King's Cross von Minerva ================================================================================ Kapitel 1: Gleis 0 ------------------ Einen Moment später verblasste die Gestalt des Jungen und vor ihm stand nur noch der leere Stuhl. Dumbeldores Lächeln verschwand mit ihm. Jetzt war er wieder allein. Nunja, fast allein. Nachdenklich legte er seine Fingerkuppen aneinander und blickte traurig in die Leere. Lauschte dem Quengeln und Kreischen des hässlichen kleinen Babys unter dem Stuhl. In diesem Raum, in dieser Welt, herrschte keine Zeit, deswegen wusste Dumbeldore nicht wie lange er so dasaß und einfach Nichts tat. Und dabei hatte er doch sonst immer irgendetwas zu tun. Immer hatte es für ihn Arbeit gegeben, immer war jemand da, um den er sich kümmern musste, immer dachte er über etwas nach, immer war er beschäftigt, sei es auch nur sich Sorgen um den Jungen zu machen. Und jetzt... jetzt hatte er alles getan was er tun konnte, und es erfüllte ihn mit tiefer Zufriedenheit. Er, Dumbeldore, war hier endlich fertig. Ächzend und stöhnend erhob sich der gebrechliche alte Mann von seinem Stuhl und schlurfte durch die leere Halle, durch die wahllos hingestellten Stühle hindurch, den leichten Nebel mit dem Saum seines Umhangs aufwirbelnd. Langsamen Schrittes steuerte auf den Stuhl zu, unter dem das kleine hässliche Baby weinte. Direkt davor blieb er stehen und blickte nachdenklich auf die abgeblätterte leere Sitzfläche hinab. Dann musste er lächeln: „Du musst zugeben Tom, er hat sich einfach prächtig entwickelt...“ Das Baby schien sich jedoch nicht sonderlich dafür zu interessieren und weinte und quengelte einfach weiter. Dumbeldore Lächeln wurde etwas traurig. Dumbeldore schob vorsichtig den Stuhl weg und bückte sich, erneut ächzend und stöhnend, nach dem fleischfarbenen, in Lumpen gewickelten Baby. „Na komm Tom, wir werden jetzt ein bisschen Zugfahren...“, sagte er leise und stand wieder auf. Bei der Bewegung keuchte es auf und schien nach Luft zu schnappen. Dumbeldore wiegte es tröstend ein bisschen hin und her, bis es sich wieder beruhigte. Dann ging er los - mit dem hässlichen weinenden Baby in den Armen und einem traurigen Lächeln auf den Lippen. Durch die Stühle hindurch, durch den Nebel hindurch, zum Gleis Null. Mattes Licht fiel durch die riesige Dachkuppel und erhellte die Gleise, erhellte die feuerrote Lokomotive, die zischend Dampf ausstieß und mit einem wunderbar lauten Getöse auflebte. Dumbeldore schmunzelte und auch das Baby hörte auf zu schreien und starrte mit großen Augen die rote Lok an. „Fast so wie früher, Tom...“, lächelte Dumbeldore und eine kleine fleischfarbene Hand krallte sich in seinen Umhang. Ein schrilles Pfeifen erklang und beide schreckten auf. „Jetzt aber schnell...“, rief Dumbeldore lachend, als die Türen begannen nacheinander klappernd zuzugehen. Eine alte gebrechliche Hand griff nach dem Gelände, eine kleine fleischfarbene wollte auch. Sie stiegen ein und drinnen roch es so wunderbar nach altem warmem Leder und Schulumhängen. Beide konnten das hallende Lachen und die freudigen Rufe der Schüler hören, die durch die Gänge liefen und sich gegenseitig grüßten, scherzten, ihren Eltern zuwinkten. Die einfach nur glücklich und aufgeregt waren. Sie schritten beide durch den Gang und öffneten die Tür des erstbesten Abteils, ließen sich auf die warmen Sitze nieder und blickten aus dem schmutzigen Fenster mit den vielen Fingerabdrücken drauf, die in der Sonne glänzten und strahlten. Und langsam fuhr der Zug los. Das Rattern und Stampfen stieg an und der Zug begann zu ruckeln und zu wackeln. Draußen zogen flüchtig Schatten vorbei. Das Baby begann friedlich einzuschlafen. Und Dumbeldore sah lächelnd auf es hinab, wiegte es sanft in seinem Armen und fand, das es schöner nicht hätte sein können. ’08 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)