Herzschlag *pausiert* von Akanesam ================================================================================ Kapitel 1: Erster Herzschlag ---------------------------- Piep, piep... Monoton und immer im selben Tackt. Piep, piep... Als wolle es in alle Ewigkeit im selben Tempo und der selben Lautstärke weiter erklingen. Piep, piep... Ohne weitere Bewegungen hörte er zu. Dem Geräusch, das bestätigte, dass da noch Leben war. Langsam schloss er seine braunen Augen, wollte das Bild einen Moment aus seinem Kopf verbannen. Wollte ihn nicht so sehen müssen. Ihn. Einen seiner besten Freunde, der ihm so viel bedeutete. Nie hätte er gedacht, dass einem Menschen wie ihm so etwas hätte passieren können. Nicht einmal im Traum hatte er einen Gedanken daran verschwendet. Und doch war es geschehen. Ganz einfach so. Plötzlich. Ohne Vorwarnung. Tief atmete er ein und wieder aus, erinnerte sich an den Tag. Den unheilvollen Tag vor 4 Monaten. Er hatte doch noch nach ihm gerufen, aber es hatte nichts gebracht. Seine Worte damals waren so unnütz gewesen, er hätte sie sich sparen können. Aber dann hätte er sich erst recht Vorwürfe gemacht. Es war seine Schuld, nur die seine!!! Seine Hände zitterten, verkrampfen. Klammerten sich Hilfe suchend an der eigenen Hose fest und wollten nicht mehr loslassen. Je weiter er sich erinnerte, an diesen Tag, den er am liebsten hätte auslöschen wollen, desto mehr verstärkte er den Druck. Durch den hellbraunen Jeansstoff hinweg bohrten sich seine Fingernägel in das Fleisch seiner Hände, schmerzten darin. Doch das interessierte ihn nicht. Nein, es war unwichtig!! Dennoch ließ er allmählich nach, den Druck zu verstärken, ließ ihn schwächer werden. Zwang sich, die düsteren Gedanken und die schrecklichen Tatsachen von damals wieder in den hintersten Winkel seines Herzens zu schieben. Noch einmal atmete er tief die stickige Luft ein, die ihn umgab. Sog sie in seine Lungen und ließ sie erst Sekunden später wieder entweichen. Frische Luft. Das war es, was hier jetzt fehlte. Zumindest in diesem einen Augenblick. Ohne große Hast, als würde er sonst die unendlich scheinende Ruhe in dem kleinen, vollkommen weißen Zimmer zerstören können, erhob er sich von dem kleinen runden Hocker, der seinem Aussehen nach schon viele Jahre auf dem Buckel hatte und leise ein dankbar erscheinendes Geräusch von sich gab, als das Gewicht von ihm genommen wurde. Kurz blickten traurige und leere Augen zu dem Bett, welches vor dem Jungen stand, in der Hoffnung, es könnte sich etwas regen. Doch natürlich blieb das aus. Mit einem leisen Quitschen, das dem Fenster entkam, ließ er die frische Luft hinein. Kühler Wind ließ es sich nicht nehmen, gleich hinein zu wehen, mit den kastanienbraunen Haaren des Jungen zu spielen und ihm sanft über das weiche Gesicht zu streichen. Wollte er ihn aufmuntern? Doch der Wind wollte mehr. Seine neue Freiheit auskosten. Strich weiter, an dem Jugendlichen am Fenster vorbei, als wolle er den anderen, schlafenden Jungen auf dem Bett wecken. Doch nicht einmal er vermochte dies. Braune Augen folgten ihm. Als könnten sie ihn sehen. Ja, er konnte vieles sehen, was andere nicht vermochten, doch der Wind gehörte nicht dazu. Ein Seufzten entfuhr seinen weißen schmalen Lippen und er konnte es sich nicht nehmen, wieder einmal durch seine strubbeligen Haare zu streifen, wie er es sich in den letzten Wochen angewöhnt hatte. Er machte es unbewusst, immer dann, wenn er darüber nachdachte. Darüber, ob er dem Wunsch seines besten Freundes nachkommen sollte. Er kannte ihn gut, diesen Wunsch, die Bitte, die alles so schwer machte. Noch schwerer, als es ohnehin schon war. Er wollte doch, dass er lebte, lebte und gesund war. Doch das war nicht mehr der Fall. Ja, er lebte, aber war er denn gesund? Und was für ein Leben war das? War es das überhaupt noch? Ein Leben? Erneuter Wind kam durch das Fenster, kundschaftete weiter den neuen Raum aus, den er nun gefunden hatte. Ließ keine Ritze aus, suchte und tastete alles ab. Schien gar nicht genug davon zu bekommen. Dunkle Augen folgten ihm. Taten sie das wirklich? Nein, sie folgten den Schläuchen auf dem Boden. Den Abertausenden, wie es ihm schien. Schläuche und Kabel, Pumpen und andere Maschinen, die er zuvor noch nie gesehen hatte. Oder vielleicht in einer der vielen Serien, die sich seine Verlobte immer ansah? Unwichtig. Eine Gänsehaut überkam ihm, als seine Seelenspiegel am Schlauch hängen blieben, der im Hals seines Freundes ruhte und diesen mit Luft versorgte. Er erschauderte jedes mal, wenn er das tat. Auch wenn er kurz aussah, so wusste man doch genau, welch schreckliche Länge er dennoch besaß. Schnell glitt sein Blick nach Draußen. Zu den Bäumen, die leise raschelten und sich im Wind wiegten. Es war nun kalt geworden und er schloss das Fenster. Wieder entwich ein Quietschen, leiser als das erste. Der Wind kam zum erliegen, konnte nicht mehr freudig durch das Zimmer wehen und den schweren weißen Vorhang leicht zum beben bringen. Dafür hinterließ er frische. Die Frische, die nur Tage zurück ließen, wenn es zu Regen aufgehört hatte. Eine Hand krampfte sich nun wieder zusammen, suchte halt am Vorhang, der nun zu wippen aufgehört hatte. Sie zog sich immer weiter zusammen, ließ den Stoff in tiefe Falten fallen. Wieder schmerzte es im Fleisch, als sich nochmals Fingernägel hinein bohrten. Aber es schmerzte nicht einmal einen Bruchteil so sehr, wie das Herz des Jungen. Der Braunhaarige unterdrückte Tränen, schien sich vor Qual zu winden. Seine Gedanken rasten, konnten kaum mehr von ihm selbst verstanden werden, so undurchsichtig waren sie. Sein Atem wurde immer schneller, anders als der des anderen, der immer noch im selben Tackt atmete. Immer in den selben Abständen einatmete, ausatmete. Er konnte nicht anders, eine Maschine hatte alles für ihn übernommen. Gedanken rasten, Augen füllten sich mit Tränen, die man zu unterdrücken versuchte so gut es ging, ein Herz schlug immer schneller, heftiger, pumpte sämtliches Blut in das Gehirn des Braunäugigen. Stille herrschte in ihm. Die Entscheidung war gefallen. Nur schwerfällig drang wieder das monotonste Geräusch welches er je gehört hatte, welches er täglich, 4 Monate lang gehört hatte, an sein Ohr. Es erschien ihm auf einmal viel greller und lauter, als es wirklich war. Schien ihn herauszufordern. Mach!! Mach doch endlich!!! Schrittweise näherte er sich in seinen Sandalen. Orange Kopfhörer hingen haltlos über seiner Schulter, wippten leicht hin und her, bei jedem Schritt, den er tat. Lange war durch sie keine Musik mehr gelaufen, die auch wirklich an das Ohr des Trägers gedrungen wäre. Auch jetzt wurden sie ignoriert, schienen nur noch Zierde zu sein, hatten keine Aufgabe mehr. Die Schritte verhallten. Waren am Ziel. Knie wurden durchgedrückt. Eine Hand ausgestreckt, die zuvor locker in der Hosentasche gelegen hatte, nicht die Schmerzen der anderen Hand hatte erdulden müssen. Wenn er lauter gerufen hätte, ob er sich dann das hier ersparen könnte? Ob der andere ihn dann gehört hätte? Nichts geschehen wäre, was zu bedauern, zu bereuen gewesen wäre? Er wusste es nicht. Er kannte keine Antwort auf diese Frage. Langsam spannte er seine Muskeln an, die den Stecker umklammerten. Traurige Augen blickten nach oben, mussten jetzt mutig sein und doch weinten sie nun langsam. Der Kampf war verloren. In beiderlei Hinsicht. Der Kampf mit den Tränen, der Kampf um sein Leben. Stille. In ihm herrschte nur noch Stille. Der weiße Stecker in seiner Hand war leicht. So leicht, obwohl er ihn sich so viel schwerer, Tonnenschwer vorgestellt hatte. Es war leicht gewesen. Ist es wirklich so leicht, ein Leben zu nehmen? Leben? Damals hast du gesagt, ... Damals, als ich dich fragte, hast du gesagt, dass es kein Leben sei. Es sei dein Wunsch, dass man es beende, den Körper zu quälen. Das Wort Wunsch, Bitte oder wie man es auch immer nennen kann, hatte deine Lippen nicht verlassen, aber gesagt, hattest du es trotzdem. Das monotone Geräusch wurde langsamer, verlor seine Kraft, konnte nicht mehr im selben Tackt weiter erklingen. Kämpfte dennoch darum, zu bleiben wie es war, verlor aber immer weiter. Es konnte sich nicht halten, die Pumpen nicht mehr arbeiten, keine neue Luft in den blassen, leblosen Körper drücken. Das Heben und Senken der Brust wurde schwächer, dünner, konnte sich nicht mehr halten. Erlosch. . . . . . . . Pieeeeeeeeeeeeeep......... Ein neues Geräusch erklang, nicht so vertraut, wie das andere. Den Kastanienbraunhaarigen interessierte es nicht. Er hört es nicht einmal. Bitterlich weinend klammerte er sich an den anderen, leblosen Menschen. Ließ den Tränen freien Lauf, wollte er ihn doch nicht gehen lassen. Eine lange Linie zeichnete sich auf dem Gerät ab, welches an dem blassen Körper hing, zuvor Kurven mit den gleichen Abständen angezeigt hatte. 4 Monate lang. Doch nun waren sie verschwunden. . . . . . . . . . . Piep . . . . . . . Piep . . . . . Ein leises Geräusch drang an seine Ohren, die schon so lange nichts mehr wirklich gehört hatten. So schrecklich lange, aber ihm kam es wie vor wie gestern. Nein, wie heute. Jemand drückte sich an ihn, klammerte regelrecht. Wer wagte es, ihn als Kuscheltier auszunutzen, während er sich so unendlich schwer fühlte und ihm der Schädel brummte?! Ein Zucken ging durch seinen tauben Arm, als er versuchte, ihn zu benutzen, die schwere Last von sich zu werfen. Diesen Kerl, der da unerlaubter Weise ein Taschentuch aus ihm, aus Tao Ren machte!!! Doch seine Arm fühlte sich wie Pudding an, brachte es gerade mal fertig sich zu beugen, Haare zu berühren. Der unerhörte Kerl zuckte zusammen, ließ von ihm ab, ließ nur ekelhafte Nässe zurück. Großen Augen starrten. Große braune Augen, die ungläubig auf das Gesicht des anderen blickten, ohne zu blinzeln. Konnte das sein? Konnte das wirklich sein? „R...“, die Stimme versagte. Hatte er doch in den letzten Stunden, die er hier verbracht hatte, hoffend, flehend, kein einziges Wort gesprochen. Doch das war es nicht, was ihm die Sprache verschlug, einfach raubte. Kalte, dennoch leuchtend gelbe Augen hatten sich geöffnet. Endlich wieder geöffnet!!! Blickten vollkommen verwirrt und orientierungslos an die Decke. Der Braunhaarige schluckte, konnte es noch immer nicht glauben. Wie von Geisterhand richteten sich seine Beine auf. Wenn schon sein Verstand nicht wusste, was er nun tun sollte, dann zumindest sein Körper, wie es schien. Eine weiße Tür, so weiß wie alles andere auch, wurde aufgerissen, ohne Vorwarnung. Ohne groß zu überlegen, hörte er sich selbst schon rufen. Laut und durchdringlich, durch das ganze Krankenhaus. „Faust!!! Faust!!!!! Fau....!!“, wieder versagte sie ihm, diese dumme Stimme. Einatmen, ausatmen, Kraft sammeln.... „FAUST!!!!“ Schritte, nein viele Schritte, hunderte. Man konnte sie kaum noch auseinander halten. Wo hörte der eine auf und wo begann der andere? Der Braunhaarige hörte aber weg, starrte wie benebelt ins das Zimmer, das weiße Zimmer, aus welchem er eben noch fast schon hinausgestürtzt war. Konnte sein Glück noch immer nicht fassen. „Yoh-kun!“ Faust kam heftig atmend angelaufen, drückte seinen japanischen Freund zur Seite. „Bleib am besten draußen!“ War das ein Befehl? Egal. Yoh blieb draußen stehen, sah unverwand zu der weißen Tür, die nun geschlossen war. Und lächelte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)