Brüder von Mono-chan (das letzte Kapitel ist da) ================================================================================ Kapitel 5: Annäherung --------------------- Sanae brauchte fast eine Stunde. Eine Stunde, die für Tsubasa zur nervlichen Zerreißprobe wurde, denn sein kleiner Bruder dachte gar nicht daran, mit dem Weinen wieder aufzuhören. Als Sanae endlich klingelte, wünschte er sich schon fast, in Brasilien geblieben zu sein. „Wo warst du denn so lange?“ „Keine Panik.“ Sanae schob sich an ihm vorbei. „Ich hab auf dem Weg hierher nur noch eine Kleinigkeit besorgt.“ „Du warst noch EINKAUFEN?“ Sanae verkniff sich ein Lächeln. „Wo ist der Kleine denn?“ „Gästezimmer. Immer dem Lärm nach.“ „Kommst du nicht mit?“ „Keine zehn Pferde kriegen mich wieder da rein! Meine Ohren sind schon genug strapaziert....“ Sanae rollte nur mit den Augen, dann ging sie beherzt Richtung Kinderzimmer, ihre Handtasche unter dem Arm. Als sie die Tür öffnete, wurde Daichis bisher gedämpftes Gebrüll um einiges lauter – und verstummte wenige Sekunden später. Tsubasa traute seinen Ohren kaum. Als es weiterhin ruhig blieb, näherte er sich dem Raum mit gebotener Vorsicht. Sanae lächelte ihn triumphierend an. Sie hatte Daichi auf dem Arm, der mit leuchtenden Augen mit einem kleinen Knautsch-Fußball spielte. Keine Spur mehr von Quengeln, Brüllen und Weinen. „Wie hast du das denn gemacht?“, wollte Tsubasa verdattert wissen. „Was meinst du, was ich eingekauft habe?“ Sanae deutete mit dem Kopf auf dem Knautsch-Ball. „Und woher wusstest du....?“ „Ich wusste gar nichts. Ich habe mir nur überlegt, wie man dich als Kind in so einer Situation am besten ruhig bekommen hätte.“ Tsubasa starrte sie jetzt so entgeistert an, dass Sanae lachen musste. „Jetzt schau nicht so! Ist die Vorstellung so abwegig?“ „Nein, dass ist es ja gerade.....“ Sanae kicherte. „Tja, anscheinend seid ihr beide euch doch ähnlicher, als du denkst.“ Sie blickte zwischen Tsubasa und Daichi hin und her. „Optisch auf alle Fälle.“ „Wie bitte?!“ „Stimmt doch. Dieselben Augen und dieselbe Nase, eindeutig.“ Tsubasa gewann nur mit Mühe seine Fassung wieder. „Hör auf damit....“ Sanae schmunzelte und setzte Daichi auf den Fußboden, der sich nicht darum kümmerte und weiter mit seinem neuen Spielzeug spielte. „Also, ich weiß nicht wie’s dir geht, aber ich hab Hunger – und wie ich dich kenne, hast du bei dem ganzen Streß hier auch noch nichts gefrühstückt. Ich mach uns was zu essen, ja?“ Sie gab ihm im Vorbei gehen einen Kuss und war im nächsten Moment in der Küche verschwunden. Tsubasa sah ihr immer noch perplex hinterher und zuckte zusammen, als etwas seinen Fuß berührte. Der Knautsch-Ball. Daichi hatte die Kontrolle darüber verloren und blickte jetzt erst mit großen Augen auf das Spielzeug und dann zu seinem großen Bruder. Tsubasa zögerte, dann gab er dem Ball schließlich einen kleinen Stups, so dass er zu Daichi zurück kullerte. Der Kleine quietschte begeistert und stürzte sich sofort darauf, mit dem Ergebnis, dass der Fußball unter seinen Händen wegrutschte und durch das Zimmer hüpfte. Daichi machte so ein verdutztes Gesicht, dass Tsubasa wider Willen lachen musste. „So funktioniert das nicht.“, meinte er mit einem leichten Grinsen und ging in die Hocke. „Das musst du noch üben. Aber in deinem Alter habe ich mich wahrscheinlich auch nicht wesentlich geschickter angestellt.“ Daichi blickte ihn mit großen Augen an, dann machte er sich daran, den Ball zu verfolgen. Hartnäckig war er jedenfalls...... Es dauerte mehrere Minuten, bis er es geschafft hatte, den Fußball wieder mit seinen Händen zu greifen. Zufrieden ließ er sich damit auf den Hintern fallen und strahlte seinen Bruder stolz an. „Na ja.“ Tsubasa verkniff sich ein Lachen. „Handspiel, aber ansonsten ganz in Ordnung.“ Er richtete sich wieder auf. Ob er es riskieren konnte, Daichi hier alleine sitzen zu lassen? Eigentlich würde er lieber in die Küche zu Sanae, aber nach dem Desaster heute morgen....? Daichi nahm ihm die Entscheidung ab. Er rappelte sich auf, ließ den Ball achtlos liegen, bevor er zu Tsubasa hinüber wackelte und sich an seinem Bein fest klammerte. „Hey! Was soll das denn werden, wenn’s fertig ist?“ „Basa nicht weg! Basa spielen!“ „Du kannst gut alleine spielen, das hast du gerade gezeigt! Also mach nicht so ein Theater.....“ Daichi zog einen Schmollmund und bekam verdächtig feuchte Augen. Oh oh....alles, nur nicht wieder dieses Gebrüll. „Okay, okay, schon gut. Hol den Ball und komm mit. Aber du läufst selber, verstanden?“ Daichi hatte anscheinend nur zu gut verstanden. Er begann sofort wieder zu strahlen und wuselte zurück, um den kleinen Ball zu holen. Tsubasa bekam den Verdacht, dass der Kleine es faustdick hinter den Ohren hatte und genau wusste, wie er seinen Willen bekam. Nun ja, jetzt war es nicht mehr zu ändern. Immerhin war Daichi so brav, dass er wirklich ohne weiteres Quengeln vor Tsubasa her in die Küche lief. Sanae war anscheinend gerade damit fertig geworden, etwas zu essen zu machen, sie stellte eine Schüssel Reis auf den Tisch und blickte auf, als die Beiden den Raum betraten. „Und? Ist er jetzt brav?“, wollte sie lächelnd wissen. „Mehr oder weniger. Er hat mich erpresst. Aber von deinem Geschenk ist er sehr begeistert.“ „Dachte ich mir.“ „Was? Das er begeistert ist, oder dass er mich erpresst hat?“ „Beides.“ „Hey!“ Sanae kicherte, dann wurde sie ernst. „Du bist mir doch hoffentlich nicht böse, dass ich gestern abgesagt habe, oder?“ Tsubasa schüttelte den Kopf. „Unsinn. Ich habe es vorher schon geahnt....aber du hättest das nicht tun müssen.“ Er wurde abgelenkt, als Daichi ungeduldig an ihm hoch hüpfte um seine Hand fassen zu können. Sanae musste lachen. „Daichi hat dich auf alle Fälle schon ins Herz geschlossen.“ „Ja, ich merk’s. Ich weiß nur noch nicht so wirklich ob mir das gefällt.“ Daichi begann wieder zu quengeln und hüpfte immer noch ungeduldig auf der Stelle, so dass Tsubasa ihn schließlich mehr oder weniger freiwillig hoch hob und in den Kinderhochstuhl setzte, den Sanae bereits an den Tisch gestellt hatte. Das gefiel dem Kleinen natürlich noch weniger, er begann erneut zu weinen. „Nicht schon wieder....“ „Nur keine Panik. Hat deine Mutter irgendwas zu essen für ihn vorbereitet?“ „Ja, es müsste im Kühlschrank sein. Glaube ich....“ „Wo sind deine Eltern denn überhaupt?“, wollte Sanae wissen, während sie die Kühlschranktür öffnete. Tsubasa zuckte mit den Schultern und drückte Daichi wieder den kleinen Knautschball in die Hand, was dieses Mal allerdings nicht viel half. „Keine Ahnung. Ich glaube, in die Stadt irgendwas besorgen.....“ „Haben sie dir nicht Bescheid gesagt?“ „Doch, aber meine Mutter hat sich nicht darum gekümmert, ob ich wach bin oder nicht, als sie mir das alles gesagt hat. Ansonsten hätte ich sicher nicht den Babysitter gespielt....“ Sanae lächelte nur und stellte Daichis Essen in die Mikrowelle. „Holst du schon mal Teller?“ „Du bist sicher dass essen hilft?“ „Uns auf alle Fälle.“ Tsubasa musste lachen. „Das meinte ich nicht.“ „Ich weiß. Vertrau mir, Daichi hat sicher auch Hunger. Es ist schließlich Mittagszeit.“ “Wenn du meinst.....“ Sanae behielt recht. Als sie sich wenige Minuten später mit dem warm gemachten Essen neben Daichi setzte und ihm den ersten gefüllten Löffel hin hielt, schien er noch kurz zu zögern, entschied sich dann aber, das Weinen bis auf ein letztes Schniefen einzustellen und sich statt dessen dem Reis zu widmen. Zum Glück.... „Siehst du.“ Sanae lächelte Tsubasa triumphierend an. „So schwer ist das gar nicht. Willst du ihn füttern?“ „Warum, du machst das doch super.“ Sanae rollte mit den Augen, beließ es aber dabei. „Wann sind deine Eltern wieder zurück?“ „Ich hoffe bald....ich habe keine Lust, den ganzen Tag hier babysitten zu müssen. Ich denke es wird sich auch bald rum sprechen, dass wir wieder da sind, und ich würde die anderen gerne vorher treffen – bevor sie es von irgendwelchen Leuten hören.“ Sanae nickte. „Meinst du, sie trainieren heute Mittag wie immer?“ „Ja, ich denke schon – Ryo hat das in den Briefen zumindest erzählt. Wenn sie Zeit haben, spielen sie immer noch auf dem alten Fußballplatz.“ „Yukari hat mich gestern übrigens noch dahin gefahren.“ Sanae lächelte. „Viel verändert hat sich nicht wirklich.“ „Was sollte sich an einem Fußballplatz schon großartig verändern?“ „Genau das hat Yukari auch gesagt. Aber es war ein komisches Gefühl, die kleinen Kinder zu sehen, die da gespielt haben. Ich glaube, sie waren jünger als ihr damals. Du erinnerst dich noch an das Spiel gegen Genzo, oder?“ „Klar, wie könnte ich das vergessen? Ohne dieses Spiel wäre ich auf der Shutetsu-Schule gelandet.“ „Und einer unserer Erzfeinde geworden.“ „Sozusagen.“ Tsubasa lächelte. „Wobei sich die ganze Fehde ja dann schließlich aufgelöst hat, als die Mannschaften zusammen gelegt worden sind.“ „Zum Glück. Hast du eigentlich wieder mal was von Genzo gehört?“ Tsubasa schüttelte den Kopf. „Nein, und von Taro auch nicht die letzten Monate.“ „Ich würde die beiden gerne wiedersehen.“ „Nicht nur du. Hast du mit Yukari noch was unternommen gestern? Abgesehen von dem Kurzausflug zum Fußballplatz, meine ich......“ „Nichts großartiges, wir sind noch zusammen gesessen bis meine Eltern wieder daheim waren, mehr nicht.“ Sanae wurde ernst. „Tsubasa, noch mal wegen gestern....“ „Ich weiß schon, vergiß es. Ich nehme dir nicht übel dass du abgesagt hast. Natürlich wäre es schön gewesen, wenn du da gewesen wärst, aber ich kann dich verstehen.“ „Wie bist du denn zurecht gekommen?“ „Es ging. Die Situation war eben – ungewohnt. Und ich finde es immer noch nicht lustig, dass sie mir plötzlich aus dem Nichts einen Bruder vor die Nase setzen.....“ „Sie haben es sicher nicht böse gemeint.“ „Nein, das glaube ich auch nicht, aber....“ Tsubasas brach ab, und Sanae musterte ihn aufmerksam, ohne mit dem Füttern aufzuhören. „Was?“ Tsubasa zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, ich weiß nicht wie ich das erklären soll. Es ist auf alle Fälle kein besonders tolles Gefühl. Besonders als mein Vater mir eröffnet hat, dass er ab jetzt im Innendienst arbeiten will.“ Sanae blickte ihn ungläubig an. „Wie bitte? Warum?“ „Rate mal.“ Nach ein paar Sekunden richtete Sanae ihren Blick auf Daichi. „Wegen....?“ „Exakt. Er hat mir zwar noch lang und breit erklärt dass es ihm eher darum geht mich noch ab und zu zu Gesicht zu kriegen, aber ausschlaggebend war das sicher nicht.“ Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann stellte Sanae den halb leeren Teller auf dem Tisch ab, ging zu Tsubasa hinüber und nahm ihn ohne ein weiteres Wort in den Arm. Es dauerte nicht lange, bis er die Umarmung erwiderte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)