Brüder von Mono-chan (das letzte Kapitel ist da) ================================================================================ Kapitel 6: Scherben ------------------- Wieder einmal war es Daichi, der sie beide hochschrecken ließ, und wieder einmal beschwerte er sich darüber ,dass die nächste Reis-Ladung so lange auf sich warten ließ. Er quengelte lautstark und setzte gerade dazu an, seinen kleinen Kinderstuhl-Tisch erneut zu einer Trommel zu machen. „Schon gut.“ Sanae ließ sich – dieses Mal leicht widerstrebend – wieder auf ihrem Platz nieder und fuhr damit fort, ihn zu füttern. Tsubasa beobachtete sie stumm. „Er hat auf alle Fälle einen gesunden Appetit.“, stellte Sanae schließlich nach mehreren Minuten schweigen fest, in denen sich Daichi zufrieden Löffel um Löffel in den Mund schieben ließ. „Ja, das sieht man. Hoffentlich wird er nach dem Essen wenigstens müde und schläft.“ „Dazu wird es wohl noch etwas zu früh sein. Aber vielleicht sind deine Eltern ja auch bald wieder da. Ich denke, wenn wir uns noch ein bisschen Zeit nehmen und mit ihm spielen, geht die Zeit sicher schnell vorbei.“ Tsubasa nickte nur und zog es erneut vor, zu schweigen. Unwillkürlich blieb sein Blick auf dem kleinen Knautschfußball hängen, der mittlerweile achtlos auf dem Boden lag. Mit Daichi spielen..... Endlich hatte sein kleiner Bruder genug. Er verweigerte den nächsten Löffel und blickte sich mit neuer Energie in der Küche um. Schließlich kam, was kommen mußte: Er streckte die Hände nach Tsubasa aus. „Basa!“ Sanae schmunzelte. „Tja, du wirst wohl nicht drum herum kommen.....“ Sie stellte den fast leeren Teller beiseite. Tsubasa seufzte, dann faßte er Daichi mehr oder weniger freiwillig unter den Armen und hob ihn hoch. Als er ihn jedoch wieder auf den Boden stellen wollte, begann der Kleine augenblicklich zu schreien, so dass er ihn gezwungermaßen auf dem Arm behielt. „Und jetzt?“ Sanae lächelte wieder. „Jetzt hast du ihn auf dem Arm.“ „Ja, das sehe ich – aber wie werde ich ihn wieder los?“ „Das solltest du Daichi fragen, nicht mich.“ Tsubasa blickte ratlos auf seinen kleinen Bruder hinab, der sich mittlerweile zufrieden an ihn kuschelte. Seine Chancen sanken rapide. Sanae dachte wohl dasselbe und lächelte immer noch. „Gegenwehr ist zwecklos, wenn ich mir Daichi so ansehe.“ Tsubasa verkniff sich einen Kommentar, statt dessen setzte er sich und behielt den Kleinen auf dem Schoss. Daichi machte es sich dort sofort bequem und strahlte jetzt bis über beide Ohren. Na ja, wenigstens einer war zufrieden – zwei, wenn man Sanae mitzählte. Wenigstens gab sein Bruder jetzt Ruhe, und sie hatten jetzt selber Zeit zum Essen. „Willst du die Anderen eigentlich beim Fußballplatz abpassen?“, griff Sanae den früheren Gesprächsfaden wieder auf. „Ja, ich denke das ist am einfachsten, da dürften fast alle da sein.“ „Ich freu mich schon auf ihre Gesichter.“ „Nicht nur du....“ Mit Sanaes Unterstützung wurde das Babysitten um einiges einfacher, als Tsubasa es sich vorgestellt hatte. Daichi beschäftigte sich die meiste Zeit auf dem Wohnzimmerboden mit seinem neuen Knautschfußball und war anscheinend rundum zufrieden, solange Tsubasa in der Nähe war. Also konnte er es sich mit Sanae auf dem Sofa gemütlich machen und sich die Zeit mit einem guten Film vertreiben. Gegen zwei schlief Daichi schließlich auf dem Fußboden ein, und zu Tsubasas Erleichterung übernahm es Sanae, den Kleinen in sein Bett zu bringen. Er folgte in sicherem Abstand. Gerade, als sie wieder zurück kamen, wurde die Haustür aufgeschlossen. Seine Eltern kamen nach Hause. Beide waren mit Einkaufstüten bepackt und zumindest seine Mutter wirkte gut gelaunt. „So, da sind wir wieder. Oh, hallo Sanae! Schön dich zu sehen, wie geht’s dir?“ „Gut, danke.“ „Bist du gut zurecht gekommen?, wandte sich Herr Ozora indessen an seinen Sohn. „Wo ist Daichi?“ „Er schläft. Und ja, ich bin gut zurecht gekommen, dank Sanae. Aber wenn ich das nächste Mal babysitten soll – was hoffentlich nicht so bald sein wird – wäre ich euch dankbar, wenn ihr mir das sagen könnt, wenn ich wach bin!“ „Versprochen.“, versicherte seine Mutter lächelnd und ging an ihm vorbei, um nach ihrem Jüngsten zu sehen. „Habt ihr schon was gegessen?“ Herr Ozora lud die Einkaufstüten auf dem Küchentisch ab. „Ja, aber nicht allzu viel.“ „Wir haben Kuchen mitgebracht.“, mischte sich seine Frau ein, die gerade aus dem Kinderzimmer zurück kam. „Wenn ihr wollt, können wir uns noch gemütlich zusammen setzen.“ „Na ja....“ Tsubasa blickte Sanae zögernd an. „Eigentlich wollten wir bald los Richtung Fußballplatz....“ „Da ist noch niemand, wir sind gerade dran vorbei gefahren. Es ist auch noch etwas früh, ich glaube die meisten kommen erst so gegen drei.“ Sanae lächelte. „Dann hätte ich persönlich nichts gegen ein Stück Kuchen.“ Frau Ozora begann zu strahlen. „Wunderbar! Dann decke ich mal den Tisch im Wohnzimmer.“ Und schon war sie verschwunden. „Ich schau mal, ob ich helfen kann.“ Sanae gab Tsubasa einen flüchtigen Kuss, bevor sie sich ebenfalls auf den Weg machte. „Wann bist du heute abend zurück?“, wandte sich Herr Ozora an seinen Sohn. Tsubasa zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Warum?“ „Würde es dir etwas ausmachen, so um sieben hier zu sein?“ „Um sieben?“ Tsubasa runzelte verwundert die Stirn. „Wieso das denn?“ „Das wirst du dann schon sehen.“ Jetzt wurde Tsubasa misstrauisch. „Hey, du erinnerst dich doch noch an die Abmachung von gestern, oder? Keine Überraschungen mehr!“ Sein Vater musste lachen. „Keine Sorge, die hier wird dir gefallen. Also um sieben?“ Tsubasa seufzte ergeben. „Meinetwegen.....ich versuch's. Aber wehe, ihr setzt mir noch mehr Kleinkinder vor die Nase.“ „Da kannst du völlig unbesorgt sein.“ In diesem Moment klirrte es, und seine Mutter quietschte erschrocken auf. „Oh, verdammt! So was dummes aber auch.....“ Tsubasa und Herr Ozora tauschten einen erschrockenen Blick, dann liefen sie ins Wohnzimmer hinüber. Dort erwartete sie ein beinahe komisches Bild: seine Mutter kniete gemeinsam mit Sanae auf dem Boden, und beide waren damit beschäftigt, die Scherben der Kaffeekanne aufzulesen. „Was ist denn hier passiert?“ „Nichts besonderes.“ Frau Ozora seufzte. „Mir ist die Kanne abgerutscht – zum Glück war sie noch leer. Wir müssen nur aufpassen, dass wir alle Scherben erwischen – nachher krabbelt Daichi wieder hier rum. Tsubasa, könntest du kurz den Handsauger holen?“ „Ja, klar.“ Tsubasa wandte sich um und ging in die Küche zurück, während sein Vater beim Aufsammeln der Scherben half. Das ging ja auch wieder gut los – aber wenigstens war Daichi nicht wach geworden von dem Lärm. Er öffnete den Schrank – und stutzte. Hier war der Handsauger früher immer gewesen, aber anscheinend hatte seine Mutter umgeräumt. Etwas ratlos blickte er sich um, dann öffnete er schließlich eine Schranktür nach der anderen, ohne Erfolg. Kein Handsauger. Als ihm bewußt wurde, was jetzt als einziges noch übrig blieb, erstarrte er leicht. Langsam wandte er sich um, und sein Blick blieb an der Kelletür hängen. Seit er direkt nach seiner Entlassnung aus dem Krankenhaus noch einmal von Kenji hier im Haus überrascht und eingesperrt worden war, war er nicht mehr da unten gewesen. „Tsubasa? Wo bleibst du denn?“ Sein Vater betrat die Küche. Als er den Gesichtsausdruck seines Sohnes sah und bemerkte, worauf sein Blick gerichtet war, verschloss sich seine Miene ebenfalls. Er legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte sie kurz. „Entschuldige.“ Ohne ein weiteres Wort ging er an Tsubasa vorbei, öffnete die Kellertür und stieg die Treppe nach unten. Tsubasas Hände ballten sich zu Fäusten, dann wandte er sich um. Sanae und seine Mutter hatten gerade die letzten großen Scherben aufgesammelt. „Papa holt den Handsauger.“ Etwas am Klang seiner Stimme ließ Sanae aufblicken, und auf Frau Ozora hob den Kopf. In dem Moment, als sie ihn ansah, schien ihr bewußt zu werden, um was sie Tsubasa gebeten hatte, und ihre Miene wurde schuldbewußt. Aber sie sagte nichts, und dafür war er ihr dankbar. Stumm hob sie die Scherben auf und trug sie in den Müll. Auch Sanae erhob sich. „Alles in Ordnung?“, wollte sie gedämpft wissen, damit seine Eltern nichts mitbekamen. „Ja.“ Mehr sagte Tsubasa nicht, und auch als Herr und Frau Ozora wieder aus der Küche zurück kamen und sie kurze Zeit später gemeinsam am Wohnzimmertisch saßen, wurde das Thema nicht mehr angesprochen. Keiner von ihnen bemerkte den Schatten, der am Fenster vorbei huschte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)