Mitternachtskuss von Gayagrod (Zoro x Ryuzaki) ================================================================================ Prolog: London im Regen ----------------------- 31. August Es war ein trüber Morgen, als Ryuzaki aufwachte. Verschlafen öffnete er die Augen, gähnte, streckte sich träge und sah dann auf den Wecker, der auf dem Nachttisch neben seinem Bett stand. 'Zeit, aufzustehen.' Ryuzaki gähnte erneut, schlüpfte aus dem Bett und schlurfte ins Badezimmer. Eine halbe Stunde später stand er frisch geduscht in der Küche und goss grade aufgebrühten Tee in eine Tasse. Zu seinem Frühstück gesellte sich außer dem Tee noch ein Toastbrot mit Erdbeermarmelade, beides nahm er mit ins Wohnzimmer. Ryuzakis Wohnzimmer war zugleich auch sein Arbeitszimmer und mit einem Schreibtisch, einer Couch und einem niedrigen Tisch vor selbiger eher spärlich eingerichtet. Der Couch gegenüber stand außerdem noch ein Fernseher, aber Ryzuaki sah kaum fern. Er las lieber, weswegen an den Wänden des Wohnzimmers mehrere Regale voller Bücher standen. Die längere Außenseite des rechteckigen Zimmers war komplett mit einer Glasfront versehen, die vom Fußboden bis zur Decke reichte und durch die man einen gute Sicht auf die umliegenden Gebäude hatte - Ryuzakis Apartment lag im vierten Stock eines kleinen Gebäudekomplexes. Allerdings regnete es an diesem Tag in Strömen, sodass die nähere Umgebung kaum auszumachen war. Ryuzaki stellte sich dennoch vor die Scheibe und starrte in den Regen hinaus. Lustlos kaute er dabei an seinem Toast herum, Süßigkeiten waren ihm lieber. Ryuzakis Spiegelbild war schwach auf dem großen Fenster vor ihm zu erkennen. Wie gewöhnlich trug er weite, bequeme Kleidung: ein weißes, langärmliges Shirt und eine ausgewaschene Jeans, von beidem besaß er mehrere Exemplare. "Warum sich unnötig Sorgen über seinen Kleidungsstil machen, hauptsache, es ist bequem", das war sein Motto, und das hatte nie jemanden gestört. Ryuzaki fuhr sich durch sein dunkelbraunes, verwuscheltes Haar und dachte daran, dass morgen sein erster Tag an der Londoner Universität sein würde. Es war das erste Mal, dass er außerhalb des Weisenhauses, in dem er aufgewachsen war, unterrichtet werden würde. Ryuzaki wusste nicht viel von der Welt und den Umgangsformen in der Gesellschaft, er war schon immer ein eher weltfremder Einzelgänger gewesen. Gezwungenermaßen, denn er war das Aushängeschild von Wammy's House, so der Name des Waisenhauses, und hatte die meiste Zeit damit verbracht, seine analytischen Fähigkeiten zu trainieren und zu perfektionieren. Das hatte ihm kaum Zeit gelassen, zwischenmenschliche Beziehungen zu knüpfen und er war die meiste Zeit alleine gewesen. Natürlich hätte er gerne Freunde gehabt, aber er hatte sich mit der Zeit mit seiner Isoliertheit abgefunden. 'Manchmal ist Alleinsein ein Vorteil', dachte er. Trotzdem war er auf seine Kommilitonen gespannt. Er würde sicherlich das Eine oder Andere lernen können – in gewisser Weise erwartete ihn eine Einführung in ein soziales Leben, das er vorher nie gekannt hatte. Ryuzaki legte seinen rechten Zeigefinger an seine Unterlippe; eine Geste, die er immer vollführte, wenn er über etwas nachgrübelte. Dabei sah er hinaus in den strömenden Regen, der seine Sicht verschleierte und ihn die Umgebung nur erahnen ließ – genauso wie die ungewisse Zukunft, die ihn erwartete. *~*~*~*~*~*~* "Und vergiss bloß nicht, morgen einen Schirm einzupacken, ja? ... Hörst du, Zoro? ... Zoro! Bist du noch dran?" "Hä? Oh... ja." Zoro erwachte aus seinen Tagträumen und wandte sich wieder der Freisprechanlage seines Telefons zu. "Träumst du schon wieder am hellichten Tag? Oh, Zoro", klang die bekümmerte Stimme seiner Mutter aus dem Lautsprecher. "Du wirst noch dein ganzes Leben verträumen, wenn du so weiter machst." "Ach, Ma... Ich bin grade erst aufgestanden... hab noch nicht mal gefrühstückt...", brummelte Zoro verschlafen zurück. "Papperlapapp, Junge. Hast du dich wieder die ganze Nacht irgendwo herumgetrieben? Es war wirklich eine gute Idee, dich auf eine Universität im Ausland zu schicken, dann kommst du hoffentlich auf andere Gedanken und lernst endlich etwas mehr Respekt und ..." Zoro hörte gar nicht mehr hin. Er trug noch immer die Boxershorts und das T-Shirt, dass er in der letzten Nacht zum Schlafen getragen hatte, und hätte zu gerne etwas gegessen und geduscht, anstatt sich die Predigten seiner Mutter anzuhören. Genervt rollte er mit den Augen. "Ma, tut mir leid, aber ich möchte jetzt wirklich frühstücken – bitte ruf nachher noch mal an und grüß mir die Familie, ok? Bis dann." Damit beendete er das Gespräch ehe seine Mutter protestieren konnte. Zur Sicherheit nahm er den Akku aus dem schnurlosen Telefon. 'Endlich Ruhe.' Seit zwei Wochen war Zoro jetzt in Londen und es war bis jetzt kein Tag vergangen, an dem seine Mutter ihn nicht angerufen hatte. Klar, sie meinte es nur gut, aber ihre endlosen Vorträge nervten mit der Zeit. Zoros Eltern hatten darauf bestanden, dass ihr Sohn wenigstens die ersten beiden Semester seines Jura-Studiums in England verbrachte, um ihm ein "Gefühl für's Multikulturelle" zu geben, was auch immer das bedeuten sollte. Zoro war es gleich und nur recht gewesen. Er war froh, von zu Hause weg zu sein und seinen eigenen Wegen und Zielen nachgehen zu können. Nach einem kleinen Frühstück machte sich Zoro auf den Weg ins Badezimmer. Als er am Spiegel vorbeikam, blieb er kurz stehen und warf einen Blick hinein. 'Ich müsste mal wieder zum Friseur', stellte er fest und zog sein Shirt aus. 'Wenn nur dieser verdammte Regen endlich aufhören würde.' ~To be continued... A/N: Kommentare beschleunigen das Schreiben neuer Kapitel ;-) Kapitel 1: A Strange Encounter ------------------------------ 1. September Am nächsten Morgen erschien Zoro pünktlich zur Einführung der neuen Studenten in der Fakultät für Jura und Kriminalistik, die sich direkt an das Hauptgebäude der Universität anschloss. Zoro war die Strecke von seiner Wohnung bis zur Uni schon einige Male zuvor abgegangen, um sich den Weg einzuprägen. Denn sein Orientierungssinn war nicht grade der beste und Zoro neigte dazu, sich ständig zu verlaufen – er konnte sich einfach nicht merken, wohin er gehen musste. Deshalb war er auch stolz darauf, nicht schon bei der Einführungsfeier zu spät zu kommen, sondern mit einem pünktlichen Erscheinen glänzen zu können – auch wenn das bei der Masse der neuen Studenten wahrscheinlich niemandem auffiel. Die Einführung an sich war nicht besonders spannend. Die Fachbereichsleiter der Fakultät und ein Vertretet des Studentenwerkes stellten sich vor und wünschten den neuen Studenten viel Glück und Erfolg für die folgenden Semester. Anschließend wurden die Neulinge in ihre ersten Kurse entlassen und Zoro fand sich nach kurzer Zeit vor dem Gebäudeplan der Universität wieder, der in der Eingangshalle des Hauptgebäudes hing. Zoro warf einen Blick auf seinen Kursplan, den er vor einigen Wochen von der Universität zugeschickt bekommen hatte. Sein erster Kurs trug den Titel "Einführung in Öffentliches Recht" und fand im Raum A-32-01 statt. 'Super', dachte Zoro ironisch und blickte missmutig auf den Gebäudeplan. 'Jetzt muss ich ja nur noch den richtigen Raum auf der Karte finden und es schaffen, mich auf dem Weg dorthin nicht zu verlaufen.' Was gewiss nicht leicht werden würde, weil schon der Plan Zoro verwirrte. Während Zoro so vor dem Plan stand und nach dem richtigen Raum suchte, trat jemand neben ihn und begann ebenfalls damit, den Plan zu studieren. Zoro blickte kurz zur Seite, schaute wieder auf den Plan und dann abermals zu der Person hinüber, die neben ihm stand. An seiner Seite stand ein schlanker junger Mann mit wirrem schwarzem Haar. Der junge Mann – Zoro schätzte ihn auf Anfang zwanzig – war von hochgewachsener Gestalt und wäre sicherlich so groß wie Zoro selbst gewesen, wenn er nicht in einer merkwürdig gekrümmten Haltung vor dem Plan gestanden hätte. 'Ob er auch ein Student ist?', fragte sich Zoro und beäugte die Kleidung seines Gegenübers. Im Gegensatz zu den anderen neuen Studenten hatte sich dieser hier nicht grade fein gemacht, sondern trug nur ein einfaches weißes Shirt und ausgewaschene, schlabberige Blue-Jeans, dazu ausgelatschte Sneaker. Sogar Zoro, der es leger und bequem liebte, hatte sich zur Feier des Tages eines Anzug angezogen. Anscheinend hatte der Andere Zoros Blicke bemerkt, denn er wandte sich vom Gebäudeplan ab und sah Zoro an. Der Fremde musterte nun seinerseits Zoro; seine großen, schwarzen Augen schienen jedes Detail von Zoros Äußerem aufzunehmen. Es war ein starrer, durchdringender Blick, der Zoro leichtes Unbehagen bereitete und schließlich auf dem grünen Stoppelhaar des Größeren ruhen blieb. Der Fremde schien zu überlegen, was er von dieser ungewöhnlichen Haarfärbung halten sollte. Da bemerkte Zoro die Kursliste in der Hand des jungen Mannes, die ihn ebenfalls als Student auswies. Zoro beschloss, ihn anzusprechen. "Hi, du bist auch Student? Auch ein Erstsemestler?", fragte er und hielt dabei demonstrativ seine eigene Kursliste hoch, sodass der Andere sie in Augenschein nehmen konnte. Die Augen seines Gegenübers flackerten kurz zu dem Stück Papier in Zoros Hand hinüber, dann zur Bestätigung hinunter zur Kursliste in seiner eigenen Hand. "Ja, bin ich", war die einfache Antwort des Anderen. "Und was hast du jetzt für'n Kurs?", fragte Zoro erneut. Der Schwarzhaare hielt seine Kursliste auf merkwürdige Weise zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand hoch und hob das Papier vor seine Augen. "'Einführung in Öffentliches Recht'", las er vor und blickte dann wieder zu Zoro. "In welchem Raum ist dein Kurs denn?", hakte Zoro nach. "... A-32-01 ...", antwortete der Fremde nach einem erneuten Blick auf seine Liste. 'Volltreffer!', triumphierte Zoro innerlich. "Hey, ich bin im selben Kurs", meinte Zoro freudig, "Was hältst du davon, wenn wir zusammen hingehen?" "Okay ...", meinte der Andere nur. "Super, dann lass uns mal losmarschieren, bevor wir uns noch verspäten!", meinte Zoro und setzte sich in Bewegung. "Ähh..." Der Andere war stehen geblieben und sah Zoro hinterher. "Zum Kurs geht es aber woanders lang." Er deutete mit der Hand auf den gegenüberliegenden Korridor. "Oh." Zoro machte rasch kehrt und ging zum Ausgangspunkt zurück. "Sorry. Bin wohl heute etwas vorschnell." 'Und mal wieder ohne Orientierungssinn', fügte er in Gedanken hinzu. "Macht nichts", meinte der Fremde. Dann warf er Zoro wieder einen seiner starrenden Blicke zu. "Wie heißt du eigentlich?", fragte er. "Zoro Lorenor. Kannst mich Zoro nennen", grinste der Angesprochene und reichte dem Schwarzhaarigen die Hand. "Und selbst?" "Ryuzaki Lawliet." Der Andere erwiderte den Händedruck nur lasch. "Zum Kurs geht's hier lang", meinte er kurz angebunden und ging langsam los, wobei seine Art des Gehens eher einem langsamen Schlurfen als wirklichem Gehen glich. Zoro folgte Ryuzaki langsam und schloss zu ihm auf Augenhöhe auf. Noch einmal musterte er die Person, die neben ihm ging. 'Scheint ein interessanter Charakter zu sein', dachte er. 'Merkwürdig zwar, aber bestimmt nicht langweilig. Warum er sich wohl so komisch verhält? Vielleicht wäre es wert, das herauszufinden... Na, mal schauen, was sich ergibt. Wir werden sehen.' Gemeinsam marschierte das ungleiche Paar den Korridor entlang, nicht bemerkend, dass einige Kommilitonen ihnen schon jetzt einige merkwürdige Blicke hinterher warfen. ~ To be continued... Kapitel 2: Eine verhängnisvolle Bitte ------------------------------------- @ Flamefire: Danke, hoffe die gefällt diese Story auch weiterhin ;) Mitternachtskuss Kapitel 2: Eine verhängnisvolle Bitte Auf dem Weg zum Kursraum ließ Ryuzaki die letzten Minuten Revue passieren. 'Nicht schlecht', dachte er, 'Ich bin grade mal eine Stunde lang in der Uni und habe schon jemanden kennen gelernt. Scheint gar nicht so schwer zu sein, neue Kontakte zu knüpfen, wie ich gedacht hatte ...' Er unterdrückte ein Grinsen und warf Zoro einen kurzen, verstohlenen Blick zu. Zoros grüne Haare faszinierten ihn – ein Jura-Student, der seine Haare grün färbte, hatte bestimmt eine interessante Vergangenheit. Aus reiner Gewohnheit begann Ryuzaki, ein mentales Profil von Zoro zu erstellen. Die grünen Haare zählten für ihn zum Typ des 'Rebellen'. 'Jetzt denke ich schon wieder in Kategorien', tadelte der Schwarzhaarige sich selbst. 'Meine Kommilitonen sind keine Verbrecher, das sollte ich besser im Hinterkopf behalten. Also Schluss mit voreiligen Schlussfolgerungen – Schluss damit, Arbeit und Privates zu vermischen!' Während Ryuzaki so nachdachte, achtete er auf die Raumnummern, an denen sie vorbeikamen und die auf kleinen Tafeln neben den Türen abzulesen waren. 'A-30-02 ... A-31-01/02 ... A-32-01.' "A-32-01", wiederholte Ryuzaki laut und blieb vor dem Raum, dessen Tür offen stand, stehen. "Da wären wir." Zoro beäugte misstrauisch die Türöffnung und das Schild. Anscheinend wollte er nicht ganz glauben, dass sie auf Anhieb den richtigen Raum gefunden hatten. Doch dann kratzte er sich nur kurz am Hinterkopf und nickte. "Das ist gut", meinte er. "Dank' dir. Mein Orientierungssinn ist grottenschlecht, ich hätt' ohne deine Hilfe bestimmt nicht so schnell hergefunden." Ryuzaki sah Zoro aus großen, unergründlichen Augen an. "Schon okay", sagte er und betrat dann ohne zu Zögern den Raum ihres ersten Studienkurses. * Zoro blieb zuerst unentschlossen stehen und warf einen kurzen Blick ins Innere des Raumes. Dann beschloss er, hinter Ryuzaki herzutrotten. Der Raum war nicht sonderlich groß. Vier Sitzreihen für je eine Handvoll Studenten fanden hier Platz, sowie zwei an der Wand hängende, verschiebbare Tafeln und davor ein Lehrerpult. Etwa ein Dutzend Studenten saßen oder standen bereits in Zweier- und Dreiergrüppchen im Raum verteilt. Einige musterten die beiden Neuankömmlinge interessiert, als sie sie bemerkten. Zoro mochte es nicht besonders, von anderen Leuten beobachtet zu werden. Wenn er nicht im Mittelpunkt stehen wollte – und das wollte er im Moment nicht – war er lieber unauffällig. Okay, grüne Haare waren auffällig, das wusste Zoro selbst, aber er hasste es, wenn fremde Leute ihn deswegen wie ein Alien anstarrten. Ryuzaki dagegen schien kein Problem damit zu haben, dass einige der anderen Studenten ihn anstarrten und sich wahrscheinlich fragten, ob er wirklich hier her gehörte. Ryuzaki suchte sich einen Platz in der zweiten Reihe neben einem gutaussehenden jungen Mann mit kurzen, hellbraunen Haaren, der ein Buch aufgeschlagen hatte und eher gelangweilt darin las. Und dann – setzte Ryuzaki sich. Oder vielmehr tat Ryuzaki das, was er wohl unter 'sich hinsetzen' verstand. Denn Ryuzaki setzte sich nicht wie ein vernünftiger Mensch, nein, er streifte seine Schuhe ab und hockte sich mit den Füßen und in einer seltsam gekrümmten Haltung auf den Stuhl. Zoro starrte ihn verblüfft an, genauso wie einige andere Kommilitonen. Selbst der gelangweilte Jüngling neben Ryuzaki hatte sein Buch aus der Hand gelegt und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. "Ist das nicht unbequem, so zu sitzen?", sprach der Braunhaarige Ryuzaki direkt an. Ryuzaki drehte ihm den Kopf zu. "Für mich nicht", meinte er schlicht. "Warum setzt du dich nicht einfach normal hin?", fragte der Andere. "Nun ja ..." Ryuzaki ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. "Meine Denkfähigkeit nimmt um 40 % ab, wenn ich mich anders hinsetze ..." "Okay. Merkwürdig zwar, aber interessant. ... Ich bin übrigens Light. Light Yagami." Er lächelte und reichte Ryuzaki die Hand. "Ryuzaki Lawliet", meinte der Schwarzhaarige und schüttelte Lights Hand. "Möchte dein Begleiter sich nicht zu uns setzen?" Light deutete mit dem Kopf in Zoros Richtung, der noch immer einige Meter von Ryuzaki entfernt stand. "Ich weiß nicht. Zoro?", wandte Ryuzaki sich dem Grünhaarigen zu. "Ähm." Zoro erwachte aus seiner Starre. "Ja, klar. Warum nicht." So kam es, dass Zoro am Beginn der Stunde neben Ryuzaki saß und den Einführungen ihres Professors folgte. Der dünne Schwarzhaarige neben ihm wurde für Zoro immer interessanter. Er betrachtete Ryuzaki während der Stunde einige Male unauffällig von der Seite und langsam begann es ihn förmlich in den Fingern danach zu jucken, mehr über Ryuzaki herauszufinden. Dass dieser kein normaler Junge war, war Zoro schon von Anfang an klar gewesen. Seine merkwürdige Erscheinung und sein Auftreten, dazu jetzt die Angewohnheit, sich so sonderbar hinzusetzen. Seinen Begleiter umgab die Aura des Geheimnisvollen, etwas, das Zoro schon immer fasziniert hatte. Er liebte Geheimnisse und noch viel mehr liebte er es, Geheimnisse selbst zu ergründen und in sie eingeweiht zu werden. Insgeheim lächelte Zoro in sich hinein. Er würde mehr über diesen Jungen herausfinden – ob dieser es wollte oder nicht. * Am Ende der Stunde erklärte der Professor den Neustudenten, dass nach der Einführungsphase ein erstes Praktikum auf sie wartete. Die Studenten sollten sich deswegen in der Universitätsverwaltung in den nächsten Tagen Informationsblätter abholen, auf denen der genaue Ablauf und die Adressen von Rechtsanwälten abgedruckt waren, bei denen sich die Erstsemestler um ein Praktikum bewerben konnten. Zoro schloss sich Ryuzaki an, als dieser ihn fragte, ob sie nicht zusammen in die Verwaltung gehen wollten. In der Verwaltung war nicht viel los. Nur ein junges Mädchen mit rotem Haar saß hinter einem Schreibtisch und ordnete einen Stapel Dokumente. Anscheinend war sie eine Praktikantin. "Ähm, hallo?", sagte Zoro um sich Gehör zu verschaffen. Er und Ryuzaki blieben vor dem Eingang stehen. Das Mädchen blickte von ihrer Arbeit auf und sah Zoro fragend an. "Wir möchten Unterlagen für Praktikas im Fachbereich Jura abholen ...", sprach Zoro weiter. "Ah ja, die kann ich euch gerne geben." Das Mädchen lachte. Ihre blauen Augen blitzten frech, als sie aufstand und die betreffenden Papiere heraussuchte. Mit mehreren Blättern kam sie auf die beiden Jungs zu. "Ihr seid Erstsemestler, oder?", fragte sie. "Ja, wieso?", fragte Zoro und nahm seine Kopien der Unterlagen in Empfang. Das Mädchen zuckte mit den Schultern. Sie trug ein weißes Top und einen blauen Minirock, was ihr beides gut stand. "Ach, ich dachte nur, dass ihr wie Uni-Neulinge ausseht ..." Das Mädchen überlegte kurz und meinte dann: "Ihr beide scheint kräftige Jungs zu sein, vielleicht könntet ihr mir einen Gefallen tun?" Zoro sah Ryuzaki fragend an. Der Schwarzhaarige ergriff das Wort: "Worum geht es denn?" "Im Moment geht hier alles drunter und drüber, weil die Uni grade wieder begonnen hat. Heute wurden Materialien für eines der Chemie-Laboratorien geliefert, die heute noch dorthin gebracht werden müssen. Ich bin aber hier heute Nachmittag alleine und die Hausmeister und Fachassistenten kann ich nicht erreichen. Für mich sind die Sachen zu schwer und ich kann hier auch nicht weg ... Vielleicht wäre es möglich, dass ihr das übernehmt...? Sie werden morgen früh unbedingt für den Unterricht gebraucht und ich wäre euch wirklich ewig dankbar!" Bittend sah das Mädchen die beiden an. Zoro biss sich auf die Unterlippe. Der Bitte eines Mädchens hatte er noch nie widerstehen können. Also ... "Ok, wir machen's", kam Ryuzakis Stimme rechts von ihm. Zoro blinzelte leicht verwirrt. "Oder nicht, Zoro?", fragte der Ältere. Anscheinend war Zoro nicht der einzige, der die Bitte eines Mädchens nicht ablehnen konnte. "Kein Problem", meinte Zoro nur. "Wo sind die Materialien?" "Super! Vielen, vielen Dank!" Das Mädchen klatschte freudig in die Hände. "Kommt, ich zeige sie euch!" Die Materialien bestanden aus einem großen Karton, der in einem Nebenraum des Sekretariats stand. Die Aufgabe, den Karton zu tragen, fiel Zoro zu, der stärker als Ryuzaki gebaut war, während der Schwarzhaarige ihm wieder den Weg weisen würde. Die eifrige Praktikantin bedankte sich nochmals überschwenglich bei den beiden Neu-Studenten und versprach, sich für die Hilfe zu revanchieren. "Vielleicht lade ich euch demnächst mal zum Essen ein, ansonsten lasst es mich wissen, falls ihr mal Hilfe braucht." Kameradschaftlich zwinkerte sie den beiden Jungen zu. "Übrigens, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Nami. Und ihr seid Zoro und ...?" Sie sah Ryuzaki fragend an "Ryuzaki", meinte der Angesprochene. "Ryuzaki. Gut. Meldet euch ruhig mal, ich mache hier noch ein wenig länger Praktikum." Sie grinste und winkte ihnen zum Abschied, während sie zu ihrem Schreibtisch zurück ging. Die beiden Jungen machten sich auf den Weg. Dank Ryuzaki dauerte es nicht lange, bis sie das Labor, zu dem sie die Materialien bringen sollten, gefunden hatten. Die Tür war offen, obwohl keine Studiengruppe dort zur Zeit Unterricht hatte. Ryuzaki hielt Zoro die Tür auf, während der Grünhaarige den Karton hinein trug und dann abstellte. Er sah sich in dem großen Labor um, dass auf den ersten Blick nicht viel anders als die übrigen Kursräume aussah. Mit dem Unterschied, dass insgesamt drei Feuerlöscher, ein Nottelefon und mehrere Schränke mit Laborgeräten an den Wänden verteilt waren. "Wo ist jetzt dieser Materialraum, in den wir den Karton bringen sollen?", fragte Zoro und sah Ryuzaki hinterher, der durch den Raum schlenderte. "Mh, mal schauen." Hinter dem dem Lehrerpult war eine Tafel angebracht, jeweils links und rechts davon war eine Tür in die Wand eingelassen. "Ich denke, hinter einer von den beiden Türen ist unser Raum." Ryuzaki schlurfte zur linken Tür, während Zoro sich auf den Weg zur rechten machte. Ryuzaki öffnete die linke Tür und sah kurz hinein. "Fehlanzeige, hier scheint das Büro eines Professors zu sein. Zoro, wie sieht es bei dir aus?" "Also ... ich kann nichts erkennen", kam Zoros Stimme aus dem anderen Raum. "Es ist zu dunkel, ich finde den Lichtschalter nicht!" Ryuzaki trottete zur offenen Tür des anderen Raumes und gesellte sich zu Zoro, der noch nach dem Lichtschalter suchte. Allerdings bemerkte der Ältere nicht, dass sich der Schnürsenkel seines rechten Turnschuhs gelöst hatte und an der Tür hingen blieb, als er in den Raum ging. Als Ryuzakis Fuß auf Widerstand traf, zerrte er ohne nachzudenken mit dem Schuh kurz an dem Band um es zu lösen. Was leider die falsche Entscheidung war, denn der Ruck, mit dem Ryuzaki das Schnürband befreite, ließ auch die Tür mit einem lauten "Bang" zu klappen, so dass die beiden jungen Männer nun vollends im Dunkeln standen. "Oh", kommentierte der Schwarzhaarige nur sein Ungeschick und drehte sich zur Tür um, um sie wieder zu öffnen. Er tastete kurz nach dem Griff, fand ihn, drückte ihn herunter – und hielt das Metallstück in der Hand. Neben ihm hörte er ein leises Klicken, als Zoro den Lichtschalter fand und betätigte, leider ohne Erfolg. Zoro stieß einen kleinen Fluch aus. "Verdammt, das Licht funktioniert hier nicht! Kannst du die Tür wieder aufmachen?" Ryuzaki drückte mit der Hand gegen die Tür, aber diese wollte nicht nachgeben und blieb geschlossen. "Die Tür geht nicht auf", stellte Ryuzaki ruhig fest. "Lass mich mal." Zoro tastete sich vorsichtig zur Tür vor und probierte seinerseits, diese zu öffnen, was ihm aber auch nicht gelang. "Scheint so, als wäre die Tür jetzt verschlossen. Na toll." Er gab auf und drehte sich zu Ryuzaki um. "Und was machen wir jetzt? Vielleicht um Hilfe rufen?" "Wir warten, bis jemand kommt und die Tür öffnet", sagte Ryuzaki wie selbstverständlich. "Ich denke nicht, dass uns jemand außerhalb des Kursraumes hören wird und spätestens morgen früh wird hier sicher eine Vorlesung stattfinden, oder ein Professor wird nach dem Rechten schauen." "Also abwarten und Tee trinken?", fragte Zoro, dem gar nicht wohl zumute war. "Genau. Nur dass wir keinen Tee haben", grinste Ryuzaki, auch wenn Zoro das nicht sehen konnte. "Okay. Also setzen wir uns hin und warten." 'Und ich hab jetzt schon Hunger', fügte Zoro in Gedanken hinzu und seufzte. 'Dabei hatte der Tag so gut angefangen ...' [To be continued ...] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)