Sorglospunks forever von Nifen ================================================================================ Kapitel 19: Ein salomonisches Urteil ------------------------------------ Die Stimmung im Sorglospunkshauptquartier, irgendwo im schönen Schwabenland, war unterirdisch. Im wahrsten Sinne des Wortes. Auslöser für das alles war eine Bemerkung Jacks während der letzten ‚Rettet die Welt, oder zumindest einen Teil davon’-Reise der Sorglospunks gewesen, die seither an der Stimmung der Band nagte. Während jenes Abenteuers auf der Insel der Frühlingsstimmen hatte sich Jack gegenüber ihrer Zwillingsschwester als Bandleaderin ausgegeben und als solche Easy Befehle erteilen wollen. Dass Easy letztlich Jacks Worten gefolgt war, hatte wenig mit der Anerkennung ihrer Schwester als Bandleaderin zu tun, sondern mehr mit der Tatsache, dass Jacks Vorschlag letztlich das einzig Vernünftige in dieser Situation gewesen war, wollten sie das Abenteuer überleben. Denn Bandleaderin war Jack in Easys Augen auf gar keinen Fall. Dazu fehlte ihr jegliche Legitimation. Gut, Jack war bei weitem die Vernünftigste von ihnen, beizeiten sogar vernünftiger als die Bandmanagerin Nifen mit ihren seltsamen Ideen zur Auftrittsbeschaffung, doch das verlieh Jack allenfalls das Recht, sich Bandvernunft zu nennen. Hätte Chris sich als Bandleader ausgegeben, hätte Easy das ja noch irgendwo akzeptieren können, war Chris doch, neben ihr selbst, Gründer der Sorglospunks. Sogar sie selbst, auch wenn sich Easy nicht wirklich um den Posten riss, hatte eher einen Anspruch auf den Titel Bandleaderin als Jack. Immerhin war sie Gründerin der Band, Songschreiberin und Frontfrau. Jack hingegen war keine Bandgründerin, sondern lediglich Multi-Percussion-Talent und eben die Bandvernunft. Und überhaupt, seit wann brauchten die Sorglospunks eine Bandleaderin? Sie waren über Jahre hinweg herrlich als Demokratie in Reinkultur ausgekommen. Weshalb also jetzt einen Bandleader an die Spitze setzen, der in Easys Augen eher früher als später – das hatten sie ja schließlich schon bei den Frühlingsstimmen gesehen – absolutistisch monarchische Züge annehmen würde? Am Ende würde das noch so weit gehen, dass Jack Easy den Kaffee und die Schokolade vorenthielt und ihr nur dann gnädigerweise ein gewisses Quantum zuteilte, wenn wieder ein neuer Song benötigt wurde. Außerdem, was war das für eine Bandleaderin, die schon mal ernsthaft versucht hatte, die Band zu verlassen und sich beruflich anderweitig zu orientieren? Kein ernstzunehmender Bandleader machte so etwas! Je mehr Easy darüber nachdachte, desto ungeheuerlicher erschien ihr Jacks Amtsanmaßung und desto erboster wurde sie. Zaghafte Versuche, dieses Problem den anderen im Hauptquartier gegenüber zu artikulieren, waren schon im Ansatz zunichte gemacht worden. Chris war nur mit Umeko beschäftigt, Nifen entweder mit Neopets (es war wieder einmal Altador-Cup-Zeit) oder der Organisation irgendwelcher obskurer Auftritte, Abranka war im Fußballfieber (und allein die Tatsache, dass Easy sich ihr nicht im neuerlichen Fußballwahn anschloss, zeugte davon, wie tief die Wunde war, die Jacks Worte bei ihr hinterlassen hatte) und Chi auf Urlaub. Sogar LennStar war zum alljährlichen Weltwunder-Philosophen-Kongress abgedüst und hatte kein genaues Rückkehrdatum hinterlassen, da man nie wusste, wie heftig die Kongressteilnehmer ins Philosophieren gerieten und darüber alle Zeit vergaßen. Also war Easy sich mit diesem Dilemma alleine überlassen. Ihre erste, spontane Idee basierte auf der altbekannten Redewendung: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Was in Easys Fall bedeutet hätte, sich den Careless-Punks anzuschließen. Allerdings wäre sie dann nicht besser als Jack gewesen, als diese die Band hatte verlassen wollen, dazu käme noch, dass sie bei den Careless-Punks noch nicht einmal den Status einer Bandgründerin gehabt hätte und außerdem hätte das für Easy doch zu sehr den Beigeschmack von Hochverrat an der eigenen Band gehabt. Natürlich war da auch noch diese winzigkleine Nebensache, dass die Careless-Punks vielleicht gar nicht daran interessiert waren, einen Original-Sorglospunk bei sich aufzunehmen. Da jedoch die bereits die zuerst erwähnten Argumente ausreichten, Easy von dieser Idee abzubringen, machte sich die Frontfrau der Sorglospunks darüber keine Gedanken. Dann kam die Trotzphase. Das war zwar vielleicht kindisch, verschaffte Easy jedoch zumindest ein klein wenig Genugtuung. Während der Wochen jener Phase, war Easys Standardantwort auf alles: „Nö, soll Jack machen, die ist schließlich Bandleaderin.“ Und es war wirklich die Standardantwort auf alles! Egal, ob es darum ging, zum WWWB-Markt zu fahren, um die heimischen Vorräte an Kaffee, Schokolade, Brot und Katzenfutter aufzufüllen, Songtexte zu schreiben oder Oma im Märchenland einen Besuch abzustatten, von so unangenehmen Dingen, wie Hausflur wischen, Wäsche waschen und Gartenteich entschlacken ganz zu schweigen, immer verwies Easy den Vorschlagenden an Jack. Was Jack oder die anderen im Haus darüber dachten, war ihr dabei herzlich egal. Und wenn jemand gar so dämlich war, sie zu fragen, weshalb sie sich derzeit wie ein störrisches Kleinkind benahm, sagte Easy nur: „Das solltet ihr eigentlich ganz genau wissen.“ War ja schließlich nicht ihre Schuld, dass ihr niemand hatte zuhören wollen, als sie vor Jacks Tyrannei-im-Keimstadium hatte warnen wollen. Als nächstes griff die Politik ein, erst auf Landesebene, dann auf Bundesebene. Denn erst kündigte in Hessen der amtierende Ministerpräsident seinen Rücktritt an und dann, nur wenige Tage später, trat mit sofortiger Wirkung der Bundespräsident zurück. Und während erstere Nachricht von Easy nur als weitere Politmeldung zwischen Unglücken wie Ölpest und Flugzeugabstürzen und der Wetteraussicht wahrgenommen wurde, war die zweite Nachricht geistesblitzbeschwörend. Denn der Bundespräsident war so etwas wie ein ungekrönter König in Deutschland. Er wohnte in einem Schloss und solange der Amtsinhaber nicht seine Unterschrift unter ein Gesetz setzte, war es nicht gültig. Wenn sie also Bundespräsident würde, dann wäre sie Königin von Deutschland und stünde somit ganz weit über einer simplen Bandleaderin. Dann könnte Jack noch so oft auf ihre unrechtmäßig angeeignete Bandgewalt pochen, sie, Easy, bräuchte sich nie mehr darum zu kümmern. Im Gegenteil, sie könnte als Bundespräsidentin Jack Befehle erteilen! Easy I. von Deutschland. Klang doch ganz nett, oder? Einen Haken hatte die ganze Sache allerdings: So ein Bundespräsident war eigentlich ständig auf Reisen. Und damit war keine Konzertournee gemeint, sondern eher ein so langweiliges Programm wie andere Staatsoberhäupter besuchen, Paraden abnehmen, Hände schütteln, Reden halten, sich immer gut benehmen, und so weiter. Von den zu unterzeichnenden Gesetzen und dem Punkt, die Menschen in Deutschland wieder mehr für Politik zu begeistern, ganz zu schweigen. Bei so einem vollen Terminkalender blieb irgendwo keine Zeit mehr für eine eigene, aufstrebende Punkband und die Sorglospunks standen bei Easy doch immer noch an erster Stelle. Bandproben per Telekonferenz, bloß weil sie gerade sonst wo auf dem Planeten war, gingen einfach nicht. Und sie jedes Mal erst für ein Bandabenteuer einfliegen lassen zu müssen, ging auch nicht. Und überhaupt müsste sie dann in Berlin wohnen und Berlin lag, bei aller Liebe für die Hauptstadt, nicht im Schwabenland. Gut, als Bundespräsidentin könnte sie vielleicht die ganze Republik zum Schwabenland erklären, doch irgendwie wäre das zu viel Aufwand und selbst dann nicht das wirkliche Schwabenland. Also wurde dieser Geistesblitz wieder verworfen und als sich einen Monat später die Wahl über endlose neun Stunden hinzog, war Easy nur froh, dass sie bei diesem Zirkus nicht dabei war, denn mit ihrer Geduld war es derzeit nicht zum Besten bestellt und sie bezweifelte, dass sie solange durchgehalten hätte. Für den Moment war die sonst so quirlige Frontfrau dazu übergegangen, ihre Opposition dergestalt zu zeigen, dass sie aus dem Hauptquartier ausgezogen war. Aus dem Sorglospunkshauptquartier auszuziehen, ohne dabei jedoch die Band zu verlassen, war gar nicht so einfach, denn eigentlich gab es damit nur noch einen Ort, wo sie hinkonnte: Lenns Philosophenfass im Garten. Da allerdings stündlich damit zu rechnen war, dass LennStar von seinem Kongress zurückkehrte, konnte sie nicht einfach dessen Ein-Zimmer-Fass okkupieren und den Bandphilosophen dazu zwingen statt ihrer im Haus zu wohnen. Also hatte sie beschlossen, Lenns Fass zu unterkellern. Der Keller wäre ihr Jack-Schutzbunker und sollte sich die Lage je wieder normalisieren (etwas, das Easy derzeit noch stark bezweifelte), hätte Lenn einen Ort, wo er überflüssiges und unnützes Philosophenzeug lagern konnte. Gut, Lenns Fass kam ohne Strom und ohne fließend Wasser, doch wer brauchte das schon? Geduscht wurde im Hauptquartier, wenn es jackfrei war, Licht kam von der Taschenlampe und Kaffee über das Wunschlenkrad. Viel mehr brauchte es zum Leben nicht. Außerdem hatte sie in ihrem neuen Keller ganz viele Ameisenfreunde. Vielleicht würde sie ja eine Ameisenband gründen, wo sie dann unangefochtene Bandleaderin war. Gut, es gab da noch so etwas wie eine Ameisenkönigin, allerdings glaubte Easy nicht, dass sich diese um musikalische Belange kümmerte. Die Kellerumgebung war sogar kreativitätsfördernd! „Unterirdisch – Paradies Hier bin ich Held, Ich rett’ die Welt, hier bin ich Königies. Ich habe Kaffee, habe Licht Hier bin ich ich, Ich brauch nur mich, Und keinen falschen Bandleaderwicht.“ Gut, zugegeben, die Reime waren nicht gerade überragend und bei ein paar Wörtern bezweifelte Easy deren Existenz, doch wer wollte sich schon beklagen? Immerhin war das ihre ganz eigene Kellerrebellionshymne, die sie noch dazu ohne Druck und ohne Abranka geschrieben hatte. Sehr zu Easys Verdruss sollte ihr Auszug allerdings noch eine Weile unbemerkt bleiben, denn der Rest der Truppe war entweder körperlich oder doch wenigstens geistig abwesend und mit anderen Dingen beschäftigt. Einzig Kiwi, das Bandmaskottchen, hatte Easys Kellerbuddelaktion von ihrem Ruheplatz in der Sonne mitbekommen, jedoch vertrat sie die Meinung, dass sie sich nicht einmischen würde, solange ihre Futterversorgung nicht darunter litt. Und das war bislang nicht der Fall gewesen. Erst als die Achtelfinalrunde der Fußballweltmeisterschaft beendet war und eine zweitätige Zwangspause zwischen dem letzten Achtelfinale und dem ersten Viertelfinale einsetzte, tauchte Abranka wieder aus den Tiefen des Fußballfiebers auf, um am alltäglichen Bandchaos teilzunehmen. Ihre erste Tätigkeit bestand darin, mittels ihre übersinnlichen Musenfähigkeiten die einzelnen Bandmitglieder aufzuspüren. Als sie allerdings Easy unter Lenns Fass ortete, sauste sie blitzschnell und voller Sorge auf ihrer Wolke in den Garten. Hatte Kiwi etwa wieder mit den Sicherungskeilen gespielt und Easy war versehentlich von dem Fass überrollt worden? Eine plattgerollte Sorglospunksfrontfrau war nicht wirklich gut... Dann jedoch hörte sie, erst leise, beim Näherkommen immer lauter, Easys Kellerrebellionshymne. Mit hochgezogenen Augenbrauen lauschte sie dem etwas ungeschliffenen Text und mit jedem Wort verdunkelte sich die Wolke unter ihr ein wenig. Das klang ganz so, als hätten sie hier ein ernsthaftes Problem. Und allem Anschein nach, wenn sie die Intention aus Easys Lied richtig heraushörte, lag das Problem in Jacks ewig zurückliegender Aussage über die Sache mit der Bandleaderin. Fürs erste beschloss Abranka Easy in ihrem Keller in Ruhe zu lassen und stattdessen mit Nifen einen Kriegsrat zu halten. Überhaupt musste sie der Bandmanagerin mal gehörig den Kopf waschen, weil diese es soweit hatte kommen lassen, dass Easy offenbar ausgezogen war. Sie selbst hatte ja immerhin Fußball als Entschuldigung... Gut, als sie sah, wie Nifen sich mit dem Hell-o-Berry, welches sie von Chi geschenkt bekommen hatte, abmühte beim Altador Cup auf vernünftige Punkte zu kommen, während Chris den schnellen Rechner für einen Chat mit Umeko okkupierte, musste sie einsehen, dass Nifens Entschuldigung mindestens genauso gut war, wie ihre eigene. Was allerdings nichts an der aktuellen Krise änderte. „Easy ist ausgezogen!“, brachte Abranka die Sache gleich auf den Punkt und da sie gleichzeitig Nifen das Hell-o-Berry wegnahm, hatte sie auch die ungeteilte Aufmerksamkeit der Bandmanagerin. „Wohin ausgezogen?“, fragte diese ein wenig verwirrt. „In Lenns Keller.“ „Lenns Fass hat doch gar keinen Keller“, widersprach Nifen, nicht wirklich weniger verwirrt als zuvor. „Jetzt schon!“, erwiderte Abranka schlicht. „Okay...“ Die Managerin nickte. „Und wieso ist Easy ausgezogen?“ Rasch war Nifen auf den Stand der Dinge gebracht. „Oh je... Hat Easy das tatsächlich ernst genommen? Das war doch nur eine Aussage, die aus der Situation heraus geboren wurde, nichts, das auf Dauer in dieser Band überlebt...“ „Du weißt, dass jede Idee eine Chance hat, wenn sie auch nur von einem Menschen ernst genommen wird“, widersprach die Bandmuse. Das hatte ihr die Geschichte schon oft genug bewiesen. Wie etwa die Idee eines antiken Römers überflüssige Fälle wie Ablativ einzuführen. Oder neuzeitlicher eine Zeichentrickserie über Brummkreisel zu drehen. „Hm...“ Nifen hüllte sich daraufhin erst mal in nachdenkliches Schweigen, ehe sie schließlich sagte: „Gehe ich recht in der Annahme, dass, sollten wir versuchen, Jack dazu zu bringen, sich einfach zu entschuldigen, unser Percussionswunder auf stur schalten wird und wir gar nichts gewinnen?“ Abranka nickte nur, dann seufzten die beiden in ihrem Kriegsratbrüten. „Hast du etwas Ideenschokolade für mich?“, fragte Nifen irgendwann. Da Musen sich ja schlecht selbst inspirieren konnten, schien es Abranka nur logisch, dass die Bandmanagerin diesen sorglospunkbewährten Weg einschlagen wollte, einen Geistesblitz für diese Situation hinaufzubeschwören und so händigte sie Nifen ein hübsches Stück der beliebten Kreativschokolade aus. Noch während diese die Schokolade genoss, angelte sie sich wieder ihr Hell-o-Berry. „Oh nein, so haben wir nicht gewettet!“, fuhr Abranka dazwischen. „Du darfst erst wieder Neopets hätscheln, wenn wir die Situation hier wieder unter Kontrolle haben.“ „Ich wollte doch nur Chi anrufen. Ich weiß, dass sie eigentlich gerade Urlaub macht, doch ich finde, mit der momentanen Krise können wir jeden Störanruf rechtfertigen.“ „Ist Chi alles, was dir aufgrund der Schokolade eingefallen ist? Für die Idee hättest du wirklich keine Schokolade gebraucht“, ereiferte sich Abranka, auch wenn sie Nifens Idee Chi anzurufen, zustimmte indem sie ihr das Mobiltelefon Deluxe zurückgab. Die Bandmanagerin grinste. „Schokolade ist nie verkehrt.“ Sicher, für die Idee mit Chi hätte sie die Schokolade nicht gebraucht, allerdings... eine Krise ohne Schokolade bewältigen, dass ging in diesem Haushalt nun wirklich nicht. Und Abrankas Schokolade schmeckte immer noch am besten. Rasch war aus dem integrierten Adressbuch Chis Hell-o-Berry-Nummer herausgesucht und der Teufel höchstpersönlich angerufen. „Wer stört?“, klang es auch nicht gerade begeistert aus dem Lautsprecher. „Wer wohl?“, entgegnete Nifen nur, die sich ein Schmunzeln, trotz der Krise, nicht verkneifen konnte. „Ich wollte eigentlich nur fragen, ob du Lust auf eine Tasse Kaffee hast.“ „Du rufst mich an, weil bei euch der Kaffee alle ist und ich mal eben ne neue Plantage in Babys Kofferraum werfen soll, damit du mich hinterher großzügig zu einer Tasse Kaffee einladen kannst?“ Man hörte dem Teufel an, wie wenig sie von dieser Idee hielt. „Nein, falsch. Ausnahmsweise haben wir noch Kaffee im Haus“, erwiderte Nifen gespielt gelassen. „Dann hat Murphy es endlich geschafft, Kiwi zu einer höllischen Spritztour einzuladen und jetzt sitzt euer Maskottchen in der Tierheimhölle fest und ich soll sie rausholen“, mutmaßte Chi weiter. „Nein, auch nicht. Dennoch danke, dass du uns vor der Tierheimhölle warnst, wir sollten diese Info dringend an Kiwi weitergeben.“ Nifen machte sich nebenbei eine entsprechende Post-it-Notiz. „Dann...“ „Easy ist ausgezogen!“, unterbrach Abranka das muntere Rätselraten, denn so langsam wurde es ihr einfach zu bunt. „Easy ist was???“, fragte Chi alarmiert. „Das war das, was ich dir bei einer netten Tasse Kaffee erzählen wollte.“ Nifen zuckte gespielt ungerührt mit den Schultern. „Bin gleich da!“ Damit war die Leitung tot und das Gespräch beendet. Vorerst. Denn wenn Chi ‚gleich’ sagte, meinte sie auch ‚gleich’, weshalb Abranka schon mal in weiser Voraussicht zur Haustür flitzte, während Nifen in der Küche Kaffee organisiert. Und noch mehr Schokolade. Herkömmliche diesmal, denn sie bezweifelte, dass Abranka noch etwas Musenschokolade rausrücken würde. Und tatsächlich war Chi exakt zwei Minuten und vierzehn Sekunden später da. Dem hastig übergeworfenen Pareo merkte man an, dass sie eigentlich jetzt viel lieber an einem Pool irgendwo zwischen hier und da liegen und ihren Urlaub genießen würde. Nun waren sie also schon zu dritt und brüteten über einer Lösung. Stunde um Stunde verging, der Kaffee leerte sich und die Schokolade ging auch schon zur Neige, ehe Chi schließlich zähneknirschend sagte: „Es hilft wohl nichts... wir brauchen ein salomonisches Urteil.“ Wie alles, was von der Welt als Erfolg des alten Rauschebarts angesehen wurde, schmeckte dem Teufel auch Salomons Weisheit nicht sonderlich. Wenn es jedoch darum ging, ihre Lieblingsband zur retten, war sie bereit diverse Opfer zu bringen. „Du willst, dass wir mit dir und Baby ins antike Israel reisen, damit ein noch antikerer König vorschlägt, Chris zu halbieren, damit jeder der Zwillinge eine halbe Sorglospunksband hat, bei der sie dann Bandleaderin sein darf?“, fragte Nifen zweifelnd, denn die Blutrünstigkeit dieses ach so weisen Königs war ihr schon immer ein wenig suspekt gewesen. Übertroffen wurde dies nur noch von der überlieferten Kaltblütigkeit der falschen Mutter. „Nicht ganz“, beruhigte Chi sie. „Ich dachte da eher an Salomons letzten noch lebenden Nachfahren, in der Hoffnung, dass die Urteilsfähigkeit erhalten geblieben ist, sich die Methoden allerdings ein wenig verfeinert haben.“ Obgleich noch nicht ganz überzeugt, ließ sich Nifen von dem in Abranka aufkeimenden Enthusiasmus anstecken, frei nach der Devise, dass jeder Plan besser war als gar kein Plan. „Ich geh Jack und Chris einfangen“, sagte die Managerin schnell, ehe die Muse die Aufgabe, Easy aus ihrem Erdloch zu holen, ihr übertrug. Tatsächlich grummelte Abranka etwas unzufrieden, waren doch Erdflecken immer so schwer aus Wolkenwatte herauszubekommen. Zum Glück hatte Chi Baby als Transportmittel genommen, denn interdimensional war dieses Wunderauto immer noch der schnellste Weg, um von A nach B zu kommen und hatte in der Menschenwelt den Vorteil, dass, sofern das Auto nicht irgendwelche Starallüren hinlegte, es kaum von anderen Autos auf der Straße zu unterscheiden war. Außerdem bot es genug Platz für die ganze, sich anschweigende Band. Wenig später hielt der Wagen vor einem, der Truppe nur allzu bekannten Haus: Dem Hauptquartier ihrer Freunde Chuck und Chuck. „Hä?“, fragte Nifen wenig intelligent. „Ich dachte wir wollten zu Salomons Zigmal-Urenkel. Was wollen wir dann bei Chuck und Chuck?“ „Chuck 2 ist der Zigmal-Urenkel von Salomon“, erwiderte Chi nur, als sei dies das Offensichtlichste auf der Welt, während sie zur Tür ging, um zu klingeln. „Und ihr habt Glück, denn er ist zugleich der höchstwahrscheinlich allerletzte Zigmal-Urenkel.“ „Wieso das?“, wollte nun Abranka wissen, während die Sorglospunks weiter schwiegen. Der Teufel zuckte mit den Schultern. „Schwule Einzelkinder neigen nun mal nicht dazu sich fortzupflanzen. Es sei denn sie legen eine äußerst unwahrscheinliche Seepferdchen-Bauchhöhlenschwangerschaft hin oder lassen sich sturzbetrunken doch mal mit einer Frau ein und landen einen äußerst unwahrscheinlichen goldenen Treffer. Doch wie gesagt, alles äußerst unwahrscheinlich.“ Nun schwiegen auch Nifen und Abranka. Solche Neuigkeiten wollten eben erst einmal verdaut werden. Nicht, dass das irgendetwas zwischen den Sorglospunks und der Küken-Countryband geändert hätte, zumal Chuck 2 nie auch nur andeutungsweise Interesse an Chris oder LennStar gezeigt hatte – vermutlich waren die beiden einfach nicht sein Typ – allerdings war es überraschend. „Nun kommt schon, Kinder, ist euch das denn nie aufgefallen?“, fragte Chi ein wenig ungeduldig. Die anderen schüttelten den Kopf. Der Teufel stutze daraufhin kurz, doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. „Ach so, klar, hatte ich ganz vergessen... Bevor die Gesellschaft wieder toleranter wurde, hatte der alte Rauschebart so eine Phase gehabt, wo er Homosexualität als Sünde verdammte, sprich die Akten dieser Menschen landeten auf meinem Schreibtisch. Und damit ich die entsprechenden Opfer auch ja aus all dem himmlischen Aktenchaos herausfischen konnte, hat man mir beim interdimensionalen Rat eine Art Schwulenradar erlaubt. Nur eben viel präziser. Und das hat man mir nie wieder weggenommen. Ich kann also Schwule schon drei Monate vor ihrer Geburt identifizieren.“ In diesem Moment machte Chuck 1 die Tür auf. „Easy!“, rief er derart freudestrahlend, dass seine Zuneigung für die Frontfrau der Sorglospunks sogar dieser hätte auffallen müssen, wäre Easy nicht gerade mit Schmollen und Ignorieren beschäftigt gewesen. „Ist Chuck 2 auch zu Hause?“, fragte Nifen nun, den eigentlichen Grund ihres Besuches wieder vor Augen. Chuck 1 nickte. „Er betet gerade den Videorekorder an, in der Hoffnung, dass dieser sich erbarmt und die alten, ausgeleierten ‚Queer as Folk’-Aufzeichnungen noch einmal abspielt.“ Es war offensichtlich, dass Chuck 1 von der Vorliebe seines Bandkollegen wusste. „Doch kommt erst mal rein“, sagte er, ehe er sich umwandte und in die Tiefen des Hauses brüllte: „Chuck, du hast Besuch!“ „Wehe es ist jemand, der nicht wenigstens so gut aussieht wie Jude Law!“, tönte es etwas frustriert zurück. „Ne, sind nur Brad Pitt, Cristiano Ronaldo und Markus Schenkenberg“, erwiderte Chuck grinsend. „Zu muskulös, zu muskulös, zu muskulös!“, kam das vernichtende Urteil. Offenbar stand Chuck 2 nicht sonderlich auf Jungs mit zu muskulösem Oberkörper. Dennoch schien er sich von dem Videorekorder gelöst zu haben, denn er stieß nun zu seinem Bandkollegen und den Sorglospunks, die noch immer im Flur versammelt waren. „Wo brennt’s? Müssen wir Chris mal wieder nach Japan schaffen und dafür den Bandbully zum Amphibienfahrzeug umrüsten?“, fragte er die Truppe. „Nicht ganz. Ich mein, sicher, Chris hätte nicht gegen einen weiteren Paddelbootausflug, doch heute bräuchten wir eher einen Schiedsspruch von dir“, erklärte Nifen. „Schiedsspruch? Wieso ausgerechnet von mir?“, wollte Chuck 2 wissen und Chuck 1 nickte bekräftigend. „Ja, wieso nicht von mir?“ Schließlich waren sie ebenbürtige Bandkollegen. Abranka klärte auf. „Weil du, Chuck 1, im Gegensatz zu dir, Chuck 2, nicht einen Zigmal-Uropa mit Namen König Salomon hast. Zumindest sagt Chi, dass Chuck 2 der Zigmal-Urenkel von Salomon ist.“ „Ihr meint den Salomon? Der, der hinter der Königin von Saba her war?“ Ungläubig blickten die Countrymusiker den Teufel an. Diese nickte nur. „Genau der.“ Kurze Sekunden der Stille, dann schlug Chuck 1 Chuck 2 kräftig auf die Schulter. „Weißt du, was das heißt?“ „Dass ich künftig vor lauter Sorgerechtsstreitigkeiten nicht mehr dazu komme ‚Queer as Folk’ zu gucken?“, kam die rhetorische Gegenfrage. „Nein! Es heißt, dass dir Musik im Blut liegt und wir auf jeden Fall berühmt werden. Denn schließlich war dein Zigmal-Ururopa König David und der hat ein halbes Gesangsbuch für die Bibel hinterlassen! Wir werden berühmt!“ Und Chuck 1 begann spontan einen Freudentanz in dem engen Flur aufzuführen. „Ähm, ja, alles ganz schön und gut“, mischte sich Nifen wieder ein. „Doch könntet ihr bitte die musikalische Siegesfeier noch ein wenig vertagen? Zumindest solange, bis Chuck 2 sein salomonisches Urteil für die Sorglospunks gefällt hat?“ „Und was haben wir davon?“, wollte Chuck 1 prompt wissen, ohne dabei in seinem Tanz innezuhalten. Chris verkniff es sich an dieser Stelle seinen Standardsatz von einem Kuss auf den frisch gewaschenen Hintern zum Besten zu geben, schließlich wollte er Chuck 2 nicht doch noch auf falsche Gedanken bringen. Derweil tuschelten Nifen und Chi hektisch miteinander. Schließlich konnte man ja kaum erwarten, dass man so einen Schiedsspruch umsonst bekam. Doch wie es schien, gab es im WWWB-Markt gerade ein Supersonderangebot, wo man beim Kauf von drei Kaffeeplantagen eine ‚Queer as Folk’-DVD-Superbox gratis erhielt. Blieb nur noch die Frage, wo man die zwei überzähligen Kaffeeplantagen zwischenlagerte, bis die erste aufgebraucht war. Vielleicht hatte Oma ja noch ein wenig Platz auf dem Speicher. Ein kurzes Telefonat später war das Platzproblem gelöst und Chuck 2 mit seiner Bezahlung zufrieden. „Allerdings bekommst du die DVDs nur, wenn du nicht vorschlägst wahlweise Chris oder Kiwi zu halbieren“, fügte Nifen noch rasch hinzu, ehe der Deal mit einem Handschlag besiegelt wurde. Dann berichteten Abranka, Chi und die Bandmanagerin von der aktuellen Krise, während Jack und Easy sich abwechselnd mit beinahe-tödlichen Blicken durchlöcherten oder sich ignorierten. Sturköpfe eben, wenn es um solche Kleinigkeiten ging. Chris hielt sich derweil vornehm zurück, zufrieden, dass seine Unteilbarkeit vertraglich festgelegt worden war. Denn er wollte nur höchst ungern zwischen die Fronten geraten. In wie vielen Teilen auch immer. „Hm...“, sagte Chuck 2 nach einer nachdenklichen Schweigeminute, während Chuck 1 endlich aufgehört hatte, im Flur zu tanzen – vermutlich hatte er sich einfach genug blaue Flecke an der Garderobe geholt – und war stattdessen in der Küche verschwunden, um das Allheilmittel Kaffee zu kochen. „Wenn wir also die Band nicht teilen wollen, die aktuelle Alleinherrschaft jedoch nicht anerkannt wird, müssen wir also anderweitig für Gleichberechtigung sorgen. Weshalb im Grunde nur eines bleibt: Wir müssen etwas anderes teilen!“ Abwartend fragend sah die Truppe Chuck 2 an. Chris zitterte ein wenig, denn ihm war gerade eingefallen, dass weder seine Gitarre, noch sein Bass, noch die Chat-Standleitung zu Umeko vom Unteilbarkeitsabkommen geschützt wurden. Und mitten ein einem tollen Chat mit Umeko plötzlich die Leitung geteilt zu bekommen...? Und dann nicht mal seine Ladies zum Trost zu haben...? „Wir teilen einfach das Jahr. Jeden Monat ist ein anderer von euch Bandleader. Im Januar wäre es Easy gewesen, im Februar Chris, März Jack und April wieder Easy“, erklärte Chuck 2 endlich seinen genialen Lösungsplan. „Wie? Das soll alles sein? Und so was einfach ist uns nicht selbst eingefallen?“, klang es durcheinander von der Sorglospunkstruppe. „Und soll das heißen, dass ich meinen Bandleader-Monat damit verbracht habe, für Lenn einen Keller zu buddeln?“, wollte Easy wissen. Chi grinste nur. Sie war voll und ganz mit Chucks Vorschlag einverstanden. „Tja Easy, das nennt man eben Pech. Allerdings sind es nicht einmal mehr zwei Monate, bis du wieder Bandleaderin bist. Sieh es also positiv.“ Am Ende des Tages und viele Tassen Kaffee später waren dann auch Jack und Easy zu dem Schluss gekommen, dass Chucks Lösung eigentlich gar nicht so schlecht war. Easy träumte schon von dem Augenblich, da die Reihe wieder an ihr wäre und sie alle herumkommandieren könnte und Jack hegte vermutlich schon Rache-Verweigerungspläne, wo sie alle unangenehmen Arbeiten auf Bandleaderin Easy abwälzte. Und garantiert würde sie jeden zweiten Tag einen neuen Song von Easy sehen wollen. Denn schließlich war das als Frontfrau und Bandleaderin dann ja Easys oberste Pflicht. Abgesehen davon wussten natürlich alle Anwesenden, dass Kiwi die eigentliche Bandleaderin war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)