Brüder von Mono-chan (das letzte Kapitel ist da) ================================================================================ Kapitel 16: Starre ------------------ Frau Ozora war gerade damit beschäftigt, ihren Jüngsten zu baden, als das Telefon klingelte. Da ihr Ehemann zuhause war, achtete sie nicht darauf. Daichi beanspruchte ohnehin ihre ganze Aufmerksamkeit, er dachte gar nicht daran still zu halten und sich die Haare waschen zu lassen. Fröhlich vor sich hin brabbelnd fischte er nach der Quietscheente, die ihm ständig durch die nassen Finger flutschte. Seine Mutter seufzte, konnte aber ein kleines Lächeln nicht unterdrücken. Das Telefon hatte aufgehört zu klingeln, sie konnte ihren Mann gedämpft sprechen hören. Just in diesem Moment hüpfte die Ente wieder davon, und Daichi versuchte mit vollem Körpereinsatz, sie zurück zu holen. Frau Ozora konnte ihn gerade noch festhalten und verhindern, dass er Kopfüber im Wasser landete. „Himmel noch mal, Daichi, jetzt halt endlich still!“, schimpfte sie milde. „So werden wir nie fertig!“ Daichi blickte sie unschuldig an, blieb jedoch immerhin brav sitzen, so dass sie ihn loslassen und mit der freien Hand nach der Shampoo-Flasche greifen konnte. Als sie aufblickte, stand ihr Mann im Türrahmen, und anhand seiner Miene konnte sie sofort sehen, dass etwas nicht stimmte. Sie hielt inne und blickte ihn überrascht an. „Was ist los? Wer hat angerufen?“ „Die Polizei.“ „Was?“ Frau Ozora blinzelte. „Warum? Ist irgendetwas passiert?“ Langsam bekam sie ein mulmiges Gefühl. „Ja......das kann man wohl sagen.“ „Jetzt lass dir nicht alles aus der Nase ziehen! Was ist los?? Geht es um Tsubasa?“ Herr Ozora schien einen Moment lang nach den richtigen Worten zu suchen, dann nickte er schließlich. „Ja.....aber keine Angst, es geht im gut....körperlich, meine ich.....“ „Was soll das schon wieder heißen?“ Frau Ozora richtete sich auf und hob Daichi aus der Wanne, bevor sie ihn in ein Badetuch wickelte und ihren Mann dann besorgt anblickte. „Rede mit mir!“ Herr Ozora seufzte. „Sanae hatte einen ziemlich schweren Autounfall. Sie wird gerade im Krankenhaus operiert.....genaues hat mir der Polizist nicht sagen können, aber anscheinend ist sie mit hoher Geschwindigkeit angefahren worden....“ Seine Frau wurde bleich. Daichi strampelte, aber sie achtete nicht darauf. „Wie schlimm ist es? Und was ist mit Tsubasa?“ „Ziemlich schlimm. Ich weiß nur, dass sie operiert wird....aber anscheinend ist die Lage ernst. Tsubasa ist körperlich in Ordnung, er stand am Straßenrand, aber......“ Er redete nicht weiter, aber das war auch nicht nötig. Beide kannten ihren Sohn gut genug, um sich auszumalen, wie es ihm ging. „Wo ist er?“, wollte Frau Ozora schließlich wissen. „Auch im Krankenhaus, darum hat die Polizei auch hier angerufen.“ „Versuch die Babysitterin zu erreichen, wir müssen da sofort hin!“ Ohne eine Antwort abzuwarten, hastete sie mit ihrem verdutzten Sohn auf den Armen ins Kinderzimmer und begann, ihn so schnell wie möglich trocken zu rubbeln und anzuziehen. Daichi schien ebenfalls zu spüren, dass etwas nicht in Ordnung war, zumindest ließ er die verhältnismäßig grobe Behandlung ruhig über sich ergehen und musterte seine Mutter mit großen Kulleraugen. Erst, als sie ihn eine gute Viertelstunde später bei ihrem Babysitter abgab, begann er zu weinen und streckte die Hände nach ihr aus. „Tut mir leid, Spatz.“, meinte Frau Ozora hastig und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Du kannst nicht mitkommen. Wir holen dich ganz schnell wieder ab, keine Angst. Sei brav.“ Sie küsste ihn noch mal, dann verabschiedete sie sich von der Babysitterin und rannte zurück zum Wagen, wo ihr Mann mit laufendem Motor auf sie wartete. Nach einer erneuten halben Stunde, die ihnen wie eine Ewigkeit vorkam, betraten sie die Klinik und rannten über die weißen Gänge Richtung Notaufnahme. Sie waren nicht die einzigen. Beim Näherkommen erkannten sie, dass sich nahezu die komplette Fußballmannschaft auf die diversen Sitzgruppen verteilt hatte. Sanaes Eltern saßen ein Stück entfernt, nahe an den Flügeltüren, die in den OP-Bereich führten. Das Licht darüber leuchtete rot. Frau Nakazawa weinte, ihr Mann hielt sie im Arm und starrte über ihren Rücken an die Wand. „Ich bleibe hier und versuche, einen Arzt aufzutreiben, der uns mehr über Sanae sagen kann.“, meinte Herr Ozora gedämpft. „Du kümmerst dich um Tsubasa.“ Seine Frau nickte widerspruchslos und schnappte sich die erste Krankenschwester, die an ihr vorbei kam. Herr Ozora hörte noch, dass sie aufgeregt auf die im ersten Moment etwas verwirrt dreinblickende Schwester einzureden begann, dann hatte er die Anderen erreicht. Taro bemerkte ihn zuerst, er hob den Kopf. Zu seinen Füßen stand Tsubasas Sporttasche. Teilweise hatte sie dunkle Flecken.....anscheinend Blut. Herr Ozora hatte plötzlich einen bitteren Geschmack im Mund. „Gibt es irgendetwas neues?“, wollte er ohne Umschweife mit nach wie vor gedämpfter Stimme von Taro wissen. Er bekam ein Kopfschütteln zur Antwort. „Nein.....sie ist immer noch da drin.....“ Taro klang mehr als müde, ihm war anzusehen, dass ihm die ganze Sache sehr zu schaffen machte. Seine Freunde machten keinen besseren Eindruck. Niemand sprach. Herr Ozora spielte kurz mit dem Gedanken, zu Sanaes Eltern hinüber zu gehen, ließ es dann aber bleiben. Das war sicher kein guter Zeitpunkt..... Er blickte sich suchend nach einem Arzt um. Taro schien seine Absicht zu erraten. „Ich fürchte, Sie werden niemanden erwischen, der Ihnen mehr sagen kann....wir versuchen es selber ständig, aber alle Ärzte, die was wissen, sind bei ihr drin.....“ „Wie ernst ist es?“ „Ernst.“ Die Art, wie Taro das sagte, bestätigte Herr Ozoras schlimmste Befürchtungen. Nach kurzem Zögern setzte er sich in den letzten freien Stuhl neben Taro und begann ebenfalls zu warten. *** Frau Ozora wurde unterdessen von der Krankenschwester in einen anderen Teil der Klinik geschickt. Hier gab es noch mehr Behandlungszimmer. Es schien ein verhältnismäßig ruhiger Tag zu sein, nur wenige Patienten waren auf dem Gang, die Krankenschwestern machten einen verhältnismäßig ruhigen Eindruck. Frau Ozora blickte sich leicht unsicher um, in der Aufregung hatte sie sich die Zimmernummer nicht gemerkt. Nach erneuter kurzer Nachfrage stand sie schließlich vor der richtigen Tür und klopfte. Nach ein paar Sekunden ertönte ein gedämpftes „Herein!“ Sie drückte die Klinke nach unten, und als die Tür aufschwang, fiel ihr Blick als erstes auf Tsubasa, der reglos auf einem Stuhl saß, eine Decke über den Schultern. „Entschuldigung, wer sind Sie?“ Frau Ozora zuckte zusammen und wandte den Blick von ihrem Sohn ab. Jetzt erst bemerkte sie den jungen Arzt, der sich ebenfalls im Raum befand und sie fragend anblickte. „Seine Mutter.“ „Ah, die Polizei hat Sie also erreicht? Entschuldigung, dass Sie erst so spät verständigt wurden, aber....“ Frau Ozora schüttelte den Kopf und schloss die Tür hinter sich, bevor sie zu Tsubasa hinüber ging. Er schien noch gar nicht realisiert zu haben, dass sie angekommen war. Als sie ihm in die Augen blicken konnte, fröstelte sie unwillkürlich. Er reagierte gar nicht, sein Blick ging geradewegs durch sie hindurch. „Sie müssen sich keine Sorgen machen, körperlich ist alles mit ihm in Ordnung.“, begann der Arzt ihre unausgesprochene Frage zu beantworten. „Aber er scheint unter Schock zu stehen.....kein Wunder, meiner Meinung nach. Das Einsatzteam hat ihm vor Ort noch ein ziemlich starkes Beruhigungsmittel gegeben, anders hätten sie ihn anscheinend nicht hierher bekommen. Es hat sie ziemlich viel Kraft gekostet, ihn von dem Mädchen wegzuziehen..... Auf alle Fälle wirkt das Medikament noch, und darum ist er wohl so abwesend.“ Abwesend war nach Meinung von Frau Ozora das absolut falsche Wort – starr schien es besser zu treffen. „Tsubasa.“, meinte sie leise und drehte behutsam sein Gesicht mit den Händen in ihre Richtung, so dass er sie direkt ansehen musste. „Tsubasa, ich bin’s.“ Auf ihre Berührung hin zuckte Tsubasa leicht zusammen, sein Blick flackerte, und er schien sie endlich zu bemerken. Allerdings sprach er nach wie vor kein Wort. Frau Ozora schloss ihn kurzerhand in die Arme. „Keine Angst, Sanae schafft es..... sie schafft es ganz bestimmt.“ Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass der Arzt leise das Zimmer verließ und die Tür hinter sich schloss, kümmerte sich aber nicht darum. „Sie schafft es.“, wiederholte sie eindringlich. „Du wirst sehen.....alles wird wieder gut.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)