Das Leben in der Anderen von NanaSaintClair (Und nichts ist, wie es einmal war. [Kaoru&Die]) ================================================================================ Kapitel 1: Es lebe das Leben ---------------------------- Es war an einem Tag wie jeder andere auf Tour, als Kaoru wie automatisch die Beine aus dem Bett schob und sich kurz nach sieben aufhievte. Er streckte sich langsam und ausgiebig, während er gähnte, bevor er seine morgendliche Dusche nahm. Fertig angezogen, rasiert und gekämmt, packte er seine Sachen in die Tasche und schnappte sich den Hotelzimmerschlüssel, um es dann einmal mehr zu verlassen - wie jeden Morgen. Allein, ganz im Gegensatz zu seinem Bandkollegen Die. Als Kaoru den Flur betrat und die Tür hinter sich schloss, bekam er gerade noch eine Szene mit, wie sie sich äußerst oft bei Die abspielte. "Bye," hauchte er auf ihre Lippen, lehnte lässig gegen den Türrahmen und hielt ihre Hand. "Mach's gut, Die, und ruf mich an, wenn du magst." Zögerlich drehte sie sich um und Die schaute ihr noch lange mit einem sehnsüchtigen Blick hinterher. Solange, bis sie mit einem scheuen Lächeln und einem Winken im Aufzug verschwand. Dann entspannte sich sein Gesicht mit einem Seufzen der Erleichterung. Er steckte sich eine Zigarette in den Mund und verschwand in seinem Zimmer. Kaoru stand da wie ein Depp. Weder die Frau, noch Die hatten ihm einen guten Morgen gewünscht. Lediglich eines kurzen Blickes würdigte sie ihn, als sie an ihm vorbei musste. Die dagegen grinste ihr noch blöde hinterher, keine Augen für die Realität. Nun mochte einer sagen, es sei normal, dass ein Mann nur Augen für seine hübsche Freundin hatte, doch erstens war diese Frau nur eine von vielen und zweitens war Die einfach darauf bedacht, dass sie von seinem kleinen Schauspiel nicht abgelenkt würde. So gut kannte Kaoru nun schon seinen zweiten Gitarristen. Frauen kamen und gingen nächtlich. Der Bandleader nahm eine tiefen Atemzug und marschierte ebenfalls zum Aufzug. Normalerweise mischte er sich nicht ein in die privaten Angelegenheiten seiner Bandkollegen, ging ihn ja im Grunde auch nichts an, doch bei Die machte er sich langsam Sorgen. Oder vielmehr um Dies Weiberverschleiß. Wenn der so weitermachte, würde es in ganz Japan bald keine Frau mehr geben, mit der er nicht geschlafen hatte - und da rechnete er die Europäischen Hasen und Amerikanischen Girls noch nicht mal mit ein. Und weil Kaoru noch Single war, war das nicht akzeptabel. Er wollte eine von Die noch unbenutzte, danke. Gut, vielleicht war Kaorus Grundgedanke doch etwas egoistisch. Dennoch wurmte es ihn auf eine ganz bescheuerte Art und Weise, die er sich selbst nicht erklären konnte. Er war gut erzogen und achtete Frauen. Was Die tat, war eindeutig unter deren Würde. Andererseits waren sie ja selber Schuld. Zumindest hatten die ihren Spaß und was hatte Kaoru? Nichts außer einem leeren Bett. Aber er war auch nicht der Typ für eine Nacht. Das war ja schön und gut, doch auf die Dauer keine Lösung. Er brauchte eine Frau, die zu ihm aufsah und die er respektieren konnte, eine richtige Freundin und keine Bumsmöglichkeit. Da kam er wieder auf Die. Warum wollte der nur ständig das Eine und niemals die wirkliche Nähe einer Frau? Eine, auf deren Schoß man seinen Kopf nach Feierabend legte und ihr von seinem Tag erzählte, während sie einem ihre zärtlichen Finger durch die Haare fuhr. Wenn Kaoru etwas haben wollte, worin er seinen Schwanz versenken konnte, dann müsse er nur mit offener Hose durch die Stadt laufen. So war das! Nein, er wollte eine, der er vertraute und vor allem sein Herz anvertraute. Das zumindest bildete er sich ein. War er etwa doch nur neidisch? Ganz genau wusste er das nämlich nicht. Aber eines wusste er: dass er sich darüber viel zu viele Gedanken machte! Im Foyer des Hotels angekommen, begrüßte ihn bereits der Tourmanager und nach einem kurzen Gespräch über die heutigen Termine, konnte sich Kaoru auch endlich an den Frühstückstisch setzen. Toshiya und Shinya saßen bereits und aßen, und erst lange nachdem Kaoru sich zu ihnen gesellt hatte, kamen auch der Sänger und das weiberverschlingende Strahlemännchen und beehrten die anderen mit ihrer Gegenwart. "Guten Morgen!", sang Die und setzte sich gegenüber des Bandleaders, während sich Kyo mit einem Grummeln neben ihn schob. Die gute Laune des Weiberhelden war schon fast nicht zu ertragen. Kaoru hustete und beschloss, den Gitarristen mit den rötlich blonden Haaren zu ignorieren. Leider stellte sich das als schwierig heraus dank des neugierigen Bassisten. "Nette Nacht gehabt, wie?", grinste Toshi und kicherte dreckig, als Die mit einem strahlenden Lächeln nickte. "Man hat's vernommen." "Aber wir waren gar nicht laut," protestierte Die mit vollem Mund, so dass Kaoru innerlich bereits in Deckung ging, bevor ihm Stückchen von Nutella und Croissant an den Kopf flogen. "Deswegen stieß der Bettrahmen trotzdem gegen die Wand," meinte der Drummer plötzlich pikiert und stand auf, um sich, bewaffnet mit seinem Hund, nach draußen zur Morgentoilette des Tieres zu begeben. "Was soll ich sagen? Sie war schon irgendwie wild. Mal was anderes," war Dies einziger Kommentar, den er mit einem Zucken seiner Schultern aus dem Ärmel schüttelte. "Warum sind die meisten Weiber nur so zaghaft?" "Keine Ahnung. Ich stehe auch nicht drauf, wenn sie einen auf Amazone machen," schnarchte Toshiya und zündete sich eine Kippe an. "Du Kaoru?" "Hm?" Er tat, als hätte er das Gespräch nicht verfolgt, dabei war der Älteste von allen bereits dabei, gedanklich durchzugehen, was für perverse Schweine doch in seiner Band waren. Die war der Allerschlimmste! Wie konnte man sich nur über Wesen der Gattung Frau so unterhalten? Nicht, dass Kaoru anders dachte. Das nicht, aber ein Gentleman schweigt und genießt, so war sein Motto. "Stehst du mehr so auf Amazonenweiber, die dich reiten, bis der Tag anbricht?", wiederholte der Rotblonde geduldig die Frage des Bassisten. "Oder bist du eher an den zaghaften Jungfrauen interessiert?" Der fragende Blick zu Kyo half Kaoru nicht einen Schritt weiter, da der Sänger gerade mehr oder weniger dabei war, auf dem Tisch einzuschlafen. Kaoru musste sich also mal wieder selbst aus der Lage befreien, legte eines seiner undurchschaubaren Lächeln auf und lehnte sich zurück. "Die Mischung macht's." Unverfänglich und neutral. Der Bandleader war zufrieden mit seiner Antwort. "Alte Sau, du. Wusste ich doch!", strahlte Die, nur um den Älteren zu ärgern, denn er wusste zu gut, dass Kaoru so gut wie kein Sexleben hatte. In seinen Augen war er ein Langweiler. "Du nimmst dir eine prüde Jungfrau und vögelst die solange, bis sie zur Nymphe wird, was?" Schallendes Gelächter brach aus. Kaoru kam fast das Kotzen. Erstens musste man so etwas nicht laut aussprechen und zweitens würde er ja gerne so handeln, wenn nur noch ein paar Jungfrauen da wären! Die hatte doch alles weibliche auf dieser Welt bereits defloriert! "Wo sind Nymphen?", fragte Kyo verschlafen, nachdem er schlagartig aus seinem Halbschlaf erwacht war. "Gar keine Nymphen da. Nur ihr Trottel." Ein kleines, fieses Grinsen bildete sich auf den Lippen des Sängers, als er sich vom Stuhl in eine aufrechte Position bugsierte und die anderen zurückließ. "Wen nennst du hier Trottel?" Die Hände in die Hüften stemmend, rief Toshiya dem anderen nach. Doch als der keine Regung zeigte, lief ihm der Bassist empört nach, nachdem er einmal obligatorisch mit dem Fuß aufgestampft hatte. Unschuldig aß Die weiter sein süßes Frühstück, während Kaoru nur mühsam seine herzhafte Morgenmahlzeit herunterschlang. Er machte sich zu viele Gedanken und zog sogar in Erwägung, sich langsam in eine Frau zu verwandeln. Unwillkürlich natürlich, aber möglicherweise aufgrund seines mangelnden Sexlebens. Die hingegen spürte, wie sein Kumpel langsam in ernsthafte Depressionen zu verfallen schien. Dabei hatte er doch nur Spaß gemacht. "Hey Kao, das war nur'n Scherz, okay?" "Was? Ja," lächelte der andere nervös, oder vielmehr ertappt. "Ja klar. Kein Thema." Kein Wort glaubte ihm Die, aber er würde es mal so hinnehmen. "Hast du Lust heute Abend mitzukommen? Wir fahren doch heute nach Tokio und ich kenne richtig gute Locations in Shibuya." Das war Die, wie man ihn kannte. Er kannte sie alle, Clubs und Stammgäste. Nur Kaoru kannte er wohl eher nicht, denn wenn, so würde er nicht fragen, ob er Lust hätte mitzukommen. Nur für das Protokoll: Kaoru Niikura war sicher kein partyverächtender Mensch, aber nicht geboren um in Nachtclubs Weibern seine Zunge in den Hals zu rammen. Er mochte die biederen, netten Mädchen. Eine von der Küste wäre gut. Die hatten so etwas Naives. Außerdem bestaunten sie einen erfolgreichen Mann vielmehr. Die Stadtgören wollten doch nur an seine Brieftasche. Außerdem konnte man sich bei denen sonst was einfangen. Doch Kaoru kam vom Thema ab. Was war gleich die Frage? Ach ja, richtig, ob er mit Die ausgehen wollte. Klar doch. Gab ja auch so gar keine Arbeit zu erledigen! "Ich denke nicht, Die. Nach der Show muss ich noch die Fotos für die nächste Ausgabe unseres Fanclubmagazins sichten," wehrte er entschuldigend ab und ließ Die aufseufzen. "Man Alter, das kannst du doch auch später machen. Morgen früh im Bus ist doch auch Zeit für so Sachen," raunte der Jüngere verachtungsvoll und verbot sich insgeheim, die Augen zu verleiern. So Sachen war das also für den! Das war ja mal wieder typisch! Nur irgendwie musste Kaoru auch eingestehen, dass Die Recht hatte. Er könnte ja auch einmal etwas liegen lassen und erst später machen, auch wenn das gar nicht seine Art war. Nur, die blöden Sprüche und all das hatten ihm so zugesetzt, dass selbst seine arbeitswütige Hirnhälfte auch mal der eigentlich wesentlicheren Hirnhälfte des Mannes, nämlich der mit dem sexuellen Drang, nachgeben musste. Verdammt, er brauchte schließlich auch mal was Nettes, Zierliches, vielleicht etwas Schüchternes in seinem Bett. Gut, vielleicht war das zuviel verlangt. "Ich brauch 'ne Frau." Das war es! Ganz genau. Hatte er das laut gesagt? Er war sich nicht sicher, doch Dies fettes Grinsen schien darauf hin zu deuten. "Sag ich doch, Kumpel!" Das atomare Strahlen seiner gebleckten Zähne machten Die in jenem Moment nicht unbedingt vertrauenserweckend gegenüber Kaoru. Dennoch zuckte der Kleinere mit den Schultern und gab nach. "Also gut, wir gehen aus. Aber nur ein Club! Ich renne sicher nicht von einer Diskothek in die nächste Bar und von dort zum nächstbesten Schuppen." Das war die Bedingung. "Kein Club-hopping, ich versprech's." Die war froh, dass sich sein Kumpel dazu ‚herabgelassen' hatte mitzukommen. Er war zwar bei gelegentlichen Sauftouren ein gerngesehener Gast, doch Clubs mit massig Frauen sahen Kaoru eher selten. Warum auch immer, denn verstehen konnte das Die nicht. Sie waren doch der Grund des männlichen Daseins, des lebenswerten Lebens. Bevor sich sein Hirn noch mehr in seltsame Gedankengänge und Schlussfolgerungen verstrickte, schüttelte Die den Kopf und konzentrierte sich lieber auf das Schokoladencroissant in seiner Hand. Er war nicht geschaffen zum Denken, sondern musste Kraft tanken. Ein Tag war lang und die Nacht noch länger! "Sag mal," begann Kaoru vorsichtig, denn er wusste selbst nicht genau, warum ihm das Thema so beschäftigte. "Warum hast du eigentlich nie eine feste Freundin? Jede Nacht eine andere muss doch stressig sein. Vergisst du nicht manchmal ihre Namen?" Die musste lachen. "Nein, eigentlich nicht." Wenigstens etwas, dachte Kaoru so bei sich selbst. "Oftmals weiß ich deren Namen gar nicht," ergänzte Die und Kaoru nahm gedanklich zuvor Gemerktes zurück. "Aber ehrlich mal, was denkst du von mir? Das gehört zum Feingefühl eines Ladykillers, Kaoru. Zuhören, Nicken, Namen merken. Die drei wesentlichen Regeln." "Du bist echt krank, Die." Kopfschüttelnd stand der Ältere auf und zündete sich eine Zigarette an. "Erzähl mir die anderen Regeln heute Abend." Mit diesen Worten und einem Winken seiner Hand machte sich Kaoru auf zum Tourbus, während Die lediglich vor sich hin schmunzelte und die Einstellung des anderen mal wieder zum Schießen fand. Dabei konnte Kaoru doch echt so viele Mädels haben, stand sich nur selbst dabei im Weg. Versucht hatte er es! Wirklich, er konnte es schwören! Kaoru hatte fest vorgehabt, den Tag ruhig anzugehen und keinen Stress zu verbreiten, obwohl er heute Abend ausgehen wollte. Doch mit genau diesem Gedanken im Hinterkopf hatte er gewissenhaft bereits heute Morgen die arme Crew verrückt gemacht, so dass ihm vorzeitig die neuen Fanclubmagazine vorgelegt werden konnten. Er hatte sogar seine Koffer selbst getragen, als er ins Hotel marschierte! Den Soundcheck hatte er in Absprache mit der Crew und den Veranstaltern auf heute vorverlegt und konnte so am Ende des Tages reinen Gewissens auch mal etwas Spaß haben. Dank eines netten Hinweises von Kyo, dessen Magen lauter knurrte, als das Waru schreien konnte, bestellte Kaoru auch etwas zu futtern. Sushi auf Rädern sozusagen. Danach begann er, sich schick zu machen. Dabei fehlte es ihm an nichts, das musste man schon zugeben. Er zog sich eine seiner teuren Markenjeans an, ein schwarzes Hemd darüber und stutzte sogar mal den Bart. Perfekt, dachte er, als er sich noch einmal mit dem Knöchel der rechten Hand darüber strich und einseitig grinste. Konnte die Post ja abgehen! In gewisser Hinsicht würde er Die schon gerne mal zeigen, wer denn hier wirklich gefragt war, doch eigentlich hatte Kaoru viel zu viel Schiss davor, dass der Schuss nach hinten losgehen würde. Immer schön locker und cool, aber das war nun mal nur die äußere Fassade. So war das eben und daran konnte man nichts rütteln. Als Kaoru den betreffenden Zweitgitarristen traf, stand dieser gerade an der Theke der Rezeption gelehnt und tauschte sich mit der nachtdiensthabenden Hotelangestellten aus. War ja auch nicht anders zu erwarten. Er nickte Die kurz zu und dieser wand sich auch gleich mit entschuldigendem Blick von der Frau ab und starrte den Bandleader an. "Geh schon mal raus, Kao. Taxi wartet. Ich gebe der jungen Frau nur noch kurz meine Email," erklärte Die, denn seine Telefonnummer rückte er niemals raus. Das war auch schon allgemein bekannt. Kaoru nickte lediglich und watschelte nach draußen, wo er sogleich ins Taxi stieg. "Moment noch. Es kommt noch jemand." Der Fahrer nickte und schnaubte kurz. "Uhr zählt schon." Nach etwa zehn Minuten kam auch endlich Die, freudestrahlend als hätte er Geburtstag, und pflanzte seinen nichtvorhandenen Hintern neben Kaoru. Er gab dem Fahrer an, wohin er sie bringen sollte und drehte sich um zum Bandleader, der mit verschränkten Armen dasaß und fast wegdöste. "Die Kleine hat den Schlüssel zum Pool." "Hm? Was?" Viel zu oft kam sich Kaoru vor, als würde er einfach nur auf der Leitung stehen. "Zum Pool. Schwimmen und so," erklärte Die und winkte mit der Hand, als wäre es sowieso nicht verständlich für Kaoru. "Oder vielmehr nackt baden mit der Süßen. Aber da musst du ja eh passen, was?" "Hm." Der Leadgitarrist drehte sich weg und starrte zum Fenster hinaus. Wer sagte eigentlich, dass Nichtschwimmer nicht baden konnten? Wobei Die ja recht hatte ganz dummerweise, denn Kaoru machte sich bestimmt nicht zum Kasper und ließ sich vielleicht noch von einer Frau vorm Ertrinken retten. Ging ja gar nicht so was. Als beide endlich angekommen waren und den Club betraten, hatte sich Kaorus gleichgültige Laune etwas gelegt und er nahm sich fest vor, dass er heute Nacht mal so richtig einen drauf machte. Natürlich nicht nur saufen, sondern vielmehr wollte er eine der schicken Ladys auch mal für sich abstauben. Unzählige Frauen soweit das Auge reichte und wenn da nicht auch mal eine für den kleinen Kao drin war, dann würde er sich aber ernsthaft Gedanken machen. Die bestellte schon mal zwei Bier für die beiden Saufkumpanen und suchte auch sogleich ein nettes Plätzchen am Tresen raus, von dem aus man Sicht auf die Tanzfläche hatte und ebenso gut die vorbeilaufenden Schnecken abchecken konnte, wenn nötig auch gleich mit einem Drink protzen. So lief es nun mal und es schienen auch nicht Wenige abgeneigt zu sein. Bald schon stolzierte die erste Gutaussehende arschwackelnd an dem Rotblonden vorbei und als sie aufsah, schenkte er ihr lediglich ein beeindrucktes Lächeln mit atomarer Strahlkraft. So schwierig schien die Sache jedenfalls nicht zu sein, dachte sich auch Kaoru und beobachtete das Ganze eine Weile lang, bis Die sogar mit einer von ihnen Emailadressen ausgetauscht hatte. Danach stupste er den Dunkelhaarigen an. "Los, du bist dran." Mit einem Grinsen setzte Die sein Bier an und kippte es weg. "Womit bin ich dran?" Falls sie beide hier ein Spiel spielten, von dem man vergessen hatte es bei Kaoru zu erwähnen, dann sollte man ihn jetzt bitte aufklären. "Eine aufzureißen," lachte Die und stellte das leere Bierglas neben sich auf dem Tresen ab. "Du hast selbst gesagt, dass du eine Frau brauchst. Also los, zeig mal, was in dir steckt." "Muss das sein? Das ist doch albern," verkündete der etwas eingeschüchterte Bandleader und gab sich nicht die Blöße zu zeigen, dass er eigentlich nur feige war. "Nein, das ist nicht albern. Das ist zweckmäßig. Seit wann ist Weiberaufreißen albern? Nun mach schon," drängelte der Größere von beiden unbeirrt und bestellte mehr Bier. Einen Moment lang zögerte Kaoru, während ihm ein genervtes Seufzen entkam. Was hatte er eigentlich zu verlieren? Er war ein Rockstar zum Himmel noch mal! Wer würde den von der Bettkante schubsen? Zumal es hierbei nicht darum ging, eine Frau fürs Leben zu finden, sondern eine, die ihn einfach daran erinnerte, dass er ein Mann war. Und das war Kaoru verdammt noch mal! Er visierte eine dunkelhaarige, großgewachsene Schönheit mit hochgestecktem Haar an, deren gazellenartiger Körper von einem Hauch von rotem Stoff bekleidet war. Ihre Beine waren fast länger als Dies und das sollte schon was heißen! Himmel, die Beine waren aber auch gut. Dann mal los. Der Mann von Welt zeigte einfach ein selbstsicheres, doch nicht zu auffälliges Lächeln, hob sein Glas zum Zeichen des Wohlseins und zwinkerte der Schönheit ein paar Meter von ihm entfernt zu. Diese hob eine ihre perfekten, dünnen Augenbrauen, lächelte provokant zurück und nippte von ihrem Sektglas. Ging doch. Kaorus Lächeln wurde etwas breiter, lausbübisch verschmitzt, dennoch liebenswert. Oh, er hatte es schon drauf, wenn er wollte. Nicht? Also momentan fand er sich richtig gut, wenn auch etwas dumm. Doch es schlug an und die junge Dame kam näher, wodurch sie irgendwie etwas wuchtig wirkte. Waren es aber nur ihre langen Beine oder dass sie sogar breitere Schultern als er besaß, das wusste Kaoru nicht genau. "Hey Süßer, wollen wir nicht irgendwo hingehen, wo es lauschiger ist als hier?" Die dunkle Männerstimme brachte Die dazu, dass er sein Bier fast ausspuckte, als er sich beim Lachen überschlug. Und was machte Kaoru? Er stand da und glotzte mit riesigen Augen auf den zum Kerl mutierten Traum seiner feuchten Nächte. Oder so ähnlich. Wieso hatte er das nicht gemerkt? "Aah," stotterte er mit einem an den Zahnarzt erinnernden Laut. "Ich... bin hier mit einem Freund." Das Ungetüm hob die Augenbrauen fragend an. "Ja, und?" "Die," presste Kaoru durch seine Lippen und stieß dem jüngeren Gitarristen den Ellbogen in die Rippen, so dass noch mehr Bier durch seine Mundwinkel zu entkommen versuchte. "Also er ist... Ich kann nicht weg." Was sollte denn das jetzt, fragte sich Die und stoppte einen Moment lang sein Gelächter. Existierte er etwa nur um Kaoru vor einer Transe zu retten? Schien ihm fast so. Aber Die war ja auch kein Unmensch und der kleine Bandleader konnte einem ja auch echt leid tun. Da grub er schon mal eine Tussi an, dann war sie nicht nur eine Tucke, sondern auch noch Drag-Queen. Und morgen würde sich Kao wundern, dass er Schmerzen im Arsch hatte und ihn Bartstoppeln beim Küssen kratzten - und zwar nicht seine eigenen! Das konnte man nicht zulassen. "Na, na, Kao-Baby. Appetit holen kannste dir ja, aber gegessen wird Zuhause," raunte Die ihm entgegen als Hilfestellung und warf eine Arm um den etwas zierlicheren Mann, bevor er die Transe anstarrte. "Sorry, der ist nicht mehr zu haben." Mürrisch verleierte das Transending seine/ihre Augen und warf sich das Haar nach hinten. "Ihr Kerle seid doch echt beschissen." Und damit walzte das kleidtragende Etwas davor. Aber Moment mal... ihr Kerle?! Was war sie, nein, er denn bitte? Oh Mann, das Leben konnte schon hart sein. Im liebsten würde sich Kaoru gerade ein Loch schaufeln und sich darin für des Rest seines Rockstarlebens dort verstecken. Er ließ den Kopf hängen und hoffte darauf, dass es einen Gott gab, der ihn jetzt aufwachen ließ. "Boah Kaoru!" Oh richtig, es gab vielleicht keinen Gott, aber dafür den Teufel in Gestalt eines menschgroßen Gitarristen mit Gesichtsentgleisung. Schenkelklopfend lachte sich Die einen Ast und zog den Arm wieder von Kaorus Schultern. "Das war ja so eine peinliche Nummer! Wie biste denn auf DAS DA gekommen? Du musst ja wirklich lange schon keine Frau mehr gehabt haben, wenn du schon nicht mehr weißt, welche Gattung einen Schwanz hat." "Ja, ja, sehr witzig," murrt der andere ihm entgegen und drehte sich weg. Das hatte er doch nicht wissen können, oder? Es war doch eigentlich mal wieder typisch, dass gerade Kaoru in das erstbeste Fettnäpfchen trat. Was war aus dem einst so erfolgreichen Leader geworden? Ein bemitleidenswertes Würstchen! Genau. Zumindest so kam er sich nun vor und Die machte die Sache durch seine Witze nicht unbedingt leichter. Kaoru drehte sich weg und bestellte ein neues Bier. Ob man sich in einem Literglas ertränken könnte? Chancen waren groß, denn er konnte ja nicht schwimmen. Nur so klein war Kaoru auch wieder nicht. Verdammt. Während der Dunkelhaarige also vor sich hin trauerte, zog Die nur kopfschüttelnd die Augenbrauen hoch und seufzte lautlos. Auch er fragte sich, was eigentlich aus dem alten Kaoru geworden war, vom dem gerade nicht mehr als eine Emobeule übrig geblieben war. Vielleicht sollte Die ihn einfach mal ein bisschen in Ruhe lassen? "Ich check mal kurz drüben die andere Bar ab," ließ er verlauten und machte sich samt seinem Bier auf den Weg. Freunde hin oder her, aber für Die war der Abend sicherlich noch NICHT gelaufen! Kaoru konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, vielleicht eine Stunde, möglicherweise auch drei oder nur eine halbe, aber er hatte keinen Bock mehr rumzustehen und das für Nichts. Man hatte ja doch kein Interesse an ihm. Was natürlich an seiner allgemeinen Abwehrhaltung liegen könnte, aber das war mal so dahingestellt. Sein Blick wanderte hin und wieder zu Die, der sich ständig angeregt zu unterhalten schien, mal mit einer Blonden, mal mit einer Brünetten. Und das kotzte Kaoru noch viel mehr an! Was hatte denn Die so Besonderes? Ein breites Grinsen und eine Kartoffelnase. War doch so! Und was hatte Kaoru? Schmale Schultern und einen Ziegenbart. Vielleicht war das ja auch nicht das Idealste auf der Welt, aber er konnte doch locker mit Die mithalten. Oder? Kaorus Gedankenwelt ging mit ihm durch und versickerte im Nirwana. Sein letztes Bier bezahlte er mit viel zu viel Trinkgeld, bevor er auf seinen Freund zu wackelte, die Hand hob und ihn anschnaubte: "Ich geh jetzt." Er hatte sich bereits dem Ausgang zugewandt, als ihm Die nachrief: "Warte doch mal." Kaoru bliebt stehen und rollte mit den Augen. "Warum willst du schon gehen?", fragte Die, der ihn eingeholt hatte und den Kopf schief legte, als wäre sein Kumpel eines dieser dummen Gören, die er ständig anbaggerte. "Kein Bock mehr. Kannst doch allein hier bleiben. Kein Thema." So ganz egal war es Kaoru nicht, aber das lag vielmehr daran, dass er Dies Anblick und dessen Erfolge nicht länger miterleben wollte, es ihm nicht mehr gönnte. Darum ging er weg. Was er nicht sah, konnte ihn nicht anpissen. "Schade. Ich hab grad ne Engländerin aufgegabelt. Ziemlich süß, aber da ist noch ne Thailänderin, die ich noch geiler find eigentlich. Ich dacht mir, du könntest doch die Engländerin-" Weiter kam Die nicht, als ihm der Kleinere ins Wort fiel. "Was sollen ich mit ner Engländerin? Ich kann nicht mal Englisch!" Leicht entzürnt brüstete sich Kaoru auf und gaffte seinen Freund an, als hätte er nicht mehr alle Kugeln am Christbaum. "Body language, Kao..." Dabei stieß Die dem anderen spielerisch den Ellbogen in die Rippen. "Was?" Hohe Stirn in Falten gelegt, starrte Kaoru zurück, während seine linke Augenbraue zuckte. "Körpersprache." Ein Seufzen entkam Die. Der Mann vor ihm stand aber auch auf dem Schlauch. "Du hast sie nicht mehr alle," konterte der Bandleader und zeigte Die einen Vogel. "Ist doch ein Witz, oder?" Mit einem leichten Zucken von Dies Schultern antwortete dieser: "Sex ist in jeder Sprache gleich." "Maaaaan, ich such ne Frau, die nicht nur die Beine breit macht." "Versteh ich nicht." "Wie auch?!" "Keine Ahnung, was du meinst." "Arrgh." Nahe dran sich die Haare zu raufen, grollte Kaoru vor sich hin und zählte bis zehn, um sein Aggressionspotential wieder runterzufahren. "Ich fahr zurück ins Hotel. Mach doch mit beiden rum, wenn du willst." "Hm... okay." Abermals mit den Schultern zuckend lächelte Die. An sich gefiel ihm die Idee und wenn Kaoru wirklich nichts dagegen hatte und lieber uns Hotel wollte, wer war Die, dass er ihm das verwehren würde? "Tja dann." Uff. Irgendwie hatte Kaoru nicht damit gerechnet, obwohl es doch eindeutig ins Dies Verhaltensmuster passte. Die Hoffnung hatte Kaoru einmal mehr zur Verzweiflung getrieben. Klar würde der Rotblonde nicht Nein sagen zu solch einem Gedanken. Kein Zweifel. Doch irgendwie... niederschmetternd. "Mach's gut." Damit kehrte Kaoru dem anderen den Rücken zu und marschierte geradewegs aus der Kneipe oder dem Club, was auch immer es sein mochte. Noch eine Weile starrte Die seinem Freund verdutzt nach. Er kam noch immer nicht dahinter, was Kaoru wohl gemeint hatte. Frauen waren doch aber dazu da, dass sie sich mit Männern fortpflanzten. Nur dass man heutzutage dabei keine Kinder mehr machte. Warum auch? Störten ja nur. Mit einem Seufzen drehte sich Die wieder um und lächelte, suchte dabei mit gestochen scharfem Blick seine zwei süßen Schneckchen. Dann erschrak Die. Die Thailänderin hatte ihre Zunge gerade im Mund eines kleinen Japaners mit blonden Haaren und die Engländerin war gänzlich verschwunden. Danke an Kaoru! Wenn der nicht gewesen wäre... Mit neuem Bier in der Hand, welches sich Die schnell an der Bar geholt hatte, machte er sich also auf zur Mission Engländerin. Irgendwo musste die ja sein. Konnte sich doch nicht einfach in Luft auflösen... Im Hotel angekommen ließ sich Kaoru aufs Bett sinken und zog sich langsam die Schuhe aus, einen nach dem anderen, bevor er sich die Jacke abstreifte und das Hemd über den Kopf zog. Es musste doch irgendeinen verdammten Grund haben, dass er sich so beschissen fühlte. Nur welchen? Es konnte ihm doch eigentlich egal sein, ob er nun Erfolg bei der Frauenjagd gehabt hatte oder nicht. Früher war das nie ein Problem gewesen. Früher... Früher war ja auch alles besser. Früher ging Kaoru mit Die aus und sie hatten Spaß. Nur er und Die und vielleicht der Rest der Bande. Es spielte gar keine Rolle, ob man Frauen anbekam oder nicht, solange sie untereinander ihre Witze reißen konnten. Und jetzt? Sein erblondeter Mitgitarrist war nur noch aufs Vögeln aus. Wer weiß, ob ihm nicht schon egal war, was er eigentlich ins Bett schleppte, ob Mann oder Frau, Hund oder Katze, Mutter oder Tochter...? Seine Gedanken gingen zu weit, ganz klar, doch Kaoru vermisste das einfach. Das Unbeschwerte. Heute, wo er nun 34 war und ein sogenannter ‚Übriggebliebener' ging es nur noch darum, ob man wen zum Ficken hatte oder nicht. Dabei wollte er doch nur wieder ein bisschen ausgeglichener sein und... glücklich. War denn das echt zuviel verlangt? Die Ausgeglichenheit, die Die hatte, wünschte er sich so manchmal. Einfach losziehen, was Nettes abschleppen und dadurch ausgeglichen werden. Nur konnte das Kaoru nicht! Er setzte sich selbst viel zu sehr unter Druck Tag ein Tag aus, so dass er am Ende des Tages keinen Charme mehr abzwacken konnte, um noch irgendwie oberflächlich zu flirten. Er wollte er selbst sein und trotzdem geliebt werden. Nur anscheinend hatte darauf außer ihm sonst keiner Bock. Oh Mann, er sollte seine Gedanken echt abstellen. Es brachte ja nichts zu grübeln. Davon bekam man sicher Falten oder Krankheiten. Ob Die wohl schon Geschlechtskrankheiten hatte? "Bäh." Kaoru schüttelte den Kopf und zog die Hose aus, bevor er sich unter die Decke kuschelte. Geschissen aufs Zähneputzen. Das konnte er doch noch morgen machen. Lieber ein paar Bakterien mehr im Mund, als die Pest am Hals. Genau. So oder so ähnlich war es doch. Zumindest aus seiner Sicht. Vergebens hatte Die die schnuckelige Engländerin gesucht und nach ein paar Minuten gab er auf. Es waren schließlich noch andere Frauen da. Doch irgendwie schien keine mehr Interesse an ihm zu haben. Was verwunderlich war, denn so etwas war Die auch noch nie passiert. Es war wirklich merkwürdig, als wären plötzlich sämtliche Weiber bekehrt und hatten keine Augen mehr für ihn. Dass er dennoch nicht aufgab, ließ ihn nur noch mehr in sich einknicken. Nicht eine hatte auf seine Anmachen überhaupt reagiert, seine Lächeln blieben unerwidert und sein Charme fand keine Resonanz. Das war doch... Irrwitz! Kopfschüttelt fragte sich Die, ob vielleicht Kaorus Abwehrverhalten auf ihn abgefärbt hatte. Vielleicht hatte er sich zu lange bei ihm aufgehalten. Was Schwachsinn war. Aber woran sollte es denn liegen? Hatte er etwas im Gesicht? Nein, denn da hatte er bereits nachgesehen, als er auf Toilette war. Roch er unangenehm? Auch nicht möglich, denn er hatte ja sein neuestes extrateures Eau de Toilette dran. Hatte man ihm was an den Rücken gepinselt, wo drauf stand ‚ignorier mich'? Pah. Er wurde wohl eher langsam verrückt. Die fand keine Lösung. Und wenn er zu diesem Zeitpunkt gewusst hätte, dass das nur die Spitze des Eisbergs war, so wäre er wohl noch länger geblieben und hätte sich ins Koma gesoffen aus lauter Frust. Doch stattdessen verließ er schulterzuckend den Club und nahm sich ein Taxi zurück zum Hotel. Vielleicht lagen ja die Sterne irgendwie nicht richtig. Zwar glaubte Die nicht an Horoskope, aber Frauen ja bekanntlich, und vielleicht stand was in der Zeitung von wegen, lassen sie die Finger von verboten gutaussehenden rotblonden Jünglingen. Wie auch immer. Die schlappte in einer Seelenruhe auf sein Zimmer und streckte sich, bevor er alle Klamotten von sich warf und splitterfasernackt unter die Dusche kroch. Hygiene musste sein, denn ohne seine zarte Babyhaut zu schrubben, würde Die niemals ins Bett gehen. Es sei denn, er war nicht allein. Kaoru hatte ihn sicher verhext. Der mit seinem Gebrabbel von Dingen, die Die sowieso nicht verstand, hatte ihn vielleicht irgendwie mit einem Fluch belegt. Musste ja so sein. Obwohl es sicherlich Quatsch war. Wenn Kaoru zaubern könnte, würde er ganz andere Dinge tun, als Die zu verhexen. Wobei manchmal... Kam es Die nur so vor oder kamen sie wirklich nicht mehr ganz so prima zurecht miteinander? Früher... Früher konnte Kaoru noch über jeden von Dies dreckigen Witzen lachen und nicht nur das, sondern war es Kaoru, der meistens Die mit dreckigen Witzen die Schamesröte in die Wangen trieb, während sie sich beide halb tot lachten. Und jetzt erschien der kleine Dunkelhaarige, als würde er nicht mal mehr den Antrieb haben, sich überhaupt noch mit Die abzugeben, als wäre er irgendwie dumm und unnormal. Natürlich! Kaoru fehlte eine Partnerin. Das konnte schon sein. Und es musste ja auch keine andere sein jede neue Nacht. Das konnte Die schon verstehen. Aber er konnte dem anderen auch keine herzaubern, wenn sich der feine Herr Leader nicht mal selbst anstrengen wollte. Was wenn die Engländerin sich als Kaorus große Liebe entpuppt hätte? Wie in einem billigen Kitschfilm hätten sie sicher beide einander Sprachen erlernt. Für Die war das nichts. Aber jedem das seine. Also warum nicht auch Die seins gönnen? Er hatte eben nie das Gefühl, immer mit der gleichen Frau was haben zu wollen. Vielleicht waren es ja Bindungsängste, was wusste er schon? Solange er genoss, dass er ausgehen konnte, war es doch okay, oder? Und er hatte Sex. Männer brauchen das. Gedanklich hatte Die das für sich geklärt und schlüpfte auch wieder aus der Dusche. Danach machte er sich einfach nur noch fertig fürs Bett, in das er ebenso nackt hüpfte und die Augen zu knipste. Heute war ein merkwürdiger Tag gewesen und umso komischer die Nacht. Er wollte nur noch schlafen. Grunzen bis zum Mittag... oder wenigstens zum Frühstück. Leider graute der Morgen viel zu früh und während sich Dies Handy einen abrackerte um ihn wach zu bekommen, steckte er seine Nase nur noch tiefer ins Kissen und zog die Decke über den Kopf. Erst als er das laute Grölen der Musik nicht mehr ertragen konnte, ließ er ein Knurren verlauten und schaltete das dumme Ding ab. Seine Stimme klang noch etwas merkwürdig, viel rauer noch als sonst, als würde er versuchen auf einem Reibeisen eine Arie zu singen. Er schob die Füße aus dem Bett und stieg langsam auf, streckte sich gähnend und warf sich das Haar hinter die Schultern. Zum Frisör müsste er auch mal wieder. Seine Haare schienen schneller zu wachsen als seine Bartstoppeln, denn als er sich das Kinn träge kratzte, spürte er nicht mal den Ansatz einer Gesichtsbehaarung. Doch darum konnte er sich später Gedanken machen, denn seine Blase drückte. Zuviel Bier am Vorabend machte sich eben schlecht am Morgen. Und so watschelte Die geschmeidig lahmarschig ins Badezimmer und hob den Klodeckel an, um sich gähnend zu erleichtern. Doch während er nach seinem besten Stück suchte, fiel ihm etwas auf: Er konnte es nicht finden. Nun gut, so dämlich konnte man schon mal sein, wenn man Die war. Doch als er an sich herab schaute, wuchsen seine Augen auf Tellergröße an und er stolperte etwa zwei Meter nach hinten gegen die kalten Fliesenwand. Fataler Schritt, denn so hatte er besten Ausblick auf den riesigen Badezimmerspiegel über dem Waschbecken. Die schnappte nach Luft. Sein Körper... der war irgendwie... nicht seiner. Sondern der einer Frau. Ein lauter Schrei dröhnte durch das Hotelzimmer. Kaoru war bereits seit gut zwei Stunden wach, hatte sich seiner Morgenroutine unterzogen und war gerade im Begriff seine Zahnbürste zurück in den Kulturbeutel zu stecken, als der komaerweckende Schrei einer Frau seine empfindlichen Gehörgänge erreichte. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er gedacht, es kam aus Dies Zimmer. Nur normalerweise schrieen Dies Weiber irgendwie anders. Vielleicht hatte diese eine ja endlich mal erkannt, wie er wirklich war. Trotzdem war es doch ein sehr ehrfürchtiger Schrei. "Hm." Schulterzuckend verschloss Kaoru seine Tasche und suchte nach seinen Zigaretten. Es ging ihn doch nichts an. Egal woher der Schrei nun drang. Obwohl es dennoch einen kleinen Film in seinem Hirn auslöste. Denn wenn die Frauenstimme nicht aus Dies Zimmer kam, sondern vielleicht aus einem der anderen, in dem sich rein zufällig gerade eine einsame, dennoch nette aber gutaussehende Frau befand, die gerade Hilfe brauchte, so könnte Kaoru doch der Retter in der Not sein. Das wäre doch mal wirklich romantisch. Und filmreif. Aber mehr romantisch. Wenn auch kitschig. Seine Gedanken verliefen sich jedoch im Sumpf seiner Hirnzellen und er checkte noch einmal die Uhrzeit auf seiner Armbanduhr. Noch immer reichlich früh setzte sich Kaoru wieder aufs Bett und starrte aus dem Fenster. Er hatte ja nichts Besseres zu tun gerade. Mit schreckenerfüllten Augen starrte Die noch immer gen Spiegel. Das war doch nicht er! Das musste doch ein Trick sein. Er hatte keine rückenlangen Haare, wenn sie auch noch so sehr in seiner höchstpersönlichen Farbe schimmerten. Und er hatte mit Sicherheit auch keine Brüste, selbst wenn diese Ausführung hier noch relativ gering ausfiel. Und er hatte - das wusste er mit höchster Sicherheit - keine weiblichen Geschlechtsteile. Wenn man das so nennen konnte. Denn da war ja nicht mehr viel Teil, sondern vielmehr ein Hauch von Nichts in einem kleinen Dickicht. Na herrlich! Und wo war sein bestes Stück geblieben? Das war doch im wahrsten Sinne des Ausdrucks SEIN Heiligtum! Das konnte doch nicht weg sein! Einfach so... Nur langsam nahm Die die Atmung wieder auf und begann stattdessen zu hyperventilieren. Man verarschte ihn gerade! Das musste es sein. Oder er träumte? Nicht gerade liebevoll zwickte er sich in die Seite, die sich irgendwie weicher anfühlte als sonst, doch außer Schmerz und einer hässlich roten Stelle hinterließ er nichts. Dann überkam Die die Angst. Wenn das kein Traum war... Es musste einer sein! "Los, aufhören mit dem Mist!", brüllte er plötzlich seinem Spiegelbild entgegen und wurde wütend. Aus lauter Zorn stieß er sogar seine Faust gegen den Spiegel, so dass er entzwei sprang. Doch an dem Bild darin änderte es nichts. Dies Unterlippe begann zu zittern. Nicht möglich. DAS war nicht möglich. Er und eine Frau?! Nie im Leben! Was sollte er denn jetzt machen? Zitternd schleifte er seinen neuen Körper zurück ins Zimmer und schaute sich um. Er musste doch bald zu den anderen. Das ging doch aber nicht so, wie er nun aussah. Und überhaupt... Jemand musste doch etwas tun können. In Dies Kopf schrie alles nach HILFE. Doch wer sollte ihm schon helfen können? Versunken in seinen panikartigen Gedanken zog sich Die eines seiner T-Shirts über und versuchte sich auch notdürftig eine Hose anzuziehen, auch wenn er den Gürtel um drei Löcher enger machen musste, so schmal wie seine Taille nun war. Er kam sich in seinen eigenen Sachen verloren vor. Doch das war nicht mal das Schlimmste, nahm er ja nicht mal richtig wahr, als er sich noch einmal im Spiegel über der Kommode betrachtete und langsam die Finger hob, um sein Gesicht zu betasten. Alles fühlte sich echt an. Genau das trieb ihm nicht nur das Wasser in die Augen, sondern auch pure, nackte Angst in sein ganzen Bewusstsein. Hilfe. Jemand. Irgendwer. "Kaoru." Der Name kam wie automatisch über Dies Lippen, bevor er sich wie in Trance gelenkt umdrehte und zur Tür ging. Kaoru war seine letzte Hoffnung. Mehr? Bitte sagt mir, ob ich mehr davon schreiben soll oder lieber nicht. Gerne auch Kritik oder anderes. Ich möchte zwar nicht viel verraten, aber es wird definitiv ne Yaoi fic werden. Leider hab ich nicht viel Zeit, aber ich würd bei entprechender Nachfrage ranklotzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)