Brüder von Mono-chan (das letzte Kapitel ist da) ================================================================================ Kapitel 40: Rückblick --------------------- Sechs Tage zuvor…. Stau. Seit 20 Minuten hatte sich die kilometerlange Schlange nicht einen Meter vorwärts bewegt. Herr Ozora starrte geradeaus, auf die roten Rücklichter des LKWs direkt vor ihm, seine Hände so fest um das Lenkrad gekrampft dass seine Knöchel weiß hervortraten. Seine Frau auf dem Beifahrersitz versuchte bereits zum zehnten Mal, jemanden in der Klinik ans Telefon zu bekommen, vergeblich. „Besetzt.“, meinte sie tonlos und starrte auf das Display des Telefons. „Ich verstehe das nicht. Warum ist da ständig besetzt? Irgendjemand muss uns doch sagen….“ Sie brach ab, und Herr Ozora warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. Sie war kreidebleich, hatte aber nicht geweint. Der Anruf des Polizisten hatte sie mitten beim Dessert auf der Geburtstagsfeier erreicht. Ein Herr Yamamoto, der ihnen nüchtern verkündet hatte, dass ihre beiden Söhne in die chirurgische Spezialklinik in Tokyo eingeliefert worden waren. Ein Unbekannter hatte direkt durch das Wohnzimmerfenster geschossen und Tsubasa im unteren Bauchbereich getroffen. Er wurde bereits notoperiert, sein Zustand war äußerst kritisch. Ein Nachbar hatte den Schuss gehört und Polizei sowie Notarzt alarmiert. Daichi ging es den Umständen entsprechend anscheinend gut, er hatte nur eine Schramme an der Wange, möglicherweise von einem Glassplitter, als der Schuss durchs Fenster geschlagen war, aber da man ihn auch schlecht alleine im Haus hatte lassen können und Vorsicht besser war als Nachsicht, hatten sie ihn kurzerhand gemeinsam mit Tsubasa im Rettungshubschrauber in die Klinik nach Tokyo gebracht. Dieser Anruf war eine gute halbe Stunde her. Seitdem versuchte Frau Ozora ununterbrochen, besagtes Krankenhaus zu erreichen, um mehr über den Zustand ihrer Söhne herauszufinden, ohne Erfolg – während Herr Ozora das Lenkrad umklammerte und die Autos vor sich anstarrte. „Ich verstehe das immer noch nicht.“, meinte seine Frau leicht erstickt. „Ich meine, warum war Daichi im Wohnzimmer? Ich hab ihn doch ins Bett gebracht! Und wo sind Taro und Kojiro? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie…. Ich dachte, sie bleiben, bis wir wieder da sind…..“ Herr Ozora zuckte hilflos mit den Schultern. Dieselbe Frage stellte er sich auch wieder und wieder. Leider gab es keine Möglichkeit, mit den beiden Kontakt aufzunehmen, sie hatten keine Handy-Nummern. Frau Ozora begann jetzt doch zu weinen, stumme Tränen liefen ihr die Wangen hinunter. „Wir hätten nicht auf diesen dämlichen Geburtstag gehen sollen….“ Auch dieser Gedanke drehte sich wieder und wieder in Herrn Ozoras Kopf. Er fasste die Hand seiner Frau und drückte sie leicht. Die Autos rückten immer noch keinen Millimeter vorwärts. Just in diesem Moment klingelte das Handy, und das unerwartete Geräusch ließ beide zusammenzucken. Nach der ersten Schrecksekunde tastete seine Frau fahrig nach dem richtigen Knopf und nahm ab. „Ja?“ Ihre Augen weiteten sich. „Was….?“ Sie stockte und blickte ihren Mann an, der sie gespannt und besorgt anstarrte. „Moment.“ Sie nahm das Telefon vom Ohr und stellte es auf laut. Jetzt war Ryos Stimme im ganzen Auto zu hören. „Sorry für die Störung, ich hoffe ich platze nicht mitten in die Feier….“ „Wir sind schon lange nicht mehr auf der Feier.“ Offensichtlich wusste Ryo nichts von dem Vorfall, und kurz schoss Frau Ozora der Gedanke durch den Kopf, ob es besser wäre, ihn zu schonen und die Neuigkeiten erst mal für sich zu behalten. Allerdings verwarf sie ihn gleich wieder. Ryo hatte die Wahrheit verdient, genau wie alle anderen, die mit Tsubasa befreundet waren. „Du….hast noch nichts von dem Schuss gehört?“, fragte sie daher und versuchte dabei ihre Stimme so gut es ging unter Kontrolle zu halten. In der Leitung herrschte für kurze Zeit Stille. „Was für ein Schuss? Wann?“, fragte Ryo dann, und Frau Ozora holte zitternd Luft, bevor sie die Nachricht des Polizisten weitergab. Danach herrschte wieder kurz Stille. „Wir wissen noch nichts genaueres … Die Autobahn ist voll gesperrt und wir stecken fest, und im Krankenhaus erreichen wir niemanden…“ , redete sie dann weiter, aber in der nächsten Sekunde fiel Ryo ihr bereits ins Wort. „Das kann nicht sein.“ Wieder Schweigen. Herr und Frau Ozora tauschten einen verdutzten Blick. „Wie meinst du das?“ „Das kann nicht sein.“, wiederholte Ryo und klang nun seinerseits sehr aufgeregt. „Das passt zeitlich nicht! Als dieser angebliche Schuss abgefeuert worden ist, waren Kojiro und Taro noch bei den Beiden. Da ist nicht geschossen worden! Kojiro steht hier neben mir und hört mit, er ist sich hundertprozentig sicher, dass das nicht stimmen kann!“ „Ja….. aber…..“ Frau Ozora stockte verwirrt, und jetzt schaltete sich ihr Mann ein. „Warum rufst du an? Wo seid ihr, warum ist Kojiro nicht mehr in unserem Haus? Was zum Teufel ist hier los?“ Ryo zögerte einen kurzen Augenblick, dann hörten sie ihn ebenfalls tief Luft holen. „Ich rufe an, weil Tsubasa und Taro seit gut zehn Minuten nicht mehr per Handy erreichbar sind. Es gab einen neuen Zwischenfall, jemand ist ins Haus eingebrochen und hat Daichi entführt….“ Das Handy rutschte aus Frau Ozoras tauben Fingern, aber ihr Mann fing es auf und fasste mit der freien Hand wieder nach ihrem Arm, ohne das Telefon dabei jedoch aus den Augen zu lassen. Ryo redete jetzt immer schneller. „Tsubasa hat eine SMS bekommen, dass er zu dem neuen Fußballplatz kommen soll, wenn er Daichi lebend wiedersehen will….alleine, ohne uns und ohne Polizei. Kojiro wollte das verhindern, er hat uns zusammentrommeln lassen und ist zum Fußballplatz gefahren, um dem Typen eine Falle zu stellen…. Taro ist bei Tsubasa geblieben, und ich wollte die beiden gerade anrufen um sicherzugehen dass alles ok ist, und keiner nimmt ab! Taros Handy ist tot, und Tsubasa geht nicht ran. Ich hab es bestimmt schon fünf Mal versucht….“ „Kann es sein, dass er das Klingeln nicht hört?“ „Nein.“ Ryo zögerte wieder. „Kojiro hat die Krücken mitgenommen, um sicher zu gehen, dass Tsubasa keine Dummheiten macht und im Haus bleibt, er kann nicht großartig weg vom Wohnzimmer. Und das Handy lag direkt neben ihm…. Wir waren uns nicht sicher, was wir machen sollen. Izawa und ich wollten schon zurück und nachsehen, aber Kojiro meint, wir müssen hier bleiben, weil dieser Typ hier auftauchen könnte. Darum dachte ich, ich rufe Sie wenigstens an…“ „Das war genau richtig.“ Herr Ozoras Gedanken rasten, Erleichterung und neue Panik rangen miteinander. Falls es stimmte und Tsubasa tatsächlich nicht im Krankenhaus war – wo war er dann? Warum nahm er nicht ab? Wo war Daichi? Seine Entscheidung fiel in Sekundenbruchteilen. Ohne sich um den erschrockenen Aufschrei seiner Frau zu kümmern, riss er das Steuer herum, lenkte den Wagen auf den Standstreifen und gab Gas. „Was ist los?“, fragte Ryo erschrocken. „Nichts ist los. Wir nehmen eine Abkürzung. Ryo, hör zu, ihr bleibt genau wo ihr seid! Beobachtet den Fußballplatz, und falls der Typ auftaucht oder ihr Daichi findet, ruft ihr sofort wieder an. Verstanden?“ „Ja….okay….aber….“ Herr Ozora beendete das Gespräch, ohne sich um Ryos Einwand zu kümmern, und drückte seiner Frau das Handy in die Hand, die immer noch wie erstarrt auf dem Beifahrersitz saß. „Ruf die Polizei. Los!“ „A….aber…wohin…?“ „Nach Hause! Erinnerst du dich nicht mehr an das letzte Mal?“ Frau Ozora starrte ihn immer noch mit schreck geweiteten Augen an, dann verstand sie und wählte mit zitternden Fingern den Notruf. Herr Ozora ließ den Standstreifen vor sich nicht aus den Augen, drückte wieder und wieder die Hupe, um die anderen Fahrzeuge zu warnen. Ein Auffahrunfall war das letzte, was sie noch brauchen konnten! Dennoch ging er nicht vom Gas. Die Ausfahrt kam näher und näher….. „Was….was ist wenn Kojiro sich doch irrt und die Beiden in Tokyo….“, setzte Frau Ozora zögernd an. „Dann können wir ihnen eh nicht helfen. Zumindest Tsubasa nicht.“, meinte Her Ozora mit zusammengebissenen Zähnen. „Falls sie in der Klinik sind, sind sie in guten Händen, und das schlimmste Szenario für Daichi ist, dass wir ihn eine Stunde später abholen. Falls nicht…“ Er ließ den Satz offen, und seine Frau sagte nichts mehr, stattdessen drückte sie auf die Ruf-Taste. Das Gespräch mit der Polizei verlief sehr kurz. Mit der Information, dass mehrere Streifenwagen unterwegs waren und auch ein Notarzt-Team verständigt werden würde, brachten sie den Rest der Strecke in angespanntem Schweigen hinter sich. Herr Ozora kümmerte sich nicht um Geschwindigkeitsbegrenzungen, es war reines Glück, dass sie unfallfrei und ohne Schwierigkeiten mit Radarkontrollen in Nankatsu ankamen. Schon von weitem hörten sie die Sirenen der anrückenden Einsatzkräfte. Sie erreichten das Grundstück fast gemeinsam. Herr Ozora kam mit quietschenden Bremsen auf dem Bürgersteig zum Stehen, kümmerte sich aber nicht darum, sondern sprang augenblicklich aus dem Auto. Die zerbrochene Fensterscheibe in der Küche fiel ihm fast sofort ins Auge. Er biss die Zähne zusammen, rannte los und achtete weder darauf, ob seine Frau ihm folgte, noch auf die Polizisten und die Sanitäter, die ihn voller Einsatzmontur um ihn herum ausschwärmten und die Haustür auftraten. Offensichtlich war sie nur angelehnt gewesen, das war kein gutes Zeichen. Oder doch? Immerhin bestätigte es seinen Verdacht. Nach kurzem Zögern lief er nicht ins Wohnzimmer – was er dort vorfinden würde, konnte er sich nach den „Gesichert!“-Rufen der Polizei, die sich mittlerweile in fast alle Räume verteilt waren, schon denken. Tsubasa war nicht da. Falls doch, hätte er sich bestimmt irgendwie bemerkbar gemacht. Auch das bestätigte seinen Verdacht. Herr Ozora wandte sich ohne weiteres Zögern zur Küche. „Hey! Warten Sie mal….“ Dieses Mal packte ihn in der Tat ein Polizist am Arm. „Sie gefährden den ganzen Einsatz! Ich kann verstehen, dass Sie aufgeregt sind, aber überlassen Sie das besser uns! Warten Sie draußen, bis wir alles gesichert haben!“ „Von wegen gesichert!“ Er riss sich los. „Ich weiß genau, wo Tsubasa ist, und mit etwas Glück ist Daichi auch da, also sagen Sie mir nicht, dass ich mich zurückhalten soll!“ Damit drängelte er sich nicht gerade sanft an dem Mann vorbei und lief weiter zur Kellertreppe, die Proteste des Beamten ignorierend. Er hörte am Rande etwas von „zur Not auch gewaltsam entfernen“, aber das war ihm im Moment auch egal. „Er ist hier unten! Ich bin sicher, dass er hier unten ist….“ In der Tat war er sich mit jedem Schritt sicherer. Die obere Kellertür stand offen. Sie stand niemals grundlos offen, nicht nach der Geschichte vor fünf Jahren. Der Polizist hatte es offenbar aufgegeben, ihn belehren zu wollen, und folgte ihm stattdessen dicht auf den Fersen. Herr Ozora kümmerte sich nach wie vor nicht darum. Er hastete die Treppe nach unten und hämmerte gegen die Kellertür. „Tsubasa? Tsubasa, hörst du mich?“ Es vergingen ein paar angstvolle Sekunden, während derer Herr Ozora erneut spürte, dass er am Arm gepackt wurde. Der Polizist machte gerade Anstalten, ihn wieder zurück zu ziehen, als sie die Antwort hörten. „J….ja….. Ich bin hier…. Und Daichi auch….“ Der Polizist erstarrte mitten in der Bewegung, Herr Ozora bekam vor Erleichterung weiche Knie und musste sich an der Tür abstützen. „Gott sei Dank… Wir haben so gebetet, dass wir Recht haben…. Seid ihr in Ordnung? Ist dieser Mistkerl bei euch?“ „Ja….. Er hat die Tür abgeschlossen von innen….. Ich komme nicht an den Schlüssel….“ Herr Ozora blickte zu dem Polizisten hinüber, der mittlerweile hastig ein paar leise, kurze Befehle in sein Funkgerät sprach und anschließend zwei weiteren Kollegen ein Zeichen gab. Offenbar hatte er den Einsatzleiter neben sich, gut – das konnte die Sache nur Beschleunigen. „Die Polizei kann die Tür aufbrechen. Haltet Abstand und bleib noch ein paar Augenblicke ganz ruhig, wir sind gleich da.“ Der Polizist nickte bestätigend. Offenbar wollte er so dicht vor der Tür nicht mehr sagen als nötig, solange nicht sicher war, wie die Situation im Raum aussah. Aber dass Tsubasa so frei antworten konnte, war hoffentlich auch ein gutes Zeichen. Als Herr Ozora dieses Mal von dem Beamten mit bestimmtem Druck in Richtung Treppe geschoben wurde, wehrte er sich nicht und machte den Polizisten, die mit einem kleinen, tragbaren Rammbock nachrückten, bereitwillig Platz. Fast das ganze Einsatzkommando hatte sich mittlerweile in der Küche versammelt. Auch Frau Ozora war da und schien inzwischen am Rande eines Nervenzusammenbruchs, sie zitterte am ganzen Körper. Mit einem leicht schlechten Gewissen, das er sich nicht früher um sie gekümmert hatte, hastete er zu seiner Frau hinüber und legte stützend den Arm um sie. „Schsch. Sie sind alle beide hier, und ich glaube, Tsubasa hat die Situation unter Kontrolle…. Keine Sorge, gleich ist es vorbei….“, meinte er leise und drückte ihr sanft einen Kuss gegen die Schläfe. Frau Ozora gab keine Antwort, stattdessen schlang sie die Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn. Er strich ihr beruhigend über den Rücken und blickte dann zur Treppe hinüber. Die Polizisten waren auf Position, es wurde still – dann hob der Einsatzleiter die Stimme. „Auf drei! Eins – zwei – drei!“ Als der Rammbock auf das Holz traf, hallte der Schlag durch das ganze Haus. Die Polizisten holten ein zweites Mal aus, dann ein drittes und ein viertes Mal – dann gab die Tür mit einem ohrenbetäubenden Krachen nach, und mit einem Mal explodierte das Chaos. Alles passierte gleichzeitig. Die Beamten stürmten den Keller, Daichi weinte, jemand schrie wutentbrannt – als Herr Ozora registrierte, dass es sich dabei nicht um Tsubasa handelte, atmete er erneut erleichtert auf – aber nur solange, bis einer der Polizisten sehr energisch nach den Sanitätern zu rufen begann. Gleichzeitig begann Daichi wie am Spieß zu schreien. Das brachte auch in seiner Frau neue Energie-Reserven zum Vorschein, sie löste sich mit einem Ruck aus seiner Umarmung und hastete in Richtung Treppe. Er folgte ihr ohne nachzudenken. Dieses Mal traten ihr jedoch gleich mehrere Polizisten in den Weg, während sie von Sanitätern überholt wurden, die in den Kellerraum hasteten. „Sie bleiben hier oben, bis wir die Lage unten vollständig unter Kontrolle haben!“ „Lassen Sie uns durch, verdammt noch mal! Das sind unsere Kinder!“ Frau Ozora wollte sich an den Beamten vorbei schieben, hatte aber keine Chance. „Gedulden Sie sich noch ein paar Minuten, bis der Verdächtige abgeführt ist und die Sanitäter die Erstversorgung vorgenommen haben! Wenn Sie die Kollegen bei der Arbeit behindern, macht es das nur schlimmer!“ „Aber….“ „Sie können entweder hier warten, oder in einem Einsatzwagen unter Bewachung! Ihre Entscheidung!“ „Sagen Sie uns wenigstens, was los ist!“, flehte Frau Ozora. In der nächsten Sekunde erschien ein Beamter auf der Treppe, der Daichi trug. Er hatte es nicht leicht, den Kleinen festzuhalten, er schrie immer noch wie am Spieß und trat wild um sich. Herr und Frau Ozora gefror das Blut in den Adern, als sie das Blut auf Daichis Kleidung und in seinem Gesicht registrierten. „Der Kleine ist okay.“, versicherte ihnen der Polizist und gab Daichi an seine Mutter weiter. „Unverletzt, zumindest sagt ihr ältester Sohn das. Bringen Sie ihn nach draußen, zwei weitere Sanitäter werden sich um ihn kümmern und sicher gehen, dass ihm nichts fehlt. Möglicherweise braucht er auch ein Beruhigungsmittel…“ Frau Ozora nahm Daichi automatisch in den Arm und drückte ihn schützend an sich. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er registrierte, dass seine Mutter jetzt da war, dann wurde sein Schreien zu einem erstickten Wimmern, während er die Hände fest in ihre Bluse krallte. „Was ist mit Tsubasa?“, wollte Herr Ozora besorgt wissen, ohne den Blick von seinem jüngsten Sohn zu lösen. Wenn das Blut auf Daichis Kleidung nicht von ihm selbst stammte, dann…. Und warum hatte er von Tsubasa selbst nichts mehr gehört, seit die Tür aufgebrochen worden war? „Die Sanitäter kümmern sich um ihn, keine Sorge – er ist in guten Händen….“ „Soll mich das jetzt beruhigen? Sagen Sie uns zum Teufel noch mal, was los ist! Lassen Sie uns nach unten!“ „Sie würden die Kollegen nur behindern…“ Herr Ozora hatte genug, er schob den Polizisten zur Seite und kämpfte sich erneut einen Weg nach unten. Dieses Mal schaffte er es, seine Frau dicht auf den Fersen. Sobald er den Kellerraum betreten konnte, stockte ihm der Atem. Zum einen waren da die beiden Polizisten, die auf einem sich heftig wehrenden jungen Mann knieten und ihm zu zweit die Arme auf den Rücken drehten. Er war dermaßen in Rage, dass seine Flüche und sein Schreien nur als unartikulierte Laute wahrzunehmen waren. Schlimmer war jedoch Tsubasas Körper, der leichenblass und leblos vor der Wand lag, umgeben von drei Sanitätern, die bei ihm auf dem Fußboden knieten und sich dabei nicht um das viele Blut kümmerten, das sich ausgehend von Tsubasas Bein auf dem Boden ausgebreitet hatte. „Oh Gott….“ Frau Ozora wimmerte erstickt und drückte Daichi unwillkürlich fester an sich. Herr Ozora trat geschockt einen Schritt näher. Tsubasa reagierte nicht auf die Ansprech-Versuche der Sanitäter, während sie einen Druckverband anlegten und die ersten Zugänge für die Medikamente vorbereiteten. Er hatte die Augen zwar geöffnet, aber sein Blick war unfokussiert und ging apathisch ins Leere. „Oh Gott….“, wimmerte Frau Ozora wieder, und dieses Mal brachte ihre Stimme Herrn Ozora zur Besinnung. Er drehte sich zu ihr um und schob sie sanft aus dem Raum. „Bring Daichi hier raus – wenn er das sieht, wird es für ihn noch schlimmer, als es ohnehin schon ist.“, meinte er heiser. „Ich bleibe hier. Los, geh schon…. Kümmer dich darum, dass er gut versorgt wird….“ Seine Frau gehorchte automatisch, und Herr Ozora wandte sich wieder zu seinem ältesten Sohn um. Die Sanitäter wirkten immer noch hochkonzentriert und ließen sich rein äußerlich nicht aus der Ruhe bringen. Inzwischen hatten sie Tsubasa behutsam auf den Rücken gedreht, so dass sie seine Beinwunde leichter versorgen und ihn an diverse medizinische Geräte anschließen konnten. Auch darauf reagierte er nicht. Die Geräusche, die diese Geräte von sich gaben, ließen Herrn Ozora unwillkürlich frösteln. Er war kein Arzt, aber sogar für ihn klang das leise, immerhin regelmäßige Piepen, das Tsubasas Herzschlag anzeigte, deutlich zu langsam. Die Tatsache, dass die Sanitäter ihm mittlerweile zusätzlich noch eine Sauerstoffmaske über Mund und Nase pressten, war vermutlich ebenfalls kein gutes Zeichen. Herr Ozora schloss für den Bruchteil einer Sekunde die Augen, dann ging er zu den drei Männern hinüber. „Sagen Sie mir, wie ich helfen kann.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)