Kaizoku Gakuen von Milli (Update 2023: in Überarbeitung) ================================================================================ kleine Bemerkung am Rande… Steckbriefe wurden aktualisiert. Grüße, Milli. п6. Kapitel – Crêpe, Popcorn, Eis und… [~2005-05-19 – Thursday~] Zorro war mit Sanji draußen vor der Tür des Gerichtshofes stehen geblieben und wartete auf eine Antwort. Wenn es nach ihm ging, war es egal, was sie machten, er wollte nur nicht schon wieder in irgendein Gebäude gehen, egal ob Gerichtshof oder Krankenhaus, von beidem hatte er genug – und Sanji ging es da bestimmt ähnlich. "Machen? Was meinst du damit?", fragte der Blonde verwirrt und verrenkte sich den Hals um nach hinten und zu Zorro aufzuschauen. Der Grünhaarige, der seinen Blick in die Landschaft vor dem Gericht gerichtet hatte, schaute nach unten. "Dass wir was unternehmen, jetzt wo wir schon die Chance dazu haben. Wir können in den Park gehen und einen Crêpe essen, die sollen da echt gut sein!" "Hast du Crêpes schon mal selbst gemacht?" Zorro ließ den Rollstuhl so sanft wie möglich die Stufen herunterrumpeln. "Nein, aber das war doch keine ernst gemeinte Frage, oder?" Sanji lachte. "Hast Recht, ich wollt' auch viel mehr andeuten, dass wir das mal machen müssen." "Aber ist das nicht furchtbar schwierig? Und wo bekommen wir diese Platte her und den Stab, mit dem man den Teig glatt streicht?" "Du Dummkopf, das braucht man doch gar nicht. Eine Pfanne und ein Löffel tun 's auch. Und es ist nicht einmal halb so schwierig wie Okonomiyaki." "Okonomiyaki ist lecker! Das können wir sicher auch mal machen, oder?" "Ja, sicher." Zorro hatte Sanji die Straße entlang geschoben und sie waren vor dem Park angekommen, wo sich einige Stände aneinander reihten. Zorro hielt am dritten an. "Bis wir aber in der Schule und in der Küche sind, müssen wir wohl mit gekauften Crêpes vorlieb nehmen." Zorro ließ den Rollstuhl los und trat an den Stand heran. "Was möchtest du auf deinem Crêpe haben? Nussnougatcreme, Zucker?" "Ich nehm' Zimt und Zucker." Keine drei Minuten später hatte Sanji zwei Crêpes in der Hand und wartete darauf, dass Zorro ihn zu einer Bank geschoben hatte, auf die er sich setzen konnte, damit sie gemeinsam essen konnte. "Was hast du genommen?", fragte Sanji und biss von seinem Teigfladen ab. "Schokocreme natürlich", antwortete Zorro und saugte an der Spitze des Crêpes, damit nicht die ganze Creme, die sich in dem warmen Teig verflüssigt hatte, weglaufen konnte. "Darf ich mal kosten?" "Klar, wenn ich auch mal von deinem abbeißen kann…" Der Grünhaarige hielt Sanji seinen Crêpe hin, der eine Ecke abbiss. "Hmm, ich mag Schokocreme." Der Blonde leckte sich über die Lippen und lehnte sich wieder zurück. "Warum hast du dir nicht auch einen mit Schokocreme bestellt?" "Weil ich Zimt und Zucker mindestens genauso gut finde." Er hielt Zorro seinen Zimt-Crêpe hin, damit dieser sich selbst von dem einzigartigen Geschmack überzeugen konnte. "Stimmt, ist auch nicht schlecht." Es dauerte nicht lange und sie waren so gut wie fertig mit ihrer kleinen Zwischenmahlzeit. "Was machen wir als nächstes? Wir könnten ins Kino gehen. Es kommt ein Film über Piraten!" "Du meinst 'Fluch der Karibik'? Der soll wirklich gut sein!" Zorro erhob sich, warf das Papier und die Servierte in den Mülleimer und trat hinter Sanji, um ihn weiter zu schieben. Der Blonde war noch nicht ganz fertig mit essen, schaffte den Rest aber auf dem Weg zum Kino. Mit einer großen Portion Popcorn bewaffnet wurden sie in Kino zwei geschickt – das im mittleren Raum der insgesamt drei Räumen untergebracht war. Viele Besucher war um diese Zeit nicht da und Zorro wunderte sich ein bisschen, ob es sich für das Kino über lohnte, geöffnet zu haben. Der Grünhaarige schob Sanjis Rollstuhl in die Ecke, sodass sich niemand daran stört und half dem Blonden, aufzustehen, wurde allerdings gestoppt, als er den anderen auf den Arm nehmen wollte. "Ich kann selber laufen", erklärte Sanji und machte vorsichtig einen Schritt auf die Stufen zu, die hoch zu den Platzreihen führten. Zorro blieb dicht hinter ihm. "Meinst du wirklich?", fragte er, als Sanji die ersten zwei Stufen hinter sich gebracht hatte und kurz ins Straucheln kam. Sanji zögerte, bevor er antwortete: "Eine Stufe schaff ich noch!" Der Blonde lehnte sich leicht gegen Zorro, damit er nicht umfallen konnte, als er die dritte Stufe nahm, dann ließ er sich die Popcornpackung in die Hand drücken und auf den Arm nehmen. "Wir sitzen in der vorvorletzten Reihe", erklärte Zorro und ließ Sanji schließlich auf seinen Sitz hinab. Die Decke, die er sich über die Schulter gehangen hatte, als Sanji aufgestanden war, legte er ihm wieder über die Beine. "Wir haben nichts zu trinken. Soll ich noch schnell was holen? Wäre bestimmt nicht gut, wenn du nicht genug trinkst." Sanji zog eine Schnute. "Ich hab' aber gar keinen Durst." "Musst du ja nicht, aber den bekommst vielleicht noch, wenn du Popcorn isst." "Wir können doch danach was kaufen. Der Film fängt bestimmt jeden Moment an." Der Blonde hatte Recht mit seinen Worten, denn Zorro konnte nicht mehr antworten, ehe die Vorhänge aufgezogen wurden und der Film startete. Das war wohl perfektes Timing gewesen, die Werbung hatten sie verpasst, schade war es nur um die Filmvorschau, die sie nun auch nicht mehr sehen würden. Über die erste Szene konnte auch Sanji noch lachen und vom Popcorn kosten schaffte er auch noch, ehe er bereits nach rund zwölf Minuten des Films einschlummerte. In Anbetracht dessen war es wieder gut, dass der Film gleich gestartet hatte, so hatte der Blonde wenigstens ein paar Minuten mitbekommen – immerhin besser als gar nichts. Doch den Film würden sie definitiv noch mal sehen müssen, am besten mit den anderen zusammen, denn das Lachen alleine machte Zorro nicht so viel Spaß und bald fand er schon mehr gefallen daran, Sanji beim Schlafen zu beobachten, als die Handlung des Films zu verfolgen… [~same time – in front of the court~] Die kleine Truppe hatte es endlich geschafft, die Stadt zu erreichen und das Schild passiert, das diese ankündigte. Von dort brauchten sie nur noch etwa zehn Minuten, um zum Gerichtshof zu kommen, wenn sie quer durch den Park marschierten, Abstand von den Verkaufsständen nahmen und dafür durch die Gebüsche sprangen. Mit ein paar Blättern im Haar tauchten sie wieder aus der Wildnis auf und erblickten das Gerichtsgebäude auf der anderen Straßenseite. Auf der Treppe, die zur Eingangstür führte erkannten sie auch ein paar Gestalten, die ihnen beim Näher kommen immer bekannter vorkamen. "Hey, Smoky!", rief Ace erfreut und kam auf die Lehrergruppe zugehüpft, die oben auf der Treppe am Geländer stand und sich offensichtlich langweilte. Smoker stützte sich mit den Unterarmen am Geländer ab und schaute rauchend und in Gedanken versunken in die Ferne, während Crocodile mit dem Rücken am Geländer lehnte und in die andere Richtung starrte. Offensichtlich hatte er sich eine Zigarre von Smoker geliehen, denn er blies ebenfalls grauen Qualm in die Luft. Kuro hingegen sprang die Stufen der Treppe auf und ab, von links nach rechts und beinahe übers Geländer, auf der Jagd nach einem gelben Schmetterling. Der Weißhaarige, der von Ace angesprochen worden war, drehte sich überrascht um, um sich dann um hundertachtzig Grad um die eigene Achse zu drehen und Reißaus zu nehmen. Ace stoppte ihn am Eingangsportal, wo sie beide gegen die schwere Eichentür prallten und Smoker anschließend sitzend versuchte, sich des Nervenbündels zu entledigen, das sich an ihn klammerte. Der Rest der Gruppe, der endlich den Weg vom Internat zur Stadt bewältigt hatte, blieb vor Crocodile stehen – froh darüber, stehen bleiben zu können – und wandte sich auch gleich an diesen, da Kuro im Moment wenig zurechnungsfähig schien. Der Schwarzhaarige nahm sich die Zigarre aus dem Mund, weil er mit den Dingern nicht einmal halb so gut sprechen konnte wie Smoker und fragte überrascht: "Was wollt ihr denn hier?" "Wir wollen wissen, wie es ausgegangen ist, natürlich!", trompetete Ruffy. "Und zu Zorro und Sanji!" "Die sind weg", miaute Kuro und sprang im nächsten Moment dem Schmetterling wirklich übers Geländer hinterher. Weil das eine recht normale Aktion des hyperaktiven Katers war, wurde er größtenteils ignoriert… "Wie, weg? Wohin?" Crocodile zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung…" Ruffy ließ Kopf und Schultern hängen. "Na super, da haben wir uns extra auf den Weg gemacht und dann sind sie einfach weg!" "Aber wo können sie denn hin sein?", fragte Nami und trat neben Ruffy. "Wie schon gesagt", meinte Croco, "wir haben keine Ahnung. Keiner hat gesehen, dass sie gegangen sind, weder Sanji noch Zorro. Und Mihawk hat sich auch vom Acker gemacht. Wir wissen nur, was das letzte Mal passiert ist, als sie verschwunden sind…" [~same time – in the cinema~] Der Abspann flimmerte über den Bildschirm und Zorro blieb so lange sitzen, bis die Leinwand komplett schwarz wurde und auch schwarz blieb, in der Hoffnung, dass Sanji von alleine wieder wach werden würde und er ihn nicht zu wecken brauchte. Dem war nicht so und so entschied der Grünhaarige sich, ihn vorsichtig auf den Arm zu nehmen und die Treppe herunter zu tragen. Auf halbem Wege öffnete der Blonde verschlafen die Augen und wunderte sich über das Schaukeln, ehe er zu Zorro aufschaute. "Was ist los? Was machst du?", wollte er verwirrt wissen und schaute sich etwas desorientiert um. "Wir waren im Kino, schon vergessen?", fragte Zorro. "Du bist gleich nach den ersten paar Minuten eingeschlafen und bis zum Schluss nicht aufgewacht, aber wir müssen jetzt gehen und weil ich dich nicht wecken wollte, wollte ich dich einfach in deinen Rollstuhl setzten." Er ließ Sanji vorsichtig runter und der ließ sich auf die Sitzfläche seines fahrbaren Untersatzes sinken. "Danke", nuschelte er immer noch etwas verschlafen und fuhr sich über die Augen. Zorro setzte sich und ihn in Bewegung. "Musst du noch auf die Toilette oder willst du noch was zu trinken haben?" "Auf die Toilette muss ich nicht, aber etwas zu trinken wäre nicht schlecht", murmelte der Kleinere. Erst nach ein paar Schlucken Mineralwasser und ein paar Atemzügen frischer Luft, die sie mittlerweile wieder umgab, wurde Sanji wieder richtig wach. "Was machen wir als nächstes?", fragte er erstaunlich munter und ließ sich von Zorro durch die Straßen schieben. "Wir wäre es, wenn wir in den Park gehen", schlug der Größere vor und wechselte auch sogleich die Richtung. "Wir könnten Eis essen gehen! Ich hätte Lust auf eine große Portion Vanille- und Mango-Eis." "Mango?", Sanji verzog wenig begeistert das Gesicht. "Ich möchte Pistazie und Waldmeister." "Wie du meinst", meinte Zorro und klang dabei auch nicht gerade außerordentlich entzückt, was die Wahl des Blonden betraf. Sanji hatte wieder beide Eistüten zu halten, solange, bis Zorro ein schönes Plätzchen für sie gefunden hatte. Die Waffel von Zorro hielt er dabei besonders weit von sich, während er immer wieder versuchte, heimlich an seinen Eiskugeln zu lecken. "Da vorne!", rief Zorro und Sanji zog seine Zunge erschrocken wieder zurück. Sein Blick folgte dem ausgestreckten Arm des Grünhaarigen, der auf eine Wiese deutete, die sachte abfiel und in einen sandigen Untergrund überging, der in einen See mündete. Zorro bugsieren den Rollstuhl die halbe Strecke über das Gras und hinterließ eine eindeutige Reifenspur auf dem Grün, bis er sich entschloss, Sanji einfach hochzunehmen und zum See zu tragen. Das war insgesamt leichter und ging auch wesentlich schneller und Sanji hatte sich auch bereits einigermaßen daran gewöhnt, von Zorro getragen zu werden und reagierte nicht ganz so erschrocken, wie noch im Kino. "Ja, hier ist es schön", pflichtete er dem Grünhaarigen bei, als sie nebeneinander saßen und auf den See schauten. Zorro nickte. "Und es sind auch gar nicht so viele Leute hier, wie man erwarten würde. Is' ganz ruhig." Er nahm Sanji sein Eis ab und leckte das bereits Geschmolzene von der Waffel, bevor es an der Waffelspitze ankommen und heruntertropfen konnte. Sanji war mit Ähnlichem beschäftigt, allerdings hatte er es nicht ganz so eilig, da er ja auf ihrer Tour durch den Park bereits genascht hatte. [~same time – gambling house~] Sie waren dem Gang gefolgt und hatten durch eine Seitentür das Gerichtsgebäude verlassen. Es stand nicht etwa ein Wagen vor der Tür bereit, der sie abholte, um sie in ein Casino zu fahre, in das Flamingo den Schwarzhaarigen schleppen wollte. Viel mehr liefen sie eine gute Viertelstunde, um dann in einer heruntergekommen Spelunke zu verschwinden. Der Wirt, der mit einem Handtuch ein Glas polierte – also das machte, was jeder Wirt immer machte – schaute kurz auf, als die zwei Gestalten seine Herberge betraten, schenkte ihnen aber nicht weiter Beachtung, als sie an dem Tresen vorbeigingen und auf eine Tür zusteuerten, die in einen Flur führte, der aus Betonwänden, einem Betonboden und einer Betondecke bestand. Diese Tür hatte ihn nicht zu interessieren. Sie war nur an sein Haus gelegt worden, um sie unscheinbarer wirken zu lassen und er bekam eine Abfindung, damit er sie und die Leute, die sie passierten, duldete und die Klappe hielt. Flamingo hatte Mihawk weiter geführt und an zwei Wachtposten vorbeigelotst, die eine bereits prunkvollere Tür bewachten. Der Raum dahinter war das komplette Gegenteil von dem heruntergekommen Gasthaus, durch das sie hergekommen waren. Der Boden war mit rotem Teppich ausgelegt worden, Marmorsäulen stützten die hohe Decke und die verschiedenen Spieltische und Glücksautomaten waren auf Hochglanz poliert. An jeder Ecke stand eine hübsche Dame oder ein junger Mann, der einem die Wünsche von den Augen ablas und für Getränkenachschub sorgte. Alle Angestellten waren mit makellosen Uniformen ausgestattet, die nicht eine Falte an der falschen Stelle aufwiesen. Sogleich nachdem sie den Raum – oder eher Saal – betreten hatte, kam auch eine dieser Damen auf sie zu. Flamingo hatte für sich und Mihawk etwas zu Trinken bestellt und ihn dann mit dem Glas zum "Black Jack-Tisch" gewunken, wo sie jetzt saßen. "Willst du was setzen?", fragte der Blonde und legte für sich schon mal ein paar Chips auf den Tisch. Doch Mihawk schüttelte den Kopf. "Lass mal. Black Jack is' nicht so mein Ding. Ich kann immer nicht widerstehen, zu zählen – und wir wollen ja keinen Ärger kriegen." Flamingo grinste. "Du glaubst doch nicht wirklich, dass dich auch nur ein einziger Sicherheitsmann ansprechen wird, wenn du in meiner Gegenwart bist, oder?" "Da dürftest du wohl recht haben, trotzdem Danke, ich schau' lieber zu." "Wie du meinst…" Flamingo ließ sich Karten geben, konzentrierte sich aber nicht sonderlich auf das Spiel. Er nickte hin und wieder, um zu bedeuten, dass er noch eine Karte wollte oder hob die Hand, um eine neue Karte abzulehnen und setzte immer wieder neuen Einsatz. "Gibt es etwas anderes, was dir mehr Spaß machen würde? Roulett, Würfeln, Pokern?" "Zum Poker hab' ich weniger Lust, aber am Rouletttisch und beim Würfeln können wir später ruhig vorbeischauen." Flamingo nickte und nippte an seinem Getränk. Mihawk tat es ihm gleich, stellte das Glas jedoch gleich wieder ab, während der Blonde es in der Hand behielt. "Warum bist du mit mir hier her gekommen? Doch sicher nicht, weil du sonst niemanden gefunden hast, der mit dir zocken würde, oder?", fragte Mihawk unvermittelt, allerdings ohne ihn direkt anzuschauen. Auch Flamingo ließ den Blick auf die Karten gerichtet. "Nein, sicher nicht. Aber ich denke, das war klar. Ich wollte den Abend nutzen, um noch einige Angelegenheiten zu klären und Nachrichten der Shichibukai zu überbringen. Aber warum sollten wir dabei nicht ein bisschen Spaß haben? Es ist ja jetzt alles erledigt und wir können uns zurücklehnen." "Wenn alles erledigt wäre, wären wir jetzt wohl kaum hier", bemerkte Mihawk. Flamingo seufzte. "Hach ja… Aber das Bisschen, das noch zu klären bleibt, schaffen wir auch noch und ich kann dir so viel verraten: Es ist nur Erfreuliches." "Das beruhigt mich dann doch ein bisschen", gestand der Schwarzhaarige und lehnte sich zurück. "Ich hatte schon befürchtet, ich soll noch einen Kurierdienst übernehmen." Flamingo lachte. "Das übernehmen normalerweise immer noch irgendwelche Neulinge. Dein Auftritt war eine absolute Ausnahme, sowohl daher, dass jemand von deinem Rang solch einen Auftrag übernimmt, als auch daher, dass du etwas für uns erledigst. Die Zeiten sind wohl ein für alle mal vorbei." Mihawk nickte. Sie schwiegen eine Weile, Flamingo konzentrierte sich etwas mehr auf das Spiel und auf die Karten, die gelegt worden, bis er schließlich fragte: "Wie geht's dem Kleinen?" "Welchem Kleinen?" "Der Blonde, wegen dem wir den ganzen Zirkus hier veranstaltet haben." "Ach, Sanji. Gut soweit." "Freut mich. Ich hatte ihn im Krankenhaus mal besucht – Zorro wegen. Ich glaub', ich hab' keinen so guten Eindruck bei ihm hinterlassen." "Keine Ahnung. Hab' nich' viel mit Sanji gesprochen. Hängt die ganze Zeit bei Zorro rum. – Und für den bin ich Luft, seitdem Sanji wieder wach ist und wir nicht mehr gemeinsam in 'ner Zelle festsitzen." "Och, du Ärmster. Für diesen Tölpel hast du alles hingeschmissen und jetzt lässt er dich Links liegen." "So kann's gehen", seufzte Mihawk und nahm einen Schluck aus seinem Glas. "Aber Zorro war einfach nicht der Richtige. So schnell, wie diese Liebe entbrannt ist, war sie auch wieder erloschen." Flamingo schüttelte den Kopf. "Na super, für eine kleine Affäre verlieren wir einen unserer besten Kämpfer. Du hattest nichts weiter als dumme jugendliche Flausen im Kopf und wir haben dich einfach so ziehen lassen, nachdem wir dir so viel ermöglicht haben. Aus der Gosse haben wir dich geholt, deine Mutter beschützt und deine Familie abgeschüttelt." "Jaja, blabla", meinte Mihawk und machte ein entsprechende Handbewegung. "Dafür bin ich euch ja auch sehr dankbar, aber ich finde, ich hab' mich oft genug erkenntlich gezeigt. Hab' ich auch nur ein mal gemurrt, als ihr mir einen Auftrag aufgedrückt hat, der am Arsch der Welt war? Wo man nur zu Fuß hinkam, wenn man nicht von einem Taxifahrer gesehen werden wollte und es geregnet hat, das man versucht war, eine zweite Arche zu bauen?" "Ja, hast du." "…Aber gemacht hab' ich's trotzdem!" "Ja, hast du. Aber es ist allgemein bekannt, dass auf diesem Gebiet, auf dem wir arbeiten, immer Dreck anfällt und der muss nun mal weggemacht werden. – Und normalerweise verpflichtet man sich bei uns auch auf Lebenszeit", gab der Blonde zu bedenken. Er setzte mittlerweile keine Einsätzte mehr und schenkte seine Aufmerksamkeit ihrem Gespräch. "Hab' nie einen Vertrag unterschrieben. Und außerdem sind die meisten eh nicht länger als ein paar Jahre dabei, da gehörte ich mit meinen sieben Jahren Mitgliedschaft schon zum Alteisen." "Für einen Handlanger, der die Drecksarbeit macht", stimmte Flamingo zu, "aber sobald man in der oberen Riege aufgenommen ist, erhöht sich die Lebensdauer um etliche Jahre. Mal ehrlich, bei welchem Auftrag soll man denn noch umkommen, wenn man sich als gut genug für diese Position erwiesen hat? Als einer der oberen Sieben geht es nur noch um die geistige Fitness. Macht der Körper irgendwann nicht mehr mit, kann man trotzdem noch seine Karten ausspielen. Man wird erst 'entlassen', wenn man senil ist – oder die anderen Sechs gegen sich aufbringt. – Die Hälfte hattest du übrigens gegen dich." "Sind die alle noch dabei?" "Gab' keinen Wechsel in der Führungsriege; wir sind halt nur noch zu sechst, aber ansonsten… Wir haben nur ein kleines Problem bei den Abstimmungen. Bei jedem Unentschieden müssen wir erst tagelang diskutieren, bis eine Seite einen der anderen Seite überzeugen konnte. Das ist echt nervig." Mihawk zuckte mit den Schultern. "Schafft euch 'nen siebten Mann an", schlug er vor und schlürfte an seinem Getränk. "Haha, Spaßvogel. Hast du jemand bestimmtes im Sinn? Wir könnten 'nen Vorschlag gut gebrauchen, denn hätten wir einen geeigneten Kandidaten, hätte ich dir vor 'n paar Tagen schlecht Yoru bringen können." Der Schwarzhaarige zog eine Schnute. Auch wenn er es nicht offen zugeben wollte, dass sein geliebtes Schwert einen neuen Besitzer bekommen sollte, sobald ein Nachfolger gefunden wurde, passte ihm gar nicht. Aber das war nicht Grund genug, zur Organisation zurück zu kehren – auch wenn er das vertraute Gewicht des Riesen vermisste. "Schaut euch doch mal im Ausland um. Hab' gehört, die russische und die chinesische Mafia sollen ganz gute Männer haben. Aus den Länder bekommt ihr vielleicht einen raus, der keinen Bock mehr auf Borschtsch oder Pekingente hat…" "Klar haben die gute Leute, aber das ist nicht wie mit den paar Kolumbianern, die wir bei dir einschüchtern mussten. Die Chinesen würden sich das nicht gefallen lassen. Außerdem hat die japanische Mafia im Moment kein besonders gutes Verhältnis mit denen. Wir wollen uns da nicht einmischen, die Fronten verhärten und womöglich ins Kreuzfeuer geraten. Und bei den Russen ist es ähnlich; zu großer Komplex, der hinter der einzelnen Person steht und der diese Person sicherlich nicht verlieren will, wenn sie unseren Ansprüchen genügt." "Selber Schuld, wenn ihr so wählerisch seid. Nehmt 'n kleineren Fisch und kein Hahn kräht danach." "Dann könnten wir auch gleich 'nen Japaner nehmen." Mihawk nickte. "Eben. Und schon ist das Problem gelöst." Flamingo hingegen schüttelte den Kopf. "Man, du hast echt kein Interesse mehr. So abwegig wie deine Vorschläge sind, vermute ich fast, du würdest lieber über etwas anderes reden. – Schönes Wetter heute, nicht?" "Ich würde es vorziehen, statt über das Wetter über das Erfreuliche zu reden." "Ich seh' schon, du hast keine Lust auf ein seichtes Pläuschchen." Er holte einen Umschlag aus der Innentasche seiner Federjacke hervor, den er Mihawk zuwarf. "Ich ziehe es vor, das Geschäftliche erledigt zu haben, bevor ich mich entspanne", erklärte der Schwarzhaarige und drehte den Brief zwischen seinen Fingern. Er warf dem Blonden einen fragenden Blick zu, ehe er das ordentlich verklebte und versiegelte Kuvert aufpulte. Zum Vorschein kamen weitere Umschläge, die mit Namen versehen waren. Auf einem stand sein eigener Name, auf einem anderen der von Zorro, einer war für Sanji, einer für Goldy und einer für Smoker. "Was ist da drin?" "Ein Dankeschön von der Organisation. Mir wurde aufgetragen, dass ich mich im Namen der Shichibukai noch einmal ausdrücklich bedanken soll. Ich denke, ich muss nicht erwähnen, was mit diesen Geschenken einhergeht?" "Absolute Verschwiegenheit, geht schon klar", versicherte Mihawk. "Is' nur 'n Check drin oder was Bestimmtes?" "Die beiden Turteltauben und dein Lehrer bekommen was Abbezahltes und das Internat eine größere Geldsumme." "Er ist nicht mein Lehrer", korrigierte der Kleinere. "Ich studiere bereits." "Dann eben Professor." Mihawk, der gerade dabei war, drei der Umschläge wegzustecken, musste unwillkürlich lachen. "Professor?!", prustete er. "Smoker? Wie kommst du denn da drauf? Ich würd' ihn ja nich' ma' für 'nen Lehrer halten, wenn ich es nicht wüsste." "Man sollte nie nach dem Äußeren gehen", gab Flamingo bloß zurück und schlürfte scheinbar beleidigt an seinem Getränk. "Gerade du solltest das wissen. Oder erinnerst du dich nicht mehr darin, wie schwer es für dich halbe Portion damals war, den Respekt der anderen zu erlangen?" "Oh, erinnere mich nicht daran. Nur, weil sie mir von der Größe her hätten auf den Kopf spucken können, war das keine Rechtfertigung, mich herumzuschubsen, wie es ihnen gefiel. Hättet ihr mir nich' gleich einen ordentlichen Auftrag geben können und das Thema wäre erledigt gewesen? Keiner hätte es auch nur im Entferntesten mehr gewagt, mich auch nur schräg anzugucken! Aber nein, ich musste ja Schritt für Schritt das Geschäft kennen lernen…" "So sehr kann dir das bisschen Schikane nicht zugesetzt haben. Dein Mundwerk war damals lose wie nie zuvor", stichelte Flamingo. "Du hast keinen Hehl daraus gemacht, was du von unserer Eingewöhnungsphase hieltest. Das hat es ja so reizvoll gemacht, dir trotz deiner Fähigkeiten nur die kleinen Aufträge zuzuschieben. Es gab sogar Wetten, ob du abwartest oder aussteigst und zu den Kolumbianern gehst oder ob wir dich Kurierdienst machen lassen oder als Wachposten einsetzten." Mihawk seufzte. "Und das, obwohl ihr damals auch nur zu sechst wart. Muss ja echt lustig gewesen sein, 'nen kleinen Jungen zu ärgern, wenn ihr die Verzögerung in Kauf genommen habt, nur um euch über mich lustig zu machen." "Wir haben es sieben Jahre ausgehalten, da konnten wir es die paar Monate auch noch verkraften. Und es war wirklich eine willkommene Abwechslung, einen dreizehnjährigen Knirps zum Narren zu halten." "Ja, unheimlich lustig." Mihawk zeigte ein gespieltes Grinsen, ohne sich sonderlich Mühe zu geben, dass sein Gegenüber die Falschheit nicht bemerkte. "Die Hälfte der Leute, die mich verarscht haben, hätte ich mit verbundenen Augen noch umbringen können. Und als ich dann plötzlich einen höheren Rang inne hatte als sie, kamen sie arschleckend wieder an, als wäre dieses Verhöhnen nie geschehen." "Tja, so läuft das halt: Nach oben buckeln, nach unten treten(1). Aber was hattest du auch anderes erwatet? Du warst vierzehn. Du hättest dich doch selbst nicht ernst genommen, wenn du an unserer oder ihrer Stelle gewesen wärst. Du warst zwar gut, aber ohne einen Namen bedeutet das gar nichts." "Ja, das war etwas, das ich schnell gelernt hatte…" …"Hey, Kleiner! Komm mal rüber!" Ein Junge mit schwarzen kurzen Haaren, der gerade erst das Teenageralter erreicht hatte, drehte den Kopf, um sich nach demjenigen umzuschauen, der nach ihm gerufen hatte. "Nenn mich nicht Kleiner", erwiderte er, als sein Blick auf einen anderen Jungen fiel, der bald nicht mehr im Teenageralter sein würde. "Mein Name ist Mihawk." Der Kerl lachte nur und kam auf den Jungen zu. "Schon klar, Kleiner. Zeig lieber her, was du dabei hast." Der Größere packte Mihawk am Arm und drehte ihn zu sich um, um dessen Jacke zu öffnen. Doch Mihawk riss sich los und brachte einen Schritt Abstand zwischen sich und dem anderen. "Tut mir Leid, Trottel, aber du kommst du spät – ausverkauft. Komm Morgen wieder." "Werd' nich' frech, du Wichser! Wenn du keinen Stoff mehr hast, dann rück das Geld raus!" Er packte Mihawk an beiden Seiten seiner Jacke und zog ihn zu sich heran, sodass sein Gesicht direkt vor Mihawks war und er dessen Atem auf seiner Nase spüren konnte – der Kerl hatte sich am Morgen eindeutig nicht die Zähne geputzt. Der Schwarzhaarige hob die Hände und packte die Handgelenke des anderen. "Flossen weg, Arschgesicht!" Er riss die fremden Hände von seiner Jacke und trat dem Kerl gegen das Schienbein. "Ouh! Du Missgeburt! Was fällt dir ein?!" Er schlug nach Mihawk, während er sich mit der anderen Hand das Schienbein rieb, doch der hatte es nicht schwer, auszuweichen und gleich noch einmal zuzutreten, diesmal gegen die Wade desselben Beines. "Na warte, du Bastard, dich mach ich fertig!" Der Kerl holte ein Messer hervor, doch Mihawk zeigte sich unbeeindruckt. "Tut mir Leid, dich korrigieren zu müssen, aber ich bin kein Bastard. Meine Eltern waren verheiratet, als sie mich zeugten." Der andere lachte trocken. "Mag sein, aber jetzt ist dein Alter über alle Berge und deine Hurenmutter sitzt mit dir alleine zu Hause – oder mit einem Freier!" Er versuchte erneut, den Jungen zu fassen zu bekommen. "Meine Mutter ist keine Hure", berichtigte Mihawk, während er erneut auswich und dabei nach dem Arm mit dem Messer griff. Er platzierte sich hinter dem anderen und drehte ihm den Arm auf den Rücken. Seine Bewegung war so schnell und sein Angriff so unvorhergesehen, dass der Kerl keine Gelegenheit hatte, zu reagieren, auch wenn er stark genug gewesen wäre, sich aus dem Griff zu befreien. Mihawk wusste, dass die Schnelligkeit seine einzige Chance war, sich gegen den Größeren zu behaupten und so zögerte er auch nicht und drückte den Arm weiter nach hinten und das Messer in den Rücken des anderen. Dieser schrie auf und befreite sich mit einer ruckartigen Bewegung aus Mihawks Griff, wobei das Messer zusätzlich zu der Stichwunde, eine mindestens drei Zentimeter lange und tiefe Schnittwunde hinterließ. "Du verdammte Missgeburt!", schrie der Kerl und drehte sich zu Mihawk um, der mit dem blutigen Messer in der Hand ausdruckslos zu ihm herüberschaute und unbekümmert beobachte, wie der andere sich verengte, um seine Hand auf seine Wunde zu pressen. "Das – das gibt Ärger, du Hurensohn! Darauf kannst du dich verlassen!", schrie er, nachdem er eine halbwegs schmerzfreie Haltung eingenommen hatte. Er schien allerdings nicht sonderlich erpicht darauf, selbst derjenige zu sein, der Mihawk diesen Ärger bescheren sollte. Schwer atmend stand er dem Jungen gegenüber; gekrümmt, um die Schmerzen zu minimieren, in seiner Würde verletzt und außer Stande, dem Kind eine Lektion zu erteilen und ihm beizubringen, mit welchem Respekt er mit ihm umzugehen hatte. Der Zorn über diese Demütigung war in seinem Gesicht zu lesen, aber gleichzeitig auch die Angst, diesem Kind alleine gegenüber zu stehen; diesen eiskalten Augen allein standhalten zu müssen. Mihawk konnte nicht sagen, ob es Angst, Dummheit oder Größenwahn und maßlose Überschätzung der eigenen Fähigkeiten war, was den Kerl wie angewurzelt vor ihm stehen bleiben ließ, doch er war sich sicher, dass sie bis zum Morgen so dagestanden hätten, hätte er nicht den ersten Schritt gemacht. Der Mann zuckte schon, als er nur den Arm bewegte und als sein eigenes, nach ihm geworfenes Messer ihn nur um haaresbreite verfehlte, drehte er sich um und rannte die Straße davon, so schnell es seine Verletzung zuließ… Mihawk schaute ihm nach, bis er außer Sichtweite war, dann ging er zu dem Messer, das gegen eine Hauswand geprallt und zu Boden gefallen war. Er hob es auf und begutachtete es. Die Spitze war abgebrochen, aber es hatte immer noch eine scharfe Klinge. Es war ein gewöhnliches Springmesser, die Klinge wurde durch Federkraft aus dem Griff geschleudert. Mihawk steckte es weg, ehe er sich auf den Weg machte, das eingenommene Geld abzuliefern… …"Man, wo hast du gesteckt?! Du hast die halbe Nacht vertrödelt! Sieh zu, dass du rein kommst und auspackst!" Der korpulente Mann mit dem Schnauzer und der rauchigen Stimme packte Mihawk an seiner Jacke und zog ihn über die Türschwelle. "Los, geh nach hinten", befahl der Mann und deutete auf eine verschlossene Tür gegenüber der, durch die er gerate eingetreten war. Er ließ den Alten mit der Halbglatze und den abgetragenen Anzug hinter sich und durchquerte den Raum. Der Türknauf war kalt, als er ihn anfasste. Der Raum, den er durch diese Tür betrat, war dafür aber angenehm beheizt. Mihawk schloss die Tür hinter sich behutsam und drehte sich zu dem langen, zerschrammten Holztisch um, der fast den ganzen Raum einnahm und von klapprigen, alten Stühlen umringt war. Zwei junge Männer saßen am Tisch, der eine tat so, als würde er eine Schusswaffe reinigen, und der andere drehte sich eine Zigarette. Mihawk kam auf den Tisch zu, zog seine Jacke aus und hing sie über die Lehne einer der Stühle. Ein dritter Mann, ein älterer mit nicht ganz so abgetragenem Anzug und etwas fülligerem Haar als der zuvor, war ebenfalls anwesend. Er hatte aufgeschaut, als das Zimmer betreten wurde und sich erhoben. "Pack das Ding weg!", fuhr er den Mann mit der Waffe an. Er wurde einige Sekunden angestarrt, dann gehorchte der andere, warf das Tuch, mit dem er geputzt hatte auf den Tisch und klemmte sich die Pistole zwischen Bauch und Hosenbund. Zufrieden mit dem Gehorsam, wandte der Mann sich an Mihawk. "Wo warst du, du Nichtsnutz?!" Er gab Mihawk einen Schlag auf den Hinterkopf und die beiden Männer grinsten sich an. "'s gab Ärger", erklärte Mihawk mit eingezogenem Kopf. "Was für Ärger?" "So 'n bobo(2) hat die Reviergrenzen nicht ganz ernst genommen." Mihawk bekam gleich noch einen Schlag. "Sprich japanisch! Wie oft noch!? – Was für'n Kerl?" "Keine Ahnung, er hat seinen Namen nicht gesagt!" "Werd' nich' frech, sonst verpass ich dir gleich noch eine! Und jetzt sieh zu, dass du auspackst und nach Hause kommst, ich will Feierabend machen. Ihr zwei auch, packt euren Scheiß zusammen und verschwindet endlich!" Die letzten Worte waren nicht mehr an Mihawk sondern an die anderen beiden im Raum gerichtet, die murrend ihren Kram zusammen suchten, sich dabei aber alle Zeit der Welt ließen. Mihawk holte eine Tüte unter seinem Pullover hervor und legte sie auf dem Tisch ab. Der Mann beäugte erst die Tüte einen Augenblick und dann Mihawk. "Is' das alles?", fragte er schließlich und als Mihawk nickte, beugte er sich zu ihm hinunter und tastete ihn einmal von unten bis oben ab. Mihawk ließ es geschehen und hob bereitwillig die Arme, um sich nicht verdächtig zu machen. Verstecktes Geld fand der Mann nicht, dafür aber das Messer. Er zog es hervor und hielt es Mihawk vor die Nase. "Was ist das?!" "'n Messer." Diesmal war es kein Schlag auf den Hinterkopf sondern einer mit dem Handrücken gegen seine Wange. Mihawk verlor durch die Wucht des Schlages das Gleichgewicht, landete aber nicht auf dem Boden sondern stolperte gegen den Stuhl, an dem er seine Jacke aufgehängt hatte und konnte sich noch rechtzeitig daran festhalten. "Das sehe ich auch, du Schwachkopf! Wo hast du es her?!" "Von dem Kerl, er hat's verloren." Der Mann richtete sich auf und betrachtete den Messergriff, den er in der Hand hielt. Er wendete ihn und ließ die Klinge hervorspringen. Kurz tastete er die abgebrochene Klinge ab, dann warf er es Mihawk zu. "Kannst du behalten. Hast du alles verkauft?" Wieder nickte Mihawk, ebenso wie der Mann, der sich von ihm abwandte und die Tüte an sich nahm. Er schaute kurz hinein und nahm ein paar Scheine heraus, dann brachte er sie ans Ende des Zimmers und stellte sie hinter dem Schreibtisch dort ab, der noch etwas besser aussah, als der alte Tisch, der in der Zimmermitte stand. Er reichte Mihawk die paar Scheine und entfernte sich wieder, um sich an den Schreibtisch zu setzten. "Und jetzt sieh zu, dass du nach Hause kommst", befahl er noch, ehe er sich eine Lesebrille aufsetzte und den Jungen schon bald nicht mehr beachtete. Mihawk steckte das Geld und das Messer weg, schnappte sich seine Jacke und verließ den Raum. Er nickte dem anderen Mann kurz zu, der die Tür öffnete und ihn wieder raus ließ. Auf der Straße war es kalt und Mihawk zog sich fröstelnd seine Jacke über, als er sich langsam schlendernd Richtung zu Hause aufmachte. Eine gute Viertelstunde würde er zu Fuß brauchen, um dann vor einem Heruntergekommen Wohnblock zu stehen, an dem die Eingangstür aus den Angeln gehoben war und das Treppenhaus dreckig und zugemüllt war und die Hälfte der Türen trotz der Tageszeit offen standen. Teils waren sie von Obdachlosen aufgebrochen wurden, weil sie unbewohnt waren und ein Platz zum Schlafen gesucht wurde, teils war das Schloss anderweitig kaputt gegangen und die Türen konnten nicht mehr geschlossen werden, auch wenn jemand in der Wohnung wohnte und nun die ganze Nacht über einen unruhigen Schlaf haben würde, aus Angst, jemand könnte ihn im Schlaf erstechen. Ein weiterer Teil der Türen war einfach offen, weil die Bewohner noch nicht schliefen, sich im Wohnzimmer versammelt hatten, Alkohol tranken und jederzeit Freunde empfingen, die vorbeikamen, um mitzutrinken. Als Mihawk die Stufen erklommen hatte und vor seiner eigenen Wohnungstür zum Stehen kam, fand er sie verschlossen vor und atmete erleichtert auf. Er kramte einen Schlüssel aus seiner Hosentasche und öffnete die Tür so leise wie möglich. Lautlos schlüpfte er in die Wohnung und zog die Tür hinter sich zu. Er öffnete seine Jacke noch im Flur, zog sie aber nicht aus, für den Fall, dass er sie in seinem Zimmer noch brauchen würde, da die Heizung schon seit Monaten nicht mehr funktionierte. Er schlich den Flur entlang und betrat das Wohnzimmer, wo seine Mutter auf der Couch lag und schlief. Die Sorge um ihn lag noch auf ihren Zügen. Sie war wohl eingeschlafen, während sie auf ihn gewartet hatte. Mihawk schnappte sich eine Wolldecke vom Sessel, der rechts von der Couch stand und breitete sie behutsam über seiner Mutter aus, dann schlich er sich auf die andere Seite des Wohnzimmers und schlüpfte durch eine weitere Tür, die in sein eigenes Zimmer führte. Er drehte sich zu seinem Bett um und zog seine Jacke wieder zu, ehe er sich darauf legte und die Decke über sich zog… "Warum bist du eigentlich ausgerechnet zu diesem Volltrottel gegangen? Osaka ist zwar nicht ganz so groß wie Yokohama oder Tokyo, aber trotzdem gibt es bessere Händler als diesen Deppen." Mihawk zuckte mit den Schultern. "Ihm war das Alter egal, solange man den Stoff an den Mann brachte und mir war die Behandlung und der Ruf von diesem Volltrottel egal, solange ich Geld von ihm bekam." "Viel kann's nicht gewesen sein", meinte Flamingo und trank den letzten Rest aus seinem Glas, um gleich darauf nach einer Bedienung zu winken und sich ein neues zu bestellen. Mihawk tat es ihm gleich und nahm den letzten Schluck zu sich, damit die junge Dame auch sein Glas mitnehmen und auch ihm ein neues bringen konnte. "War's auch nicht. Wär' ich mit dem Geld abgehauen, dass ich bei einer guten Tour eingenommen hatte, dann hätte ich mehr zusammengehabt, als nach einem halben Jahr Auszahlen. Aber so lange hätte ich dann wohl nicht mehr gelebt." "Hast du bei dem anderen Kerl mehr verdient? Würde erklären, warum du's bei dem so lange ausgehalten hast. Der Fettsack war echt – wie würdest du ihn nennen? Flacha veloz(3)?" Mihawk grinste. "Das kannst du laut sagen! Allein hätte der nichts gebacken gekriegt, im wahrsten Sinne des Wortes. Aber auf Hundertachtzig war er ganz schnell, wenn es eine Gelegenheit gab, jemanden anzubrüllen. Ihm war's zwar nicht egal, dass ich gekommen bin, wann ich wollte, aber es gab immer was zu tun und er hat bezahlt." Flamingo nickte nur und sie unterbrachen ihre Unterhaltung, als die Bedienung sich mit einem Tablett ihrem Tisch näherte. [~same time – in the park~] Sanji hatte sich an Zorro gelehnt und sein Kopf ruhte an dessen Schulter. Ihr Eis hatten sie aufgegessen und sie verbrachten die ruhigen Minuten, die danach eingekehrt waren, damit wortlos auf den See vor ihnen zu starren. Sanji saß im Schneidersitz, die Hände in den Schoß gelegt, während Zorro die Beine angezogen und seine Arme um seine Knie geschlungen hatte. Die Sonne war dabei unterzugehen und keiner der beiden wollte den so friedlichen Augenblick zerstören, in dem das Wasser in ein tiefes orange und der Himmel um den sinkenden Feuerball in ein helles Rot getaucht wurde. Erst, als nur noch ein Bruchteil der Sonne zu sehen war, brach Sanji die Stille: "Ich will dein Stofftier sehen." Zorro drehte seinen Kopf überrascht, aber langsam zur Seite. "Hast du die ganze Zeit darüber nachgedacht?" "Nein, es ist mir gerade erst wieder eingefallen." Sanji nahm den Kopf von Zorros Schulter, richtete seinen Oberkörper auf und wandte den Kopf, um dem Grünhaarigen in die Augen zu schauen. "Du hast es mir versprochen", erinnerte er. "Ja, hab' ich und ich werd' 's dir auch zeigen; wenn wir wieder in der Schule sind." "Aber das ist nicht fair! Shun-san hat gesagt, ich müsste noch mindestens eine Woche im Krankenhaus bleiben!" "So lange? – Tja, Pech gehabt!" Zorro zuckte mit den Schultern, dann lehnte er sich zurück, stützte sich mit den Armen hinter sich ab und streckte langsam seine Beine aus. Als der Schmerz in seinen steifen Kniegelenken nachgelassen hatte, ließ er sich nach hinten auf den Rasen fallen und streckte auch den Rest seines Körpers. Sanji beobachtete ihn dabei stumm und sein Blick folgte dem Älteren, als er sich erhob und vom See abwandte. "Ich glaube, wir sollten zurück. Es wird gleich dunkel sein." Er drehte sich wieder zu Sanji und wartete, ob dieser von allein aufstehen würde, doch der Blonde starrte nur zu ihm hoch, ohne etwas zu sagen. Vermutlich brauchte es wirklich nur etwas Zeit, bis Sanji wieder fit genug war, zu laufen, aber es machte Zorro schon etwas Sorge, den anderen so hilflos vor sich sitzen zu sehen. Würde er jetzt einfach gehen, dann würde Sanji hier sitzen bleiben müssen, bis jemand kam und ihm half – oder seine Situation ausnutzte. Zorro schüttelte den Gedanken ab und bückte sich, um den Kleineren aufzusammeln. Er trug ihn behutsam zurück zum Rollstuhl, wo er ihn auf die Sitzfläche gleiten ließ, um den Rückweg anzutreten. [~same time – gambling house~] "Die Bäckerei war schäbig", meinte Flamingo, nachdem die Bedienung ihnen die Getränke serviert hatte und wieder verschwunden war. "War sie auch", stimmte Mihawk zu. …"Mach ma' hinne, Junge. In fünf Minuten steht die Palette, verstanden?" Mihawk antwortete nicht. Er griff nur nach der nächsten Kiste, die mit Küchenpapier ausgeschlagen war und trug sie zu den anderen, die auf einer Europoolpalette gestapelt wurden, damit sie später alle zusammen transportiert werden konnte. Jede Schicht Kisten wurde mit fertig gebackenen Brötchen gefüllt, bevor die nächste daraufgesetzt wurde. Zwei Paletten waren schon fertig, zwei weitere mussten noch gestapelt werden. Mihawk trug die leere Kisten vom Lager zur Palette, zwei Angestellte formten die Brötchen und einer der beiden holte die fertig gebackenen Brötchen heraus und füllte sie in die Kisten, während der andere die noch rohen zum Backen in den Ofen schob. "Um halb sieben seid ihr hier fertig!", wandte sich der Bäckermeister an alle, zog sich das Küchentuch von der Schulter, das er sich übergehangen hatte, legte es auf einer Arbeitsplatte ab und verließ den Raum, um eine Rauchen zu gehen. Die Jungs arbeiteten inzwischen weiter, schafften es in der vorgesehenen Zeit von zwanzig Minuten allerdings nicht, ihr Arbeitsziel zu erreichen, da alleine die Backzeit diese überschritt. In den zwanzig Minuten würden sie es vielleicht schaffen, die jetzige Palette fertigzubekommen. Dass sie nicht rechtzeitig fertig werden würde, war ihnen bereits klar, noch bevor ihr Chef die Backstube verlassen hatte, doch Widerspruch einzulegen wäre ebenso sinnlos gewesen, wie sich zu verteidigen, wenn sie die Strafpredigt nach vollendeter Arbeit zu hören bekamen. Mihawk trug schweigend die letzten zwei Kisten zur Palette und musste auf einen Stuhl klettern, den er sich herangezogen hatte, um sie noch oben auf der letzten Schicht an den zwei noch freien Stellen zu platzieren, als der Bäckermeister zurückkam. "Ihr seid ja immer noch nicht fertig!", schimpfte er und kam auf die Palette zu, wo gerade die letzten Brötchen aufgelegt wurden. Die zwei Angestellten, die auch für das Backen zuständig waren, deckte die oberste Schicht ab und fixierten die Kisten, damit sie auf der Palette transportiert werden konnten, ohne herunter zu fallen, während Mihawk die nächste Holzpalette holte, sie neben die andere stellte und neue Kisten anschleppte. Als er an seinem Chef vorbei kam, bekam er einen Klaps gegen den Hinterkopf und die Worte hinterhergerufen: "Beeil dich, du Frosch, sonst werdet ihr hier nie fertig! Diese verdammte Verzögerung kostet Geld! Ihr bekommt euren Lohn schließlich nicht für 's dumm rum Stehen!" Mihawk huschte an ihm vorbei, um weitere Kisten zu holen und bekam die nächsten Beleidigungen nicht mit, doch auf dem Rückweg fing er sich wieder einen Schlag ein und der Chef meckerte ihn an, nachdem er sich wohl an den beiden anderen ausgetobt hatte, die mit dem Blick auf die Arbeitsplatte bereits fertig gekneteten Teig kneteten, um nicht aufschauen zu müssen und nicht untätig zu wirken. "Und wenn du Schwachkopf nich' andauernd zu spät kommen oder gar nicht auftauchen würdest, würden wir hier vielleicht auch mal was schaffen! Was denkst du eigentlich, was das hier ist!? Ein Vergnügungspark, wo du kommen kannst wann du willst!? Wo warst du gestern, du Nichtsnutz?! Ich bezahl' dich dafür, dass du hier bist, also tauch gefälligst auch auf! – Und nimm nicht immer den Stuhl, um darauf zu klettern! Ich hab' dir schon tausend Mal gesagt, du sollst dir die Fußbank aus der Kammer holen!" "Bezahlung kann man das kaum nennen", murrte Mihawk leise und einer der Mitarbeiter grinste ihn an. Der Chef hatte sein Kommentar glücklicherweise nicht gehört, sonst hätte er die nächsten Kisten wohl mit einem blauen Auge holen müsse… "Der Kerl war echt zu nichts zu gebrauchen. Der konnte nicht mal die Zeit seiner Mitarbeiter so einteilen, dass die Ware pünktlich über 'n Tisch ging", beschwerte sich Flamingo. "Der hätte 'nen Manager gebrauchen können, dumm nur, dass er dann nutzlos gewesen wäre, seine Aufgaben hätte der gleich mit übernehmen können." "Was für Aufgaben denn?", wollte Mihawk wissen und wusste, dass Flamingo darauf nicht antworten würde, weshalb er auch gleich weiterredete. "Er hat halt was rausgerückt, wenn man mal aufgetaucht is' und Hand angelegt hat, egal wie oft er gepredigt hat, ich könne auch gleich wegbleiben, wenn ich nur komme wenn's mir Spaß macht. Und das Geld konnte ich gut gebrauchen." "Jaja; is' ja aber auch kein Wunder, bei dem Hungerlohn, für den deine Mutter gearbeitet hat." "Was hätte sie denn machen sollen? Sie konnte ja nicht mal Japanisch, wie hätte sie da einen vernünftigen Job bekommen sollen?" "Eine viel bedeutendere Frage: Warum ist sie denn überhaupt nach Japan gekommen? Wegen dem Taugenichts, der sich dein Vater schimpft? Der hat sie doch noch im selben Jahr sitzen lassen, in dem er mit ihr durchgebrannt ist." "Mein Vater war ein Säufer und ein Arsch, aber dafür konnte sie doch nichts. Es wird schon genügend gute Gründe gegeben haben, warum sie damals mit ihm mitgegangen ist. Das es so enden würde, konnte sie damals ja nicht wissen." Flamingo hob abwehrend die Hände. "Entschuldige, ich wollte dir oder deiner Mutter nicht zu nahe treten. Sicher wird sie den Mann geliebt haben, wenn sie mit ihm mitgegangen ist und ein Kind mit ihm gezeugt hat. Aber warum ist sie nicht wieder ab nach Kolumbien, nachdem alles schief gelaufen ist?" "Ob sie nun hier oder dort als Näherin in einer Fabrik gearbeitet hätte, ist doch einerlei. Mehr zum Leben wär' in beiden Ländern nich' drin gewesen", seufzte Mihawk und griff nach seinem Glas. …Mihawk saß auf der Couch im Wohnzimmer und starrte den schwarzen Schirm des Fernseher an. Sie hatten für diesen Monat die Gebühr nicht zahlen können und so blieb ihm nichts anderes übrig, als sich die Bilder im Kopf vorzustellen, die jetzt über den Bildschirm flackern sollten. Vor ihm, auf dem klapprigen Couchtisch, dessen eines Bein angebrochen war, lagen ein aufgeschlagenes Schulheft, ein Bleistift und ein zugeklapptes Mathematikbuch. Das arme Buch hatte eigentlich gar nichts dafür gekonnt, dass Mihawk die Hausaufgabe nicht hatte lösen können, trotzdem war es frustriert und nicht gerade sanft zugeschlagen worden. Seitdem saß Mihawk da und starrte vor sich hin. Es würde nicht mehr lange dauern und seine Mutter würde nach Hause kommen und für sie beide etwas zu Essen zubereiten. Danach würde er noch einmal versuchen, die Aufgabe zu lösen, um danach – vermutlich ebenso frustriert wie jetzt – seiner Mutter "Bis später!", zuzurufen und die Wohnung zu verlassen. Als der Schlüssel am Schlüsselloch zu hören war, setzte Mihawk sich auf und drehte sich zum Flur um, um zu sehen, wie die Tür geöffnet wurde und seine Mutter, bepackt mit zwei Einkauftüten, die Wohnung betrat. Sie hatte die Tür noch nicht hinter sich geschlossen, da war Mihawk schon aufgesprungen und hatte ihr eine der Tüten abgenommen. "Was gibt's zu essen?", fragte er auf Spanisch, da seine Mutter kein Japanisch verstand oder sprach. "Reis mit Bohnen", antwortete sie. "Stell die Tasche bitte in der Küche ab, Schatz, ich fang gleich an." Der Schwarzhaarige trug die Tüte in die kleine Küche und stellte sie auf dem Tisch ab, der gegenüber der zusammengewürfelten Küchenzeile stand. Er hatte bereits begonnen, die Einkäufe auszuräumen, als seine Mutter – jetzt ohne Jacke und in Pantoffeln, zu ihm stieß und ihm half. "Lass gut sein, ich räum das ein", meinte sie und nahm Mihawk eine Dose aus der Hand. "Hast du nicht Hausaufgaben auf?" Mihawk zog eine Schnute und schüttelte den Kopf. "Bin fertig", log er, konnte seiner Mutter aber nicht lange in die Augen schauen, als ihr prüfender Blick auf ihm lag, weshalb er sich rasch umdrehte und zur Couch zurückging, wo er sich wieder hinsetzte und finster das Mathebuch anstarrte. Nach einer Weile schlug er es auf und las sich erneut die Aufgabenstellung durch. Motiviert, sich dem Problem doch noch zu widmen, zog er sein Heft zu sich auf den Schoß und nahm den Bleistift zur Hand. Bis seine Mutter ihn zum Essen rief, war er allerdings nicht weiter gekommen als zuvor. Es waren nur ein paar mehr durchgestrichene Rechnungen zu sehen. Ernüchtert schlug er Heft und Buch wieder zu und ließ beides achtlos auf den Couchtisch fallen, ehe er sich zu seiner Mutter in die Küche begab. Er zog den Stuhl zurück und setzte sich, während seine Mutter zwei Teller auf dem kleinen Tisch abstellte und ihm etwas zu Trinken eingoss. "Guten Appetit!", wünschte er ihr, als sie sich auch gesetzt hatte und begann zu essen. Seine Mutter wünschte ihm das Selbe. Sie aßen schweigend, denn es gab nicht wirklich ein Thema über das sie reden konnten. Die Arbeit in der Fabrik war jeden Tag gleich und Mihawk erzählte nicht gerne, was er tagsüber trieb und log, wenn sie fragte und er nichts Anständiges zu berichten hatte. Sie hatten ihr Abendmahl noch nicht beendet, als es an der Tür klingelte. Seine Mutter schaute von dem Teller auf und für einen Augenblick trafen sich ihre Blick, dann legte sie den Löffel weg und ging zur Tür. Sie zischte ihm zu, er solle sitzen bleiben, bevor sie die Tür einen winzigen Spalt öffnete. Mihawk tat natürlich nicht, wie ihm geheißen war und erhob sich, um zum Türrahmen der Küche zu schleichen und zu lauschen. Es waren zwei Männer an der Wohnungstür, das konnte er heraushören, aber er musste sich erst etwas an ihre Stimmen und die niedrige Lautstärke gewöhnen, ehe er verstehen konnte, was sie sprachen. Einer von ihnen verlangte immer wieder zu wissen, ob sie Dulacre mit Nachnamen hieß und einen Sohn hatte. Der andere pochte darauf, in die Wohnung zu dürfen und den Jungen zu sehen. "Wir wollen ihn haben!", hörte Mihawk den einen unterdrückt fluchen und der andere meinte kontrollierter: "Rück ihn raus oder wir holen ihn. Du hast kein Recht, ihn hier zu behalten!" Mihawk hatte sich zuerst nichts dabei gedacht, dass die Männer Spanisch redeten, auch der Dialekt kam ihm so vertraut vor, dass ihm erst gar nicht aufgefallen war, dass sie eigentlich hätten Japanisch reden sollen. Doch dann wurde ihm bewusst, dass diese Männer keine Japaner waren und hinter ihren Forderungen, ihn bezüglich nicht das Jugendamt oder etwas Ähnliches steckte. Warum sie auch etwas von ihm wollten, sie wollten es nicht, um ihm vermeidlich Gutes zu tun. Allein die Haltung und Körpersprache seiner Mutter, sowie das leichte Beben in ihrer Stimme ließen seine Alarmglocken schrillen. Die Männer hatten nichts Gutes mit ihm oder seiner Mutter vor. Seine Mutter schaffte es doch tatsächlich, die zwei abzuwimmeln. Doch auch nur für den Augenblick. Sie schworen, wieder zu kommen und rieten ihr, dass ihr Sohn dann zu Hause war. Mürrisch und nicht, ohne noch ein Mal verstohlen in die Wohnung zu schielen, wandten sie sich schließlich ab. Mihawk hatte erschrocken einen Schritt zurück in die Küche getan, als der Mann am Kopf seiner Mutter vorbei und in den Flur geschaut hatte und rannte schnell zu seinem Stuhl zurück und stopfte sich einen Löffel voll Reis in den Mund und tat so, als hätte er nichts mitbekommen. Doch die Sorge auf dem Gesicht seiner Mutter war überdeutlich… …"Hey, Kleiner! Warte mal!" Mihawk warf nur einen Blick über seine Schulter, um zu sehen, wer ihn gerufen hatte, blieb aber nicht stehen. "Was ist?", rief er zurück, drehte sich wieder um und ging weiter. Die Männer holten schnell auf und passten sich, links und rechts neben ihm angekommen, an sein Tempo an. "Hey, Kleiner", wiederholte sich der eine, "wo gehst du hin?" "Zum Ende der Straße", antwortete Mihawk und blickte nach vorne, obwohl beide Männer ihren Blick auf ihn gerichtet hatten. "Was willst du am Ende der Straße?", fragte derjenige, der rechts von ihm lief. Er hatte ins Spanische gewechselt, aber Mihawk hatte auch so bemerkt, dass sie mit den Männer zu tun haben mussten, die sie neulich beim Essen gestört hatten. Er tat so, als hätte er die andere Sprache nicht verstanden und ging unbekümmert weiter, bis ihn der Rechte am Arm packte und zwang, stehen zu bleiben. Er drehte ihn zu sich um und ging in die Knie, um auf seiner Augen zu sein. "Hör mal", begann er, "ich weiß, dass du mich verstehen kannst und, dass du zu Hause nichts anderes als Spanisch sprichst – deine Mutter kann ja nichts anderes – also stell dich jetzt nicht dumm. Denn ein dummer Junge bist du gewiss nicht, nicht wahr?" Mihawk antwortete nicht, er hatte so eine Ahnung, dass es ohnehin eine rhetorische Frage gewesen war. Der Mann lächelte. "Du musst keine Angst vor uns haben, wir sind nicht die bösen Männer, die deine Mutter ohne Grund bedroht haben – wobei ich es gar nicht bedroht nennen würde, viel mehr haben wir sie darauf hingewiesen, dass sie uns vor dreizehn Jahren Unrecht getan hat und das wollen wir jetzt begleichen." "Was wollt ihr von meiner Mutter?" "Wir lassen sie in Ruhe, von ihr wollen wir eigentlich gar nichts mehr – viel mehr von dir." "Von mir aus. Was wollt ihr von mir?" "Wir wollen, dass du mit uns kommst. Du gehörst nicht hier her, das hier ist nicht dein Land. Komm mit uns zurück nach Kolumbien, in deine Heimat, aus der du gerissen wurdest, als du dich nicht dagegen wehren konntest." "Meine Heimat ist dort, wo ich aufgewachsen bin und wo meine Mutter ist", entgegnete der Schwarzhaarige und befreite seinen Arm aus dem Griff des Fremden, machte aber keine Anstalten, davon zu laufen. "In Kolumbien, deiner Heimat, hast du eine noch viel größere Familie als bloß deine Mutter, die sich um dich sorgt, seit man dich von ihr getrennt hat." "Sie meinen, seit meine Mutter mich von ihnen getrennt hat." "Nun… deine Mutter kann nichts dafür, es ist dieser verlauste Affe von Ehemann", der Mann spuckte auf ihn aus, doch Mihawk war es egal, er mochte seinen Vater, obwohl er ihn kaum kannte, nicht, "gewesen, der sie mitgenommen hat, ihr ein besseres Leben, eine bessere Zukunft für dich versprochen hat." Der andere Mann kniete sich neben ihn und sprach weiter: "Aber er war im Unrecht, sie mitzunehmen. Sie gehört hier genauso wenig her, wie du. Zu Hause kannst du es besser haben als hier, da hast du Geld, Leute, die sich um dich kümmern und eine sichere Zukunft!" Mihawk löste seinen Blick von dem einen Mann und schaute zu dem anderen. "Was ist mit meiner Mutter?", fragte er. "Sie ist eine Verräterin!", entfuhr es dem Rechten und er war kurz davor, auch auf sie aufzuspucken, doch der andere hielt ihn zurück. "Er hat Recht", begann er, "sie hat uns betrogen. Deshalb können wir sie nicht mitnehmen. Aber wir werden unser Möglichstes tun, sie hier zu unterstützen. Überleg dir deine Entscheidung gut, sie wird dein Leben verändern." "Mein Leben ist, wie es sein soll. Wenn es sich ändert, dann werde ich mir das selbst verdient haben", entgegnete Mihawk. "Hör zu!", der Rechte drehte ihn wieder zu sich und packte ihn an den Oberarmen. "Unverdient ist das, was du jetzt hast. Komm mit uns und du kannst dir alles verdienen was du willst! Das hier ist nicht das, wofür du bestimmt bist! Das hier ist das Unglück, in das dich dieser Japaner gestürzt hat! Wenn du dir dein Glück unbedingt verdienen willst, dann geh dahin, wo du eigentlich sein solltest und fang dort an, daran zu arbeiten, nicht hier, wo du aus eigenen Händen gar nicht hingekommen wärst!" "Das ich hier bin war die Entscheidung meiner Mutter, also werde ich bleiben, bis ich aus eigener Kraft weggehen kann. Ich brauche die Hilfe von zwei Fremden nicht – und meine Mutter auch nicht!" Mihawk hatte wieder ins Japanische gewechselt, um sich von den Männern zu distanzieren. Mit einer ruckartigen Bewegung befreite er sich aus den Armen des anderen und machte einen Schritt rückwärts. "Na schön", auch der Fremde sprach nun wieder auf Japanisch. Er erhob sich und sein Kollege tat es ihm gleich. "Wie du meinst. Aber für deine Mutter wäre es besser, wenn du mit uns kooperierst, sonst kann sie was ganz anderes als Hilfe erwarten!" Der Blick, mit dem er Mihawk bedachte war finster, doch der Kleinere hielt ihm stand und starrte mindestens ebenso finster zurück, bis die Männer sich von ihm abwandten und schon bald um die nächste Straßenecke verschwunden waren. Mihawk blieb eine ganze Weile auf dem Gehweg stehen, bis er sich dazu durchringen konnte, seinen Heimweg fortzusetzen. Nach wenigen Schritten wurde aus seinem Gehen ein Laufen und schon bald ein Rennen. Er wollte so schnell wie möglich zu Hause sein. Der Gedanke, dass seine Mutter dort alleine war, ließ ihm einen kalten Schauer den Rücken hinunter laufen… "Das Cali-Kartell war mal ganz groß. Nachdem das Medellín-Kartel zersplittert war, haben sie den gesamten Kokainmarkt in Kolumbien übernommen und sogar nach Asien und Europa exportiert. Seid Mitte der Neunziger geht man aber davon aus, dass es in kleine unabhängige Gruppen zerfallen ist, nachdem sie die Führungsspitze verknackt haben." Mihawk nickte. "So sieht 's aus. Deshalb sind sie ja zu mir gekommen, sie brauchten einen Nachfolger, sonst würde dieser Zusammenschluss verschiedener Kokainproduzenten sich auflösen und diese mächtige Organisation zerfallen." "War dir damals klar, wie wichtig es ihnen war, dich mitzunehmen?" "Nicht wirklich. Hatte zu Hause genug Probleme. Der Vermieter hat Ärger gemacht und die Probleme anderer in einem ganze anderen Land waren mir mehr oder weniger egal. Ich brauchte Geld, damit sich meine Mutter nicht mehr so viele Sorgen machen musste und deshalb hab' ich die Männer auch stehen lassen. Sie haben mir zwar jede Menge Geld angeboten, wenn ich mit ihnen gegangen wäre, aber ich hatte bemerkt, wie eingeschüchtert meine Mutter von ihnen war und wie ungern sie mit ihnen gesprochen hatte. Menschen, die meine Mutter einschüchterten waren keine guten Menschen und ich wollte kein Bündnis mit ihnen eingehen, wenn sie ihr solche Angst machten. Und so bin ich nachts weiter verkaufen gegangen und ab und an bei dem Bäckerfritzen aufgetaucht." …Mihawk war wieder dabei, Kisten zu stapeln, um für diesen Tag die letzte Palette zu beenden. Der Stuhl stand schon neben dem Kistenstapel und er kletterte auch sogleich auf ihn, um zwei weitere Kisten oben abzustellen. Die Kisten standen noch nicht wirklich sicher, blieben aber oben stehen, als Mihawk von etwas Hartem in der Seite getroffen wurde, das ihn vom Stuhl warf. "Wie oft noch, du Schwachkopf!?", wurde er von seinem Chef angebrüllt, der näher kam und nach ihm trat. "Du sollst mit deinen dreckigen Schuhen nicht auf meinen Stühlen herumturnen! Kannst du dir denn nichts merken!?" Mihawk hatte schützend die Arme über seinen Kopf gehoben und die Beine angezogen, um seinen Magen und seinen Kopf vor den Tritten abzuschirmen. "Dein beschissener Hocker war nicht da, Hijueputa(4)!", brüllte Mihawk zurück und schrie im nächsten Moment qualvoll auf, als er übel in der Seite getroffen wurde. Die zwei Gesellen an der Arbeitplatte konnten nur wie gelähmt zusehen, als ihr Chef den wehrlosen Jungen daraufhin am Kragen packte und hochzog, um ihm ins Gesicht zu schlagen. Mihawk hob die Arme und seine Hände legten sich auf den Arm, der ihn festhielt und zogen daran, in der Hoffnung, ihn zum Loslassen zu animieren. "Finger weg!", schrie er dabei. "Suerte(5), remalparido(6)! Lass mich los! Cual es la chimbada pues(7)?!" Er strampelte und zappelte wie wild und war so sehr bemüht, sich zu befreien, dass er gar nicht bemerkte, dass er dauernd zwischen zwei Sprachen hin und her sprang und sein Chef gut die Hälfte von dem, was er sagte gar nicht verstand. Die andere Hälfte hielt ihn aber auch nicht davon ab, weiter auf ihn einzuschlagen. "Du bist ein kleines, wertloses Stück Dreck!", schimpfte er dabei. "Is' aber kein Wunder bei dieser Mutter! Gai·jin(8)! Bai·ta(9)! So was kann niemandem Manieren beibringen!" Er hatte wieder die Hand erhoben, um erneut zuzuschlagen, kam allerdings nicht mehr dazu. Ein heißer Schmerz jagte durch seinen Rumpf und er ließ den Jungen mit einer weiteren, erstickten Beleidigung auf den Lippen, die ihren Weg nach draußen nur noch als schmerzvolles Stöhnen fand, los. Mihawk landete schwer atmend auf seinem Hosenboden. Die Hand hatte er von dem Messer gelöst, das er seinem Chef in den Körper gerammt hatte, damit er nicht mit ihm zu Boden gerissen wurde. Der Mann hatte sich auf den Kachelboden sinken lassen und starrte Mihawk fassungslos an, ehe sein Blick seinen eigenen Körper hinabglitt. Wie in Trance zog er das Messer aus seinem Fleisch und machte nicht einmal ein Geräusch dabei, nur das leise Spritzen von Blut war zu hören. Er starrte erst das blutige Messer und dann die Stichwunde an, dann richtete er seinen Blick wieder auf Mihawk, der sich aufgerichtet hatte und mit halbwegs beruhigter Atmung bewegungslos vor ihm stand. Er erkannte sofort, dass die Wunde nicht besonders tief war; da er auf Grund seiner ungünstigen Position und geringen Reichweite nicht weit durch die Fettschicht hatte vordringen können. Trotzdem schien sein Chef am Boden festgewurzelt, unfähig, sich zu rühren oder gar aufzustehen. Sein Blut tränkte langsam seine weiße Bäckerkleidung und die Angestellten, die hinter Mihawk standen, starrten den sich ausbreitenden Fleck an, als gäbe es nichts anderes auf der Welt. Ihre Münder waren geschlossen, die Augen weit aufgerissen. Bei dem dicken Mann, der vor Mihawk saß, wie ein Kind, vor einem riesigen Bären, den es nicht besiegen konnte, waren sowohl Mund als auch Augen sperrangelweit offen. Keiner rührte sich. Alle starrten auf Mihawk und der starrte auf sein Opfer, dass nicht in der Lage war, sich ihm zu widersetzten, obwohl es fast doppelt so groß war… "Ich hab' dich damals gesehen; in der Backstube. Die Tür zum Verkaufsraum war offen und ich wollte eigentlich nur ein Brot holen. Bin den ganzen Reis am frühen Morgen immer noch nicht gewohnt. Weil keiner kam, wollte ich mich selbst bedienen, da ist mir euer kleiner… Disput aufgefallen. Ich hab' beobachtet, wie du mit dem Messer nach ihm gestochen hast. Der Trottel war wirklich kurz davor gewesen, sich aufzurichten und dir eine zu scheuer. Er wäre wahrscheinlich auch der Überlegene gewesen, hatte ja schließlich jetzt das Messer und war um einiges größer und fetter als du. Aber allein dein Blick hat ihn am Boden gehalten. Ich hab' es in seinen Augen gesehen: Schier unbändige Angst. Und ich hab' es in deinen Augen gesehen: Kaltherzigkeit; dieser gnadenlose Blick, der sein Opfer erstarren ließ hat auch mich am Platz gehalten, diese Szene weiter zu beobachten. Dein ruhig Bleiben, Abwarten und Beobachten hat mich erstaunt. Du hast dich nicht gerührt, bis er es getan hat und dann war er nur noch in der Lage, aufzuspringen und wegzulaufen, solche Angst hatte er, obwohl er dir wohl dem Anschein nach haushoch überlegen gewesen wäre. Du hattest Potential, doch dein Problem war deine Unbekanntheit. Niemand hat Angst vor jemanden, der keinen Namen hat. Mit einem Namen, muss man seine Stärke nicht mehr unter Beweis stellen. Es gibt selten verrückte Herausforderer, die sich nicht eines Besseren beleeren lassen wollen, nur um dem Tod ins Auge zu schauen. Aber du, du hattest dich jeden Tag zu behaupten, immer wieder aufs Neue zu zeigen, wie angsteinflößend du warst und ich hatte den Schlüssel in der Hand, das zu ändern; deinen Namen unvergesslich zu machen." …"Hey, Junge!" Gedanklich verdrehte Mihawk die Augen, als er schon wieder auf diese Art und Weise angesprochen wurde, doch seine Gesichtszüge blieben ausdruckslos, als er sich zu dem Fremden umdrehte. Er befürchtete, es könnte wieder einer der Kolumbianer sein und der Bräunung nach hätte er richtig liegen können. "¿vientos o maletas(10)?", fragte er, doch obwohl er Spanisch sprach und auch eine kolumbianische Redensart verwendete, verriet sein Akzent, dass er zwar Ausländer, aber kein Kolumbianer war. Der Mann war in einer auffälligen, rosafarbenen Federjacke gekleidet und trug eine weiße Sonnenbrille mit lilafarbenen Gläsern. Seine hellen, blonden Haare standen in einem starken Kontrast zu seiner dunklen Haut. "Ah, ich merk' schon, ich kann dir nichts vormachen", versuchte der Fremde es wieder auf Japanisch. "Du erkennst die Männer, wenn sie vor dir stehen, nicht wahr? Sie sehen anders aus als ich; fremd." Mihawk verkniff sich, zu sagen 'Du siehst auch fremd aus!' Stattdessen fragte er: "Kenn' ich dich?" Der Mann beugte sich zu ihm hinunter. "Solltest du", meinte er und verharrte in seiner Position, um Mihawk zu mustern. "Aber ich denke, du weißt es nicht. Ich bin Don Quichotte de Flamingo, der Mann, der dir helfen kann." "Ich brauch' keine Hilfe." Mihawk kam die Szene wie ein Déjà-vu vor. "Hör mal", Flamingo ging zwar nicht wie die beiden anderen Männer vor ihm in die Knie, aber er stellte sich direkt vor ihm hin und beugte sich leicht hinunter, "ich weiß, dass du kürzlich Besuch hattest, von zwei Gästen aus dem Süden der anderen Seite des Erdballs. Kein Wunder, dass ich dir da ein wenig suspekt erscheine. Aber ich bin auf deiner Seite. Komm mit mir und du kannst bleiben, wo du bist, hier, bei deiner Mutter. Diese Leute wollen, dass du mit ihnen nach Kolumbien gehst, weg von deinem zu Hause, in ein Land, das ganz anders ist als das, das du gewohnt bist." "Das weiß ich bereits." "Willst du das?" "Nein." Flamingo atmete erleichtert auf, dann legte er dem Schwarzhaarigen seinen Arm um die Schultern. "Sehr gut! Ich kann dir deinen Wunsch erfüllen! Warum solltest du auch dein Potential dort unten vergeuden, wenn du es hier richtig entfalten kannst?" "Was für ein Potential?", fragte Mihawk verwirrt. "Das wirst du sehen, wenn du mit mir kommst." "Wohin?" "Es ist eine Organisation, die viel dafür investieren würde, dich auszubilden." "Worin?" "In allem. Deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Folge unseren Gesetzten und es wird keine anderen mehr geben, um die du dich scheren musst. Bei uns stehen dir alle Türen offen." Mihawk schnaubte verächtlich. "Ich öffne meine Türen selbst." "Ich hatte befürchtet, dass du das sagst", seufzte der Größer, "aber lass mich dir versichern, dass die Männer, die sich für dich interessieren, alles daran setzten werden, deine nächste Tür zu öffnen – und es wird unter Garantie nicht die sein, die du gewählt hättest. Bei uns steht dir diese Wahl frei." "Ihre Türen interessieren mich so wenig wie deine", gab Mihawk zurück. "Ich sag' doch nich' dem einen Killer ja, wo ich dem anderen grad nein gesagt hab'. Sucht euch jemand anders, in den ihr investieren könnt." Flamingo löste sich von Mihawk und richtete sich auf. Der Kleinere hatte befürchtet, er würde sauer sein und schon mit Schlägen gerechnet, doch der Blonde grinste bloß. "Gut", meinte er. "Es ist deine Entscheidung. Aber komm zu mir, wenn du sie änderst. Es wäre schade, wenn ich dich ziehen lassen müsste, aber ich kann dich nicht zwingen. Willst du jedoch der Gefahr, die dir und deiner Mutter droht, den Rücke kehren, brauchst du starke Deckung. Komm zu mir, wenn du sie brauchst und bereit bist, dafür zu zahlen. … Du findest mich bestimmt." Und mit diesen Worten ließ er Mihawk stehen, der sich in Gedanken fest vornahm, seine Entscheidung nicht zu bereuen und all diese fremden Männer, die plötzlich in sein Leben getreten waren, zu ignorieren… "Ab diesem Zeitpunkt hab' ich dich nicht mehr aus den Augen gelassen. Du hast mich interessiert, wenn nicht sogar fasziniert. Ein kleiner, dreizehnjähriger Junge, der bis zum Hals in Schwierigkeiten steckte, die er unmöglich selbst bewältigen konnte und trotzdem meine Hilfe abschlug." "Das wundert dich?", fragte Mihawk verständnislos. "Ich finde es selbstverständlich, einen Fremden, der mit einem derartig merkwürdigen Angebot zu mir kommt, stehen zu lassen und das Weite zu suchen. – Von diesem Angebot abgesehen, sahst und siehst du nicht gerade vertrauenserweckend aus." "Was?" Flamingo sah an sich runter. "Findest du wirklich? Ich finde, die Federn lassen mich plüschig wirken; wie ein knuddeliges Stofftiere. Was für ein Stofftier kann irgendjemandem etwas zu Leide tun?" Der Schwarzhaarige verdrehte die Augen. "Du lebensgroßer Plüschfasan glaubst doch nicht im Ernst, dass diese Aufmachung nicht jeden einen großen Bogen um dich machen lässt?" Seine rechte Augenbraue war in die Höhe gewandert und sein Mund zu einem spöttischen Grinsen verzogen. "Fasan? Ich hatte eher an einen Kubaflamingo gedacht…" [~same time – hospital~] "Was habt ihr euch dabei gedacht!?", wurden sie angefahren und Zorro bekam eine Kopfnuss von Smoker verpasst – und gleich darauf noch eine von Crocodile. "Hey! Was soll das?!", protestierte den Grünhaarige und legte sich seine Hand auf seinen Hinterkopf. "Na, ihm können wir schlecht eine verpassen." Smoker nickte zu Sanji, der Zorro daraufhin entschuldigend anlächelte – oder schadenfroh grinste. "Und wo habt ihr überhaupt Mihawk gelassen? Der kann sich auch gleiche eine abholen!" Zorro schaute zu dem größeren Schwarzhaarigen auf. "Mihawk war nicht bei uns." "Nicht?" Professor Klahadore klang überrascht. "Aber dann haben wir ja immer noch nicht alle wieder beisammen", stellte er fest und schaute zwischen seinen beiden Kollegen hin und her. "Die sind schwerer zu hüten als 'n Sack Flöhe", stöhnte Smoker und fasste sich an die Stirn. "Waren wir auch so?" Die Frage war eher an Crocodile gerichtet, da Kuro seine Schultage ja nicht auf der Kaizoku Gakuen verbracht hatte. "Kann mich nicht entsinnen", entgegnete Crocodile. "Aber Mihawk kann wahrscheinlich eher auf sich aufpassen als die zwei da. Wer weiß, was der gerade treibt. Is' vielleicht auch besser, es nicht zu wissen…" "Wir können ja noch mal auf den Toiletten und in der Cafeteria nachschauen. Vielleicht ist er ja wieder zurück, dann können wir ihn zurück zur Schule karren und ihn den Küchendienst heute Abend alleine machen lassen", schlug Klahadore vor und die anderen schienen einverstanden. "Ihr rührt euch hier nicht vom Fleck, wir sind noch nicht fertig", warnte Smoker noch Zorro und Sanji, ehe er das Krankenzimmer verließ und die beiden nickte artig. Dr. Shun, der draußen gewartet hatte, bis die Lehrer seinem Patienten und dessen Freund eine Standpauke gehalten hatten, betrat das Zimmer, noch ehe sich die Tür wieder schloss. "Na, da habt ihr euch ja was geleistet", seufzte er und trat an Sanjis Bett heran. "Das halbe Krankenhaus hat euch gesucht." Er legte seine Hand an Sanji Kinn und holte seine kleine Lampe hervor. "Es hätte sonst was passieren können", murmelte er, während er den Lichtstrahl über Sanjis Augen wandern ließ. Er schien mit seiner Beobachtung zufrieden zu sein, steckte das Licht wieder weg und nahm das Klemmbrett, das am Fußende des Bettes hing zur Hand, um etwas zu notieren. "Wie fühlst du dich? Hast du Kopfschmerzen?" Sanji schüttelte den Kopf und wartete, bis Dr. Shun zu Ende geschrieben hatte. "Aber mein Bauch tut weh", meinte er, als der Doktor seinen Blick von dem Papier gelöst hatte und schaute erwartungsvoll zu Dr. Shun auf. Der blonde Arzt schaute einen Augenblick nachdenklich auf ihn herab, dann griff er nach einer Manschette, die er Sanji am Oberarm anlegte. Er klemmte das Bruststück seines Stethoskops dazwischen und begann, die Manschette aufzupumpen, um dann langsam die Luft wieder abzulassen. "Der Blutdruck ist normal", stellte er fest. "Ist dir schwindelig?" Sanji schüttelte wieder den Kopf. "Bist du aufgestanden oder hast du den Kopf viel bewegt?" Der Blonde überlegte eine Weile, konnte sich aber nicht erinnern, sonderlich viel mehr mit dem Kopf gemacht zu haben als im Krankenhaus. "Nein, eigentlich nicht." Dr. Shun überlegte einen Augenblick, dann fragte er: "Warst du besonders vielen Eindrücken ausgesetzt gewesen wie in einer Straßenbahn oder einem sehr vollen Geschäft?" "Nö, wir waren im Park und im Kino bin ich ja eingeschlafen." "Ihr wart im Kino? Hast du da was gegessen?" "Ein bisschen Popcorn. Und vorher hab' ich einen Crêpe gegessen. – Und danach ein Eis." "…Okay, ich denke, ich weiß, woher die Bauchschmerzen kommen. Ich werd' dir etwas dagegen holen, wenn ich die Untersuchung abgeschlossen habe." "Kann ich nich' gleich was haben?" Der Dackelblick war zu perfekt, als dass Dr. Shun dem Blonden diese Bitte hätte abschlagen können. "Also gut, aber dann hältst du still, damit ich dich weiter untersuchen kann." Sanji nickte und Dr. Shun machte sich auf die Suche, nach einem passendes Medikament für sein Sorgenkind. Als er wiederkam, waren die Lehrer auch schon wieder da, die offensichtlich den Gesuchten nicht gefunden hatten. Zorro war näher an das Bett herangetreten und stand mehr oder weniger hilflos neben dem Blonden, der sich zurückgelegt, die Arme um den Bauch geschlungen und die Augen zusammengekniffen hatte. "Es tut so weh! Und es wird immer schlimmer!", stöhnte Sanji und wälzte sich auf seinem Bett hin und her, dass Dr. Shun Schwierigkeiten hatte, ihn ruhig zu halten. "Kein Wunder", meinte er, als er Sanjis Handgelenk endlich erwischt hatte und den Arm ruhig halten konnte. "Du hast viel zu viel gegessen, wenn man bedenkt, wie lange du keine feste Nahrung zu dir genommen hast. Dein Magen muss sich erst wieder daran gewöhnen, zu arbeiten." Er drückte Sanji ein Glas Wasser in der Hand, das auf dem Nachttisch stand. "Ich werd' der Schwester sagen, sie soll dir später noch einmal etwas geben, dann wird es dir bald besser gehen – und morgen gibt es wieder Suppe und vielleicht einen Zwieback. Und das nächste Mal, wenn ihr einen Spaziergang machen wollt, dann meldet ihr euch ab!" Smoker, Crocodile und Klahadore, die am Fußende des Bettes mit vor der Brust verschränkten Armen an der Wand standen, nickten synchron. "Und wenn ihr wieder auf dem Internat seid, müsst ihr euch gar nicht mehr abmelden! Ihr habt nämlich Schulhofarrest! Kein See, kein Wald, kein Dorf, kein gar nichts! – Und Küchendienst! Zwei Wochen! Zu weit!" "Das is' gemein", maulte Zorro, der Crocodiles Strafen etwas überzogen fand. Sanji hätte auch widersprochen, aber er war gerade dabei die Tablette zu schlucken, die ihm sein Arzt in die Hand gedrückt hatte und hatte den Mund voll mit Wasser. Als er geschluckt hatte, hatte Zorro schon weitergesprochen: "Wieso bekomm' ich zur Strafe immer Küchendienst aufgebrummt?! Das is' unfair, wieso kann ich nich' mal 'ne Strafe abbekommen, über die ich mich freuen kann?" "Freuen?", hakte Klahadore mit skeptisch hochgezogener Augenbraue nach. "Ihr sollt euch bei euren Strafarbeiten nicht freuen." "Aber Sanji freut sich, wenn er in die Küche darf!", protestierte Zorro und erreichte, dass sich die Lehrer zumindest einmal unsicher anschauten, bis Smoker dann für sie sprach: "Aber er – er is' krank… Wir können ihn doch nicht so hart bestrafen wie dich. Außerdem, was kann er denn im Rollstuhl schon groß machen? Den Schulhof fegen? Da is' er ja zum nächsten Herbst nich' mit fertig." "Das is' echt 'ne lasche Rechtfertigung", murmelte der Grünhaarige und verschränkte beleidigt die Arme. "Sanji is' schon gestraft, wenn er mit dir zusammenarbeiten muss, reicht das nicht?", bot nun Crocodile an, schien damit allerdings keine ausgleichende Gerechtigkeit für Zorro erreicht zu haben. "Ich muss es auch mit ihm aushalten!" "Womit kann er dich denn schon auf die Palme bringen? Wenn er dich nervt, musst du doch nur zur Tür raus und er kann dir die Treppe runter nich' mehr folgen; also hab' dich nicht so!" "Ich sitz' nich' in 'nem Rollstuhl, wieso kann ich nich' den Schulhof fegen?" "Weil das Mihawk machen wird – wenn wir ihn denn wiederfinden… Und glaub mir, das willst du nicht machen, denn er wird den gesamten Schulhof fegen, die Blätter aus Doc. Kulehas Beeten klauben, Unkraut jäten und Laub harken, bis kein einziges Blättchen mehr auf dem ganzen Schulkomplex zu sehen ist." In Anbetracht dieser Strafe war Zorro dann doch ganz froh, nur zwei Wochen in der Küche stehen zu müssen und so hielt er lieber seine Klappe, bevor es sich die drei Lehrer noch einmal anders überlegten und Mihawk hinter den Herd stellten… _____________________________________ (1) Prinzip aus "Der Untertan", nach einem Roman von Heinrich Mann (2) span.(Kolumbien): Spitzname für jemanden, der meist groß, aber nicht besonders helle ist (3) span.(Kolumbien): bedeutet eigentlich schneller Bogen, wird aber als Spitzname für jemanden benutzt, der viel zu langsam ist (4) span.(Kolumbien): Hurensohn (5) span.(Kolumbien): Verpiss dich! (6) span.(Kolumbien): bedeutet so viel wie großer Bastard; sehr starkes Schimpfwort (7) span.(Kolumbien): Was ist dein Problem? (8) jap. Ausländerin (9) jap. Hure, Dirne, Nutte (als Beleidigung) (10) span.(Kolumbien): Wie geht es? mikan... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)