Brüder von Mono-chan (das letzte Kapitel ist da) ================================================================================ Kapitel 7: Eigentor ------------------- Als sie eine Stunde später auf dem Weg zum Fußballplatz waren, gelang es Tsubasa, den Anblick der Kellertür fast wieder zu vergessen, auch wenn sie noch als blasses Abbild in seinem Kopf herum spukte. Die Sonne schien, es war angenehm warm, und erst in diesem Moment fühlte er sich zum ersten Mal seit gestern abend wieder richtig zuhause. Sogar die Luft roch danach. „Und?“, riss ihn Sanaes Stimme aus seinen Gedanken, während sie seine Hand fasste. „Hab ich zuviel versprochen? Alles beim Alten.“ „Ja, das kann man wohl sagen. Tut gut, wieder hier zu sein.“ Sanae blickte ihn aus den Augenwinkeln an. „Weißt du eigentlich schon, wie lange du bleiben willst? Urlaub hast du ja ziemlich lange.“ „Nein, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Wir sind ja gerade erst angekommen, und....“ Er brach ab. Sanae grinste. „Und jetzt ist Daichi da, richtig? Wußte ich doch, dass du den Kleinen schon ins Herz geschlossen hast.“ „Davon habe ich kein Wort gesagt!“ „Aber du hast es gedacht!“ „Habe ich nicht!“ „Oh doch!“ „Sanae, lass das!“ „Schon gut.“ Sanae blickte unschuldig in eine andere Richtung, und ein paar Sekunden herrschte Schweigen. „Na ja, er kann schließlich nichts für die ganze Sache....“, musste Tsubasa dann schließlich zugeben. „Aber das heißt nicht, dass ihn ins Herz geschlossen habe!“ „Schon klar. Aber ich denke, du glaubst, dass er eine Chance verdient, oder?“ Tsubasa schwieg, und für Sanae war das Antwort genug. Sie schmunzelte und schwieg ebenfalls. Als sie den Fußballplatz erreichten, war nach wie vor niemand da. Das Feld lag still und verlassen vor ihnen. „Die Anderen lassen sich Zeit.“, stellte Sanae fest. „Hoffentlich spielen sie hier wirklich noch – gegen Abend scheinen ja immer Kinder da zu sein.“ „Warten wir einfach eine Weile, wir werden sie schon finden.“ Tsubasa ließ ihre Hand los und ging den kleinen Hügel hinunter auf den Rasen. Hier hatte sich wirklich absolut nichts verändert – nicht mal die Tore waren neu gestrichen worden. Hier hatte alles angefangen. Er strich mit der Hand über den Torpfosten. Kaum zu glauben, dass die Begegnung mit seinen Freunden schon so lange her war – wie lange eigentlich? Acht Jahre? Neun? Seitdem hatte sich so viel geändert..... Wieder flackerte das Bild der Kellertür in seinem Kopf auf, aber er verdrängte es schnell wieder. Und just in diesem Moment ertönte ein überraschter Schrei. „Das gibt’s nicht!!!“ Diese Stimme kannte er ganz genau. Als er sich umwandte, sah er gerade noch, wie Ryo Sanae oben auf dem Radweg so stürmisch umarmte, dass sie beinahe umgeworfen wurde. „Das gibt’s nicht, das gibt’s nicht, das gibt’s nicht!!! Was machst du hier?! Heißt das.....?“ Er brach ab und blickte sich um. In der nächsten Sekunde ließ er Sanae los, die immer noch leicht nach Luft schnappte, und rannte den Hügel hinunter. „Tsubasa.....uah!!!“ Tsubasa hatte gerade noch Zeit, zur Seite auszuweichen, dann sauste Ryo von seinem eigenen Schwung ungebremst an ihm vorbei und landete im Netz. „Aua!!“ Tsubasa musste sich schwer zusammenreißen, um nicht zu lachen, während Ryo schimpfend versuchte, sich aus dem Tornetz zu entwirren. „So... ein....verdammter.....doofes Tor!!“ „Du hast dich nicht wirklich verändert.“, meinte Tsubasa grinsend und packte Ryo am Arm. „Komm, ich helf dir.“ „Danke.“ Als Ryo wieder auf den Beinen stand, atmete er erst mal tief durch, dann strahlte er Tsubasa an und machte Anstalten, ihn genauso stürmisch zu umarmen wie Sanae einige Minuten zuvor. Der hatte jedoch noch genau im Kopf, wie sehr Sanae nach Luft geschnappt hatte, und hob abwehrend die Hände. „Stop! Lass mich bitte leben, okay?“, meinte er nach wie vor grinsend. Ryo ließ tatsächlich von seinem Plan ab, strahlte jedoch nach wie vor bis über beide Ohren. „Was machst du hier?! Wir dachten, du kommst erst nächste Woche!!! Warum hast du nichts gesagt?!“ „Weil wir euch überraschen wollten.“ „Das ist euch gelungen!! Wahnsinn, dass ihr schon hier seid, ich glaub's gar nicht.... Die anderen werden Augen machen!!“ „Apropos, wo sind sie eigentlich? Trainieren sie nicht mehr hier?“ „Doch, aber heute nicht.“ Ryo grinste. „Gut, dass ihr mich getroffen habt! Wir haben heute nämlich ein Freundschaftsspiel – genau genommen bist du genau richtig angekommen!“ „Ein Freundschaftsspiel?“ Tsubasa blinzelte verdutzt. „Gegen wen?“ Ryo grinste noch breiter. „Rate mal. Komm mit, die Anderen warten sicher schon, ich bin schon spät dran!“ „Wie immer.“ „Ha ha.“ Ryo schritt hoch erhobenen Hauptes voran, und Tsubasa musste sich erneut das Lachen verkneifen. Hier hatte sich wirklich nichts verändert. Auch Sanae, die alles vom Radweg aus beobachtet hatte, grinste ebenfalls bis über beide Ohren. „Ich glaube, du hast dem Begriff „Eigentor“ gerade eine ganz neue Bedeutung gegeben, Ryo.“ „Na toll.“ Ryo verzog in gespielter Entrüstung das Gesicht. „Immer auf mich! Du hast dich auch nicht verändert!“ „Tut mir leid, aber wenn du es herausforderst.....“ Ryo blickte hilfesuchend zu Tsubasa hinüber, aber der zuckte nur lächelnd mit den Schultern. „Wo sie recht hat, hat sie recht....“ „Verräter!“ „Hattest du eigentlich nicht gesagt, dass du zu spät kommst?“ „Ja ja, schon gut.“ Ryo seufzte theatralisch und ging voraus. Der Fußballplatz, auf den Ryo sie jetzt führte, lag außerhalb Nankatsus. Tsubasa kannte ihn nicht, anscheinend war er in den letzten fünf Jahren neu angelegt worden. „Der ist für alle Mannschaften in der Gegend gemeinsam.“, erklärte Ryo auf dem Weg, als hätte er Tsubasas Gedanken erraten. „Wer spielen will, muss offiziell einen Antrag stellen, aber das haben wir dieses Mal nicht, um die Tageszeit ist eh kein Schwein da.“ „Dann wird er wahrscheinlich nichts fürs Training genutzt, oder?“ „Nein, nicht wirklich, dazu ist der ganze Bürokram viel zu umständlich. Ich meine, der Platz ist toll, aber...na ja, ich glaube der alte hat für uns mehr Erinnerungswert. Und es ist eben viel unkomplizierter. Meistens geht ne halbe Stunde vor dem Training ein Rundruf rum, und wer Zeit hat, kommt. Und die anderen Mannschaften halten es in ihren Dörfern genauso, die suchen sich auch irgendeinen anderen Platz bei sich zuhause. Aber für Freundschaftsspiele ist es perfekt.“ „Und warum hat man das Feld ausgerechnet hier bei uns in der Nähe angelegt?“, mischte sich Sanae ein. „Das ist für die anderen doch ziemlich umständlich.“ Ryo schmunzelte. „Kannst du dir nicht denken, wem wir das zu verdanken haben?“ Er schlug Tsubasa auf die Schulter, und der blickte ihn ungläubig an. „Was hab ich denn damit zu tun?“ „Du bist der erste von unserer Altersklasse, der es ins Ausland geschafft hat – na ja, Genzo abgesehen, aber ich glaube, er ist schon zu lange weg, und ja auch quasi mit seinem Trainer umgezogen. Bei dir war das was anderes, du hast die brasilianischen Trainer ja schon von Japan aus überzeugt. Tja, und da ist Nankatsu natürlich stolz drauf und schlachtet das aus. Ergebnis: ein nagelneues Fußballfeld. Na ja, ganz so nagelneu nicht mehr, ich glaube drei Jahre gibt’s das jetzt auch schon. Aber wie gesagt, am liebsten sind wir immer noch auf dem alten Platz. Da hängen einfach zu viele Erinnerungen dran.“ „Auf dem Schulplatz spielt ihr nicht mehr?“ „Nein, außer die jetzige Mannschaft bittet uns um Trainingsunterstützung, das kommt aber auch nicht oft vor. Und was ist mit dir? Wie läufts in Brasilien? Wie lange kannst du bleiben?“ Diese Fragen würden wohl leider noch oft gestellt werden – besser, Tsubasa gewöhnte sich jetzt gleich daran. „Es läuft ganz gut. Im Moment gibt es Diskussionen, dass ich in die Stammmannschaft aufgenommen werden soll, Roberto verhandelt da gerade mit den entsprechenden Leuten.“ „Wow, klasse!! War aber auch nur ne Frage der Zeit.“, meinte Ryo zufrieden. „Alles andere hätte uns da ziemlich schockiert! Dann kannst du wahrscheinlich auch nicht allzu lange bleiben, oder?“ „Doch, Roberto hat mich für die nächsten zwei Monate von allen Spielen frei gestellt. Ein paar Wochen bin ich sicher da, aber wie lange genau, weiß ich noch nicht.“ „Er kann dich wirklich so lange entbehren? Hätte ich nicht gedacht.“ Tsubasa musste lächeln. „Na ja, es ist immerhin mein erster Urlaub seit fünf Jahren. Und noch bin ich kein Stammspieler.“ „Stimmt auch wieder. Und umso besser für uns.“ Ryo grinste. „Dann können wir endlich wieder ausgiebig zusammen spielen. Ich bin gespannt, wie gut du geworden bist! Aber ich sags dir gleich, wir haben auch nicht gefaulenzt in der letzten Zeit.“ „Was anders hätte ich auch nicht erwartet.“ „Wie weit ist es noch?“, wollte Sanae wissen. „Nicht mehr weit, wir habens fast. Normalerweise nehmen wir die Fahrräder oder bilden Fahrgemeinschaften, aber ich....“ „....war zu spät dran.“, vollendete Sanae grinsend den Satz, und Ryo blickte hoheitsvoll in die andere Richtung. Tsubasa unterdrückte ein Lachen. Kein Zweifel, er war wirklich wieder zuhause. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)