Brüder von Mono-chan (das letzte Kapitel ist da) ================================================================================ Kapitel 15: Rot --------------- Am nächsten Morgen wurde Tsubasa wieder früh wach. Er hatte wider Erwarten tief und traumlos geschlafen und fühlte sich daher überraschenderweise relativ gut und ausgeruht. Anscheinend hatte sich sein Körper automatisch das geholt, was er brauchte. Sanae schlief noch, daher nutzte er die Gelegenheit, vor dem Frühstück noch eine Jogging-Runde am Strand zu drehen. Als er zurück kam, fand er seine Familie gemeinsam mit Sanae beim Frühstück vor. Zu seiner Überraschung – wobei, wenn er so darüber nachdachte war es eigentlich keine wirklich große Überraschung – hatte sie Daichi auf dem Schoß, und anscheinend fühlte sich der Kleine pudelwohl. Er nuckelte an seinem Schnuller und war damit beschäftigt, einen Plastiklöffel gegen Sanaes Tasse zu schlagen. Die Geräuschkulisse schien niemanden zu stören. Als Daichi Tsubasa im Türrahmen stehen sah, begann er augenblicklich zu strahlen. „Basa!“ Jetzt wurden auch Sanae und seine Eltern aufmerksam. „Na endlich. Du warst lange weg.“, meinte Sanae halb vorwurfsvoll. „Nicht länger als das letzte Mal, nur hast du da noch geschlafen.“ Tsubasa gab ihr einen kurzen Kuss. „Ich gehe noch kurz duschen und komme dann gleich, ja?“ „Alles klar.“ Sanae lächelte und wurde dann abgelenkt, als Daichi den Löffel so fest gegen die Tasse schlug, dass er ihm aus der Hand fiel. Natürlich begann er zu quengeln, und Tsubasa beeilte sich, die Küche zu verlassen. Anscheinend konnte das größere Dilemma jedoch noch verhindert werden, zumindest war von oben kein Baby-Gebrüll zu hören. Glück gehabt.... Tsubasa holte sich frische Jeans und T-Shirt aus dem Schrank und konnte sich gerade noch einen Blick aus dem Fenster verkneifen. Ab jetzt keine Spielchen mehr, genau wie er es sich gestern vorgenommen hatte! Aber trotzdem....so ganz wurde er das ungute Gefühl, das ihn allein bei der Erinnerung daran überfallen hatte und das er den ganzen Morgen bis jetzt erfolgreich verdrängt hatte, nicht los – auch später nicht, als er beim Frühstück bei den anderen saß. Aber wenigstens gelang es ihm dieses Mal, es nicht so offensichtlich zu zeigen. Daichi sorgte ohnehin für Ablenkung. Anscheinend hatte er Sanae ins Herz geschlossen, und umgekehrt war es genauso. Während des ganzen restlichen Frühstücks saß er weiterhin auf ihrem Schoß, plapperte vor sich hin und machte sich einen Spaß daraus, Sanae alle möglichen Sachen anzubieten – über ein angelutschtes Stück Brot bis hin zu dem kleinen Knautschfußball. Ihre halbherzigen Versuche, die Sachen abzulehnen, sorgten für viel Gelächter. Als Tsubasa sich später an diesem Tag an diese Augenblicke zurück erinnerte, kam es ihm eher wie ein Traum vor, oder wie eine Atempause vor dem endgültigen Absturz. Aber vorerst ahnte er nichts von dem, was noch kommen sollte, und sogar er musste über Daichis eifrige Bemühungen schmunzeln. Die Zeit verging schnell, und eine gute halbe Stunde später verließen Tsubasa und Sanae gemeinsam das Haus. Sie waren mit Taro auf halber Strecke verabredet, die neue Wohnung der Misakis lag sozusagen auf dem Weg. Treffpunkt mit den anderen war der neue Fußballplatz, sie hatten also eine gute Strecke zu laufen, aber es war noch früh und sie hatten noch Zeit. Sanae atmete die frische Morgenluft tief ein und hakte sich dann bei Tsubasa unter. „Ich bin unheimlich gespannt auf den Tag heute – wir waren schon ewig nicht mehr in Toho!“ „Das letzte Mal ist schon ein paar Jahre her, das stimmt.“ Sanae blickte ihn von der Seite an. „Freust du dich auf das Spiel?“ „Sicher, warum sollte ich nicht?“ „Na ja, ich dachte nur, dass....“ Sie brach ab. „Dass ich andere Sachen im Kopf habe?“ Sanae nickte, und es war fast beruhigend zu wissen, dass er sie manchmal genauso gut kannte wie sie ihn. „Ich habe beschlossen, dass es keine Briefe gibt. Zumindest heute nicht.“ „Also willst du wohl auch immer noch nicht zur Polizei, nehme ich an?“ „Nein – davon musst du gar nicht wieder anfangen. Außerdem hätte das Revier heute eh schon geschlossen, wenn wir wieder zurück sind.“ Sanae setzte zu einer Antwort an, gab sich dann aber seufzend und kopfschüttelnd geschlagen. Anscheinend hatte sie auch keine Lust, heute großartig über das Thema zu sprechen und sich davon den Tag vermiesen zu lassen. Sie schwiegen, bis sie schließlich in die Straße einbogen, in der Taro wohnte. Er wartete bereits in einiger Entfernung auf der gegenüberliegenden Straßenseite, hatte sie aber noch nicht bemerkt. „Hey, da ist er ja schon. Klappt ja alles perfekt!“ Sanae löste sich von Tsubasa und winkte, um Taro auf sich aufmerksam zu machen. „Ich hoffe, er steht nicht schon ewig da draußen – wir sind nicht zu spät, oder?“ „Nein, sind wir nicht, glaube ich zumindest....“ Tsubasa wollte einen Blick auf die Uhr werfen, stellte aber fest, das er ausgerechnet heute keine trug. In der nächsten Sekunde überschlugen sich die Ereignisse. Noch während er sein Handy aus der Hosentasche zog, um einen Blick auf das Display zu werfen und so heraus zu finden, ob sie zu spät waren, bemerkte er aus dem Augenwinkel etwas rotes. Er wandte automatisch den Kopf, hörte im selben Moment das Aufheulen eines Motors und Sanaes Stimme, als sie Taros Namen rief. Der rote Blitz schoss an ihm vorbei, der Motor wurde lauter, und bevor Tsubasa auch nur irgendwie reagieren konnte, raste ein roter Opel direkt an ihm vorbei auf Sanae zu. Sie war weitergelaufen und stand jetzt mitten auf der Straße.... Es ging so schnell, dass sie nicht mal schreien konnte. Der Wagen erfaßte sie frontal, es gab ein dumpfes Krachen, als ihr Körper über Motorhaube, Dach und Kofferraum prallte, und ein leises Poltern, als sie schließlich auf der Straße aufschlug. Der Opel raste weiter und verschwand in der Ferne. All das hatte nur wenige Sekunden gedauert. Tsubasa stand am Straßenrand, das Handy immer noch in der Hand, und starrte fassungslos auf die Szene vor sich, auf Sanaes reglose Gestalt, die auf dem Asphalt lag. Langsam bildete sich eine Blutlache. „Sa...nae....?“ *** „Oh verdammt, verdammt, verdammt!“ Frau Ishizacki schrak hoch, als sie aus dem Zimmer ihres Sohnes direkt über der Küche einen Aufschrei und kurz darauf ein dumpfes Poltern hörte. Mit großen Augen starrte sie an die Decke, den Kochlöffel, mit dem sie gerade einen Kuchenteig hatte umrühren wollen, noch in der Hand. Es rumpelte wieder, erneut ein Fluchen, und langsam dämmerte Frau Ishizacki, was da oben vor sich ging. Sie seufzte und widmete sich wieder ihrem Kuchen. Nur wenige Minuten später kam Ryo die Treppe hinunter gerast und rannte an der Küchentür vorbei, mit seiner Sporttasche kämpfend. „Morgen Mama – bin zu spät! Tschüß, Mama!“ Und weg war er. Frau Ishizacki quittierte den überhasteten Aufbruch ihres Sohnes mit einem Augenrollen. „Jeden zweiten Morgen dasselbe Spiel.....“ Während sie den Teig in die Kuchenform füllte, rannte Ryo draußen bereits um die Ecke. Mit einer Hand zerrte er noch den Reissverschluss seiner Tasche zu, gleichzeitig warf er einen Blick auf die Uhr. Bereits Viertel nach zehn – er hatte total verschlafen!! Dabei hatte er doch extra zwei Wecker gestellt – aber vermutlich hätte er den Director's Cut gestern doch nicht mehr anschauen sollen! Wie spät war gewesen, als er eingeschlafen war? Halb zwei, oder halb drei? Er hatte keine Ahnung – auf alle Fälle war er heute morgen auf der Couch vor dem Fernseher aufgewacht und hatte sich beim aufstehen prompt in der Decke verheddert, mit der er es sich gestern gemütlich gemacht hatte. Und jetzt das – hoffentlich warteten die anderen auf ihn! Zumindest hatte er noch keine Drängel- oder SMS auf seinem Handy, das war ein gutes Zeichen – oder ein schlechtes? Waren sie womöglich schon weg? Unwillkürlich beschleunigte Ryo seine Schritte noch mehr – und tatsächlich schaffte er die Strecke zum neuen Fußballplatz in Rekordzeit. Um Punkt halb elf kam er völlig außer Atem dort an – und sah zu seiner Überraschung und zu seiner Erleichterung die Anderen in Gruppen um die Autos herum stehen. „Gott sei dank – sorry für die Verspätung.“ Er ließ seine Sporttasche ins Gras fallen, kaum das er seine Freunde erreicht hatte, und stützte die Hände auf die Knie, um wieder durchatmen zu können. „Wir haben mit nichts anderem gerechnet.“, grinste Izawa. „Was meinst du, warum wir die Abfahrt schon auf zehn gesetzt haben?“ „Hä....?“ Kisui gab ihm einen leichten Stoß gegen die Rippen. „Damit wir pünktlich sind, müssen wir erst in zehn Minuten los.“ Ryo starrte ihn ein paar Sekunden perplex an, dann begann er zu schimpfen, und seine Freunde lachten. „Aber wenn es dich beruhigt, du bist nicht mal der letzte, ausnahmsweise.“ Izawa blickte auf die Uhr. „Tsubasa, Sanae und Taro fehlen noch..“ „Echt jetzt?“ Ryo blinzelte überrascht. „Habt ihr ihnen von dem Trick erzählt?“ „Nein, das wußten nur Taki und ich – und Kojiro, der hat uns den Tipp gegeben, damit du pünktlich bist.“ Ryo warf Izawa einen gespielt hochnäsigen Blick zu, bevor er ernst wurde. „Dann ist es aber komisch, dass sie noch nicht da sind. Habt ihr schon mal versucht, sie auf dem Handy zu erreichen?“ „Ja, aber es geht keiner ran.“ „Komisch.“ „Wir haben uns auch schon gewundert, aber bis jetzt haben wir noch gedacht, dass sie vielleicht mit dir zusammen unterwegs sind.“ „Ne, ich war alleine....“ Ryo runzelte die Stirn und suchte nach seinem eigenen Handy. Wie von Izawa prophezeit, nahmen weder Tsubasa noch Sanae ab. Bei Taro allerdings hatte er Erfolg, und Ryo atmete erleichtert auf. „Na endlich! Hör mal, bist du zufällig mit Tsubasa und Sanae unterwegs? Wir....“ Er brach ab, als Taro am anderen Ende der zu reden begann. Bereits nach wenigen Sekunden wurde er leichenblass. „Was.....?“ An seinem Tonfall hörten auch die anderen, das anscheinend etwas nicht stimmte. Nach und nach verstummten die Gespräche, und alle Augen richteten sich auf Ryo. Das Gespräch dauerte nur noch wenige Sekunden. „Wir kommen hin.“ Das war alles, was Ryo noch sagte, dann legte er sofort auf. Die Anderen sahen ihn verwundert an. „Was ist los?“ Ryo schluckte und brauchte zwei Versuche, bis ihm seine Stimme gehorchte. „Sanae ist überfahren worden.....“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)