Hot N' Cold von schmoergelmotte ((ehem. Melting)) ================================================================================ Kapitel 16: Annäherungen ------------------------ Hallöchen zusammen! Oh Gott, mal wieder hat es gefühlte Ewigkeiten gedauert, bis das Kapitel fertig war und zu meiner Schande muss ich gestehen, es dann auch noch eine Woche liegen lassen zu haben. Aber ich bin beruflich in letzter Zeit einfach zu sehr eingespannt und dazu auch noch zu unmotiviert, zu schreiben. SORRY. Jedenfalls... nun ist das Kapitel fertig und hui, es schrieb sich schneller runter als erwartet. Ich hoffe trotzdem, dass es der Qualität des Kapitels keinen Abbruch getan hat ;) Wünsch euch viel Spaß beim Lesen und danke für die Kommis zum letzten Kapitel, obwohl ich hier so lahm voran komm wie eine Schnecke am Weinberg. Kapitel 16: Annäherungen Der Himmel war voller dicker, weißer Wolken als Bobby am Fenster seines Zimmers stand und starr hinaus blickte, ohne auch nur wirklich etwas von der weißen Pracht wahrzunehmen, welche die Welt um ihn mittlerweile überzogen hatte. Allein in der Nacht hatte es so stark geschneit, dass nun mindestens 7 Zentimeter Schnee lagen. Eigentlich ein Grund für Bobby, nach draußen zu gehen und dem geliebten Knirschen unter seinen Schuhen zu lauschen, doch die Motivation konnte er nicht aufbringen. Es war bereits zwei Tage her, seit John ihn in der Küche geküsst hatte, doch seitdem hatte der Feuermutant das Thema beharrlich gemieden. Bobby konnte sich vorstellen, was seit dem Kuss in John vorging. Immerhin war er selbst lang genug verwirrt gewesen, als er seine Gefühle für John bemerkt hatte. Er hatte sich geschworen, John alle Zeit der Welt zu geben, doch die Ungewissheit nagte an ihm. Was hatte dieser Kuss zu bedeuten? Erwiderte John seine Gefühle nun? Oder war es ein einmaliger Ausrutscher gewesen? Insgeheim hatte Bobby sich erhofft, dass der Kuss die Dinge zwischen ihnen klären würde, doch stattdessen hatte er alles nur komplizierter gemacht. Ihr Streit hatte sich zwar gelöst und sie gingen weitestgehend normal miteinander um, doch ob zwischen ihnen wirklich mehr war als bloß Freundschaft – das stand weiterhin in den Sternen. Die Tür hinter ihm öffnete sich und Bobbys Rücken spannte sich an. „Gott, irgendwer hat ein furchtbar pervers stinkendes Duschgel. Irgendwie nach Rosen, Tulpen oder so was… ich dachte, das wäre ein Jungenbad!“, hörte er John mosern und musste innerlich mit den Augen rollen. Solche Aussagen waren zwar typisch John, aber nicht das, was Bobby eigentlich aus dem Mund des Feuermutanten hören wollte. „Und du hast es trotzdem überlebt, in diesem mit Rosenduft verpesteten Raum zu duschen?“, gab er trocken zurück und drehte sich langsam zu John. Dessen Haare waren zwar schon trocken, offensichtlich hatte er sie – oh Wunder – mal geföhnt, doch sie waren noch nicht mit seiner Megaschicht Gel an seinen Kopf gepappt. Ein seltenes Bild. Aus irgendeinem Grund fiel Bobbys Blick auf den kaum sichtbaren Ansatz in Johns Haaren. Normalerweise fiel es unter all dem Gel nicht sonderlich auf, dass John sich seine Haare brünett gefärbt hatte, um das Blond aus seinen Haaren zu bekommen; zumal der Braunton dem glich, den John schon von Natur aus hatte. Doch das Licht der Deckenlampe ließ sie unterschiedlich schimmern. Bobby wusste nicht warum, aber er fand es irgendwie interessant. „Oh ja, aber nur unter Aufbietung meiner gesamten, männlichen Kampfeskraft – und unter Zuhalten meiner Nase“, erwiderte John mit einem scherzenden Grinsen auf dem Gesicht und brachte Bobby somit doch zum Schmunzeln. In seinem Kopf entstand ein Bild von John unter der Dusche, wie er sich mit nur einer Hand die Haare schamponierte, weil er sich mit der anderen Hand die Nase zuhalten musste. Und nein, er dachte nun nicht weiter an Johns nackten Körper, obwohl er über diesen schon oft genug fantasiert hatte. Innerlich räusperte er sich und lehnte sich gegen die Fensterbank. Schweigen legte sich über sie, während Bobby John dabei beobachtete, wie dieser auf den Kleiderschrank zuging und Jeans und Pullover herausnahm. Frustriert stellte Bobby fest, dass der Kuss wohl wieder kein Thema werden würde. Dabei fand er, war John ihm durchaus eine Erklärung schuldig. Er wusste wie Bobby für ihn empfand und hatte ihn trotzdem geküsst. Es war vielleicht unfair von ihm, doch seine Geduld neigte sich langsam dem Ende zu. Er wollte Antworten. Er fürchtete zwar, diese könnten negativ ausfallen, doch selbst eine erneute Abweisung wäre besser, als dauernd darüber zu sinnieren, was der Kuss bedeuten könnte. Bobby seufzte innerlich. Er wollte John nicht bedrängen, doch sein Wunsch nach zumindest einem kleinen Zeichen war in den letzten beiden Tagen so groß geworden, dass er es kaum noch aushielt. Er blickte zu John, der gerade die Schnalle an seinem Gürtel schloss. Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt… Tief einatmend entschloss er sich, selbst einen Schritt zu wagen und löste sich von der Fensterbank. Er ging einige Schritte in Richtung John, als er ihn mit seinem Namen ansprach. „Hm?“, kam es fragend von diesem, ohne jedoch dabei zu Bobby zu blicken. Bobby bemerkte, wie eine gewisse Nervosität sich in ihm breit machte. Sein Herz schlug schneller gegen seine Brust und sein Atem stockte für einen Moment. „John, wegen dem Kuss… wir haben nicht mehr darüber gesprochen, seit es passiert ist“, versuchte er das Thema so sachte wie möglich anzufangen und meinte doch, John kurz zusammenzucken zu sehen. Aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein. Über die Schulter halb in Bobbys Richtung blickend ließ John die Hand, in der er seinen Pullover hielt, sinken und vermied es offensichtlich, Bobby direkt ins Gesicht zu sehen. „Bobby…“ – seine Stimme klang gequält, so als würde er das Thema hiermit am liebsten wieder abbrechen. „Denkst du nicht, wir sollten da mal drüber sprechen?“, fragte Bobby unbeirrt und ging einen weiteren Schritt auf John zu. Dieser ließ den Kopf wieder sinken und starrte auf den dunkelblauen Stoff in seiner Hand. Für einen Moment glaubte Bobby, John würde seine Frage einfach ignorieren, doch dann hörte er die Antwort: „Nicht jetzt.“ Bobby atmete seufzend aus. Er machte sich nicht mal die Mühe, es leise zu tun. So kommen wir doch nie weiter… „Wann denn dann?“, wollte er wissen und überbrückte mit dieser Frage die letzte Distanz zwischen ihnen. Zwischen seinem Oberkörper und Johns Rücken war nun vielleicht noch eine Hand breit Platz. Er merkte, wie John sich verspannte, doch er wich nicht zurück. „Ich weiß es nicht.“ „Wir können das Thema doch nicht totschweigen. Es ist okay, wenn du“ – Bobby zögerte einen Moment – „nicht so empfindest wie ich. Aber du hast mich geküsst.“ Mit einem leichten Klumpen im Magen spürte er Johns feine Haare seine Wange streifen, als dieser den Kopf seufzend ein wenig in den Nacken legte und an die Decke starrte. „Ich weiß.“ „Aber das muss doch einen Grund haben. Oder hast du mich einfach nur so geküsst?“ Seine Stimme klang fordernder als beabsichtigt. „Nein!“, antwortete John und klang dabei abweisend und beleidigt zugleich, doch auch so, als würde ihm bei diesem Gespräch nicht wohl sein. Bobby legte ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter. Es tat ihm Leid, gerade so harsch geklungen zu haben, doch auch er war frustriert. „Aber warum dann?“ Zaghaft versuchte er mit seiner Hand John dazu zu bewegen, sich zu ihm umzudrehen und war erstaunt, als der Feuermutant dies tatsächlich tat. Als er antwortete, starrte er auf einen Punkt unterhalb von Bobbys Schlüsselbein. „Ich bin mir nicht sicher.“ Bobby biss sich auf die Unterlippe. Er wusste nicht so richtig, was er darauf antworten sollte. Unbewusst wanderte seine Hand von Johns Schulter in dessen Nacken und strich dort leicht mit den Kuppen über die kleinen Härchen. Es fiel ihm erst auf, als John plötzlich seinen Kopf hob und ihre Blicke sich trafen. Da war es wieder. Dieses kribbelnde Gefühl, das er empfunden hatte, als er John das erste Mal halsüberkopf geküsst hatte. In sich spürte er wieder die Sehnsucht, John nah zu sein. Es war wie ein Déjà-vu, mit nur einem Unterschied: diesmal meinte Bobby, in Johns Augen das Gleiche zu sehen, was er selber empfand. Er zögerte nicht und beugte sich vor, vereinte ihre Lippen miteinander. Die Nähe fühlte sich so richtig an. Das Gefühl war berauschend, als John seinen Kuss plötzlich erwiderte und die warmen, weichen Lippen sich mit seinen bewegten. Seine Hand in Johns Nacken zog dessen Kopf näher zu sich, als ihre Lippen sich langsam öffneten. Es fühlte sich besser an als der Kuss in der Küche. Befreiender. Die ungeklärte, unbefriedigende Situation schien für einen Moment aus Bobbys Kopf zu verschwinden. Er hatte das Gefühl, sich in diesen Kuss fallen lassen zu können. Unbemerkt waren sie beide ein wenig zurückgetaumelt. Johns Rücken lehnte nun an den Regalbrettern des geöffneten Schrankes. Bobby spürte wie Johns Hand in den Stoff seines Oberteils griff und den Stoff ein wenig hochzog. Er spürte die kühle Luft an seiner Haut. Es war ein prickelndes Gefühl und er sehnte sich danach, Johns Finger dort zu spüren. Haut an Haut. Doch ein lautes Klopfen ließ sie aus ihrer Wattewelt fallen. Sie zuckten zusammen. „Jungs, beeilt euch. Frühstück!“, hörte Bobby draußen eine Mädchenstimme rufen und war sich, noch vollkommen benebelt von diesem kribbeligen Kuss, nicht ganz sicher, ob es wirklich die von Rogue war. Bobby spürte plötzlich Johns Hände an seinen Oberarmen. Sie schoben ihn langsam von dem Feuermutanten weg, bis dieser zwischen Bobby und der Schranktür hindurch schlupfen konnte. Bobby folgte ihm mit seinem Blick. Johns Wangen waren gerötet. Ihm fiel erst jetzt auf, dass ihm selbst auch recht warm war. Er beobachtete, wie John zu ihm zurückkehrte und den Pullover aufhob, den er während ihres Kusses wohl hatte fallen lassen. Ganz offensichtlich mied er Bobbys Blick. „Ich hab Hunger“, sagte John nicht gerade überzeugend. „Also komm schon, lass uns gehen, bevor das Beste weg ist.“ Mit diesen Worten wandte er sich von Bobby ab, während er sich im Gehen den Pullover über sein T-Shirt zog und das Zimmer verließ. Bobby starrte für einen Moment resignierend auf die dunkle Holztür. „Na super…“, murmelte er leise zu sich selbst. Er bereute keinesfalls den Kuss, den sie gerade geteilt hatten. Doch nun waren sie wieder am selben Punkt wie vor zwei Tagen. John hatte seinen Kuss erwidert. Und doch war das keine eindeutig klare Antwort. Viel mehr stellten sich nun die gleichen Fragen. Doch im Moment blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als John zum Frühstück zu folgen und wie immer so zu tun, als wäre nichts gewesen. Mal wieder saß er auf dem Dachboden. Sein Zufluchtsort. Natürlich kannte jeder diesen Ort. Es war das ehemalige Astronomiezimmer. Bobby hatte ihn hier Mitte der Woche aufgegabelt. Vermutlich wusste er längst, dass John sich hier aufhielt. Doch wenn der Eismutant nicht ganz dumm war, würde er diesmal nicht sofort nach ihm suchen. John brauchte einfach mal eine Auszeit von Bobbys Nähe, die ihm zwar nicht lästig war, aber zu viel wurde, in all dem Gedankenchaos, das sich schon wieder in seinem Kopf breit machte. Es mochte auf Bobby vielleicht so wirken, als hätte er das Thema – ihren Kuss in der Küche – vollkommen ignoriert, doch in Wirklichkeit hatte er die ganzen beiden Tage nur darüber nachgedacht. Selbst wenn er krampfhaft versucht hatte, nicht daran zu denken, hatten sich die Erinnerung und die zwiespältigen Gefühle immer wieder in seinen Kopf geschlichen. Er verstand sich selbst einfach nicht mehr. Immerhin hatte er Bobby geküsst. Nichts andersherum. Er hatte das gewollt. Sowie er gerade nur allzu bereitwillig Bobbys Kuss in ihrem Zimmer erwidert hatte. Er konnte vor sich selbst nicht mehr leugnen, dass es ihm gefiel. Und nicht nur das. Es machte ihn kribbelig. Wenn Bobby ihm so nah war, drehte er innerlich vollkommen auf. Der Kuss hätte ewig weitergehen können, wenn Rogue sie nicht gestört hätte. Und doch war er im Endeffekt sogar froh um die Unterbrechung. Er wollte sich nicht ausmalen, was noch alles hätte passieren können. Sie waren beide keine vierzehn mehr, hatten bereits ihre sexuellen Erfahrungen gesammelt und zumindest von sich selbst konnte John behaupten, dass er auch nicht gerade verklemmt war. Vermutlich wäre es nicht unbedingt zum Äußersten gekommen, aber der Kuss hatte ihn so angeregt, dass er Bobby am liebsten den Pulli über den Kopf gerissen hätte. Seine Gefühle überschlugen sich, wenn er nur daran dachte, seine Hände über Bobbys Oberkörper gleiten zu lassen. Doch genau das machte ihm Angst: die Vorstellung, mit einem anderen Mann Sex zu haben. Allgemein. Und vor allem auch mit Bobby. Ihm war mittlerweile schmerzlich bewusst, was für eine Wirkung der Eismutant auf ihn hatte. Aber er, John Allerdyce, und schwul? Das passte nicht in das Konzept, das er sich für sein Leben zurecht gelegt hatte. Er war der gefährliche Mutant, der das Feuer beherrschte, eine große Schnauze hatte und optisch ein bisschen aussah wie ein Rebell aus den 50er-Jahren. Das war so wie mit schwulen Football-Spielern. Es passte nicht in die landläufige Vorstellung, die man von solchen Menschen hatte. Nur das es hier um seine eigene Vorstellung von sich selbst ging – und das machte es nur noch komplizierter. Seit Tagen versuchte er zu verstehen, was er für Bobby denn nun empfand. Es war mehr als Freundschaft, soviel war ihm mittlerweile klar. Einen guten Kumpel wollte man nicht küssen. Man stellte sich ihn auch nicht nackt vor. Und wenn man das schon tat, dann sicherlich nicht mit dem Verlangen, ihn zu berühren. Nein, er konnte nicht abstreiten, dass er sich sexuell zu Bobby hingezogen fühlte. Zu einem anderen Mann. Mit Männlichkeit statt Brüsten. Kantigen Zügen statt Rundungen. John atmete seufzend auf. Er könnte nun auch plump sagen Ich würd mit Bobby gern mal vögeln, doch Bobby war auch sein bester Freund. Eigentlich war er der einzige Mensch, den John je selbst als Freund bezeichnet und es auch noch ernst gemeint hatte. Und das machte es nicht so plump. Vielleicht hatte er sich auch in Bobby verliebt. Vielleicht empfand er das Gleiche, was Bobby für ihn empfand. Wäre dann nicht alles perfekt? Wenn John zurückdachte, an die Zeit, in der sie fast jede freie Minute miteinander verbracht hatten, konnte er sich nicht daran erinnern, jemals solche Gefühle für Bobby gehabt zu haben. Da war nur Freundschaft gewesen. Tiefe, aufrichtige Freundschaft, auch wenn er es Bobby nie so gesagt hätte. Doch er konnte sich auch nicht erinnern, oft traurig gewesen zu sein. Oder schlecht gelaunt. Denn auch wenn John oft so tat, als ginge ihm die ganze Welt am Allerwertesten vorbei und alles würde ihn anätzen, so war das auch stets Teil seiner Mauer, seiner Fassade gewesen. Auch Bobby hatte nie gänzlich hinter diese Fassade blicken können, doch zumindest hatte John ihm erlaubt, ab und zu mal einen kleinen Blick dahinter zu werfen. Bobby war in ihren gemeinsamen Jahren an Xaviers Institut eine so feste Verankerung in seinem Leben geworden, dass John seine Gegenwart und Freundschaft einfach als selbstverständlich angesehen hatte – bis Rogue kam. Sie hatte Bobbys Interesse geweckt und – vielleicht eher unabsichtlich – John in den Hintergrund gedrängt. Dass er selbst nicht gerade nett zu ihr gewesen und auch gegenüber Bobby immer dreister und frecher geworden war, hatte die Situation nicht unbedingt entspannt. Rückblickend konnte er sagen, er hatte aus Eifersucht gehandelt. Zwischen Bobby und Rogue war für ihn einfach kein Platz mehr gewesen. Er war nicht mehr Bobbys Person Nr. 1 an der Schule gewesen und ja, das hatte ihn gestört. Und dann war Magneto gekommen. Jemand, der ihm aus der Seele gesprochen hatte, der ihn als etwas Besonderes angesehen und ihm das Gefühl gegeben hatte, gebraucht und gewollt zu werden. Der seiner Einstellung zu der Beziehung zwischen Menschen und Mutanten entsprach und sein jugendliches, draufgängerisches Verlangen befriedigte, endlich was zu tun und der nicht wie Professor Xavier immer nur schlichtende Gespräche führen wollte. Und was hätte ihn schon in der Schule halten sollen? Er hatte das turtelnde Bild von Bobby und Rogue nicht mehr sehen können und auch sonst niemanden gehabt, von dem er damals gedacht hätte, dass es sich zum Bleiben lohnen würde. Sein Beitritt zu Magnetos Bruderschaft war also nicht nur ein Akt der Überzeugung gewesen, sondern auch eine Flucht. Eine Flucht vor Bobby und seiner kleinen Freundin. Eine Flucht vor der inneren Wut auf den Eismutanten, die ihn zu ersticken drohte. John merkte, wie ihm eine einsame Träne über die rechte Wange rollte. „Scheiße…“, murmelte er leise und wischte sie schnell mit dem Ärmel seines Pullovers weg, als könnte jeden Moment jemand reinkommen und sie sehen. So langsam kam er zu der Einsicht, dass mehr zu seinem Beitritt in die Bruderschaft geführt hatte, als er damals gedacht hatte; oder wahrhaben wollte. Seine Gefühle für Bobby hatten wohl stets etwas tiefer gelegen, als es ihm klar gewesen war. War es Verliebtheit damals gewesen? Er wusste es nicht. War es jetzt Verliebtheit? Vermutlich. Doch die Erkenntnisse über seine vergangenen Entscheidungen und Empfindungen schmissen ihn gerade so aus der Bahn, dass er kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Nachdenklich saß Bobby im Salon, der ihnen oft als Besprechungs- und Aufenthaltsraum diente und ließ seinen Zeigefinger langsam, aber angespannt über die dunkle Holzoberfläche des kleinen Beistelltisches neben der Couch kreisen. Es war früh am Nachmittag und er hatte John seit dem Frühstück nicht mehr gesehen, doch er hatte auch nicht nach ihm gesucht. Nach der ernüchternden Erfahrung von heute Morgen war er sich sicher, dass ein neues Gespräch nicht anders verlaufen würde. Zumindest nicht in absehbarer Zeit. Er wollte nicht aufgeben, doch er wollte John auch nicht verfolgen. Im Moment stand er eh vor einem ganz anderen Problem. Wegen seinem Streit mit John vor ein paar Tagen, als er ihn auf seine Eltern angesprochen hatte, war ihm seine eigene Familie wieder in den Sinn gekommen. Nachdem sie über Monate stets all seine Pakete und Briefe zurückgeschickt und seine Anrufe ignoriert hatten, hatte er zunächst aufgegeben, Kontakt aufzunehmen. Doch er konnte das Thema nicht so einfach abhaken. Er konnte seinen Eltern nicht den Rücken kehren, wie John es getan hatte. Zu ihnen und Ronnie hatte er stets ein gutes Verhältnis gehabt. Da ließ man nicht so einfach los. Entsprechend hatte sein Streit mit John auch dieses Thema wieder in Bobbys Gedanken gebracht und die letzten Tage hatte er immer mal wieder darüber nachgedacht, wie er am besten wieder Kontakt mit ihnen aufnehmen könnte. Nun hatte er beschlossen, sie anzurufen. Unruhig kreiste sein Finger seit einigen Minuten um das weiße Telefon auf dem Tisch. Er starrte es an, als wäre es ein Monster, das ihn fressen könnte, wenn er es anpacken würde. Komm schon, Bobby, reiß dich zusammen…, wies er sich selbst an und versuchte sich innerlich Mut zu machen. Es war immerhin nur ein Anruf. Zögerlich nahm er den Hörer auf und tippte mit zitternden Fingern die Rufnummer seiner Eltern in Boston. Das Freizeichen ertönte und Bobby wippte unruhig mit den Fußballen auf und ab. Einige gespannte Sekunden lauschte Bobby dem monotonen Tuten; schließlich erklang die Stimme seines Vaters auf dem Anrufbeantworter. Bobbys Magen zog sich zusammen, als der Piepton erklang und er eine Nachricht hinterlassen konnte. Innerlich nahm er all seinen Mut zusammen und vermied es, hörbar laut einzuatmen, als er dann anfing zu sprechen: „Hey Mum, hey Dad… hier ist Bobby. Ich… ich wollt mich einfach noch mal melden. Jetzt, wo es so auf Weihnachten zugeht…“ – er räusperte sich – „Die Karte letztes Jahr ist sicherlich nicht angekommen“, murmelte er und wusste doch, dass dies gelogen war. Immerhin war sie ihm zurückgeschickt worden. Doch er wollte seinen Eltern die Peinlichkeit ersparen, zugeben zu müssen, dass sie den Kontakt mit ihrem ältesten Sohn bewusst vermieden. „Ich wär gern letztes Jahr zu euch gekommen, aber ich konnte hier nicht weg.“ – wieder eine Lüge. In Wahrheit hatte er einfach nur nicht in ihr Weihnachtsfest hineinplatzen wollen, nur um zu riskieren, den Abend zu versauen oder gar die Tür vor der Nase zugeschlagen zu bekommen. „Na ja, offensichtlich seid ihr gerade nicht Zuhause. Vielleicht könnt ihr euch-“ Der Piepton, der signalisierte, dass das Band zu Ende war, erklang und unterbrach Bobby. Resignierend atmete er aus. „… euch ja mal melden“, führte er seinen Satz dennoch zu Ende und legte den Hörer langsam wieder auf das Telefon. Er konnte nicht gerade behaupten, dass er sich nun besser fühlte. Im Gegenteil, er fühlte sich mit einem Mal schrecklich einsam und verlassen. Stockend atmete er ein, als er sich zurück an die Rückenlehne der Couch sinken ließ. Bobbys Blick war immer noch starr an die Decke geheftet, als er wenige Sekunden später aus seinen Gedanken aufschreckte. Die Tür zum Salon, die er offensichtlich nur angelehnt hatte, wurde gänzlich geöffnet und Bobby war mehr als erstaunt, plötzlich John im Türrahmen stehen zu sehen. Für einen kurzen Moment sagten sie beide nichts. Sie blickten sich bloß schweigend an, ehe John den Raum betrat und die Tür hinter sich schloss. „Hast du schon lange da gestanden?“, fragte Bobby und fühlte sich ein wenig unbehaglich. Es war ihm unangenehm, bei dem erneuten Versuch, mit seinen Eltern wieder Kontakt aufzunehmen, ertappt worden zu sein. John zeigte ein halbherziges Grinsen. „Lange genug, um zu verstehen, wen du versucht hast, anzurufen.“ Bobby machte ein unglückliches Gesicht. Eigentlich hatte er nicht gewollt, dass jemand das mitbekam. Dann wäre es immerhin nicht so peinlich gewesen, sollten seine Eltern wieder nicht antworten. „Wenn du nicht wolltest, dass jemand das hört, hättest du die Tür richtig schließen sollen“, bemerkte John in einem sachlichen Ton, doch ein kleiner Teil seiner Stimme klang amüsiert. Es war eher Zufall gewesen, dass er auf dem Weg vom Astroniezimmer zur Küche hier vorbeigekommen war. Als er Bobbys Stimme vernommen hatte, war er stehen geblieben und hatte, neugierig wie er war, dem Telefonat gelauscht. Er wusste, dass Bobbys Eltern ihn mieden, seit sie erfahren hatten, dass ihr Sohn ein Mutant war. Er kannte das Gefühl, deswegen abgelehnt zu werden, nur allzu genau und er wusste, dass Bobby seine Familie nicht so leicht aufgeben konnte. Er selbst hatte es getan. Dennoch tat Bobby ihm Leid. Als dieser nicht antwortete, setzte John sich langsam an das andere Ende der Couch. Seine Füße hoben sich auf das Polster und berührten fast Bobbys Körper. „Du wirst sie nicht dazu zwingen können, sich zu melden.“ „Ich weiß“, antwortete Bobby seufzend und seine Stimme klang betrübt. John blickte in das Profil des Eismutanten. Die Verletzung war in seinen Zügen zu lesen, so offensichtlich wie eine Leuchtreklame an einem verlassenen Highway. „Nimm es nicht so schwer, wenn sie sich nicht melden, Bobby.“ Vorsichtig stupste er mit seinen Zehen an Bobbys Seite. Der Eismutant schnaubte leise, blickte aber nun wenigstens zu ihm. „Das ist leichter gesagt, als getan“, antwortete er ihm. Er konnte nicht so einfach akzeptieren, von den eigenen Eltern abgelehnt zu werden aufgrund seiner Kräfte, um die er nicht einmal gebeten hatte. Natürlich, sie gefielen ihm, aber er hatte sich nicht ausgesucht, als Mutant auf die Welt zu kommen und konnte auch nicht einfach aufhören, einer zu sein. Seine Kraft gehörte zu ihm, so wie seine blauen Augen, und es fiel ihm schwer zu verstehen, warum seine Eltern das nicht auch sahen. John verstand das. Ihm selber war die Ablehnung durch seine Eltern auch nicht so gleichgültig, wie er immer vorgab. Doch er hatte sie seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen. Sie hatten nie versucht, mit ihm, ihrem einzigen Kind, Kontakt aufzunehmen oder einfach nur zu fragen, wie es ihm überhaupt ging. Die Wut auf sie und ihr eingeschränktes Blickfeld auf sein Leben war größer, als jegliches zärtliches Gefühl, dass er in seiner Kindheit für sie empfunden hatte und größer als die Sehnsucht, sie jemals wiederzusehen. John setzte sich ein wenig auf und rutschte näher an Bobby heran. „Du willst es ihnen leicht machen. Deswegen hast du so getan, als hätten sie nicht all die Briefe zurückgeschickt, die du ihnen geschrieben hast, oder?“, fragte er ihn direkt, doch bewirkte damit nur, dass Bobby seinen Blick erneut mied. „Ich kann das verstehen, aber Bobby… dass du ihnen praktisch noch die Vorlage lieferst, zu lügen, haben sie nicht verdient. Sie verstoßen dich für etwas, das du nicht kontrollieren konntest. Du hättest den Ausbruch deiner Mutation nicht mal verhindern können, wenn du gewusst hättest, dass es passieren würde. Und das wissen sie. Genauso wie meine Eltern das wissen. Dass sie dennoch nichts mehr mit uns zu tun haben wollen, ist ihr Fehler. Nicht unser.“ Bobby nickte langsam. Er war fast ein wenig erstaunt über Johns Worte. Es kam selten vor, dass solch kluge, wahre Worte aus seinem Mund kamen. Nicht, weil er dumm war, sondern weil der Feuermutant stets mehr damit beschäftigt war, oberflächlich zu tun und einen coolen Spruch zu reißen. Doch wenn man mal außer Acht ließ, dass John in beiden Fällen, – durch den Brand im Wohnzimmer seiner Eltern und das Feuerinferno im Vorgarten von Bobbys Familie –, nicht gerade zur Förderung der Akzeptanz beigetragen hatte, hatte er schon Recht. Ihre Eltern konnten offensichtlich einfach nicht akzeptieren, dass ihre Kinder nicht der Norm entsprachen; dass sie zu einer als gefährlich geltenden Randgruppe gehörten, über die erst seit dem Kampf auf Alcatraz auch mal positiv berichtet wurde; dass sie einfach nicht so waren, wie ihre Eltern sie sich vorgestellt hatten. „Ich hab noch einmal bei meinen Eltern angerufen, vor ein paar Jahren“, begann John plötzlich weiterzusprechen und seine Stimme klang nun ein wenig ruhiger als zuvor. Weicher, weniger bestimmend. „Es war in dem Jahr, in dem sie herausgefunden haben, dass Väter das X-Gen vererben. Ich hab meinen Dad an seinem Geburtstag angerufen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ich es sein würde.“ – auf Johns Lippen zeichnete sich ein bitteres Lächeln ab – „Ich hab zu ihm gesagt, »Hey Dad, hier ist John«. Dass ihm das Telefon nicht aus der Hand gefallen ist, war wohl alles. »Happy Birthday« hab ich dann gesagt – und ihm dann erklärt, er selbst sei daran Schuld, dass sein schlimmster Albtraum Wirklichkeit geworden war: sein Kind ist ein Mutant.“ Seine Stimme war zum Ende hin immer leiser geworden. Bobbys Blick ruhte wieder auf ihm. Diese Geschichte war ihm völlig neu. „Was hat er gesagt?“, fragte er interessiert und drehte sich ein wenig auf dem Polster, um John direkt ansehen zu können. „Nichts. Nur, dass er keinen Sohn hätte, der John heißt“, gab John mit einem Augenbrauenzucken zurück. „Und dann hat er aufgelegt.“ So offen hatte John noch nie mit Bobby über das Thema gesprochen. Er klang anders als sonst, wenn er seine Eltern erwähnte. Nicht so aufgebracht. Viel mehr verbittert und resignierend. Bobby konnte verstehen, warum John es aufgegeben hatte, sich seinen Eltern wieder anzunähern. Die Vorstellung, dass er selbst ebenfalls nicht allzu weit von diesem Punkt entfernt war, erschien ihm dennoch schrecklich. Er hoffte, seine eigenen Eltern hatten ihn noch nicht so abgeschrieben, dass er für sie nicht einmal mehr ihr Sohn war. „Es tut mir Leid, John“, sagte Bobby leise, obwohl er eigentlich gar nicht wusste, was er sagen sollte. Doch er meinte es ernst. Allein die Vorstellung, wie John sich in dem Moment gefühlt haben musste, wie er sich fühlen würde, wenn er an Johns Stelle wäre, drehte ihm den Magen um. Er hatte das Gefühl, John trösten zu müssen, doch dieser zuckte bloß mit den Schultern. Bobby hob langsam seine Hand und legte sie vorsichtig auf Johns Hinterkopf. Für einen Moment akzeptierte John diese Berührung, doch als Bobby ihn näher zu sich ziehen wollte, entwand er sich ihm. Als Bobby schließlich versuchte, näher an ihn zu rutschen und sein Gesicht in Johns Richtung bewegte, wich der Feuermutant ganz eindeutig zurück. Bobby konnte nicht umhin, erneut verwirrt zu sein. Sie hatten selten eine Situation gehabt, in der sie sich emotional so geöffnet hatten und körperlich so nah waren. Doch all die positiven Gefühle, die diese Situation in ihm hätte auslösen können, versiegten schon im Keim, als John sich ihm wie so oft entzog. Dabei war er ihm immer näher gekommen. Johns Hand lag auf Bobbys Schulter. Das hatte er zuvor gar nicht bemerkt. Doch als sein Blick sich zu der Hand wandte, zog John sie zurück. „John?“, nannte er ihn beim Namen und schaute ihn fragend an. Doch dieser wandte seinen Blick von ihm ab und erhob sich. „Nicht jetzt, Bobby“, sagte er. Resigniert ließ Bobby seine Hand sinken, mit der er nach John hatte greifen wollen. Nicht jetzt. Schon wieder. Wann immer John die Nähe zwischen ihnen zu viel zu werden schien, sagte er diese Worte und dabei suchte er diese Nähe doch oft selbst. Bobby wollte John nicht dazu zwingen, bei ihm zu bleiben, doch er fragte sich, was in Johns Kopf vorging. „Weißt du eigentlich selber, was du willst?“, fragte er mit einem leisen Seufzen und war erstaunt, als John sich wieder zu ihm umdrehte. Für einen Moment blickte der Feuermutant schweigend auf ihn hinab, strich sich dabei durch das immer noch ungestylte Haar. „Nicht so ganz“, gab er schließlich ehrlich zu und biss sich auf die Lippe. Bobby hörte ihn tief einatmen. „Aber ich bin kurz davor, es herauszufinden. Denke ich.“ Und plötzlich tat er etwas, mit dem Bobby nicht gerechnet hätte: John beugte sich zu ihm hinab und seine Lippen berührten sanft Bobbys Wange. Dann erhob er sich wieder und verließ in Richtung Tür. Den Impuls, John an den Arm zu fassen und festzuhalten, ließ Bobby unausgeführt. Ihm war klar, dass ihn das nicht weiterbringen würde. Johns unerwarteter Kuss auf seine Wange ließ ihn noch verwirrter zurück. Doch seine Mundwinkel zuckten im Anflug eines Lächelns. TBC So nun, ich hoffe, das Kapitel hat gefallen und hat etwas über die lange Wartezeit hinweg getröstet ^^" Für all diejenigen, die enttäuscht sind, dass ich Bobby und John immer noch nicht nackt übereinander herrobben lassen hab *huhu, Cali xD* : ich denke, John ist einfach noch etwas zu gehemmt, um sich bildlich etwas mit einem Mann vorstellen zu können geschweige denn, es in die Realität umzusetzen. Aber na ja, was soll's... er ist ja auf einem guten Wege ;) 2 Kapitel und ein Epilog werden es wohl noch werden. Mal sehen, ob ich das mal schneller über die Bühne bekomm *LOL* Aber da ich all meine Versprechnung vorher nicht halten konnte, nenn ich jetzt mal bewusst, keinen Zeitpunkt. Kommis und Kritik sind wie immer erwünscht und vielleicht auch den neuen Lamborghini Aventador - träumen wird man ja noch dürfen ;) Bis zum nächsten Mal! motte Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)