Hot N' Cold von schmoergelmotte ((ehem. Melting)) ================================================================================ Kapitel 4: Differenzen ---------------------- Hallöchen! Hier meldet sich motte wieder mit einem neuen Kapitel. Vielen Dank für eure Kommis zum Letzten und ich hoffe natürlich, dass euch auch dieses gut gefällt :) Viel Spaß beim Lesen also! Kapitel 4: Differenzen „Musste das eigentlich sein?“ John seufzte und rollte leicht die Augen, als er seinen Weg zu seinem und Bobbys Zimmer fortsetzte. Hinter sich hörte er, wie Bobby seine Schritte beschleunigte und in einen regelrechten Laufschritt zu verfallen schien. Zumindest klang der Lärm, den er dabei verursachte, so gar nicht nach Bobbys gewöhnlicher Gangart. Eher nach der eines wutschnaubenden Nashorns, was eigentlich zum Lachen war. Doch John ließ sich nicht beirren und ging ebenfalls die letzten Schritte ein wenig schneller, bis er die hölzerne Tür zu ihrem Zimmer erreichte. Erst kam ihm der Gedanke, er könnte sie genau vor Bobbys Nase wieder zufallen lassen, doch er hatte nicht vor, sich auf irgendeine Weise emotional zu zeigen. Und kaum hatte er sich etwas weiter in den Raum Richtung seines Betts begeben, stand Bobby auch schon im Türrahmen. „Kannst du mal stehen bleiben, wenn ich mit dir rede?“ Bobbys Stimme klang gereizt, doch als John sich zu ihm umdrehte, sah sein Gesicht relativ normal und weich – eben Bobby-typisch – aus. John zuckte mit den Schultern. „Kann ich“, antwortete er gelassen und grinste schließlich. „Wollte ich aber nicht.“ Nun verdüsterte Bobbys Gesicht sich doch merklich. „Verdammt, John, für was hältst du dich? Rogue wollte nur nett zu dir sein und du lässt sie doof da stehen.“ Johns Züge wirkten ausdruckslos; das Grinsen schien die einzige Regung von ihm zu sein. „Warum hast du das gemacht?“, fragte Bobby und sah John abwartend an. John jedoch wandte sich ab und ging auf seinen Kleiderschrank zu. Beim Gehen zog er sich sein T-Shirt über den Kopf und schmiss es in die Ecke neben seinem Bett. In den wenigen Tagen, in denen er wieder hier war, hatte sich schon ein erheblicher Kleiderhaufen in dieser Ecke angesammelt. Bobby wunderte es nicht, denn John war ein Chaot, was aufräumen und Ordnung anging. „Weil ich es so wollte“, antwortete John schließlich und öffnete die Schranktür, um sich einen Pullover herauszunehmen. Bobby verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn verständnislos an – oder viel mehr sah er auf Johns nackten Rücken, über den jetzt der dunkelblaue Stoff des Kapuzenpullovers rutschte. „Macht dir das eigentlich Spaß?“, fragte er. Sein Gesicht verzog sich ein wenig, als er John glucksen hörte. „Manchmal“, sagte dieser und schien Mühe zu haben, nicht allzu amüsiert zu wirken und ein Lachen zu unterdrücken. Bobby gab es auf. Er würde mit John wohl kaum ein vernünftiges Gespräch führen können. Dabei verstand er nicht, warum der Feuermutant sich so verhalten musste. Eigentlich hatte Bobby gedacht, wenn John zurückkommen würde, würde sich die Zeit zurückdrehen und alles wäre vergessen. Nun, eigentlich war es genau wie vor Alkali Lake. John war auch früher schon öfter so provozierend gewesen. Doch gerade bei der angespannten Situation im Moment, wo John nun mal zu ihren Feinden gehört hatte, hätte Bobby gedacht, er würde sich etwas mehr Mühe geben und sich in einigen Punkten, eben z.B. seiner großen Klappe, zurückhalten. Zumindest hätte er so gehandelt, wenn er an Johns Stelle sein würde. Doch wahrscheinlich war das der springende Punkt. Er war nicht John – und John war nicht wie er, Bobby. Er dachte und handelte anders. Und er würde ihm nicht zuhören, wenn Bobby ihm jetzt Ratschläge geben würde, wie er am besten wieder einen guten Kontakt zu den anderen Bewohnern des Internats herstellen könnte. Und selbst wenn er ihm zuhörte, würde er keinen einzigen Ratschlag befolgen; da war Bobby sich sicher. Fast könnte man John für ein trotziges Kind halten, doch Bobby konnte nicht einschätzen, ob es wirklich Trotz oder einfach nur Desinteresse war. Kopfschüttelnd blickte er zu John, der sich mittlerweile auf sein Bett gelegt hatte und wie gewöhnlich mit seinem Zippo-Feuerzeug spielte. „Okay, ich lass dich jetzt in Ruhe“, meinte Bobby und konnte den resignierenden Ton in seiner Stimme nicht verhindern. „Ich wollte eh noch mal zu Rogue.“ Abwartend, irgendwie schon fast auf eine Reaktion hoffend, sah er John an, doch sein Wunsch blieb unerfüllt. John hatte offensichtlich nur noch Augen für die kleine Flamme, die immer wieder aus dem Feuerzeug stieg und dann erstickt wurde, nur um Sekunden später neu zu entflammen – Ah, seine große Liebe... irgendwann treten er und sein Feuerzeug noch vor den Traualtar –, während ein leichtes Nicken der Kenntnisnahme die einzige Reaktion war, zur der John sich herabließ. Bobby seufzte lautlos und beschloss den Raum zu verlassen, bevor seine Laune durch Johns abweisendes, ignorantes Verhalten nur noch ein paar Stufen weiter in den Keller purzelte. Eine Woche war bisher vergangen, seit John zu Xaviers Schule zurückgekehrt war. Die Situation – sprich: Johns aufmüpfiges Verhalten gegenüber allen anderen – hatte sich etwas entschärft, auch wenn immer noch oftmals gemeine, treffende Sprüche aus seinem Mund entkamen. Erst gestern hatte er Syren fast zum Weinen gebracht, als er sich über ihre knallbunte Bluse mit Blumenmuster lustig gemacht hatte. Zugegeben: Die Bluse würde wahrscheinlich besser zu einer älteren Dame als zu einem Teenager passen. Es sah altbacken und lächerlich aus; das hatten an dem Tag, an dem Syren die Bluse das erste (und offensichtlich auch letzte) Mal getragen hatte, alle gedacht. Doch keiner hatte etwas gesagt, außer John natürlich. Irgendwie war es fast schon klar gewesen, dass irgendein Kommentar von ihm hatte kommen müssen. Syren hatte ihm allerdings schnell wieder verziehen und so war das Thema ebenso schnell unter den Tisch gekehrt worden. Dennoch hatte Syren die Bluse ab diesem Tag nicht mehr getragen. Das war zwar eine Erleichterung für die Augen aller, aber man fragte sich trotzdem, ob Syren eingesehen hatte, dass die Bluse ihr nicht stand oder ob sie die Bluse aus Angst vor neuen Kommentaren nun im Schrank versauern lassen würde. Nun saßen sie – Bobby, Rogue, Kitty, Syren und John – in der Sitzecke des Aufenthaltsraums auf den Sofas, während einige der anderen Schüler am Tisch saßen und lasen oder durch den Raum wuselten und kamen und gingen. Und wie der Zufall es wollte – oder eher hatte Kitty mit einem süffisanten Grinsen in Richtung John damit begonnen – war ihr Thema nun ’Alcatraz’: „Ich kann nicht verstehen, wie du gegen uns kämpfen konntest“, meinte Kitty zum wiederholten Mal und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust. John grinste leicht. Bobby fragte sich, ob er die Fragestellung wirklich so gelassen hinnahm, wie es den Anschein machte. Ihm selbst wäre bei dem Thema recht mulmig zumute, wenn er John wäre, und am liebsten würde er Kitty sagen, sie solle aufhören, über das Thema zu sprechen, doch das konnte er nicht. Zudem hatte Storm ihm gesagt, das Thema sei kein Tabu und man sollte lieber darüber sprechen und es klären, anstatt es zu verdrängen. Doch Bobby fragte sich, ob eine Aussprache so aussehen würde, wie das jetzige Gespräch zwischen Kitty und John. „Na, ich stand auf der anderen Seite, da ist es einfach gegen jemanden zu kämpfen. Die Frage könnte ich ja auch zurückgeben, immerhin hast du doch selber auch gekämpft“, erklärte John in einem ruhigen, fast schon amüsierten Ton. Kittys Gesicht verdunkelte sich merklich. Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass sie aber auf der richtigen Seite gestanden hatte, doch das wäre kindisch und albern gewesen. Also versuchte sie ihren Ton ebenso ruhig wie Johns zu halten, dabei aber ernst zu klingen. „Nun, ich dachte, du und Bobby und auch Rogue wärt mal Freunde gewesen?“ Bobby spürte, wie ihm ein wenig warm in den Wangen wurde und er hoffte, der leichte Rotschimmer auf seiner blassen Haut würde den anderen nicht auffallen. Das Thema war wirklich unangenehm für ihn und er hoffte, dass dieses Gespräch bald beendet sein würde. John jedoch schien die gesamte Situation relativ unterhaltsam zu finden. „Tja, und dann haben Iceman und Miss Rühr-mich-nicht-an-sonst-fällst-du-tot-um beschlossen, ihre eigene, private Loveparade zu gründen.“ Johns Stimme klang weiterhin belustigt und das Grinsen auf seinen Lippen wurde immer breiter. Sein Blick schweifte zu Bobby, der nur den Kopf schüttelte. Er konnte nicht verstehen, was John sich von solchen Äußerungen versprach. Dachte er überhaupt darüber nach, wie solche Worte verletzen konnten? Bobby Blick schweifte zu Rogue, welche neben ihm saß. Ihr Blick ging stur geradeaus, doch ihre vollen Lippen waren so fest aufeinander gepresst, dass sie nur noch zwei schmale, blasse Steifen bildeten. „Mensch, John, red nicht so über Rogue“, nahm er seine Freundin schließlich in Schutz. „Außerdem ist das Problem gelöst. Sie ist geheilt.“ Unabsichtlich war seine Stimme etwas lauter geworden und anscheinend auch auf eine gewisse Art wütend. Das schien auch John bemerkt zu haben. Plötzlich war dieses amüsierte Grinsen und das provozierende Gehabe von ihm abgefallen. Seine Züge wirkten gereizt und seine Augen funkelten ein wenig wütend. „Was?! Deine Freundin hätte mich in Boston fast umgebracht!“, meinte er empört. Offensichtlich spielte er auf das Geschehen bei Bobbys Familie in Boston an, bei dem Ronny, Bobbys jüngerer Bruder, aus Gründen, die Bobby bis heute nicht verstand, die Polizei gerufen und John schließlich in einem Anflug einer Mischung aus Panik und Tobsucht sämtliche Wagen in Flammen aufgehen lassen hatte. Schließlich hatte Rogue Johns Fußknöchel umfasst, seine Kraft absorbiert und die Flammen gelöscht – und ihn eben während dieser Zeit des Hautkontaktes lahm gelegt. Doch Johns Worte waren natürlich absichtlich übertrieben gewesen. Bobby kräuselte die Lippen. „Weil du im Garten meiner Eltern ja auch mehrere Polizeiwagen in die Luft sprengen musstest!“, gab er mit einem kurzen Aufflackern der Augen zurück. „Verdammt, John, meine Familie steht heute noch unter Schock deswegen!“ Natürlich war auch diese Aussage leicht übertrieben. Sicherlich waren seine Eltern und Ronny längst über Johns Ausraster hinweg. Aber genau wusste er es auch nicht. Seit diesem bestimmten Tag hatte er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie gehabt oder eher gesagt: egal, was er getan hatte, sie hatten ihm nicht geantwortet. All seine Briefe und Pakete waren ebenfalls ungeöffnet zurückgekommen. Und er war sich sicher, dass Johns Verhalten die Vorurteile seiner Eltern gegenüber Mutanten und die Angst seines Bruders nur noch verstärkt hatte. „Das tut mir aber Leid“, erwiderte John nun und seine Stimme hätte nicht sarkastischer sein können. Bobby rollte die Augen. Seine Wut nahm genauso schnell ab, wie sie gekommen war. „John…, bitte...“ Er hätte längst keine Lust mehr, über das Thema zu diskutieren oder sich mit John zu streiten. Doch John schien das anders zu sehen. Ja, er schien neuen Schwung bekommen zu haben und dieses Gespräch wieder amüsant zu finden. Bobby merkte, wie die Blicke der anderen gespannt von ihm zu John und zurück wechselten. „Nein, Iceman“, antwortete John leise kichernd. „Und noch was…“ – Bobby sah gespannt auf und ahnte bei dem feurigen Glimmern in Johns Augen nur Schlimmes – „schon mal daran gedacht, dass die Heilung nicht dauerhaft hält? Aber vielleicht kannst du ja Jimmy fragen, ob er sich beim Sex neben euch legen kann.“ – John lachte laut auf – „Das wäre doch die Lösung!“ Über seinen eigenen Witz grinsend sah er in die Runde und stand dann auf. „So, ich geh dann mal duschen.“ Rogue blickte ihm wütend hinterher, als er den Raum verließ, und als er sich noch einmal umdrehte und ihrem Blick begegnete, kam erneut ein Kichern über seine Lippen. Doch er sagte kein Wort mehr; schien er doch überaus zufrieden mit sich selbst zu sein. Rogue biss sich auf die Lippen. „Das hast du jetzt davon, Bobby“, meinte Kitty und lehnte sich an die Sofarückenlehne. „Aber du wolltest ihn ja unbedingt wieder hier haben.“ Bobby blickte sie kurz an, sagte aber nichts. Er merkte, dass Rogues Augen auf ihm ruhten, doch er wagte es nicht, ihren Blick zu erwidern. Er fühlte sich schuldig und noch dazu fiel ihm nichts ein, was er ihr Tröstendes hätte sagen können. Schließlich merkte er, wie sie aufstand. Er griff nach ihrer Hand und kurz hielt Rogue sie fest, ehe sie sich aus seinem Griff löste und den Raum verließ. Mit einem leichten Grinsen stand John unter der Dusche in dem Dusch- und Toilettenraum auf dem Flur, auf dem auch seins und Bobbys Zimmer lag. Er genoss das Prasseln des warmen Wassers auf seiner blassen Haut und das Gefühl seiner durchnässten Haare, die an seiner Kopfhaut klebten, ohne dass er mit Gel oder Haarspray nachhelfen musste. Und ebenso sehr genoss er den Gedanken an das kleine Wortgefecht, das er vorhin im Aufenthalts- bzw. Gemeinschaftsraum mit Bobby gehabt hatte. Es hatte Spaß gemacht, Bobby durch Beleidigungen gegenüber Rogue zu provozieren und Sachen auszusprechen, die für ihn ganz offensichtlich wahr waren und ihm ständig auf der Zunge lagen, seit er Rogue kannte. Schon als sie auf die Schule gekommen war und Bobby langsam mit ihr angebandelt hatte, hatte John sich gefragt, was Bobby bloß an Rogue fand; an einem Mädchen, das er nicht mal berühren konnte, ohne all seiner Kräfte beraubt zu werden und bei längerem Kontakt ernsthafte Schäden, bis hin zum Tod, zu nehmen. Sex wäre sich einer dieser längeren, intensiven und dadurch tödlichen Kontakte gewesen. Und nur weil Rogue nun – und John dachte wirklich so – „gebumst“ werden konnte, hieß das nicht, dass bis ans Ende aller Zeiten Friede-Freude-Eierkuchen sein würde. John hatte das einfach mal sagen müssen. Und Bobby war wie üblich darauf angesprungen. Gerade darin lag der Reiz der Sache für John. Er wusste nicht genau, warum das so war, doch vermutlich lag es daran, dass Bobby sonst so ruhig war, besonders im Vergleich zu ihm selbst. Ruhig bedeutete bei Bobby nicht, dass er ein schüchternes Mauerblümchen war und sich nicht traute auch nur ein Wort zu sagen – im Gegenteil: mit Bobby konnte man sich wirklich gut unterhalten. Er war einfach nur nicht so schnell zu provozieren wie zum Beispiel Kitty. Bobby versuchte eher zu schlichten und ruhig und besonnen zu antworten. Doch es gab Punkte, bei denen er sich nicht zurückhalten und überlegt handeln konnte, sondern auf Johns Provokation einging, ja fast schon reinfiel. Einer dieser Punkte waren eben seine Freunde, und vor allem Rogue als seine feste Freundin. Doch trotz des Grinsens auf seinen Lippen und dem offensichtlichen Genuss, Bobby aus der Reserve gelockt zu haben, merkte John, dass diese Provokation einen, wenn auch nur leichten, aber dennoch bitteren Beigeschmack hatte. Ein Beigeschmack, der sich schlechtes Gewissen nannte. Es war wirklich selten, dass John mal Rückmeldung von seinem Gewissen bekam. Wieder ein Unterschied zu Bobby, der oft versuchte, sich anzupassen und es allen recht zu machen. Trotz all der Unterschiede waren sie Freunde geworden und waren es immer noch. Manchmal wusste John nicht, warum das so war und warum sie sich bei all den Gegensätzen nicht mit Abneigung begegneten. Doch es gab wohl kaum für alles im Leben einen klar erkennbaren Grund. Entschuldigen würde John sich trotzdem nicht. Dafür war sein schlechtes Gewissen nicht stark genug. Mit einem abwesenden Blick stand Bobby am Geländer der Terrasse, von der aus es in den Garten und zu den Sportplätzen des Instituts ging und starrte auf die leicht verdörrten, aber immer noch offensichtlich grünen Blätter und Grashalme, die sich im Spätsommerwind hin und her wiegten. Seit der Auseinandersetzung mit John, die ihn immer noch innerlich aufwühlte, hatte er Rogue nicht mehr gesehen. Er wusste, dass sie vermutlich bei Logan war und sich entweder bei ihm über Johns Verhalten beschwerte oder sich von ihm ablenken ließ. Vermutlich war allerdings eher das Zweite der Fall, denn hätte Rogue Logan erzählt, was John über sie gesagt hatte, hätte man mehrere Türen laut zuknallen und Logans Gebrüll nach John durchaus gehört. Der ältere Mutant hatte einen wahren Beschützerinstinkt gegenüber Rogue entwickelt, was sicher daran lag, dass sie die Erste war, der er sich nach langer Zeit des einsamen Umherwanderns geöffnet hatte. Durch das, was die beiden zusammen erlebt hatten, bevor Storm und Scott Summers sie zu Xaviers Schule gebracht hatten, fühlte Logan sich wohl für Rogue verantwortlich und die beiden waren fest zusammengewachsen. Auch wenn Rogue anfangs etwas für Logan geschwärmt hatte und das vielleicht auch immer noch tat, war Bobby sich sicher, dass sie ihn mittlerweile eher als eine Art Familie ansah. Er war schon lange nicht mehr eifersüchtig auf Logan, so wie er es damals war, als Logan nach seiner Suche nach Antworten am Alkali Lake zurückkam und Rogue ihm sofort um den Hals fiel. Und dennoch erweckte der Gedanke an Logan nun ein ungutes Gefühl in ihm. Es war etwas zwischen Betroffenheit und schlechtem Gewissen. Davon abgesehen, dass Bobby sich immer noch ärgerte, auf Johns Provokation hereingefallen zu sein, war ihm bei dem Gedanken an Logan und seinen Beschützerinstinkt bewusst geworden, dass er Rogue viel zu wenig gegenüber John verteidigt hatte. Anstatt John den Mund zu verbieten oder zumindest Johns Aufmerksamkeit auf sich selbst zu ziehen, hatte er nur wenig unternommen, um sie vor Johns dummen Sprüchen zu schützen. Das war eigentlich nicht das, was man von einem festen Freund erwarten würde. Zu sagen, John hätte sich eh nicht den Mund verbieten lassen, war bloß eine faule Ausrede und Bobby wusste das. Denn es ging ums Prinzip; darum, dass man seine Freundin nicht von jemand anderem, auch wenn dieser Jemand ebenfalls ein Freund – vielleicht sogar der beste Freund – war, beleidigen lassen sollte. Ebenso hatte er nicht versucht, sie aufzuhalten, als sie aus dem Raum geflüchtet war; vor den mitleidigen Blicken der anderen und vor der drückenden Stille, die sich nach Johns Worten unter ihnen ausgebreitet hatte. Er hätte ihr zumindest nachgehen und sie aufmuntern sollen, anstatt sie zu Logan gehen zu lassen und ihm nun diese Arbeit zuzuschieben. Und nun stand er hier auf der Terrasse mit einem schlechten Gewissen und doch nicht dem Verlangen, sie aufzusuchen und mit ihr zu reden. Was lief bloß falsch bei ihnen? Lag es an ihm? Vermutlich schon. War ihre Beziehung überhaupt noch eine oder waren sie nur noch Freunde, die ab und zu mal Sex hatten? Nein, das war es auch nicht. Doch irgendwie hatte er nicht mehr das Gefühl, dass es das Gleiche war, seit sie von ihren Kräften geheilt war und sie nun eigentlich alles tun konnten, was alle normalen Paare taten. Händchen halten ohne Handschuhe, Küssen, Streicheln, Anfassen, miteinander schlafen. Aber ihm war bewusst, dass ihre Beziehung nicht mehr so fest war, wie er gedacht hatte. Es war nicht so, dass sie ihm weniger wichtig war als vorher, nur irgendwas löste sich zwischen ihnen und er wusste nicht was. Er fragte sich, ob sie das auch so sah und ob das der Grund war, warum er sie nicht genug verteidigt hatte und nun nicht zu ihr ging. Schwer seufzend löste er sich von dem Geländer und warf noch einen letzten Blick in den strahlend blauen Himmel, in dem sich nur wenige, weiße Wattewolken tummelten, ehe er sich abwandte und zurück in das Gebäude ging. In seinem und Johns Zimmer angekommen, setzte Bobby sich auf sein Bett und zog die Beine dicht an seinen Oberkörper. Er hatte vermutet, dass John hier sein würde, doch von dem Feuermutanten war nichts zu sehen. Erst nach wenigen Augenblicken erinnerte er sich daran, dass John gesagt hatte, er wolle duschen gehen. Es war seltsam, dass er ausgerechnet in ihr Zimmer zurückgegangen war, wo er doch eigentlich im Moment kaum erpicht darauf sein sollte, John zu sehen. Doch schon auf der Terrasse war ihm klar geworden, dass er lieber wieder mit John konfrontiert werden wollte, als mit Rogue. Lag es daran, dass sein schlechtes Gewissen gegenüber ihr ihm schon Kopfschmerzen bereitete? Er wusste es nicht. Erneut seufzend strich er sich durch seine dunkelblonden Haare. Eigentlich wusste er schon, was der Grund war. Er wollte sich lieber erneut mit John streiten, als sich bei Rogue zu entschuldigen. Und das lag nicht daran, dass das Streiten vermutlich der einfachere Weg sein würde, denn Bobby würde sein schlechtes Gefühl viel lieber durch eine Entschuldigung begraben und sich für ihn typisch aufführen; nämlich so, dass er sowohl mit Rogue als auch John wieder im Klaren sein würde. Sein ewiger Drang eben, es allen recht zu machen. Doch nun stand er vor dem Problem, dass er offensichtlich seine Zeit lieber mit seinem besten Freund, der vermutlich kein bisschen untröstlich über das vorherige Gespräch war, verbringen wollte, als mit seiner Freundin, die ihm vermutlich verzeihen und vorschlagen würde, etwas zusammen zu unternehmen. Sein schlechtes Gewissen gegenüber Rogue verstärkte sich. Wie konnte er nur so denken? Vielleicht war es ja auch normal, dass man sich zu seinem besten Freund stärker gebunden fühlte, als zu seiner festen Freundin, wenn man ihn – so wie in ihrem Fall – schon länger kannte. Immerhin sagten weise Menschen auch „Beziehungen kommen und gehen, aber gute Freundschaften halten ein Leben lang“. Andererseits gab es so viele weise Sprüche, die zwar allesamt richtig waren, aber dennoch nicht in der Realität selten umgesetzt anzutreffen waren. Schließlich verbrachte die Mehrheit aller Menschen in Beziehungen mehr Zeit mit ihrem Partner als mit ihren Freunden, ganz besonders, wenn man „frisch verliebt“ war. Und auch stellte man sich schneller auf die Seite seines Partners, als auf die seiner Freunde, wenn diese kritisch über den Partner urteilten, auch wenn sie eigentlich wussten, dass es falsch war und dies auch später schmerzhaft zu spüren bekamen. Das war dann wohl allgemein die berüchtigte „rosarote Brille“, die man anfangs aufhat und sonst die negativen Seiten des Partners vollkommen ausblenden kann. Oder es war der zwanghafte Drang, in allem nur das Gute zu sehen. Doch Bobby war weder frisch verliebt, noch trug er eine rosarote Brille und auch wenn er stets versuchte, jedem freundlich zu begegnen, gehörte er nicht zu dieser Art von Weltverbesserern, die stets nur das Gute in jedem Menschen sahen, auch wenn zweifellos jeder seine guten Seiten hatte. Und noch dazu war es ja nicht so, dass Rogue eine wirklich schlechte Seite besaß. Sie hatte ihre Macken wie jeder Mensch, aber sie war durchaus liebenswürdig und es gab kaum jemand, der nicht mit ihr auskam. Bobby schüttelte seinen Kopf. Seine Gedanken waren reine Zeitverschwendung und führten zu nichts. Sie nahmen ihm weder sein schlechtes Gewissen gegenüber Rogue noch die Tatsache, dass John ihm anscheinend wichtiger war als sie, was ihm vor über einem Jahr noch anders erschienen war. Vielleicht sollte er sich keine Gedanken darüber machen. Es war ganz normal, in manchen Momenten lieber bei seinem besten Freund zu sein, als bei der festen Freundin. Es war nur sein Gewissen, das störte. Als sich schließlich die Tür zu ihrem Zimmer öffnete und John hinein trat, zuckte Bobby kaum merklich zusammen. Nun stand John in Boxershorts vor ihm und strich sich durch seine noch nassen Haare, schenkte Bobby jedoch nur kurz einen Blick. Es verwunderte Bobby, dass John nichts mehr sagte und nicht noch einen dummen Spruch von sich ließ, sondern schweigend zu seinem Kleiderschrank ging und sich ein T-Shirt heraussuchte. Aber Johns Verhalten war noch nie gradlinig oder einfach zu durchschauen gewesen. Von den zurückgestrichenen Spitzen des braunen Haars fielen noch einige Wassertropfen hinab auf Johns Rücken, auf dem sie sich langsam ihren Weg abwärts bahnten und durch die Sonnenstrahlen, die durch das geschlossene Fenster schienen, wie flüssige, glitzernde Perlen aussahen. Als Bobby bewusst wurde, dass er gerade wirklich auf Johns Rücken starrte, wandte er sich ab und sah schnell auf seine Bettdecke, als wäre die furchtbar interessant, obwohl sie einheitlich blau und ohne Muster war. Was bitteschön war das denn jetzt?!, fragte er sich selbst und hoffte, dass seine Wangen nicht auffällig erröteten. Für ein typisches Vergleichen, um zu sehen „was der andere so hat“, wie Jugendliche das oft in ihrer Pubertät taten, war er doch nun wirklich zu alt. Verwirrt ließ er sich auf seine Matratze sinken und starrte an die Decke. Er hörte, wie John sich neben ihm ebenfalls auf sein eigenes Bett fallen ließ, doch er wagte nicht, hinüber zu sehen. War es normal, dass man beobachtete, wie Wassertropfen über den Rücken eines Freundes kullerten? Nachdenklich biss er sich auf die Lippen. Du solltest nicht so viel nachdenken, Bobby, ermahnte er sich selbst. Du machst dir zu viele Gedanken. Was soll das schon bedeuten? Das ist John. Einfach nur John. Und das waren Wassertropfen auf seinem Rücken. Du hast die Wassertropfen beobachtet. Nicht John. Sie hätten auf jedem Rücken sein können. Also wirklich, das hat bestimmt jeder schon mal gemacht! Ja, das war wohl so. Es gab wohl ein paar dutzend Menschen, die schon mal irgendetwas an einer bekannten oder fremden Person beobachtet hatten, ohne dabei über die Person selbst nachzudenken oder dies auf die Person zu beziehen. Das ist vollkommen normal! Und jetzt denk nicht weiter drüber nach! Doch ein mulmiges Gefühl blieb. TBC So, ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen. Dass Bobby keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern hat bzw. sie alle seine Versuche abschmettern, ist übrigens auch eine Information aus dem Buch zum dritten Film. Da wurde das mal kurz erwähnt, dass sämtliche Anrufe und Briefe unbeantwortet blieben bzw. zurückgeschickt wurde, etc. Ich hab mich ja immer schon gefragt, was wohl in der Hinsicht aus Familie Drake geworden ist; ich konnte mich nämlich ganz ehrlich nie wirklich entscheiden. Zum einen konnte ich mir vorstellen, dass zumindest Bobbys Mum doch versucht hätte, irgendwie wieder Kontakt zu bekommen, zum anderen konnte ich mir anhand ihrer Reaktion und der Sache mit John aber auch vorstellen, dass sie eben überhaupt nichts mehr damit zu tun haben wollen. Ist offenbar - der arme Bobby - auch so. Na ja... ihr wisst ja, Kommis, Kritik oder was ihr sonst noch anmerken wollt, ist immer willkommen. Bis zum nächsten Kapitel, motte Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)