Sorglospunks forever von Nifen ================================================================================ Kapitel 14: Urlaub ------------------ „Bei aller Liebe für die Menschen, aber so kann das nicht weitergehen. Falsche Wettervorhersagen – meinetwegen. Die verschüttete Milch, der verschwundene letzte Keks – bitte. Von mir aus sogar auch die defekten Keramikkacheln am Spaceshuttle, oder die Tatsache, dass die fossilen Brennstoffe auf der Erde nicht unerschöpflich sind. Aber jetzt auch noch eine Weltwirtschaftskrise, an der ich schuld sein soll? Bloß weil die Menschen Euren uralten Rat, Häuser nicht auf Sand zu bauen, nicht beherzigt und ihre Taschenrechner so programmiert haben, dass Eins und Eins plötzlich Drei ergibt, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie sie diese logische Lücke füllen sollen? Ich kündige!“ Aus milde dreinblickenden Augen, hinter denen sich ein stahlharter Wille verbarg, sah der Herrscher des Himmels und Schöpfer der Erde seinen Untergebenen an, der nach dieser Tirade erst einmal Luft schöpfen musste. „Kündigen?“, fragte er ruhig. „Du kannst nicht aufkündigen, was du bist. Deine gesamte Existenz basiert darauf, dass die Menschen dir seit Urzeiten für alles Mögliche die Schuld in die Schuhe schieben. Täten sie es nicht, gäbe es dich gar nicht. Und umgekehrt braucht die Menschheit dich, wenn sie nicht im Chaos versinken wollte. Ohne dich gäbe jeder jedem die Schuld, Konflikte würde nur noch mit Gewalt ausgetragen und am Ende wäre dieser schöne Planet nur noch ein einziger Trümmerhaufen. Du siehst: Du kannst nicht kündigen!“ Göttliche Logik – dagegen kam niemand an. Doch so schnell war die Gestalt vor dem Himmelsthron nicht bereit aufzugeben und plötzlich war sie da: Die Erinnerung an eine Verhandlung zwischen Gott und dem Teufel, aus der die antike Verwicklung rund um Hiob und Jahrhunderte später das Remake mit einem gewissen Dr. Faustus entstanden war. Zwar hatte der alte Herr in beiden Fällen am Ende die Sache zu seinen Gunsten gedreht, aber dennoch dem Teufel für seine Bemühungen widerstrebend Achtung zollen müssen. „Und wenn ich euch beweise, dass es auch ohne mich geht? Lass Ihr mich dann meiner Wege ziehen?“ Der Herrscher des Himmels überlegt einen Moment, doch er war sich sicher, dass seine Pläne zur Personalunion gründlich gewesen waren und so nickte er schließlich. „Einverstanden. Wenn du eine Familie oder einen Haushalt mit nicht weniger als drei Menschen findest, die dir bei keinem einzigen Missgeschick, das ihnen während des nächsten Monats widerfährt, die Schuld gibt, bist du frei.“ Niemand hielt ihn auf seinem Weg durch die geheimen Gänge und düsteren Passagen auf, die vom Himmel zur Unterwelt führten. Aber das überraschte ihn nicht, erkannten ihn die meisten doch erst dann, wenn sie ihn brauchten. Erst im Vorzimmer des Teufels stellte sich ihm ein Sekretariatsdämon in den Weg und verlangte zu wissen, was er vom Boss der Unterwelt wolle. „Eine alte Schuld, die es zu begleichen gilt, führt mich hier her“, gab er zur Antwort. Erfreut sah ihn der Sekretär an. Der Teufel trieb nur zu gerne ausstehende Schulden ein und so meldete er seinem Chef ohne zu zögern den mysteriösen Besucher. In ihrem Büro sah Chibichi von dem Aktenberg auf, der sich einmal mehr auf ihrem Schreibtisch angesammelt hatte, während sie mit den Sorglospunks auf deren Suche nach Weltruhm im Musikgeschäft allerlei Abenteuer erlebt hatte. Als sie den Besucher erblickte, unterdrückte sie einen Fluch. Offenbar war ihr Sekretariatsdämon dringend urlaubsreif, wenn er einen Schuldner nicht mehr von einem Gläubiger unterscheiden konnte. „August!“, grüßte sie die Gestalt mit einem gezwungen Lächeln. „Was führt Dich hier her?“ „Chibichi“, erwiderte dieser den Gruß mit einem Kopfnicken und setzte sich unaufgefordert auf einen der Lehnstühle vor dem Schreibtisch. „Du erinnerst dich an Hiob und Faust?“, kam er gleich zur Sache. Chi nickte. Verdammt aber auch. Sicher, sie hatte geahnt, dass August nicht bloß gekommen war, um ihr ein paar Lose der Sieben-Tage-Regenwetter-Lotterie anzudrehen. Aber dass er diese alte Sache herauskramen würde... „Beide Male habe ich dir erlaubt, mir die Schuld zuzuschieben, damit du kein Ansehen einbüßt...“ Ja, ja, das wusste sie. Und sie wusste auch, dass August nun dafür aller Voraussicht nach eine Gegenleistung verlangen würde. Schließlich war sie der Teufel und kannte sich mit dem Eintreiben von Schulden – vorzugsweise Seelen – bestens aus. Blieb nur die Frage, wie dessen Forderungen aussehen würden. „Weißt du, ich bin die ewigen Schuldzuweisungen leid. So leid, dass ich zum Chef gegangen bin und ihm gesagt habe, dass ich kündige!“ Jetzt lehnte sich Chibichi grinsend zurück. Wenn der alte Rauschebart involviert war, würde es interessant werden. Vielleicht würde es ja sogar ganz spaßig, ihre Schulden bei August zu begleichen. Dennoch sagte sie: „Das lässt er dir nicht durchgehen. Du bist viel zu eng mit dem Gleichgewicht der Welt verbunden.“ „Verschon mich.“ August winkte ab. „Das ganze Rhabarbergesülze von wegen Chaos und so durfte ich mir oben schon anhören. Aber am Ende haben wir eine Art Wette abgeschlossen.“ Und er erzählte dem Teufel von der Vereinbarung. „Wenn du mir also hilfst die Bedingungen zu erfüllen, werde ich uns als quitt ansehen.“ Ein teuflischer Funke glomm in Chibichis Augen auf. „Du weißt, dass er dich trotzdem nicht gehen lassen wird, sondern dich einfach umfirmiert?“ Ihr Besucher nickte. „Das ist auch in Ordnung so, denn eigentlich liebe ich meinen Job. Was sollte ich sonst auch mit all der Zeit anfangen? Socken stricken und hier in der Hölle verkaufen? Aber seit 2000 Jahren habe ich keinen Urlaub mehr gehabt und so geht es nicht weiter.“ Dem konnte Chibichi nur zustimmen und sie brauchte auch gar nicht lange zu überlegen, wie sie August helfen konnte. Sie griff zum Telefon und wählte die Kurzwahl 7. Nach kurzem Klingeln meldete sich am anderen Ende eine Stimme in professionellem Tonfall: „Sorglospunks-Hauptquartier, Bandmangerin Nifen am Apparat, guten Tag.“ „Nifen? Hier ist Chibichi. Hast du deinen Kalender greifbar? Ich wollte nämlich mal wissen, ob ihr in den nächsten vier Wochen viel zu tun habt...“ Eine Stunde später parkte der Teufel sein höllisches Wunderauto Baby vor dem Hauptquartier der Sorglospunks, irgendwo im schönen Schwabenland. „Chiiiiiiiiiiiiiiiiii!“ Angelockt vom Motorengeräusch kam Easy, die Frontfrau der Band, aus dem Haus gestürmt und quetschte sich sogleich an der Höllenfürstin vorbei auf den Fahrersitz, in der Hoffnung, dass das Wunschlenkrad ihr vielleicht an diesem Tag wohlgesonnen war. Dabei fiel ihr Blick auf die Gestalt, die noch immer auf dem Beifahrersitz saß. „Hallo! Wer bist du? Bist du ein Freund von Chi? Bleibst du länger? Oder nur auf einen Kaffee?“, fragte sie neugierig. Aber Chibichi winkte erst einmal ab und lotste die mittlerweile vollzählig im Eingang erschienene Band zurück ins Haus und ins Wohnzimmer. Erst als sie es sich dort gemütlich gemacht hatten, lüftete sie das Geheimnis um die Identität des geheimnisvollen Besuchers. „Das, Leute, ist August Buhmann. Und ja, er ist *der* Buhmann. Er ist der dumme August, der Sündenbock, der dumme Esel, kurz er ist derjenige, dem immer alle die Schuld an allem geben.“ Damit wagte der Gast auch endlich die schwarze Kapuze seines Umhangs, die er sich tief ins Gesicht gezogen hatte, vom Kopf zu ziehen. Zum Vorschein kam ein eigentlich sehr freundliches Gesicht, das aber von zwei hängenden, langen, grauen Eselsohren, violettem Haar, einem Ziegenbärtchen und einer roten Clownsnase verunstaltet wurde. Auch die riesigen, grünen Schuhe, die unter dem langen Umhang deutlich hervorragten, halfen wenig, den optischen Eindruck zu verbessern. Während der Rest der Band sich noch eifrig bemühte, August nicht allzu sehr anzustarren, wandte sich abranka, die als olympische Muse schon sonderbarere Kombinationen gesehen hatte, an Chibichi. „Als du gerade ‚alle’ gesagt hast, war das so nicht richtig. Hier, in diesem Haushalt gibt niemand dem Buhmann die Schuld für irgendwas. Schließlich wissen wir, dass bei uns entweder Murphy, oder die Furien dahinter stecken.“ „Oder Kiwi, die aus Langeweile den Einkaufszettel verbommelt hat“, warf Easy ein, die nach dem letzten unvollständigen Einkauf mal wieder von ihren Bandkollegen wegen des Fehlens bestimmter nicht kaffeeartiger Lebensmittel gerügt worden war. Der Teufel nickte. „Deswegen sind wir ja hier. Denn August braucht dringend eine Auszeit und das geht nur, wenn ihm niemand die Schuld gibt...“ Rasch waren auch die Sorglospunks in die Wette zwischen dem Buhmann und dem Himmelsvater eingeweiht. Und auch, wenn die Band persönlich nichts gegen die himmlische Fraktion hatte, sondern sich eher als neutral in den Angelegenheiten zwischen Himmel und Hölle betrachtete, fanden sie, dass jeder Urlaub verdient habe, und das schloss den Buhmann mit ein. „Boss, ich glaube, Euch bleibt nichts anderes übrig, als den Buhmann gehen zu lassen“, sagte Petrus einen Monat später zu seinem Herrn. „Er hat bewiesen, dass die Welt auch ohne ihn existieren könnte.“ Dieser seufzte. „Für eine Handvoll Menschen, ja... Aber für x Milliarden? Das kann nicht gut gehen!“ Doch als Herrscher des Himmels konnte er unmöglich sein Wort brechen. „Was für Alternativen haben wir?“, fragte er seinen Torhüter, doch es schwang nicht viel Hoffnung in seiner Stimme mit. Petrus schüttelte bedauernd den Kopf. „Ihr habt im Laufe der Jahrhunderte alle Alternativen, die wir hatten, mit dem Buhmann fusioniert oder wegrationalisiert.“ Wie etwa die ganzen niederen Gottheiten polytheistischer Glaubensrichtungen, die nun im Nirwana ihren Ruhestand genossen. In diesem Moment erschienen Chibichi und August im himmlischen Thronsaal. Mit einer spöttischen Verbeugung trat der Teufel vor. „Ich mache dir ein Angebot, das du nicht ablehnen kannst...“, sagte sie in ihrer besten Paten-Imitation und reichte Petrus eine Visitenkarte, damit dieser sie wiederum an den Himmelsfürsten weiterreichte. „Höllische Personalvermittlung – Denn schlimmer geht immer“, stand darauf. „Sechs Wochen bezahlten Urlaub pro Jahr, davon jedes Schaltjahr die Weihnachtstage von Heilig Abend bis einschließlich Heilig Drei Könige“, mischte sich nun der Buhmann ein. „Unter diesen Bedingungen wäre ich bereit, meine Kündigung zurückzuziehen. Als meine Urlaubsvertretung schlage ich einen gewissen Murphy vor...“ Chibichi grinste den Rauschebart auf seinem Thron teuflisch an. „Ich glaube, das wird der Beginn einer wunderbaren Freundschaft...“ (Und bei den Sorglospunks trat der DVD-Player nach so vielen Filmklassikern, die August in den vergangen vier Wochen nachgeholt hatte, erst einmal in den Streik. Aber noch immer gab niemand von der Band dem Buhmann dafür die Schuld.) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)