Sorglospunks forever von Nifen ================================================================================ Kapitel 17: Titanic ------------------- Wer ein friedliches Leben führen möchte, sollte sich nach Möglichkeit keine Haustürklingel zulegen. Oder für den Fall, dass das Wohnobjekt, welches man bezieht, vom Bauherren bereits mit einer solchen Klingel ausgestattet wurde, sollte man diese stumm schalten. Nicht nur, dass man auf die Weise nie in Versuchung gerät, lästigen Vertretern die Tür zu öffnen, man hat auch nie Probleme ungebetene Konfessionsbekehrer wie die Zeugen Jehovas wieder loszuwerden. Man muss noch nicht einmal als inoffizielle Paketannahmestation für die ganze Nachbarschaft dienen, wenn man die Klingel abstellt. Das zumindest sind die Übel, mit denen sich der normale Durchschnittsbürger herumplagen darf. Bei den Sorglospunks hingegen bedeutet das Klingeln an der Haustür meist Ärger. Wenn nicht gerade der örtliche Tierschutzverein aus nicht näher bekannten und generell nicht nachvollziehbaren Gründen wieder einmal eine Beschwerde vorbringt, endet das Klingeln meist mit einem lebensgefährlichen Abenteuer, bei dem zuweilen auch durchaus mal die ganze Welt auf dem Spiel stehen kann. Die einzige Ausnahme stellt ein Besuch von Chi dar, aber dieses Klingeln wird meist schon von der Band sehnlichst erwartet, ist diesem doch nicht selten ein Notruf vorausgegangen. An diesem schönen Sonntagnachmittag aber wussten die versammelten Sorglospunks sehr wohl, dass der Teufel sich derzeit auf diversen Wahlveranstaltungen herumtrieb und fleißigst Seelenfang betrieb, und so waren sie mehr als misstrauisch, als es an der Tür klingelte. „Will nicht mal jemand die Tür aufmachen?“, fragte Easy von der Couch im Wohnzimmer, wo sie gerade Kiwi kraulte. Inspirative Pause beim Songschreiben nannte sie das, aber da augenblicklich kein Konzert-Song-Druck herrschte, beschwerte sich niemand über die Länge dieser mittlerweile stundenlangen Pause. „Wieso gehst du nicht selber? Bei mir will höchstens wieder jemand sein Haustier abgeben“, erwiderte Jack und sah flüchtig von der Fachzeitschrift auf, in der sie las. „Nö, soll Chris machen.“ Stille breitete sich im Wohnzimmer aus, denn Chris, der am Computer saß und mit Umeko chattete, hatte alles um sich herum ausgeblendet. Als es erneut klingelte, erbarmte sich abranka schließlich. „Ja, ja, schon gut, dann geh ich eben.“ Wobei ‚gehen’ natürlich die Sache nicht ganz traf, flog sie doch auf ihrer Wolke zur Tür. „Ja bit...“ Die Worte blieben der sonst so abgeklärten Muse förmlich im Hals stecken, als sie sah, wer dieses Mal den Weg zum Sorglospunks-Hauptquartier gefunden hatte. Hochgewachsen, ein leicht wettergegerbtes Gesicht, das von dunklem, gewelltem Haar umrahmt wurde, stand ein Mann vor der Tür, der eine Jacke mit einem Emblem auf der Brust trug, auf welchem die Buchstaben NUMA zu lesen waren. Seine opalgrünen Augen sahen ein wenig irritiert auf die Wolke und die darauf sitzende Muse. „Hallo“, sagte er schließlich. „Ähm, ich wollte eigentlich die Tischtennisbälle abholen...“ Auch seinen Worten merkte man seine Verwirrung an. In diesem Moment aber kam Nifen schon um die Ecke. „Ah, Sie müssen numadirk56 sein“, begrüßte sie ihn. „Ich hätte nicht so früh mit Ihnen gerechnet, immerhin ist die Auktion erst vor knapp zwei Stunden zu Ende gegangen. Sie schrieben zwar, Sie hätten hier in der Gegend zu tun und würden deswegen keinen Versand benötigen, aber dass Sie schon so bald hier wären... Nun ja, kommen Sie doch kurz herein, während ich die Kiste mit den Bällen hole.“ Endlich erwachte abranka wieder aus ihrer Starre und gab den Eingang frei, damit der Besucher eintreten konnte. „Das ist Dirk Pitt“, flüsterte sie, noch immer ein wenig freudig benommen, Nifen zu. Diese nickte. „Gut möglich. Würde zumindest vom Aussehen und auch vom ebay-Profil her passen.“ Ihr selbst sagte der Name nur bedingt etwas, aber sie wusste, dass eines der Wolkenfächer abrankas Privatbibliothek beherbergte, und dass dort einige Bände der biographischen Abenteuerromane um Dirk Pitt zu finden waren. Als die übrigen Sorglospunks, die im Wohnzimmer kaum etwas von dem Gespräch an der Haustür mitbekommen hatten, das Wort ‚ebay’ mit ihren Radarohren hörten, zuckten sie zusammen. „Sag bloß, du hast uns mal wieder für ein Konzert versteigert?“, kam es prompt und mit deutlich drohendem Unterton von Easy. „Hab ich nicht!“, widersprach Nifen sofort begütigend. „Ich hab lediglich die Fußballtischtennisbälle, die ihr, also du und abranka, letztes Jahr gebastelt habt, eingestellt und für gutes Geld versteigert.“ „Hast du nicht!“ Fassungslos sprang die Bandleaderin vom Sofa auf und ließ Kiwi dabei achtlos fallen. Ein Glück nur, dass Katzen immer auf allen vier Pfoten landeten und so trollte sich das Maskottchen nach einem indignierten Fauchen in Richtung der annektierten CD-Schublade. „Die brauchen wir doch nächstes Jahr wieder! Dann ist Weltmeisterschaft!“ „Bis dahin sind die doch längst in dem Chaos hier verschwunden und ihr hättet neue bemalt“, verteidigte sich Nifen. „Oder willst du mir ernstlich weismachen, dass du nächstes Jahr auch hinter den Konserven nachgeschaut hättest, oder in der untersten Schublade deines Schreibtisches? Von der Kiste im Keller, die ich hinter einem Berg alter Gitarren- und Basssaiten gefunden habe, ganz zu schweigen.“ Es hatte die Managerin nämlich fast fünf Tage gekostet jeden einzelnen Tischtennisball im Sorglospunks-Hauptquartier ausfindig zu machen, der seinerzeit als EM-Dekoration hatte herhalten müssen. „So habt ihr wenigstens einen guten Grund euch nächstes Jahr wieder ins Bastelfieber zu stürzen.“ Bei diesen Worten sahen sich Easy und abranka kurz an und nickten dann einmütig. Während Nifen also die Kiste mit den Tischtennisbällen holte, fasste sich abranka ein Herz. „Mr. Pitt... oder darf ich Dirk sagen?“ Der Angesprochene nickte und die Bandmuse fuhr fort: „Für was genau brauchen Sie die Tischtennisbälle, Dirk? Oh, und wollen Sie vielleicht einen Kaffee?“ Dieser lächelte und ließ sich nicht lange bitten. Die Erklärung, die er abgab, war ebenso simpel wie fantastisch, weshalb die Sorglospunks keine Probleme hatten, das Ganze zu glauben. Wie es schien, plante die NASA nach den Erfolgen von Cassini nun eine bemannte Weltraummission zum Saturnmond Titan. Da aber die Preise für Metall auf dem Weltmarkt bekanntlich ständig stiegen, die Gelder für Forschung aber ebenfalls bekanntlich ständig gekürzt wurden, sah sich die US-Weltraumbehörde gezwungen nach interessanten Alternativen zu suchen. So hatte es sich als wirtschaftlicher erwiesen, die Titanic, die seit bald hundert Jahren im Nordatlantik lag, zu bergen und für den Weltraum flott zu machen, als ein neues Spaceshuttle zu bauen. Für die Bergung hatte man die NUMA beauftragt, deren Mitarbeiter nach eingehender, wissenschaftlicher Prüfung sich für ein Verfahren entschieden hatten, das sie leider nicht patentieren lassen konnten, weil dies bereits von Daniel Düsentrieb in einem Lustigen Taschenbuch gezeigt worden war: Man würde je einen riesigen Sack in das Innere der beiden Schiffshälften bringen und dann die Säcke mit den Tischtennisbällen befüllen, so dass für den notwendigen Auftrieb gesorgt würde. Einmal geborgen, würden die Wrackteile an Land geschleppt und dort von der NASA zu einem weltraumtüchtigen Schiff umgerüstet. Kaum hatte Nifen mitbekommen, dass die NASA an diesem Projekt beteiligt war, hatte sie Tischtennisbälle Tischtennisbälle sein lassen, die Kiste wenig dekorativ aber dafür stolpergefährlich im Flur stehen lassen und war an den Computer gestürzt. Und noch ehe Dirk Pitt seinen Kaffee ausgetrunken hatte, war ein kleiner Siegesschrei aus ihrem Büro zu hören. Gleich darauf kam die Managerin freudestrahlend ins Wohnzimmer. „Wir haben es geschafft! Wir sind dabei, wenn es zum Titan geht. Titanisches Titan-Titanic-Sorglospunks-Konzert!“ Nifen und ihr geheimer NASA-Zugang eben. Die NASA hatte sich ausnahmsweise sogar einmal beeilt und ein halbes Jahr später war alles für den großen Start ins Weltall fertig. Einzig Kiwi musste zurückbleiben, weil die NASA eine Vorschrift hatte, wonach nur Versuchstiere in den Weltraum durften und Kiwi definitiv kein Versuchstier. So etwas überließ sie lieber Hamstern oder Affen. Da aber Oma sich bereit erklärt hatte, solange die Sorglospunks im Weltraum unterwegs waren, auf das Maskottchen aufzupassen, musste niemand von der Crew auf dieses Abenteuer verzichten. Pünktlich zur vereinbarten Zeit, fanden sich die Sorglospunks, ein paar NASA-Wissenschaftler und eine Abordnung der NUMA, die ebenfalls mitreisen würden – zu abrankas Freude war auch Dirk Pitt bei dieser Abordnung – am Weltraumhafen in Florida ein. „Willkommen an Bord, willkommen!“, lächelte ein blonder Mann in Uniform, die allerdings den Eindruck machte, als passe sie nur, solange der Besitzer sich wie James T. Kirk in den späteren Enterprise Filmen des Baucheinziehens befleißigte, den oben Erwähnten entgegen, als sie das Schiff betraten. „Mein Name ist Zapp Brannigan und ich bin für die Reise zum Titan Ihr Kapitän.“ Das schleimige Getue, das falsche Lächeln und der lüsterne Blick, den der Mann Jack zuwarf, ließ bei den Sorglospunks die Frage aufkommen, ob die NASA nicht auch beim Personal gezwungen gewesen war, auf kostengünstigere Alternativen umzusteigen. Chi hielt es an dieser Stelle für geboten, ihrem Kapitän den kleinen Hell-o-Pieks, den sie stets bei sich trug, unter die Nase zu halten, um ihm klar zu machen, dass er seine Aufmerksamkeit lieber der Steuerung des Schiffes statt der Banddrummerin schenken sollte. Schließlich stand die Band unter ihrem persönlichen, inoffiziellen Schutz und da ging es nicht an, dass so ein widerlicher Schleimbeutel sich ungestraft an Jack heranmachen durfte. Zapp Brannigan verstand. Zumindest für die ersten paar Lichtminuten der Reise, was in Bordzeit etwa einer Woche entsprach, schließlich war die Titanic zwar von der NASA nicht mit einem Lichtgeschwindigkeitsantrieb ausgestattet worden, dafür aber zumindest mit einem neuartigen Antrieb, der etwa 1,5 Lichtminuten pro Tag schaffte. Immerhin wussten die Passagiere jetzt, wohin sämtliche, an anderer Stelle eingesparten Gelder geflossen waren. An Bord stellte sich bald Langweile ein. Schließlich waren alle Ereignisse erst für den Zeitpunkt geplant, wenn die Titanic weniger als eine Lichtminute von dem Saturnmond entfernt war. Die Band hatte zwar zwischendurch ein paar mal versucht zu proben, aber das war immer wieder gescheitert. Entweder hatte sich Jack vor dem Kapitän verstecken müssen, Chris wegen Umeko-Entzug Blues geschoben oder Easy war wegen akuter Songschreibunlust vor abranka und ihren Ideenbonbons geflüchtet. Weshalb man die Bandmuse meist bei einer Partie Schach mit Dirk Pitt antreffen konnte, während Nifen und LennStar zwei der NASA-Wissenschaftler Doppelkopf beigebracht hatten und nun munter zockten und Chibichi sich mit den Versuchstieren unterhielt. Der Rest der Truppe las, schlief oder vertrieb sich sonst wie die Zeit. Bis nach etwa drei Wochen Reisezeit Zapp Brannigan eines schönen Morgens ganz aufgeregt in den ehemaligen Speisesaal der Ersten Klasse, der jetzt als allgemeiner Aufenthaltsraum diente, kam und strahlend mitteilte, man habe das Ziel fast erreicht und würde in wenigen Stunden in die Umlaufbahn von Titan eintauchen. Irritiert sahen alle zum schiffsinternen Kalender an der Wand und sprangen dann alarmiert auf. Irgendetwas stimmte da nicht. Sie konnten unmöglich schon nach der Hälfte der berechneten Zeit Titan erreicht haben. „Sie inkompetenter Hornochse!“, schrie der erste Wissenschaftler, der die Schiffsbrücke erreichte, als er sah, was sich auf dem Sichtschirm abzeichnete. „Können Sie denn nicht mal Jupiter von Saturn unterscheiden?“ Ein anderer rief bestürzt: „Sie steuern uns direkt auf Io zu! Auf Kollisionskurs! Schnell!“ Tatsächlich war auf dem Sichtschirm deutlich die kreisrunde, quergestreifte Scheibe mit dem großen roten Fleck zu sehen, die Jupiter charakterisierte. Von den berühmten Ringen des Saturns dagegen fehlte jede Spur. „Sie sind mit sofortiger Wirkung ihres Amtes enthoben!“, rief ein dritter NASA-Wissenschaftler, der als Missionsleiter an Bord fungierte, während hinter ihm nun auch die übrigen Passagiere auf die Brücke strömten. „Das können Sie nicht machen“, widersprach Brannigan empört. „Das ist Meuterei! Außerdem bin ich der einzige, der dieses Schiff durch den Weltraum fliegen kann. Und ich werde ja wohl mal wissen, wo wir uns im All befinden, weshalb ich den Kurs nicht verändern werde!“ Derweil sahen sich die abenteuergeprüften Sorglospunks an und winkten dann Dirk Pitt zu sich hinüber. „Was meinen Sie, Dirk, wären Sie in der Lage mit Hilfe der Wissenschaftler und Ihrer Air-Force-Ausbildung die Raum-Titanic zu fliegen?“, fragte abranka ihren Schachpartner. Dieser nickte zögerlich und sah zu Brannigan hinüber. „Was machen wir so lange mit ihm?“, fragte er, den Kopf in die Richtung des Ex-Kapitäns geneigt. „Der würde mir doch ständig ins Handwerk pfuschen.“ Hier grinste Nifen überlegen. „Lassen Sie den mal meine Sorge sein. Ich bin schließlich nicht umsonst Summa Cum Laude-Absolventin der MacGyver-Fernuniversität. Ich werde einfach einen Kryogentank bauen und den guten Zapp für etwa 1000 Jahre einfrieren. Hat jemand eine Büroklammer und etwas Kaugummipapier?“ ~*~*~*~*~ „abranka! abranka, wach auf!“ Nur langsam drangen die Worte in das Bewusstsein der selig schlummernden Muse. Im Halbschlaf noch, versuchte sie den Störenfried zu verscheuchen. „Geh weg, wir müssen den Kapitän einfrieren, sobald Nifen den Kryogentank fertig hat.“ Leises Lachen war im Hintergrund zu hören, während der sonstige Geräuschpegel um sie herum schlagartig abnahm und so dafür sorgte, dass die Muse nun doch aufwachte. Irritiert sah sie von ihrer weichen Wolke auf und erkannte, dass jemand den DVD-Player und den Fernseher ausgeschaltet hatte, wo zuvor in Endlosschleife eine der Planeten-Doku-DVDs von BBC gelaufen war. „Sag mal, abranka, kann es sein, dass dir ein wenig langweilig war, weil du so viel ferngesehen hast?“, fragte die Managerin da auch schon besorgt, während sie Chris zusah, der am Computer die fünf Fenster mit Youtube-Clips des Films ‚Hebt die Titanic’ schloss. Etwas bedröppelt sah sich die Muse im Wohnzimmer um. Tatsächlich sah es dort nach einem einzigen Mattscheiben-Gelage aus. Aber schließlich war es ja nicht ihre Schuld, dass die Sorglospunks die letzten beiden Tage ausgeflogen waren, um mit allerlei Hilfsarbeiten im Ort das notwendige Geld für die Reparatur des Bandbullis aufzubringen, damit sie heute zum Konzert beim Familientag der etwa 100km weit entfernten Titanic Spezialfahrzeuge GmbH fahren konnten. Apropos Auftritt... fehlte dafür nicht noch ein Song? „Vom Rost befreit schwebt sie durchs All, Bei Io kommt es fast zum Knall. Der Capt’n seines Amts enthoben, Wird in den Kryo-Tank geschoben Titanic heißt das edle Schiff, Die Sorglospunks als letzter Schliff. Als Bordband retten sie die Lag’ Und singen am Familientag: Titanic, auf ewig im All, Titanic...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)