Brüder von Mono-chan (das letzte Kapitel ist da) ================================================================================ Kapitel 25: Erwachen -------------------- „Willkommen zurück.“ Der Mann lächelte ihn erneut an, dann wandte er sich über die Schulter an jemanden, den Tsubasa nicht sehen konnte. „Er ist wach – alles in Ordnung.“ „Gott sei Dank!“ Diese Stimme kannte Tsubasa ganz genau. In der Tat dauerte es nicht lange, bis das besorgte Gesicht seiner Mutter in seinem Blickfeld auftauchte. „Wir haben uns solche Sorgen gemacht! Es hat ewig gedauert, bis du aufgewacht bist, wir hatten schon Angst….“ Sie brach ab, um in der nächsten Sekunde bereits weiterzureden. „Geht’s dir gut? Hast du Schmerzen? Was…..“ „Langsam.“, schnitt der Mann ihren Redefluss ab. „Lassen Sie ihn erst mal richtig zu sich kommen.“ Tsubasa war mehr als dankbar dafür. Er hatte große Mühe, einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn mit dem Redetempo seiner Mutter mitzuhalten. Sie verstummte tatsächlich, griff dafür aber nach seiner Hand und drückte sie. Tsubasa registrierte dabei den Pulsmesser, der an seinem rechten Zeigefinger befestigt war, in der nächsten Sekund bemerkte er auch die Elektroden auf seiner Brust. Langsam bekam er zumindest eine Ahnung, wo er war….. „Du bist im Krankenhaus.“, meinte der Mann, als hätte er Tsubasas Gedanken erraten. „Mein Name ist Kimura, ich bin dein behandelnder Arzt. Kannst du dich daran erinnern, was passiert ist?“ Tsubasa musste sofort an den Traum denken, an den Schuss und an das taube Gefühl in seinem Bein, das immer noch nicht verschwunden war. Trotzdem schüttelte er nur den Kopf. „Du wurdest angeschossen.“, meinte seine Mutter leise. „Am Strand….“ Angeschossen….also doch! Es war, als hätte man einen Schalter in Tsubasas Kopf umgelegt. Der Countdown auf seinem Handy, der plötzliche Schmerz in seinem Oberschenkel, das viele Blut, Regen, Kojiros und Taros Gesichter…..Wie war er hierher gekommen? Unwillkürlich drehte er den Kopf zum Fenster. Draußen war es dunkel, den Geräuschen nach zu urteilen regnete es immer noch. „Es ist zwölf Uhr nachts.“, meinte Dr. Kimura leise und immer noch beruhigend. „Du hast wesentlich länger in der Narkose gelegen als angenommen, aber das ist alles kein Grund zur Sorge.“ Narkose? Warum Narkose? „Es ist kein Wunder, dass du dich nicht richtig erinnerst.“, redete der Arzt weiter. „Du hast sehr viel Blut verloren und bist auf dem Weg ins Krankenhaus ohnmächtig geworden. Wir mussten dich notoperieren, um die Blutung zu stoppen, aber es ist alles gut gelaufen. Vermutlich wirst du dich noch ziemlich benommen und schläfrig fühlen, das geht in ein paar Stunden vorbei, sobald du dich richtig ausgeschlafen hast. Wir mussten dir starke Schmerzmittel geben, dazu kommen noch der Blutverlust und die Nachwirkungen von der Narkose. Ruhe ist jetzt das allerwichtigste – wenn du dich an unsere Anweisungen hältst und dich die nächste Zeit schonst, bist du bald wieder auf den Beinen. Kein Grund zur Sorge also….“ Das schien sein Lieblingssatz zu sein. Tsubasa war zu müde, um sich wirklich Sorgen zu machen..... Aber vielleicht war das auch eher an seine Mutter gerichtet gewesen…. Sie war immer noch bleich und drückte seine Hand so fest, dass es fast weh tat.. „Ich lasse Sie eine Zeitlang allein.“, meinte Dr. Kimura leise an Frau Ozora gewandt. „Aber Sie sollten bald nach Hause gehen, es ist eh eine Ausnahme, dass Sie noch hier sein dürfen – und ich denke, Ihnen und Ihrem Mann tut etwas Ruhe genauso gut.“ Frau Ozora nickte. „Ja – natürlich. Danke….“ „Keine Ursache. Wenn etwas sein sollte, wissen Sie ja, wo Sie mich finden.“ Damit verließ er das Zimmer, und Tsubasa war mit seiner Mutter allein. Sie setzte sich auf den Bettrand, ohne seine Hand loszulassen. „Du hast uns einen Heidenschrecken eingejagt….. Ich mag gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn Taro nicht dabei gewesen wäre….“, meinte sie leise. „Hast du Schmerzen?“ Tsubasa schüttelte wieder den Kopf. „Nein….. alles ist taub…. Wo sind die anderen alle?“ „Dein Vater sieht nach Daichi, er müsste jeden Moment wieder da sein. Taro und Kojiro sitzen noch draußen, die Anderen sind mittlerweile heim gegangen…. Kojiro will auch unbedingt mit dir sprechen, aber das hat Zeit bis morgen….ich werde ihm schon noch klar machen, dass du erst mal Ruhe brauchst.“ Tsubasa brauchte ein paar Sekunden, bis alles, was seine Mutter erzählt hatte, zu ihm durchgedrungen war. Er nickte nur. Taro und Kojiro waren also nicht auch noch verletzt worden….das war gut. Die Frage, wen seine Mutter noch mit „die Anderen“ meinte, sparte er sich für den Moment lieber. Sprechen und Denken konnte beides sehr anstrengend sein…. Mit einem Mal kam ihm jedoch noch ein anderer Gedanke. „Bin ich im selben Krankenhaus wie Sanae?“ Seine Mutter runzelte angesichts dieser unerwarteten Frage irritiert die Stirn. „Ja, aber sie liegt auf einer anderen Station. Warum?“ Tsubasa antwortete nicht, statt dessen unternahm er den schwachen Versuch, sich aufzurichten – aber mal abgesehen davon, dass ihm sofort schwindelig wurde und er es eh nicht geschafft hätte, hielt ihn seine Mutter sofort zurück. „Was machst du denn? Bleib liegen!“ „Ich will zu Sanae….“ Frau Ozora schüttelte unwillig den Kopf. Kannst du mir verraten, wie du das anstellen willst, halb betäubt wie du noch bist? Selbst wenn du laufen könntest, kämst du keine drei Schritte weit. Du bleibst hier im Bett, wo du hingehörst!“ Ihre Stimme wurde etwas sanfter. „Du musst dir um Sanae keine Sorgen machen, ich habe den Abend über immer wieder nach ihr gesehen. Der Polizist sitzt immer noch vor der Tür, niemand unbefugtes wollte rein oder raus – alles ist in Ordnung.“ Tsubasa blieb tatsächlich liegen. Die Worte seiner Mutter beruhigten ihn keineswegs, aber er spürte, dass sie in einem Punkt recht hatte –in dieser Verfassung würde er es nicht mal aus dem Bett schaffen. Allein dieser kurze Versuch hatte seine Kräfte vollständig aufgebraucht, er konnte mit einem Mal kaum noch die Augen offen halten. „Ruh dich aus.“, meinte Frau Ozora leise und erhob sich. „Morgen früh, wenn es dir besser geht, reden wir weiter…. Erst mal ist wichtig, dass du wieder zu Kräften kommst. Dein Vater und ich kommen morgen früh gleich wieder.“ Just in diesem Moment wurde die Tür geöffnet – Herr Ozora kam zurück, den schlafenden Daichi auf dem Arm. Als er sah, dass sein ältester Sohn wach war, hellte sich sein Gesicht auf. „Tsubasa! Ein Glück – wie geht’s dir?“ Noch bevor Tsubasa antworten konnte, ging Frau Ozora zu ihm hinüber und begann, leise auf ihn einzureden. Er konnte kein Wort verstehen – genau genommen war es ihm auch egal. Das letzte, das er paradoxerweise mitbekam, bevor ihm die Augen zufielen, war der hochgerollte Hemdsärmel und das kleine, weiße Pflaster am Arm seines Vaters. *** Als er wieder aufwachte, fiel helles Sonnenlicht durch das Zimmerfenster und tauchte alles in so blendendes Licht, dass es fast weh tat. Offensichtlich hatte er sehr lange geschlafen….. Dieses Mal wusste Tsubasa sofort, wo er war. Der Arzt hatte recht behalten – das schwache und benebelte Gefühl war fast verschwunden. Leider war das jedoch nicht das einzige, was sich geändert hatte… auch das taube Gefühl in seinem Bein hatte einem unangenehmen Pochen und Stechen Platz gemacht. Er drehte den Kopf zur Seite und entdeckte seinen Vater, der es sich auf einem Stuhl gemütlich gemacht hatte und in ein Buch vertieft war. „Spannend?“ Herr Ozora zuckte zusammen und hob den Kopf, dann lächelte er. „Nicht besonders.“ Er klappte das Buch zu. „Wie geht’s dir?“ „Besser – glaube ich.“ Tsubasa richtete sich auf und zuckte prompt zusammen, als er dabei unabsichtlich das verletzte Bein bewegte. „Warte.“Sein Vater stand auf und suchte ein paar Sekunden am Bettgestell herum, bis er den Mechanismus gefunden hatte, um das Kopfteil halb auszurichten. „So dürfte es besser gehen.“ „Danke.“ Jetzt, wo Tsubasa sich anlehnen konnte, war es in der Tat wesentlich besser. Langsam ließ das Stechen nach. „Wie lange habe ich geschlafen?“ „Eine ganze Weile.“ Herr Ozora setzte sich ebenfalls wieder. „Es ist halb drei nachmittags. Deine Mutter war heute Morgen hier, jetzt ist sie zuhause und kümmert sich um Daichi. Heute Abend kommt sie wieder. Was macht dein Bein?“ „Tut weh….aber es geht schon.“ Sein Vater nickte, als hätte er diese Antwort erwartet. „Die Schmerzmittel haben nachgelassen, nehme ich an.“ Er zögerte, bevor er weiterredete. „Wie viel hast du von dem mitbekommen, was dir der Arzt gestern gesagt hat?“ Tsubasa blickte ihn kurz irritiert an, dann zuckte er mit den Schultern. „Irgendwas von wegen Not-OP und kein Grund zur Sorge…. So genau weiß ich das nicht mehr.“ Herr Ozora nickte erneut, als hätte er auch diese Antwort erwartet. „Das wundert mich nicht.“ Er begann noch einmal zusammenzufassen, was Dr. Kimura am Abend zuvor erklärt hatte. „Es ist äußerst wichtig, dass du dich schonst, aber wenn du dich an die ärztlichen Anweisungen hältst, stehen die Chancen gut, dass alles vollständig verheilt.“, meinte er schließlich und zögerte wieder. Tsubasa blickte ihn misstrauisch an. „Was noch?“ „Nichts.“ Herr Ozora seufzte. „Na ja…. Deine Mutter und ich, wir haben gemeinsam mit der Polizei überlegt, dass wir der Presse gegenüber das Gegenteil sagen sollten…. Dass du voraussichtlich nicht mehr richtig laufen, geschweige denn Fußball spielen kannst.“ „Was?!“ Tsubasa blinzelte perplex. „Warum das denn?“ „Weil wir im Moment fest davon ausgehen, dass dieser Irre absichtlich auf dein Bein gezielt hat. Wenn er glaubt, dass er sein Ziel erreicht hat und deine Fußballkarriere vorbei ist, bist du vielleicht erst mal außer Gefahr.“ „Und wie stellt ihr euch das vor? Das geht vielleicht ein oder zwei Monate gut, aber irgendwann….“ „Es geht auch erstmal nur um ein oder zwei Monate. Danach werden wir weitersehen…. Das wichtigste ist erst mal, dass Sanae und du aus der Schusslinie genommen seid. Wer weiß, vielleicht verrät sich der Typ in der Zwischenzeit und die Polizei kann ihn außer Gefecht setzen…..“ „Und wie soll das funktionieren, wenn ihr gleichzeitig darauf spekuliert, dass er mich so in Ruhe lassen soll?“ Tsubasa war von der Idee alles andere als begeistert. „Wenn er sich nicht mehr meldet, kann die Polizei ihn auch nicht finden….“ Herr Ozora seufzte. „Die Polizei nimmt den Fall mittlerweile sehr ernst – leider spät genug. Sie hat ein psychologisches Profil von dem Typen erstellen lassen und glaubt, dass er sich definitiv noch einmal melden wird – mindestens. Er will seinen vermeintlichen Sieg auskosten.“ „Und wie stellt ihr euch das vor mit dem Verein in Sao Paolo? Wenn die auch glauben, dass ich nicht mehr spielen kann…..“ „Ich weiß. Wir werden das hoffentlich irgendwie geregelt bekommen….. Du solltest so schnell wie möglich mit Roberto sprechen. Es tut mir leid, dass ich jetzt gleich damit überfalle, aber wir müssen das schnell entscheiden…. Bei uns zuhause klingelt schon wieder ohne Unterlass das Telefon, lange können wir die Presse nicht mehr hinhalten.“ „So wie du klingst, gibt es da nicht mehr viel zu entscheiden.“, meinte Tsubasa mit einem bitteren Ton in der Stimme. „Macht, was ihr wollt…. Ich glaube eh nicht, dass es funktioniert.“ Sein Vater sah nicht gerade glücklich aus, aber er nickte und zückte sein Handy. „Dann sage ich deiner Mutter gleich Bescheid, damit sie sich mit der Polizei in Verbindung setzen kann. Sie werden heute wohl auch mit dir sprechen wollen – bist du fit genug?“ „Ja, sicher.“ Sein Vater nickte wieder und stand auf. „Ich bin gleich wieder da, das dürfte nicht lange dauern.“ Damit verließ er das Zimmer, und Tsubasa war allein. Er seufzte und rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht. Wunderbar….als wären die Dinge nicht schon kompliziert genug. Jetzt musste er auch noch lügen…. Aber vielleicht hatten seine Eltern recht und wenigstens Sanae war dann außer Gefahr. Hoffentlich konnte er mit Roberto sprechen, bevor der es irgendwie in den Zeitungen lesen musste…. Tsubasa erstarrte, als ihm mit einem Mal ein neuer Gedanke kam. Au weia…..das Spiel! Er hatte das Spiel in Brasilien völlig vergessen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)