosen herunter und packte sie dann bei den Hüften um sie hochzuheben. Candy wurde mit dem Rücken an die kalte Stahltür gedrückt und sie wollte schon heftig protestieren, doch der Laut blieb in ihrer Kehle stecken, als er mit einem geschmeidigen Stoß in sie eindrang und ihr den Mund mit einem heißen Kuß stopfte. Es dauerte nicht lange, sie waren einfach zu wild aufeinander gewesen, um sich lange zurückzuhalten. Am Ende landeten sie atemlos auf dem Boden und klammerten sich aneinander. „Ich muß leider los, Candy. Sonst fangen die noch an, uns zu suchen.“ Candy stöhnte gequält auf, als er das Licht anmachte und sie auf die Beine zog, sie hätte sich am liebsten an Logan gekuschelt und hätte die nächsten Stunden glücklich wegdösen können. Logan unterdrückte ein Grinsen, als Candy ohne Unterwäsche in ihre Sachen schlüpfte und ihm dabei vorwurfsvolle Blicke zuwarf. „Du bist selbst schuld, ich mußte mich beeilen und konnte keine Rücksicht nehmen“, meinte er und seine Stimme zitterte leicht, weil er sich das Lachen verbeißen mußte. Candy warf mit ihrem zerfetzten Höschen nach ihm und blitzte ihn aufgebracht an. Sie mußte jedoch lachen, als er den Stofffetzen geschickt mit einer seiner Klauen auffing und wie eine Trophäe schwenkte. Sie ging auf ihn zu und schnappte sich das Teil, um es sich in die Hosentasche zu stopfen. „Manchmal könnte ich dich grad…“ „...küssen?“, unterbrach sie Logan grinsend und zog sie an sich, um genau das zu tun. Danach scheuchte er sie aus dem unbenutzten Labor und schickte sie nach oben, damit sie sich doch noch etwas vor dem geplanten Eingriff hinlegen konnte. Iceman und Rogue wunderten sich später sehr darüber, daß Logan bei dieser Trainingseinheit so gute Laune an den Tag legte, daß er nicht einmal sauer wurde, als Rob ihn im Zweikampf besiegte… Er schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. Fortsetzung folgt… Kapitel 17: Professor X in Danger --------------------------------- ~ ~ ~ „So viele Mutanten da draußen und ich kann die eine nicht finden! Ich verstehe das nicht!“, meinte Caliban enttäuscht, als seinem Freund Bericht über seine ausgedehnte Suche erstattete. „Wir dürfen nicht aufgeben, mein Freund! Sie ist wohl viel auf Reisen, wir werden sie wieder finden, da bin ich absolut sicher. Du hast sie schon zwei Mal innerhalb kürzester Zeit gefunden, Du wirst wieder Erfolg haben. Ich vertraue auf dich!“ Der Mann mit der bodenlangen Kutte klopfte Caliban aufmunternd auf seine knochigen Schultern. Der straffte sofort seine Haltung und seine gelben Augen blitzten kampflustig auf. „Du hast Recht, ich werde gleich heute Nacht weitersuchen. Nachts ist es leichter, da stören mich die armseligen Kreaturen nicht bei meiner Aufgabe.“ Caliban meinte damit die Menschen, die nicht das Glück hatten, besondere Fähigkeiten aufgrund einer Mutation zu besitzen. Die hatten in seiner Welt keinen besonders guten Ruf, sie galten als grausam und gefühllos und je weniger man mit ihnen zu tun hatte desto besser. Am besten war es, wenn er sich auf seine eigentliche Aufgabe konzentrierte und es dem Zufall überließ, die Spur der Gesuchten wieder zu finden. In diesem Moloch von einer Stadt mußte man sich eben auf sein Glück verlassen. ~ ~ ~ Es war spät am Abend, als Xavier das Institut verließ, nachdem er seine ganzen Aufgaben zu seiner Zufriedenheit erledigt hatte. Auf seinem Schoß lag noch eine Mappe mit einem Stapel von Tests, die er lieber in der Mansion korrigieren wollte, wo er es sich hinter seinem Schreibtisch bequem machen konnte. Außerdem warteten seine Leute darauf, daß er diesen umtriebigen Mutanten über Cerebro ortete, damit sie ihn endlich dingfest machen konnten. Er rollte den leergefegten Campus entlang zu dem Treffpunkt, an dem er Kurt kontaktieren wollte, damit der ihn nach Hause teleportierte. Zu dieser späten Stunde hätte er auch vom Büro aus Kurt anfunken können, doch Xavier wollte lieber auf Nummer sicher gehen und benutzte lieber den regulären Treffpunkt, wo sich selten jemand hinverirrte, da das alte Gebäude abbruchreif war und ziemlich abseits lag. „Entschuldigen Sie bitte, haben Sie vielleicht Feuer?“ Eine junge Frau, die ziemlich mitgenommen aussah in ihren abgerissenen Sachen, war ihm vor den Rollstuhl gelaufen und hielt lächelnd eine Zigarette hoch. Xavier schüttelte lächelnd den Kopf: „Bedaure, junge Dame! Ich rauche nicht. Ich kann Ihnen leider nicht…“ Mehr konnte Xavier nicht sagen, da ihn ein heftiger Schlag auf seinen kahlen Kopf traf, der ihm fast die Schädeldecke spaltete und ihn vor Schmerzen laut aufschreien ließ. „Verpiß dich! Du bekommst die Kohle später!“, sagte einer der Männer, die in dunkle Kapuzen-Shirts gekleidet waren. Die junge Frau warf mit bleichem Gesicht die Kippe weg und lief so schnell sie ihre Beine trugen davon. Xavier stöhnte schmerzerfüllt auf und wollte versuchen, seine Kräfte so weit zu aktivieren, um sich gegen die Angreifer zur Wehr setzen zu können. Er dachte, daß es wohl ein Dieb sein müßte, der hinter seiner Brieftasche her war. „Bitte…“, mehr brachte Xavier nicht heraus, da die Schmerzen einfach zu heftig durch seinen Schädel jagten und ihm das Sprechen unmöglich machten. Er sah dunkle Schatten, die sich um ihn herum aufstellten und bedrohlich auf ihn zurückten. Er hob abwehrend eine Hand, doch er konnte nicht verhindern, daß er wie eine leblose Puppe aus dem Rollstuhl gehievt wurde. Zwei Männer hielten ihn aufrecht, während einer oder mehrere Angreifer mit Baseballschlägern auf ihn einprügelten. Xavier konnte nicht mehr richtig sehen, weil Blut aus einer Platzwunde über der Stirn in seine Augen gelaufen war und seine Augen mit einem brennenden roten Schleier überzog. Während sie erbarmungslos auf den wehrlosen Mann einschlugen, beschimpften sie ihn lautstark: „Scheiß Mutantenpack!“ „Du wirst dir schön überlegen, ob Du deine Klappe noch mal so weit aufreißt, Du Freak!“ Bald hörte Xavier die haßerfüllten Worte nicht mehr, weil ihn eine erlösende Ohnmacht überkam. „Aufhören! Ihr wollt ihn doch nicht umbringen!“, rief einer der Männer plötzlich und sah sich gehetzt um, als erwartete jemanden in der Dunkelheit zu entdecken. Seine Träger ließen ihn zu Boden gleiten, wo Xavier leblos liegen blieb und malträtierten ihn noch mit Fußtritten, da sie wegen ihrer Aufgabe nicht richtig zum Zug gekommen waren. „Scheißegal, das ist ein verdammter Mutant! Ich habe ihn genau in meinem Kopf gehört!“, rief einer der Träger aufgebracht aus und spuckte auf sein hilfloses Opfer, das sich schon lange nicht mehr rührte. „Oh, mein Gott! Wir werden dafür ins Gefängnis kommen! Die werden uns grillen!“ „Scheiße! Die sind schon hinter uns her!“, rief einer der anderen Männer panisch aus. Die Gestalten ließen von ihrem Opfer ab und sahen sich angsterfüllt in der dunklen Ecke des Campus um, doch niemand war in ihrer Nähe. Trotzdem waren sie fest davon überzeugt, daß ihre Verfolger sich in den Schatten der Bäume versteckten. „Sie werden auf uns schießen, wir müssen abhauen! Sofort!“, rief der Anführer der Gruppe aus, der die meisten Schläge gesetzt hatte, mit denen Xaviers Knochen regelrecht zermalmt worden waren. Die Zähne der Männer schlugen aufeinander und sie stoben wie aufgescheuchtes Wild ohne Orientierung davon, ohne sich nach ihren Verfolgern umzudrehen, die nur in ihrer Fantasie existierten, doch für sie eine sehr reale Bedrohung darstellten. Bald waren sie in der Dunkelheit verschwunden und der Ort des Verbrechens lag verlassen da. Xavier atmete kaum noch, mit jedem weiteren Atemzug verließ ein weiteres Stück seiner Lebenskraft seinen geschundenen Körper, dessen Knochen so sehr zertrümmert waren, als wäre er aus einem vierstöckigen Gebäude gesprungen und auf hartem Beton aufgekommen. Der Dreiviertelmond verbarg sein Antlitz hinter einer dichten Wolkendecke, als wolle er um den Verlust des bedauernswerten Opfers trauern. Es war sonst niemand da, der um den Mann hätte weinen können. Als die Wolken den Mond wieder freigaben und die Szenerie wieder beleuchtete, lag der Mann nicht mehr am Boden. Der Rollstuhl war umgekippt und lag auf der Seite, die Tests seiner Studenten lagen auf der Erde verstreut. Der Wind verwehte die Bögen, die nicht an dem Blut Xaviers am Boden festklebten, über die angrenzende Wiese. Alles, was von ihm übrig geblieben war, war eine große Blutlache, die im fahlen Licht des Mondes auf dem weißen Blättern aussah wie verschüttete, schwarze Tinte. ~ ~ ~ Candy zuckte erschrocken zusammen, als sie den eindringlichen Aufruf von Jean in ihrem Kopf vernahm. Sie saß am Krankenbett von Maman Mèmène, die eigentlich wieder vollkommen gesund war, doch Hank war der Ansicht gewesen, daß sie die Heilung wohl besser verkraften würde, wenn sie für ein paar Stunden in ein künstliches Koma versetzt wurde. Wieder eine Möglichkeit, einen besseren Einblick in ihre Fähigkeiten zu erhalten. „Merveille, ich komme gleich wieder, ich muß kurz etwas erledigen. Wenn ich wieder da bin, legst Du dich am besten schlafen. Ich werde die Wache für die nächsten paar Stunden übernehmen.“ Sie ließ ihre Patientin bei ihrer Nichte zurück und rannte zum Besprechungszimmer, wo sie erst gestern erfahren hatte, daß Remy etwas mit den Marauders zu tun hatte. Nun ja, genau genommen war es kurz nach Mitternacht, so daß es schon zwei Tage her war. Diesmal bot sich ihr jedoch ein vollkommen anderes Bild, keiner der X-Men saß an dem polierten Tisch, sie standen in kleinen Trauben beieinander und alle sahen blaß und besorgt aus. Jean hatte sogar geweint, Scott hielt sie in den Armen und versuchte, seine Frau zu trösten. Candy verhielt ihren Schritt und wagte kaum zu atmen, sie fürchtete sich vor dem, was jetzt kommen würde und schreckte davor zurück, die anderen auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen. Logan kam mit versteinerter Miene auf sie zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter, als wollte er ihr Halt geben, wenn sie über den Notfall informiert wurde. „Logan, was ist los?“, fragte Candy beklommen und konnte schon in seinen Augen erkennen, daß es etwas Schlimmes sein mußte. „Professor Xavier ist verschwunden. Kurt war mit ihm verabredet, doch er hat sich nicht gemeldet. In seinem Büro in der Uni war er nicht mehr, er hat die Fakultät gegen zehn verlassen, danach verliert sich seine Spur.“ Candy blickte verwirrt zur aufgewühlten Jean rüber und fragte dumpf: „Kann ihn Jean denn nicht orten, als Telepathin müßte sie das doch können, oder?“ Logan nickte: „Sie kann ihn nicht orten, sie hat es schon versucht…“ Jetzt verstand Candy, warum die junge Frau weinte und ihr war nun auch danach zumute. Das konnte nur bedeuten, daß der Professor nicht mehr am … Sie weigerte sich den Gedanken zu ende zu denken und trat näher an Logan heran, der tröstend einen Arm um sie legte. Ein leisen „bampf“ kündigte Kurts Erscheinen an, sein blaues Gesicht war zu einer entsetzten Maske erstarrt und alle starrten auf seine rechte Pfote, wo er einen weißen Papierbogen hielt, der blutbesudelt war. „Ich habe den Campus abgesucht und seinen Rollstuhl gefunden. Er lag umgekippt auf dem Boden. Dort war auch eine große Blutlache und einige Tests klebten daran fest. Ansonsten keine Spur vom Professor“, berichtete Kurt mit leiser Stimme, die jedoch jedem X-Men so laut wie ein Paukenschlag vorkam, weil seine Neuigkeiten so besorgniserregend waren. Jean stieß einen verzweifelten Schrei aus und weinte herzzerreißend an Scotts Schulter, der selbst so aussah, als könnte er Trost gebrauchen. Den anderen Teammitgliedern ging es nicht besser, auch wenn die Männer versuchten, nach außen hin eine selbstbeherrschte Fassade aufrecht zu erhalten. Hank ging mit blassem Gesicht auf Kurt zu und nahm ihm das blutige Blatt aus der Hand. „Ich bin gleich wieder da.“, meinte er mit erstickter Stimme, bevor er das Zimmer verließ. Er würde das Blut untersuchen, es könnte ja durchaus von jemand anderem stammen, sie mußten absolut sichergehen. Candy barg ihr Gesicht an Logans Brust und konnte nur denken: Bitte nicht der Professor! Bitte laß ihn nicht tot sein! „Es gibt bestimmt einen Grund, daß Jean ihn nicht finden kann. Er könnte doch außer Landes gebracht worden sein?“ Candy sah hoffnungsvoll zu Logan auf, der versucht war, ihr diesen kleinen Funken Hoffnung zu lassen, doch er brachte es nicht über sich, sie anzulügen. „Sie hat Cerebro eingesetzt, sie kann mit der Maschine zwar nicht so gut umgehen wie Charles, aber ihn würde sie überall finden. Die beiden kennen sich in- und auswendig. Er ist in ihren Gedanken, seit sie mit elf Jahren an diese Schule kam, sie haben eine ganz spezielle Verbindung zueinander.“ In ihren Augen sammelten sich Tränen, als ihr klar wurde, daß es kaum Hoffnung für Charles Xavier gab, doch sie hielt sie tapfer zurück, da seine engsten Vertrauten schon genug durchmachten und sie sie nicht noch zusätzlich belasten wollte. Sie sah besorgt zu Logan auf, der hier schon seit fünf Jahren lebte und dem Professor viel näher stand als sie selbst. Candy hatte oft genug erlebt, daß Logan und der Professor sich zu einem gemütlichen Plausch in seinem Arbeitszimmer zurückzogen. Logan würde viel mehr verlieren als sie, wenn dem Mann tatsächlich etwas Schreckliches zugestoßen war. Kurt und Shadowcat hatten beschlossen, daß ihre Kollegen eine kleine Stärkung vertragen konnten und starken Tee zubereitet und auch aus Logans Geheimversteck in der Küche eine Flasche Scotch geklaut. Sie brachten Thermoskanne, Tassen, Gläser und alles andere auf zwei Tabletts herein und stellten es auf die Mitte des Tisches ab. Scott drückte Jean in einen der Stühle und dankte seinen Kollegen für ihre Umsicht, so würden die X-Men sich endlich an den Tisch setzen, wo der Stuhl am Kopfende heute Nacht leider leer bleiben würde. Niemand wagte es, die Lücke länger als ein paar Sekunden anzusehen, denn das verursachte den meisten fast körperliche Schmerzen und verstärkte nur ihre Verlustängste. Candy nahm eine Tasse Tee, einfach um ihren Händen Beschäftigung zu geben, denn sie schienen die ganze Zeit, unkontrolliert zittern zu wollen. Sie mußte ständig daran denken, wie der Professor sie in seinem Team willkommen geheißen hatte. Und auch an das Gespräch, das sie geführt hatten, als Candy noch zögerte, hier in die Mansion zu vollkommen Fremden zu ziehen. Nach einer guten Viertelstunde kam Hank zurück und sah blasser aus denn je, seine aschblonden Haare standen in alle Richtungen ab, als hätte er sich verzweifelt die Haare gerauft. „Es ist das Blut vom Professor, es besteht kein Zweifel. Ich habe es dreimal durchgejagt, es stimmt 100 Prozent überein.“ Die Druckwelle seiner Worte fegte über die X-Men hinweg, einen schlimmeren Schaden hätte eine detonierende Bombe auch nicht verursachen können, und hinterließ fassungslose Gesichter und absolute Trostlosigkeit. Scott strich sich in einer mutlosen Geste die Haare zurück und erhob sich dann von seinem Stuhl. „Wir werden nach New York fliegen und das Gelände auf den Kopf stellen. Vielleicht finden wir eine Spur der Entführer. Wir haben genug Feinde, die uns nach dem Leben trachten. Wenn sie ihn nur hätten umbringen wollen, dann hätte sie uns eine Leiche zur Abschreckung zurückgelassen. Ich würde sagen, alle kommen mit außer Hank und Remedy. Ihr beiden habt noch eure Patientin zu versorgen und jemand muß auf die Kinder aufpassen. Sind alle damit einverstanden?“ Keiner widersprach dem Anführer der X-Men, der ihnen mit seinen Worten einen neuen, wenn auch winzigen Hoffnungsschimmer gegeben hatte. „Gut! Wir treffen uns in zehn Minuten im Hangar. Vergeßt nicht die Cerebro-Einheiten einzustecken, es könnte sein, daß wir sie brauchen“, ermahnte Scott seine Leute und nahm dann Jeans Hand, um sie daran hochzuziehen. Sie sah schon etwas gefaßter aus und war bereit, in den Kampf gegen den unbekannten Gegner zu ziehen. Logan hatte Candy diese Miniaturausgabe von Cerebro während einer Trainingssitzung vorgeführt. Damit konnte man Mutanten orten, wenn sie sich in der Nähe der Geräte befanden, die X-Men arbeiteten derzeit daran, die Reichweite des Senders zu verbessern. Logan beugte sich zu ihr rüber und flüsterte: „Soll ich lieber bleiben? Die anderen kommen auch ohne mich klar.“ „Nein! Bitte geh mit ihnen mit, ich würde am liebsten auch mitkommen. Aber ich will Mèmène nicht alleine lassen. Ich warte auf dich.“ Candy küßte ihn kurz auf den Mund und lächelte ihn zittrig an. Er erhob sich und drückte ihr einen sanften Kuß auf den Scheitel, eine unerwartet zärtliche Geste, dann verließ er das Zimmer im Laufschritt, um sich in seine X-Men-Kluft zu werfen, die ihm zu Anfang so verhaßt gewesen war und die er nun voller Stolz trug, und zu den anderen dazu zustoßen. ~ ~ ~ Als Candy Mèmènes Krankenzimmer wieder betrat, war Merveille nicht mehr anwesend. Hank stand an ihrem Bett und kontrollierte die Aufzeichnung der Monitore, an die die Patientin angeschlossen war. „Ich habe Merveille in ihr Zimmer geschickt, sie war ziemlich müde. Es hat keinen Sinn, wenn wir uns alle die Nacht um die Ohren schlagen.“, murmelte Hank zerstreut und zerzauste sich das Haar weiter mit seiner linken Hand, da er in der rechten den Ausdruck des Monitors hielt. Candy ging zu ihm und legte ihm tröstend einen Arm um die Taille. „Hank, ich würde so gerne etwas tun. Wenn Du möchtest, dann bleibe ich alleine hier. Zusammen mit den Seniors könnte ich leicht die Stellung halten.“ Hank erwiderte ihre Umarmung und legte ihr einen Arm um die Schultern. Er legte den Kopf schief und sah lächelnd auf sie herunter, obwohl seine Augen hinter den Brillengläsern traurig schimmerten. „Danke, Candy. Aber ich werde bleiben, wir müssen wachsam sein und ich kann dir nicht diese Verantwortung aufbürden. Cyclops und Wolverine würden das sowieso niemals zulassen, oder?“ Candy seufzte leise und lehnte ihren Kopf an seine breite Brust, da sie ihm nicht mal bis zur Schulter reichte: „Du hast wohl recht, Hank. Mit dir als Kampfgefährten habe ich wohl bessere Chancen, einen möglichen Großangriff zu überleben.“ Das letzte Mal war Logan der Held gewesen, der fast alle Kinder aus den Klauen des Militärs befreit hatte, bevor man sie verschleppen hatte können. Sie hatte Hank bisher nur einmal beim Training beobachten können und war froh gewesen, nur ein unbeteiligter Zuschauer zu sein. In der Form des Beast war er wirklich furchteinflößend, zweimal so breit und größer als seine menschliche Form, konnte er es dank übermenschlicher Kräfte leicht mit einer ganzen Armee aufnehmen. Sogar Logan zog des Öfteren den Kürzeren, wenn die beiden zu Übungszwecken oder aus schierem Übermut gegeneinander antraten. „Ich gehe in mein Labor, Mèmènes Werte verbessern sich ständig. Ich denke, daß wir sie Morgen früh wecken können. Oder brauchst Du mich noch?“, fragte Hank zuvorkommend. Candy schüttelte den Kopf: „Unsinn, ich will nur unten bleiben, falls sie doch aufwachen sollte. Sie würde sich bestimmt fürchten, wenn sie kein bekanntes Gesicht sieht. Geh Du nur, vielleicht brauchen die anderen deinen messerscharfen Verstand.“ Hank mußte einfach über ihre kleine Neckerei lächeln, Candy war der beste Freund, den man sich wünschen konnte. In den letzten Wochen war sie ihm so an Herz gewachsen, daß er sich die Mansion nicht mehr ohne sie vorstellen konnte. „Du solltest dich hinlegen, jede Sekunde Schlaf, die Du abkriegen kannst, zählt. Wir wissen nicht, was die anderen finden. Okay?“ „Ich werde es versuchen, aber versprechen tu ich nichts.“, gab Candy zurück und lächelte Hank erfreut an, als er ihr einen brüderlichen Kuß auf die Wange drückte. „Es reicht schon, wenn Du es versuchst. Ich gebe dir sofort Bescheid, wenn ich etwas hören sollte.“ Er verließ das Zimmer und löschte dabei die große Beleuchtung. Über Mèmènes Bett brannte noch eine kleine Nachtlampe, so daß das Zimmer in weiches Licht getaucht wurde, das in den Ecken in tiefe Schatten überging. Candy legte sich auf das unbenutzte Nachbarbett und starrte an die Decke, bis ihr die Augen tränten, weil sie unbedingt wach bleiben wollte, falls die anderen eine aufmunternde Neuigkeit durchgaben. Im Gegensatz zu Logan, der wegen seiner Mutation kaum Schlaf benötigte, mußte sie regelmäßig schlafen wie jeder andere Mensch auch. Hank vermutete, daß es daran lag, daß sie ihre Energie bei Bedarf mit anderen teilen konnte und sie im Schlaf doppelt so schnell regenerierte wie im Wachzustand. Logan… Er machte sich schreckliche Sorgen um seinen väterlichen Freund, der ihm vor fünf Jahren bedenkenlos ein Zuhause geboten hatte, obwohl er ihn gerade mal ein paar Stunden gekannt hatte. Candy hatte das vorhin kurz in ihm gelesen, als sie ihn geküßt hatte, sie mochte sich gar nicht vorstellen, was Jean, Scott und Ro durchmachten, die Xavier fast ihr ganzes Leben lang kannten. Ihre Sensoren waren überreizt, als würde sie ständig leichte elektrische Schläge bekommen, ihre eigenen Emotionen vermischten sich mit denen der anderen und verursachten ein wirres Chaos in ihr. Die Schüler… Wie würden die Kids auf die Nachricht von Xaviers Verschwinden reagieren? Candy wälzte sich unruhig auf die andere Seite und ihr war nicht bewußt, daß sie in einen leichten Schlaf geglitten war, der einem Traumzustand sehr ähnlich war. Sie war sich nicht sicher, ob sie wieder einen dieser Träume hatte, die man für die Wirklichkeit hält, bis man die Augen öffnet und feststellt, daß man doch geschlafen hat. Sie spürte wie jemand mit seinen Fingerspitzen über ihre Wange strich und ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Die Berührung war so zart wie der Flügelschlag eines Schmetterlings und sie wandte ihm Schlaf ihr Gesicht der Hand zu, um ihre Wange daran zu schmiegen. Sie seufzte leise: „Logan, bist Du zurück?“ Candy streckte ihre Hand aus und legte sie ihrem Gegenüber auf die Schulter, wo sie das Leder der Uniform unter ihren Fingern spüren konnte. Sie zog Logan zu sich herunter und hob ihren Kopf leicht an. Dann lag ein Paar warmer Lippen auf ihrem Mund, deren Berührung sie sich wie ein Lauffeuer in ihrem Körper ausbreitete und ihre Glieder mit einer prickelnden Wärme erfüllte. Seine Hände umfaßten ihren Hinterkopf und zogen sie daran hoch, während seine Zunge in ihren Mund gedrungen war und sie seine Liebkosungen schläfrig erwiderte. Ihre Hände fuhren seine Schultern hoch, dann seinen Hals, als sie seinen Kiefer umfaßte, spürte sie nur glattrasierte Haut und war leicht irritiert, dann glitten ihre Hände in sein Haar und sie riß die Augen weit auf. „DU?!“, rief sie erbost aus, als sie ihren Gegenüber im Dämmerlicht erkannte, nachdem sie sich von ihm losgerissen und den Kuß rüde unterbrochen hatte. In der schummrigen Beleuchtung sahen seine Augen vollkommen schwarz aus und er ließ sie damit keine Sekunde aus den Augen. Er hatte sich kaum verändert, sah immer noch aus, wie der Sunnyboy vom Dienst. Remy lächelte amüsiert und fuhr sich mit den Fingerspitzen über die vollen Lippen: „Dein warmer Willkommenskuß hat mir viel besser gefallen als dein anklagender Blick jetzt, ma chère!“ Candy hatte noch nie die Bedeutung der Redensart verstanden, wenn jemand vor Wut rot sah, doch im Moment tat sie genau das, sie war noch nie so zornig auf jemanden gewesen und stürzte sich mit einem wütenden Aufschrei auf Remy, um ihm das selbstgefällige Grinsen aus dem Gesicht zu prügeln. „Du Scheißkerl, wie kannst Du es wagen hier aufzutauchen und mich anzutatschen?! Ich bring dich um!“, preßte Candy ärgerlich hervor, als sie mit Remy über den Boden kullerte und ihm dabei einen gezielten Faustschlag in die Seite versetzte. Remy war kurz die Luft weggeblieben, als sich Candy überraschend auf ihn gestürzt hatte und so fest zuschlug, daß er tatsächlich Schmerzen verspürte. „Calme-toi, chérie! Ich will dir nicht wehtun müssen!“ Remy warf Candy auf den Rücken und versuchte sie mit seinem Gewicht auf den Boden zu drücken, doch die Kleine war schnell geworden und benutzte ihr Knie auf sehr effektvolle Weise, danach zog sie beide Beine an und katapultierte ihn von sich weg, so daß er gegen das leere Krankenbett prallte und sich den Kopf an dem Metallrahmen stieß. „Zut alors {Verdammt nochmal}! Hör endlich auf, Candy!“, brummte er und hielt sich die blutende Schläfe. „In deinen Träumen, Du miese Sumpfratte!“, gab Candy aufgebracht zurück und wollte ihn mit einem Sidekick ausknocken, doch er fing ihren bestrumpften Fuß ab und verwendete ihn als Hebel, so daß die Balance verlor und unsanft auf dem Boden aufkam. ‚Scheiß auf die Schmerzen, Candy! Du mußt diesen Kerl dingfest machen, koste es, was es wolle!’, dachte sie wild entschlossen und rappelte sich gleich wieder auf. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen uns sie atmete gehetzt, während sie fieberhaft überlegte, wie sie den Kerl am besten ausschalten könnte. Als sie bemerkte, daß seine Hand in seine Manteltasche glitt, sprang sie auf ihn zu und rang mit ihm, um ihn daran zu hindern, eine seiner dämlichen Spielkarten aufladen zu können. Sie landete einen schönen Aufwärtshaken und seine Oberlippe platzte auf, was ihn veranlaßte, Candys Schläge mit beiden Händen abzuwehren. ‚Immer schön die Deckung hochhalten!’, dachte Candy mit grimmiger Befriedigung. Remy war inzwischen am Ende seiner Geduld angelangt, er konzentrierte sich und lud seinen Mantel mit Energie auf. Er konnte den Ausstoß dieser Energie zeitlich regulieren und auch die Art des Ausstoßes so kontrollieren, daß er die Heftigkeit der Entladung nach seinen Vorstellungen einstellen konnte. Das gab ihm die Möglichkeit zu verwirren, zu verletzen oder zu töten, je nachdem, was nötig war. Fortsetzung folgt… Kapitel 18: The Abduction of Remedy ----------------------------------- ~ Das dämmrige Zimmer wurde plötzlich von einer blendend hellen Lichtquelle erleuchtet, die Candy fast erblinden ließ und sie vollkommen orientierungslos machte. Sie verlor Remy aus den Augen, der sie umrundete und von hinten packte. Sie wurde vom Boden hochgehoben und unsanft auf das Krankenbett geworfen, wo sie vorhin noch unruhig geschlafen hatte. Ehe sie wußte, wie ihr geschah, hatte Remy sie am Bett festgezurrt und da sie keine Superkräfte hatte, hatte sie den Fesseln nichts entgegenzusetzen, sie konnte nur wütend daran zerren und zusehen, wie das Leuchten, das von Remy ausgegangen war, langsam verlosch und das Zimmer wieder nur von der kleinen Lichtquelle über Mèmènes Bett erleuchtet wurde. Sie schloß die brennenden Augen, das Licht war so hell gewesen, daß ihre Netzhaut leichte Verbrennungen davongetragen hatte. Das passierte oft auch Schweißern, wenn sie zu lange ohne eine Schutzbrille in die Flamme starrten. „Je te demande pardon, princesse! Es tut mir leid, ich wollte dir nicht wehtun“, flüsterte Remy, der sich zu ihr auf das Bett gesetzt hatte und ihr mit einer Kompresse vorsichtig die tränenden Augen abtupfte. „Bastard!“, war Candys einziger Kommentar, während sie sich auf ihre Heilung konzentrierte. Sie hörte wie Remy diesen kleinen, schnalzenden Laut machte, der je nach Gelegenheit Bedauern oder Mißbilligung ausdrückte und hätte ihm am liebsten die Augen ausgekratzt, doch die Fesseln gaben keinen Millimeter nach. Sie scheuerte sich nur immer wieder die Handgelenke auf und stellte die Gegenwehr wegen absoluter Sinnlosigkeit dann ein. Nach ein paar Augenblicken riß sie die Augen auf und sie konnte wieder normal sehen, Remys Gesicht schwebte über ihr und sie blitzte ihn feindselig an. Er sah zum anderen Bett rüber und fragte dann leise: „Wie geht es Mèmène, konntest Du ihr helfen?“ Candys Wut verrauchte augenblicklich, als sie die echte Besorgnis in seiner Stimme bemerkte. Sie wußte, daß Remy seiner mütterlichen Freundin sehr zugetan war, vielleicht war Mèmène sogar die einzige Frau, die er jemals aufrichtig geliebt hatte… „Sie wird wieder vollkommen gesund, mach dir keine Sorgen. Wir haben sie nur in ein künstliches Koma versetzt, damit sie die Behandlung besser verarbeiten kann.“ Remys Augen leuchteten auf und er beugte sich zu ihr runter, wollte ihr einen Kuß auf den Mund drücken, doch Candy wandte ihr Gesicht ab, so daß er nur ihre Wange traf. „Remy, laß das!“, wies sie ihn zurecht und runzelte ärgerlich die Stirn, als er ihr Gesicht mit beiden Händen umfaßte und ihren Blick so gefangen hielt, daß sie seinen dunklen Augen nicht ausweichen konnte. „Erzähl mir nicht, daß es da einen anderen gibt. Doch nicht dieser Logan, den Du vorhin erwähnt hast?“, fragte Remy spöttisch lächelnd. „Wenn Du es genau wissen willst, Remy. Du hast es erfasst! Und wenn Logan mitkriegt, was Du gemacht hast, wird es mir eine Freude sein, zuzusehen, wie er dir das Herz bei lebendigem Leib aus dem Körper schneidet!“, gab Candy zuckersüß zurück und widerstand seinem Ansturm, denn inzwischen war sie älter und weiser und konnte ihre eigenen Fähigkeiten besser kontrollieren. Remy ließ von ihr ab und erhob sich vom Bett, es schien, als wäre ein wenig aus dem Konzept gebracht, doch die Unsicherheit verschwand gleich wieder aus seinen Zügen. Remy LeBeau akzeptierte selten ein Nein, da er es kaum zu hören bekam und wenn doch, dann konnte er es mit ziemlicher Sicherheit in ein Ja verwandeln, ohne sich wirklich anstrengen zu müssen. Sowas konnte einen Mann durchaus in die Selbstüberschätzung treiben… „Bien, princesse! Wie Du willst. Ich gebe mich aber nicht so schnell geschlagen. Die Umgebung ist vielleicht nicht ganz passend. Zudem muß ich fürchten, daß deine neuen Freunde bald hier auftauchen…“ Remy ließ den Satz bedeutungsvoll offen und nahm aus einem der Schränke, in denen er ungeniert rumgewühlt hatte, elastische Mullbinden heraus, mit denen er Candy knebelte und fesselte, obwohl sie sich nach Leibeskräften wehrte. Ihre aufgebrachten Schimpftiraden wurden bald erstickt und dann war sie wie ein versandfertiges Paket verschnürt und Remy lud sie sich einfach über die Schultern. Candy war stinksauer, daß er sich in den unterirdischen Gängen zurechtfand und sie niemandem in die Arme liefen, der ihr hätte helfen können. Remy hatte irgendwie einen unterirdischen Zugang zur Mansion entdeckt und sie kamen an einem mit Büschen getarnten Ausgang mitten im Grünen heraus, wo Remy seinen Wagen geparkt hatte und Candy auf dem Beifahrersitz ablud. ‚Verdammte, Scheiße!!’, fluchte sie in Gedanken. Niemand würde wissen, wo sie abgeblieben war. Sie hatte keine Ahnung, was Remy vorhatte und war im Moment total hilflos. Remy ließ neben ihr den Motor aufheulen und dann schossen sie in einem irren Tempo durch die nächtlichen Straßen. ~ Kurt hatte Logan und sich nach New York auf den Campus teleportiert, die anderen folgten im Jet, der nur wenige Minuten brauchen würde, doch Wolverine wollte den Tatort auskundschaften, ohne daß er vom restlichen Team davon abgelenkt wurde. Kurt stand ganz still neben dem umgekippten Rollstuhl und sah Logan mit vor der Brust gefalteten Händen zu, wie er die Fährte der vermeintlichen Angreifer aufnahm. Wolverines Gesicht war in verbissene Falten verzogen und Kurt betete leise um ein wenig Hoffnung. „Mindestens fünf Angreifer, ich nehme auch noch eine weibliche Duftspur wahr, aber die ist nicht mehr so frisch wie die der Männer…“ Kurt hielt erwartungsvoll den Atem an, sein Freund ging in die Knie und schien sich noch mehr zu konzentrieren. Er hatte großen Respekt vor Logans Fähigkeiten, die ihn immer wieder verblüfften. Hank hatte ihnen einmal erklärt, daß Logan besser riechen konnte als jeder Bluthund, da seine Großhirnrinde mit dem Teil seines Stammhirns vernetzt war, der für das Riechen zuständig war und er somit eine ganz andere Möglichkeit besaß, Gerüche zu verarbeiten als ein Tier. „Sie sind alle in dieselbe Richtung verschwunden. Wenn wir innerhalb der nächsten zehn Minuten losgehen, dann erwischen wir die Angreifer bestimmt irgendwo!“ Wolverine erhob sich und sah in die Richtung, in die Xaviers Angreifer verschwunden waren, dabei blickte er grimmiger denn je. Ein leises Rauschen in den Kronen der umstehenden Bäume verriet die Ankunft des X-Jets, der von Storm lautlos auf der Wiese gelandet wurde. Das Team versammelte sich um Kurt und Logan, nachdem sie alle eilig den Jet verlassen hatten. „Wolverine? Irgendwelche Hinweise?“, fragte Scott knapp, da er keine Zeit verschwenden wollte. Logan verschränkte die muskulösen Arme vor seiner Brust und erklärte seinen Teamkollegen, was er durch die Duftspuren am Tatort erfahren hatte. „Die Angreifer sind in Richtung Westen verschwunden, die Spur ist noch heiß genug, daß ich sie verfolgen kann. Der Professor ist aber nicht bei ihnen gewesen, seine Spur verschwindet hier am Tatort, als hätte er sich plötzlich in Luft aufgelöst“, schloß Logan seinen Bericht frustriert ab. Kitty meldete sich zögernd zu Wort: „Bist Du sicher, Logan? Keine Reifenspuren oder dergleichen?“ Sie hielt große Stücke auf Wolverine, immerhin hatte er sie ausgebildet und zu einem X-Men gemacht. Logan knurrte mißmutig: „Nein, nichts! Durch den Blutverlust müßte ich ihn viel leichter aufspüren können, aber es gibt nichts, ich habe den Radius bereits auf fünfzig Meter erweitert und konnte nichts einfangen. Als wäre er nie von hier fortgeschafft worden…“ Die X-Men beschlossen, sich erst einmal um die heiße Spur zu den Angreifern zu kümmern. Ihre Hoffnung war nun, daß es sich bei den Angreifern um Mutanten handelte, von denen einer dieselben Fähigkeiten haben könnte wie Kurt. Wenn er jemanden wegbrachte, dann verlor sich die Duftspur dieser Person ebenso wie die des Professors. Als geschlossene Einheit folgten sie Wolverine in einiger Entfernung, um ihn nicht in seiner Konzentration zu stören. Zu ihrer Überraschung führte die Spur in ein Studentenwohnheim, in dem zu dieser späten Stunde hinter einem der Fenster nur noch ein einziges Licht brannte. Kurt teleportierte sich in das Gebäude und öffnete die Tür von innen, so daß Logan und die anderen es ohne großen Lärm zu verursachen betreten konnten. Sie schlichen in den zweiten Stock hoch, wo ein junger Mann aus einem der Gemeinschaftsbäder trat, der sich wohl eben für die Nacht fertig gemacht hatte. In der schwachen Notbeleuchtung auf dem Gang erkannte er schemenhafte, dunkle Gestalten und wollte schon laut aufschreien, als er den Mund wieder schloß und einen entrückten Blick bekam. Jean hatte seine Gedanken gescannt und festgestellt, daß er ein harmloser Student war. Sie hypnotisierte ihn und schickte den mit Prüfungsangst geplagten Jungen in sein Bett, wo er am nächsten Tag voller Zuversicht aufwachen würde. „In diesem Stockwerk schlafen alle, bis auf die Insassen des Zimmers, in dem Licht brennt. Führt dich deine Nase dahin, Logan?“, fragte Jean flüsternd. Logan nickte nur und gab mit der Hand ein Zeichen, daß alle ihm folgen sollten. An der Tür zu dem Zimmer angelangt, drückte er die Klinke vorsichtig herunter und stellte fest, daß die Tür verschlossen war, doch er mußte nur ein wenig fester zudrücken, um das Schloß zu sprengen und dann stand er wie ein dunkler Rächer im Türrahmen und wurde von fünf entsetzten Augenpaaren angestarrt, die ihn für die Inkarnation ihrer dunkelsten Ängste hielten. Fünf junge Männer saßen auf zwei Betten verteilt, sie hatten noch die dunklen Sweatshirts an, doch die Kapuzen vom Kopf gezogen. Auf dem Boden zwischen den Betten lagen noch die blutverschmierten Baseballschläger, die sie benutzt hatten, um auf Xavier einzuprügeln. Logans Nase wurde von dem Geruch nach Xaviers Blut bestürmt und er drehte durch. Mit eine angriffslustigen Knurren stürzte er sich auf die Studenten, die aufgesprungen waren und blind nach ihren Waffen griffen. Die anderen sahen dabei zu, wie Wolverine die jungen Männer in winselnde Bündel Mensch verwandelte, während er beständig Schläge austeilte und dabei knurrte: „Es ist nicht lustig, von einem stärkeren Gegner krankenhausreif geprügelt zu werden, was?“ Nach zehn Minuten gab Scott Colossus ein Zeichen, daß er seinen Teamkollegen in seiner Raserei aufhalten sollte. Nicht daß Scott Mitleid mit den jungen Männern gehabt hätte, aber er wollte nicht, daß sie nicht mehr aussagefähig waren. Peter verwandelte sich in sein stählernes Ich, wodurch er keine Angst mehr haben mußte, von Logans Krallen durchbohrt zu werden, und packte Wolverine um die Schultern, der eben den letzten Gegner mit einem Fausthieb zu Boden geschlagen hatte. „Logan, wir wollen die Bande noch verhören, sie haben genug!“, meinte der junge Mann ruhig, der es schaffte, Wolverine im Zaum zu halten, wenn auch nur knapp. Logan schnaubte verächtlich und verfrachtete die Verletzten auf die Betten, zwischen die sich Jean stellte und ihre Gedanken las. „Er ist der Anstifter!“, sagte sie und hob anklagend den Zeigefinger, um auf einen kräftigen Kerl zu zeigen, dessen Gesicht durch unschöne Platzwunden verunziert wurde. Logan packte ihn am Schlafittchen und zog ihn in die Höhe, um ihm in die angstgeweiteten Augen zu starren. „Wenn Du nicht sofort auspackst, wo der Professor steckt, dann schlitzte ich dir die Kehle auf, Drecksack!“ Logan hielt ihm die ausgefahrenen Krallen unter das Kinn und stach heftig genug zu, daß die Krallen in das Fleisch des Mannes eindrangen und ihm einen entsetzten Schmerzenslaut entlockten. „Ich weiß es nicht, wir haben ihn liegen lassen, weil wir dachten, daß wir angegriffen werden. Da war jemand hinter uns her!“, heulte der junge Mann auf und klang nicht mehr so großkotzig wie zuvor. Logan starrte ihm in die Augen und verzog dann angewidert das Gesicht, als er riechen konnte, wie der Kerl aus lauter Angst die Kontrolle über seine Schließmuskeln verlor. Er stieß ihn aufs Bett zurück und sah zu Jean rüber, die neben Scott stand und mit grimmiger Befriedigung beobachtete, wie Wolverine kurzen Prozeß mit diesen Feiglingen machte. „Er sagt leider die Wahrheit, Logan. Sie haben Panik bekommen, empfanden entsetzliche Angst und sind davongelaufen, um den Professor seinem Schicksal zu überlassen.“, meinte Jean verächtlich und in ihren Augen loderten rote Flämmchen auf. Phoenix, Jeans Alter Ego, blitzte immer wieder auf, wenn sie unter großem Streß stand und wollte nun die Kontrolle über ihre Wut übernehmen, um die Gestalten auf dem Bett mit einem Schlag zu vernichten. Jean konzentrierte sich und fokussierte ihre Fähigkeiten auf der mentalen Ebene, sie würde die Verbrecher dazu veranlassen, sich am nächsten Tag selbst zu stellen. Sie würden solange unter dem Bann des Phoenix stehen, bis sie sich selbst anzeigten und ihre gerechte Strafe erfuhren. Wenn sie das nicht taten, würden sie sehr bald dem Wahnsinn anheim fallen. Unter schrecklichsten Schmerzen… „Gehen wir, von diesen Kerlen haben wir nichts mehr zu erwarten. Sie werden sich Morgen stellen oder qualvoll sterben. Sie haben die Wahl!“ Das war wesentlich mehr, als der Professor gehabt hatte. Jean warf ihren Kopf zurück und Logan sah in ihren Augen die kalte Entschlossenheit des Phoenix und er war der Letzte, der sich ihrem Entschluß entgegenstellen würde. Er hätte nichts dagegen gehabt bei diesen widerwärtigen Subjekten Richter und Henker gleichzeitig zu spielen, doch der Respekt vor Xaviers Menschenbild hielt ihn davor zurück. Er würde nie etwas tun, was ihn in der Achtung dieses unglaublichen Mannes, der für ihn ein Vater und ein Freund war, sinken lassen könnte. Sollten die Scheißer elendig verrecken, das wäre kein allzu großer Verlust für die Welt. Sie verließen das Gebäude und liefen im Laufschritt zurück zum Jet. Xaviers Rollstuhl nahmen sie mit, falls sich darauf noch forensische Spuren finden lassen sollten. Logan setzte sich in den Pilotensitz und leitete die Startsequenz ein, dabei hatte er das unangenehme Gefühl, daß ihm ein wichtiger Hinweis entgangen war. ~ Schmerz, dumpfer unerträglicher Schmerz… Xavier war im Moment nicht fähig, etwas anderes zu empfinden. Es erinnerte ihn an die Zeit, als seine Beine und sein Rückrat gebrochen waren und er erfuhr, daß er nicht mehr laufen können würde. Nie wieder… Moira… Sie hatte bittere Tränen vergossen, als sie ihn an seinem Krankenbett besucht hatte. War das Vergangenheit oder lag er in dem Krankenhaus in Schottland in dem schrecklichen Gipsbett und Moira, seine damalige Verlobte, würde jeden Augenblick ins Zimmer gestürzt kommen? In seinem Kopf schienen dauernd Explosionen stattzufinden, sein Schädel dröhnte, er konnte seine Gedanken nicht sammeln, um seine Angreifer abzuwehren. Wo waren die Angreifer? Wurde er immer noch geschlagen? Xavier stöhnte schmerzerfüllt auf, doch der Schmerz kam von innen, er spürte keine Einschläge mehr. Er spürte wieder eine Erschütterung, die seine Qualen immer weiter steigerten, es fühlte sich an, als würde er getragen. ‚Jean, Scott, Ro… Habt ihr mich gefunden?’ Xavier verlor nach diesem tröstenden Gedanken wieder das Bewußtsein, der Blutverlust war einfach zu groß und sein Körper stellte auf Sparflamme um. Wenn nicht bald ein Wunder geschah, würde er einen Schock erleiden und seinen massiven, inneren Verletzungen erliegen. ~ Hank stütze seine Ellebogen auf dem Tisch auf und fuhr sich in einer selbstquälerischen Geste mit seinen Fingern durch die Haare. Er war so aufgebracht, daß er sich am liebsten selbst die Haare ausgerissen hätte, der Schmerz würde ihn vielleicht von den erdrückenden Selbstvorwürfen ablenken, die ihn quälten. Er blickte verzweifelt in die Runde und traf auf Logans Blick, den er noch nie so außer sich erlebt hatte. „Es tut mir leid, ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte. Es gab keinen Alarm, ich… Es tut mir leid, Logan“, schloß Hank den Satz hilflos ab und sah seinen Teamkollegen abbittend an. Logan ballte die Fäuste auf der Tischplatte und konnte sich gerade noch beherrschen voller Zorn auf sie einzuhämmern. Candy war verschwunden. Entführt! Wie der Professor! Er wagte sich gar nicht vorzustellen, was sie gerade durchmachte. Wäre er nur bei ihr geblieben! Hank hatte sie eben mit dieser Hiobsbotschaft überfallen, nachdem er sie aus Mèmènes Krankenzimmer zur Nachbesprechung des New York-Einsatzes hatte holen wollen und mit leeren Händen zurückgekommen war. „Hank, hast Du die Überwachungskamera in dem Zimmer laufen gelassen?“, fragte Scott ruhig, obwohl er innerlich gegen die aufsteigende Panik kämpfte, in einer Nacht zwei Teamgefährten verloren zu haben. Wenn Jean in dem Moment nicht seine Gedanken durch ihren telepathischen Link aufgehalten hätte, dann hätte er wohl zum ersten Mal in seiner Laufbahn als Anführer des Teams den Kopf verloren. Das Gesicht vom gestreßten Hank leuchtete hoffnungsvoll auf, als ihn Scott daran erinnerte, daß in den Untergeschossen immer Überwachungskameras liefen, wenn man sie nicht extra abschaltete. Damit wollten sie verhindern, daß ungebetene Gäste unbemerkt an ihren technischen Geräten herumspielen konnten. Logan sprang von seinem Stuhl auf und trat an die Bedienungskonsole des Computers, um die Aufzeichnungen aus dem Krankenzimmer abzurufen, bevor sich Scott auch nur rühren konnte. Der ließ ihn jedoch gerne gewähren, wenn Logan sich dadurch wieder ein wenig fangen konnte. Logan spulte vor, als er die Aufnahme isoliert und auf den Bildschirm gebracht hatte. Sie konnten alle sehen, wie Hank und Candy sich unterhielten und er ihr einen Kuß auf die Wange drückte. Die Szene machte dem jungen Arzt ein noch viel schlechteres Gewissen. Candy war ihrer Erfahrung nach ihr jüngstes Mitglied, und er fühlte sich irgendwie für ihren Schutz verantwortlich, da er in den letzten Wochen so eng mit ihr zusammengearbeitet hatte. Außerdem war sie klein und zerbrechlich, wenn er sie so im Vergleich mit seiner Statur auf dem Bildschirm betrachtete. Candy löschte das Licht und legte sich auf das unbenutzte Bett, wo sie sich unruhig hin und her wälzte, als würde sie keine Ruhe finden. Bisher war alles normal, dann sah Logan einen Schatten ins Bild huschen, der sich an Candys Bett schlich. Logan stoppte das Band und spulte zurück, um es in Echtzeit ablaufen zu lassen. Er hörte Candy leise murmeln: „Logan, bist Du zurück?“ Der Kuß hatte ihm gegolten! Den Satz wiederholte Logan in Gedanken wie ein Mantra, denn der Anblick, wie der Unbekannte Candy einfach küßte, brachte ihn schier um den Verstand. Er konnte zusehen, wie Candy seine Lektionen in die Tat umsetzte und dem Angreifer Paroli bot, bis er sie mit einem fiesen Trick außer Gefecht setzte und auf das Bett warf. ‚Das ist mein Mädchen!’, dachte Logan voller Stolz, als sie dem Kerl an den Kopf warf, daß sie zu ihm gehörte und er ihn bald zu Schaschlik verarbeiten würde. „Mit dem größten Vergnügen!“, murmelte Logan kampflustig. Er war nicht mehr so besorgt wegen Candys Sicherheit, wie noch vor zehn Minuten, dieser Remy-Typ wollte sie nicht töten, ansonsten hätte er sie nicht entführt. Aber er würde trotzdem teuer dafür bezahlen, daß er ihr wehgetan hatte, das schwor sich Logan erbittert. „Ist das der Bursche, den wir suchen? Remy LeBeau?“, fragte Iceman überrascht, als die Kameras seine Flucht durch die Korridore dokumentierten. „Wie konnte er Candy finden?“, warf Shadowcat verwirrt ein, da Remedy ihnen versichert hatte, daß niemand ihren Aufenthaltsort kannte. Es war schier unmöglich, in die Mansion einzudringen, wenn man nicht gerade wie Kitty durch Wände gehen konnte. Und dennoch hatte es dieser komische Kerl geschafft, ohne Alarm auszulösen. Die X-Men wussten ja nicht, daß Remy vom Anführer der „Thieves Guild“ großgezogen und ein äußerst talentierter Einbrecher geworden war. ~ „…Ich brauche Hilfe! Alleine schaffe ich das nicht. Ich muß an meine Grenzen gehen und werde dadurch einige Zeit ausfallen. Wir müssen sie unbedingt noch heute finden!“, rief der ergraute Mann mit dem Vollbart aus und lehnte sich schwer atmend an die Wand hinter sich. Caliban sprang auf ihn zu und stütze seinen Freund, der schon sehr schwach war und selbst Hilfe brauchen konnte. „Ich werden nicht aufgeben, bis ich eine Spur von ihr habe, versprochen! Du mußt durchhalten, versprich mir das!“ Der Angesprochene atmete tief durch und legte seine Hand über die von Caliban. „Sie ist die letzte Hoffnung für uns beide, Caliban. Wenn es sein muß, dann wende Gewalt an, aber nicht mehr als unbedingt nötig, verstanden?“ Caliban nickte und ließ dann seinen Freund zurück, um sein Versprechen wahr zu machen, koste es, was es wolle. ~ Logan hatte Kurt den Auftrag gegeben, Merveille zu wecken und sie in das Teamzimmer zu bringen. Er hatte da einen leisen Verdacht. Sie tauchten Minuten später auf und die junge Frau hielt sich ängstlich an Kurt fest, da sie die Erfahrung der Teleportation zum ersten Mal gemacht hatte. Sie sah verschlafen aus und trug eine bodenlange Tunika, die Logan sofort an Candy erinnerte, die auch eine Schwäche für farbenfrohe, folkloristische Gewänder hatte. „Ist etwas mit meiner Tante?“, fragte die junge Frau besorgt und sah verwirrt von einem zum anderen. Warum trugen alle hier so komische Kampfanzüge? „Merveille, hast Du in letzter Zeit Kontakt mit einem gewissen Remy LeBeau gehabt?“, fragte Logan direkt und starrte die junge Frau an, als wollte er die Antwort in ihren Augen lesen. „Ja, sicher! Ich habe ihn vorhin angerufen, bevor ich mich schlafen gelegt habe. Er mußte doch erfahren, daß wir Candy gefunden haben und daß es meiner Tante besser geht“, erklärte Merveille vollkommen arglo, schließlich war Remy ein Freund der Familie. Logan stützte sich auf der Tischplatte ab und knurrte übelgelaunt, was die junge Frau nervös zusammenzucken ließ. „Und Du hast ihm auch verraten, wo sie sich aufhält, oder? Und er spaziert einfach hier herein und entführt Candy!“, brüllte Logan wütend und bollerte mit der geballten Faust auf den Tisch. Merveille trat ängstlich einen Schritt zurück und fragte unsicher: „Entführt?!“ Logan drückte auf „Play“ und zeigte Merveille, was Remy mit Candy gemacht hatte, nachdem er sie überwältigt hatte. „Je ne comprend rien (Ich verstehe gar nichts)! Remy würde ihr nie etwas tun, meine Tante meint, daß er…“, hier unterbrach sich Merveille und blickte schuldbewußt zu Logan rüber, der immer noch so aussah, als wollte er sich auf sie stürzen. „…sie liebt“, schloß sie ihren Satz mit leiser Stimme. Rogue legte Logan begütigend eine Hand auf seinen Arm und drückte ihn tröstend. Sie dachte an das Gespräch zurück, das sie mit Candy geführt hatte und in dem sie mögliche Konkurrenz erwähnt hatte, doch es war gar nicht lustig, Logan wirklich leiden zu sehen. Er würde es nicht überleben, wenn sich wieder eine Frau von ihm abkehrte, für die er so viel empfand wie für Candy. Logan beruhigte sich ein wenig, als er Maries Hand auf seinem Arm spürte, er mußte jetzt einen klaren Kopf behalten. Candy wartete bestimmt auf seine Hilfe. „Unter welcher Nummer hast Du LeBeau erreicht? Weißt Du, wo er wohnt?“, fragte Logan ihren Gast schon etwas freundlicher. Merveille nannte ihm die Nummer aus dem Kopf, die genaue Adresse wußte sie jedoch nicht, und Logan tippte sie in den Computer, um sie durch das System zu jagen und den Zielort festzustellen. Nach einigen Sekunden poppte de Adresse auf dem Bildschirm auf und Logan entfuhr ein aufgebrachtes Jaulen, das alle zusammenzucken ließ. „Verdammte Scheiße, das gibt’s doch nicht! Kurt kannst Du heute noch teleportieren?“ Der kleine Elf schüttelte bedauernd den Kopf: „Tut mir leid, Logan, ich brauche eine Pause. Gib mir wenigsten eine halbe Stunde, okay? Oder wären wir mit dem Jet schneller?“ „Schon gut! Ich warte, bis Du wieder fit bist. Jet ist nicht angesagt, jemand muß den Hubschrauber nehmen. Wer fliegt?“ Scott, Jean und Colossus würden die Rückendeckung bilden, da im Hubschrauber nicht genug Leute Platz hatten. Aber die drei sollten zusammen mit Wolverine ohne weitere Probleme mit der Sumpfratte aus New Orleans fertig werden können. Logan schwor sich, daß er den Kerl langsam und genüsslich in Streifen schneiden würde, wenn erstmal Candy aus seinen schmierigen Händen befreit hatte. Fortsetzung folgt… Kapitel 19: Remy, Friend or Foe? -------------------------------- X X X ~ Candy war von den sich überstürzenden Ereignissen dieser Nacht total geschockt. Sie verfluchte Remy zum wiederholten Male, der sie durch seine Fesselungskünste jeder Gegenwehr beraubt hatte. Sie wurde über die Schulter geworfen getragen, als wäre sie eine leblose Stoffpuppe. Die düstere Umgebung ängstigte sie zusätzlich und sie fragte sich bang, wohin sie wohl gebracht wurde. Beklemmende Bilder von Folterkammern gingen ihr durch den Kopf. Sie lenkte ihre Gedanken lieber von der eigenen mißlichen Situation ab und dachte an den Professor und das Team, das in New York nach Spuren suchte. Sie hoffte, daß sie den Professor bald fanden und ihn dann ärztlich versorgen konnten. ‚Vielleicht brauchen sie mich dafür?’, dachte Candy besorgt und begann zu zappeln, doch der Griff um ihre Oberschenkel wurde nur fester und ihr Entführer lief weiter, ohne von ihren schwachen Befreiungsversuchen Kenntnis zu nehmen. ~ Ein leises ‚bampf’ kündigte Kurts und Logans Landung an ihrem Zielort an, wo sie sofort von Dunkelheit umgeben waren. Logan orientierte sich schnell und stellte fest, daß Kurt sie fast genau an dieselbe Stelle teleportiert, wo er ihn und Candy vor einiger Zeit gerettet hatte. Ihre Wohnung… Damit hatte Logan nun wirklich nicht gerechnet, als die Adresse zu der Telefonnummer auf dem Bildschirm aufleuchtete. Sie vernahmen ein leises Stöhnen und Logan stürzte sofort in Richtung Schlafbereich, wo er den Vorhang halb aus der Schiene gerissen fand und dahinter lag ein Mann auf dem Boden, der eben versuchte, sich mühsam aufzurappeln. Wolverine knurrte und stürzte sich auf den Kerl, der es gewagt hatte, sich an Candy zu vergreifen. Remy hatte keine Chance zur Gegenwehr, er war noch viel zu geschwächt, um sich zu wehren und konnte nicht einmal die Schläge abblocken, die unbarmherzig auf ihn niederprasselten. „Du mieses Dreckschwein! Wo ist Candy?! Wenn Du nicht sofort sagst, wo sie steckt, kill ich dich!“, brüllte Logan außer sich, während seine Faust wieder auf das Gesicht des Gegners niedersauste und ihm die Nase mit einem unangenehmen Knacken brach. Kurt sprang dazu und hielt Logans Arm fest, bevor seine Faust noch einmal auf den wehrlosen Mann runter knallte und weiteren Schaden anrichtete. „Logan! Hör auf, der Mann ist fertig!“, versuchte er seinen Freund zu beruhigen. Wolverine zitterte vor Anstrengung, seinen eigenen Teamkameraden nicht zu schlagen, aber Kurt hatte Recht, wenn er diesen Remy umbrachte, erfuhr er wohl nie, wo er Candy hingebracht hatte. Er ließ schließlich von dem Mann ab, der auf den Boden glitt und sich vor Schmerzen stöhnend die blutende Nase hielt. Kurt ging neben ihm in die Knie und legte den Kopf schief. „Sie sagen uns besser, wo Candy ist, ansonsten kann ich für nichts mehr garantieren. Ich kann Wolverine bestimmt kein zweites Mal zurückhalten.“ Remy stöhnte wieder und versuchte, über den Mund nach Luft zu schnappen, da seine Nase durch einen Blutpfropfen verstopft wurde: „Je ne sais pas! Wirklich! Non, un moment!“ Er hob abwehrend die Hand, als der Kerl mit der wilden Frisur wieder auf ihn draufspringen wollte, eine zweite Runde würde er wohl kaum überleben. „Ich habe sie hergebracht, ich wollte nur mit ihr reden. Wir waren kaum fünf Minuten hier, da passierte es… Es war die nackte Angst, wir konnten uns nicht rühren, dann war auf einmal ein komischer Kerl mit einer Kutte hier und schleppte Candy weg. Ich konnte nichts dagegen tun, c’ était impossible…“ Kurt kniff seine gelben Augen zusammen und packte den Mann am Schlafittchen, um ihn zu sich heranzuziehen. „Und warum konnte sie sich nicht wehren?“ Remy verzog das Gesicht und zuckte bedauernd mit den Schultern. „Sie war noch gefesselt. Ja, ich bin mit schuld, aber ich wollte ihr wirklich nichts tun. Ich wollte nur in Ruhe mit ihr reden, sonst hätte ich sie wohl kaum hierher gebracht, n’ est-ce pas?“ Logan indessen versuchte, Candys Spur aufzunehmen, bevor sie sich wieder verlor und er die gleiche Schlappe wie beim Professor erlitt. „Paß auf den Scheißkerl auf, Kurt! Ich versuche, Candys Spur zu orten!“ Logan konzentrierte alle seine Sinne auf Candy und den Eindringling, der eine ganz eigene Duftspur hatte, die hier jedoch schwer auszumachen war. Das Treppenhaus wurde schließlich von sehr vielen Menschen benutzt und die fremde Spur war irgendwie kälter als die von normalen Menschen. Draußen lief er Scott, Jean und Peter fast in die Arme und schickte sie nach oben, falls Kurt wider Erwarten Hilfe bei der Bewachung ihres Gefangenen brauchen sollte. Zehn Minuten später betrat Logan wieder die Wohnung und fand seine Leute in Candys Wohnzimmer, wo Remy auf der Couch saß unter der Bilderserie „Visions of the Night“, mit der alles irgendwie angefangen hatte. Die anderen Teammitglieder standen um ihn herum, während Jean sich ihm gegenüber auf den Couchtisch gesetzt hatte und sich um seine Wunden kümmerte, wofür sie Candys alte Einsatztasche benutzte. Ein Anblick, der Logan fast wieder dazu veranlaßte, dem Kerl ins zerschundene Gesicht zu springen. „Die Spur verliert sich im Nichts, der Kerl muß sich wohl teleportieren können, oder so was!“, meldete er schlecht gelaunt und verschränkte die Arme vor der mächtigen Brust. Scott runzelte die Stirn und fragte: „Warum hat er sich dann nicht gleich aus der Wohnung gebeamt? Das wäre doch wesentlich unauffälliger gewesen, oder nicht?“ Logan mußte ihm Recht geben, das war wirklich merkwürdig, daß bei zwei Vermissten des X-Teams beide Male ein Teleporter die Finger im Spiel haben sollte. Nein, der Professor war an Ort und Stelle verschwunden, das war anders gelagert gewesen. „Meinst Du, daß es da einen Zusammenhang gibt? Ich kann mir das kaum vorstellen, Candy ist noch ziemlich neu im Team, kaum einer unserer Gegner dürfte sie kennen. Zudem gab es da diese Attacken auf sie, als wir in New York waren… Ich kann mir da keinen Reim auf Xaviers Verschwinden machen!“, erwiderte Logan und grinste zufrieden, als Jean dem dämlichen Franzosen einen Schmerzenslaut währen der Behandlung entlockte. „Das hätten wir erstmal provisorisch gerichtet!“ Jean erhob sich vom Couchtisch und trug die benutzten Kompressen in die Küche zum Müll, wo sie auch die Einweghandschuhe entsorgte. „Kurt, Du nimmst Jean und unseren… Gast mit, Logan fliegt mit uns!“, ordnete Scott an und hob abwehrend die Hand, als er sah, daß Logan protestieren wollte. „Ich will, daß der Kerl vernehmungsfähig bleibt, okay? Vertrau mir, es ist die richtige Entscheidung!“ „Meinetwegen!“, gab Logan kurz zurück und zog den Mann unsanft vom Sofa hoch. Er hoffte fast auf ein wenig Gegenwehr, doch der Typ schien zu wissen, wann er die Finger ruhig zu halten hatte. Leider… Er schob ihn zu Kurt rüber und sah dann zu, wie Jean und die beiden Männer vor seinen Augen verschwanden, dann sah er Scott auffordernd an. „Der Kerl hat latente Psi-Kräfte, Logan. Jean kann seine Gedanken nicht lesen und hat gespürt, wie er seine Fühler ausgestreckt hat, um jemanden zu manipulieren. Glaub mir, es ist besser, wenn Phoenix in seiner Nähe bleibt!“, erklärte der Anführer der X-Men mit ruhiger Stimme. „Diese schmierige, kleine Sumpfratte!“, grollte Logan und bedauerte zutiefst, daß der Kerl schon in Sicherheit war. Er hätte schon dafür gesorgt, daß der Mann seine Kräfte nicht einsetzen konnte, mit einem zertrümmerten Schädel konnte man auch keine Telepathie einsetzen, soviel hatte Logan bei Hank im Spezialunterricht „Anatomie und Mutationen“ gelernt. Aber Scott hatte Recht, mit eingeschränkter Hirnfunktion nutzte ihnen der Gefangene wenig… ~ Candy kam es so vor, als wäre sie Stunden durch düstere Gänge getragen worden, sie hatte schon nach wenigen Augenblicken vollkommen die Orientierung verloren. Jeglicher Versuch, mit dem Entführer in Kontakt zu treten wurde durch eisiges Schweigen quittiert, und sie bekam es immer mehr mit der Angst zu tun. Fast wünschte sie sich wieder Remy herbei, bei dem sie wenigstens wußte, woran sie war. Die plötzliche Helligkeit, die in den Gang hineinstrahlte, blendete Candy heftig, so daß sie die Augen schloß und kaum richtig mitbekam, wie sie auf dem Boden abgestellt wurde. Jemand schnitt ihre Fesseln auf und sie blinzelte in den Raum hinein, der groß wie eine Bahnhofshalle war und voller Gestalten, die die merkwürdigsten Gewänder trugen. Sie wurde aus tausend Augen angestarrt, so kam es ihr jedenfalls vor und hörte, wie die Gaffer leise wisperten und raunten. „Willkommen zuhause, Chira!“, tönte eine tiefe Stimme durch den hohen Raum und verursachte Candy eine Gänsehaut, obwohl sie nicht verstand, wer begrüßte wurde. Ihr Entführer hielt sie an der Schulter fest und Candy fühlte immer noch die unbändige Angst, die sie der Mann mit der weißen Haut und den gelben Augen noch vor einer halben Stunde hatte spüren lassen. Nur diesmal kam die Angst aus ihr selbst und wurde nicht von jemandem in ihr ausgelöst. „Caliban, Du hast meine Tochter wirklich gefunden und nach Hause gebracht! Du bist ein echter Freund!“ Candy wagte es nicht, sich zu der tiefen Stimme umzudrehen, doch der Mann namens Caliban drehte sie mit sanfter Gewalt zu dem Sprecher hinter ihr um. „Chira, willst Du deinen Vater nicht begrüßen?“, fragte er mit einer seltsam hohen Stimme, die Candy eine unangenehme Gänsehaut bereitete. Sie wollte schreien, daß ihr Name nicht Chira war, daß irgendjemand einen fatalen Fehler gemacht hatte, doch in dem Moment sah sie auf und erblickte den Mann, der behauptete ihr Vater zu sein. Er war auf sie zugegangen und stand nur wenige Zentimeter von ihr entfernt. Candy blieben die Worte des Protests im Halse stecken und dann gaben ihre Knie einfach nach und sie sank ohnmächtig auf den kalten, gefliesten Boden… ~ „Dann habe ich also nicht geträumt?“, fragte die alte Dame in dem Krankenbett und richtete sich in eine sitzende Position auf. „Oui, Maman, c’est moi…“, kam die geflüsterte Antwort von Remy, der wie ein Häufchen Elend auf dem Bett saß und seine alte Freundin ein wenig zerknirscht ansah. Der geknickte Eindruck wurde dadurch verstärkt, daß seine Lippe geschwollen und er einige andere unschöne Prellungen im Gesicht hatte, die bald in allen Farben des Regenbogens schillern würden, erst Candy und dann Logan hatten ganze Arbeit geleistet. Sein Gesicht war richtig übel zugerichtet, obwohl Jean ihn medizinisch versorgt hatte und nach Logans Angriff auf den Mann keiner mehr Hand an ihn gelegt hatte. Es war ein Glück für ihn, daß die Teamkameraden Logan während des Verhörs zurückgehalten hatten, ansonsten hätte man ihn sicher neben seiner Freundin in ein Krankenbett packen können. Maman Mèmène war am frühen Morgen aus dem künstlichen Koma erwacht und Remy hatte die X-Men darum gebeten, sie besuchen zu dürfen, um sich vom Gesundheitszustand seiner alten Freundin selbst überzeugen zu können. Hank stand im Hintergrund und stellte zufrieden fest, daß die Werte ihres Gastes wieder vollkommen normal waren. Die Frau war kerngesund und würde sich sicher noch einige Jahre bester Gesundheit erfreuen können. Während er die letzten Werte in ihre Krankenakte eintrug, stahl sich eine steile Falte zwischen seine Augenbrauen, weil er daran denken mußte, daß Candy sich über das Ergebnis der Heilung sehr gefreut hätte. Ihr Gast und ihr Gefangener unterhielten sich in rasender Geschwindigkeit auf Cajun und Mèmène schien den jungen Mann mehrmals auszuschimpfen, was Hank an dessen betretenen Gesichtsausdruck ablesen konnte. Es wunderte ihn, daß dieser eingebildete Schnösel tatsächlich so etwas wie ein schlechtes Gewissen zu haben schien. Beim Verhör war er noch ziemlich großspurig rübergekommen und hatte dabei riskiert von Logan zu Kleinholz verarbeitet zu werden. Dann wurde die Tür zum Krankenzimmer aufgerissen und eine ziemlich aufgebrachte Merveille stürzte in den Raum an die Seite, wo Remy auf dem Bett saß und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige, so daß er schmerzerfüllt aufstöhnte und sich seine bandagierte Nase hielt, die durch die Vibration des Schlages wieder zu pochen begonnen hatte. „Tu es tellement imbécile [Du bist so blöd]! Je… Ich glaube nicht, was Du dir nun schon wieder geleistet hast! Ich sollte dich windelweich prügeln, Du Mistkerl! Wie konntest Du Candy entführen?! Und mir den schwarzen Peter zuschieben!“, spie die junge Frau entrüstet aus und holte schon wieder aus, doch Hank war hinter sie getreten und hielt ihren Arm zurück. „Das reicht, Mademoiselle Rozier! Remy hatte nie die Absicht, Candy für längere Zeit von ihrer Tante weg zu holen. Er konnte schließlich nicht wissen, daß sie in New York schon zwei Mal das Opfer eines Attentats durch Unbekannte geworden war. Ihre Tante ist außer Gefahr, sie braucht Candys Kräfte nicht mehr“, redete Hank beruhigend auf die junge Frau ein. Remy hatte sich vom Bett erhoben, so daß Merveille sich zu ihrer Tante setzen konnte, um sie in die Arme zu schließen. „Wir lassen die Damen besser einen Augenblick allein, Remy.“ Hank hielt dem jungen Mann die Tür auf und führte ihn dann wieder zurück in sein unterirdisches Quartier, eine ausbruchsichere Zelle. Remy hatte zwar versprochen, daß er sich nicht davonstehlen würde, bis er sicher war, daß es Candy gut ging, doch Logan hatte in dem Punkt nicht mit sich handeln lassen. Er traute dem Kerl nicht mal so weit, wie er ihn werfen konnte oder eigentlich nicht mal so weit, da Logan ihn durch seine immense Körperkraft bestimmt sehr weit werfen konnte. Hank war auch lieber, wenn ihr unfreiwilliger Gast unter Bewachung stand und sich nicht unter die Kids mischte, die wohl anfälliger für Remys Fähigkeiten waren und ihm vielleicht unfreiwillig zur Flucht verhelfen würden. „Du solltest die Zeit nutzen, dich ein wenig auszuruhen, jemand aus dem Team wird dich sicher wecken, wenn wir Neuigkeiten von Candy haben. Du erreichst mich oder Jean über die Interkom, wenn Du etwas brauchen solltest!“ Mit diesen Worten zog Hank die gepanzerte Tür zu, von der er sich nicht sicher war, ob sie einem geballten Angriff von Remys Kräften wirklich standhalten konnte. Er hatte sicher noch einige Asse in der Hinterhand, die er ihnen nicht verraten hatte. Die Sache auf dem Video hatte ihnen bestimmt nicht das komplette Ausmaß seiner explosiven Kräfte verraten. Zudem besaß der Kerl die Fähigkeit der Persuasion, das war ein Psi-Talent, das ihm ermöglichte, empfindsamen oder dafür anfälligen Menschen, seinen Willen aufzuzwingen. Phoenix hatte ihn natürlich sofort durchschaut, doch sie konnte ihn nicht lesen, seine Gedanken verschlossen sich ihr, was ein ziemlich seltenes Phänomen war. Sie waren sich nicht einmal sicher, ob der Professor, Remys gedankliche Barriere durchdringen könnte… Hank atmete tief durch und ging mit festen Schritten in zu seinem Labor, wo er sich an seinen Schreibtisch setzte und die antike Phiole mit einem verzierten Verschluß aus Gold von einem Tablett nahm, die sie ihrem Gast abgenommen hatten. Er trug das kleine Gefäß an einer goldenen Kette um den Hals und hatte sich zuerst geweigert, den Schmuck abzunehmen, bis Logan sie ihm praktisch vom Hals gerissen hatte. „Das ist keine Waffe, das ist etwas Persönliches!“, hatte der junge Mann protestiert, wobei er Logan aus seinen roten Augen anblitzte, als würde er überlegen, einen Angriff zu riskieren. Hank hob die Phiole gegen das Licht und konnte nicht viel mehr erkennen als eine trübe, gräulich getönte Flüssigkeit. Er wollte das Behältnis schon durchschütteln, überlegte es sich aber dann anders, es könnte sich schließlich um eine Art Sprengstoff handeln. Hank beschloß ein paar Tests zu machen, die ihn von seinen trüben Gedanken ablenken würden, er könnte sowieso nicht schlafen, auch wenn sich der Rest des Teams zur Ruhe begeben hatte. ...Fortsetzung folgt… Kapitel 20: Gambit's Vial ------------------------- ~ Logan hatte nicht schlafen können, er hatte sich in Charles Arbeitszimmer zurückgezogen und sich mit einer Karaffe Brandy und ein paar Zigarren an seiner Seite in seinen angestammten Sessel gesetzt, in dem er immer saß, wenn er sich mit Chuck in philosophischen Gesprächen erging. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er in der Nacht nach dem missglückten Einsatz bei ihm gesessen hatte und sich mit Selbstvorwürfen überschüttet hatte, weil er Marie nicht hatte retten können, bevor John sie mit seinen Flammen regelrecht gegrillt hatte. Wenn er den Satansbraten zwischen seine Klauen kriegen würde, dann würde er ihn so weit bekommen, sich selbst mit seinem dämlichen Feuerzeug zu rösten. Charles hatte versucht, ihn zu beruhigen und dann waren Logan Candys besondere Fähigkeiten eingefallen. Er hatte sie in den Wochen davor mit aller Macht aus seinen Gedanken gedrängt, sich eingeredet, daß die Sache zwischen ihnen keine Bedeutung außer der rein fleischlichen hatte, bis er wirklich daran glaubte. Logan schüttelte bei dem Gedanken daran über sich selbst den Kopf und nippte an dem edlen Drink, während er der kleinen Rauchwolke, die aus der Zigarre aufstieg mit den Augen folgte. Charles warf ihm immer vor, daß er sich zu sehr vor seinen Mitmenschen verschloß und sich dadurch oft selbst in eine ausweglose Situation manövrierte und an diesem Punkt ergriff Logan dann meist die Flucht. Erst seitdem er in der Mansion lebte und gelernt hatte, anderen Menschen zu vertrauen, die ihn als ihresgleichen akzeptierten, begann er, Wurzeln zu schlagen und andere in sein verschlossenes Herz zu schließen. Zuerst Marie, Jean, Charles, Ororo, Hank, Bobby… und vor allen Dingen den kleinen, blauen Elf sogar Scott. Ohne es zu bemerken, hatte er eine Familie um sich gebildet, auf die er jederzeit zählen konnte, die ihn immer unterstützte und auch in seinen schwachen Momenten zu ihm hielt. Und Candy hatte sich seit ihrem ersten Tag hier perfekt eingefügt, als wäre sie schon immer das fehlende Glied in der Kette gewesen, deren Teile nun komplett waren und den Kreis somit um ihn geschlossen hatten. Candy gegenüber war er auch verschlossen gewesen, auch wenn sie es ihm nicht schwer machte, da sie ihn nie mit Fragen nach seinen Gefühlen bedrängt hatte, was ihn zusehends irritierte, weil er dadurch begann, sich tatsächlich mit seinen eigenen Empfindungen für sie auseinanderzusetzen. Und nun war Candy verschwunden und er wußte nicht, ob er sie je wieder sehen würde. Schon der Gedanke daran ließ ihn erzittern und er wünschte sich, daß er sich in den Keller schleichen könnte, um seine unbändige Wut erneut an diesem quakenden Franzmann auslassen zu können, ohne daß einer seiner Teamgefährten sich schützend vor ihn stellte. Logan hob den Kopf, als Kurt mit einem leisen ‚bampf’ plötzlich in Charles Büro stand und sich auf dessen Schreibtisch setzte. „Ich wußte, daß ich dich hier finden würde, mein Freund!“, meinte der junge Mann mit dem leichten Akzent und seine gelben Augen leuchteten mitfühlend in seinem dunklen Gesicht auf, das in dem schummrigen Raum fast schwarz wirkte, obwohl er eigentlich dunkelblau war. Er verschränkte die Arme vor der Brust und seine Schwanzspitze schaukelte über seinem Kopf hin und her, womit Kurt schon so manchen Verdächtigen beim Verhör ziemlich irritiert hatte, da man sich nicht entschließen konnte, wohin man zuerst sehen sollte, Gesicht oder eben zum Schwanzende hin, das ein wenig an eine Drachenspitze erinnerte. Logan mußte gegen seinen Willen schmunzeln: „Kurt, laß das! Mich kriegst Du damit nicht! Du kannst mir nicht vormachen, daß Du der leibhaftige Teufel bist!“ Kurts weiße Zähne blitzten auf und Logan sah trotz der Dunkelheit um sie herum wegen seiner besonders scharfen Sehkraft, daß er von einem Ohr zum anderen grinste. Manchmal beneidete er den Elf um seinen starken Glauben, der ihn niemals verzagen ließ. Wahrscheinlich fühlte sich Logan deshalb in seiner Nähe so wohl, Kurt glaubte immer an das Gute in Logan und schaffte es immer, ihn aus seinen trüben Gedanken zu reißen. „Wenigstens schaust Du nun nicht mehr so grimmig! Du sitzt doch hier und bist schon wieder dabei, dir an allem die Schuld zu geben, wie ich dich kenne!“, erwiderte Kurt, ohne Logan aus den Augen zu lassen. Wenn man ihn provozierte, dann mußte man mit allem rechnen und Kurt hatte keine Lust, für seinen Freund den Punchingball zu geben, wo er sich doch nicht an ihrem Gefangenen hatte austoben dürfen. „Du hast leicht reden! Ich hätte sie nicht allein lassen sollen…“, grummelte Logan und stellte das inzwischen leere Glas auf den Beistelltisch neben dem Sessel ab. Kurt schüttelte den Kopf: „Sie ist ein X-Men, Du hast sie auf solche Situationen vorbereitet, außerdem haben wir alle geglaubt, daß sie hier sicher ist. Wer konnte schon damit rechnen, daß dieser Gambit hier auftaucht und sie ausgerechnet in ihre Wohnung schafft, wo sie von Unbekannten entführt wird? Du solltest ein wenig mehr Vertrauen in ihre Fähigkeiten haben, ich bin mir sicher, daß sie einen Weg finden wird, ihren Entführern zu entkommen!“ Logans Miene verdüsterte sich nur noch mehr, weil Kurt zwar vom Kopf her recht hatte, doch sein Herz verkrampfte sich immer noch bei der Vorstellung, daß Candy im Augenblick versuchen könnte, sich gegen einen übermächtigen Gegner zur Wehr zu setzen. Und daß sie dabei vielleicht den Kürzeren zog. Sie war so klein und zerbrechlich trotz ihrer Selbstheilungskräfte… Dann sprang er blitzartig auf die Füße und knurrte aufgebracht: „Verdammt! Wir haben den Kerl zwar verhört, aber die Sache mit den Marauders außen vor gelassen, weil wir erst Hinweise zu Candys Entführung haben wollten! Der dämliche Franzmann hat allem Anschein nach, diese Truppe zusammengestellt und weiß sicher, ob ein Mutant mit dieser speziellen Kraft zu der Bande gehört!“ Mit diesen Worten stürmte er aus dem Zimmer und Kurt folgte ihm überrascht zu den Aufzügen. Logan hatte recht, sie hatten sich nur auf die Entführung konzentriert und gar nicht mehr an die Marauders gedacht, alle Teammitglieder waren durch die beiden Entführungen ein wenig aus dem Konzept gebracht worden. Wenn die dahinter steckten, dann war Candy in ernsthafter Gefahr, diesen irrsinnigen Mutanten hatte sie im Alleingang nichts entgegenzusetzen. Sie rannten gemeinsam den Flur des zweiten Kellergeschosses entlang, als unvermittelt die Tür zu einem der Labors aufgerissen wurde und Hank auf den Gang trat. Die drei prallten zusammen und Hank und Logan kullerten über den Boden, während Kurt einen Zusammenstoß nur vermeiden konnte, weil er aus purem Reflex heraus einen Salto schlug und über die beiden hinweg gesprungen war. „Hank! Paß doch auf!“, schimpfte Logan und sprang auf die Füße, während er seinem Kollegen die Hand reichte, um ihm aufzuhelfen. „’Tschuldigung!“, murmelte Hank und rückte seine Brille zurecht. „Wohin wolltest Du denn so eilig?“, fragte Kurt neugierig, dem Hanks Gesichtsausdruck auffiel. Er sah so aus, als hätte er eine ziemliche Neuigkeit zu verkünden. Hank fuhr sich ein wenig verwirrt durch die Haare und bückte sich dann nach einem Bogen Papier, der ihm beim Zusammenstoß aus der Hand geflattert war. Er räusperte sich und meinte dann: „Ich wollte Scott aus dem Bett schmeißen, Leute. Ich habe den Inhalt der Phiole, die unserem charmanten Gast gehört, aus purer Langeweile untersucht, ich konnte nicht schlafen… Ich habe eben die Daten aus dem Drucker geholt und… Es ist einfach unglaublich, aber ich habe es wieder und wieder durch den Computer gejagt, es gibt keinen Zweifel!“ Logan packte Hank an den Schultern und schüttelte ihn leicht. „HANK! Schwafle hier nicht rum! Was hast Du rausbekommen?“ Hank grinste schief: „Sorry! Ich bin ein wenig aufgeregt, mit so etwas habe ich nun mal gar nicht gerechnet… Ich kann es euch nicht sagen, ich muß zuerst mit Scott reden, weil es ihn persönlich betrifft…“ Der junge Arzt wich einen Schritt zurück, als er das angriffslustige Funkeln in Logans Augen bemerkte. „Reg dich ab, Logan! Ich rufe Scott und Jean und wir treffen uns alle in der Küche. Diese Eröffnung sollten wir erstmal im kleinen Team abhalten, okay?“ Die drei fuhren also wieder nach oben und Kurt und Logan warteten in der Küche ungeduldig auf den Rest der Truppe. Zehn Minuten später saßen sie alle zusammen und warteten gespannt auf Hanks sensationelle Erkenntnis. Die vier saßen am Tisch, während Logan am Tresen lehnte und ein Bier kippte. Hank schob das Blatt mit den Daten zu Jean herüber, die ihre Lesebrille während des Lesens immer wieder zurecht schob und ihre Augen dabei aufriß. „Hank! Ist das wahr?“, fragte sie und sah ihn absolut überrascht an. Der Angesprochene seufzte und nickte eifrig: „Ja, kein Zweifel! Ich habe es überprüft, mindestens zehn Mal, weil ich es auch nicht glauben konnte… Der Inhalt der Phiole besteht aus grauer Hirnmasse, die Remy LeBeau wohl in einer komplizierten Operation entnommen worden ist. Weshalb jemand so einen Eingriff bei ihm durchgeführt hat, ist mir allerdings schleierhaft!“, begann Hank zu erklären und alle Augen waren erwartungsvoll auf ihn gerichtet. „Nun ja, ich werde ihn dazu noch befragen, aber zuvor schickte ich seine DNS durch den Computer, ohne davon etwas zu erwarten, doch nach wenigen Augenblicken hatte ich eben das Ergebnis, das ihr dem Datenblatt entnehmen könnt“, fuhr Hank fort und beeilte sich dann, seine kleine Ansprache zu verkürzen, weil er erkannte, daß einer der Männer ihn sicher vor lauter Anspannung anspringen würde, wenn er nicht endlich zum Punkt kam. Fortsetzung folgt… Kapitel 21: The Impact of the Bloodlines ---------------------------------------- . . . „Laut DNS-Analyse ist Remy LeBeau dein Bruder, Scott.“ Es herrschte absolute Sprachlosigkeit, das einzige Geräusch in der Küche war Logans Prusten, als er sein Bier ausspuckte, von dem er gerade einen Schluck genommen hatte. Alle starrten Scott fassungslos an, dessen Gesichtsausdruck durch seine Schlafbrille, die das halbe Gesicht verdeckte, nur sehr schwer zu lesen war. „ER hat also nicht gelogen!“, entfuhr es ihm mit einem sehr bitteren Unterton in der Stimme, der Jean veranlaßte, eine Hand tröstend auf den Unterarm ihres Ehemannes zu legen. ~ Candy erwachte nur allzu schnell wieder aus ihrer Ohnmacht, sie blinzelte gegen das Halbdunkel an, das sie umgab. Sie hätte sich am liebsten wieder in die erlösende Besinnungslosigkeit gestürzt, doch sie mußte sich der Realität stellen, auch wenn sie nun eine ganz andere Art von Angst dabei empfand. „Sie ist wach!“, hörte Candy die hohe Stimme ihres Angreifers und setzte sich abrupt auf der Liege auf, auf der sie lag. Sie sah sich in dem dunklen Raum um, der ebenfalls über eine sehr hohe, gewölbte Decke verfügte, die mit Kacheln in einem mosaikähnlichen Muster verkleidet war. Bevor sie sich klar darüber werden konnte, wo sie hier eigentlich war, blieb ihr Blick auf dem Mann namens Caliban haften, neben dem der Mann stand, der vorhin behauptet hatte, er sei ihr Vater. Candy schluckte schwer und fröstelte. Chira… „Ich bin wirklich dein Vater, Chira! Du kannst es selbst sehen, oder nicht?“ Der Mann in der dunklen Kutte, deren Kapuze er nicht hochgezogen hatte, lehnte sich schwer gegen den weißhäutigen Kerl und schien Schwierigkeiten haben, sich auf den Beinen zu halten. „Mein Name lautet Candy! Oder Remedy! Und Sie mögen diese bestimmte äußerliche Auffälligkeit mit mir teilen, aber deswegen sind Sie noch lange nicht mein Vater!“, gab sie leise zurück und erhob sich von der Pritsche, wobei sie die Männer nicht aus den Augen ließ. Sie rechnete eigentlich nicht mit einem Angriff ihrerseits, doch sie wollte ihnen nicht zeigen, daß sie sich vor ihnen fürchtete. „Hey! Die Kleine soll hier keine große Klappe riskieren! Sie soll ihren Job erledigen!“, bellte plötzlich eine leicht rauchige Stimme hinter den Männern. Candy sah sich einer grimmigen Piratenbraut gegenüber, anders konnte sie das Äußere der Frau nicht beschreiben: Sie war etwa einen Kopf größer als Candy, hatte einen dunklen Teint, schulterlange, schwarze Haare und trug über dem rechten Auge eine schwarze Klappe. Ihre Kleidung entsprach ebenfalls dem Klischee, sie bestand aus einer weißen Bluse mit flatternden Ärmeln, einer dunkelgrünen Weste, engen Hosen und hohen Schaftstiefeln. Fehlte nur noch der Degen und der Hut mit Feder… Candy verschränkte die Arme schützend vor der Brust und rechnete sich die Chancen aus, ob ihr eine Flucht gelingen würde. Doch sie hatte nicht die blasseste Ahnung, wo sie war und hatte das Gefühl, daß dieser Caliban sie ohne Weiteres aufhalten konnte, wenn sie überhaupt an Miss „Augenklappe“ vorbei kam. Die Frau kam mit in die Hüfte gestemmten Händen auf sie zu und umrundete sie, wobei Candy den verächtlichen Blick der Frau körperlich spüren konnte. Sie kam sich schon vor wie ein Stück Vieh auf dem Markt und erwartete jede Sekunden, daß man ihre Zähne auch noch inspizieren würde. „Das ist sie also… Nicht viel dran an ihr!“, spie die Frau aus und verzog den Mund. „Caliban, ich weiß nicht, ob Du Spaß haben würdest, wenn Du sie wirklich heiratest!“ Candy meinte, sich verhört zu haben und starrte den weißhäutigen Kahlkopf an, der sie an Fester aus der Adams-Family erinnerte. Hatte hier jeder den Verstand verloren?! Sie starrte Caliban in die Augen und er schien unter ihrem Blick schuldbewusst zusammenzuzucken, wenn das Licht besser gewesen wäre, dann hätte sie sogar behauptet, daß der Wicht errötet war. „Wer sind Sie überhaupt? Und warum haben Sie mich hierher gebracht?!“, verlangte sie energisch zu wissen und überging einfach die Bemerkung mit der Hochzeit. Irren sollte man am besten nicht widersprechen! „Callisto! Bitte! Laß mich das erledigen! Du hilfst niemandem, wenn Du dich so feindselig verhältst!“, meinte der bärtige Mann mit seiner tiefen Stimme, die ihm fast wegbrach. Caliban fasste beherzter zu, denn er ging nach seiner geflüsterten Bitte fast in die Knie. Candy konnte nicht anders, sie sprang hinzu und umfasste die Schultern des Mannes über der Kutte, wobei sie ihm so nah kam, daß sie ihm genau in die Augen blicken konnte. Sie mußte schlucken, denn aus der Nähe erkannte sie, daß er genau dieselben Augen hatte wie sie selbst. Die Nebelschwaden darin rotierten so schnell, daß man den Eindruck bekam, seine Iris würde um seine geweitete Pupille tanzen. „Mein Name ist Chiron! Bevor Du mir genommen wurdest, hatte ich beschlossen, daß dein Name Chira werden sollte…“, erklärte der Mann leise und legte dann eine zitternde Hand über ihre Rechte, die auf seiner linken Schulter lag. „Sprechen Sie nicht weiter! Ich fühle Ihre Schmerzen! Lassen Sie mich einfach machen!“, verlangte Candy bestimmt. Die Wahrscheinlichkeit, daß dieser Fremde hier ihr biologischer Vater war, war eben ins Unermessliche gestiegen. Seine Augen… Seine Fähigkeiten, die ihren sehr ähnlich sein mussten. Auf jeden Fall war er ein Heiler, der seine Kraftreserven beinahe ausgeschöpft hatte, das hatte sie sehr schnell erkannt. Sie ließ ihre Energie in ihn fließen und ließ ihn dabei nicht aus den Augen. Das Rotieren des Nebels wurde langsamer, bis es nur noch in seiner Iris ein wenig waberte. „Ist es genug?“, fragte Candy, als sie bemerkte, wie der Mann einen tiefen Atemzug nahm und sich wieder zu seiner vollen Größe aufrichtete. „Ja, Danke, Ch… Candy! Es genügt vollkommen! Du bist viel stärker als ich es je war…“, antwortete Chiron mit einem traurigen Lächeln, als seine vermeintliche Tochter ihn sofort losließ und einen Schritt vor ihm zurückwich, als wollte sie den Kontakt zu ihm vermeiden. „Und nun? Wollt ihr mich hier gegen meinen Willen festhalten? Wenn Sie meine Hilfe als Heilerin gebraucht haben, dann hätte ich es auch ohne diese Entführung getan! Was sollte das alles?!“ Candy bedachte die drei Fremden mit einem misstrauischen Blick. Dieser Chiron schien nicht böse zu sein, während sie ihn geheilt hatte, hatte sie keinerlei negativen Schwingungen auffangen können, bei Caliban und Callisto war sie sich nicht so sicher. Wieso heiratet ihn die dumme Kuh nicht selbst?!, dachte Candy aufgebracht, weil ihr dummer Spruch von vorhin sie immer noch ärgerte. „Du gehörst hierher! Sieh es ein! Es war nie so gedacht, daß Du bei den Minderwertigen aufwächst! Hat dich das Leben bei ihnen schon so verdorben, daß Du nicht mehr zu deiner Spezies hältst?“, fauchte die Piratenbraut angriffslustig und baute sich wieder vor ihr auf. „Wie bitte?! Welche Spezies meinst Du? Mutanten? Und alle anderen sind minderwertig? Ich mache keine Unterschiede zwischen Mensch oder Mutant! Was ist das hier? Ein Verein von Extremisten, oder was?! Ohne mich, Leute! Ich stelle mich auf keine Seite!“, gab Candy ungerührt zurück, ohne sich von dem stechenden Blick der Frau aus der Ruhe bringen zu lassen, deren Nase beinahe ihre berührte. Und wenn sie sich nun damit in Teufelsküche gebracht hatte, dann war das eben unvermeidlich. Sie würde ihre Ideale niemals verraten! „Callisto! Beruhige dich! Mit Zwang wirst Du gar nichts erreichen! Bitte laß es mich ihr erklären“, verlangte Chiron mit sanfter Stimme und legte eine Hand auf Callistos Schulter, um sie zu beruhigen. Die schnaubte nur und warf seine Hand ab, um sich mit einer wirschen Handbewegung von ihnen zu entfernen. „Na, schön, Chiron! Ich gebe dir die Gelegenheit, das Frauenzimmer zur Vernunft zu bringen! Aber denk daran, ich bin hier der Boß! Sie hat zu tun, was ich von ihr verlange!“ Candy atmete erleichtert aus, als die Piratentante endlich verschwand. Ihre aggressive Präsenz war ein wenig beängstigend und ihre letzten Worte nicht unbedingt beruhigend gewesen. Was wollte die Frau von ihr? Und wovon war sie der Boß? Candy hoffte sehr, daß die Antworten darauf nicht so schrecklich waren, wie sie sich das gerade ausmalte. „Wenn Du mir vielleicht folgen würdest, Candy… Ich würde dir gerne zeigen, wie wir hier leben und warum! Ich weiß, daß es ziemlich überwältigend für dich sein muß, dich mit mir konfrontiert zu sehen, aber ich suche dich schon sehr lange!“ Chiron wies mit der Hand zu einem dunklen Durchgang, wo Caliban schon auf sie wartete, den Candy mit einem schiefen Blick bedachte, als sie an ihm vorbeiging, um ihrem Fremdenführer in der Kutte zu folgen. In Gedanken plante sie schon eine Flucht, sie mußte einen günstigen Moment abpassen und sich merken, wohin sie liefen. Die anderen machten sich ihretwegen wahrscheinlich schon die größten Sorgen. Sie fragte sich, was aus Remy geworden war, der sich wehrlos auf dem Boden ihres Lofts gewälzt hatte, als Caliban sie beide am Wickel gehabt hatte. Sie hatten ihn doch nicht etwa umgebracht? Auch wenn sie keine Freunde waren, so wünschte sie ihm kein solches Ende… ~ Zur selben Zeit in der Mansion: „Synch? Hey, Synch! Nun sperr schon die Augen auf!“, verlangte Psi von seinem schlafenden Zimmergenossen und rüttelte ihn unsanft an der Schulter. „Mann, spinnst Du?! Was ist denn nun schon wieder! Ich will pennen, ich hab’ keinen Bock auf irgendeinen Blödsinn! Deine letzte Idee hat mich beinahe mein Bein gekostet!“, maulte Everett Thomas und drehte sich murrend auf die andere Seite. „Miss Genova ist in Gefahr, Du Idiot! Hier geht es nicht um irgendeinen Streich! Also, was ist?! Willst Du ihr helfen oder nicht?“ Psi boxte seinen Kumpel unsanft in den Rücken, damit der endlich in die Puschen kam und sie nicht länger als nötig aufhielt. „Was?!“ Synch schnellte zu seinem Kumpel herum und setzte sich auf, während er sich den Schlaf aus den Augen rieb. „Miss G.? In Gefahr? Mensch, wenn das einer deiner Witze ist, dann kill ich dich!“ Der junge Schwarze packte seinen Freund am Schlafittchen und zog ihn ganz nah an sich heran, um den Ausdruck seiner Augen besser einschätzen zu können. „Über sowas würde ich keine Witze machen, Synch! Du weiß genau, daß ich nichts auf sie kommen lassen würde! Ich hatte wieder einen dieser Träume… Man hat sie entführt und unsere tollen Lehrer haben uns nichts gesagt! Das ist echt eine Sauerei! Wir können doch helfen!“, regte sich Frank auf und riß sich von Everett los, um sich von seinem Bett zu erheben. „Reg dich ab, Alter! Die wollten uns sicher nur beschützen! Was sollen wir auch schon machen? Wir sind nur Schüler!“ Trotz seiner Worte kroch Synch aus dem Bett und schlüpfte in seine Jeans. Er ahnte, daß Frank das nicht aufhalten würde, und er würde ihm auf jeden Fall folgen. Er konnte den Verrückten nicht allein ziehen lassen, denn er besaß keine Fähigkeiten, die ihm Superkräfte verliehen. Er zog ein dunkles Sweatshirt über den Kopf und ein paar Sneaker über die Füße, die er dann in gebückter Haltung festband. „Nur wir beide? Meinst Du das reicht aus? Und was hast Du überhaupt geträumt?“, fragte er leicht gepreßt, um sich dann aufzurichten und Frank fragend anzusehen. „Hm, ich denke, wir nehmen die anderen mit… Alle, außer Wiz! Der muß hier bleiben und sich um die Kommunikation kümmern! Falls doch etwas schief gehen sollte, brauchen wir einen Plan B, und er kann uns mit seinem Roller eh nicht begleiten! Ich erzähle lieber allen zusammen, was Sache ist. Ich wecke die anderen Jungs, Du die kümmerst dich um die Mädels! Wir treffen uns dann draußen beim Bootshaus! Ich könnte ein wenig länger brauchen, weil Taki mich mit den Kommunikatoren versorgen muß! Und sag ihnen, daß sie gescheite Sachen anziehen sollen! Das ist ein richtiger Einsatz!“ Takashi Matsuya, genannt Wizkid, weil er ein Technik- und Computergenie war, saß im Rollstuhl und war nicht immer feldtauglich, was ihn aber nicht störte, da er die kleinen Spielereien mit der Technik der X-Men viel interessanter fand. Er durfte unten in den Labors der Mansion schon selbstständig arbeiten, da sein Wissen locker das jeden ausgelernten Ingenieurs übertraf. Wizkid hatte schon einige der X-Men-Spielzeuge verfeinert und versorgte seine Freunde manchmal auch mit eigenen Neuentwicklungen aus dem Bereich der PC-Spiele. Everett grinste breit und salutierte spielerisch vor seinem Freund, der einen auf großer Feldmarshall machte. „Okay, Major Richards! Auftrag wird erledigt! Und ich sage den Girls auch gleich, daß Du hier derjenige bist, der die Forderungen an ihre Garderobe stellt! Die springen mir sonst ins Gesicht, weil ich sie für bescheuert halte!“ Frank grinste zurück: „Klar! Ich steh dazu! Und es könnte gefährlich werden, das solltest Du auch dazu sagen! Wer sich nicht traut, kann einfach hier bleiben und Wiz helfen! Ich kenne die Anzahl der Gegner nicht und nur die Fähigkeiten des Entführers… Wir können die Geschehnisse nicht wie im Danger Room anhalten! Und wenn man uns erwischt…“ Frank ließ den Satz bedeutungsvoll offen, sein Freund würde ihn schon verstehen. Sie handelten wider die Anweisungen ihrer Lehrer, das könnte böse Konsequenzen für sie haben. Aber Psi wollte endlich etwas tun, was nichts mit einer Übung zu tun hatte. Und darüber hinaus ging es hier um Remedy, die fast eine von ihnen war und für die die Schüler fast alles tun würden. Um sie zu retten, würde er auch einen Rausschmiß riskieren. Eine halbe Stunde später rannte Frank den Weg zum See herunter, wo er auf die versammelten Freunde traf, die sich im Windschatten des Bootshauses versteckt gehalten hatten, falls einer der Erwachsenen auf die Idee kommen sollte, einen nächtlichen Rundgang zu machen. Psi lächelte zufrieden, weil alle aus der Abschlußklasse gekommen waren. Er verteilte die K-Units, wie Wiz sie nannte, das waren kleine Funkgeräte, die eine ziemlich große Reichweite hatten und so miteinander vernetzt waren, daß man sich auch in Gruppen aufteilen konnte, ohne den Kontakt oder den Standort der anderen aus dem Blickwinkel zu verlieren. Taki würde die Mission von seinem Zimmer aus überwachen und einschreiten, falls etwas schief laufen sollte. „Okay, Leute! Hier sind die K-Units, jeder hat seine eigene Frequenz, auf dem Bildschirm erscheinen dann immer eure Namen und der Standort“, erklärte Frank und verteilte die Einheiten an seine Freunde, die sich alle dunkle Sachen übergezogen hatten und festes Schuhwerk trugen. „Wir fahren in meinem Auto und in dem von Paige, es geht nach New York! Wir treffen uns an dieser Adresse!“ ...Frank nannte den anderen eine Anschrift in Manhattan... „Da hat Miss Genova ihr Loft… Ach, ihr wisst es ja noch gar nicht… Miss G. ist heute Nacht aus der Mansion entführt worden. Der Typ hat sie nach New York in ihre Wohnung geschafft, wo sie dann angegriffen wurden. Ein komisches weißes Männchen, das in ihnen irgendwie Todesängste eingejagt hat… Auf jeden Fall haben die X-Men sie gesucht und nicht gefunden, weil sie nicht am richtigen Ort gesucht haben!“ Rahne, das Wolfsmädchen, meldete sich zögernd zu Wort: „Warum sagen wir den Erwachsenen nicht Bescheid? Mit deinem Hinweis könnten sie Miss Genova dann doch finden!“ Psi verdrehte die Augen. „Ja, klar! Und uns entgeht die Riesenchance, uns endlich bei einem Einsatz zu beweisen! Ich für meinen Teil habe die Nase voll von Simulationen! Außerdem ist Remedy dann in der Nähe, die sich um eventuelle Verletzungen kümmern kann. Das ist die perfekte erste Mission für uns! Und ich denke nicht, daß Wolverine uns da ran lässt, wenn er erfährt, wo seine Freundin gefangen gehalten wird. Also? Wer ist dabei? Hebt einfach die Hand! Ich will euch in nichts reindrängen! Jeder, der Bedenken hat, kann einfach zurückgehen!“ Frank sah seine Mitschüler auffordernd an und sah sich fünf erhobenen Händen, die teilweise in schwarzen Handschuhen steckten, gegenüber. Rahne hob schließlich als Letzte die Hand. „Ich bin dabei! Miss Genova würde sich für uns den Arsch aufreißen! Holen wir sie zurück!“, meinte sie entschlossen. Sie hatte nur austesten wollen, wie ernst es den anderen war. Natürlich hatte sie Angst, aber sie wollte später im Team kämpfen und mußte die Nervosität überwinden. Logan hatte sie monatelang darauf vorbereitet, wenn nicht jetzt dann nie… „Dann los! Je eher wir losfahren desto schneller können wir sie retten!“ Frank gab das Zeichen zum Aufbruch und die sieben Konspiranten liefen zu den Stellplätzen, wo die beiden Autos standen, die sie für die Fahrt benutzen wollten. Er hoffte sehr, daß ihn sein Traum nicht getäuscht hatte und es Miss Genova wirklich gut ging. Wenn er das Gefühl richtig deutete, dann befand sie sich nicht in unmittelbarer Lebensgefahr. „Wiz? Hast Du uns drauf?“, fragte er in seine K-Unit, nur um sicher zu gehen. „Klar, alle sieben auf Empfang! Glaubst Du ich fabriziere Schrott, oder was? Die Dinger sind perfekt! Verliert sie also nicht! Ich würde die gerne zum Patent anmelden! Und falls ihr mich mal schnarchen hört, dann schickt mir einen ordentlichen Brüller! Das hier ist echt verdammt langweilig, Man!“ „Wird gemacht, Wiz! Over and out!“, hängte Frank noch dran, weil er wußte, daß es Taki ein Grinsen entlocken würde. Meistens kam er mit seiner Behinderung gut zurecht, weil er sich selbst sagte, daß sein Hirn besser entwickelt war als seine Beine, aber Psi verstand auch, daß er manchmal daran zu knabbern hatte, wenn er nicht den vollen körperlichen Einsatz bringen konnte. Für diesen Einsatz war er allerdings unentbehrlich, er war ihre Rückversicherung, falls sie wider Erwarten Mist bauen sollten. In erstaunlich stiller Eintracht brausten sie durch die Nacht und jeder versuchte, sich irgendwie auf das vorzubereiten, was nun auf sie zukam. Es gab hier keine Instruktionen von einem Coach, das hier war real und nicht richtig abschätzbar. Sie mussten sich nun wirklich beweisen. Fortsetzung folgt… Kapitel 22: Le Diable en Personne --------------------------------- X X X ° ° ° „Scott, verdammt noch mal, spuck endlich aus, was Du in dieser Einöde zu suchen hast!“, blaffte Logan seinen Anführer an, der eben den Flieger mitten auf einer grünen Wiese im Nirgendwo gelandet hatte. Cyclops verhielt sich merkwürdig. Er hielt den Steuerknüppel des Blackbirds fest umklammert und starrte mit versteinertem Gesicht auf die Armaturen, deren Kontrolllämpchen nach einem letzten Aufflackern verloschen. Gut, Logans Meinung nach verhielt er sich immer komisch, doch nach diesem Einsatz schien er noch steifer als sonst drauf zu sein. Sie hatten auf einen Tipp von Logans Informanten hin reagiert und im Hinterland Nebraskas nach Spuren der Marauders gesucht, allerdings nur eine verlassene Hütte im Wald gefunden. Die Spur war erkaltet, und sie mussten unverrichteter Dinge abziehen. Mal wieder… Die Ärsche schienen ihnen immer einen Schritt voraus zu sein! Scott hatte während des Fluges spontan beschlossen, den X-Jet umzuleiten. Ziemlich untypisch für ihn, aber sie flogen praktisch über Omaha hinweg und der Drang, den Ort aufzusuchen, an dem seine Kindheit stattgefunden hatte, war einfach überwältigend gewesen. Er drehte sich auf seinem Sitz zu Wolverine um, der ihn mißtrauisch beäugte, was ihn zu einem schwachen Grinsen veranlaßte. „Hier in dieser Einöde habe ich einen Teil meiner Kindheit verbracht… Ich dachte, daß vor allen Dingen Du verstehst, daß man sich seiner Vergangenheit stellen möchte… Es dauert nicht lang, Du kannst gerne im Jet auf mich warten!“ „Blödsinn!“, knurrte Logan nur und löste den Sicherheitsgurt, um sich vom Sitz des Co-Piloten zu erheben. Mit der rechten Hand wies er demonstrativ zum Ausgang, damit Scott ihm den Weg wies, der zögerte einen Moment, erhob sich aber dann ebenfalls und sprang aus dem Jet, ohne die Treppe auszufahren. Logan tat es ihm nach, doch er blendete seinen Begleiter aus, sobald er das verfallene Haus erblickte, das sich am Ende der Lichtung an einen angrenzenden Wald schmiegte. Welche dämliche Behörde war eigentlich darauf gekommen, ein Waisenhaus in dieser Einöde zu errichten? Weit und breit gab es kein anderes Haus und den meisten Adoptivwilligen aus der nächst gelegenen Stadt war die Fahrt hier raus einfach zu weit gewesen. Kein Wunder, daß man kaum eines der Kinder hier adoptiert hatte. ‚Nur meinen eigenen Bruder!’, dachte Scott und ein schmerzhafter Stich durchfuhr seine Brust, als er den Verlust von neuem durchlebte. Sie hatten damals beide Eltern nach einem Flugzeugabsturz verloren und Alex war alles, was Scott noch geblieben war. Ihn auch noch zu verlieren, hatte ihn fast durchdrehen lassen, doch irgendwie hatte er diesen und auch viele andere Schicksalsschläge überlebt. Er betrat zögernd die baufällige Veranda, deren Stufen unter seinen Tritten ächzten und dann regelrecht aufstöhnten, als Logan ihm mit seinem Gewicht folgte. Plötzlich schien er wieder der hilflose, kleine Junge zu sein, der mit Alex an der rechten und einer kleinen Reisetasche in der linken Hand das Haus zum ersten Mal betreten hatte. Ein kalter Schauer rann ihm den Rücken herunter, als er die baufällige Tür aufstieß, die in den Angeln ächzte. Sie betraten den dunklen Flur, im Haus roch es modrig, als hätte hier niemals jemand gelebt. Dabei war es nur etwas über zehn Jahre her, daß Scott es verlassen hatte. Scott lief den Gang entlang und öffnete die Schiebetür, die in den größten Raum des Erdgeschosses führte, in dem die Jungen früher gegessen oder ihre Hausaufgaben gemacht hatten. Es standen noch ein paar verstaubte Möbel im Raum, doch wieder kein Zeichen von früherem Leben. Als wäre dies ein Geisterhaus, wo das Leben in einer parallelen Welt stattgefunden hatte. Wenn dem so war, dann wollte Scott das Portal dahin für immer verschlossen wissen! „Scott! Hier stimmt etwas nicht!“ Logans gewisperte Warnung ließ ihn herumfahren, doch es war schon zu spät. Sein Teamkollege flog vor seinen Augen quer durch die Luft und brach durch die Wand zur Küche, wo er unter Trümmern begraben wurde. Seine Hand fuhr sofort zu seinem Visier, um den bisher unsichtbaren Gegner mit einem hoch dosierten Strahl außer Gefecht zu setzen. Scott verharrte jedoch in der Bewegung, als er den Mann erkannte, der Wolverine eben wie eine Stoffpuppe durch die Luft geworfen hatte. Das konnte nicht sein! „Mr. Milbury?!“, flüsterte Scott mit heiserer Stimme. Michael Milbury war der Leiter des Weisenhauses gewesen, ein kalter, abweisender Mann, der die Jungen wie seine Sklaven behandelte. Er stand vor ihm und sah noch genauso aus wie früher. Scotts Magen zog sich zusammen und ihm wurde speiübel. Die alten Ängste krochen wieder in ihm hoch. Dann geschah das Unfassbare, vor seinen Augen verwandelte sich der Mann und wurde zu Nathan Masters, dem Arzt, der die Jungen im Heim medizinisch versorgt hatte. Er hatte Scott ständig Blut abgenommen und ihn mit allerlei für den jungen Scott unverständlichen Tests malträtiert. Dann stand Lefty vor ihm, ein anderer Waisenjunge, der Scott damals nur herumgeschubst und das Leben zur Hölle gemacht hatte. Diese drei Personen waren also eins… „Wer sind Sie?“, fragte Scott mit mühsam beherrschter Stimme, weil ihm langsam klar wurde, daß er jahrelang manipuliert und missbraucht worden war. Wie viele andere Personen aus seinem früheren Leben waren dieser Mann oder dieses Wesen gewesen? Der Junge stieß ein tiefes, grollendes Lachen aus, das Scott die Haare zu Berge stehen ließ, denn seine Augen waren nicht mehr normal, sie verwandelten sich in ein rot glühendes Augenpaar, das Scott bis in seine Alpträume verfolgen würde. „Ich wußte, Du würdest eines Tages wieder kommen, Scott… Wie gefällt dir dein altes Zuhause? Du hättest wirklich nicht weglaufen sollen! Das war sehr unartig von dir, aber am Ende hast Du mir tatsächlich einen Gefallen damit getan! Du warst nicht klein zu kriegen, nicht mal als ich deine potentiellen Adoptiveltern aus dem Verkehr gezogen hatte. Da wollte doch tatsächlich ein Ehepaar hier rauskommen und dich holen! Das war ein sehr bedauerlicher Unfall…“ Scott schnappte nach Luft, weil ihm die Kehle eng geworden war. Es war tatsächlich jemand bereit gewesen, ihn zu adoptieren? Und dieser Mann… dieses Wesen… dieser Drecksack… hatte es verhindert, indem er sie getötet hatte?! Er zuckte zusammen, als sich die Szenerie plötzlich veränderte und das Haus zum Leben erwachte. Um ihn herum saßen plötzlich wieder Jungen, deren Haarschopfe tief über ihre Teller gebeugt waren und die immer wieder ängstliche Blicke umher warfen, als hätten sie Angst, man würde sie gleich für eine Untat rügen. Genauso waren die Mahlzeiten hier früher abgelaufen. Alles sah aus wie früher und der Anblick machte Scott so wütend, daß er auf den Knopf seines Visiers drückte und auf sein Gegenüber eine Salve seiner Strahlen abschoß, so daß dieser nach hinten katapultiert wurde und unsanft auf dem Rücken landete. Nur einen kurzen Moment konnte Scott seinen Triumph auskosten, denn der Junge sprang wieder auf die Füße und verwandelte sich vor seinen Augen in jemand anderen. Scott sah sich plötzlich einem Mann gegenüber, der über zwei Meter groß und ziemlich kräftig gebaut war. In seinem blassen, zeitlosen Gesicht leuchteten die roten Augen wütend auf, was durch die zur bösen Fratze verzogenen Gesichtszüge noch betont wurde. Seine schwarzen Haare lagen eng an seinen schmalen Kopf gekämmt, und er sah wirklich aus wie ein Abgesandter der Hölle. Scott hatte keine Gelegenheit, eine zweite Salve abzufeuern, denn der Mann sprang ihn förmlich an und packte ihn um die Kehle, und er wurde über dem Boden gehoben, so daß seine Beine hilflos in der Luft baumelten. Scott keuchte und schnappte nach Luft, während um ihn herum die Jungen einfach weiter aßen, als könnten sie sich nicht sehen, was wahrscheinlich stimmte, das alles war nur ein Trick. Dieser Fremde schaffte es irgendwie, die Realität zu beeinflussen, er mußte ziemlich mächtig sein… Scott sah schon Sternchen und dachte, er würde jeden Moment in Ohnmacht fallen, als er ein lautes Knurren vernahm und dann hatte Wolverine seinen Angreifer auch schon angesprungen und beide krallenbewährte Hände tief in dessen Seiten gerammt, so daß er regelrecht aufgespießt wurde. Der Mann ließ ihn auf den wieder staubigen Boden fallen, die Sinnestäuschung war plötzlich verschwunden. Bevor er sich aufrappeln konnte, hatte der Typ Logans Hände gepackt und seine Krallen herausgezogen, um ihn sich dann über die Schulter zu werfen und ihm die eigenen Klauen in die Brust zu rammen. Dann packte er Logan an Hals und Oberschenkel und warf ihn quer durchs Zimmer, so daß er mit lautem Klirren durch ein halb verfallenes Fenster nach draußen flog. Scott zögerte nicht länger, er zog sein Visier ab und ließ zu, daß seinen Angreifer die unkontrollierte Entladung seiner Strahlen traf. Diesmal war es der Mann, der durch die Wand flog und von Trümmerteilen begraben wurde. Scott schloß die Augen, damit nicht noch das ganze, baufällige Haus über ihm zusammenstürzte und zog seine Brille wieder auf. Er atmete heftig, wobei ihm jeder Atemzug wehtat, weil der andere ihm beinahe die Kehle zerquetscht hatte und rappelte sich hoch auf seine Beine. Logan brauchte seine Hilfe! Nach ein paar wackeligen Schritten blieb Scott wankend stehen und stützte sich an dem Rest der eingefallenen Wand ab, um ein wenig Halt zu finden, als die Trümmerteile auf dem Boden plötzlich zur Seite geworfen wurden und sich sein Gegner daraus erhob, als wäre nichts gewesen. Er klopfte ungerührt seinen schwarzen sehr altmodisch anmutenden Anzug ab und warf Scott ein rätselhaftes Lächeln zu, das er nicht verstand. Was war hier so komisch?! „Ich wußte schon immer, daß Du deine Brüder mit Leichtigkeit übertreffen würdest! Wir sehen uns wieder, Cyclops! Wenn Du nicht mehr in Begleitung deines allzu bissigen Haustieres befindest!“ Mit diesen spotttriefenden Worten verbeugte sich der Mann vor ihm und löste sich dann praktisch in Luft auf. Er ließ Scott mit einer brennenden Frage zurück: Was hatte der Fremde damit gemeint? Seine Brüder? Eindeutig Mehrzahl! Aber er hatte doch nur Alex! Er war zu Logan nach draußen gegangen, um ihn in den Jet zu schaffen und nach Hause zu bringen. Von den Abschiedsworten seines Gegners hatte er nie jemandem erzählt. Nicht einmal Jean… ~ Das Schweigen lastete nun schon Minuten auf ihnen. In der Küche hätte man eine Stecknadel fallen hören, die anderen wagten es kaum zu atmen, während Scott an diese Episode vor etwas über einem Jahr dachte. „Wer hat nicht gelogen, Scott?“, flüsterte Jean ihre Frage leise, um ihn nicht aufzuschrecken. Ihr Mann schien mit seinen Gedanken meilenweit weg zu sein. Scott legte seine Hand über ihre, die immer noch auf seinem Unterarm ruhte und sah dann gequält zu ihr auf. „Der Teufel in Menschengestalt!“, antwortete Scott mit belegter Stimme und runzelte dann unwillig die Stirn, weil er den Gedanken an diesen Mann so lange unterdrückt hatte, und er eigentlich nicht mehr zulassen wollte, daß ihn sein Peiniger aus der Kindheit weiterhin quälte. „Ich weiß nicht, wer er ist… Nenn ihn Milbury, Dr. Masters oder Lefty… Derjenige, auf den Logan und ich damals im Waisenhaus in Omaha getroffen sind…“ Logan verzog bei der Erinnerung an diese Begegnung unwillig den Mund. Der Typ hatte eine Wahnsinnskraft und schien unkaputtbar zu sein, wenn man bedachte, daß er seinen Angriff und den von Scott einfach überlebt hatte. „Dann hat er damals doch noch etwas zu dir gesagt?“, hakte er nach. Er hatte es doch gewußt! Solche Klugscheißer wie dieser Typ machten nie einen Abgang, ohne irgendeinen dummen Spruch zu reißen. „Ja, hat er! Er meinte, daß er gewußt hätte, daß ich meine BRÜDER übertreffen würde! Ja, er hat damals die Mehrzahl verwendet, aber ich wollte ihm nicht glauben! Ich hielt das für eine weitere seiner Finten!“ „Aber, warum hast Du es niemandem gesagt, Scott?“ Die leise Frage seiner Frau, in der eine stille Anklage mitschwang, ließ Scott schuldbewußt zusammenzucken. Immerhin waren sie verheiratet und hatten sich geschworen, immer füreinander da zu sein. „Ich konnte nicht! Ich wußte, daß ihr alle Himmel und Hölle in Bewegung setzen würdet, um diesem Hinweis zu folgen und das konnte ich nicht zulassen! Ich war diesem Kerl lange genug ausgeliefert! Ich dachte wirklich, daß es ein mieser Trick war, um mich aus dem Konzept zu bringen. Warum auch immer! Aber wie es aussieht, hat er in diesem Punkt nicht gelogen. Der Beweis sitzt in einer Arrestzelle unten im Keller!“, schloß er in einem bitteren Unterton sah Jean abbittend in die Augen. Er hoffte, daß sie nicht allzu enttäuscht von ihm war. „Heißt das nun, daß ich die dämliche Sumpfratte jetzt nicht mehr aufschlitzen darf, nur weil er jetzt mit dir verwandt ist, Einauge?“, grummelte Logan ungehalten, der sich im Moment weniger für Scott und Jeans Eheprobleme interessierte. Die Eröffnung über den unerwarteten Familienzuwachs bei den Summers hatte ihn nur kurz von seinen eigenen Sorgen abgelenkt. Candy und der Professor blieben immer noch unauffindbar… „Wir können ihn noch einmal befragen, vielleicht zeigt er sich einsichtiger, wenn Scott mit ihm redet und ihm sagt, was wir eben herausgefunden haben?“, warf Hank ein und unterdrückte das Grinsen, das Logans Frage heraufzubeschwören drohte, er wollte nicht missverstanden werden, aber Logan hatte manchmal wirklich eine Art an sich, die einen in den unmöglichsten Situationen zum Lachen bringen konnte. Die vorherigen Verhöre hatten zu nichts geführt, wenn man diesem Remy unterstellte, sie bisher hinters Licht geführt zu haben. Vielleicht würde es wirklich helfen, ihn kooperativer zu machen, wenn er erfuhr, daß Scott sein Bruder war. Oder es machte ihn noch verschlossener, doch sie hatten nicht mehr viele Optionen. Wenn sie Candy nicht bald fanden, dann sah es schlecht für sie aus… *bampf* „Wir haben ein großes Problem!“, verkündete Kurt mit ernster Stimme, der unvermittelt in der Küche aufgetaucht war, nachdem Jean ihn losgeschickt hatte, damit er Frank Richards weckte. Die älteren Kids sollten den morgigen Unterricht und die Aufsicht über die jüngeren Schüler übernehmen. Sie fuhren alle mit entsetzten Gesichtern zu ihm herum. In ihren Blicken stand eindeutig zu lesen, daß sie schon genug Probleme hatten. Was sollte denn noch passiert sein? Kurt seufzte und zuckte hilflos mit den Schultern, er war nicht gerne der Überbringer schlechter Nachrichten. Nicht nach dieser Horrornacht. „Die Seniors sind weg! Nur Takashi ist in der Mansion geblieben. Sie sind weggefahren, um Remedy zu retten, nachdem Frank in einem Traum wohl einen Hinweis auf ihren Verbleib erhalten hat… Wiz hält den Kontakt zu ihnen, sie sind nach Manhattan unterwegs und schon über eine Stunde aus dem Haus!“, erklärte er den anderen, was er dem Jungen im Rollstuhl mühsam aus der Nase gezogen hatte. „Verfluchte Scheiße!“, schrie Logan wütend auf. Wolverine bollerte mit der Faust gegen die Schranktür unterhalb der Arbeitsplatte, gegen die er sich die ganze Zeit gelehnt hatte und knallte seine Bierflasche auf den Tisch vor Scott und Jean, nachdem er sich von dem Schrank abgestoßen hatte, dessen Tür nun ein Luftloch zierte, das vorher noch nicht da gewesen war. Scott erhob sich und straffte die Schultern, er hatte sich wieder gefasst, nachdem sie nun einen Lichtblick hatten. Er verdrängte die Gefahr, in der die Kinder schwebten, sie würden die X-Men zu Candys Aufenthaltsort führen. Mit dem Helikopter konnten sie sie schnell einholen. Die anderen würden im Auto folgen. „Alle Mann fertig machen zum Einsatz! Wir folgen den Seniors! Weiß Takashi, wohin sie fahren?“, wandte er sich an Kurt, der ja mit dem Delinquenten gesprochen hatte. „Nein, aber sie sind über Kommunikatoren verbunden, die er gebastelt hat! Wenn sie ihren Zielort erreichen, können wir sie leicht anpeilen! Ich habe dem Jungen gesagt, daß er nicht verraten soll, daß wir Bescheid wissen! Sie könnten dann nur unvorsichtig werden, weil sie sich unnötig beeilen…“ „Gut gemacht, Kurt! Na, los! Um den Gefangenen können wir uns später kümmern! Logan! Reiß dich zusammen! Wir haben immerhin einen Hinweis! Die Kids sind glücklicherweise nicht hilflos! Du hast sie schließlich trainiert! Um ihre mangelnde Mitteilungsbereitschaft kümmern wir uns später!“, versuchte Scott, seinen fast schon rasenden Kollegen zur Vernunft zu rufen. Wenn es um Jean gegangen wäre, dann hätte er wohl auch Mordlust gegenüber den Schülern verspürt, aber das nützte ihnen im Moment nicht viel. Sie konnten jetzt wenigstens eines, oder genau genommen zwei, ihrer Probleme angehen und hoffentlich glimpflich lösen. Logan nickte kurz und folgte den anderen mit finsterer Miene in den Keller. Wenn Candy wegen dem Übermut der Schüler etwas passierte, dann würde er Frank Richards persönlich in dünne Scheibchen schneiden und seine Leiche dann im See versenken! Fortsetzung folgt… P.S.: Den Titel dieses Chapters habe ich absichtlich auf Französisch verfaßt. "Le Diable en Personne" bedeutet zu Deutsch "Teufel in Menschengestalt". Wenn ihr euch erinnert, dann war Scotty nicht der einzige, der jemanden mal so betitelt hat. Aber falls nicht, auch nicht weiter schlimm, irgendwann muß ich ja die Geheimnisse mal lüften...... ;-) Kapitel 23: Strange World ------------------------- ~ ~ ~ Den Fluchtgedanken hatte Candy sehr schnell vergessen. Zum einen wäre es ihr unmöglich gewesen, sich in den dunklen, labyrinthartigen Gängen zurecht zu finden, zum anderen stellte sie fest, daß sich ihr Leben zumindest nicht in direkter Gefahr befand. Sie hielt sich hier in einer völlig anderen Welt auf: Die Welt der Morlocks, wie sich die Bewohner hier nannten. Nach der Spezies aus dem Roman „Die Zeitmaschine“ von H.G. Wells, die von der menschlichen Rasse abstammten sich aber im Laufe von Jahrhunderten weiter entwickelt hatten. Eine sehr passende Beschreibung der Spezies Mutant, wenn man davon absah, daß die literarischen Morlocks kannibalische Tendenzen gezeigt hatten… Wenn man es genau nahm, dann war Candy eine der ihren. Zumindest wußte sie nun, woher sie kam, auch wenn sie sich immer noch nicht mit den Namen „Chira“ oder ihrem… Erzeuger anfreunden konnte. Die Bezeichnung Vater verdiente der Mann wohl kaum, wenn sie bedachte, daß man sie als Baby auf den Stufen eines Waisenhauses ausgesetzt hatte. Sie fragte sich, warum der Mann das getan hatte, wenn er sie doch nach seinen eigenen Worten schon so lange suchte. Oder war es ihre Mutter gewesen, die sie weggegeben hatte? War sie auch eine Morlock gewesen? Sie hatte so viele Fragen, die ihr auf der Seele brannten, doch sie wagte es noch nicht, sie einfach zu stellen. Candy starrte auf den Hinterkopf des kahlköpfigen Mutanten, der neben Chiron herlief, um ihr den Weg zu weisen, allerdings wußte sie nicht, wohin es gehen sollte. Sie zuckte jedes Mal zusammen, wenn ihnen ein anderer Morlock entgegen lief. Sie warfen ihr alle ziemlich neugierige Blicke zu, doch das war nicht das Problem, Candy guckte ja zurück. Es war der Anblick, den manche der Mutanten boten. Sie hatte auf ihren Einsätzen schon einiges gesehen, doch so körperlich auffällige Mutationen wie beispielsweise Tentakel waren etwas vollkommen Neues für sie. Kein Wunder, daß manche von diesen Menschen, ein abgeschiedenes Leben fern von der normalen Zivilisation vorzogen. „Du hättest niemals in der anderen Welt aufwachsen sollen, Candy… Das hier hätte dein Zuhause sein sollen! Wir hatten damals den Traum, hier eine Zuflucht für Unseresgleichen zu erschaffen und dazu benötigten wir natürlich Nachwuchs. Damals war uns noch nicht klar, wie weit verbreitet das Phänomen der Mutationen in 30 Jahren sein würde. Unsere Gemeinde ist seitdem explosionsartig angewachsen…“, sprach der bärtige Mann mit seiner angenehm tiefen Stimme, ohne daß Candy ihm eine Frage hätte stellen müssen. Aber es lag ja auf der Hand, daß sie ihr auf der Zunge brannten, nachdem sie sich mit ihrer Herkunft konfrontiert sah. Candy runzelte verärgert die Stirn, das klang, als hätte der Mann ein Zuchtprogramm starten wollen. Gut und schön, wenn sich hier unten zwei Mutanten zusammen taten und dann Kinder in diese Welt setzten, doch bei dem Mann mit der Kutte klang das nicht gerade romantisch oder gar freiwillig. Sie äußerte sich jedoch nicht dazu, es hätte keinen Sinn, dem Mann zu widersprechen, bevor sie ihn nicht besser kannte. Ein ehrliches Gespräch wäre sowieso nur möglich, wenn sie hier nicht keine Gefangene mehr war und jedes Wort auf die Goldwaage legen mußte. Wenn sie die Wahl einer Zuflucht gehabt hätte, dann hätte sie immer die Schule in Westchester gewählt. Der Weg, den Xavier eingeschlagen hatte, um Mutanten und Menschen zu schützen, paßte mehr in das Weltbild, an das Candy glaubte. Man konnte doch niemanden zu einem bestimmten Lebensstil zwingen, nicht einmal seine eigenen Kinder! Hier unten war es extrem still, man hörte nur ihre Schritte, die von der hohen Decke widerhallten oder ihre leisen Atemzüge, deshalb fuhr Candy erschrocken zusammen, als sie plötzlich leises Stöhnen vernahm, das von weit her zu kommen schien. Es klang, als hätten sehr viele Menschen unerträgliche Schmerzen und der Gedanke verursachte Candy eine unangenehme Gänsehaut. Sie folgte den beiden Männern zaudernd eine Treppe hinunter in eine Düsternis, die nur von einer schwachen Birne auf der gewölbten Decke erleuchtet wurde. Candy verharrte zögernd auf der letzten Treppenstufe und sah sich mit einem langen Gang konfrontiert, der sich links und rechts von ihr in die Unendlichkeit lang zustrecken schien. In regelmäßigen Abständen entdeckte sie stählerne Türen, deren Farbe schon abblätterte und die auf Augenhöhe Luken hatten, die ebenfalls aus Stahl oder Eisen waren, bei der schlechten Beleuchtung konnte sie kaum Einzelheiten ausmachen. Es sah aus, als würden sie sich in einem Gang voller Verliese befinden. Candy schluckte nervös, weil sie auf einmal Angst hatte, daß man sie hier wegsperren würde, bis sie bereit war, zu tun, was die Morlocks von ihr verlangten. Niemals! Eher würde Candy bis zum Tod kämpfen. Sie klammerte sich ängstlich an dem hölzernen Treppenlauf fest, den sie eben erst an der Wand bemerkt hatte, als die Schmerzensschreie und das Wimmern immer lauter wurden und jemand von Innen gegen eine der Türen bollerte. „LASST MICH HIER RAUS! AAAAAH!“ Candys eigener Aufschrei ging in dem laut gebrüllten Hilferuf unter. Sie wich einen Schritt zurück und schob ihren Fuß vorsichtig eine Stufe höher. Sie wollte nicht eingesperrt werden, sie hatte entsetzliche Angst, daß sie niemals wieder das Tageslicht erblicken würde. „Caliban! Bitte versuch, den Mann zu beruhigen! Ich weiß nicht, ob die Tür seinem Ansturm standhalten wird!”, bat Chiron seinen Freund und warf dann einen gequälten Blick auf die junge Frau hinter sich, die ihn ansah, als würde sie Todesängste ausstehen. „Keine Sorge, Candy! Das ist nur unsere spezielle Krankenstation! Wir mußten die Kranken zu ihrem und zu unserem Schutz isolieren! Ich wollte dir nur zeigen, warum ich dich unbedingt hier haben wollte! Komm und sieh selbst!“ Chiron streckte ihr eine Hand entgegen, doch Candy übersah sie einfach und ging die letzte Stufe herunter, ohne sich dabei von dem Mann stützen zu lassen. Caliban befand sich ein Stück entfernt ein paar Türen zu ihrer Linken und hatte seine Hände flach auf das Türblatt gelegt, wobei er seine Augen geschlossen hielt. Langsam verebbte das Toben in der Zelle und Candy folgte dem anderen Mann, der sie zu einer anderen Tür führte, die ziemlich weit rechts lag, wo die dunklen Schatten nach ihren Knöcheln zu schnappen drohten, weil das trübe Licht nicht bis hierher durchdrang. Sie glaubte nicht, daß das hier eine Krankenstation war. Es sah eher aus wie eine altertümliche Irrenanstalt, doch heutzutage mußte man solche Menschen nicht mehr wegsperren. Es gab keine Krankheit, die so etwas überhaupt erforderte! Das war menschenverachtend! Candy spürte, wie eine geballte Beklommenheit von ihr Besitz ergriff, die von den vielen Insassen der Zellen herzurühren schien. Nur zögernd trat sie zu Chiron, der eine der Luken geöffnet hatte, damit sie einen Blick in die Zelle werfen konnte. Sie mußte sich auf die Zehenspitzen stellen, um etwas zu sehen. Ihr wurde mit einem Mal bewußt, daß sie keine Schuhe mehr trug, nur noch Strümpfe. Der Boden unter ihr war eiskalt. Remy hatte sie schließlich im Schlaf überfallen und danach hatte sie ihn bekämpft, da war keine Zeit gewesen, sich Schuhe überzustreifen. Das alles schien eine Ewigkeit her zu sein. Sie war so weit weg von allem, daß ihr Aufenthalt in der Mansion fast schon wie ein schöner Traum erschien. Und nun war sie in dem Alptraum aufgewacht, der ihr wahres Leben zu werden schien… Candy riß ihre Augen weit auf, als sie den ausgemergelten Körper eines Mannes auf einer einfachen Pritsche entdeckte, der von Hustenanfällen geschüttelt wurde. Seine Haare hingen ihm wirr in die Stirn und sein Gesicht war totenblaß. Die Wände um ihn herum waren rußgeschwärzt, als hätte man darin ein Feuer gezündet. Es roch auf jeden Fall verbrannt. „Lassen Sie mich zu ihm rein, ich kann ihm helfen!“, verlangte Candy, die sich das Leiden des jungen Mannes nicht länger mit ansehen mochte. „Besser nicht! Das ist keine uns bekannte Krankheit, unter der der Junge leidet! Pyro ist gefährlich, er würde dich innerhalb von Sekunden in Flammen aufgehen lassen!“ Candy fuhr zu Chiron herum und starrte ihn ungläubig an. Pyro? Wo hatte sie den Namen schon einmal gehört? Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Er war der Mutant, der Rogue vor ein paar Monaten schwer verletzt hatte! Er war einer der Schüler und ein Freund von Bobby und Rogue gewesen, hatte sich jedoch von seinen Freunden abgewandt, um sich Magneto anzuschließen. Die Bruderschaft existierte inzwischen nicht mehr, deren Mitglieder hatten sich in alle Winde zerstreut und Pyro hatte, wie es schien, nicht den klügsten Weg gewählt. „Was ist das für eine Krankheit? Leiden alle… Insassen hier unter denselben Symptomen?“, fragte Candy beunruhigt nach. „Ich vermute, daß es ein Virus ist, der nur Mutanten befällt. Wir sammeln seit Monaten Kranke von den Straßen auf, doch ich konnte keinen von ihnen heilen. Sie verlieren die Kontrolle über ihre Fähigkeiten, je weiter die Krankheit voranschreitet, deshalb sperren wir sie hier weg. Sie werden aggressiv und greifen jeden an, der ihnen wie eine Bedrohung vorkommt. Pyro ist wohl im Endstadium. Er hustet und auf seiner Haut treten die verräterischen Veränderungen auf. Ich fürchte, er wird es nicht mehr lange machen…“, antwortete der Heiler mit ziemlich distanzierter Stimme, als hätte er nicht eben davon gesprochen, daß dem Patienten ein ziemlich elendiger Tod bevorstand. Caliban stieß wieder zu ihnen und wirkte, wenn das überhaupt möglich war, noch blasser als zuvor. „Es wird immer schwieriger, ihn zu bändigen! Ich weiß nicht, ob ich seinen nächsten Anfall so weit unterdrücken kann!“, erklärte er seinem Genossen. Chiron nickte ernst: „Er wird wohl nach Pyro der Nächste sein… Laßt uns gehen! Wir können hier nichts mehr tun! Ich wollte dir noch etwas anderes zeigen, bevor wir dir dein Quartier für die Nacht zeigen!” Candy zuckte resigniert mit den Schultern, solange sie nicht in Calibans Bett gesteckt wurde, war ihr der Schlafplatz völlig gleichgültig, sie würde ohnehin kein Auge zu tun, solange sie hier wie eine willenlose Gefangene behandelt wurde. Sie stiegen gemeinsam die Treppe hinauf und wandelten wieder durch verwinkelte Gänge. Nirgends waren Fenster zu entdecken, überall gab es nur künstliches Licht. Wenn sie nicht sicher wäre, daß es draußen noch finstere Nacht war, dann hätte sie hier kein Anzeichen gefunden, um die genaue Zeit irgendwie festzustellen. Was sollte sie sich noch ansehen? Reichten die Schrecken dieser bedrohlichen Krankheit nicht? Vielleicht war es Schicksal, daß sie endlich auf das Geheimnis ihrer Abstammung gestoßen war, nachdem sie nun zu den X-Men gehörte. Vielleicht konnte sie irgendwie helfen… Chiron riß sie mit seiner nächsten Erklärung aus ihren Gedanken: „Du bist sehr stark, Candy! Bei weitem mächtiger, als ich es je war. Das konnte ich vorhin deutlich spüren. Ich habe mich an den Rand der Erschöpfung getrieben, weil es heute fünf Opfer gab, um die ich mich kümmern mußte. Vier davon waren Kinder, die von irgendwelchen Fanatikern angeschossen wurden. Ich war schon sehr erschöpft, als mir noch ein Opfer gebracht wurde. Ich konnte ihm nur soweit helfen, daß sein Leben immer noch am seidenen Faden hängt. Wenn Du so gütig wärst, dich um ihn zu kümmern? Ich fürchte, er überlebt die Nacht sonst nicht!“ Man führte Candy in einen kleineren Raum, der ebenfalls über diese gewölbte Decke verfügte, die für die Architektur dieses Gebäudes, oder was auch immer das war, so typisch schien. Das Zimmer mutete sie wie eine Krankenstation an, wo einfache Feldbetten in regelmäßigen Abständen an den Wänden entlang aufgestellt worden waren, die von Paravants abgetrennt wurden. Tatsächlich lagen in vier der Betten schlafende Kinder, die sich vom Alter her wie die Orgelpfeifen aufzureihen schienen. Etwa sieben bis zwölf hätte Candy geschätzt und schüttelte traurig den Kopf, daß es Menschen gab, die auf Kinder schossen, nur weil diese ein wenig anders geraten waren als sie selbst. Die Mutter saß an dem Bett des jüngsten Kindes und hielt dessen Hand in ihrer, ohne den Blick von dem blassen Gesicht des Mädchens abzuwenden. Sie schaute sich nicht einmal um, als sie an ihr vorbeigingen. Candy würde später nach ihnen sehen, wenn sie mit dem Schwerverletzten fertig war. Sie wollte sicher sein, daß sie wirklich nicht mehr unter Schmerzen litten. Es waren doch nur Kinder! Ganz hinten in der rechten Ecke brannte ein kleines Licht hinter dem letzten Raumteiler, so daß Candy die Umrisse des Mannes erkannte, der in dem Bett lag. Er rührte sich nicht und schien kaum noch zu atmen. Sie beschleunigte ihren Schritt aus lauter Angst, doch noch zu spät zu kommen. „Oh, mein Gott!“, entfuhr es ihr mit vor Entsetzen geweiteten Augen, und sie fiel vor der einfachen Pritsche in die Knie, um nach der leblosen Hand des Mannes zu greifen. Wie Chiron gesagt hatte, war kaum noch Leben in ihm, die Verletzungen waren schrecklich und Candy weinte während der gesamten Heilung, weil sie seine Schmerzen spürte und die Hilflosigkeit, die er dabei empfand. Warum? Warum? Warum… triumphierte immer das Böse? Warum gab es so viel Haß auf der Welt? „Es wird gleich besser, das verspreche ich!“, flüsterte sie leise und drückte die Hand des Mannes fester, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie genug Kraft hatte, um den Mann wirklich zu retten. ~ ~ ~ „Frank?!“ Der Name wurde dumpf und undeutlich ausgesprochen, als kostete es dem Redner große Mühe die eine Silbe überhaupt über die Lippen zu bringen. Die Antwort war ein leises Stöhnen, das von der Dunkelheit in dem Raum verschluckt zu werden schien. Langsam gewöhnten sich die Augen des jungen Schwarzen an das fehlende Licht und er blickte über die Körper seiner Mitschüler hinweg zu seinem besten Freund, der wie alle anderen auf dem steinigen Boden ihres Verlieses lag. Sie lagen da abgeladen wie ein Haufen wehrloser Stoffpuppen. Everett stemmte sich mit seinen Händen auf dem kalten Boden ab und als er endlich aufrecht saß, konnte er die Hand heben und vorsichtig mit seinen Fingern seine Kinnlinie nachtasten. Das tat weh! „Heilige Scheiße!“, fluchte er, um den Schmerzenslaut zu unterdrücken, der ihm auf den Lippen lag. Es war schon peinlich genug, wie hilflose Lemminge in eine Falle getappt zu sein, mit der sie doch hätten rechnen müssen. Immerhin hatten diese Typen Candy gegen ihren Willen entführt. „Schrei nicht so rum, Alter! Mein Schädel platzt gleich!“, grummelte Frank seine Antwort und setzte sich auf, so daß er seinen Rücken gegen die gemauerte Wand hinter sich lehnen konnte. Langsam kamen die anderen ebenfalls wieder zur Besinnung und der dunkle Raum schien plötzlich von Jammern und Stöhnen angefüllt zu sein, während die Kids sich von dem Angriff erholten, dem sie auf der Suche nach Candys Versteck zum Opfer gefallen waren. „Hat jemand noch seinen Kommunikator?“, fragte Frank hoffnungsvoll in die eingetretene Stille hinein. „Nein, die haben uns alles abgenommen! Und ich bin nicht einmal sicher, ob wir hier Empfang hätten! Die Wände sind zu dick… Scheiße, was machen wir jetzt?! Wenn die Lehrer rauskriegen, was wir gemacht haben, dann machen die uns platt! Wenn diese Ärsche hier das nicht schon vorher erledigen!“, fluchte Synch ungehalten, bedauerte aber seinen Ausbruch sofort, als er hörte, wie Dani neben ihm scharf die Luft einsog und sie dann einen leise klagenden Laut von sich gab. Er streckte die Hand aus und griff blind nach ihr, um an ihrem Arm herunter zu gleiten und dann ihre Hand in seine zu nehmen. Er wollte den Mädchen keine Angst machen, obwohl er zugeben mußte, daß er selbst welche empfand. Allerdings verbot ihm sein männlicher Stolz das zuzugeben. „Schon gut! Ich meinte das nicht so! Ich bin nur sauer, daß wir den Einsatz vermasselt haben!“ Frank schnaubte wütend. Das konnte sein Freund laut sagen! Wie die Anfänger waren sie in die Falle getappt und der Gruppe von vermummten Mutanten in einem dunklen Tunnel in die Hände gefallen. Sie hatten praktisch keine Chance gehabt, nachdem sie von einer unerklärlichen Angst förmlich gelähmt waren. Dieselbe Angst, die Candy in seinem Traum außer Gefecht gesetzt hatte. Er hätte doch vorher bedenken sollen, daß man in seinem solchen Zustand nicht zu einem Kampf fähig war, schon gar nicht gegen andere Mutanten, die sich nicht scheuten, gegen ein paar Teenager vorzugehen. Obwohl keiner von ihnen ernsthafte Verletzungen davon getragen zu haben schien. „Hört ihr das auch?“, flüsterte Paige ihren Kameraden zu, so daß sie auf die Geräusche, die von draußen zu ihnen drangen, aufmerksam wurden. Es waren Klagelaute von Menschen, manchmal ein leises Poltern, dann wieder Stille. Dann drang ein spitzer Schrei durch verschlossene Tür zu ihnen hindurch, der ihnen allen die Nackenhaare zu Berge stehen ließ, obwohl er nur gedämpft zu ihnen drang. „Ich glaube, wir sind nicht die einzigen Gefangenen hier…“, vermutete Angelo, dem eine unangenehme Gänsehaut über den Rücken kroch. Es hörte sich fast so an, als würde jemand hier gefoltert werden oder an unerträglichen Schmerzen leiden. Keiner wagte es, zu fragen, ob sie die nächsten sein würden, die hier unten vor Schmerzen aufschreien würden, wenn ihre Angreifer zurückkamen. Die Jugendlichen rückten näher zusammen und beratschlagten leise, ob einer von ihnen wohl genug Kraft aufbringen würde, um die stählerne Tür aufzubrechen. Was würden sie jetzt dafür geben, wenn Colossus bei ihnen sein könnte, der mühelos durch Wände gehen konnte… „Synch, spürst Du wenigstens Candy noch? Ich meine, ist sie hier in der Nähe?“, fragte Frank, um sich von den erdrückenden Gedanken abzulenken, daß er sich und seine Freunde ganz schön in die Scheiße geritten hatte. Der junge Schwarze hatte die Fähigkeit, andere Mutanten aufzuspüren, indem er sich auf ihre ganz persönliche Aura konzentrierte. Gemeinsam mit Wolfsbane, Rahne, die ja in ihrer tierischen Gestalt ein Wolf war, hatten sie vorhin Candys Spur aufgenommen, bevor sie in den Hinterhalt getappt waren. „Ich weiß nicht… Moment…“ Everett mühte sich auf die Füße und schwankte in Richtung Tür. Er hatte einen ganz schönen Kinnhaken abbekommen, der ihn gleich ins Land der Träume befördert hatte, bevor er seine Fähigkeiten einsetzen hatte können. Sein Kinn pulsierte immer noch von dem Schlag und in seinem Kopf drehte sich alles. Mit beiden Händen stützte er sich an der kalten Stahltür ab und lehnte schließlich auch seine glühende Stirn daran, weil die Kälte einen beruhigenden Effekt auf das Pochen in seinem Schädel hatte. Er mußte sich zusammenreißen, wenn er genug Kraft sammeln wollte, um seine Fühler nach draußen zu strecken. Es würde sowieso ziemlich schwer sein, da die Tür den Raum ziemlich luftdicht verschloß. Nach ein paar Sekunden leuchtete seine Aura flackernd auf und er konzentrierte sich auf Miss Genovas Ausstrahlung, die er nach der Heilung seines Knochenbruches immer und überall wieder erkennen würde. „Ja, ich hab’ sie! Sie ist hier! Irgendwo in der Nähe… Sie lebt!”, brachte Synch erleichtert vor und sank dann mit einem letzten Aufflackern des regenbogenähnlichen Lichtes, das ihn umgab, wenn er seine Fähigkeiten einsetzte, in die Knie und stöhnte leise auf, weil es ihn ziemlich angestrengt hatte, Candy aufzuspüren. Er hörte die erleichterten Ausrufe der anderen nicht mehr richtig, weil er halb weggetreten war. Die Dunkelheit um ihn herum wurde dichter und dann verlor er das Bewusstsein… Fortsetzung folgt... Kapitel 24: Home Sweet Home --------------------------- X X X „NEIN!“ Candy setzte sich abrupt in ihrem Bett auf und sah sich mit weit aufgerissenen Augen um, weil sie im ersten Moment des Schreckens keine Ahnung hatte, wo sie war. Sie war eben aus einem Alptraum durch ihren eigenen Aufschrei aufgeschreckt worden und atmete gehetzt, als wäre sie eben noch vor etwas oder jemandem davongerannt. „Hey! Ganz ruhig! Es ist alles in Ordnung!”, flüsterte eine tiefe Stimme neben ihr, und jemand setzte sich zu ihr sie auf die Matratze. „LOGAN?!“, rief sie erleichtert aus, als sie ihn nach der ersten Verwirrung erkannt hatte. Candy warf sich förmlich in seine Umarmung und brach dann unvermutet in Tränen aus. Die ganze Anspannung der letzten beidenTage fiel von ihr ab, obwohl sie nicht sicher war, welcher Tag heute war, sie hatte jegliches Gefühl für die Zeit verloren. Sie war in Sicherheit! In der Xavier Mansion, ihrem wirklichen Zuhause, das sie garantiert nicht bei den Morlocks finden würde. Mein Platz ist hier!, dachte sie vollkommen von der Richtigkeit ihrer Entscheidung überzeugt. Logan hielt sie einfach fest und strich ihr immer wieder beruhigend über den Rücken, drückte sein Gesicht in ihr duftendes Haar und ließ sie sich erst einmal in Ruhe ausweinen. Er konnte verstehen, daß ihr die ganzen Erlebnisse schwer auf der Seele lasteten, auch wenn es schließlich glimpflich ausgegangen war. „Wie geht es dem Professor?“, fragte Candy nach einer Weile leise und hielt ihr erhitztes Gesicht an seiner Brust verborgen. Logans Mundwinkel verzogen sich zu einem sehr erleichterten Lächeln: „Es geht ihm schon viel besser!“ Er tippte ihren Kopf mit einem Finger unter ihrem Kinn zu sich hoch, damit er ihr in die Augen sehen konnte. „Ich meine, mich zu erinnern, daß er darauf besteht, ab jetzt von dir Charles genannt zu werden! Immerhin verdankt er dir sein Leben!“ Candy schniefte und kämpfte gegen weitere aufsteigende Tränen an, die ihr in der Kehle steckten. Es waren einfach zu viele Eindrücke gewesen, die durch ihre Fähigkeiten verstärkt auf sie eingestürmt waren, sie würde noch Tage wenn nicht Wochen brauchen, um das alles wirklich zu verarbeiten. Die Heilung des Professors war anstrengender gewesen als die von Rogue, aber diesmal hatte sie ja dank Hank gewußt, wie sie ihre Kräfte noch während der Behandlung aufladen konnte. Den Professor von der Schwelle des Todes zurückzuholen, war der größte ihrer bisherigen Behandlungserfolge gewesen, auch wenn sie keine Genugtuung daraus zog. Die Verbindung zu diesem besonderen Mann hatte sie allerhöchstens Demut gelehrt. Sie spürte seine unerträglichen Schmerzen, seinen Kampf ums Überleben und schließlich seine Gedanken in ihrem Kopf, als er sich an sie geklammert hatte, um einen Führer aus der Dunkelheit zu finden, die ihn zu verschlingen drohte. Dann war eine Welle der Erleichterung über sie hinweg geschwappt, als er die Augen aufschlug und leise um ein Glas Wasser bat. Candy zitterte bei dem Gedanken, daß sie auch hätte versagen können. Vielleicht hätte sie das auch, wenn Chiron ihn zuvor nicht mit all seiner Energie versorgt hätte. Seine Angreifer hätten ihn elendig in seinem Blut zugrunde gehen lassen, als wäre er nichts weiter als ein sterbendes Tier. Und denen gewährte man wenigstens den Gnadenschuß… „Wie spät ist es? Ich sollte wohl aufstehen, oder? Und nach ihm sehen, ob es ihm wirklich gut geht?“ Logan lächelte nachsichtig: „Du gehst nirgends hin! Strikte Anweisung von Hank! Du sollst auf jeden Fall den ganzen Tag im Bett liegen bleiben! Keine Widerrede! Ich kann dich dazu zwingen!“ Logans leicht drohender Unterton veranlaßte Candy sogar zu einem zögernden Lächeln: “Ich habe bestimmt genug geschlafen, Logan! Es ist schon fast Mittag, das sind mehr als zwölf Stunden!“ Logan zog spöttisch die rechte Augenbraue nach oben und sein Grinsen wurde breiter. „Mach dreißig daraus, dann triffst Du es eher!“ Candy starrte ihn ungläubig an. Sie hatte einen ganzen Tag verschlafen, ohne es zu merken? Das konnte nicht sein. Niemand schlief so lange am Stück, wenn er gesund war und gesünder als sie konnte man doch gar nicht sein! „Hank meinte, daß Du dich im Schlaf am besten regenerieren würdest! Er wollte dir zwar ein Schlafmittel verabreichen, aber wie es scheint, hat dein Körper sich selbst solange ruhig gehalten, wie er es für nötig befunden hat!“, erklärte Logan ihr und strich ihr sanft über die leicht gerötete Wange. „Oh, Gott, Logan! Wie geht es den Kindern? Ich bin einfach noch so durcheinander! Ich muß nach ihnen sehen! Laß mich bitte aufstehen!“, verlangte Candy energisch, aber Logan hielt sie um die Schultern fest und seinem sanften aber dennoch nachdrücklichen Griff hatte sie nichts entgegen zu setzen. So langsam kam alles wieder hoch, was sich vor zwei Tagen ereignet hatte. Kein Wunder, daß sie nach der ganzen Aufregung einfach einen Tag verschlafen hatte. „Du darfst allerhöchstens ins Badezimmer, Gebieterin! Gib dir Zeit, wieder zu dir zu kommen! Das war ganz schön viel auf einmal! Ich warte hier solange, weil ich leider nicht auf dich vertrauen kann, auch wenn ich dir versichern kann, daß es den Kids gut geht! Die paar Blessuren, die sie davongetragen haben, dürfen gern auf normalem Weg heilen! Vielleicht lernen sie dann, daß man sich nicht in die Angelegenheiten von Erwachsenen mischt!“, grummelte er immer noch nicht gut auf die Bande zu sprechen, die losgezogen war, um Candy im Alleingang zu retten. Das hätte sowas von in die Hose gehen können! Logan schnappte sich Candy, hob sie mit Leichtigkeit auf seine starken Arme und trug sie zum Bad ihres Zimmers, in dem er die letzten beiden Tage Krankenwache gehalten hatte. Nun, er hatte jedenfalls darüber gewacht, daß sie niemand störte außer den Ärzten. Charles hatte ihm gesagt, daß sie Ruhe brauchen würde, um sich von dem ganzen Streß zu erholen. Der Professor selbst hielt noch Bettruhe ein, weil Jean in dem Punkt einfach nicht mit sich hatte reden lassen wollen. So außer sich hatte er die Ärztin noch niemals erlebt, aber er konnte es nachvollziehen, da Charles so etwas wie ihr Ersatzvater war. Und nun wussten alle, wie knapp es um ihn gestanden hatte. Logans Gesicht verdüsterte sich kurz, wenn er daran dachte, daß sie der blöden Sumpfratte aus New Orleans seine Rettung verdankten. Wenn er Candy nicht entführt hätte, dann hätten die Morlocks sie niemals rechtzeitig zu ihm bringen können. Der Kerl schmorte immer noch unten im Keller, und er würde sich hüten, Candy vorerst darauf anzusprechen, weil sie schon genug durchgemacht hatte. Ihr würde noch früh genug einfallen, wem sie die Entführung zu verdanken hatte. Und er war sich einhundertprozentig sicher, daß sie sofort nach unten stürmen würde, sollte sie davon Wind bekommen, daß der quakende Franzmann ihr Gefangener war. „Wie wäre es mit einem entspannenden Bad, Gebieterin? Ich kümmere mich derweil um etwas zu essen!“ Logan setzte sie vorsichtig auf ihre Füße ab und machte sich sogar daran, selbst das Wasser in die Wanne zu lassen. Candy wußte nicht, was sie von seinem Verhalten halten sollte. Es war wirklich sehr fürsorglich von ihm, sie so von den anderen abzuschirmen, aber sie war doch nicht zerbrechlich! Allerdings fühlten sich ihre Knie schon ein wenig schwach an und die Erwähnung von etwas Essbarem machte ihr klar, daß sie unbedingt einen kleinen Energieschub benötigte. „Ich bin gleich wieder da! Und wehe, Du verlässt dieses Zimmer, bevor nicht einer der Ärzte das Okay dazu gegeben hat! Und wenn Du tausend Mal die Gebieterin bist, lege ich dich dann trotzdem persönlich übers Knie! Und glaub mir, es würde mir einen Heidenspaß machen, deinen süßen Hintern zu bearbeiten!“ Logan umfaßte ihren Hinterkopf mit seiner Pranke, zog ihren Kopf ein Stück nach oben, so daß sie auf die Zehenspitzen gehen mußte und preßte kurz seinen fordernden Mund auf ihre weichen Lippen. Candy konnte nur überrascht blinzeln und verkniff sich einen Kommentar zu seinen anmaßenden Befehlen. Sie kaute an der Bezeichnung „Gebieterin“, die er nun ein paar Mal wiederholt hatte. War das ein Scherz? Nicht unbedingt ein gewöhnlicher Kosename. Sie war doch keine Domina oder dergleichen! „Ja, ja! Schon gut! Ich habe dich verstanden! Kümmer dich ums Essen! Und ich hätte gerne eine ganze Kanne Kaffee! Wehe, Du bringst Tee! Ich brauche etwas, das mich wach macht! Geschlafen habe ich nun wirklich lange genug!“ Candy schob Logan energisch aus dem Bad, damit sie ein wenig Privatsphäre bekam. Die Phase des „Voreinander-auf-die-Toilette-Gehens“ hatten sie beide noch nicht erreicht und ihre Blase verlangte eben ihr Recht… „Ich verspreche auch, brav zu sein!“, bekräftigte sie in einem zuckersüßen Tonfall und hätte ihn beinahe noch Meister genannt. Aber das verkniff sie sich lieber, weil ihm das vielleicht auch noch gefallen würde. Sie drückte die Tür hinter ihm ins Schloß und hörte zufrieden, wie er das Zimmer verließ. Nun konnte sie ein wenig zur Besinnung kommen und ihre Gedanken sammeln, damit sie nicht mehr so einen kläglichen Eindruck erweckte und aus dem Krankenstand entlassen werden konnte. Candy füllte etwas duftendes Badesalz ins Wasser und testete dann die Temperatur mit den Fingern, bevor sie die Kleider auf den Boden fallen ließ und sich in das angenehm warme Wasser gleiten ließ. Es tat so gut! Nun konnte sie ihre leicht verspannten Muskeln lockern. Gebieterin! Candy ließ sich mit einem Aufstöhnen unter Wasser gleiten, als ihr eingefallen war, warum Logan sie so nannte. Er meinte es auf jeden Fall nicht scherzhaft… ° ° ° (Rückblick) Candy war bis zur Schmerzgrenze gegangen und darüber hinaus… Immer noch neben der Pritsche kniend auf der ihr Patient lag, ließ sie ihren Kopf erschöpft auf die kratzige Decke fallen, die über dem Mann ausgebreitet worden war, der nur noch so etwas wie ein Nachthemd trug, wie man sie in Krankenhäusern fand. Candy konnte die Tränen nicht aufhalten, sie flossen einfach über ihr Gesicht und ihr Atmen wurde immer wieder von leisen Schluchzern unterbrochen. Es war ihr gleichgültig, wenn die Männer, die die ganze Zeit neben ihr gestanden hatten, sie dabei beobachten konnten. Sie waren schließlich nicht mit dem Kranken verbunden und fühlten alles, was er fühlte. Außerdem bedeutete er ihnen nicht so viel wie ihr... Wenigstens hatten sie sich nützlich gemacht und ihre Anweisungen befolgt. Sie hatte sich eine Infusion mit Glukose gelegt, weil sie ahnte, daß sie sonst während der Behandlung ohnmächtig werden würde. Was für miese Dreckschweine hatten das dem Professor nur angetan?! Es gab doch keinen gütigeren Menschen als ihn, er hatte niemals jemandem etwas getan! Als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte, hob sie den Kopf und sah in das besorgte Gesicht von Caliban, der ihr eine neue Flasche mit Glukose hinhielt. „Die andere ist fast schon aufgebraucht…“, sagte er leise, und sie konnte in seinen gelben Augen so etwas wie Mitgefühl entdecken, was sie bestätigt sah, als sie ihn kurz berührte, als sie ihm die Flasche dankbar abnahm. Candy hatte ihn aufgrund seines ungewöhnlichen Aussehens wohl falsch beurteilt, und das tat ihr jetzt leid. Er konnte schließlich nichts dafür, daß man ihm seine Mutation ansah. Sie spürte auch seine Schüchternheit ihr gegenüber, wohl weil diese Callisto vorhin mit irgendwelchen dummen Heiratsplänen herausgeplatzt war. Sie bedankte sich für seine Unterstützung und tauschte die Flaschen aus, damit sie mit der Behandlung fortfahren konnte. Sie hatte garantiert nicht vor, ihn irgendwie in dieser Hinsicht zu ermuntern, aber sie würde ihn mit dem nötigen Respekt behandeln. So viel würde Xavier von ihr erwarten, nachdem sie nun sicher war, daß er in keinem Fall eine Bedrohung für ihr Leben war. Man sollte sich niemals vom Aussehen eines Menschen blenden lassen. Diese Lektion hatte sie doch schon sehr schmerzhaft mit Remy gelernt, der natürlich nicht nur über blendendes Aussehen verfügte sondern auch über die nötige „Überredungskraft“. Candy schüttelte den Gedanken ab und nahm die leblose Hand des Professors wieder in ihre, um den Kontakt herzustellen. Sie drang wieder in seinen Körper ein, um festzustellen, welche Verletzungen sie noch behandeln mußte. Zuerst hatte sie die inneren Verletzungen versorgt, die am schwerwiegendsten und lebensbedrohlich gewesen waren, vor allen Dingen die Schwellung des Gehirns. Das war wohl auch der Grund gewesen, warum sie ihn nicht telepathisch hatten erreichen können. Das und die Tatsache, daß sie sich tief unter der Erdoberfläche aufhielten. Geschützt von dem harten Granit, auf dem der Stadtteil Manhattan aufgebaut worden war. Candy hatte Caliban gefragt, wo sie sich eigentlich befand, um sich von den bedrückenden Emotionen des Professors abzulenken. Ein altes U-Bahn-Tunnel-System, das seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden und in Vergessenheit geraten war. Eine der steinreichen Familien aus dem 19. Jahrhundert hatte es ausbauen lassen, um ihre privaten Züge darin herumgondeln zu lassen. Chiron hatte es als junger Mann zufällig beim Studium von alten Stadtplänen entdeckt, die er entwendet hatte, damit sie kein anderer mehr finden konnte. Hier unten hatten sie mit viel Mühe und größter Sorgfalt eine Zuflucht für Mutanten geschaffen, die wegen ihres auffälligen Äußeren von der Gesellschaft ausgestoßen wurden. Candy bekam ein schlechtes Gewissen, daß sie das Glück gehabt hatte, keine weitere Auffälligkeit aufzuweisen, als ihre silbernen Augen, die zwar immer Neugier aber niemals Ablehnung hervorgerufen hatten. Jetzt verstand sie Callistos Aggressivität auch besser. Sie wollte ihre Untertanen schützen, die wohl so viel Leid erlebt hatten, daß ihnen als einziger Ausweg das Leben in der Dunkelheit unter Ihresgleichen blieb. „Remedy? Es ist vorerst genug! Du solltest dich ein wenig ausruhen! Und wärest Du so freundlich, mir etwas Wasser zu geben?" Candy riß ihre Augen weit auf, als sie die Stimme des Professors vernahm, und er den Druck ihrer Hand plötzlich erwiderte. „Professor!“, hauchte sie überwältigt und hätte schon wieder in Tränen ausbrechen können, weil er endlich zur Besinnung gekommen war. Das konnte nur bedeuten, daß er kaum noch Schmerzen hatte und die schlimmsten Verletzungen verheilt waren. Der ältere Mann lächelte schwach und zog ihre Hand auf seine Brust, die er dann mit seinen bedeckte. Sie konnte fühlen, wie sein Herz wieder kräftiger schlug, das war einfach erlösend nach der langen Behandlung. „In Anbetracht der Umstände solltest Du mich Charles nennen! Ich danke dir für deine Führung! Aber Du solltest dich nicht überanstrengen! Es geht mir schon viel besser!“ Sein Blick glitt zu den beiden Männern, die am Ende des Bettes standen und die Szene mit unergründlichen Gesichtern beobachteten. Dann sah er sich fragend in dem halbdunklen Raum um, weil er wohl nicht wußte, wo er sich aufhielt. Candy schenkte aus einem tönernen Krug auf dem Nachttisch neben dem Bett etwas Wasser in Glas, während sie dem Professor erklärte, wo er sich befand. „Das sind Chiron und Caliban! Sie gehören einer geheimen Gemeinde von Mutanten an, die sich Morlocks nennen und anderen Mutanten helfen, wenn sie wegen ihrer Andersartigkeit von Menschen angegriffen werden. Wir befinden uns in ihrem unterirdischen Versteck… Charles!“ Seinen Vornamen sprach sie nur sehr zögernd aus, weil sie einfach zu viel Respekt vor ihrem Vorgesetzten hatte, aber er hatte darum gebeten. Vielleicht nur, weil er seinen Namen hören wollte, um sich seiner Existenz zu versichern und keiner seiner Vertrauten in seiner Nähe war, also tat sie ihm den Gefallen. Sie half ihm, sich ein wenig aufzurichten, damit er ein paar Schlucke Wasser aus dem Glas trinken konnte, bevor sie weitere Erklärungen abgab. „Sie patrouillieren nachts durch die Stadt und benutzen die unterirdischen Tunnelsysteme Manhattans, um sich unbemerkt fortzubewegen… So hat man Sie auch gefunden, nachdem sie angegriffen worden waren! Chiron ist der Heiler der Gemeinde, er hat sie so weit stabilisiert, daß sie genug Zeit hatten, mich zur Hilfe zu holen!“ Candy verschwieg geflissentlich den Status des Mannes, denn sie konnte ihn einfach nicht als ihren Vater vorstellen, und ihn Erzeuger zu nennen, wäre ihr einfach herabsetzend erschienen. Außerdem hätte sie gerne zuerst den DNS-Beweis dafür, bevor sie sich darüber Gedanken machte, was sie nun mit dieser Information anstellen sollte. Bevor der Professor sich zu seinem Aufenthaltsort hatte äußern können, war der blasse Caliban zusammengezuckt und hatte die Hand an die Stirn gehoben, als hätte er Kopfschmerzen. „Entschuldigt mich bitte! Wir haben wohl unerwarteten Besuch bekommen… Bleib ruhig hier Chiron! Ich kümmere mich mit den anderen darum! Es ist keine große Bedrohung! Ich komme danach wieder... Candy!“ Ein leichtes Nicken in ihre Richtung, dann war er mit wehendem Gewand aus dem Raum geeilt, ohne daß Candy einschätzen konnte, ob sie sich Sorgen um diese Eindringlinge machen sollte. „Callisto hat gute Männer zur Bewachung unserer Stadt abgestellt! Wahrscheinlich sind es nur Gleichgesinnte, die unserer Hilfe bedürfen! Es kommen immer mehr zu uns! Die Zeiten sind unerbittlich für die Gezeichneten!“, erklärte der Heiler mit beinahe unbeteiligter Stimme. „Ja, und die Makellosen leben unerkannt unter ihnen, ohne ihre Zurückweisung fürchten zu müssen, ich verstehe… Ausgestoßen von beiden Seiten… Wir leben tatsächlich in einer sehr ungerechten Welt, Chiron… Der Heiler aus der griechischen Sage, dem unendliche Weisheit und Güte unterstellt wurde… Die Farbe Ihrer Augen ist bemerkenswert und beinahe einzigartig!“ Candy biß sich auf die Unterlippe, als der Professor damit verriet, daß er wohl die Zusammenhänge erkannt hatte. Der Druck seiner Hände wurde ein wenig fester und sie fühlte sich von ihm beschützt, obwohl er immer noch schwach und ausgeliefert vor ihnen lag. „Ich arbeite für den Professor, Chiron! Er hat mich in sein Heim aufgenommen und mir eine Möglichkeit gegeben, mit meinen Fähigkeiten Gutes tun zu dürfen! Bei ihm und meinen Freunden ist mein Zuhause! Durch sie habe ich gelernt, an meine Grenzen zu gehen, meine Kräfte auszuschöpfen und einen Sinn in meinem Leben zu finden! Mein Herz hat dort schon tiefe Wurzeln geschlagen!“, sagte sie leise aber sehr bestimmt und sah zu dem Mann auf, der sie wohl schon Jahre lang suchte. Sie sprach nicht nur von Logan, der natürlich auch ein Grund war, sich in der Mansion daheim zu fühlen. Es waren aber auch die anderen Teammitglieder allen voran Scott, Hank und Rogue, mit der sie langsam eine enge Freundschaft schloß, und dann die Kinder… Sie mochte noch nicht so lange dort wohnen, aber Zeit war keine Maßeinheit, die Gefühle zu bestimmen oder gar zu messen vermochte. Chiron sah sie durchdringend an, doch diesmal senkte Candy nicht den Blick, sie war entschlossen, ihm klar zu machen, daß ihr Platz bei ihren Leuten war, und das waren die X-Men! Es genügte nicht, allein durch die Blutlinie miteinander verbunden zu sein. „Ich lasse dich besser mit dem Professor alleine, Candy! Es tut mir leid, wenn ich wegen meiner beharrlichen Suche nach dir, ein paar Grenzen überschritten habe… In allererster Linie wollte ich Klarheit haben. Es war wohl anmaßend, anzunehmen, daß ein einziger Blick genügen würde, um in dir den Wunsch zu wecken, hier bei uns zu leben! Caliban wird später nach euch sehen, falls ihr noch etwas benötigen solltet! Über alles andere können wir Morgen reden, wenn der Professor mehr zu Kräften gekommen ist!“ Chiron griff mit beiden Händen nach seiner Kapuze und zog sie über den Kopf, womit sein Gesicht im Schatten verschwand, so daß man den Ausdruck darin nicht mehr deuten konnte. Es tat Candy zwar leid, daß sie eine Illusion hatte platzen lassen, aber sie konnte nicht auf Rücksicht auf einen ihr eigentlich wildfremden Mann ihre Gefühle einfach verleugnen. „Ich bin sehr stolz darauf, daß Du zu uns gehörst, Candy! Du hast bereits einen tiefen Eindruck in unseren Herzen hinterlassen, und wir wären alle untröstlich, wenn Du uns eines Tages verlassen solltest! Aber natürlich stehen dir alle Türen offen! Und dein Zuhause wird immer auf dich warten!“, sprach der Professor mit kräftigerer Stimme, die nicht mehr so gehaucht klang, als würde er jede Minute wieder das Bewusstsein verlieren. Candy senkte den Kopf, bis sie ihre Stirn auf der Brust des Professors aufkam, wo sie verharrte, um diesen stillen Moment des Glücks einfach in sich aufzunehmen. Wenn sie sich jemals einen Vater gewünscht hätte, dann so einen Mann wie Charles Xavier. Seine Worte wärmten sie von Innen und machten sie vollkommen sprachlos. Er hatte ihr die Freiheit der Entscheidung zugestanden, wenn sie ein anderes Leben dem der X-Men vorziehen sollte. Er hatte ihre Bedürfnisse über seine gestellt, das war überaus großzügig von ihm, nachdem er schon so viel in ihre Ausbildung investiert hatte. Und er erwartete niemals eine Gegenleistung von ihr, die sie nicht bereit war zu geben. Wenn sie sich getraut hätte, dann hätte sie ihm am liebsten gesagt, daß sie ihn unheimlich gern hatte, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken, weil sie nicht wußte, ob sie damit nicht zu weit gehen würde. „Danke… Prof… Charles! Bitte lassen Sie mich jetzt meine Arbeit zu Ende bringen! Es geht schon! Ich habe noch genug Glukose in der Infusion! Bitte, ich würde mich besser fühlen, wenn Sie Morgen schon transportfähig wären! Ich möchte die anderen so bald wie möglich von unserem Aufenthaltsort informieren! Zuhause macht man sich die größten Sorgen um Sie! Wir wollen Sie alle wieder sicher Zuhause sehen! Je eher je besser!“, bat Candy ihn flehentlich und der Professor gab ihr mit einem nachsichtigen Lächeln nach, als ahnte er, wie aufgewühlt sie war, und wie sie eigentlich zu ihm stand. Candy straffte die Schultern und konzentrierte sich wieder auf die Heilung ihres Mentors, für den sie auch durch die Hölle gehen würde, wenn es eines Tages nötig werden sollte… Fortsetzung folgt... Kapitel 25: The Mistress of the Morlocks ---------------------------------------- ~ ~ ~ „Darf ich reinkommen?“, fragte ein ziemlich unsicherer Frank, der nach zögerlichem Klopfen an der Tür, den Kopf in ihr Zimmer streckte. Candy winkte ihn lächelnd herein, da Logan noch nicht zurück war, und sie wirklich wissen wollte, wie es den Kids ging. Sie hatte sich nach dem Bad angezogen und ihr Bett gemacht. Sie saß nun in dem bequemen Sessel, der am großen Flügelfenster stand, hatte eine Decke um sich geschlungen, weil ihr nach dem ausgiebigen Lüften des Zimmer etwas fröstelte, obwohl sie einen Pulli mit Rollkragen trug, den sie aus dem Schrank gezogen hatte, obwohl es für Oktober nicht besonders kalt war. Draußen schien sogar die Sonne und ließ den Park in unglaublichen Rottönen erstrahlen, da die Blätter der Bäume sich schon herbstlich verfärbt hatten. Candy biß sich mitfühlend auf die Unterlippe, als Frank sich zu ihr auf den Sessel gegenüber dem ihren setzte, wo die Sonne genau auf sein Gesicht fiel. Er trug ein eindrucksvolles Veilchen, das blau-violett mit einem gelben Stich darin leuchtete. Er grinste schief und sog dann scharf die Luft ein, weil er wohl Schmerzen hatte, wenn er seine Miene verzog. Sie wollte schon die Hand ausstrecken, um ihn zu heilen, doch er wich zurück und hob die Hand abwehrend. „Nein, bitte nicht! Ich krieg Ärger, wenn Du dich meinetwegen anstrengst! Es geht schon! Außerdem riskiere ich mehr als einen Verweis, wenn ich Logan gegen mich aufbringe! Ich wollte nur sehen, wie es dir geht, damit ich den anderen berichten kann! Ich hab uns da reingeritten, also muß ich auch riskieren, den Zorn des Wolverine auf mein Haupt zu laden!“ Candy seufzte, weil Frank Recht hatte. Sie hatte Logan ja selbst versprochen, sich nicht gegen die Anweisungen der Ärzte zu stellen. „Es geht mir gut… Ich fühle mich ein wenig desorientiert, aber nach so vielen Stunden Schlaf ist das wohl nicht verwunderlich! Ich hasse es, Logan Recht geben zu müssen, aber ich sollte mich wohl noch ein paar Tage schonen! Den anderen geht es gut? Es war ja keiner von euch schwer verletzt, wenn ich mich richtig erinnere… Es kommt gerade alles wieder zurück…“ Frank wurde zum ersten Mal seit ihrer Bekanntschaft puterrot. Sie hatte noch nie erlebt, daß der sonst so selbstbewusste Junge sich so kleinlaut gab. Gebieterin… „Ähm, ja… Keine schweren Verletzungen! Synch hat eine Gehirnerschütterung von der Beule an seinem Hinterkopf, aber bis auf Kopfschmerzen ist es nicht weiter schlimm! Und das war Pech, weil er im Dunkeln umgekippt ist, und wir ihn nicht rechtzeitig aufgefangen haben, als er auf den Boden fiel… Wir hatten echt ein Wahnsinnsglück! Ich bin auch gekommen, um mich zu bedanken, Candy… Ich meine wegen…“ Der Junge verstummte und sah sie beinahe schon ein wenig gequält aus großen, blauen Augen an. Es schien ihm wirklich peinlich zu sein. Immerhin waren die meisten Lehrer und seine Mitschüler zugegen gewesen. „Ach, DAS… Glaub mir, es ist kein Dank nötig! Ihr seid alle gekommen, um mich zu retten, auch wenn es leichtsinnig war! Das bedeutet mir wirklich sehr viel! Und ich hätte an eurer Stelle vielleicht auch nicht anders gehandelt! Auch wenn ich das als zukünftiges Mitglied des Lehrkörpers vielleicht nicht sagen sollte!“, wehrte sie verlegen ab, weil noch nie jemand sein Leben für sie riskiert hatte. Sie war froh, daß sie keine Strafe aussprechen mußte, weil die Jugendlichen ihr ja nur zur Hilfe geeilt waren, weil sie sie gern hatten. Keiner von ihnen hatte die Tür aufgleiten gehört, doch als sie an die Wand knallte, weil jemand ihr einen ordentlichen Schubs verpaßt hatte, zuckten sie beide schuldbewußt zusammen. Ein wütender Logan stand im Türrahmen, der wohl nur durch das voll beladene Tablett in seinen Händen davon abgehalten wurde, wie ein wütender Stier auf Frank zuzustürmen, der sich nicht an die Anweisung gehalten hatte, Miss Genova in Ruhe zu lassen. „Logan, bitte! Frank wollte gerade gehen, er wollte sich nur vergewissern, daß es mir gut geht!“, sagte Candy leise, doch sie sah ihren Freund sehr nachdrücklich in die wütend funkelnden Augen, damit ihm ja nicht einfiel, sich über Frank herzumachen, was er bestimmt schon zur Genüge getan hatte, wenn sie ihn richtig einschätze. So langsam sollte sie lernen, sich gegen den Mann zu behaupten, der sie manchmal in die Rolle eines Teenagers zurück zu drängen vermochte. Es war sehr fürsorglich von ihm, sie gegen alles und jeden abzuschirmen, aber er durfte dabei nicht jegliches Maß und Ziel aus den Augen verlieren. Immerhin war sie ein X-Men, wenn auch auf Probe, und mußte in bestimmten Situationen auch allein zurecht kommen. Frank erhob sich auch gleich von dem Sessel und murmelte einen leisen Abschiedsgruß, um dann an Logan vorbei zu schleichen, der ihn mit einem grimmigen Blick bedachte. Er balancierte das Tablett auf einer Hand und drückte dann die Tür sehr energisch ins Schloß, ohne wirklich laut zu werden. Er kam auf sie zu und stellte das Tablett auf den kleinen Tisch zwischen den Sesseln, um sich auf den zu setzen, den Frank eben frei gemacht hatte. „Ich dachte, daß Du brav sein wolltest…“, grollte Logan in seiner typischen Sprechweise, die jedoch keine Spur wütend klang viel eher amüsiert. Candy starrte ihn erstaunt an, als sie in sein grinsendes Gesicht blickte, wo jede Wut verraucht zu sein schien, die seine Züge eben noch verdunkelt hatte. Er grinste nur süffisant „Du meinst doch nicht wirklich, daß ich richtig sauer auf die Bande bin, oder? Ich muß die kleinen Möchtegern-Helden ja nicht auch noch in ihrer Dummheit bestärken! Schon gar nicht Frank, dem alles schon viel zu leicht von der Hand geht! Sein Ego ist schon groß genug! Obwohl ich schon beleidigt bin, daß die Gebieterin nicht mich auserwählt hat! Der Rotzbengel hat das echt nicht verdient! Komm schon, Candy, Du solltest erstmal in Ruhe frühstücken, bevor Du mir den Kopf abreißt, weil ich dich so auf den Arm nehme!“, forderte Logan sie auf, dessen Blick Candy errötend auswich, um sich eine Tasse Kaffee einzuschenken. ° ° ° (Rückblick) Der Professor schlief tief und fest, so daß Candy erleichtert eine Pause einlegte. Ihr schwindelte etwas, was sie auf den beständigen Fluß der Energie schob. Sie musste den Drang bezwingen, den Professor sofort vollständig zu heilen. Es verspürte keine Schmerzen mehr, es gab noch ein paar Knochenrüche, die nicht gänzlich verheilt waren, da der Professor jedoch querschnittsgelähmt war, würde er die betroffenen Gliedmaßen nicht belasten. Candy lehnte sich auf dem Stuhl zurück, den ihr Caliban hingestellt hatte und bedeckte kurz ihr Gesicht mit beiden Händen. Sie musste sich etwas fassen, ihre Gedanken ordnen. Und vor allen Dingen den anderen X-Men irgendwie mitteilen, daß sie den Professor gefunden hatte. Ihr fiel siedendheiß ein, daß sie auf eine Mission aufgebrochen waren, die nicht von Erfolg gekrönt gewesen sein konnte, wenn ihr Anführer schon seit Stunden in dieser Krankenstation versorgt worden war. Candy fuhr erschrocken zusammen, als sie plötzlich auf ihrer Schulter den schwachen Druck einer Hand spürte. Als sie aufsah, erblickte das von tiefer Besorgnis zerfurchte Gesicht einer Frau mittleren Alters, die ihre Haare unter einem bunten Kopftuch verborgen hielt. Sie zuckte zurück, als sie mit aller Macht die Gefühle der Frau am eigenen Leib spürte. „Entschuldigen Sie bitte, Chira! Oder nein, ihr Name ist ja Remedy… Ich wusste nicht, daß Sie ebenfalls empathische Fähigkeiten besitzen!“, murmelte die Frau mit leiser Stimme und verschränkte ihre Hände vor der Brust, als wäre sie eine Bittstellerin. „Nicht so starke wie Ihre, Ma’am! Es ist schon gut, kann ich etwas für Sie tun?“, fragte Candy und lächelte freundlich, damit die Frau sich beruhigte. „Nennen Sie mich bitte Annalee, das tut jeder hier! Ich habe meinen weltlichen Namen schon lange abgelegt! Es ist wegen… Meine Kinder…“ Candy sprang sofort auf, wobei sie beinahe die Kanüle aus ihrem linken Ellenbogen gezogen hätte, an die sie nicht mehr gedacht hatte. „Tut mir leid, ich wollte doch noch nach ihnen sehen! Ich habe das vollkommen vergessen! Ich komme sofort! Ich will nur die Infusion erneuern!“ Annalee seufzte erleichtert auf und wartete an den Betten ihrer Kinder, die immer noch tief und fest schliefen. Candy begann mit dem Kleinsten und arbeitete sich bis zum Ältesten durch. Es nahm sie ziemlich mit, die Angst und die Schmerzen der Kleinen am eigenen Leib zu spüren. Der Heiler der Morlocks hatte die schlimmsten Verletzungen geheilt, aber hatte wohl seine Kräfte auf vier Personen und auch noch auf den Professor aufteilen müssen, so daß sie noch genug zu tun hatte. Den erneuerten Beutel hatte sie am Ende der Heilung in jedem Fall verbraucht und sie seufzte erleichtert auf, weil sie endlich eine Pause einlegen konnte. Es war ihr sehr unangenehm, daß die Mutter sich mit Tränen in den Augen bei ihr bedankte, aber Candy ließ sie einfach reden, weil sie ja gespürt hatte, wie groß ihre Angst gewesen war, all ihre Kinder in nur einer Nacht zu verlieren. Die Kinder hatten ihren Angreifer gesehen, aber sie würde nicht mehr heute Nacht fragen, ob sie sich genau an die Ereignisse erinnern konnten. Dazu war Morgen noch Zeit. Jetzt wollte sie sich zuerst ein wenig ausruhen und nahm die Infusion ab, um sich dann wieder auf den Stuhl neben das Krankenbett des Professors zu setzen. Sie war so müde, daß sie im Sitzen einnickte. „Remedy! Remedy! Wachen Sie auf!”, wisperte eine eindringliche Stimme an ihrem Ohr und sie fuhr aus dem leichten Schlummer hoch. „Annalee? Stimmt etwas mit den Kindern nicht?“, fragte sie und rieb sich den Schlaf aus den Augen, nachdem sie mit einem Blick festgestellt hatte, daß Xavier noch ruhig in seinem Bett schlief. „Nein, ihnen geht es gut! Aber Sie sollten mich in den großen Saal begleiten, ich glaube, daß Ihre Freunde hier sind, um Sie zu retten!“, flüsterte die Frau leise und Candy starrte sie ungläubig an. „Ich bringe Sie hin und passe dann auf den Professor auf, die anderen haben sich alle versammelt, um ihr Urteil über die Eindringlinge zu sprechen! Kommen Sie! Callisto ist sehr wütend…“ Candy schüttelte verwirrt den Kopf, stand aber auf, weil sie in keinem Fall zulassen konnte, daß die anderen den Morlocks unvorbereitet gegenüber traten. Wer war gekommen? Jean war bestimmt nicht dabei, sie hätte sich telepathisch mit ihr in Verbindung gesetzt. Logan? Ihr Herz klopfte schneller, doch ihr erfreutes Lächeln erstarb gleich wieder auf ihren Lippen, weil sie nicht glaubte, daß er sich von Callisto in irgendeiner Weise beeindrucken lassen würde. Aber sie wusste ja gar nicht, wozu die anderen Morlocks überhaupt fähig waren. Wieder lief sie durch für sie unübersichtliche Gänge, die nur sporadisch beleuchtet waren, obwohl sie in regelmäßigen Abständen Leuchten an den Wänden entdeckte. Vielleicht erweckte man durch das künstliche Licht einen natürlichen Tagesablauf und da im Moment wohl noch Nacht war, hatte man das Licht gelöscht. Sie folgte Annalees ausholenden Schritten und hörte schon von weitem die schrille Stimme der Anführerin der Morlocks, die sich über etwas aufzuregen schien. Am Ende des Ganges sah Candy helles Licht und hörte weiteres Stimmengemurmel. Am Torbogen angekommen hielt Annalee sie am Oberarm fest und hob den Zeigefinger der rechten Hand an ihren Mund, so daß Candy nickte, um ihr anzuzeigen, daß sie keinen Ton sagen würde. Der Raum musste irgendwie sehr zentral liegen und hatte eine kuppelförmige Decke. An der gegenüberliegenden Wand stand so etwas wie ein erhobener Thron, auf dem Callisto in großspuriger Pose saß, wobei sie sich auf einen Spazierstock stützte, dessen Griff ein Totenkopf darstellte, wenn sich Candys Augen auf die Entfernung hin nicht täuschten. In den Augenhöhlen steckten rot aufblitzende Steine, die den feindseligen Ausdruck der Frau noch unterstrichen. Diese Frau war ihr absolut unsympathisch! Andere Morlocks saßen halbkreisförmig um den Thron auf etwas, das wie aus Stein gemeißelte Sitzbänke aussah, als wären sie in einem Amphitheater. „…Remedy ist hier bei Ihnen! Wir wissen das mit hundertprozentiger Sicherheit! Wir möchten Sie zurück und ziehen dann friedlich ab!“, wurde die Rede von Callisto von einer energischen Stimme unterbrochen. Candy schnappte nach Luft und griff nach Annalees Unterarm, um ihn fest zu umspannen, weil sie die Stimme kannte. Das war Frank! Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und erhaschte einen Blick auf ein paar Gestalten, die am Fuße des Thrones auf dem Boden knieten. Neben ihnen stand Caliban, den sie vorher nicht bemerkt hatte, in seiner Kutte und hatte die Arme vor der Brust verschränkt, als würde er die Gefangenen in Schach halten. Mit Schaudern erinnerte sich Candy an die Angst, die er einfach durch seine Nähe in einem drin zu wecken vermochte. Callisto lachte gehässig: „Du riskierst eine ganz schön dicke Lippe, Du kleiner Angeber! Du befindest dich in keiner Position zu verhandeln, also halt lieber die Klappe! Hier bestimme immer noch ich!“ Die Frau erhob sich von ihrem Thron und schritt die Stufen zu ihren Gefangenen herunter, wo sie den Stock hob und das Gesicht von Frank am Kinn zu sich hochhob, um ihn mit einem abschätzigen Blick zu mustern. „Hier unten gelten unsere Regeln, mein kleiner Prinz! Aber ich will mal nicht so sein… Wenn Du dich für deine Freunde opferst und mein Untertan wirst, dann lasse ich die anderen ziehen!“, schlug sie ihm vor und stieß ihn dann mit der Spitze ihres Stockes so fest in die Schulter, daß er rückwärts auf den Boden fiel. „Annalee? Meint sie das ernst? Sie kann doch nicht einfach einen Menschen hier unten gefangen halten!”, flüsterte Candy aufgebracht und konnte sich kaum zurückhalten. „Das ist eine Sitzung des Rates… Wenn sie dem Vorschlag zustimmen, dann wird es so geschehen. Callisto ist unsere Anführerin… Wir müssen unsere Leute beschützen… Wenn zu viele Menschen draußen von unserem Geheimnis wissen, dann sind wir hier nicht mehr sicher…“ Candy seufzte frustriert: „Ja, das verstehe ich! Aber das sind Schüler, fast noch Kinder! Sie sind nur gekommen, um mir zu helfen! Ich kann nicht zulassen, daß sie meinetwegen in Schwierigkeiten kommen! Sie sind vertrauenswürdig! Sie würden euch niemals verraten! Viele von ihnen sind schon selbst wegen ihrer Fähigkeiten verfolgt worden! Kümmern Sie sich bitte um den Professor, tun Sie das, Annalee? Ich werde versuchen, mit Callisto zu verhandeln, vielleicht nimmt sie ja mich an ihrer Stelle…“ Annalee hielt sie zurück und sah ihr einen Moment nachdenklich in die Augen, bevor sie sich ein Stück zu ihr herunterbeugte. „Hören Sie, Remedy! Ich weiß vielleicht einen Ausweg! Sie sind ein tapferes Mädchen mit einem starken Willen… Vielleicht ist es an der Zeit, etwas frischen Wind hereinzubringen!” Candys Augen wurden groß, als sie dem Vorschlag der Frau lauschte, doch am Ende nickte sie nur und sah ihr dann nach, wie sie mit wehendem, langen Rock den Gang zurück zur Krankenstation eilte. Sie drehte sich zurück in Richtung Raum um und beobachtete Frank, der eben auf wackeligen Beinen zum Stehen kam, um sich vor Callisto aufzubauen und mit hoch erhobenen Kopf ihren Vorschlag anzunehmen. „Das werde ich nicht zulassen, Callisto! Du wirst die Kinder alle gehen lassen!“, sagte Candy laut und deutlich, während sie aus dem Gang trat, wo alle Köpfe zu ihr herum ruckten. „Miss G.!“ … „Remedy!“ …. “Oh, mein Gott! Sie lebt!”… Die aufgeregten Ausrufe der Schüler kamen zum Verstummen, als Callisto mit dem Stock auf den Boden donnerte, so daß sie zusammen zuckten und ihr ängstlich entgegensahen. Sie lächelte die Kinder beruhigend an, während sie sich durch die Lücken der steinernen Bänke schlängelte, um neben Frank stehen zu bleiben und sich dem stechenden Blick der Möchtegern-Piratin zu stellen, die aussah, als wollte sie gleich mit dem Stock auf sie losgehen. „Und mit welchem Recht, spielst Du dich hier auf, Remedy?! Du bist keine von uns! Du hast sehr deutlich gemacht, was Du von deiner Herkunft hältst!“, spie ihr die Frau verächtlich entgegen, doch Candy wich nicht zurück, sie schob nur Frank sanft zur Seite, damit er aus der Schusslinie war, falls ihr Gegenüber den Stock doch einsetzen wollte. „Ich bittte dich, Callisto! Du hast keine drei Worte mit mir gewechselt! Du weißt gar nichts über mich! Chiron ist mein Vater, ich bin allein durch die Blutlinie eine von euch! Aus diesem Grund habt ihr mich doch hergeholt, oder nicht? Das ist eine nicht zu verleugnende Tatsache!“ Candy verstummte zufrieden, als zustimmendes Gemurmel aus den Reihen der Versammelten erscholl, das Callisto zu einem Laut veranlasste, der sich wie ein erbostes Fauchen anhörte. „SCHWEIGT!“, verlangte die Frau aufgebracht und fuhr zu ihren Untertanen herum, die wohl gerade nicht so hoch in ihrer Gunst standen. „Ich verlange die Freiheit für mich und meine Leute! Es geht nicht an, daß ihr willkürlich Menschen zwingt, hier bei euch zu leben, wenn es nicht ausdrücklich ihr Wunsch ist!“, äußerte Candy mit fester Stimme, obwohl sie wusste, daß sie damit die Zuhörer wieder gegen sich aufbringen würde. „Ich kann verstehen, daß ihr den Wunsch habt, eure Gemeinde wachsen und gedeihen zu sehen und daß man dafür Nachwuchs braucht… Aber das muß auf Freiwilligkeit beruhen… Ansonsten wäre ich wohl nicht in der anderen Welt aufgewachsen...“ Candy verstand auf einmal, warum ihre Mutter sie wohl ausgesetzt hatte, auch wenn sie nicht absolut sicher darüber sein konnte. Sie sah zu Chiron rüber, der am äußeren Ende einer der Bänke am nächsten zum Thron saß und ihrem Blick auswich, um auf den Boden zu sehen. Candy verzog den Mund und wandte sich dann wieder mit grimmiger Entschlossenheit an Callisto, die jedoch nicht sonderlich beeindruckt zu sein schien. „Das hier ist unsere Welt und hier gelten unsere Regeln! Meinetwegen kannst Du die Bande und den Krüppel mitnehmen, aber das Goldlöckchen bleibt hier! Er ist jung und stark… Wir müssen an unser Wohlergehen denken! Die Welt da draußen kann uns gestohlen bleiben! Sie haben heute vier unserer Kinder beinahe umgebracht! Habt ihr das etwa vergessen?!“ Callisto lief einmal um den Halbkreis und weidete sich an der Zustimmung des Rates der Ältesten, die ihrem Dekret zustimmen mußten, damit sie es gewaltsam durchsetzen konnte. Sie wusste genau, mit welchen Worten sie sie umstimmen konnte. Die vorwitzige Heilerin würde schon sehen, wohin ihre Einmischung führen würde. „WIE BITTE?!“ Callisto sprang auf Candy zu, packte sie mit der linken Hand am Kragen ihres Shirts, um sie zu sich hochzuziehen, wodurch sie nur noch auf ihren Zehenspitzen stehen konnte, da die Frau größer als sie war und kräftiger, wie sie sehr zu ihrem Bedauern feststellen musste. „Ich sagte, daß ich dich herausfordere, Callisto! Ich habe das Recht dazu! Ich bin wie Du eine Morlock und begehre die Position als Anführerin!“ „Nein, Candy! Das werde ich nicht zul…“, warf Frank dazwischen, doch die funkelte ihn nur an. „Sei still, Frank! Ich will nichts von euch hören! Überlaßt das mir, habt ihr gehört?!“ Dann wandte sie sich wieder an Callisto: „Ein Kampf auf Leben und Tod! So sind doch eure Regeln, oder nicht? Ich wähle Caliban als meinen Sekundanten!“ Candy taumelte ein paar Schritte rückwärts, als sie plötzlich losgelassen wurde, doch sie fing sich rechtzeitig, bevor sie über eines der Kinder fiel, die alle noch am Boden knieten. Callistos Miene war in kalter Wut erstarrt, so daß Candy innerlich erzitterte. Ein Kampf auf Leben und Tod… Sie konnte keinen Rückziehen mehr machen, denn sie hatte es vor Zeugen geäußert und ihr Sekundant trat eben neben sie. „Du hast die Wahl der Waffen, Remedy!“, flüsterte er ihr in ins Ohr, was sie aber nur mit einem schiefen Grinsen quittierte. Als ob ihr das viel nutzen würde… Callisto spie vor sie auf den Boden und lachte dann hämisch auf: „Wie Du willst, Püppchen! Wenn Du verlierst, dann behalte ich alle! Und ich muß deine blöde Visage nicht mehr ansehen! Das ist wirklich sehr zuvorkommend von dir! Du bist noch dümmer, als ich dachte! Masque! Du bist mein Mann! Also, welche Waffe soll es denn sein?” Die Stimme der Frau troff nur so von Ironie und Candy schluckte ihre aufsteigende Nervosität herunter, während die Schüler von anderen Morlocks vom Boden hoch gezogen wurden, um auf eine Bank gedrückt zu werden, von der sie guten Blick auf die kreisrunde Arena vor dem Thron haben würden. „Ich wähle den Dolch!“, bekam Candy raus, nachdem sie sich geräuspert hatte. Eine Waffe war so gut wie die andere. Callisto befahl einem der Männer die entsprechenden Waffen herbeizuschaffen, während ihr Caliban erklärte, welche Regeln in diesem Kampf herrschen würden. „Als Waffe dürfen keine Fähigkeiten eingesetzt werden, Remedy! Der tödliche Treffer muß mit dem Dolch geführt werden, ansonsten zählt er nicht und beide Gegner verlieren! Deine Kraft ist sowieso passiv, aber Callistos nicht. Sie verfügt über gesteigerte Körperkräfte, schnelle Reflexe, höchst empfindliche Sinne und ebenfalls über einen Selbstheilungsfaktor, der jedoch nicht an deinen heranreicht, würde ich meinen. Sie braucht auch Chirons Hilfe, wenn sie schwer verletzt ist…“ Candy sah ihm in die gelb leuchtenden Augen und nickte ernst. Sie saß in der Scheiße. Aber es gab keinen Ausweg. Im Augenblick fühlte sie sich nicht mutig, aber jetzt hieß es die Backen zusammenkneifen und durch! Callisto hatte inzwischen betont lässig den Stock gegen ihren Thron gelehnt und sich den Gehrock ausgezogen, um die Ärmel ihres Hemdes bis zu den Ellenbogen aufzukrempeln. Candy trug nur ein langärmeliges Shirt und Jeans, so daß sie nichts weiter zu tun hatte, als den Dolch von Caliban zu übernehmen, der ihr leise viel Glück wünschte. ‚Danke, war nett, dich kennen gelernt zu haben!’, dachte sie bei sich und nickte ihm nur stumm zu. Chiron nahm die Stufen, die zum Thron führten und stellte sich davor auf, um den Kampf anzukündigen, da er der Sprecher der Ältesten war, doch Candy hörte kaum seine Worte, da sie nur Augen für ihren Gegner hatte, die sich einen Spaß daraus machte, ihr vorzuführen, wie geschickt sie mit der zweischneidigen Klinge umgehen konnte. So schnell, daß es Candy vorkam, als wäre nur ein Wimpernschlag dazwischen gelegen, sprang sie Callisto an und warf sie auf den Rücken, wo sie mit einem dumpfen Aufprall auf den Boden aufkam. Candy hatte kaum Zeit nach Luft zu schnappen, da steckte die Klinge schon in ihrer Schulter. Eigentlich hatte die Frau auf ihren Hals gezielt, aber Candy hatte sich aufgebäumt, um die Waffe von sich abzulenken. „Glaubst Du, daß deine kleine Heilershow dir den Hintern retten wird, Du blöde Schnalle?! Vergiß es! Wenn ich dir den Kopf abtrenne, dann wird er dir schon nicht nachwachsen!“, zischte die Frau und bohrte das Messer noch tiefer in die Wunde, so daß Candy schmerzerfüllt aufstöhnte. Und das war erst der Anfang. Callisto spielte mit ihr und fügte ihr immer stärkere Verletzungen zu, deren Heilung an ihre Reserven ging. Ihre Rippen brachen bei einigen Fußtritten, ihre Leber wurde von der Klinge durchbohrt, dann ihre Lunge, was sie Blut spucken ließ. Das schlimmste war jedoch, als Callisto ihr beinahe ein Auge ausstach, was sie abwehren konnte, bevor sie den Sehnerv und womöglich noch das Gehirn schädigen konnte. Candy war schweiß- und blutüberströmt, hörte das leise Weinen der Mädchen und zwang sich dazu, an Logans erbarmungslosen Unterricht zu denken. Er würde sie gleich noch mal umbringen, wenn sie sich jetzt nicht gleich zusammenriß und die Schmerzen ignorierte, die immer wieder durch ihren Körper tobten. Den ängstlichen Ausruf von Rahne, dem Wolfsmädchen, ignorierend fiel sie auf die Knie und stützte sich mit beiden Händen auf dem kalten Steinboden ab, ohne den Dolch loszulassen. Sie keuchte und spuckte Blut auf den Boden. Callisto kam von hinten und packte sie unsanft an den Haaren, um ihren Kopf hochzureißen und dabei triumphierend aufzulachen. JETZT! Entweder würde sie ihren Kopf verlieren oder… Candy umklammerte den Dolch fest, spürte schon die Spitze des Messers an ihrem Hals, da schnellte sie in die Höhe und drehte sich gleichzeitig so, daß sie die Klinge tief in der Oberkörper der Frau rammen konnte. Sie nutzte den Moment der Überraschung, um sich auf die Frau zu stürzen, dann kullerten sie gemeinsam über den Boden. Sie bekam das Messer der Gegnerin in die Seite, doch diesmal ließ sie nicht locker. Sie trieb die Klinge tiefer, bis der Schaft von ihrem Brustbein aufgehalten wurde, dann zog sie die Klinge heraus. Ein Schwall Blut kam ihr entgegen, der ihr Shirt rot färbte. Sie setzte sich auf die Körpermitte der zuckenden Callisto und zog sich das Messer aus den Rippen, um es zur Seite zu werfen und dabei zuzusehen, wie das Leben aus der am Boden liegenden Frau floß. Mit jedem Herzschlag verlor sie mehr Blut… Candy umfasste das Kinn der Frau und zwang sie, ihr in die Augen zu sehen. „Sag es, Callisto! LOS! SAG ES!”, verlangte sie heftig nach Luft ringend, so daß die Worte nur abgehackt über ihre Lippen kamen. „Noch bist Du es nicht, ich lebe…“, kam es über die blassen Lippen, die schon im Todeskampf bebten. „Nicht mehr lange!“, gab Candy dumpf zurück. „Miststück, ich hoffe, Du erstickst daran! Ein mieser Trick! Du bist… die neue Gebieterin! Ich hoffe, daß einer meiner Leute dich noch heute Nacht fertig macht!”, spie Callisto ihr entgegen, obwohl sie kaum noch Kraft dazu hatte. „Erhebt euch, Morlocks! Erweist eurer neuen Anführerin euren Respekt! Heißt Remedy als neue Gebieterin willkommen!“, hörte sie Chiron ausrufen. Candy stöhnte auf, kippte um und fiel neben der Sterbenden auf den Boden, wo sie die Augen schloß und den Arm der Frau umklammerte. Hier würde niemand sterben! Sie heilte Callistos Wunde, glich den Blutverlust aber nicht aus, da sie selbst genug mit ihren Verletzungen zu kämpfen hatte. Es war schwer genug, weil sich die Verletzte dagegen wehrte, nachdem sie ihre Absichten durchschaut hatte. Als sie kräftig genug war, schlug sie ihre Hand weg und trat nach ihr, so daß Candy sie in Frieden ließ. Sie hatte für heute schon genug eingesteckt… ~ ~ ~ “Candy?!” Zuerst dachte sie, daß sie noch in dem Flashback drin war, den sie eben durchlebt hatte, weil sie genau an dieser Stelle ihren Namen von der tiefen, grollenden Stimme ausgesprochen gehört hatte. Es war ihr wie ein Traum vorgekommen, in Logans Gesicht blicken zu dürfen, als sie die Augen aufgeschlagen hatte. Sie sah schuldbewußt zu Logan rüber, der sie besorgt musterte, weil sie seit ein paar Minuten keinen Bissen mehr angerührt hatte, obwohl sie sonst doch so einen beeindruckenden Appetit an den Tag legen konnte. „Sorry, Logan… Es… Es fällt mir alles wieder ein… Das war eben wie ein Film…“, sagte sie leise. Logan schnalzte bedauernd mit der Zunge und erhob sich von seinem Sessel, um zu Candy rüber zu gehen und sich vor sie zu knien, damit er sie in seine Arme ziehen konnte. Er hätte sich denken können, daß die Sache mit ein paar Stunden Schlaf nicht erledigt sein würde. „Schon gut! Ich haber das Bild selbst noch genau vor Augen! Ich dachte, wir wären zu spät gekommen!“ Candy schmiegte sich an ihn und genoß es, seine starken Arme um sich zu spüren. Sie fühlte, daß er sich größte Sorgen um sie gemacht hatte, als die X-Men den Versammlungsraum in dem Moment gestürmt hatten, als Callisto zum finalen Schlag ausgeholt hatte. Caliban hatte sie gefragt, ob die Gebieterin wünschte, die Eindringlinge anzugreifen, da war ihr klar geworden, daß sie den Kampf gewonnen hatte. Annalee hatte ihr diese Strategie angeraten, die bei Gelingen Callisto aus dem Amt entheben würde. Wenn sie geahnt hätte, wie schmerzhaft es werden würde, hätte sie sich wohl niemals darauf eingelassen. Sie dachte an Franks kurzen Krankenbesuch und wusste auf einmal wieder, daß seine Verlegenheit nicht allein auf der Rettung seiner Haut beruhte. Callisto war noch nicht mit ihr fertig gewesen. Sie war voller Rachegedanken für die erlittene Schmach, vor ihren Leuten dermaßen vorgeführt worden zu sein, die ja nun ihr gehorchen mußten. Nachdem Logan ihr aufgeholfen hatte, suchte sie mit den Augen nach den Kindern, doch sie konnte Frank nirgends entdecken. Die anderen X-Men versammelten sich um sie, so daß sie erst einmal erklärte, daß der Professor ebenfalls hier war und warum sie aussah, als hätte sie eine ganze Herde Tiere abgeschlachtet. Das meiste war ja ihr eigenes Blut. Candy befahl einem der Ältesten Scott und Jean zum Professor zu führen, um sich dann erneut an die Kinder zu wenden, die dich beieinander standen, als wollten sie sich gegen einen erneuten Angriff schützen oder vielleicht auch nur gegen den Zorn ihrer Lehrer, die nicht besonders erfreut waren, daß Remedy ihretwegen, ihren Kopf hatte hinhalten müssen. Frank war nirgends auszumachen gewesen, doch dafür sah sie plötzlich doppelt. Nein eigentlich vielfach. Auf einer der leer geräumten Steinbänke saßen fünf gebeugte Gestalten in Kutten, die alle aussahen wie Caliban. Daneben hatte Callisto gestanden, die ein fieses Grinsen zur Schau trug. „Wenn man einen Prinzen möchte, dann muß man viele Frösche küssen! Einen von ihnen überlasse ich dir! Du hättest mich krepieren lassen sollen… Ich fordere dich erneut heraus, es sei denn, Du spielst das Spiel mit! Wenn Du den richtigen herauspickst, dann lasse ich dich in Ruhe, Gebieterin!“ In dem Titel hatte so viel Abscheu gelegen, daß Candy nur resigniert aufgeseufzt und Logan festgehalten hatte, der sich auf die Frau hatte stürzen wollen. Sie sparte sich, der anderen zu erklären, daß sie keine Probleme damit haben würde, Frank zu erkennen, sobald sie ihn berührte. Sie löste sich von Logan und stellte sich vor den ersten Caliban, in dessen Augen man leider nicht viel lesen konnte. Also hatte sie sich herunter gebeugt und ihn auf den Mund geküsst, weil Callisto darauf bestanden hatte. „Tut mir leid, Caliban! Ich wollte dir nicht zu nahe treten!“, hatte sie dem Echten zugeflüstert, nachdem er noch blasser als zuvor aussah, wenn das überhaupt möglich war. Bei dritten Caliban hatte sie dann Glück gehabt, sie hatte Frank an der Hand genommen und sich ein Lächeln verbeißen müssen, da dieser Caliban rot werden konnte. Es hatte sich herausgestellt, daß Masque, Callistos Sekundant, ein Mutant mit der Fähigkeit war, sich selbst und andere äußerlich zu verändern. Zum Glück hatte Callisto nichts über ihre empathischen Fähigkeiten gewusst… Candy lächelte unter Tränen, die sich langsam in ihren Augen gesammelt hatten, obwohl sie nicht weinen wollte. Es war alles gut, ihre Entscheidung, die Herausforderung auszusprechen, war richtig gewesen, da sie damit den X-Men die Möglichkeit geebnet hatte, mit den Morlocks in Verhandlungen zu treten. Logan spürte, wie ein Zittern durch ihre schmale Gestalt ging und strich ihr weiterhin beruhigend über den Rücken. Nachdem er die Kids zur Schnecke gemacht hatte, wusste er nun ganz genau, was bei dem Kampf passiert war, über den Candy kein Wort verloren hatte. Sie so blutbesudelt auf dem Boden zusammenbrechen zu sehen, hatte ihm beinahe das Herz entzwei gerissen. Wenn Jean ihn nicht zurückgehalten hätte, dann wäre niemand lebend aus diesem Raum gekommen. Dabei hatte Candy nur gemacht, was er ihr in den harten Wochen des Trainings beigebracht hatte. „Hey!“, entfuhr es ihm leise, als Candy plötzlich hilflos an seiner Schulter schluchzte und ihre Schultern bebten. Er hatte ja gewusst, daß es besser für sie gewesen wäre, wenn sie heute noch niemanden gesehen hätte, der direkt an den Vorfällen beteiligt gewesen war. Das war für einen so sensiblen Menschen wie Candy einfach zu viel auf einmal gewesen. Er spürte, wie der Stoff seines Hemdes von ihren Tränen durchweicht wurde, die auch noch flossen, als Candy schon nicht mehr schluchzte und wieder einigermaßen ruhig atmete. Logan sprach beruhigend auf sie ein, leise Worte, die vielleicht nicht viel Sinn machten, aber er hoffte darauf, daß der Klang seiner Stimme und seine körperliche Nähe tröstend auf sie wirken würden. „Vielleicht solltest Du dich doch noch ein wenig länger ausruhen, meinst Du nicht?“, fragte er leise und küsste sie auf die Schläfe, was ihn stutzen ließ, weil sie sich heißt anfühlte. Viel zu heiß. Er tippte ihr Gesicht sanft am Kinn zu sich hoch und erstarrte bei dem Anblick, der sich ihm bot. „Candy? Hast Du Schmerzen? Geht es dir gut?”, fragte er und versuchte, nicht allzu erschrocken dreinzublicken. Er umfaßte sanft ihre Schultern und hielt sie ein Stück von sich weg. „Ja, Logan! Mach dir keine Sorgen! Es geht gleich wieder! Ich habe nur leichtes Kopfweh… Das kommt vor, wenn man so lange heult!“, wiegelte sie gleich ab und wischte sich die immer noch fließenden Tränen mit dem Handrücken von den Wangen. Logan fackelte nicht lange. Mit ihr stimmte etwas nicht und das waren sicher keine harmlosen Kopfschmerzen. Er hob sie mühelos aus dem Sessel und trug sie zur Tür, wobei er genau spürte, daß ihre Körpertemperatur die bedenkliche Grenze der 40 Grad überschritten hatte. „Mir ist lieber, einer der Ärzte sieht sich das mal an! Okay?“ Candy murmelte nur etwas und ließ den Kopf gegen seine Schulter sinken, was ihn wirklich nervös werden ließ, so daß er seinen Schritt beschleunigte und im Flur ungeduldig auf den Lift wartete, der ihn in den Keller bringen sollte. Sie war bei dem Zweikampf gegen Callisto sehr schwer verletzt worden, was wenn ihre Fähigkeiten den Schaden nicht richtig behoben hatten? Wenn sich die Teamärzte bezüglich ihrer Regenerationsfähigkeiten geirrt hatten? Logan fühlte sich gerade, als hätte er sich selbst die Klauen in die Brust gejagt. Der Gedanke, daß er sie vielleicht verlieren könnte, obwohl sie ähnliche Fähigkeiten besaßen, ließ seinen Magen zu einem eisigen Klumpen werden. Fortsetzung folgt... Kapitel 26: There's more to Remedy than meets the Eyes ------------------------------------------------------ X X X “Merci bien, mon ami!", bedankte sich der eher unfreiwillige Bewohner der Mansion bei Hank, der ihm ein Tablett mit Mittagessen durch die Schleuse seiner ausbruchsicheren Zelle reichte. Der freundliche Arzt kümmerte sich beinahe rührend um Remy Lebeau, der seit zwei Tagen der Gefangene der X-Men war. Der verhielt sich geradezu vorbildlich, und wenn man eher zu den Skeptikern gehörte, würde man hinter dem kooperativen Verhalten ihres Gastes vielleicht nur Taktik vermuten. Das Lager der X-Men war über der Einschätzung des Mannes ziemlich gespalten, aber das war kein Grund, ihn nicht mit dem nötigen Respekt zu behandeln. Immerhin waren derzeit zwei seiner Freunde bei ihnen zu Gast und die Dankesrede, die er gestern für die Heilung von Madame Mèmène gehalten hatte, schien Hank ziemlich aufrichtig gewesen zu sein. „De rien! Ich habe übrigens Ihre Bitte um ein Gespräch mit Remedy weiter getragen… Sie war bisher nicht in der Verfassung dazu, vous comprenez?“, erklärte der Arzt zuvorkommend. Hank schloß die Schleuse und beobachtete den jungen Mann durch das Panzerglas, nachdem die Scheibe eingerastet war. Seine Verletzungen verblassten langsam und man konnte jetzt schon erkennen, daß er ein ziemlich attraktives Gesicht besaß und jede Menge Charme. Keiner außer Jeannie durfte ihn behandeln, weil Gambit mit seinen Fähigkeiten keine Chance gegen Phoenix hatte. Seine mentalen Überredungskünste waren nicht stark genug, um Telepathen zu beeinflussen. „Wie geht es Candy? Können Sie nicht wenigstens ein bißchen etwas erzählen? Kommen Sie, docteur, ich bin immerhin dafür verantwortlich, daß man la petite verschleppt hat! Ich wollte wirklich nicht, daß das passiert! Je vous empris!“, bat Remy eindringlich, ohne das Essen weiter zu beachten. Hank stützte sich mit der Hand neben dem Fenster der Sicherheitstür ab und betrachtete seinen Gesprächspartner nachdenklich. Seine besonderen Augen verrieten keine Gefühlsregung, oder er war es einfach nicht gewöhnt, in ihnen zu lesen. Die roten Iriden vermittelten den Eindruck, als würde der junge Mann ständig kurz vor einem Wutausbruch stehen, was durch die Schwärze drum herum nur betont wurde. Beast fragte sich, ob Scotts Augen hinter seiner Brille genauso rot waren wie die seines Bruders. Wenn er sich recht erinnerte, dann waren sie vor Ausbruch seiner Mutation blau gewesen. „Es standen keine bösen Absichten hinter der Entführung, so weit kann ich Sie aufklären! Es ist eigentlich sogar eine positive Wendung für Candy gewesen… Nun weiß sie wenigstens, woher sie kommt! Ich nehme an, da Sie sie ja schon eine Weile lang kennen, daß Sie wissen, daß Candy über ihre Herkunft im Unklaren war!“ Hank runzelte die Stirn, weil er noch keine Zeit gehabt hatte, über diese neuesten Erkenntnisse nachzudenken und ihm nun ein paar spontane Überlegungen dazu durch den Kopf gingen. „Er hat sie Chira getauft, als wüsste er schon damals, was aus ihr werden würde… Oder war das nur eine Ableitung seines eigenen Namens? Chiron und Chira…“, murmelte er vor sich hin, wobei er einen Moment lang völlig vergaß, daß er einen Zuhörer hatte. Bisher hatte die Versorgung der beiden Verletzten ihres Teams oberste Priorität gehabt. In seiner Zelle sog Remy scharf die Luft ein und griff sich in einer instinktiven Geste an den Hals, doch er trug den Anhänger mit der Phiole ja nicht mehr und sein Griff ging ins Leere. Man hatte ihn bisher nicht auf deren Inhalt angesprochen. Die Leute konnten sich sicher keinen Reim darauf machen, warum er seine eigene Gehirnmasse spazieren trug. „C’est pas possible!“, flüsterte er mit dumpfer Stimme, taumelte von der Tür zurück und glitt auf die Matratze seines einfachen Bettes, um sich mit beiden Händen über das Gesicht zu fahren, was ihn leicht zusammen zucken ließ, da seine verheilende Nase noch empfindlich auf Druck reagierte. Candy war Chira? Wieso war er nicht schon damals darauf gekommen? Aber wie auch? Heiler waren nicht selten, und er hatte Chira in ihren Anfangszeiten erlebt, als sie noch selbst ihre Grenzen austestete. Es war ja gar nicht vorgesehen gewesen, daß sie ihre Fähigkeiten jahrelang brach liegen ließ. Niemals wäre Remy darauf gekommen, hinter ihrem niedlichen Äußeren so etwas Mächtiges zu vermuten. Der erste Blick hinter ihre Fassade war wirklich zuckersüß gewesen, so passend zu ihrem „weltlichen“ Namen, den sie ja eigentlich nur dem puren Zufall zu verdanken hatte. Chira… Eine Legende… Ein Wesen, dessen Existenz er all die Jahre für das Hirngespinst eines Irren gehalten hatte. Wenn er das damals geahnt hätte, dann hätte er sie wohl unweigerlich verraten. Und damit meinte er nicht seine kleine Täuschung in New Orleans und während ihrer gemeinsamen Zeit in New York. Und was war daran so falsch, wenn selbst ein Mann wie er eine Zeit lang ein wenig Glück für sich beanspruchte? Er hatte nur ein wenig dem Lauf der Dinge nachgeholfen, kein Grund, ein Drama daraus zu machen. Remy fuhr zur Tür herum, als plötzlich ein durchdringender Alarm ertönte, der auch durch das dicke Metall, das seine Zelle von der Außenwelt abtrennte, gut zu hören war. „Beast sofort in die Krankenstation! Remedy scheint ernsthaft erkrankt zu sein!“, schallte Rogues Stimme durch die Boxen der Sprechanlage und erfüllte die langen Röhren der unterirdischen Geschosse mit einem gespenstischem Hallen. Remy sprang von dem Bett auf und polterte mit der Faust gegen die Tür, als ihm klar geworden war, daß man den Arzt zu Candy gerufen hatte. „Das kann nicht sein! Laßt mich hier raus! Laßt mich zu ihr!“, brüllte er und fluchte ungehalten, als Dr. McCoy ihn einfach ignorierte und sich wegdrehte, um den Gang eiligen Schrittes entlang zu laufen. „Merde! Ihr Idioten! Ihr habt doch keine Ahnung! LASST MICH HIER RAUS!“, schrie Remy außer sich, weil er sicher war, daß die Leute hier nicht einmal ansatzweise wussten, womit sie es zu tun hatten, wenn es um Candys Mutation ging. Er schnaubte wütend, stemmte seine Hände flach auf dem kalten Metall der Tür ab und dann glühte er förmlich. Sein gesamter Körper schien mit einer strahlenden Aura umgeben zu sein, die sich langsam auflöste, während sich auf seiner Stirn Schweißperlen vor Anstrengung bildeten. Als das Aufleuchten verloschen war, lief er in die hinterste Ecke der Zelle, kauerte sich auf dem Boden zusammen und hielt sich die Arme schützend über den Kopf. KAWUMM! Die Druckwelle, die nach außen trieb, erreichte ihn trotzdem wie ein Rückstoßeffekt und sein Kopf knallte gegen die nackte Wand hinter sich, dann fiel die Tür mit einem lauten Poltern auf den Boden des Flurs. Die Sprengladung war so stark gewesen, daß die Metallstreben der Tür sogar aus dem dicken Stahlbeton gebrochen waren, so daß Teile der Wand auf den Boden rieselten. Remy erhob sich und stolperte aus der Tür, um über das Hindernis hinweg auf den Boden der langen Röhre zu springen, obwohl er sich ziemlich ausgelaugt von der Kraftanstrengung fühlte. Er war noch nicht soweit gewesen, so viel Energie abzugeben. Er konnte ziemlich genau einschätzen, wie viel Sprengkraft er für bestimmte Objekte benötigte, und er hatte die Zeit in der Zelle genutzt, um sich aufzuladen und von seinen Verletzungen zu erholen. Er ließ sich von niemandem einsperren! Am Ende des Ganges rappelte sich Hank gerade auf die Füße und fuhr zu dem Gefangenen herum, der sich eben anschickte, einen Fluchtversuch zu starten. Er wollte sich schon in Beast verwandeln, als Remy in einigen Metern Entfernung stehen blieb und die Hände in einer Geste der Kapitulation hob. „Hey, nur die Ruhe! Ich will nur zu Candy! Ihr müsst mich nicht einsperren, damit ich bleibe! Ich könnte dich jetzt einfach beeinflussen, damit Du mich gehen lässt, mon ami! Waffenstillstand?“, säuselte Remy mit einem belustigten Grinsen, wobei er genau darauf achtete, ob sein Wärter Anstalten machte, ihn anzuspringen. Hank verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte den Ausbrecher mit einem düsteren Blick. Er hatte gut Lust, dem Mann eine zu verpassen und zwar nachdem er sich in seine tierische Form verwandelt hatte, aber ohne den Schutz der abschirmenden Tür, hätte er wohl keine Chance gegen den anderen, der ihn wohl dazu veranlassen konnte, sich selbst zu schlagen, wenn er das wollte. „Meinetwegen! Komm mit! Ich hab jetzt keine Zeit für Diskussionen! Und ich hoffe sehr, daß Du eine gute Haftpflichtversicherung hast!“, grummelte Hank schließlich und sparte sich jedes weitere Wort, weil er es eilig hatte, in die Krankenstation zu kommen… ~ „42,1… Und steigend!“, sagte Jean mit ernster Stimme und schob ihre Brille auf der Nase zurecht, obwohl sie nicht gerader hätte sitzen können. Candy lag ausgestreckt auf der Krankenliege und hatte die Augen geschlossen, während Logan hinter der Ärztin wie ein dunkler, bedrohlicher Schatten lauerte. Er sah aus wie ein bissiger Hund, der sie gleich anfallen würde, wenn sie keine guten Nachrichten überbrachte. „Dann tu etwas dagegen, Jean!“, bellte Logan knurrig und funkelte Jean aus zusammengekniffenen Augen an. Es machte ihn wahnsinnig, daß die Ärztin nicht zu wissen schien, was Candy fehlte. „Logan… Reg dich bitte nicht so auf! Es geht mir gut!”, warf Candy leise dazwischen, ohne die Augen zu öffnen. Das war nicht einmal gelogen. So langsam gewöhnte sie sich an die Schmerzen, die in ihrem Kopf wüteten. Sie war noch nie in ihrem Leben krank gewesen und unangenehme Schmerzen hatte sie auch erst richtig kennen gelernt, als das Training mit Logan richtig hart geworden war. Jean hob die Hand, um Logan zum Schweigen zu bringen, der schon den Mund aufgemacht hatte, um seinem Unmut weiter Luft zu machen. Sie war ihm nicht böse, sie konnte genau sehen, daß er hinter seinem mürrischen Gebaren einfach seine Sorgen um Candy verbergen wollte. „Dein Organismus läuft auf Hochtouren, Candy! Wie bei einem Marathonläufer auf der Zielgeraden… Du müsstest das spüren… Erhöhter Blutdruck, Atemfrequenz und Adrenalinausschüttung… Ich kann aber nicht sagen, warum das so ist… Ich hoffe, daß Hank vielleicht aufgrund seiner Studien da etwas Licht ins Dunkel bringen kann!“, sprach Jean sie mit sanfter Stimme an, was Candy dazu veranlasste leicht zu lächeln. Sie erinnerte sich dunkel an ihre Ankunft in der Mansion. Der Professor und sie waren auf direktem Wege in die Krankenstation gebracht worden. Sie lagen gemeinsam in einem Raum, damit die Ärzte schneller arbeiten konnten, ohne dabei bei der Versorgung ihrer Patienten unnötig Zeit zu verlieren. Sie war zwar halb weggetreten gewesen, aber sie hatte mitbekommen, wie Jean erleichtert neben dem Bett des Professors gestanden und leise geweint hatte. Candy hatte sich etwas dafür geschämt, daß sie die Frau bisher als unterkühlt wahrgenommen hatte, nur weil sie bis dahin keinen direkten Kontakt zu ihr gehabt hatte. Sie hatte Jean noch nie berührt und so ihr wahres Wesen nicht spüren können. Da sie direkt in Menschen lesen konnte, was sie empfanden, verließ sich Candy selten auf Äußerlichkeiten, die zumeist irreführend waren. Bei Jean hatte sie aus persönlicher Abneigung heraus so entschieden, die nur dadurch verstärkt worden war, was sie von Rogue über Jean erfahren hatte. Eifersucht war wirklich kein Charakterzug, auf den sie besonders stolz war... „Bleib einfach ruhig liegen, Candy! Hank müsste gleich kommen!“ Die Ärztin strich sanft über ihre Hände, die Candy auf ihrem Bauch verschränkt hatte und sofort spürte sie die tiefe Besorgnis der Ärztin und die Angst, zu versagen. Sie spürte auch etwas anderes… Ein kleines Geheimnis. Candys Lächeln vertiefte sich und ihre eigene Angst löste sich in Luft auf. Sie war hier in den besten Händen, sie hatte keinen Zweifel, daß man ihr helfen würde, diese… Unpäßlichkeit zu besiegen. Jean lief zu Logan rüber, der mit vor der Brust verschränkten Armen an der Wand neben der Tür lehnte und Candys blasses Gesicht nicht aus den Augen ließ. Ihre Wangen glitzerten von den Tränen, die stetig geflossen waren, seit Logan sie runter gebracht hatte, obwohl Remedy gar nicht weinte. Das war es auch, was ihn dazu veranlasst hatte, sie runter zu bringen. Die Flüssigkeit sah aus, als ob ihre Augen auslaufen würden. Silbern. Als würde sie flüssiges Edelmetall weinen, obwohl es wie ihre Augen auch diese farbigen Schlieren hatte, wenn das Licht sich darin brach. Sie sah aus wie eine dieser Marienstatuen, deren Tränen dann als Wunder bezeichnet wurden. „Sie weiß nicht, was ihr fehlen könnte, Logan! Das ist ihr noch nie passiert! Und ich weiß nicht, was ich noch tun soll, weil ihre Selbstheilungskräfte noch schneller als sonst arbeiten und trotzdem das Fieber nicht bekämpfen… Ich verstehe nicht, was da los ist! Tut mir leid!“, flüsterte Jean beklommen und strich sich in einer nervösen Geste den Pony aus der Stirn. Logans Kiefer malten aufeinander, weil er solche Dinge nicht hören wollte. Es war ein ziemlicher Schock gewesen, als Jean versucht hatte, ihr Blut abzunehmen, daß die Nadel einfach in ihrer Armbeuge fest gewachsen war, so daß Jean sie hatte herausschneiden müssen. Es war nicht viel Blut geflossen, weil sich Candy noch schneller regeneriert hatte als er selbst. Jean hatte die winzige Menge analysiert und eine drastisch erhöhte Anzahl weißer Blutkörperchen entdeckt aber auch die roten Plättchen hatten sich vermehrt, so daß es nicht unbedingt zu einer klassischen Infektion passte, die Candys Immunsystem sowieso mit Leichtigkeit hätte bekämpfen können. Hank war seine letzte Hoffnung, bevor sie den Professor alarmierten, der aufgrund seines unerschöpflichen Wissens vielleicht eine Eingebung haben würde. Charles sollte sich aber noch ein paar Tage schonen, weil seine Verletzungen wirklich lebensbedrohlich gewesen waren. Er brauchte wohl noch eine weitere Sitzung mit Candy, was im Moment ja wohl außer Frage stand. Er haßte es, sich so hilflos zu fühlen. Es wäre ihm lieber gewesen, allein gegen eine ganze Armee anzutreten, als hier nur rum stehen zu können und den leisen, regelmäßigen Atemzügen von Candy zu lauschen, die beinahe schon hechelte, obwohl man ihr keinerlei Anstrengung ansehen konnte. Bis auf die glänzenden Tränen auf ihren Wangen. Nach einem kurzen Klopfen an der Tür betrat Hank das Zimmer, ohne von ihm Notiz zu nehmen. Der Arzt steuerte sofort das Krankenbett an und Jean klärte ihn über den Zustand der Patientin auf. Logan nahm einen tiefen Atemzug und erstarrte, als er ein Aroma wahrnahm, der ihn sofort wütend knurren ließ. Ein Schatten tauchte in seinem Augenwinkel auf, da hatte er den Mann schon am Schlafittchen gepackt und gegen die Wand geworfen, um ihm dann die ausgefahrenen Krallen unter die Nase zu halten. „Und was glaubst Du, wohin Du gehst, Du dreckige Sumpfratte?“, fragte Logan in einem gefährlich leisen Grollen, das nichts Gutes bedeutete. Remy kniff die Augen zusammen und funkelte seinen Angreifer genauso böse an, wie der das bei ihm versuchte. Wenn das haarige Monchichi ihn nicht gleich losließ, dann würde es ihm eine Freude sein, ihm diese blöden Krallen um die Ohren fliegen zu lassen. „Ich würde mich an deiner Stelle… zurückhalten… Mit eingeschlagener Fresse kann ich euch nicht sagen, was ich weiß… Du willst doch… Chira… retten, oder nicht?“, brachte er keuchend hervor und umklammerte die Handgelenke des Mannes, die er kaum umspannen konnte. Er war eigentlich ziemlich stark und austrainiert, doch gegen den Typen hatte er nicht die geringste Chance. Da würde nur eine kleine Explosion helfen… „Laß ihn los, Logan! Ich glaube, wir sollten uns anhören, was er zu sagen hat!”, verlangte Hank mit strenger Stimme, als wäre er ein Vater, der zwei vorlaute Jungs bei einer Prügelei erwischt hatte. Logan stieß einen verächtlichen Laut aus und stieß den Franzmann grob gegen die Wand, um dann von ihm abzulassen und sich neben Candys Liege aufzustellen, als wollte er damit klarmachen, daß sie an seine Seite gehörte. Remy hob die Hand und massierte sich den Hals, wo er noch den schraubstockartigen Griff seines Rivalen nur zu deutlich spürte. „Merci bien!“, sagte er trocken und schenkte im nächsten Moment schon Jean sein charmantestes Lächeln. Er hob beschwichtigend eine Hand, als deren Augen kurz rot aufblitzten. Mit ihrer anderen Persönlichkeit wollte er nicht unbedingt seine Bekanntschaft vertiefen. Die könnte wohl sein Gehirn auseinander nehmen, bis es nur noch das Fassungsvermögen einer Amöbe hatte. Remy fand jedoch, daß er schon genug Hirnmasse eingebüßt hatte. „Ecoutez! Ich kenne Candy zwar schon ein paar Jahre, aber ich wusste bisher nicht, daß sie Chira ist! Wer hatte sie entführt? Wo hat sie sich aufgehalten? Bitte, das ist wichtig! Ich bin wahrlich kein „guter Junge“, aber ich würde Candy niemals schaden! Jedenfalls nicht mehr…“ Sein inständiger Blick traf auf Candys weit aufgerissene Augen, die nun vor Tränen überquollen und ihn zweifelnd ansahen. Sie löste ihre Hände aus ihrer Verschränkung und griff nach der von Logan, um sich daran festzuhalten. Es war schön zu spüren, wie er den Druck erwiderte und seine Gefühle, die in ihm brodelten, auf sie übergingen. Es war immer wieder überraschend für sie, die geballte Intensität seiner zarteren Empfindungen zu spüren, die er sonst nur selten nach draußen dringen ließ. „Du kennst meinen wahren Namen? Na, schön, Remy… Das war eigentlich keine Entführung. Es waren nur die Leute meines Vaters, die mich nach Hause gebracht haben, damit wir miteinander sprechen können… Ich weiß zwar nicht, ob es dir etwas sagen wird, aber ich bin ein Kind der Morlocks! Und seit zwei Tagen bin ich wohl auch ihre Gebieterin… Ich sehe, Du kannst etwas damit anfangen… Spuck’s aus, mon ami! Ich bin sehr gespannt auf deine Erklärung!“, forderte Candy ihn auf. Remy war tatsächlich blaß geworden, als er hörte, daß Candy nun die Morlocks anführte. Beinahe hätte er dem Drang nachgegeben, laut und ausgiebig zu fluchen. Und fast wäre er mit dem dramatischen Satz herausgeplatzt: Damit hast Du dein eigenes Todesurteil unterschrieben. Doch er wollte hier niemandem unnötig Angst machen. Wer konnte schon genau sagen, was die Zukunft bringen würde. Vielleicht sogar seinen eigenen Tod? Er stieß sich von der Wand ab und ging lässig auf Candy zu, obwohl Logan ihn nicht aus den Augen ließ, die ihn warnend anblitzten. Remy bezweifelte stark, daß seine Reflexe schnell genug sein würden, um den haarigen Kerl mit den tierischen Instinkten überrumpeln zu können. „Ich bin nicht ganz sicher, aber Sie sollten die Tränenflüssigkeit auffangen… Candy muß wohl mit einem Virus in Kontakt gekommen sein, an dem nur Mutanten erkranken. Sie selbst ist nicht betroffen, aber ihr Immunsystem wird sozusagen ein Gegenmittel herstellen… Die Tränen sind die erste Reaktion. Später wird sie die Krankheit wie alle anderen bekämpfen können… Aber ich denke, man kann mit Hilfe der Tränen ein Gegenmittel herstellen, wenn es von Nöten sein sollte!“ Candy blinzelte überrascht und tippte mit der Spitze des Zeigefingers etwas von der Flüssigkeit von ihrer Wange, um sie sich dann vor Augen halten zu können. Konnte das möglich sein? Es hörte sich einfach zu phantastisch an. Chiron hatte ja erwähnt, daß es einen guten Grund dafür gab, warum er sie gesucht hatte. Wußte er davon? Aber wie konnte das sein? Mutationen brachen im Teenageralter aus und man konnte nie vorhersagen, welche Ausprägungen die besonderen Fähigkeiten dann annehmen würden. So viel hatte sie während ihres Aufenthaltes in der Mansion bereits gelernt. Jean und Hank hatten sich indessen daran gemacht, die Tränen in Reagengläsern aufzusammeln, so daß Candy sich ein wenig wie der irre, römische Kaiser Nero vorkam, dem man ja diese Unart nachsagte, doch sie wehrte sich nicht dagegen, wenn sie damit ein paar Kranken dienen konnte. Sie hatte schließlich nur ein wenig Fieber, was sie nicht sonderlich belastete. „Es stimmt, die Morlocks haben ihre Kranken in speziellen Zellen verwahrt… Chiron konnte ihnen nicht helfen. Woher weißt Du über Chira Bescheid? Ich dachte, das können nur meine leiblichen Eltern wissen… Kennst Du meine Mutter?“ Ohne ihr Gesicht zu bewegen, verdrehte sie die Augen in seine Richtung und krallte sich einen Moment fest an Logans Hand, der sie die ganze Zeit gehalten hatte. Remy schnalzte bedauernd mit der Zunge und wich ihrem Blick aus. Die Frage hatte ja kommen müssen. Es war das Nächstliegende. „Nein, ich weiß nur, daß sie ebenfalls eine Mutantin war… Speziell zur Paarung ausgesucht… Anders kann ich es nicht ausdrücken… Sie ist den Morlocks wohl weggelaufen, um dich nicht in ihrer Welt aufwachsen zu sehen. Aber die waren gar nicht das Problem… Die hätten ihr nie etwas getan… Sie wollten dich natürlich für sich behalten. Inzwischen weißt du sicher, daß Du kein gewöhnlicher Mutant bist, n’est-ce pas? Es gibt nicht viele, die schon im Kindesalter ihre Fähigkeiten einsetzen können… Das ist immer ein Zeichen von sehr ausgeprägten Fähigkeiten…“ Candy runzelte die Stirn über Remys vage Erklärungen, er schien die wichtigsten Punkte darin auszulassen, wohl um die Quelle seines Wissens zu verschleiern. „Ich hatte als Kind keine Fähigkeiten! Was redest Du da?! Und was meinst Du damit, daß die Morlocks ihr nie etwas getan hätten? Hat jemand anders das übernommen? REDE! Das bist Du mir schuldig, Remy!”, verlangte sie und preßte dann die Lippen zusammen, weil Remy sie beinahe nachsichtig anlächelte, als wäre sie ein kleines Kind, das seine Schulaufgaben nicht vollständig gemacht hatte. Remy tauschte einen kurzen Blick mit den Ärzten und mit Logan, der wohl immer noch nach einem Grund suchte, erneut auf ihn losgehen zu dürfen. Sollte er es doch versuchen! „Alors… Denk nach… Oder besser, versetz dich in die Vergangenheit… Ich nehme an, daß dein… Einfühlungsvermögen sich zuerst gezeigt hat… Diese besondere Verbindung, die Du mit deinen Patienten eingehst. Als Kind hast Du sicher nicht verstanden, was da genau passierte… Die heilenden Kräfte kamen später… Vielleicht mit neun oder zehn… Du warst niemals krank, würde ich wetten, weil Du dich immer schon selbst geheilt hast… Aber irgendwann hast Du vielleicht aus purem Zufall heraus jemand anderem geholfen? Ohne genaue Anleitung ist es vielleicht auch nie passiert, aber das heißt nicht, daß Du die Fähigkeit nicht schon damals besessen hast… Tu comprends?“ Hank nickte bedächtig und stellte eben ein gefülltes Reagenzglas in einen Ständer auf der Ablage unter den Hängeschränken des Behandlungsraumes, um zwei weitere Behälter zu holen. Er konnte es kaum abwarten, die Zusammensetzung zu analysieren. Er hoffte sehr, daß dieser Remy ihnen kein Lügenmärchen aufgetischt hatte. Dazu klang das alles aber viel zu plausibel. Aber auch Hank fragte sich, wie er an dieses Wissen gekommen war. Remedy schien in eine ziemlich große Verschwörung verstrickt zu sein, wenn daran dachte, daß Gambit ja der Mann war, der regen Kontakt zu den Mitgliedern der terroristischen Verbindung der Marauders gehabt hatte. „Remy hat Recht, Candy… Deine Kräfte können schon in dir angelegt gewesen sein, als Du auf die Welt gekommen bist. Das wäre nicht ungewöhnlich. Manche Mutationen entwickeln sich über die gesamte Kindheit, bis sie dann in der Pubertät schon ziemlich ausgereift sind… Ich erinnere mich daran, daß Du auf der Highschool ein verletztes Mädchen geheilt hast, ohne dabei Schwierigkeiten bei der Dosierung deiner Kräfte gehabt zu haben. Das ist sehr ungewöhnlich für das erste Mal… Vielleicht ist früher etwas passiert, was dir gar nicht klar war?“, hakte Hank nach und fing ein paar weitere Tränen auf, die von ihren Wangen zu tropfen drohten. Candy wollte schon vehement verneinen, als in ihr ein Erinnerungsfetzen aufstieg. Nein, nicht neun oder zehn, es war früher passiert… Roberto. „Meine… Adoptivmutter…“ Gott, Candy hatte sie seit Jahren nicht mehr gesehen und sie schon lange nicht mehr Mutter genannt. „Sie konnte keine eigenen Kinder bekommen… Als ich sieben war, lag sie wochenlang im Bett. Ich wusste nicht warum, bis ich mich eines Tages zu ihr legte und spürte, daß sie ein Baby verloren hatte… Ich habe… Ich habe damals eine Hand auf ihren Unterleib gelegt… und ihr versprochen, daß es nie wieder passieren würde… Beim nächsten Mal würde sie ein gesundes Baby bekommen… Mein kleiner Bruder kam auf die Welt, da war ich acht…“ Candy wich den Blicken der anderen aus, weil sie nicht wollte, daß sie den Schmerz in ihren Augen entdeckten, den selbst sie nicht so einfach heilen konnte. Roberto war nicht der Grund gewesen, daß sich ihre Adoptiveltern von ihr distanziert hatten. Vielleicht ahnten sie, daß sie eines dieser Wesen war, die man heutzutage Mutanten nannte, oder sie dachten einfach, sie wäre verflucht. Südländer waren meist ziemlich abergläubisch, und die beiden hatten darin keine Ausnahme gemacht, obwohl sie ihrer Mutter ihren größten Wunsch erfüllt hatte… Logan riß sie aus ihren deprimierenden Überlegungen, als er leise einwarf, daß ihre Temperatur wieder zu sinken schien. Jean kontrollierte das sofort und bestätigte seine Beobachtung. Sie war nur noch knapp über vierzig Grad. Diese kleine Unterbrechung gab ihr genug Zeit, sich zu fassen. Sie hatte schon immer ihre mysteriöse Herkunft und den Ursprung ihrer Fähigkeiten aufklären wollen, doch nun dachte sie, daß man sich manche Dinge besser nicht wünschen sollte. Sie würde weiterhin Candy Genova und Remedy bleiben, das stand für sie fest. Als es an der Tür klopfte und Rogue zögernd den Kopf ins Zimmer streckte, fiel Candy etwas ein, das sie in der ganzen Aufregung verdrängt hatte. Aber zuerst wollte sie wissen, woher Remy so viel über sie wusste. „Komm ruhig rein, Marie! Es geht mir schon besser! Es war sozusagen falscher Alarm, wenn man deinem Landsmann hier glauben kann!”, meinte sie beruhigend, weil ihre Freundin ziemlich besorgt wirkte und nickte in Richtung Remy, der nicht die geringste Unsicherheit zeigte, obwohl er eigentlich ihr Gefangener war. Rogue sah ein wenig überrascht von einem zum anderen, bis ihr Blick an dem Typ aus ihrer alten Heimatstadt New Orleans hängen blieb. Candys Miene wurde grimmig. „Remy scheint sehr viel über mich zu wissen, Rogue! Ich meine über Chira, die Tochter des Heilers der Morlocks… Er wusste bisher nicht, daß es sich dabei um Candy Genova handelt. Ich persönlich würde gerne wissen, woher er das weiß! Er kennt weder meinen Vater noch meine leibliche Mutter, behauptet er jedenfalls… Alors, Remy… Gibst Du mir eine Antwort?“ Candy richtete sich langsam auf der Liege auf, weil Hank ihr leise zugeflüstert hatte, daß ihre Tränen nun versiegt waren. Sie spürte selbst, daß ihre Körpertemperatur sich weiter absenkte. Ihr Kopf wurde wieder klarer und die heftige Reaktion ihres Körpers benebelte nicht mehr ihre Sinne. Sie lehnte sich an Logan, der einen Arm schützend um sie gelegt hatte, um ihr Halt zu geben, wenn sie ihn brauchen sollte. Er blieb nur so ruhig, weil er genau verstanden hatte, worauf Candy hinaus wollte. Obwohl… Das würde auch funktionieren, wenn er dem Kerl wieder die Faust ins Gesicht rammte… Eine sehr aufmunternde Vorstellung. „Naturellement! Ich kenne deine leiblichen Eltern nicht, ma chère! Das muß dir genügen! Ich wollte nur dafür sorgen, daß die Kurpfuscher hier dich nicht unnötig behandeln, weil dich nichts so leicht umhauen kann!“ Er schüttelte wieder mit diesem aufreizend nachsichtigen Lächeln den Kopf und wandte sich dann an Rogue, die er bisher noch nicht kennen gelernt hatte. Ein wirklich hübsches Ding! „Et vous, ma belle? Es ist mir eine Freude, jemanden aus der alten Heimat zu treffen! Vraiement adorable!*“ (*Wirklich anbetungswürdig) Er kniff Rogue neckend in die Wange, als wäre sie ein süßes, kleines Mädchen. Etwas, für das er sonst einen Fausthieb kassiert hätte, doch sie hob mit einem bezaubernden Lächeln auf den Lippen die Hand und bedeckte seine, die nun flach auf ihrer zart gerundeten Wange lag. „Merci mille fois! Sie müssen nicht schüchtern sein! Nicht doch! Es wird auch nicht besonders wehtun!”, versprach sie mit einem leisen Lachen und umfasste seine Hand mit einem bestimmten Griff, bevor er sie wegziehen konnte. Remy mochte gegen Telepathen immun sein, aber sie war keiner! Der Mann hatte keine Chance, ihr zu entkommen, obwohl sie seinen Willen zur Flucht nur zu deutlich spürte. Er schnappte nach Luft und seine Augen wurden groß, als sie seine Kräfte einfach anzapfte und ihm unbarmherzig abzog. Kein sehr angenehmes Gefühl. Früher hätte sie ihn unweigerlich umgebracht, doch nun hatte sie ihre Fähigkeiten gut unter Kontrolle, so daß sie ihn losließ, kurz bevor seine Knie nachgaben und er sich mit beiden Händen auf dem Boden abstützten musste, um seinen Sturz abzufangen. Sie verspürte allerdings kein Mitleid mit ihm, Remy Lebeau war mit Nichten ein unbeschriebenes Blatt. Marie warf ihren Kopf zurück und schloß einen Moment berauscht die Augen. Sie hatte ihre Kräfte schon eine Weile lang nicht mehr gegen einen anderen Mutanten eingesetzt. Sie fühlte sich ein wenig high und musste nun aufpassen, nicht irgendetwas unabsichtlich in die Luft zu jagen. Darum war es hier auch gar nicht gegangen… Rogue ging vor Remy in die Knie und hob sein Gesicht zu sich an, indem sie sein Kinn mit Daumen und Zeigefinger zu sich hoch tippte. „Dis-moi! Qui est ce diable en personne?* Du solltest besser reden! Die nächste Sitzung mit mir würde dich für Wochen kampfunfähig machen! Und ein weiterer Ausbruch wäre garantiert nicht drin, Remy…”, verlangte sie mit sanfter Stimme, als spräche sie beruhigend auf ein verängstigtes Kind ein. (*Sag, wer ist dieser Teufel in Menschengestalt?) Jean rann ein kalter Angstschauer den Rücken herunter. Sie hatte diesen Satz schon ein Mal gehört, vor kurzem. Der Teufel in Menschengestalt? Remy war Scotts Bruder… Bestand da etwa ein Zusammenhang? Irgendein Drahtzieher, der sich ihren bisherigen Nachforschungen geschickt entzogen hatte? Sie hingen praktisch an Remys Lippen, die leicht zitterten, als würde es ihm schwer fallen, die richtigen Worte zu finden oder überhaupt formulieren zu können. Candy beugte sich ebenfalls gespannt vor, weil sie sich gut an die Szene in ihrem New Yorker Loft erinnerte, als er ihr im Hausflur aufgelauert hatte und dann schwer verletzt zusammen gebrochen war. Remy hatte eine Todesangst vor diesem „Teufel“ gehabt, das hatte sie nur zu deutlich gespürt… „Ihr könnt mich alle mal! X-Men, pah! Ihr wisst ja gar nicht, mit wem ihr euch da anlegen wollt!“, donnerte Remy verächtlich, obwohl er schwer nach Atem ringen musste. Das Frauenzimmer hatte ihn beinahe leer gesaugt und das, ohne daß er persönlich auch nur ein bißchen Spaß daran gehabt hatte. „Na, los, Püppchen! Gib mir den Rest! MACH SCHON! Du bist doch ganz scharf darauf!”, forderte er Rogue heraus, die ihm beinahe nachgegeben hätte, weil sie einen Teil seiner Persönlichkeit in sich spürte, der sie dazu drängte, doch sie unterdrückte den Impuls und schüttelte nur den Kopf. „C’est pas nécessaire… Gambit, eine starke Eröffnung, aber ich bin nicht an Verlusten interessiert! Wenn Du nicht redest, werde ich das tun! Ich glaube dir ist nicht bewusst, mit wem DU dich hier anlegst, mon ami!“, gab Rogue zuckersüß zurück. Beinahe mühelos zog sie den geschwächten Mann auf die Beine, weil sie nun über seine Körperkraft verfügte. Das schien ihn etwas zu überraschen, doch in Anbetracht seiner Erfahrungen mit Mutanten, dürfte ihn eigentlich nicht mehr viel wundern. „Wie sieht es aus, Candy? Hältst Du eine kleine Besprechung aus? Ich denke, das sollten sich alle anhören, was ich zu sagen habe!“, schlug Rogue dann vor und in ihre sonst so weiche Sprechweise hatte sich noch eine Spur mehr Cajun geschlichen, die sie wohl auch Remy zu verdanken hatte. Candy glitt von der Liege und kam einigermaßen fest auf, wobei sie abwehrend die Hand hob, als Remy Anstalten machte, sie zu stützen, obwohl er von ihnen beiden sicher die weicheren Knie hatte. Rogue stellte sich zwischen die beiden und legte einen Arm um ihre Taille, wobei sie sich ein wenig zu ihr runterbeugte, um ihr etwas ins Ohr flüstern zu können. „Hey… Wenn ich in nächster Zeit auf dich abfahren sollte, dann wunder dich nicht… Ich hab 'ne erhöhte Dosis Remy in mir und der Junge ist rattenscharf auf dich…“, flüsterte sie mit einem amüsierten Aufblitzen ihrer grünen Augen. Candy rollte mit den Augen und schnaubte verdrießlich, weil sie eher mit Marie etwas anfangen würde als mit diesem großkotzigen Angeber, der ihr immer nur Ärger gemacht hatte. Sie wollte nur wissen, was er eigentlich mit ihr zu schaffen hatte. Auf Rogues Erklärungen war sie schon mächtig gespannt! Fortsetzung folgt… Anmerkung des Autors: Der Titel dieses Kapitels ist ein kleines Wortspiel... "There is more to something than meets the eye" bedeutet im Englischen, daß hinter einer Sache mehr steckt, als man mit bloßem Auge sehen kann, was ja auf Candys Augen nun voll und ganz zutrifft, deshalb das Plural "Eyes" im Titel des Kapitels... ;) Kapitel 27: The X-Men Strike Back, Part One ------------------------------------------- X X X Candy saß spät in der Nacht in der Bibliothek im Erdgeschoß und starrte müde in die Flammen, die sie vor kurzem im Kamin angezündet hatte, nachdem sie unbemerkt von den anderen von ihrer Mission in die Xavier Mansion zurückgekehrt war. Es war weit nach Mitternacht und eigentlich hätte sie sich besser hinlegen sollen, doch sie mußte zuerst ihre innere Unruhe abbauen, die sie garantiert vom Schlafen abhalten würde. Ihre Gedanken drehten sich irgendwie im Kreis. Auf ihren Schultern lastete ein unheimlicher Druck, weil sie nun die Verantwortung für die Morlocks trug, seitdem sie die Gebieterin über diese besondere Gemeinde war, die sich in alten U-Bahn-Tunneln ein neues Leben fern von jeglichen Bedrohungen aufgebaut hatte. Sie kam von einer Sitzung des hohen Rates, die sie einberufen hatte, weil schwierige Entscheidungen anstanden, die sie nicht allein treffen konnte und das auch gar nicht wollte. Sie war nur zufällig die neue Anführerin, es war ganz und gar nicht ihre Absicht gewesen, diese Aufgabe zu übernehmen, aber nun war sie es, daran konnte sie vorerst nicht das Geringste ändern. Es war nicht leicht gewesen, sich mit der Opposition auseinander zu setzen und Candy war froh, daß ihr Vater Chiron ihren Bericht bestätigen konnte, der sich eigentlich wie ein Märchen anhörte. Nein, eine Schauergeschichte, in der Scott, Remy und sie selbst eine nicht unmaßgebliche Rolle spielten. Remy hatte sie unfreiwillig in ein Komplott von nicht nachvollziehbaren Ausmaßen eingeweiht, nachdem Rogue ihn seines Wissens mehr oder weniger beraubt hatte und ihm somit gar keine Wahl gelassen hatte, außer endlich offen und ehrlich zu sein. Das war eine Sitzung gewesen, die keiner von ihnen so schnell vergessen würde. Gambit hatte es nicht gut aufgenommen, daß er sich als noch kleinere Schachfigur auf einem überdimensionalen Spielbrett herausgestellt hatte, auf dem ein großer Unbekannter, eben der „Teufel in Menschengestalt“, sich zum Herr über das Schicksal der Menschheit aufschwingen wollte. Zu erfahren, daß er als Säugling seinen Eltern entrissen worden war, hatte ihm ziemlich zugesetzt, nachdem er nun wusste, daß er wirklich zwei Brüder hatte, die genauso wenig wie er geahnt hatten, daß sie zu Dritt gewesen waren. Das war nur ein kleines Zeichen der Skrupellosigkeit ihres Gegners, der sich auch nicht gescheut hatte, die Kinder einem Feldexperiment gleich in verschiedenen Umwelten auszusetzen, um zu sehen, welcher der Brüder am weitesten kommen würde. Scott hatte dieser Irre - wenn man das von einem überaus intelligenten Mann behaupten konnte - sogar eigenhändig und jahrelang gequält. Logan hatte Candy von dem gemeinsamen Erlebnis in dem verlassenen Waisenhaut erzählt, so daß sie nur noch mehr Respekt vor Scott empfand, der sich niemals hatte brechen lassen. Gambit hatte tatsächlich diese gefährliche Einsatztruppe von Mutanten zusammengestellt, die sich Marauders nannten. Allerdings war er nur der Mittelsmann gewesen. Unschuldig war er bei Weitem nicht, aber auch nicht das ultimative Böse. Der wahre Schurke hieß Mr. Sinister. Ein sehr passender Name für diesen Fremden. Böse und Unheimlich. Er hatte Gambit das Leben gerettet, wofür er dessen Dienste für zehn Jahre als Gegenleistung beansprucht hatte. Remy war zwar schon immer ein Opportunist gewesen, von Dieben aufgezogen und schon als Halbwüchsiger selbst ein Meisterdieb geworden. Aber irgendwann war ihm klar geworden, daß er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte. Gambit war vor knapp zehn Jahren nicht mehr fähig gewesen, seine Kräfte zu kontrollieren, die drohten, seinen Schädel regelrecht zu sprengen. Mr. Sinister hatte sich ihm als Dr. Essex vorgestellt, der ihm baldige Heilung versprach. Der Arzt entnahm ihm in einer riskanten Operation den Teil der Hirnmasse, die seine Kräfte exponentiell anwachsen ließ. Remy trug die Phiole mit dem entnommenen Teil seines Gehirns immer bei sich, bis die vereinbarte Zeit endlich abgelaufen sein würde. Die Honorare dieses Arztes überstiegen jede Vorstellungskraft und Gambit war sicher nicht der einzige, der ihm etwas schuldig war. Seine Hilfe mußte immer teuer bezahlt werden. Eben dieser Dr. Essex hatte nach der Behandlung sein wahres Gesicht gezeigt. Remy hatte ihnen erklärt, daß er irgendwie ein altersloses Wesen sein mußte, weil er ihm gegenüber ein Leben im London des 19. Jahrhunderts erwähnt hatte. Und es stimmte Dr. Nathaniel Essex hatte tatsächlich existiert, sie hatten ihn in alten Chroniken gefunden. Ein begnadeter Genetiker, dessen Arbeiten viel weiter als die von Gregor Mendel gegangen waren. Schlimmer als jeder Dr. Frankenstein hatte er sich für die Stärkung eines besonderen Genpools ausgesprochen, mit dessen Hilfe man den Homo Sapiens eine Stufe weiter entwickeln können würde. Und irgendwann war er verschwunden… Wohl weil er jede beliebige Gestalt annehmen und die Wahrnehmung von Menschen beeinflussen konnte. Sinister ging daran, seine dunklen Pläne zu verwirklichen, die sich um die Reinhaltung einer bestimmten Rasse beschäftigten, die der Mutanten. Er tat das schon seit etwas zweihundert Jahren und sie selbst gehörte zu den Auserwählten dieses Verrückten. Die Vorstellung, diesem Mann jemals zu begegnen oder ihm ausgeliefert zu sein, war mehr als gruselig. Den genauen Hintergrund würden sie wohl niemals erfahren. Scott war ebenso betroffen, der sich ja vor Jahren seinem Einfluß entzogen hatte, obwohl er am Ende genau das getan hatte, was Sinister für ihn geplant hatte: Scott hatte Jean geheiratet, die nun ein Kind von ihm erwartete. Ähnliche Pläne hatte er wohl mit Remy und ihr gehabt, wenn sie nicht verloren gegangen wäre, weil ihre Mutter zu ihrem Wohl gehandelt und sie als Baby auf den Stufen einer Kirche ausgesetzt hatte. Sie wollte sie vor den Morlocks retten und hatte sie vor einem weit größeren Übel beschützt, ohne es zu ahnen. Obwohl sie ihre Mutter wohl niemals kennen lernen würde, war sich Candy sicher, daß sie aus mütterlicher Sorge und Liebe gehandelt hatte. „Hier, Candy… Trink das, vielleicht hilft es, dich ein wenig zu entspannen“, sagte eine tiefe Stimme neben ihr, die sie herum fahren ließ, bis ihr klar wurde, daß Logan neben ihr stand und ihr einen Becher hinhielt, der mir einer dampfenden Flüssigkeit gefüllt war. Sie lächelte ihn dankbar an und nahm die Tasse entgegen, die heißen Tee mit Honig und Zitrone enthielt. Sie ließ es sich gerne gefallen, aus dem geräumigen Sessel gehoben zu werden, weil Logan sich setzte und sie sich auf seinem Schoß zurecht kuscheln konnte. Es fühlte sich wunderbar an, den Kopf an seine Schulter zu lehnen und sich von ihm im Nacken kraulen zu lassen. Er ließ ihr Zeit, sich zu entspannen und zu beruhigen und ihren Tee auszutrinken, bevor er fragte, wie ihre Besprechung gelaufen war. Logan ahnte schon aufgrund ihres langen Wegbleibens, daß es nicht leicht gewesen war, doch er vertraute auf Candys ruhig besonnene Art. „Es war ziemlich… turbulent. Ich kann den Rat der Morlocks verstehen, immerhin bin ich eine völlig Fremde, deren Wort sie noch nicht blind vertrauen können, aber schließlich haben sie mir doch zugehört…“ Es ging schließlich darum, ihre Kolonie zu retten. Sinister hatte die Marauders mit dem Ziel zusammengestellt, die Morlocks auszurotten, weil er ihren Genpool als völlig nutzlos für seine großen Pläne ersah. Er plante nichts anderes als einen Genozid, weil die Morlocks in seinen Augen niedere Lebewesen waren, Irrtümer bei der Entwicklung einer Überspezies. Sie mußte wohl in seinen Augen die löbliche Ausnahme sein. Eine abstoßende Vorstellung. „Annalee hat mir sehr geholfen… Sie möchte gerne nach Genosha ziehen! Und einige andere werden ihrem Beispiel folgen. Der Rat möchte aber bleiben und seinen Heimatort verteidigen!“, erklärte Candy weiter und lächelte schwach, als Logan daraufhin nur brummig knurrte. „Ich würde es vielleicht auch so machen, Logan! Selbst wenn ich keine Erfahrung in Selbstverteidigung hätte… Die meisten Ratsmitglieder können sehr gut kämpfen oder mit Waffen umgehen. Sie sind vielleicht keine X-Men, aber es geht um ihr Zuhause… Ich kann sie in soweit beschützen, daß ich vorerst ihre Gebieterin bleibe, dann kann ich sie euch zur Unterstützung unterstellen!“ Logan verdrehte die Augen, doch er hatte auch nicht damit gerechnet, daß alle Morlocks so einfach in eine neue Heimat ziehen würden. Er war noch nicht besonders gut auf sie zu sprechen, weil er Candy immer noch blutend und übel zusammen geschlagen auf dem Boden liegend sah, nachdem die X-Men nach Candys Entführung endlich ihren Aufenthaltsort herausgefunden hatten. Dann siegte der Humor, weil das Wort Gebieterin plötzlich so selbstverständlich aus Candys Mund schlüpfte, wo sie zuvor meist ziemlich rot angelaufen war, wenn er sie darauf ansprach. „So lange sie machen, was Du sagst, wollen wir mal nicht so sein… Gebieterin!“ Das letzte Wort flüsterte er über ihrem Ohr den Mund in die langen Haare gewühlt, die ihr lose um die Schultern fielen. Er spürte ihr leichtes Erschauern und ließ seinen Mund über ihre zarte Wange zu ihren Lippen wandern, bis sie ihm das Gesicht zuwandte und ihm entgegen kam. Logan wollte sie einen Augenblick von dem ganzen Streß ablenken, der ihr ziemlich zu schaffen machte. Er konnte sich sehr gut in sie hineinversetzen, weil er ja selbst einmal im Zentrum von solchen Machenschaften gesteckt hatte. Das Geheimprojekt der kanadischen Regierung, Weapon X, das aus ihm einen Supersoldaten hatte schaffen wollen. Allerdings erinnerte er sich kaum an die Folterungen, was wohl auch besser für seinen Seelenfrieden war. Ein Gutes hatte die schreckliche Verlustangst, die er um Candy ausgestanden hatte, doch. Er machte zwar nicht viele Worte darum, aber es fiel ihm leichter, sich ihr zu öffnen, wenn er es bisher nur auf körperlicher Ebene tat. Aber sie war ja auch Empathin und konnte durch bloße Berührungen in ihm lesen, was ihn zuvor schon ziemlich nervös gemacht hatte, weil er sonst derjenige war, der Frauen anhand ihrer körperlichen Reaktionen sehr leicht durchschauen konnte. Zwischen ihnen herrschte auf dieser Ebene ein wohltuender Gleichstand. Logan umspannte mit der linken Hand ihr Gesicht und tippte ihren Kopf weiter zurück, damit er ihren Mund noch tiefer erkunden konnte, von dessen Geschmack er einfach nicht genug bekam, dennoch zwang er sich zur ihrem Wohl zärtlich und gefühlvoll zu bleiben. Candy seufzte wohlig und schlang ihre Arme um Logans Hals, schmiegte sich so eng wie möglich an ihn und ließ sich von den Empfindungen einlullen, die er ihr übermittelte, ohne ein Wort zu sagen. Für sie war die Sache zwischen ihnen schon lange keine bedeutungslose Affäre mehr, war es noch nie gewesen. Sie hatte sich vom allerersten Moment an zu ihm hingezogen gefühlt. Seine raue Schale schreckte sie nicht ab. Außerdem hatten sie noch genug Zeit, sich noch besser kennen zu lernen, bevor einer von beiden womöglich seine Gefühle offenbarte. Als Logans Hand über ihren Hals glitt und dann den Reißverschluß des X-Men-Anzuges nach unten zog, küsste sie ihn gleich verlangender. Sie hatte vollkommen verdrängt, daß sie hier in der Bibliothek vor dem knisternden Kamin saßen und die Tür gar nicht abgeschlossen war. Candy krallte sich mit beiden Händen in die längeren Strähnen in Logans Nacken, als seine Hand ihre Brust umspannte, deren Knospe sich sofort zusammen zog und beinahe schmerzhafte Impulse in ihre Lendengegend schossen, die sie unruhig auf seinem Schoß herumrutschen ließen. Das passierte oft, daß die Stimmung zwischen ihnen rasend schnell umkippte… „Logan!“, hauchte sie erstickt und bog sich ihm entgegen, als er den Stoff des Bustiers zur Seite schob und seinen Mund auf den üppigen Hügel senkte. Jede seiner Berührungen sandte tausend kleine Flämmchen durch ihre Eingeweide, die sie alle Zurückhaltung vergessen ließen. Sie war genauso eifrig wie er dabei, sich von den lästig beengenden Kleidungsstücken zu befreien, bis sie schließlich mit gespreizten Beinen auf Logans Schoß saß und seine erregt pulsierende Männlichkeit so tief wie möglich in sich aufnahm. Seine Ausdauer war manches Mal wirklich beängstigend, auch wenn sie dadurch die höchste Ekstase erfuhr, die jegliche zuvor gemachte Erfahrung in ihrem Kopf zu Staub verpuffen ließ. Es existierte nur noch Logan, er allein füllte ihre Gedanken aus und auch ihren Körper, der gerade vor Lust zu vergehen schien, so daß sie nur noch aufstöhnen konnte und den Kopf in den Nacken warf, als sie spürte, daß sie auf einen explosiven Höhepunkt zusteuerte. „Ja, komm für mich… Halt dich nicht zurück!“, flüsterte Logan heiser und biß sie zärtlich in die Brustwarze, an der er gerade hingebungsvoll gesaugt hatte. Es gab kein Zurückhalten mehr, sie bog ihr Kreuz durch und stöhnte wieder und wieder auf, bis sie beinahe schluchzend nach Luft schnappte, weil er ihre Hüften umspannte und sie bis zum Anschlag ausfüllte, um ihr dann mit einem heiseren Aufstöhnen zu folgen und sich in ihr zu ergießen. Als wären ihre Knochen plötzlich weich wie Butter geworden, sank sie schwer atmend gegen seine breite Brust und erzitterte unter den Nachwehen des überwältigenden Rausches, den ihr Logan gerade beschert hatte. Sie blinzelte in das Halbdunkel des Zimmers, das voller Schatten war und glaubte kurz zuvor einer Sinnestäuschung erlegen zu sein. Wahrscheinlich hatte sich eine orangenfarbene Flamme in einem der Messingbeschläge der Bücherregale gespiegelt, anders konnte sie sich nicht erklären, daß sie dieses rote Aufblitzen gesehen hatte… Mit einem schläfrigen Lächeln schmiegte sie ihr Gesicht an Logans Brust, als sie spürte, wie seine Fingerspitzen beruhigend über ihre Wirbelsäule streichelten, während er sie mit dem rechten Arm fest umschlungen hielt und ihr Halt gab, wobei ihre Körper noch miteinander verbunden waren. „Oh, Logan… Du weißt gar nicht… wie viel Du mir bedeutest!“, wisperte Candy ganz leise, weil sie sich nicht sicher war, wie er auf ihre Gefühle reagieren würde. Gerade eben hatte sie doch noch daran gedacht, lieber etwas geduldiger zu sein, weil sie sich selbst sicher sein wollte. Wenn Logan sie darauf ansprach, dann konnte sie immer noch ausweichen und es auf die aufgewühlten Gefühle schieben, auf den Streß der letzten Zeit oder eben den absolut überwältigenden Sex mit ihm, der sie ziemlich kopflos machte. Logan starrte mit einem kalt berechnenden Lächeln in die Flammen, die ein geheimnisvolles Muster auf Candys samtweiche Haut zeichneten, die er weiter liebkoste, damit sie sich entspannte und vielleicht sogar bald in seinen Armen einschlafen würde, wie er es beabsichtigt hatte, damit sie endlich ein wenig Ruhe fand. Nein, er lächelte wölfisch und überlegen. Im Gegensatz zu Candy wusste er ganz genau, daß er sich nicht einbildete, noch jemandem in diesem Zimmer wahrzunehmen. Er hörte jeden Atemzug, jedes Herzklopfen und das trockene Schlucken des unwillkommenen Besuchers ganz genau. Er stand wie paralysiert an der Tür, die kurz zuvor leise aber für ihn dennoch hörbar aufgeglitten war. Zu dieser späten Stunde rechnete er nicht mit jugendlichem Besuch in der Bibliothek, die eher ein Zufluchtsort der Erwachsenen in der Mansion war. Jeder andere Bewohner des Hauses hätte sich wohl diskret zurückgezogen, weil es nun einmal vorkam, daß man andere auch in intimen Momenten störte, wenn man als Team zwar nicht beengt aber eben doch unter einem Dach zusammen wohnte. Logans rechter Mundwinkel hob sich spöttisch und er tat einen weiteren ruhigen Atemzug, bevor er den Kopf in Richtung Tür drehte und seinen Verdacht bestätigt sah. Nicht daß es dabei Zweifel gegeben hätte. Remy, le raton, wie Logan ihn in Gedanken betitelte. Dessen versteinerte Miene war beinahe als komisch zu bezeichnen und er hätte wohl laut heraus gelacht, wenn er Candy dadurch nicht aus ihrer Versunkenheit hoch geschreckt hätte. (Die Ratte) Sein Möchtegern-Nebenbuhler öffnete den Mund, überlegte es sich dann aber wohl anders, nachdem Candy sich in Logans Armen bewegte und ein kleiner, zufriedener Laut über ihre Lippen kam. Remy verzog das Gesicht und zog sich leise aus dem Zimmer zurück, was Logan beinahe mit einem gehässigen Knurren quittiert hätte. Nach einer Weile hüllte er Candy in sein Flanellhemd und erhob sich mit ihr auf seinen Armen, um sich die Hosen, die auf Halbmast gerutscht waren, über die Hüften zu ziehen. Es reichte völlig, wenn er mit entblößtem Oberkörper durch die Mansion geisterte, um seine Freundin ins Bett zu bringen. In sein Bett, wo sie hingehörte. Nach der Entführung und ihrer wundersamen Genesung von dem Fieber hatte er sie keine Nacht mehr allein gelassen. Die Angst saß einfach noch zu tief, sie noch einmal zu verlieren, weil er nicht genug auf sie aufgepasst hatte. Es hatte ihm völlig gereicht, daß er sie heute Abend allein in die Höhlen der Morlocks hatte ziehen lassen müssen, weil sie sonst den Verdacht bekommen hätte, daß er mehr für sie empfand, als er bereit war, ihr gegenüber einzugestehen. Oder sich selbst. Jedenfalls noch nicht. Logan lächelte grimmig, weil die Ratte die Botschaft hoffentlich verstanden hatte. Es störte ihn wenig, wenn der Franzmann ahnte, was zwischen ihnen abging. Solange es Gambit davon abhielt, sich an seine Frau heran zu machen, war es ihm mehr als recht. ~ ~ ~ Logan hatte Candy ausschlafen lassen, es war schon nach zwölf, als sie schließlich in ihr eigenes Zimmer zurückkehrte, wo sie unter die Dusche stieg und anschließend in Trainingsklamotten schlüpfte, weil sie eine der Danger Room Sitzungen absolvieren wollte, die Logan für sie programmiert hatte. In Anbetracht der Bedrohung, die über ihnen wie das Schwert des Damokles schwebte, mußten die X-Men in Topform sein. Ein zufriedenes Summen auf den Lippen und die langen Haare im Nacken mit einem Haarband zusammen bindend trat Candy gut gelaunt aus ihrem Bad, wo sie überrascht auf der Schwelle verharrte, als sie einen Besucher entdeckte, der mit dem breiten Rücken zu ihr am Fenster stand. „Remy? Was machst Du hier?“, fragte sie ein wenig irritiert, weil sie zwar angezogen war, er aber trotzdem hätte anklopfen können. Selbst wenn sie eine gemeinsame Vergangenheit hatten, hatte er kein Recht, sich solche Freiheiten heraus zu nehmen. Er drehte sich langsam zu ihr herum und musterte sie eine Weile schweigend, als wollte er sich jede Einzelheit ihres Gesichtes einprägen. Candy bekam gleich ein ungutes Gefühl. „C’est l’adieu, ma chère!“, sagte er in seiner einschmeichelnden Sprechweise, die sie jedoch niemals so fasziniert hatte wie Logans rauchige Stimme. Bei ihm war es nämlich keine Masche, Remy machte viel einfach nur, um Menschen zu manipulieren. Sie hatte nie gewusst, wann er es ernst meinte, da er sich selbst gegen ihre Empathie wappnen konnte. (Das ist der Abschied, meine Liebe) „Schon so bald?“ Candy ging auf ihn zu und sah besorgt zu ihm auf, weil sie ja wusste, auf welche Art von Mission er sich begeben würde. Sie würde ihn nicht unbedingt einen Vertrauten nennen, vielmehr einen Verbündeten, der auch noch eigene Interessen vertrat. Er hatte gute Gründe, mit den X-Men zusammen zu arbeiten. Einen gemeinsamen Feind, gegen den er allein nicht die geringste Chance haben würde. Remy hob die Hand und strich mit der Rückseite seiner Finger über ihre rosige Wange, wobei sich sein eigentümlicher rot-schwarzer Blick in ihre Seele zu brennen schien. „Tu sais que c’est seulement une attraction physique! Il ne t’aime pas! Ou est-ce-qu’il t’a jamais dis autrement?“, flüsterte er an ihrer Schläfe, wobei seine Lippen ihre Haut beim Sprechen leicht berührten. (Du weißt, daß es nur körperliche Anziehung ist! Er liebt dich nicht! Oder hat er je etwas anderes gesagt?) Candy wich zurück und blitzte ihn vorwurfsvoll an. „Du… Nein, ich werde dich nicht anschreien oder ausrasten! Es geht dich gar nichts an, was zwischen mir und Logan läuft! Du kennst uns beide gar nicht! Ich weiß nicht, woher Du die Unverfrorenheit nimmst, über solche Dinge zu sprechen, die dir so vollkommen fremd sind! Ich möchte nicht, daß wir uns im Streit verabschieden, Remy! Nicht, wenn es das letzte Mal sein kö…“ Remy brachte ihre tadelnden Worte zum Verstummen, indem er sie an den Schultern packte und ihren Mund mit einem ungestümen Kuß verschloß, der ihr den Atem stahl, sie jedoch nicht weiter zu beeinflussen vermochte. Irgendwie mußte sie ihm wohl dankbar sein, daß sie nun endgültig den Beweis hatte, daß er keine Macht mehr über sie hatte wie damals, als sie ihm zum ersten Mal begegnet war. „Quel gâchis!“, sagte Remy irgendwie bedauernd, als er sie freigab, nachdem sie keine Anstalten machte, seinen Kuß zu erwidern. (Was für eine Verschwendung) Candy runzelte nur die Stirn und zog dann seine Hände von ihren Schultern, um sie dann in ihren festzuhalten. „Bitte paß auf dich auf, Remy! Ich weiß, daß Du gerne hohe Risiken eingehst, aber diesmal solltest Du das nicht auf deine Kosten tun! Du hast schon teuer genug bezahlt, oder nicht?“ Sie ließ seine rechte Hand los und fischte nach der Kette mit der Phiole, die er wieder um seinen Hals trug, um sie in ihrer Hand zu wiegen. Es war ziemlich makaber, wenn man wusste, daß sich darin ein Teil seiner Hirnmasse befand. „Mir wäre lieber, Du würdest mir zum Abschied eine scheuern, mon petit ange! Hein? Tu seulement m’ offres de l’amitié? Pauvre de moi! Aber wenigstens wird eine Frau um mich weinen, wenn etwas schief gehen sollte!“, antwortete Remy mit einem seiner typischen Schnalzlaute und machte schon wieder den Eindruck, als würde ihn der Abschied und alles andere gar nicht berühren. (…Mein kleiner Engel… Also, Du bietest mir nur Freundschaft an? Ich Armer!) Er war ein Meister der Verstellung und Candy fragte sich, ob er es jemals ernst gemeint hatte… Rogue hatte ja behauptet, daß er sich seiner Gefühle selbst nicht sicher war. Kein Wunder, wenn man sein unstetes Leben bedachte. Bevor er über Gefühle wie Liebe sprechen konnte, mußte er erst einmal herausfinden, wer er eigentlich war. „Du bist einer Ohrfeige nur knapp entkommen! Und jetzt hör auf mit dem Unsinn! Du weißt, daß ich mir Sorgen machen werde und daß ich dich gern habe… als Freund! Komm gesund wieder!“ Die folgende Umarmung ließ sich Candy gerne gefallen, weil sie nichts weiter als freundschaftlich gemeint war. Das mußte zum Abschied sein, sonst würde sie es wohl bereuen, falls ihm doch etwas passieren… Nein, nicht daran denken! Sie sollte positiv denken, auch wenn es ihr sehr schwer fallen würde. Gambit war schließlich auf dem Weg zum „Teufel in Menschengestalt“ und sie erinnerte sich nur zu gut, wie Remy ausgesehen hatte, nachdem er sich das letzte Mal gegen ihn gestellt hatte… Auch über seine Behauptung, daß Logan für sie nichts empfand, würde sie nicht weiter nachdenken. Aus ihm sprach allerhöchstens die Eifersucht und sie würde deswegen nicht beginnen, an Logan zu zweifeln. Fortsetzung folgt… Kapitel 28: The X-Men Strike Back, Part Two ------------------------------------------- X X X Die Marauders hatten sich genau den richtigen Tag für den Angriff ausgesucht. Die Straßen waren in dieser Nacht wie leer gefegt, weil man Thanksgiving feierte und jeder, der ein einigermaßen einladendes Zuhause hatte, sich nicht vor die Haustür wagen würde, da zudem ein Herbststurm über New York fegte, der unangenehmen Eisregen mit sich brachte. Selbst die Gemeinde der Morlocks feierte diesen Tag, weil genug Familien mit Kindern unter ihnen lebten. Wären sie nicht vorbereitet gewesen, dann hätte die Truppe sehr leichtes Spiel mit ihren Opfern gehabt. Hier unten lebten Kinder und wehrlose Frauen und Männer, die einem solch gezielten Angriff nichts entgegenzusetzen gehabt hätten. So hatten sie wenigstens knapp drei Wochen Zeit gehabt, sich auf die Gefahr, in der sie schwebten, vorzubereiten. Oh, nein! Nicht Sabretooth! Candy grub die Blockabsätze ihrer Kampfstiefel in den lehmigen Boden des halb fertig gestellten U-Bahn-Tunnels und kam abrupt zum Stehen. Die Wände vibrierten von Gewehrsalven, Detonationen kleiner Sprengladungen und Entladung von besonders explosiven Mutantenfähigkeiten. Es herrschte ein ohrenbetäubender Lärm, da das Echo hier sehr weit trug. Schwer atmend stützte sie sich mit der Hand an der gewölbten Wand ab, nachdem sie ein paar Schritte zur Seite gewichen war. Sie hatte diesen kleinen Umweg nehmen wollen, um den Angreifern schließlich in den Rücken fallen zu können. Sie hatten sich gerade neu formiert, nachdem sie den ersten Angriffssturm ziemlich gut eingedämmt hatten, doch die Marauders würden nicht so leicht aufgeben. Es war noch lange nicht vorbei. Gambit hatte die Mansion vor etwa drei Woche verlassen, um zu seinem eigentlichen Auftraggeber, Mr. Sinister, zurück zu kehren, da er die angeheuerten Killer zu dem Versteck der Morlocks führen sollte, um sie auslöschen zu können, weil die Kreuzungsversuche mit ihrem Genpool für den geistesgestörten Wissenschaftler nicht zum erhofften Ergebnis geführt hatten. Mit einer einzigen Ausnahme, nämlich ihr. Chiron war ihm seinerzeit auf den Leim gegangen. Sinister hatte sich ihm als Bittsteller genähert, wobei er natürlich ein Äußeres gewählt hatte, das sein Mitleid erregen sollte. Er hatte eine arme drogenabhängige Mutantin in die Tunnel gebracht, die Chiron heilte, ohne zu wissen, daß Sinister vorher mit ihr einen Pakt geschlossen hatte. Ihre Rettung für ein Kind, das sie von dem Heiler zu empfangen hatte. Später hatte er das Baby in Form des Heilers der Mutter entreißen wollen, doch die hatte sich gewehrt. Hielt Chiron für böse, womit sie ja nicht falsch lag, weil sie es oft genug mit dem verwandelten Sinister zu tun gehabt hatte, der ein wirklich merkwürdiges Hobby hatte, so in der Weltgeschichte herum zu reisen und wehrlose Menschen so lange zu quälen, bis sie taten, was er verlangte… Candy wich einen Schritt vor der Bestie zurück, weil sie ihre Grenzen kannte. Der Typ ließ sie nicht aus seinen schwarzen Augen, die leer und ausdruckslos wie die eines Haifisches waren, und sie hörte, wie er die Luft schnuppernd durch die Nase zog. Es war ein Leichtes für ihn, sie auch in der Düsternis des Tunnels zu orten, weil er sie riechen konnte. Das Untier warf brüllend den Kopf in den Nacken und Candys Nackenhaare sträubten sich vor Schrecken. Er mußte von einer Salve getroffen worden sein, die ihn mit dem Legacy Virus infiziert hatte. Candy fluchte innerlich, weil sie damit zwar die anderen Mutanten über kurz oder lang kampfunfähig machen konnten, aber nicht Sabretooth, der wie Logan oder sie selbst über einen Selbstheilungsfaktor verfügte. Bei ihm würde der Virus die verschiedenen Stadien rasend schnell durchleben, bis sein Körper Antikörper dagegen gebildet hatte. Candy schluckte schwer, weil sie es in einem Selbstversuch mit Logan mit eigenen Augen gesehen hatte, gegen den sie zuerst vehement protestiert hatte, weil es ihr unmenschlich erschienen war, daß er, sei es auch nur für kürzeste Zeit, leiden sollte. Logan hatte im letzten Stadium ähnlich entfesselt reagiert, allerdings war er in einem ausbruchsicheren Raum untergebracht gewesen, in dem er niemanden angreifen konnte. Sie mußten einfach wissen, wie gefährlich dieser Virus wirklich war, den sie ebenfalls Mr. Sinister zu verdanken hatten. Es war eine effektivere Waffe als gedungene Killer, wenn man ihn so weit bringen konnte, nur bestimmte Menschen anzugreifen. Allerdings war wohl einer seiner Testläufe aus dem Ruder gelaufen, weil es auch außerhalb der Gemeinde der Morlocks Kranke und schließlich Tote gegeben hatte… Wahrscheinlich stufte der Schurke das Ganze auch noch als kleinen Rückschlag ein, weil er sich einen Dreck um die Leben von Menschen scherte, die er dabei zugrunde richtete. Candy wollte sich gerade von der Wand abstoßen, um davon zu laufen, doch sie hatte noch nicht einmal die Gelegenheit, sich wegzudrehen, da war der Killer mit einem gewaltigen Satz auf sie gesprungen, und sie landete unsanft auf dem Rücken, wobei einige Rippen unter dem Gewicht des bleischweren Monstrums brachen, als wären es dürre Äste eines Baumes. Sie stöhnte schmerzerfüllt auf, versuchte, zu Atem zu kommen und der drohenden Ohnmacht zu entgehen, weil sie sehr bald unter Sauerstoffmangel litt. Über sich sah sie die wütend verzerrte Fratze, deren Mund weit aufstand und gefährlich aufblitzende Fangzähne entblößte, von deren Spitzen Ekel erregender Geifer tropfte. Sie sah sich schon mit zerfetzter Kehle elendig auf dem Boden verrecken, während ihre rechte Hand fieberhaft nach dem Skalpell suchte, das sie an ihrem Gürtel trug. Sie hatte kaum Bewegungsfreiheit, weil ihr Arm unter seinem Knie eingeklemmt war, doch sie bekam es schließlich mit den Fingerspitzen zu fassen. Nur noch ein kleines Stückchen! Ihrer Kehle entrang sich ein spitzer Schmerzensschrei, der in einem gurgelnden Laut endete, als das Biest seine Zähne durch den Kragen ihrer Uniform in ihren Hals grub. Auf diese Qualen war sie nicht vorbereitet gewesen. Sie zerrissen sie beinahe innerlich. Die Schmerzimpulse schossen unkontrollierbar durch ihren Körper und lähmten sie ein Stück, so daß es ihr schwer fiel, ihre Fähigkeiten zu aktivieren. Wenigstens hatte der Irre dadurch sein Gewicht verlagert und Candy schaffte es, ihren gequetschten Arm unter ihm wegzuziehen, um ihm das Skalpell so kraftvoll wie möglich ins linke Ohr zu rammen. Der Druck auf ihrer Kehle ließ nach und Candy ließ den Griff des Messers los, um ihren wunden Hals zu umfassen, aus dem das Blut regelrecht hervorquoll und das Material ihrer Handschuhe durchtränkte. Sie war erleichtert, daß sie keinen direkten Hautkontakt herstellen mußte, um sich selbst zu heilen, weil sie gar nicht wissen wollte, wie schlimm der angerichtete Schaden wirklich war. Das alles erinnerte sie zu sehr an Logans Anblick in der dunklen Gasse. Oh, Gott… Trotz des sich in ihm rasant ausbreitenden Virus und der schweren Hirnverletzung rappelte sich Sabretooth erneut auf und stand plötzlich in gebückter Haltung mit irre leuchtenden Augen über ihr. Candy stieß sich mit den Füßen am Boden ab und rutschte von ihm weg, doch sie war noch nicht fähig, sich zu erheben, weil ihre Rippen noch nicht zusammen gewachsen waren und sie durch eine Verlagerung des Oberkörpers nur riskiert hätte, daß sich deren Spitzen in die Lungen bohrten. Sie wappnete sich gegen den nächsten Angriff, doch sie hörte nur ein gequältes Brüllen, das den dunklen Tunnel erfüllte und in ihren Ohren dröhnte. Candys Lider flatterten und sie konnte sehen, wie das Biest auf die Knie fiel und sich den Kopf hielt, als hätte er unerträgliche Kopfschmerzen. Das Heulen wurde immer lauter und durchdringender, dann brach Sabretooth zusammen und fiel mit dem Gesicht voran auf den Boden. „Chir… Candy… Geht es dir gut?“ Neben ihr war jemand auf die Knie gegangen und wollte sie an der Schulter nehmen, wohl um sie aufzurichten, doch sie griff nach der Hand und hielt sie fest. Erleichtert erkannte sie das blasse Gesicht von Caliban über sich, dessen helle Haut sogar in der Dunkelheit von Innen heraus zu leuchten schien. „Nicht… bewegen!“, hauchte Candy und es klang in ihren Ohren, als würde sie wie eine Schlange zischen. Sie hatte schon jede Menge Energie bei der Regeneration anderer Verletzungen verbraucht und hätte gerne einen kleinen Zuckercocktail zu sich genommen, um den Vorgang jetzt zu beschleunigen, aber Schlucken war im Moment nicht drin. Sie atmete durch die Nase und schloß kurz die Augen, weil Caliban ihr leise zuflüsterte, daß er auf sie aufpassen würde, während sie in Ruhe heilen sollte. Es dauerte beinahe zehn Minuten, bis Candy sich aufrichten konnte, wobei ihr Retter ihr einen Arm um die Schultern legte, damit sie nicht nach hinten wegkippte. „Danke! Du bist wirklich zum rechten Zeitpunkt gekommen, Caliban!“, bedankte sich Candy leise und suchte an ihrem Waffengürtel die stärkende Infusion heraus, die Hank für sie kreiert hatte und in kleinen Behältern steckte, die wie übergroße Patronen aussahen. Sie verpasste sich die Dosis in die rechte Hauptschlagader und warf den leeren Behälter dann achtlos auf den Boden. Dann erhob sie sich, obwohl ihre Knie sich noch ein wenig wackelig anfühlten. Sie wehrte Calibans Hilfe jedoch ab, weil sie gerade keine Zeit für Schwächeanfälle hatten. Sie steckten mitten in einem Einsatz. Neben dem zuckenden Körper von Sabretooth kam sie zum Stehen und sah unentschlossen auf ihn herunter. Er hatte einige „ihrer“ Leute auf dem Gewissen und noch viele mehr. Er war ein eiskalter Mörder, doch sie konnte zwar jemanden im Zweikampf töten, wenn es nötig war, aber einen wehrlosen Mann, der am Boden lag? Gegen ihn hätte sie wohl nur in diesem Zustand eine Chance. Er nahm nicht wie Logan im Training Rücksicht auf sie, obwohl Wolverine ein unglaublich harter Lehrmeister gewesen war. „Er wollte dich töten, Gebieterin!“, stellte Caliban in der ihm eigenen Sprechweise fest, der immer ein wenig Singsang zu unterliegen schien, als wäre er ein Hohepriester, der eine Beschwörung sprechen wollte. Er hob beide Hände an die Kapuze, die er über seinem kahlen Schädel trug und Candy bemerkte in seinen gelben Augen eine unbändige Wut. Sie hatte die letzten Wochen gelernt, die Regungen seines Gesichtes zu lesen. Wenn man es genau nahm, dann gab es keine großen Unterschiede zu gewöhnlichen Gesichtszügen oder Augenfarben. Es war ihr einfach nur fremd gewesen, weil sie selbst ja niemals so eng mit Mutanten gelebt hatte, die über ein etwas ungewöhnlicheres Aussehen verfügten. Caliban griff mit beiden Händen über seinen Kopf hinweg nach dem Schwert, das er auf dem Rücken festgeschnallt trug. Seine Kampfkunst hatte selbst Logan im Danger Room überzeugt, obwohl Caliban selten sehr nahe an seine Gegner heran mußte. Er gehörte jedoch zur Leibgarde der Gebieterin über die Morlocks und war ein fähiger und erfahrener Kämpfer. Bevor Candy reagieren konnte, zog Caliban das Schwert aus der Scheide und ließ es mit einem kraftvollen Hieb auf den Mann am Boden niedersausen, mit dem er den Kopf vom Schädel trennte. Candy wich stolpernd zurück, als der Kopf zu ihren Füßen mit dem verzerrten Gesicht des Toten zu ihren Fußspitzen zum Ruhen kam. Sie starrte Caliban mit schreckgeweiteten Augen an und schnappte ungläubig nach Luft, weil das Bild zu schrecklich war. Ihr Kopf weigerte sich, die Grausamkeit des Anblickes als real zu verarbeiten. Zum Glück war es zu dunkel, um wirklich alle grausigen Einzelheiten zu sehen, aber es reichte, um eine leichte Übelkeit in ihr aufsteigen zu lassen. „Darauf steht die Todesstrafe, Gebieterin! Es mußte sein!“, sagte Caliban mit fester Stimme und neigte den respektvoll den Kopf, nachdem er sein Schwert ungerührt mit dem langen Mantel des Toten abgewischt und wieder das Futteral auf seinem Rücken gesteckt hatte. Candy nickte nur knapp, weil sie ihm Recht geben mußte. Es war der einzige Weg, diesen Massenmörder aufzuhalten, der niemals aufgehört hätte, für den bestbezahlenden Auftraggeber zu töten. Unwillkürlich fasste sich Candy an ihren blutverschmierten Hals. Sie wäre ebenso tot gewesen, wenn sie nicht über Selbstheilungskräfte verfügen würde. „Laß uns zu den anderen gehen! Der Kampf ist noch lange nicht vorbei!“, sagte sie dann entschlossen und folgte ihrem Beschützer durch die verwinkelten Gänge, die er viel besser als sie kannte… ~ ~ ~ Scheinbar unendliche Stunden später hatten sich die Kämpfer in dem großen Saal versammelt. Candy saß erschöpft auf dem aus Stein gehauenen Thron und blickte mit regloser Miene auf die aufgetürmten Leichen ihrer Angreifer zu ihren Füßen herunter. Sie hatten keine Gefangenen gemacht. Sie hob den müden Blick und ließ ihn über den Rat, der im Halbkreis um sie herum saß und dann über die Kämpfer, die dahinter standen, gleiten. Prof. Xavier saß zu ihrer Linken, er war nach ihrem Sieg zu ihnen in die Katakomben gekommen, da er sie vom Jet aus unterstützt hatte. Hinter ihm stand Jean, die eine Hand auf seiner Schulter liegen hatte. Ihre Augen schienen noch von dem Einsatz von Phoenix nachzuglühen, als stünden sie immer mal wieder in Flammen. Scott neben ihr, der ihr ein kleines, aufmunterndes Lächeln schenkte, obwohl seine linke Wange von einem bösen Schnitt verunziert war, den ihm wohl der Typ mit den Wurfsternen verpasst hatte. Sie würde sich später um die leichteren Blessuren kümmern. Zuerst hatte sie die kritischen Fälle behandelt und brauchte einen Moment der Erholung, bevor sie sich um den Rest der Männer und Frauen kümmerte. Marie und Robert, der einen Arm um seine Verlobte gelegt hatte, deren Augen leicht gerötet waren. Candy fühlte mit den beiden, die ihren alten Schulfreund, Pyro, hier in den Zellen der Morlock gefunden und in die Mansion zurück gebracht hatten, in der Hoffnung, er könnte noch gerettet werden. Storm und Hank in seiner für sie ungewohnten affenähnlichen Form mit dem plüschigen blauen Fell, die so gar nicht zu seinem sanften Gemüt passen wollte. Kurt, Kitty, Jubilee und Peter, dessen Uniform an einigen Stellen zerrissen war, weil er in seiner Stahlform Kugeln oder andere Wurfgeschosse abgefangen hatte, die anderen Teammitgliedern oder Mitstreitern gegolten hatten. Und schließlich Logan und Remy, der ihnen die Marauders auf dem Silbertablett geliefert und dabei riskiert hatte, bei seinem eigentlichen Auftraggeber aufzufliegen. Wenn sie das richtig gehört hatte, dann hatte Gambit im Alleingang drei der gefährlichsten Marauder erledigt. Er schien jedoch nicht besonders stolz auf seine Leistung zu sein, weil er ihrem Blick ständig auswich, obwohl sie ihn nicht als den Typ Mann kannte, der sich mit Gewissensbissen herumschlug. Immerhin hatte er die Killerbrigade zusammengestellt, selbst wenn es dabei um die Rettung seiner eigenen Haut gegangen war. Candy war sich nicht sicher, ob er das geplante Massaker der Morlocks verhindert hätte, wenn er nicht den X-Men in die Hände gefallen wäre und dabei erfahren hätte, daß Scott sein leiblicher Bruder war. Es hatte auch so schon genug Verluste gegeben. Einige der Zivilisten hatten sich geweigert, die schützenden Tunnel zu verlassen. Sie waren immerhin ihr Zuhause, die einzige Zuflucht, die sie bisher gekannt hatten. Auch für Mole und Tar Baby, zwei der Morlock-Krieger, war jede Hilfe zu spät gekommen. Sabretooth hatte den Mutanten, dessen Aussehen tatsächlich ein wenig an einen Maulwurf erinnerte, getötet und Tar Baby war von der Marauder-Killerin Vertigo aus dem Gleichgewicht gebracht worden, so daß er direkt in eine der Sprengladungen fiel, mit denen die Marauders das Tunnelsystem zerstören wollten, kurz bevor sie detonierte. Seine Haut sonderte eine klebrige Flüssigkeit ab, an der man unwiderruflich haften blieb, so auch die Bombe. Er war einen heldenhaften Tod gestorben, weil er mit der Bombe an seinem Körper festgeklebt in einen der unbenutzten Tunnel gelaufen war, bevor sie hoch ging. Er hatte damit vielen der Zivilisten das Leben gerettet, die sich in der Krankenstation verschanzt hatten. Wenigstens hatte sie den Rat der Morlocks davon überzeugt, daß die die X-Men nur die besten Absichten hatten. Es gab noch ein paar Zweifler, aber die meisten hatte Candy auf ihrer Seite, was sie auch der Unterstützung von Chiron und Caliban zu verdanken hatte. Candy fing den dunklen Blick von Callisto auf, die ihr genau gegenüber saß. Sie verriet mit keiner Regung, wie sehr sie der Verlust von ihren früheren Untertanen schmerzte. Sie saß aufrecht da und trug die inzwischen verblassenden Blessuren des Kampfes mit stolzerhobenem Haupt. Sie hatte wohl ihr altes Gesicht wieder angenommen, wie Candy vermutete, weil sie keine Augenklappe mehr trug. Ihr getreuer Gefolgsmann Masque hatte ihr Aussehen auf ihren Wunsch etwas verzerrt, damit die extrem mutierten Morlocks sie besser akzeptierten. Dabei war sie mit ihrer karamellfarbenen Haut und den blitzenden, schwarzen Augen eine ziemliche Schönheit, die sich weder hinter Storm noch Phoenix verstecken mußte. Candy fand, daß man es ihr hoch anrechnen mußte, wie sehr sie in ihrer Aufgabe aufgegangen war. obwohl ihr in der oberen Welt wohl alle Türen offen gestanden hätten, hatte sie den unbequemen Weg gewählt, sich für andere aufzuopfern und sie zu beschützen. Candy erhob sich entschlossen von ihrem Herrschersitz und ging langsam auf ihre einstige Rivalin zu, die mit keiner Wimper zuckte. Callisto würde sie vielleicht niemals mögen, aber sie war sich sicher, daß sie sich heute Nacht ihren Respekt verdient hatte. „Keinen der Ratsmitglieder wird es wirklich überraschen, daß ich hiermit mein Amt niederlege, und es seiner rechtmäßigen Besitzerin zurückgebe!“, erklärte sie mit erhobener Stimme und blieb vor Callisto stehen, um ihr eine Hand in freundschaftlich gemeinter Geste auf die Schulter zu legen. „Deine Leute brauchen dich mehr denn je… Es war nie vorgesehen, daß ein Außenstehender deinen Platz einnimmt… Du weißt doch, warum ich es getan und warum ich ihn bis heute behalten habe? Außerdem könntest du mich gleich jetzt herausfordern und mit Leichtigkeit besiegen. Ich schaffe es bestimmt nicht, dich noch einmal zu überlisten! Du hättest doch dasselbe getan, wenn Du einen deiner Leute hättest retten wollen, oder Callisto? Bitte?“ Atemlose Stille senkte sich über den Raum und auch Candy hielt die Luft an, weil sie ahnte, wie sehr sie den Stolz der Frau verletzt haben mußte. Immerhin war sie jahrelang ungeschlagen gewesen. Callistos rechter Mundwinkel zuckte, doch dann fror ihr Gesicht wieder ein, so daß man ihre Gedanken nicht daran ablesen konnte. Nicht so wie bei ihr, der man ihre Aufregung wohl an der Nasenspitze ansah. Callisto sprang so schnell auf die Füße, umfaßte ihre freie Hand und zog sie eng zu sich heran, daß sie nur perplex nach Luft schnappen konnte. Callisto war unheimlich schnell in ihren Reflexen! „Dein Glück, Remedy! Ich hätte dich zu gerne herausgefordert! Du hast mir echt den Spaß verdorben…“, flüsterte sie in ihr Ohr, wobei der Druck ihrer rechten Hand fester wurde und ihre Linke sich schwer auf ihre Schulter senkte. Laut sagte sie: „So soll es sein! Ich spreche im Namen aller Morlocks meinen tiefsten Dank für die Hilfe aus, die uns die X-Men haben zukommen lassen! Und hoffe, daß die Zusammenarbeit künftig ebenso reibungslos verlaufen wird wie am heutigen Tag! Damit das gegeben ist, ernenne ich Chira, Tochter des Heilers, hiermit zum ständigen Ratsmitglied der Morlock!“ Zustimmendes Gemurmel erhob sich und Candy blinzelte überrascht von den Worten zu der jungen Frau auf, die sie damit ganz schön überrumpelt hatte. Callisto grinste breit und klopfte ihr irgendwie anerkennend auf die Schulter, so daß sie den Händedruck und das Lächeln erleichtert erwiderte. „Es wird mir eine Ehre sein, diese Aufgabe zu erfüllen!“, antwortete Candy der Feierlichkeit der Situation angemessen und suchte dann Logans Blick, dessen stolzer Ausdruck sie mit einer angenehmen Wärme erfüllte. Sie hatte richtig entschieden und es in seinen Augen bestätigt zu sehen, beruhigte sie ungemein, weil sie sehr viel Wert auf sein Urteil legte. In der plötzlich gelösten Stimmung fiel zuerst nicht auf, daß Remy sich von den X-Men zurückgezogen hatte, um sich auf die andere Seite des steinernen Halbkreises aufzustellen. „WAS…?!“, rief Logan irritiert aus, dem der beißende Geruch zuerst in die Nase stieg, weil sie viel feiner als die der anderen war, dann stand der Berg der aufgetürmten Toten auch schon in Flammen. Candy wollte erschrocken zurückweichen, doch Gambit setzte in einem unglaublich agilen Salto über die brennenden Leichen hinweg, kam neben ihr auf und packte sie unsanft am Arm, um sie dann umbarmherzig mit sich zu zerren, obwohl sie sich gegen ihn stemmte. Vergebens. „Laisse-moi, immédiatement, ballot! Was soll der Unsinn, Remy?!“, fauchte Candy wütend und versuchte, ihr Handgelenk aus seinem Griff zu zerren. (Laß mich sofort los, Idiot) Er konnte doch nicht ernsthaft meinen, diese Nummer noch einmal mit ihr abziehen zu können?! Fortsetzung folgt… Kapitel 29: The X-Men Strike Back, Part Three --------------------------------------------- ° ° ° Plötzlich knallte Remy gegen ein unsichtbares Hindernis, gegen das sie dann auch geschleudert wurde, weil sie einfach zu viel Schwung hatte, den sie nicht mehr zu kontrollieren vermochte. Der Griff seiner Hand ließ nach und sie fiel einfach zu Boden, weil sie von dem Schlag gegen die Stirn lauter blinkende Sternchen sah. Noch bevor sie überhaupt reagieren konnte, war sie von unsichtbarer Hand von Boden gehoben worden und landete in Logans festem Griff, wo ihr dann klar wurde, daß Merveille wohl das Hindernis aufgebaut hatte und Jean sie mittels ihrer telekinetischen Kräfte aus der Gefahrenzone gebracht hatte. Madame Mèmènes Nichte war eigens aus New Orleans angereist, um sich für die Hilfe der X-Men zu revanchieren, nachdem sie von ihrer Tante durch deren Visionen erfahren hatte, daß Candy und ihre Freunde in großer Gefahr schwebten. Sie hatte sogar Hilfe mitgebracht. Soleil Rozier, ihren Ehemann, der neben seiner Frau stand in einem dunkelbraunen bodenlangen Gewand und die gespreizten Hände anhob, in deren Mitte unheimlich helle Energiekugeln brannten. Kleine Sonnen, wenn man es genau nahm, weshalb er auch Soleil* genannt wurde, obwohl seine Haut so schwarz wie die Nacht war. (*franz. = Sonne) Candy suchte Remys Blick, weil sie sich sein Verhalten nicht erklären konnte, er hatte sich inzwischen zu ihnen umgedreht, mußte aber feststellen, daß Merveille einen Käfig um ihn errichtet hatte, aus dem es selbst für ihn kein leichtes Entkommen geben würde. „C’est pas Remy!“, entfuhr es ihr überrascht, weil seine Augen vollkommen rot waren. Es fehlte die Schwärze, die seine Pupillen sonst umgab. (Das ist nicht Remy) Deshalb war er ihren Blicken ausgewichen und war auch viel zu spät auf der Bildfläche erschienen, als die Leute, die ihn am besten kannten, schon viel zu sehr damit beschäftigt waren, die Angriffe der Marauders abzuwehren! Soleil schnaubte verächtlich und schoß zwei Energiebälle in die Richtung des Hochstaplers, so daß der Käfig aus erstarrter Luft nun für alle sichtbar wurde. Er war in einem gleißenden Lichtkegel gefangen und man hörte ihn ungehalten aufschreien, als er mit der Hand die Wand berührte, was ihm eine schwere Verbrennung eintrug. Dann erfüllte ein leises Lachen den Raum und als der nur noch als Schatten auszumachende Gegner im Lichtkegel die Arme ausbreitete und direkt in das gleißende Licht griff, wussten sie, daß er nicht so einfach zu schlagen sein würde. „ALLE AUF DEN BODEN!“, schrie Scott warnend, kurz bevor der Raum von einer Erschütterung erfasst wurde und die Energie der kleinen Sonnen durch eine Sprengung der festgefrorenen Sauerstoff-Moleküle sich explosionsartig verteilte und lauter kleine, siedend heiße Kügelchen über ihre Köpfe hinweg schossen, die sonst ihre Körper penetriert hätten. Jean und Iceman verhinderten das Schlimmste, weil sie die Energiestrahlen von ihnen abwendete und sie dann zu Eis erstarrt wurden, so daß ein kleiner Schauer von Hagelkörnern auf die am Boden kauernden Morlocks und X-Men regnete. Robert löschte auch das Feuer, in dem die Toten gerade zu Staub zerfielen, obwohl auch danach der Gestank von verbranntem Fleisch immer noch schwer in der Luft hing und das Atmen beinahe unerträglich machte. Scott war auf die Füße gesprungen und stellte sich dem Mann in den Weg, den er gleich erkannt hatte, nachdem er die Sinnestäuschung nicht mehr aufrecht erhielt und wohl seine wahre Form angenommen hatte. Ein Hüne mit einem teuflischen Grinsen in dem eigentlich attraktiv geschnittenen Gesicht, das durch seine fahle Blässe trotzdem abstoßend wirkte. Seine Augen wirkten, als wären sie blutgefüllte Kugeln, da man keinerlei Pupille erkennen konnte. „WO – IST – MEIN – BRUDER?!“, verlangte der Anführer der X-Men mit gepresster Stimme zu wissen, die vor unterdrücktem Zorn bebte. Logan stellte Candy vorsichtig auf ihren Füßen ab und schob sie an den Schultern sanft zur Seite direkt in Hanks Arme, bevor er sich daran machte, Scotts Rücken zu stärken, da er sich an den Kerl erinnerte, dem sie vor Jahren in der Einöde des mittleren Westens begegnet waren. Für seinen Geschmack hatte der Schleimscheißer ein paar Leben zu viel und Tricks auf Lager, die ihm gar nicht gefallen wollten. Außerdem hatte er sich an Candy vergriffen, was Logan auf keinen Fall auf sich beruhen lassen würde. Seine Klauen schossen zwischen den Knöcheln hervor, bereit, sie dem Arsch auf zwei Beinen in die Eingeweide zu rammen und wenn es Tage dauern sollte, bis der Typ endlich krepierte. „Hast Du wirklich gedacht, daß mich ein kleiner Dieb arglistig zu täuschen vermag, Scott?“, kam die spöttische Antwort von Mr. Sinister, der sich in keinster Weise von den anwesenden Mutanten bedroht zu fühlen schien. Er hatte ja schon bewiesen, daß er sich gegen Angriffe wirkungsvoll zur Wehr setzen konnte. Wohl auch gegen die Telepathen im Raum, die ihn sonst schön längst schachmatt gesetzt hätten. Candy kuschelte sich unwillkürlich enger an Hanks überdimensional breite Brust, als Mr. Sinister zur Seite trat, um sie direkt anzusehen. Als Logan ihm die Sicht nehmen wollte, indem er ebenfalls zur Seite wich, wurde er von einer Druckwelle erfasst, die ihn von den Füßen fegte und wohl unwillkürlich an der Wand hätte aufkommen lassen, wenn Jean seinen Flug nicht aufgehalten hätte, wo er mit einer geschickt gedrehten Schraube wieder auf die Beine kam. „Scott sieht seinen Bruder vielleicht wieder, wenn Du mich begleitest, Chira!“, sprach der Mann sie mit dröhnender Stimme an, die ihr eine Gänsehaut bescherte, weil er damit den gesamten Raum auszufüllen schien. Er sah aus wie ein Mensch aus Fleisch und Blut und wirkte doch leblos und völlig seelenlos wie eine Maschine. Einfach furchterregend. Noch bevor sie vehement verneinen konnte, weil sie ihm keinen Meter traute, traten der Heiler und der Professor vor den Mann, so daß sie neben Scott zum Stehen kamen und so eine für jeden anderen unüberwindbare Mauer bildeten. Würde sie auch gegen Mr. Sinister standhalten können? „Ich fürchte, daß Remedy Ihrem Vorschlag in keinem Fall Folge leisten wird, Dr. Essex!“ Charles sprach mit ruhiger, voller Stimme, die jedoch einen warnenden Unterton nicht ganz verbergen konnte. Der Angesprochene lächelte bösartig und wandte sich mit einem Ausdruck des Erstaunens an Xavier, von dem er wohl nicht erwartet hatte, mutig genug zu sein, um sich mit ihm anzulegen. „Es ist doch nur zu ihrem Besten, verehrter Professor! Sie dient unserer Spezies, wenn sie sich mit dem richtigen Mann verbindet… Fragen Sie Cyclops und Phoenix… So furchtbar kann es doch gar nicht sein… Remy ist jedenfalls ein angenehmerer Gefährte als dieser blasse Waschlappen, den man ihr hier zugedacht hatte!“ Candy sandte Caliban einen entschuldigenden Blick zu, doch der hatte die Augen haßerfüllt auf den Fremden gerichtet, so daß sie hoffte, er würde sich nicht auf ihn stürzen. Es tat ihr weh, daß man seine Gefühle so mit Füßen trat. Er hatte sich als guter Freund und auch noch Lebensretter erwiesen. Sie hätte sich am liebsten entschuldigt, weil es ihr vorkam, als wäre sie daran schuld, daß er immer wieder das Ziel von völlig unverdientem Hohn wurde. „Weder die Morlocks noch die X-Men werden Ihre Versuchkaninchen werden… Remedy hat ihre Entscheidung bezüglich Remy LeBeau völlig vorurteilslos schon vor Jahren getroffen. Sie haben Ihre Antwort!“, übernahm zu Candys Erleichterung der Professor für sie das Wort. Sie hatte keine Ahnung, was sie diesem Verrückten antworten hätte sollen, außer vielleicht: Bist Du total übergeschnappt?! „Vielleicht sollten Sie Chira sprechen lassen? Was, wenn ich ihr sage, daß sie den guten Gambit dann nie wieder sieht?“, antwortete Mr. Sinister völlig ungerührt und stemmte die mächtigen Arme in die Seiten, wobei er über den Kopf des Professors hinweg den anderen X-Men herausfordernde Blicke zuwarf. Oh, nein!, dachte Candy bestürzt und zuckte betroffen zusammen, als ihr einfiel, wie Remy damals in ihrer New Yorker Wohnung aufgetaucht war. Beinahe totgeschlagen von dem Teufel in Menschengestalt. Und das war er wirklich, ein sadistisches, gefühlloses Monster! Sie hätte ihn am liebsten angeschrieen, doch sie brachte keinen Ton heraus. Nur eine einzelne Träne rann über ihre blasse Wange. Sie konnte ihre Sorge um Remy eben nicht völlig verbergen, sie war doch nicht aus Eis. „Vous êtes un gueulard comme toujours, mon cher ami!”, sagte eine flüsternde Stimme hinter ihnen und dann brach die Hölle los. (Sie sind wie immer ein Großmaul, mein lieber Freund) Als hätten sie nur darauf gewartet, daß jemand den Befehl zum Angriff gab, stürzten sich X-Men und Morlocks mit vereinten Kräften auf den weit gefährlicheren Feind, der die ganze Bande der Marauders locker übertraf. Iceman fror Mr. Sinister ein, so daß er zur Eisskulptur erstarrte und Remy lud ihn mit großer Energie auf. Phoenix warf ihn Kraft ihrer Gedanken in den nächsten Tunnel und dann detonierte die Eisbombe mit einem ohrenbetäubenden Knall. Logan, Scott, Kurt, Caliban und Hank machten sich an die Verfolgung, und Gambit wollte ihnen hinterher, schwankte jedoch und stürzte dann auf die Knie, um sich dann mit beiden Händen am Boden abzustützen und keuchend nach Atem zu ringen. Remedy eilte sofort an seine Seite und ging neben ihn auf den Boden. „Merde… Hilf mir… aufstehen!“, japste Remy und schaffte es kaum, den Kopf in ihre Richtung zu drehen. Sein Gesicht war schweißüberströmt, aber das war es nicht, was Candy erschrocken nach Luft schnappen ließ. Man hatte ihn übelst zugerichtet, schlimmer als das letzte Mal. Seine Lippe war aufgeplatzt und geschwollen, seine sonst so attraktiven Gesichtszüge waren von Hämatomen und weiteren Schwellungen dermaßen verzerrt, so daß er kaum aus den Augen sehen konnte. „Ich… muß… den grand con… erledigen…“ (Riesenarsch) Candy schüttelte nur den Kopf, weil Remy beim Sprechen Blut spuckte und nicht in der Verfassung war, sich Mr. Sinister erneut in den Weg zu stellen. Der letzte Energieausstoß hatte ihm scheinbar den Rest gegeben. „Peter! Hilf mir, den Mann umzudrehen! Ich krieg das nicht alleine hin!“, bat sie ihren Teamgefährten und Colossus kam zu ihnen, wo er Gambit auf den Rücken drehte, als wöge er nichts. Remy stöhnte und hustete dann weiter Blut, das bestimmt von seinen inneren Verletzungen herrührte. Candy umfaßte sehr vorsichtig sein geschundenes Gesicht mit beiden Händen und schloß die Augen, als sie die Wucht seines Leidens traf. Er war kaum fähig gewesen, bis hierher zu kommen, es war ein Wunder, daß er nicht einfach auf der Stelle tot zusammen gebrochen war. „Ah… C’est si bon…“, flüsterte Remy erleichtert, als seine inneren Verletzungen heilten und ihm dadurch der größte Schmerz genommen wurde. (Das ist so gut) „Mon Dieu, Remy!“, entfuhr es Candy, als ihr klar wurde, warum es ihm so schlecht ging. Sie hätte gleich darauf kommen sollen, daß Mr. Sinister seinen „zweitliebsten Zuchthengst“ nicht völlig zerstören würde, indem er sein Leben riskierte. Ihr Kopf ruckte zu Jean herum, der Scott befohlen hatte, sich zum Wohle ihres Babys aus dem größten Getümmel herauszuhalten. „Hast Du noch eine Spritze mit dem Gegenmittel? Dann schnell her damit! Remy ist beinahe schon in das Endstadium von Legacy übergetreten!“, erklärte sie machte eine ungeduldig fordernde Bewegung mit ihrer Hand. Alle X-Men waren gegen das gefährliche Virus geimpft worden, sie trugen das Gegenmittel aus Sicherheitsgründen bei sich, weil die Massenherstellung nicht so einfach war, wie sie sich das gewünscht hatten. Zuerst wurden damit die Infizierten behandelt, weil sie im letzten Stadium nicht mehr heilbar waren. „Du hast das gemacht, bevor Du gegangen bist, nicht wahr Remy? Du hättest sterben können!“, warf Candy ihm vor, obwohl er nicht darauf reagierte, während sie seinen Ärmel hoch schob und ihm die intravenöse Injektion setzte. Er hatte sich mit dem Wissen von ihr verabschiedet, daß in ihm das Virus sich rasend schnell ausbreiten würde. Je mächtiger ein Mutant, desto schneller ging es mit der Ausbreitung im Organismus. Mr. Sinister war leider ein viel zu brillanter Wissenschaftler! „Ich wusste, Du würdest um mich weinen!“, gab Remy zur Antwort und schlug die Augen auf, die von dunklen Schatten unterlegt waren. „No risk, no fun… Ohne die kleinen Scheißerchen in meinem Blutkreislauf wäre ich ihm niemals rechtzeitig entkommen! Du warst meine Rückversicherung, ma belle!“ (meine Schöne) Candy schnaubte unbeeindruckt und setzte die Heilung mit einem pikierten Gesichtsausdruck fort, weil sie ihm dafür gerne eine geknallt hätte, aber leider nicht zu sadistischen Praktiken tendierte. „Merveille, Soleil? Kümmert ihr euch um ihn? Er wird sich noch ziemlich wackelig auf den Beinen fühlen! Es dauert bestimmt ein oder zwei Tage, bis er wieder er selbst ist!“, bat sie das Ehepaar aus New Orleans, die sich große Sorgen um ihren alten Freund machten, auch wenn er einem ziemlich auf die Nerven gehen konnte. Es gab immer wieder Sternstunden, die einen seine schlimmsten Aussetzer vergessen ließen… Von ihr unbemerkt war der Professor an ihre Seite gefahren und nahm ihre Hand in seine, als sie sich wieder vom Boden erhoben hatte. Candy erwiderte den Druck seiner Hand und blinzelte gerührt, seine aufmunternden Worte inmitten dieses Alptraums zu hören. Er strahlte eine solche Ruhe aus, daß sie unwillkürlich wusste, den anderen war nichts passiert. Der Professor hatte auch vorhin Verbindung mit allen am Einsatz beteiligten Personen gehalten, so daß er seine Leute je nach Bedarf koordinieren konnte. Alle Augen richteten sich auf die fünf Männer, die Mr. Sinister nachgegangen waren, um sich von seinem Tod zu überzeugen, als sie von ihrer Verfolgung zurückkamen. Remy, der sich schwer auf seinen alten Freund Soleil stützte, verzog grimmig das Gesicht, als er sie mit leeren Händen dastehen sah. „L’enculé a filé la marche à l’anglaise, n’est-ce-pas? Quel putain de saloperie…“, fluchte er ungehalten. (Das Arschloch hat sich verdünnisiert, nicht wahr? Was für eine Riesenschweinerei) Logan räusperte sich, weil er befürchtete, daß die Schimpferei endlos weiter gehen und noch viel schlimmer werden würde. An und für sich hatte er ja einen ähnlichen Wortschatz, allerdings fühlte er in letzter Zeit weit weniger den Drang, sich derartig fluchend Luft zu machen, wenn er nicht gerade Todesängste um Remedy ausstand. Scott übernahm als Anführer das Wort: „Du sprichst mir aus der Seele, Remy! Wenigstens in diesem Punkt sind wir uns ähnlich… Es scheint, daß nicht einmal die komplette Desintegration durch die Explosion Mr. Sinister hat umbringen können. Wir konnten nichts finden, was auf seinen Tod hinweist… Er hat wohl die Fähigkeit, sich bis zur molekularen Ebene aufzulösen, wenn ich raten müsste. Alles Weitere in der nächsten Teamsitzung, wir sind hier unten noch nicht fertig! Gehen wir an die Arbeit!“ Das waren keine guten Nachrichten, aber vorerst hatte ihr Gegner hoffentlich genug angerichtet und würde sich in Zukunft von den X-Men und den Morlocks fernhalten. Jetzt ging es darum, sich um die Verletzten zu kümmern und ein wenig Aufräumarbeit zu leisten, die sicherlich noch Wochen andauern würde. Wenigstens hatten sie einen kleinen Sieg errungen und die unterirdische Kolonie von Mutanten gerettet… ~ ~ ~ Nach der Behandlung der akuten Fälle hatte der Professor bestimmt, daß sie eine Pause benötigte und war gemeinsam mit ihr, Jean, Remy und dem Ehepaar Rozier im X-Men-Hubschrauber zurück in die Mansion geflogen, den Xavier selbst flog, weil Jean ihn einfach mittels Telekinese in den Flieger heben konnte. Hank war als Arzt bei den Morlocks zurück geblieben, falls sich Komplikationen einstellten, die er gemeinsam mit Chiron behandeln konnte. Der Horizont verfärbte sich schon leicht rosa, die Sonne würde bald aufgehen, und als sie das Grundstück der Xavier Mansion überflogen, wurde das Gebäude mit einem zartroten Schimmer überzogen, das ihm ein beinah magisches Aussehen verlieh. Endlich daheim! Candy wünschte sich, sie hätte ihren Fotoapparat dabei, selbst wenn sie Bilder der Schule aus Gründen der Geheimhaltung niemals veröffentlichen würde. Die Seniors bildeten wie erwartet ein besorgtes Empfangskomitee, das ihnen gespannt entgegensah. Allerdings hielten sie sich zurück und zeigten ihren Gästen die Unterkünfte, damit sie sich in Ruhe zurückziehen konnten. Rahne hatte im Zimmer der Roziers auf die Rückkehr der Eltern gewartet, weil sie die letzte Schicht als Babysitter für deren kleine Tochter, Shadé, übernommen hatte, die sie mit nach Westchester gebracht hatten. Unter anderem auch deshalb, um jetzt schon feststellen zu lassen, ob sie später ebenfalls Fähigkeiten entwickeln würde. Ihre zukünftige Schule stand dann schon mal fest, wenn das Testergebnis positiv sein würde. Candy hatte sich beim Anblick der süßen Shadé mit den großen Kulleraugen und der milchschokoladefarbenen Haut zum ersten Mal Gedanken darüber gemacht, daß sie selbst gerne einmal Mutter werden würde… Und sich dabei ertappt, daß sie absolut nichts gegen einen kleinen Vielfraß aus eigener Produktion haben würde. An der Stelle hatte sie sich dann lieber selbst gebremst, bevor ihre Hormone noch mit ihr durchgingen. Immer einen Schritt nach dem anderen, Kinderplanung stand noch nicht auf ihrem Lebensplan. Sie war sich sicher, daß sie Logan damit nur unnötig scheu machen würde. Das musste nicht sein, wenn sie es selbst noch nicht richtig ernst meinte. Als Candy die Umkleide verließ, wo sie eine schnelle Dusche genommen und zivile Klamotten übergezogen hatte, wäre sie beinahe in Psi hineingelaufen, weil sie nicht auf ihre Umgebung geachtet hatte. Inzwischen fand sie sich in dem Labyrinth der röhrenartigen Gänge bestens zurecht und mußte nicht ständig nach dem Weg fragen. „Hey, Frank… Ich dachte, ihr würdet jetzt alle erleichtert ins Bett fallen“, meinte Candy mit einem kleinen wissenden Lächeln. Sie meinte das nicht ernst, da sie sich vorstellen konnte, daß die Kids auf glühenden Kohlen gesessen hatten. Die ganze Bande hatte strengstes Ausgehverbot erhalten und Logan hatte mit drakonischen Strafen gedroht, falls sie sich heute Nacht in den Tunneln der Morlocks blicken lassen würden, weil die Marauders diesmal echt sein würden und keine Hologramme, die man abschalten konnte, wenn es zu gefährlich wurde. Psi warf ihr einen treuherzigen Blick aus seinen großen, babyblauen Augen zu, der sie beinahe überzeugte, dann mußte sie aber lachen, was irgendwie befreiend wirkte, nachdem sie so lange so viele fremde Emotionen und Schmerz verarbeitet hatte. „Wir haben Frühstück vorbereitet, die anderen warten schon am gedeckten Tisch oben in der Küche… Oder haben Sie gar keinen Hunger, Miss G.?“ „Das fragst Du nicht im Ernst, oder Psi? Wenn ihr auch noch Zimtschnecken gebacken habt, dann werde ich mir überlegen, euch einen kleinen Einblick in den Einsatz zu geben! Aber ihr dürft mich danach nicht verraten! Logan würde auch nicht davor zurückschrecken, mich zur Strafe aufzuspießen!“ Frank prustete los und tarnte dann seinen Heiterkeitsausbruch mit einem Husten. Candy betrat den Aufzug mit rollenden Augen, weil die Jugend aber auch wirklich aus dem harmlosesten Ausspruch etwas Schlüpfriges machen konnte. „Ihr seid ja alle ziemlich gut drauf… Ich dachte, ihr würdet hier während der Warterei durchdrehen und dann doch einen Ausbruchsversuch wagen!“ Candy warf dem Jungen, oder vielmehr dem jungen Mann, einen schrägen Blick zu, den er mit einem Augenzwinkern erwiderte. „Sie kennen uns zu gut! Ich hab den anderen Entwarnung gegeben, Miss G., ich hatte mal wieder einen Traum, der etwas ausführlicher war… Ich glaube, der mentale Block des Professors lässt langsam nach. Die Sitzungen bei ihm werden auch immer intensiver. Auf jeden Fall war es ziemlich beruhigend, den ungefähren Ausgang zu wissen!“, gab Frank freimütig zu, weil er wusste, daß er sich auf die Verschwiegenheit seiner Lehrerin verlassen konnte. „Wow! Ich wusste nicht, daß es schon so bald passieren würde! Du hast hoffentlich keine Einzelheiten gesehen?“, hakte Candy besorgt nach, weil es ja einige Tote gegeben hatte. Das sollte Frank ihrer Meinung nach lieber nicht sehen, so daß sie seine Eltern gut verstehen konnte, die den Professor ja gebeten hatten, Psi’s Fähigkeiten zu unterdrücken, bis er alt genug geworden wäre, mit den ganzen Bildern fertig zu werden. Sie verließen den Aufzug im Erdgeschoß und Frank hielt sie auf, indem er sich ihr in den Weg stellte und ihre Oberarme sanft umfaßte. Candy sah überrascht zu ihm auf, weil ihr gerade klar wurde, daß er wirklich kein Junge mehr war. Man hatte ihm nur genug Zeit gelassen, äußerlich zu wachsen. Innerlich waren die meisten Kinder durch ihre vorwiegend traumatischen Erfahrungen hier schon lange erwachsen geworden. „Oh, doch! Ich habe Details gesehen… Aber nicht von heute Nacht. Von der Zukunft, Miss G.! Ich könnte Ihnen Dinge erzählen… Großartige Dinge! Aber ich weiß, daß Sie es lieber hätten, wenn Sie es vorurteilsfrei erleben, was noch kommt… Aber, psssst… Eine kleine Sache kann ich verraten…“ Frank beugte sich zu ihr runter, weil er zwar jünger aber viel größer war, und flüsterte etwas in ihr Ohr, was ihre Wangen zum Glühen und einen ziemlich überwältigten (wenn nicht gar dummen) Ausdruck auf ihr Gesicht brachte. „Oh, Frank! Du weißt, was man einer Frau ins Ohr flüstern muß, um sie glücklich zu machen! Danke!“ Candy ging auf die Zehenspitzen, schlang ihre Arme um seinen Hals und drückte einen dicken Schmatzer auf seine Wange, womit sie ihn zum Glühen brachte und es so nun zu einem Ausgleich zwischen ihnen gekommen war. Dann hakte sie sich bei ihm ein und zog ihn in Richtung Küche, wo die anderen schon auf sie warteten. Es war einfach wunderbar, Teil dieser großen Familie zu sein, die wie Pech und Schwefel zusammen hielt. Mr. Sinister war ein Idiot, wenn er seinen Hirngespinsten hinterher jagte und sein schier unendliches Leben auf diese Weise vergeudete. Er würde niemals erfahren, was Liebe, Glück oder Geborgenheit bedeuteten und er würde niemals verstehen, daß er nicht dagegen ankommen würde. Nicht gegen diese Familie! Niemals! Epilog folgt… Epilog: Closure --------------- Einen Monat später… Kanadische Wildnis, Provinz Alberta Der frisch gefallene Schnee knirschte leise unter dem schweren Tritt des Mannes, der nur eine Lederjacke über einem karierten Holzfällerhemd trug und dennoch nicht den Eindruck erweckte, daß er fror. Die Sonne war eben erst aufgegangen, so daß die unbefleckte Schneedecke in ein warmes, orangerotes Licht getaucht wurde. Die Frau, die neben ihm durch den Schnee stapfte, war in einen dicken Winterparka gehüllt, dessen Kapuze mit Fell verbrämt war. Sie trug im Gegensatz zu ihm Handschuhe und wattierte Stiefel, die der durchdringend kalten Nässe trotzen konnten. „Logan? Kannst Du mir nicht endlich erklären, was wir hier wollen? Ich dachte, ich soll eine kurze Auszeit nehmen, um mich von dem Streß der letzten Wochen zu erholen!“, fragte die junge Frau, deren Nasenspitze schon leicht rötlich anlief, in einem ungehaltenen Ton, wobei sie ihren Begleiter an der Hand zog, der jedoch keine Anstalten machte, seinen strammen Marsch zu unterbrechen. Die kleinen Atemwolken, die sie in kurzen Abständen ausstieß, ließen in ihr gerade den Vergleich mit einer dampfenden Lokomotive durch den Kopf gehen, die bei dem Tempo sehr bald schlapp machen würde. „Es dauert nicht mehr lange, Candy! Ich wollte dir unbedingt etwas zeigen… Danach gehen wir, wohin Du auch willst! Ich weiß, daß es ein wenig ungemütlich ist!“, antwortete Logan, ohne sich wirklich für die Unannehmlichkeiten der Reiseumstände zu entschuldigen. Das hatte Candy auch gar nicht erwartet. Eigentlich tat es ihr ganz gut, von der Wildnis und der Natur eingehüllt zu sein. Weit weg von allem, als wären sie auf einem anderen Planeten. Die winterliche Pracht hatte sie in der Großstadt nicht auf diesen überwältigenden Anblick vorbereiten können. Dieses strahlende Weiß war beinahe blendend und so allgegenwärtig. Es waren wirklich anstrengende Wochen gewesen, in denen sie den Morlocks geholfen hatte, die Kranken zu versorgen, die bei ihnen Zuflucht suchten, weil sich das Legacy Virus immer noch in der Bevölkerung der Mutanten ausbreitete. Hank hatte mit Hilfe ihrer Tränen an einem Gegenmittel gearbeitet, allerdings hatte es bis zum Erreichen dieses Zieles einige betrübliche Verluste gegeben. Das Virus war höchst ansteckend und nach Erreichen des dritten Stadiums nicht mehr heilbar. Sie selbst war dagegen vollkommen immun, nachdem sie ihm ein einziges Mal ausgesetzt gewesen war, aber selbst zu überleben und anderem beim Sterben zusehen zu müssen, war eine ziemlich niederdrückende Erfahrung. Candy hielt überrascht inne, als sie den Wald verließen, durch den sie bisher gestakst waren. Sie gähnte müde, weil sie als Stadtmensch nicht so tief schlafen konnte, wenn sie draußen in den Wäldern hauste, in denen sie Wölfe jaulen hörte. Hier gab es bestimmt auch Bären und selbst in Logans Begleitung verursachten ihr die Geräusche der (un)stillen Nacht eine Gänsehaut, sie konnte gar nichts dagegen tun. „Das ist ja eine Geisterstadt!“, rief Candy erstaunt aus und starrte auf die verfallenen Holzgebäude, die im Laufe der Jahre verwittert und in sich zusammengefallen waren. Logan drückte ihre Hand und führte sie weiter durch den Schnee, der sich auch auf die alten Ruinen gelegt hatte. Alte Holzgebäude, die aussahen wie die Kulissen aus einem Western. Fehlte nur noch, daß kreischende Geier darüber kreisten, obwohl sich die Viecher hier nur den Hintern abfrieren würden, ganz genau wie sie selbst. Allerdings entdeckte sie tatsächlich ein paar Spuren im Schnee, die wohl Tiere auf der Suche nach Nahrung hinterlassen hatten. Logan schien sich hier blind zurechtzufinden, denn er führte sie quer durch die Stadt, um dann ein eingefallenes Gemäuer zu umrunden, das wohl früher die Kirche am Ort gewesen sein mochte. Candy rann ein kalter Schauer über den Rücken, als sie erkannte, wohin Logan sie geführt hatte. Ein Friedhof. Das erinnerte sie stark an die Zeremonie, der sie vor drei Wochen beigewohnt hatte, auch wenn dies in einem völlig anderen Umfeld geschehen war. Marie und Robert hatten ihren alten Schulfreund, St. John Allerdyce, zu Grabe getragen, der schließlich doch dem Legacy-Virus zum Opfer gefallen war. Obwohl Pyro Rogue bei seinem Angriff vor ein paar Monaten schwer verletzt hatte, hatten die beiden ihm zu Ehren eine Trauerfeier arrangiert. Er war schließlich nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen, weil das Virus sich auch im Gehirn einnistete und dort die Kontrollmechanismen der Mutation außer Kraft setzte. Die Befallenen wurden unberechenbar, aggressiv und töteten schließlich jeden, der sich ihnen in den Weg stellte, bis ihr Körper innerlich regelrecht implodierte und sie tot zusammenbrachen. Eine schreckliche Art zu sterben, ausgedacht von einem abscheulichen Wissenschaftler, der mit den Genen der Menschheit herum experimentierte, als wäre ein Möchtegern-Gott, der die Welt nach seinen Regeln neu erschaffen wollte. Ein neu entdeckter Feind der X-Men, den sie bis aufs Blut bekämpfen würden. Logan führte sie mit schlafwandlerischer Sicherheit zu einer bestimmten Stelle, wo der Schnee vollkommen unberührt lag, den er mit bloßen Händen fort wischte, nachdem er ihre Hand losgelassen hatte. Darunter kam eine Schieferplatte zum Vorschein, auf der verblasste Buchstaben eingemeißelt waren, die früher wohl mit Goldfarbe ausgemalt gewesen sein mußten, wenn Candy das Glitzern in ein paar Lettern richtig deutete. Sie kniff die Augen zusammen und versuchte, die den Buchstaben einen Sinn zu geben. „Grace Edmonton, born 25.04.1884, died 18.11.1937“ Mehr stand dort nicht zu lesen. Kein Spruch, der sie als geliebte Tochter oder treue Ehefrau auswies. Candy fand das zu traurig, obwohl sie die Frau ja gar nicht gekannt haben konnte. Und dann verstand sie, daß es Logan war, der die Trauer empfand, als er nämlich wieder ihre Hand nahm, wurde das Gefühl stärker, obwohl sie noch durch den Handschuh getrennt waren. Er mußte seine Empfindungen im Moment total offen nach außen dringen lassen, wie er es sich nur sehr selten erlaubte. „Beinahe die ganze Stadt erlag damals einem schweren Fieber… Diejenigen, die überlebten, packten ihr Hab und Gut und machten sich davon… Sie dachten, das hier wäre ein verfluchter Ort. Die meisten habe ich selbst beerdigt, einen nach dem anderen. Zuerst mit Hilfe des Reverends, dann allein, als auch er elendig an dem Fieber krepierte. Gracie war eine der Ersten… Weißt du, Candy… Sie war meine Frau. Auch wenn sie niemals meinen Namen getragen hat, weil ich ja keinen anzubieten hatte. Sie wusste, daß ich sie überleben würde… Was sie nicht wusste, war, daß ich kaum mit ihrem Verlust fertig geworden bin. Ich blieb solange hier, weil ich die Hoffnung hatte, daß mich das Fieber vielleicht doch noch killen würde! Schließlich sah ich ein, daß ich nicht bleiben konnte, weil ich sonst wirklich verrückt geworden wäre… Ich zog in den Krieg und danach durch die Welt. Immer auf der Suche nach einem neuen Weg zu sterben. Ich weiß nicht mehr genau, was nach den Experimenten mit dem Adamantium kam, aber Gracie war der Grund, warum ich es riskiert habe!“, erzählte ihr Logan mit leicht belegter Stimme. Candy weinte für ihn, obwohl sie sich sicher war, daß er damals viele Tränen an ihrem Grab vergossen hatte. Die Geschichte war so bedrückend, daß es ihr das Herz für Logan zerriß. Jetzt verstand sie auch, warum er in Gefühlsdingen so reserviert war und sich am liebsten gar nicht dazu äußerte. Dann wurde ihr klar, was er da eben gesagt hatte. „Du warst im Zweiten Weltkrieg dabei?!“, fragte sie beinahe atemlos und starrte mit großen Augen auf die Jahreszahlen auf dem Grabstein. Das war doch vollkommen unmöglich! Logan stellte sich vor ihr auf und legte beide Hände auf ihre Wangen, die ihr sofort Wärme und Trost spendeten. Seine Augen waren tränenverhangen und so voller Gefühl, daß es ihr beinahe den Atem nahm. Er ließ sie daran Teil haben und das war eine wunderbar erfüllende Empfindung, auch wenn sie um seine nächsten Worte fürchtete. „Rogue… Sie hat mir geraten, dich nach deinem wahren Alter zu fragen, ich dachte sie macht Scherze! Aber das war ernst gemeint, nicht wahr?“ Logan schloß kurz die Augen und sah sie dann wieder mit diesem Ausdruck an, als hätte er Angst, ihr Schmerzen zu bereiten. Candy machte sich größte Sorgen, was nun kommen würde. „Nein, das war kein Scherz, ich bin etwa 120 Jahre alt. Das genaue Datum konnten wir nie ermitteln. Wahrscheinlich bin ich etwa um Grace’ Geburtsjahr herum auf die Welt gekommen. Meine Mutation verhindert, daß ich altere… Jedenfalls im Moment. Keiner kann sagen, wie lange dieser Prozeß aufrechterhalten werden wird! Ich wollte nach Grace nie wieder jemandem dermaßen wehtun… Es fiel ihr unendlich schwer, zu akzeptieren, daß ich niemals mit ihr alt werden würde. Das Leben hier war rau und beschleunigte den Alterungsprozeß nur. Es war mir nicht wichtig, weil ich sie wirklich geliebt habe… Aber mit den Jahren wurde es immer schwieriger. Ich bin Frauen danach aus dem Weg gegangen… Versteh mich nicht falsch, ich bin sicher kein Mönch gewesen, aber wie Du ja sehr gut weißt, sind Gefühle nicht nötig, um mit jemandem zu schlafen. Es ging einfach um die Triebbefriedigung. Und dann bist Du in mein Leben gestolpert! Ich wollte dich nach der Nacht nicht wieder sehen. Wenn nicht die Sache mit Marie passiert wäre, dann hätte ich es auch durchgezogen, aber ich konnte sie nicht einfach sterben lassen, wenn die Möglichkeit bestand, daß Du sie retten kannst!“ Candy nickte nur leicht, weil sie gerade keine Worte fand, ihm ihre Gefühle zu erklären. Es tat schon etwas weh, die Wahrheit so schonungslos zu hören, auch wenn sie es vorher schon gewusst hatte. Zusammen mit der Eröffnung darüber, daß Logan bereits vor über 70 Jahren eine Ehefrau zu Grabe getragen hatte, war das eine Aussage, die ihr ziemlich zu kauen gab. Es ging dabei nicht um unsinnige Eifersucht, zu der sie absolut keinen Grund hatte, sondern um die drohenden Konsequenzen für ihre aufkeimende Beziehung. „120 Jahre…“, wisperte Candy leise und kam sich auf einmal winzig und bedeutungslos neben ihm vor. Kein Wunder, daß er über ein so breit gefächertes Wissen in allen möglichen Bereichen verfügte, das sie immer wieder überraschte. Er hatte schließlich ein sehr langes Leben als Erwachsener zum Lernen nutzen können. Und jetzt verstand sie auch, warum er sich so gut mit Professor Xavier verstand, der ihm vom Alter her am nächsten kam. „Ist das vielleicht deine Art, mir schonend beizubringen, daß wir uns besser trennen sollen?“, hakte Candy nach, obwohl ihr die Worte beinahe in der Kehle stecken blieben und ihre Augen sich erneut mit Tränen füllten. „Oh, Candy!“, stöhnte Logan auf und lehnte seine Stirn an ihre, ohne ihrem Blick auszuweichen. „Um Gottes Willen, nein! Was wäre ich für ein Arsch, wenn ich dir das ausgerechnet hier antun würde! Ich muss dir aber wirklich etwas sagen… Schon seit Wochen, aber ich habe nie den Mut dazu aufgebracht. Hank sitzt mir deswegen im Nacken und auch Charles… Sie finden, daß Du stark genug bist, damit zurecht zu kommen, aber sie lieben dich auch nicht so sehr wie ich, so daß sie leicht reden haben!“ Candy blinzelte mehrmals und starrte sprachlos in Logans dunkelblaue Augen, deren Pupillen leicht geweitet waren. Sie konnte es nicht fassen, was er da eben gesagt hatte. „Oh, mein Gott, Logan!“ Sie räusperte sich, weil ihre Stimme beinahe wie ein ziemlich quietschiges Piepsen geklungen hatte. „Ist das wahr?! Oh… Logan… Ich… Du…“, stammelte Candy ohne jeglichen Zusammenhang und wurde endgültig ihrer Sprache beraubt, als sich Logans Mund auf ihren senkte, um sie zärtlich und ausgiebig zu küssen. Ihr Herz schien vor Freude bersten zu wollen. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn zurück, bis sie beide atemlos waren. Schließlich löste sie sich von ihm und trat einen Schritt zurück, um sich ein wenig zu fassen, weil sie schließlich ein ernstes Thema zu besprechen hatten, auch wenn sie am liebsten alles vergessen hätte, um ihn immer wieder sagen zu hören, daß er sie liebte. „Ich kann dir nicht versprechen, daß ich besser damit klar kommen werde als Grace… Ich kann mich sehr gut in sie hineinversetzen… Sie hat bestimmt schreckliche Angst gehabt, dich zu verlieren… Das ist nur zu menschlich. Ich hatte diese Angst auch so… Nachdem Remy zu uns gestoßen ist, obwohl ich gar nichts für ihn empfinde außer Freundschaft und wohl noch nie empfunden habe, weil er mich damals mit seinen Fähigkeiten um den Finger gewickelt hat, als ich es noch nicht besser wusste… Es ist auch so schwer genug, eine Beziehung zu führen, aber wenn noch solche Dinge wie Mutationen hinzukommen, dann kann es das einem beinahe unmöglich machen…“ Candy mußte nur an Marie und Rob denken, die endlich im nächsten Frühjahr heiraten würden, nachdem die Frist abgelaufen war, die Rogue ihrem Verlobten gesetzt hatte. Sie hatte sich selbst nicht getraut, ihre Fähigkeiten wirklich über einen längeren Zeitraum beherrschen zu können und sie wollte nicht dem Menschen damit schaden, den sie über alles liebte. Aber nun war seit über drei Jahren nichts passiert, was ihre Zweifel untermauern könnte, so daß sie endlich eingewilligt hatte, sich mit ihm zu verheiraten. „Candy… Du - bist - wie - ich! Verstehst Du mich?! Du bist eine Heilerin, deren Körper sich beständig selbst regeneriert! Hank hat doch Testreihen mit dir gemacht und auch Kulturen angelegt, um sie mit meinen zu vergleichen! Er wollte absolut sicher gehen, aber seit ein paar Wochen steht es fest, daß Du den Punkt erreicht hast, an dem Du eine lange Weile lang nicht weiter altern wirst!“ Das war ein wenig zu viel auf einmal, Candys Knie gaben unter ihr nach und sie fiel in den weichen Schnee, bevor sie der hinzu gesprungene Logan auffangen konnte. Er zog sie in seine Arme und drückte sie fest an sich, um ihr Halt zu geben, wobei er seinen Mund an ihre Schläfe drückte und ihr leise zuflüsterte, wie leid es ihm tat, daß er es ihr nicht hatte schonender beibringen können. Candy krallte sich indessen mit beiden Händen in den Stoff seines Hemdes und versuchte, ein wenig Ordnung in das Chaos in ihrem Kopf zu bringen. Sie würde also nicht weiter altern, genau wie Logan… „Hättest Du mir deine Gefühle eingestanden, wenn ich nicht so wie Du wäre?“, fragte sie schließlich, als ihre Stimme ihr wieder gehorchen wollte. Logan verzog den Mund, was Candy nicht sah aber an ihrer Schläfe spürte. „Ich weiß es nicht… Es hätte viel länger gedauert. Die Gefühle waren beinahe von Anfang an da. Es mag vielleicht daran gelegen haben, daß ich dich irgendwie erkannt habe… Ich kann es nicht genau erklären. Du hast mir auf jeden Fall Angst gemacht, wie Du einfach in mein Leben geplatzt bist und dich in mein Herz geschlichen hast. Ich dachte, wenn ich nicht weiter darüber rede, dann vergeht das Gefühl schon wieder. AU! Ja, schlag mich ruhig, ich hab das für diesen Schwachsinn verdient!“, lachte Logan leise auf, als Candy ihm ein paar mal in die Brust boxte, obwohl er es nicht einmal richtig spürte. „Du Hornochse!“, warf ihm Candy an den Kopf und lachte und weinte gleichzeitig. „Auch das!“, gab Logan gerne zu und presste dann seinen Mund wieder auf die süßen Lippen, die so einladend zu einem Schmollen verzogen gewesen waren. Candy widerstand ihm nicht allzu lange, sie öffnete ihm ihre Lippen und ließ seine warme Zunge in ihren Mund gleiten. Er konnte ihr so viel besser zeigen, wie viel er für sie empfand, wenn er dabei nicht reden mußte. Irgendwann gab Logan sie frei, bevor sie noch auf dem Boden fest froren, da Candy Kälte nicht so leicht vertrug wie er. Mit einem einzigen Satz waren sie auf den Beinen und Logan hielt die leicht schwankende Candy fest an sich gedrückt, damit sie nicht wieder den Boden unter den Füßen verlor. Candy schmiegte ihre glühende Wange an seine Brust und lauschte seinem stetigen Herzschlag, während sie auf den Grabstein herunter sah. „Sie liegt so weit weg von unserem Zuhause… Logan? Sie ist die einzige Familie, die Du noch kennst, oder nicht? Würdest Du sie vielleicht umbetten wollen?“, fragte sie vorsichtig nach, weil sie ihn nicht mit ihrem Vorschlag verletzen wollte. Aber Gracie hier in der einsamen Wildnis Kanadas zu wissen, ohne jemanden, der sich wenigstens ein bißchen an sie erinnerte. Das würde sie bis in ihre Träume verfolgen. „Du sprichst mir aus der Seele, Candy! Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich sie einfach zurückgelassen habe und nie wieder zurückgekommen bin… Ich hatte sie nach Weapon X eine sehr lange Zeit vergessen! Erst mit Charles’ Hilfe habe ich mich wieder erinnert!“ Candy legte ihm die Hand auf die Wange, nachdem sie den Handschuh mit den Zähnen abgezogen hatte und strich ihm sanft über die stoppelige Haut, da seine Kotletten auch nach der schärfsten Rasur nach ein paar Stunden wieder nachwuchsen genauso wie sein Haupthaar, wenn er es einmal abschnitt. „Das wird nie wieder passieren! Sie wird immer bei dir sein! Wirst Du mir von ihr erzählen?“, fragte sie mit sanfter Stimme, um ihn nicht weiter aufzuregen. Er hatte sich erst wieder durch die Hilfe des Professors an seinen Verlust erinnert, das konnte noch nicht so lange her sein. Die Wunde fühlte sich für ihn bestimmt noch frisch an, obwohl so viele Jahre seitdem vergangen waren. Logan war schier fassungslos, daß Candy ihm diese Möglichkeit bot, nachdem er sich seine Gefühle betreffend sehr bedeckt gehalten hatte. Es war ihm bisher als unmöglich erschienen, jemanden zu finden, mit dem er wirklich und wahrhaftig sein Leben teilen konnte, weil er eben nicht nur eines hatte und nicht einmal wusste, wie lange dieser Zustand des Nicht-Alterns anhalten würde. Er mußte an die Worte* denken, die ein berühmter Pilot über die Leidenschaft zum Fliegen geäußert hatte, die seiner Meinung jedoch viel eher das ausdrückten, was er für Candy beinahe vom ersten Augenblick an empfunden hatte, auch wenn er nicht der romantische Typ war. „Ja, irgendwann… Aber nicht jetzt… Ich wusste nur nicht, wie ich dir das sonst beibringen soll. Du weißt doch, ich bin ein Holzklotz, wenn es um solche Dinge geht… Ich liebe dich wirklich! Selbst wenn Du es mich nicht so oft sagen hören wirst, wie Du es vielleicht möchtest!“ Candy strahlte ihn an und verbarg dann aber ihr Gesicht an seiner Brust, weil er sonst einen sehr selbstzufriedenen Ausdruck in ihren Augen bemerken würde. „Ich liebe dich auch, Logan! Und Du wirst es mich auf andere Weise spüren lassen… Ich muß es gar nicht hören! Hauptsache, wir sind und bleiben zusammen!“ Sie seufzte zufrieden auf und blinzelte ein paar Tränen weg, die vor Freude aufgestiegen waren. Irgendwie hatte sie nicht an Franks Worte glauben können, doch Psi’s Visionen würden sich wohl zumindest in diesem Punkt bewahrheiten. Er hatte ihr ein kleines Geheimnis ins Ohr geflüstert, das nun ihr Herz bis in den letzten Winkel mit Wärme und Glück erfüllte. Es war nicht mehr wichtig, wann es passieren würde, nach Logans Eingeständnis seiner Gefühle stand für sie fest, daß sie irgendwann in der Zukunft das von ihr gewünschte kleine Vielfraß in den Armen halten würde. Allerdings behielt sie das lieber für sich, weil sie den Mann auch nicht gleich verschrecken wollte, nachdem er nun den ersten Schritt von ganz allein gemacht hatte. „Liebes, wohin möchtest Du? Die Welt steht dir offen! Wohin Du willst, das meinte ich völlig ernst!”, flüsterte Logan nach einer Weile, als sie wegen der Kälte, die doch langsam in ihre Glieder kroch, etwas erschauerte. Candy sah mit einem leisen Seufzen zu ihm auf und lächelte zögernd: „Ich würde gerne zurück nach Westchester fahren, wenn es dir nichts ausmacht! Weihnachten mit der Familie feiern, verstehst Du? Ein paar der Kids sind auch in der Mansion geblieben… Was meinst Du?“ Logan küsste sie zärtlich auf die Lippen, gab sie frei, um ihre Hand zu nehmen und nach einem letzten Blick auf den Grabstein mit ihr Richtung Lager zurück zu laufen. „Du sprichst mir aus der Seele! Ich finde auch, daß wir nach Hause fahren sollten! Kurt hat sicher schon den Weihnachtsbaum besorgt, dessen Spitze wohl beinahe die Decke berührt, weil er ja seine ganz eigene Transportmethode hat! Und die Mädels haben bestimmt schon mit den Vorbereitungen angefangen… Das Fest in der Mansion ist eine Mischung aus alter, englischer Tradition und amerikanischer Pop-Kultur. Es wird dir bestimmt gefallen!“ Candy lachte entzückt auf und drückte seine Hand fest, weil sie es vor Vorfreude kaum noch aushielt. Wegfahren konnten sie immer noch, das Fest mit ihrer neuen Familie zu feiern, war ihr nun viel wichtiger. Vor allen Dingen weil sie es mit Logan begehen konnte, dem sie niemals zugetraut hätte, Gefallen daran zu finden. Aber nun hatte sie ja jede Menge Zeit, ihn nach und nach besser kennen zu lernen. Ein ganzes Leben, ein sehr langes und hoffentlich glücklich erfülltes Leben. »This was love at first sight, love everlasting: a feeling unknown, unhoped for, unexpected – in so far as it could be a matter of conscious awareness; it took entire possession of him, and he understood, with joyous amazement, that this was for life. « * * * Charles A. Lindbergh * * * (Es war Liebe auf den ersten Blick, immerwährende Liebe: Ein unbekanntes, unverhofftes, unerwartetes Gefühl – und in soweit als es sich dabei um bewußte Erkenntnis handeln könnte; ergriff es völlig Besitz von ihm, und er verstand mit freudiger Verwunderung, daß dies sein Leben war.) === THE END === =============== Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)