Sorglospunks forever von Nifen ================================================================================ Kapitel 18: Sechs von Zehn -------------------------- „Mir ist langweilig“, jammerte Tisiphone. „Wie lange müssen wir denn noch für Pandora diese Schlüssel hüten? Der Job ist ja noch öder als die Goldfisch-Aktion.“ Megaira nickte und gähnte leicht. „Ja, aber die Fische allein waren auch langweilig. Erst als wir ein paar von den herkulischen Löwen zur Poolparty eingeladen habe, wurde es interessant.“ „Nur, dass die himmlische Fraktion leider keinen Spaß verstanden hat und uns postwendend gefeuert hat“, warf Alekto ein. Tatsächlich hatten die Furien seit ihrer Entlassung aus der Hell-o-zei kaum einen Job länger als drei Tage gehabt und so langsam bekamen die Mitarbeiter des Entitäts-Arbeitsamtes schon regelrechte Panikattacken, wenn die drei Schwestern einmal mehr die Schalterhalle betraten. Es wäre sogar richtig amüsant gewesen, wie viele der Herrschaften plötzlich beschlossen, genau dann ihre Mittagspause zu nehmen, und sei es die Mittagspause des nächsten Tages, nur um nicht diejenigen sein zu müssen, die den drei gefallenen Rachegöttinnen ihre nächste Arbeitsstelle verschafften, wäre da nicht zugleich die eigene, wachsende Unzufriedenheit gewesen, die Alekto, Megaira und Tisiphone mit jedem Job, den sie verloren, spürten. Hinzu kam, dass sie aufgrund ihrer jahrelangen Tätigkeit als höllische Gesetzeshüter hauptsächlich für Wächterberufe qualifiziert waren und für das Entitäts-Arbeitsamt war es unerheblich, ob das zu bewachende Objekt ein Tor zu Raum und Zeit oder Goldfische waren. „Demnächst teilt ihr uns noch ein, Parkplatzwächter auf der Erde zu spielen“, hatte Alekto gemurrt, als sie von dem zuständigen Sachbearbeiter ihren neusten Posten vermittelt bekommen hatten. „Ist bloß als Urlaubsvertretung und wenn ihr das bis zum Ende durchzieht habt ihr immerhin einen gut erledigten Job in eurer Akte stehen“, hatte dieser erwidert. „Vielleicht müsst ihr dann ja doch nicht Menschenautos bewachen.“ Trotz ihres Missgeschicks mit der einen berühmten Büchse, war Pandora im Laufe der Jahrtausende zur angesehensten Schlüsselbewahrerin jenseits der Menschenwelt aufgestiegen. Ihr riesiger Schlüsselbund umfasste die Schlüssel für alle Kisten, Truhen, Schränke und Türen des überirdischen Refugiums und wann immer ein göttlicher Einfall etwas Unterstützung besonderer Art benötigte, bekam Pandora eine Nachricht, welches Schloss sie öffnen sollte, um das, was dahinter verborgen war, freizulassen. Aber nach mehreren Jahrtausenden ununterbrochener Arbeit für die himmlischen Geschicke und einem kürzlich eingetretenen rebellischen Akt eines gewissen Buhmanns, hatte die Chefetage beschlossen, Urlaub auch für andere Entitäten in Erwägung zu ziehen, sofern sich eine entsprechend geeignete Vertretung fand. Pandora war eine der ersten, die dank der arbeitsuchenden Furien in diesen Genuss kam, und nachdem sie ihrer Vertretung den Schlüsselbund und den Schlösserkatalog in die Hand gedrückt hatte, war sie eiligst und freudestrahlend von dannen gezogen. Bislang allerdings hatte es keinen einzigen göttlichen Einfall gegeben, weshalb die drei Rachegöttinnen noch kein einziges Schloss hatten öffnen dürfen. Dabei waren sie nun schon zwei Tage hier. Zwei volle Tage! Wie unkreativ konnte die himmlische Chefetage eigentlich sein? Offenkundig ziemlich unkreativ. „Ich wüsste zu gerne, was sich hinter den einzelnen Schlössern verbirgt“, meinte Megaira, die lustlos in dem Katalog herumblätterte. „Da steht zwar, wo wir welche Kiste, Truhe oder Tür finden und wie der passende Schlüssel aussieht, aber nicht, was wir damit freilassen, wenn wir denn mal in den Genuss von Arbeit kommen und nicht vorher vor Langeweile zu Grunde gehen.“ Augenblicklich blitzten Tisiphones Augen verschwörerisch auf. „Zeichnet es nicht eigentlich einen guten Mitarbeiter aus, wenn er schon im Vorfeld ahnt, was sein Chef als nächstes für Unterlagen braucht? Oder in unserem Fall, welches Schloss zu öffnen ist? Wir wollen doch Pluspunkte sammeln, oder?“ „Was genau hast du vor?“, fragte Alekto ein wenig zurückhaltend. Nicht, dass sie am Ende nicht doch wieder mitmachen würde, aber allzu schnell nachgeben konnte dem Ruf schaden. „Ein wenig Recherche. Schließlich können wir kaum etwas vorausahnen, wenn wir nicht wissen, was die Kisten und Kästen und Schränke enthalten. Wir können ja einen Bogen um die Schlösser machen, hinter denen es eh schon rappelt und poltert als würden da nur Schwierigkeiten auf uns warten.“ "Genau, wir machen einfach um die großen Türen, hinter denen sie sicher eine ganze Herde Bergtrolle samt Bergkönig verstecken, einen Bogen." Megaira war sofort Feuer und Flamme. "Und um die ganz kleinen auch", erwiderte Alekto trocken. "Wieso? In den ganz kleinen stecken wenigstens keine Trolle." "Vielleicht keine Trolle, aber womöglich Bakterien. Ich persönlich habe wenig Lust, dass man uns die Schuld an der nächsten Ameisenbärengrippewelle und darauf folgenden Impfwut gibt", erklärte Alekto. Auch wenn das daraus resultierende Chaos unter den Menschen köstlich wäre. "Okay, also mittelkleine Kisten und nur Türen, hinter denen nicht Peer Gynt gespielt wird", legte Megaira fest und nahm Alekto prompt den Schlüsselbund aus der Hand. "Dann lasst uns mal ausprobieren, wozu die Schlüssel passen." Und schon war sie, Tisiphone dicht auf den Fersen, im Schlösserarchiv verschwunden. Alketo zögerte noch kurz, dann aber siegte auch bei ihr die Neugier. Es war beinahe wie ein Rausch. Schlüssel ins Schloss stecken, umdrehen, Tür öffnen, hineinspähen und nicht selten ganz schnell die Tür wieder zuschlagen. Etwa, als sie die Tür mit der Sintflut entdeckten. Schließlich fanden sie einen Regalabschnitt, wo zehn identische Kisten nebeneinander standen. "Hm, was passiert wohl, wenn wir mehr als nur ein Schloss auf einmal öffnen?", überlegte Tisiphone laut. Kaum war dieser Gedanke ausgesprochen, als Megaira schon mit dem Schlüsselbund fingerte, um den passenden Schlüssel zu finden. "Ich schließe auf und ihr haltet die Kisten zu, so dass wir alle auf einmal öffnen können", rief sie und machte sich ans Werk. Nun hatten aber auch Furien nur zwei Hände, weshalb jede nur zwei Kistendeckel herabgedrückt halten konnte und sie sich mit sechs der zehn Kisten zufrieden geben mussten. Auf ein Kommando hin ließen sie diese gleichzeitig aufspringen... und sahen erst einmal nichts mehr. Dafür hörten sie umso mehr. Ein Summen, ein Zirpen, ein Quaken und ein stakkatoartiges Klopfen. Als dann auch noch eine kleine, harte Eiskugel Megaira schmerzhaft am Kopf traf, war das Chaos perfekt. „Ich glaube, ich weiß was sich in diesen Kisten verbirgt“, sagte diese alles andere als glücklich. „Scheint als hätten wir die Kisten mit den zehn biblischen Plagen gefunden und sechs davon geöffnet!“ „Du meinst...“ Weiter kam Tisiphone nicht, denn Alekto war vor Schreck ohnmächtig geworden und gegen ihre Schwester gefallen. „Ist sie tot?“, fragte Megaira bestürzt. Schließlich wussten sie ja nicht, welche Kisten sie genau geöffnet hatten und am Ende hatten sie auch die erwischt, wo die Erstgeborenen dran glauben mussten. „Blödsinn!“ Erstaunlicherweise war Tisiphone ganz ruhig. „Die Plagen können nur Mensch und Tier etwas anhaben, nicht aber Entitäten. Also würde Alekto selbst dann nicht sterben, wenn wir tatsächlich die Erstgeborenenplage freigelassen hätten. Ich glaube eher, wir haben die Plage mit dem Ungeziefer erwischt und du weißt doch, dass Alekto panische Angst vor Spinnen hat.“ „Ungeziefer... ebenso Hagel und Dunkelheit. Bleiben noch drei Plagen, die wir spontan nicht zuordnen können. Verdammt, wir brauchen Hilfe, um dieses Chaos wieder zu bereinigen.“ Megaira klang alles andere als begeistert. „Hilfe? Na du bist gut. Das hier sind die biblischen Plagen. Nicht einmal Moses und Aaron hatten darüber Gewalt. Sie haben sie nur gerufen, geschickt und kontrolliert hat sie ein anderer.“ Tisiphone war mehr als skeptisch. „Und du glaubst doch nicht ernsthaft, dass die himmlische Fraktion uns hilft einen weiteren vermasselten Job wieder ins Reine zu bringen.“ Dem konnte Megaira nur zustimmen. „Dummerweise wird uns aber auch die einzige andere Macht, die dazu in der Lage wäre, nicht helfen“, sagte sie betrübt. Womit sie nicht ganz unrecht hatte, schließlich war ihr Ex-Chef, der Teufel, alles andere als gut auf sie zu sprechen. Dennoch ahnten die beiden Furien, dass sie bei Chibichi bessere Karten hatten als beim Rauschebart. „Also gut, lass uns überlegen, wie wir den Teufel dazu bringen könnten, uns zu helfen“, sagte Megaira jetzt, während Alekto langsam wieder zu sich kam. „Vielleicht sollten wir erst einmal eine Bestandsaufnahme machen, damit wir wissen, was genau Chibichi für uns wegräumen soll“, warf Tisiphone ein. Alekto flüsterte schaudernd: „Spinnen!“ „Ungeziefer, das wissen wir schon. Dunkelheit und Hagel. Und so wie es klingt auch Frösche“, zählte Tisiphone auf. „Hat eine von euch vielleicht eine Taschenlampe oder ein Feuerzeug?“ „Ich hab noch ein Knicklicht von einem der letzten Konzertbesuche“, meinte Megaira und wühlte in den Falten ihres Gewandes herum. Gleich darauf war ein blassgrünes Licht zu sehen. „Heuschrecken und Blut“, sagte Alekto zitternd und musste sich zusammenreißen, um nicht beim Anblick all der Spinnen und anderen Krabbeltiere wieder in Ohnmacht zu fallen. „Damit wäre die Liste komplett. Fehlt nur noch ein Köder, um Chibichi auf unsere Seite zu locken.“ Nachdenkliches, angestrengtes Schweigen senkte sich über die drei. Plötzlich stieß Tisiphone einen triumphierenden Schrei aus. Erschrocken sahen ihre Schwestern sie an. „Im Grunde ist es doch ganz einfach! Meg, erinnerst du dich, was du vorhin zuerst gedacht hast, als Alek in Ohnmacht gefallen war?“ „Du meinst die Sache mit den Erstgeborenen, die nur bei Mensch und Tier funktioniert?“ „Genau“, sagte Tisiphone grinsend. „Und kennen wir nicht ein paar Menschen, die dem Teufel dringend am Herzen liegen, so sehr, dass sie uns dafür sogar aus der Hell-o-zei rausgeworfen hat? Würde mich doch schon sehr wundern, wenn da nicht ein paar Erstgeborene dabei wären.“ Die Sorglospunks! Bei drei Bandmitgliedern, einer Katze und zwei menschlichen Crew-Mitgliedern war die Chance auf ein paar Erstgeborene durchaus gegeben. „Aber eines hast du vergessen“, warf Alekto ein, auch wenn sie nichts gegen ein Treffen mit der gesamten Band hätte, denn die gesamte Band bedeutete auch die Anwesenheit eines gewissen Philosophen. „Wir haben die Kiste mit der Erstgeborenenplage gar nicht geöffnet.“ „Na und? Wir können einfach behaupten, die Heuschrecken würden sich durch das Holz der Kiste fressen und es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis auch diese Plage ausbricht.“ Tisiphone sah da keine Schwierigkeiten. Sich den Bauch vor Lachen haltend, starrte Chibichi im Wohnzimmer der Sorglospunks die drei Furien an. „Und ich soll euch allen Ernstes glauben, dass die Heuschrecken es schaffen, sich durch eine von Pandoras Sicherheitsbüchsen zu fressen? Guter Scherz. Versucht es im nächsten Millennium noch einmal!“ Ganz offensichtlich hielt der Teufel nicht viel von der Geschichte, die ihr ihre Ex-Angestellten da auftischten. Doch so schnell gaben diese nicht klein bei. „Es sind biblische Heuschrecken, vom Rauschebart persönlich kreiert und darüber hinaus äußerst hungrig, weil sie seit ein paar Jahrtausenden nicht mehr raus durften, um alles kahl zu fressen. Da fressen die sogar überirdisches Sicherheitsholz!“, erklärte Megaira mit Nachdruck. „Ihr meint...“, Easy, die Frontfrau der Sorglospunks, sah aus, als würde sie jeden Augenblick hyperventilieren, „dass dann alle Erstgeborenen sterben?“ Panik sprach aus ihrer Stimme, doch dann fiel ihr ein, dass ja nicht sie die Erstgeborene war, sondern Jack. In ruhiger Panik, eine wahrlich ungewöhnliche Kombination, besonders im Zusammenhang mit Easy, wandte diese sich zu ihrer Zwillingsschwester um. Jack hatte offenbar schneller erkannt, dass sie diejenige wäre, die diese Plage träfe, und saß nun vor Schock stocksteif gefroren auf dem Sofa. „Chi?“ Hilflosigkeit klang aus Easys Stimme, als Jack selbst dann nicht reagierte, als die Schwester ihr drohte, ihre geliebte Triangel dem örtlichen Tierschutzverein zu stiften, damit diese damit alle streunenden Katzen zum Mittagessen rufen konnten. Der Teufel selbst hatte aber gerade alle Hände voll damit zu tun, ein aufgebrachtes Fellbündel in Griff zu kriegen, bei dem es sich um niemand geringeren handelte als das Bandmaskottchen Kiwi, die Chibichi soeben wortreich auf Katzisch erklärte, dass die Erstgeborenenplage ja wohl auch Tiere beträfe und dass sie, Kiwi, genialstes Bandmaskottchen seit der Erfindung der Bandmaskottchen, eine erstgeborene Katze wäre. Bandmanagerin Nifen, ihres Zeichens ebenfalls erstgeboren, umklammerte derweil krampfhaft ihre Teetasse, während Chris vorsorglich schon mal seiner Gitarre eine Abschiedspolitur verpasste. Wie es aussah, gab es in der Band mehr Erstgeborene als die Furien sich hätten träumen lassen. Endlich hatte sich Chi von der tobenden Katze befreit und abranka Jack mittels einer duftenden Tasse Kaffee wiederbelebt. Ernst sah der Teufel die Furien an. „Angenommen, ich wäre gewillt euch zu helfen, was bietet ihr als Gegenleistung? Wegen der Sache mit den Erstgeborenen würde es theoretisch reichen, die betreffende Kiste in meinen Safe in der Hölle zu sperren. Da kommen dann auch keine Heuschrecken ran, abgesehen davon, dass die Dämonen schon lange keine gegrillten Heuschrecken mehr als Delikatesse hatten. Allerdings zieht so eine Kistenentführung immer eine Menge Papierkram nach sich und ich hasse Papierkram.“ Erwartungsvoll sah Chibichi Alekto, Megaira und Tisiphone an, die sich zu getuschelten Beratungen in eine Ecke des Wohnzimmers zurückzogen. Minuten vergingen, ohne dass die drei sich einigen konnten. Wartend sahen die Sorglospunks ihnen zu, bis es Nifen schließlich zu bunt wurde. Nun, da der unmittelbaren Gefahr des eigenen Ablebens eine mögliche Lösung gegenüberstand, arbeitete ihr Managergehirn wieder auf Hochtouren. Sie wandte sich an Chibichi. „Wie wäre es, wenn die drei als Gegenleistung die nächsten hundert Jahre ehrenamtlich als Security bei den Sorglospunkskonzerten tätig werden? Dann bräuchten wir uns wenigstens keine Sorgen mehr über wackelige Scheinwerfer machen und die Band würde auch nicht mehr mit fauligen Tomaten und anderem Blödsinn beworfen.“ Tatsächlich wurde dieser Vorschlag von allen Seiten angenommen. Auch wenn Tisiphone und Megaira Alekto ein paar böse Blicke zuwarfen, hatte diese doch, beflügelt von der Aussicht häufiger mit LennStar zusammenzutreffen, der Vereinbarung zugestimmt, ohne ihre Schwestern nach deren Meinung zu fragen. Chibichi hielt Wort und mit einem Fingerschnippen und etwas höllischer Energie aus dem Hell-o-Pieks waren die Plagen wieder in ihren Kisten verschwunden und alles war wieder wie zuvor. Bis auf das Blut, das auf dem Boden des Schloss & Schlüssel-Archivs klebte und das die drei Furien nun in schönster Handarbeit, bewaffnet mit Schrubbbürsten entfernen durften. Nun, immerhin waren sie so beschäftigt, bis Pandora aus dem Urlaub zurückkam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)