One Way Street von Iwa (Wenn es keinen "rechten Weg" mehr gibt...) ================================================================================ Kapitel 2: Smoke-bomb --------------------- Die erste Nacht konnte Yagyuu nicht schlafen. Zu viel ging ihm durch den Kopf. Er schaute aus dem winzigen vergitterten Fenster in seiner Zelle. Altmodisch. Alles erschien ihm unwirklich. Waren sie wirklich verhaftet worden? Sie, die unschlagbare Rikkai? Es war schwer zu verstehen. Er stützte seinen Kopf auf seine Hände. Niou war ihre einzige Hoffnung, vielleicht hätten sie sogar eine Chance es ohne ihn zu schaffen, aber sie war verschwindend gering. Doch wo war Niou? Was plante er? Yagyuu hatte den Silberhaarigen noch nie nachvollziehen können. Sicher, sie waren gute „Partner“, aber Nious Denkweise entzog sich Yagyuus Verstand. Die viel wichtigere Frage war sowieso, ob der Andere noch lebte. Yagyuu wusste, dass Niou nicht unter zu kriegen war, doch ein Sprung aus dem 15. Stock? Ihm blieb nichts anderes als zu hoffen, dass der Ältere wieder einen Trick parat gehabt hatte. Niou war der Schlüssel zu ihrer Flucht. Bis er bereit war, mussten sie Wohl oder Übel hier rumsitzen. ---- Niou schnaubte leise. Das war verdammt knapp gewesen. Er hatte nur gesehen wie die Typen vom Sondereinsatzkommando die Treppe hoch gestürmt kamen und hatte dann instinktiv reagiert. Und das hatte eben mit der Flucht aus dem Fenster geendet. Er spürte, wie sein Herz gegen seinen Brustkorb hämmerte. Adrenalin war doch was Feines. Er stand auf einem winzigen Vorsprung in der Wand. Wenn er fiel, würde er das auf keinen Fall überleben. Gottseidank hatte die Rikkai jede Ecke der Bruchbude inspiziert, als sie vor drei Tagen ihr Quartier vorübergehend hierher verlegt hatten. Ansonsten würde Niou jetzt genau wie die Anderen abgeführt werden. Sein Kopf begann zu rattern. Irgendwie musste er sich jetzt helfen. Sieben Kerle waren in den 15. Stock gekommen, mindestens zwei von ihnen würden Yagyuu begleiten, die restlichen fünf würden sehr wahrscheinlich noch die oberen Etagen inspizieren. Niou holte tief Luft. Er musste also zwischen die beiden Truppen schlüpfen und es dann noch schaffen unbemerkt unten zu entwischen. Er grinste. Kein Problem, wenn man Niou hieß. Plötzlich spürte der Silberhaarige, wie sein Fuß rutschte. Keine Sekunde später brach der Vorsprung, auf dem er gestanden hatte, und Niou fiel. Gerade noch so konnte er sich mit einer Hand an dem verbleibenden Stück Vorsprung halten. Das war knapp gewesen. Er hatte nicht viel Zeit zum Nachdenken, entweder würde er jetzt den Sprung ins untere Fenster schaffen oder elendig verrecken. Augen zu und durch. Niou ließ die Kante los und dankte auch schon im nächsten irgendjemanden da oben im Himmel, der ihn lieb hatte. Mit einem Fuß und einer Hand war er tatsächlich auf dem kleinen Absatz vor dem Fenster im 14. Stock gelandet. Jetzt musste er nur noch den Rest des Körpers rauf ziehen. Er verzog das Gesicht vor Schmerzen. Bei der Landung hatte er nicht gemerkt, dass er sich einen Splitter des kaputten Fensters in die Hand gerammt hatte, aber als er sich jetzt darauf stützte und sicher der Splitter noch tiefer bohrte, machte er sich schmerzlich bemerkbar. Niou war erleichtert, als er endlich komplett auf dem Fensterbrett hockte. Er ließ seine Augen durch den Raum wandern. Ein Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Heute war wohl sein Glück-im-Unglücks-Tag. Da lief doch tatsächlich einer dieser Typen ganz alleine durch die Gegend. Trottel. Jeder Polizist sollte wissen, dass man sich nicht allein in solchen Gegenden rumtreiben sollte. Niou kam das gerade recht. Er würde den Kerl erledigen, sich dessen Uniform schnappen und schon war die Flucht nicht mehr als ein Kinderspiel. Eine Hand wanderte zu seiner Pistole, die andere zum Schalldämpfer. Erst im letzten Moment stoppte Niou. Das sollte er nicht wagen. Die Typen vom Sondereinsatzkommando waren gepanzert bis sonst wo hin, da müsste er schon verdammt genau zielen. Aber er war kein geübter Zielschießer. Dann musste er sich eben etwas Anderes einfallen lassen. Niou schaute auf seine Hand. Eindeutig, zuerst musste er dieses Glasstück entfernen. Er biss sie auf die Zunge, als er den Splitter aus seiner Hand zog. Das tat höllisch weh. Doch er durfte sich davon nicht zu sehr ablenken lassen. Geräuschlos glitt er vom Fensterbrett ins Zimmer. Am einfachsten war es wohl dem Typen das Genick zu brechen. Nur musste sich der Silberhaarige dafür erst einmal unbemerkt anschleichen. Er hatte schon fast sein Ziel erreicht, als er eine Scherbe des Fenster übersah und sie laut zertrat. Danach passierte alles innerhalb von Sekunden. Der Mann vom Sondereinsatzkommando drehte sich zu der Geräuschquelle, Niou zog seine Waffe und feuerte. Er spürte, wie das Adrenalin wieder durch seine Adern gejagt wurde. Der Mann sackte zusammen. Ein perfekter Kopfschuss. Niou wusste, was für ein Glück er gehabt hatte. Der Kerl hatte sein Visier geöffnet, wieso auch immer. Wenn nicht, wäre er selbst jetzt auf dem Weg über den Jordan. Niou steckte seine Pistole weg, und in diesem Moment wurde ihm klar, dass er seinen Schalldämpfer vergessen hatte. Er schluckte. Den Schuss musste man durch das Gebäude einfach bis in jede Etage gehört haben. Zur Bestätigung hörte er auch schon schwere Schritte die Treppe hinunter laufen. Verdammt, sie durften ihn nicht erwischen. Niou rannte los, ohne nach zu denken, einfach nur vorwärts. Schade um die schöne Verkleidung, die ihm durch die Lappen ging, aber im Moment gab es nun mal Prioritäten. Niou rannte. Jeder Schritt hallte laut in seinen Ohren wieder. Er hörte, wie die Leute hinter ihm näher kamen. War er denn so langsam? Er versuchte seine Beine noch schneller zu bewegen. Doch wenn er jetzt so schnell lief, dann würde er unten wahrscheinlich noch auf die anderen Truppen stoßen. Verdammt, er musste sich auf der Stelle etwas einfallen lassen. Dann zuckten Nious Mundwinkel. Eine letzte Trumpfkarte hatte er noch. Neulich hatte er mit Kirihara Rauchbomben gebastelt, um Jackal zu ärgern. Eine davon hatte er noch übrig. Wenn er die im richtigen Moment zündete, konnte er bestimmt allen Gegnern entkommen. Er fühlte mit einer Hand in seiner Tasche. Ja, da war sie. Jetzt nur noch genau den Zeitpunkt abpassen. Aber er musste sich beeilen, die Typen waren ihm immer dichter auf den Versen. Niou war im Erdgeschoss angekommen, kurz vor der Tür schmiss er seines kleines Experiment auf den Boden. Knallartig entwich der dichte Nebel in alle Richtungen. In Windeseile verzog sich der Silberhaarige eine der vielen kleinen Straßen. Jetzt zählte nur seine Flucht. Plötzlich stieß er gegen irgendetwas, das beim Zusammenprall ein quiekendes „Dane“ von sich gab. „Pass auf, Idiot“, herrschte eine andere Stimme. Eh sich Niou versah hatte er eine Hand im Nacken und seine Sicht wurde schwarz. ---- Yukimura war es bis jetzt wie seinem Boss ergangen. Er fand keinen Schlaf. Die Betten, wenn man sie so nennen konnte, waren ziemlich unbequem, aber das störte ihn nicht. Sie alle waren es gewöhnt an den unmöglichsten Orten zu schlafen. Wahrscheinlich hatten auch ihn die Gedanken an ihre Verhaftung wach gehalten, so wie alle anderen Mitglieder der Rikkai. Jetzt endlich schien der Älteste der Truppe Ruhe zu finden, aber auch die wurde zerstört. „Ich muss pinkeln“, nörgelte eine Stimme in der Dunkelheit. Yukimura seufzte, dahin war die winzige Chance Schlaf zu bekommen. „Ich muss pinkeln“, ertönte die Stimme, diesmal etwas weinerlicher. Der Blauhaarige stand auf und holte ein Gefäß aus der Ecke, das ein Wärter extra dorthin gestellt hatte. Kirihara wurde wütend und ungeduldig. „Ich muss pissen, verdammte Scheiße!“ Er wusste nicht, dass sich Yukimura in seiner Zelle befand, er hatte bis eben geschlafen, um den Rausch der Betäubung zu kurieren. Plötzlich spürte er, wie jemand seine Gefängniskluft öffnete. Er begann zu zucken. „Was soll...?“ Beenden konnte er sein Gezicke nicht, da ihn eine bekannte Stimme unterbrach. „Ruhig“, befahl Yukimura mit freundlicher und leiser Stimme. Er holte Kiriharas beste Stück hervor und hielt es über das Gefäß. Er hätte nicht gedacht, dass er jemals wieder einen anderen Penis als den Sanadas in der Hand haben würde. Der Schwarzhaarige wollte protestieren, wusste aber, dass man sich nicht gegen Yukimura auflehnte. „Was ist?“, fragte der Größere, als nichts passierte. „Du wolltest aufs Klo, als geh auch.“ Der Jüngere fand das äußerst merkwürdig, doch er hatte keine Wahl. ---- Sanada saß auf seinem Bett. Auch ihn hatte dasselbe Schicksal wie die Anderen ereilt. Er sah zu dem „Bett“ auf der gegenüberliegenden Seite. Jackal lag dort, doch Sanada war sich sicher, dass der Halbbrasilianer auch nicht schlafen konnte. Der Schwarzhaarige schaute seine Hände an. Wenn er sein Katana hätte, dann wäre er schon längst aus diesem Loch ausgebrochen. Sein Blick wanderte zur Tür. Vielleicht hätten Jackal und er zusammen eine Chance die Tür klein zu kriegen, aber noch durften sie nichts tun. Sie würden den nächsten Morgen abwarten, um zu sehen, ob der Boss irgendwelche Zeichen gab. Solang mussten sie ausharren. Sanada schloss die Augen. Das war die erste Nacht seit Jahren, in der er auf auf seine zwei liebsten Dinge verzichten musste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)