In your eyes von midoriyuki (~ andere Titelvorschläge?^-^) ================================================================================ Kapitel 18: ------------ Um das drückende Schweigen zu durchbrechen schaltete Lian seine Anlage ein, als sie wieder in seinem Zimmer waren und ließ sich neben Kacey aufs Bett fallen. Der zuckte ein wenig zusammen, blieb aber neben ihm sitzen. Eine ganze Weile saßen sie schweigend nebeneinander und hörten beide einfach nur der Musik zu. Der regelmäßige Bass dröhnte durch Lians Magen und er beruhigte sich wieder. Langsam schaltete sich auch sein Kopf wieder richtig ein, sodass er wieder logisch nachdenken konnte. Er war sich nicht ganz sicher wie er anfangen sollte, aber wollte wissen warum Kacey seinen Körper verkaufte. Erst auf dem Weg zu seinem Zimmer war ihm klar geworden, dass er so gut wie nichts über den Jüngeren wusste, der jetzt schweigend und fast schon stoisch auf seine Hände sah. Wie aber sollte er ihm helfen, wenn er nicht wusste was Sache war? Seufzend zog er ein Bein an den Körper und legte das Kinn darauf. Egal wie selbstbewusst er sonst war , der fragende Blick aus den warmen Bernsteinaugen ließ ihn auch jetzt unsicher werden. Schließlich war er sich nicht sicher, wie weit er überhaupt gehen konnte ohne Kacey zu verletzen. Allein schon die einfache Frage nach den Gründen seiner Prostitution könnte das fragile und brüchige Vertrauen Kaceys wieder total zerstören. Und das wollte er auf keinen Fall, da er fest davon überzeugt war, dass sein Kuss bereits einen riesigen Rückschlag verursacht hatte. Aber wie sollte er ihm sonst helfen? Ach verdammt. So wird das doch nichts. Sich gedanklich selbst beruhigend richtete er sich wieder auf und dreht sich halb, sodass er mit dem Gesicht Kacey zugewandt saß. Entweder jetzt oder gar nicht. Der unsichere Blick Kaceys suchte in seinem Gesicht nach einer Regung, die ihm zeigen konnte was er dachte, fand aber nur Ratlosigkeit, die nach einem kurzen Schließen der Augen und tiefem Ein- und Ausatmen von Entschlossenheit abgelöst wurde. „Kacey, warum gehst du auf den Strich?“ Selbst für ihn klangen diese Worte ungewollt sehr hart, aber er wollte nicht lange drum herum reden. Seine Hände krallten sich in das Laken auf dem sie zuvor noch ruhig gelegen hatten und er fühlte sich, als habe man ihm einen Eimer mit Eiswasser über den Kopf geschüttet. Alles hätte er erwartet. Dass Lien ihn nicht mehr bei sich haben wollte. Nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Und das hätte er auch verstanden. An Lians Stelle würde er genauso handeln, denn er verstand immer noch nicht warum Lian sich um ihn kümmerte. Aber warum wollte er ausgerechnet das wissen? Lian hatte schon viel zu viel von dem gesehen was er tat, um zu überleben. Diese strahlend blauen Augen sollten so etwas Schmutziges nicht sehen und er sollte auch nichts von diesem Sumpf aus Gier, Verlangen und Geld wissen. Beschämt drehte er den Kopf zur Seite, da er diesen ernsten und besorgten Ausdruck in Lians Gesicht nicht mehr sehen wollte. Und auch nicht konnte. Würde er ihm weiter in die Augen sehen, würde er dem Verlangen sich einfach in seine Arme zu werfen und ihm von seiner Familie und allem anderen zu erzählen nicht mehr viel entgegenzusetzen haben. Lian hatte schon mehr als genug für ihn getan. Er wollte ihn nicht noch mehr da mit reinziehen. Dafür hatte er sich schon viel zu sehr in ihn verliebt. Ohne den Älteren anzusehen schüttelte er langsam den Kopf. Bitte. Frag nicht weiter danach. Lian jedoch schien sich damit nicht zufrieden geben zu wollen, da er näher an ihn heranrutschte. Eine warme Hand strich über seine Wange, hinterließ eine kribbelnde Spur und drehte dann mit sanfter Gewalt seinen Kopf in Lians Richtung. Verbissen sah er weiter nach unten, darauf konzentriert der Naht an Lians Hose mit den Augen zu folgen, als wäre es das interessanteste der Welt. „Kacey?“ Die Naht musste schon mal aufgegangen sein, da der Faden an einer Stelle eine andere Farbe hatte. „Kacey.“ Wahrscheinlich war er irgendwo hängen geblieben und dabei…Weiter kam er mit seinen, wie er sich selbst eingestehen musste, sehr absurden Gedanken nicht, da Lian ihn jetzt mit auf den Beinen abgestützten Unterarme und unten herauf ansah. In den klaren, blauen Augen lag etwas was keinen Widerspruch oder Ausflüchte mehr duldete. „Wenn du mir das nicht sagst kann ich dir nicht helfen.“ Kaceys leuchtende Augen glitzerten verdächtig und der Jüngere fuhr sich schroff mit der Hand über das Gesicht. Seine Lippen zitterten leicht, obwohl er sie zu einem schmalen und fast blutleeren Strich zusammengepresst hatte. Auch wenn er den Kleineren jetzt am liebsten einfach in den Arm genommen und getröstet hätte musste er jetzt darauf beharren zu erfahren was er wissen wollte. Verdammt, ich will dir doch nur helfen… „Kacey, bitte.“ Als müsse er mit sich selbst kämpfen, biss dieser auf seine Unterlippe und schüttelte erneut den Kopf, wenn auch bei Weitem nicht so entschlossen wie zuvor. Ohne weiter darüber nachzudenken griff Lian nach seiner Hand und zog den halb überrascht, halb entsetzt zu ihm hochsehenden Kacey an sich und legte die Arme um ihn. Mit der einen Hand strich er beruhigend über die weichen Haare, während er die Wange an Kaceys Schläfe legte. „Ich weiß, dass dir das unangenehm, peinlich oder was auch immer ist. Aber ich will dir helfen und das kann ich nicht, wenn du nicht mit mir redest. Von mir wird auch keiner was erfahren. Versprochen.“ Kacey wusste nicht, ob es Lians beruhigende Wärme, sein angenehmer Geruch, seine einfach nur aufwühlende Gegenwart oder das sanfte Vibrieren seiner tiefen Stimme seine verkrampften Hände und die Blockade in seinem Kopf löste. Ein in den Tiefen seiner Seele vergrabenes Schluchzen stahl sich unversehens über seine Lippen und er vergrub das Gesicht an Lians Brust. In ihm schrie alles danach mit Lian zu reden, aber er hatte Angst. Eine lähmende, alles erstickende Angst. Jeder andere konnte ihn hassen. Aber nicht Lian. Dieser selbstbewusste, strahlend schöne Mensch, der ihn nicht wie einen Aussätzigen behandelt hatte sollte ihn nicht hassen. Sich nicht von ihm abwenden. Ein anderer Gedanke zuckte plötzlich in seinem Kopf auf und ließ ihn erstarren. Was wenn Lian irgendwann so genervt von seinem Schweigen war, dass er sich nichtsdestotrotz von ihm abwandte? Die Gedanken in seinem Kopf rasten kreuz und quer und keiner schien wirklich greifbar zu sein. Lians Hand strich ihm immer noch besänftigend über den Kopf und riss ihn aus seinen verworrenen Befürchtungen. Mit geschlossenen Augen atmete er noch mal tief durch und drückte sich dann von Lian weg. Seine Hände, die dadurch für einen kurzen Augenblick auf seinem Brustkorb lagen, zog er wie verbrannt zurück, als spürte, wie Lians Herz unter ihnen pulsierte. Seine letzten Reste an Selbstbeherrschung zusammenkratzend hob er unsicher den Blick und sah in Lians abwartendes Gesicht. „Was willst du denn genau wissen?“ Kaceys Stimme klang noch ein wenig zittrig, trotzdem fiel Lian ein mindestens mehrere Tonnen schwerer Stein vom Herzen. Er hatte schon fast aufgegeben, dass der Jüngere überhaupt noch etwas sagen würde, als er aufgeschluchzt und sein Gesicht in seinem Shirt vergraben hatte. „Alles. Was ist mit deinen Eltern?“ Schier unendlich wirkender Schmerz blitzte für den Bruchteil einer Sekunde in Kaceys Mimik auf. Einen Moment lang starrte er an Lian vorbei, als würde er etwas aus großer Ferne betrachten. Mit einer kurzen unwilligen Bewegung des Kopfes wandte er sich dann wieder Lian zu. „Meine Eltern und meine Schwester sind vor einem Jahr bei einem Autounfall gestorben.“ Ein schwarzhaariger, fast zu schmaler Junge mit nahezu weißer Haut und vom Weinen geröteten Bernsteinaugen in abgetragenen Sachen im Regen. Das Bild von Kacey bei ihrer ersten Begegnung schoß Lian durch den Kopf. Deswegen war er auf dem Friedhof gewesen. „Deine Schwester?“ Ein Nicken und das zärtliche Lächeln, das sein ebenmäßiges Gesicht sanft leuchten ließ brachten Lians Herz kurz aus dem Takt, bevor es gleichmäßig weiter schlug. „Alea…Beim Unfall war sie grade sechs geworden. Sie war mein Ein und Alles.“ Verstehend nickte Lian. Zwar hatte er keine Geschwister, aber wenn er sich vorstellte Flo oder Nisha so zu verlieren…Schnell verdrängte er diesen Gedanken, als Kacey weiter sprach. „Sie wollten nur wie jedes Wochenende zu meiner Oma fahren und ich war nicht mitgekommen, weil ich keine Lust hatte…Wenn ich gewusst hätte was…“ Er stockte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Lian musste sich wirklich zusammenreissen, um ihn nicht wieder an sich zu ziehen, da er einfach so schutzlos und verletzlich wirkte, aber dann würde er vielleicht nicht mehr weiterreden. Also wartete er einfach bis er nach einiger Zeit von allein fortfuhr. „In einer Kurve ist mein Vater dann ins Rutschen gekommen. Bevor er noch irgendwas machen konnte ist der Wagen erst gegen die Leitplanke und dann frontal gegen einen Baum gerast. Alle drei waren sofort tot.“ Seine Worte klangen fast schon distanziert, wie auswendig gelernt. Wären nicht seine vor Schmerz dunklen Augen gewesen, hätte man denken können er habe damit nichts weiter zu tun. „Und warum lebst du nicht bei deiner Oma?“ Kacey schüttelte den Kopf und sah auf seine Hände, die schon die ganze Zeit an einem Zipfel der Bettdecke herum zupften. „Als man ihr gesagt hat was passiert ist hat sie einen Herzinfarkt bekommen und ist gestorben.“ Mit zusammengezogenen Augenbrauen musterte Lian Kaceys gesenkten Kopf. Er wurde fast wahnsinnig vor Trauer und Schmerz, weil seine Mutter gestorben war und Kacey hatte innerhalb viel zu kurzer Zeit seine komplette Familie verloren. Es kam einem Wunder gleich, dass er, mal abgesehen von der Tatsache, dass er auf den Strich ging, nicht völlig durchgedreht war. „Hätte dich denn sonst keiner aus deiner Familie aufnehmen können?“ Erneutes Kopfschütteln. „Meine Großeltern sind tot und meine Eltern hatten keine Geschwister.“ Lian nickte langsam. Das erklärte zumindest warum er allein lebte und seine Wohnung in dieser mehr als zwielichtigen Gegend lag. Nirgendwo sonst hätte ein Minderjähriger sonst eine Wohnung bekommen. „Und wie bist du ans Anschaffen gekommen?“ Irgendwie fand er keine beschönigenden Worte für Kaceys Lebensgrundlage. Obwohl Kacey den Kopf immer noch gesenkt hatte und seine Haare einen Großteil seines Gesichtes verbargen, sah er trotzdem wie sich ein leichter Rotschimmer auf die Wangen des Jüngeren stahl. „Naja…eine Zeit lang hab ich…öfters mal zuviel getrunken…Irgendwie bin ich da an ein paar Leute geraten mit denen ich immer losgezogen bin. Weil ich aber oft kein Geld hatte hab ich mich meistens bei irgendwelchen Leuten durchgeschnorrt.“ Es schien ihm sichtlich peinlich zu sein über diese Phase seines Lebens und deren Folgen zu reden. Nach einigen Sekunden in denen er sich allem Anschein nach an einige unliebsame Dinge erinnerte, die er Lian lieber verschwieg, sprach er mit monotoner Stimme weiter. „Jedenfalls war ich an einem Abend so betrunken, dass es mir einfach egal war was dieser Mann von mir wollte. Ich wollte einfach nur wieder Geld haben, um essen kaufen zu können. Das haben wohl noch ein paar andere Männer mitbekommen. Ich weiß selbst nicht warum aber… es war die einfachste Möglichkeit nicht zu verhungern. Und ich wollte auf keinen Fall in ein Heim…“ Langsam fügte sich für Lian das Bild von Kaceys Situation zusammen. Am absoluten Tiefpunkt seines bisherigen Lebens hatte er eine vermeintlich schnelle und einfache Methode gefunden dem Heim und dem Hungertod zu entgehen. Vielleicht war es auch auf gewisse Art und Weise unbewusste Selbstbestrafung dafür, dass er noch lebte und seine Eltern, besonders aber seine Schwester, die er über alles geliebt zu haben schien, tot waren. Diesen Gedanken würde er allerdings für sich behalten, um Kacey nicht noch mit irgendwelchen halbherzigen psychologischen Ansätzen zu belasten. Während der ganzen Zeit in der er geredet und Lian größten Teils einfach zugehört hatte, hatte er weiter auf seine Hände gestarrt mit denen er immer noch den Deckenzipfel bearbeitete. Er wusste nicht wie er Lians Schweigen deuten sollte, traute sich aber auch nicht aufzusehen, da er befürchtete reiner Abscheu zu begegnen. Zwar hatte er alle schmutzigen, verletzenden und einfach unglaublich schmerzenden Details ausgelassen, trotzdem erwartete er nichts anderes von Lian. Als der Ältere nach einigen Minuten angespannten Schweigens anhob zu sprechen zuckte er kaum merklich zusammen. „Willst du damit aufhören?“ Erstaunt sah er auf. In Lians Stimme lag Verständnis, Interesse oder zumindest irgendetwas in der Art aber keine Spur von der von ihm erwarteten Ablehnung. Zögernd nickte er und forschte immer noch nach Anzeichen von Hohn, Spott oder Ekel in Lians Gesicht. Aber anstatt dieser Gesichtsausdrücke fand er etwas was ihm das Blut ins Gesicht trieb, sein Herz kurz straucheln und viel zu hektisch weiterschlagen ließ und ihm die so mühsam zurückgehaltenen Tränen in die Augen trieb. Lian lächelte. „Ich helf dir da raus.“ ~~~~~~ Sooo~ wenn ich das mal kurz anmerken darf...das ist das erste Kapitel, das ich mit Hand vorgeschrieben habe und ich habe beschlossen...Nie wieder *lach* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)