Tell me the best way I could kill you & Back to reality von abgemeldet (~ Yu Kanda x Tyki Mikk~) ================================================================================ Kapitel 26: ~16~ ---------------- Keuchend stolperte Lavi auf einen großen Platz hinaus. Sein Atem fiel rasch und aufgebracht und ein irritiertes Zucken fuhr durch sein Gesicht, als er hastig um sich starrte. Vor kurzem waren es noch viele Akuma, die ihn lauernd umkreist hatten. Viele hatten ihn auch verfolgt, doch mit einem Mal fand sich Lavi völlig alleine vor. Keine monströsen Körper regten sich in der Dunkelheit der Gassen, keine Schatten flüchteten sich um die Ecken. Fahrig hoben und senkten sich Lavis Schultern, als er sich auch umwandte und zurückblickte. Doch auch dort war kein Gegner mehr zu sehen und atemlos wandte er sich an den schwarzen Golem, der neben ihm flatterte. „Yu?!“, erhob er ächzend die Stimme, setzte sich wieder in Bewegung. „Yu, wo bist du!“ Mit zittrigen Knien zog er über den großen Platz, versuchte angespannt seinen Atem zu beruhigen, doch dies fiel umso schwerer durch die Tatsache, dass sich Kanda nicht meldete. Er antwortete nicht, Lavis Ruf wurde nicht erwidert und auch, als er es abermals tat, umgab ihn nur die alte Stille. Um ihn herum brannten Häuser, Asche und giftiger Dampf stiegen auf und aus der Ferne drangen auch die aufgeregten Stimmen der Stadtbewohner an seine Ohren. Panisch hasteten sie durch die Straßen, verzweifelt versuchte man die Brände zu löschen, während Lavi wieder stehenblieb und sich kurz auf seine Knie stützte. Er befand sich nun im Westen der Stadt. Genau dort, wo sich auch Kanda befunden hatte und ein flüchtiger Schwindel suchte ihn heim, als er sich wieder aufrichtete und weitertrottete. „Yu?!“ Aufgelöst rief er den Namen seines Kollegen, starrte um sich und stieg beiläufig über einen Berg aus Schutt und Gestein, der seinen Weg säumte. „Yu!!“ Das Herz raste in seiner Brust, schiere Ängste bestimmten sein Gefühlsleben und verbittert versuchte er zu pessimistisches Denken zu unterdrücken. Er hatte positiv zu denken, erinnerte sich an Kandas Fähigkeiten und die Tatsache, dass man seinen japanischen Freund nicht beschützen musste. Er war niemals darauf angewiesen gewesen und Lavi betete, dass es auch diesmal nicht der Fall war. Der Hammer schrumpfte in seiner Hand, als er an einer Mauer vorbeizog. Von ihr stand nur noch das Grundgestein. Eine Salve musste sie getroffen haben und wieder stieg er über Gestein hinweg und spähte um sich. Vermutlich war Kandas Golem beschädigt worden… und vermutlich befand er sich hier in der Gegend. Er musste ihn nur finden und anschließend einsehen, dass nichts passiert und er einfach zu fantasievoll war, was Ängste und Gefahren anbelangte. Er schluckte trocken, schluckte gegen den störenden Druck an, der sich in seinem Hals gebildet hatte und blieb stehen, als sich eine schmale Gasse neben ihm erstreckte. Sie führte zwischen zwei hohen Häusern hindurch und konzentriert blieb er stehen. Er betrachtete sich die dreckigen Wände, die zum Teil umgestürzten Mülltonnen und auch über den Boden driftete sein Blick bald. Seine Betrachtung war beiläufig und zufällig, doch mit einem Mal verengte er konzentriert das Auge. Er streckte den Kopf nach vorn, langsam ließ er den winzigen Hammer in der Hosentasche verschwinden und seine Schritte zeugten von einer gewissen Ungeduld… auch von einer schieren Unsicherheit und beinahe rennend ließ er die letzten Meter hinter sich und hielt abermals inne. Und sein Auge weitete sich entsetzt, als er so nach unten starrte und auf die staubige Klinge Mugens, die dort zu seinen Füßen lag. Wortlos öffnete er den Mund, fuhr in die Höhe und starrte abermals um sich. „Yu?!“ Seine Stimme brach sich an den hohen Wänden, leise knirschte der Dreck unter seinen Stiefeln, als er sich drehte. „Yu!!“ Abrupt begann sein Atem wieder zu rasen. Zischend fuhr er herum, presste sich flüchtig die Hand auf das Gesicht und biss die Zähne zusammen. Das Herz sprang ihm beinahe aus der Brust und lange zögerte er, bevor er langsam in die Knie ging und Mugen an sich nahm. Seine zitternde Hand umfasste das Heft des Schwertes, schleppend kam er zurück auf die Beine und wie gelähmt blieb er dort stehen und rang mit sich. „Wie viele von euch sind in dieser Stadt postiert?“, wandte er sich eine knappe Stunde später aufgeregt an einen Finder. Wie lange hatte er gezögert, wie lange benötigt, um zur alten Bewegung zurückzufinden, doch nun war er endlich dazu fähig, etwas zu tun. Der Finder grübelte ihm zu lange. Von seiner Geduld war nichts übrig geblieben und mit einer hastigen Geste trieb er den jungen Finder zur Antwort. „Vielleicht dreißig. Seit der Bürgermeister verdächtigt wird, hat man uns Verstärkung geschickt.“ „Dreißig.“ Lavi stemmte die Hände in die Hüften, wandte sich um und presste die Lippen aufeinander. Doch er grübelte nicht lange, bevor er sich wieder an den Finder wandte. „Ihr teilt euch auf und durchsucht die Stadt!“, befahl er. „Vielleicht ist Yu schwer verletzt… wir müssen so oder so vom Schlimmsten ausgehen.“ „Wenn er noch in der Stadt ist, werden wir ihn finden“, versuchte der Finder Lavi zu beruhigen, doch es war nur Skepsis, auf die er traf. „Wo soll er sonst sein!“ Lavi runzelte die Stirn. „Er muss noch hier sein! Kann ja nicht einfach verschwinden!“ „In Ordnung.“ Wieder nickte der Finder. „Ich sage den anderen Bescheid und wir beginnen sofort mit der Suche.“ Sogleich eilte er davon und mit gemischten Gefühlen blickte Lavi ihm nach. Mugen lag neben ihm auf einer Mauer gebettet und missmutig drehte er sich um und starrte auf die edle Klinge. Wie sehnte er sich nach Wissen. Alles würde er tun, um zu sehen, was geschehen war. Was mit Yu… geschehen war und gleichsam drückten ihn die Ängste und Befürchtungen so schlimm nieder, dass er sich ächzend neben Mugen auf die Mauer sinken ließ. Er setzte sich nieder, stemmte sich auf die Knie und starrte mit finsterer Miene auf einen nicht existenten Punkt. Er trug die Verantwortung für Kanda. War es nicht so? Tief atmete er ein, senkte den Kopf und kratzte sich angespannt den Nacken. Und er fragte sich, ob er einen Fehler begangen hatte. Dabei ging es ihm nicht um die Sicherheit, dass niemand ihn beschuldigen könnte… es ging darum, ob er das Recht hatte, sich selbst all das zur Last zu legen. Natürlich hatte er sich entschieden, auf Kanda zu achten, doch ihre Aufgaben im Rathaus hatten sie auseinander gerissen. Sie hatten sich beide auf etwas konzentrieren müssen, waren beide einem Ziel nachgeeifert… hatten getan, was in ihrer Macht stand. Gähnend trat Komui in die Wissenschaftsabteilung hinaus. Die Tasse in seiner Hand war leer und wie so oft auch, traf er auf müde, überarbeitete Gesichter. Auf Wissenschaftler, die sich gähnend über ihre Arbeiten neigten und er selbst unterdrückte ein Gähnen, als er sich auf den Weg zu all den Reagenzgläsern machte. Der leckerste Tee war natürlich alle, doch es gab noch einen Schwarzen, den er sich gerne einschenkte. Es war tragisch. Wenn Linali auf Mission war, gab es niemanden, der ihm Kaffee brachte und wie weinte er seiner Schwester nach, als er zurück in sein Büro schlenderte. Gerade hatte er die Rundbögen hinter sich gelassen, da erhob sich das Läuten seines Telefons. Müde rieb er sich den Nacken, ließ sich dennoch Zeit auf seinem Weg zum Schreibtisch. Gemächlich ließ er sich nieder, nippte an dem Tee und griff beiläufig nach dem Hörer. Er hob ihn von der Gabel, lehnte sich zurück und bettete den Höhrer am Ohr. „Hier Komui.“ „Komui.“ Erschöpft ließ sich Lavi gegen eine Mauer sinken. Geduldig harrte ein Finder neben ihm aus, dessen Telefon er benutzte. Er bewegte den Hörer am Ohr, griff nach dem Kabel und drehte es um den Finger. Um ihn herum herrschte das alte Chaos… obgleich die Sonne längst aufgegangen war. Die Brände waren gelöscht und doch lag noch der bittere Geruch der Angst und Panik in der Luft. „Könntest du mir einen Gefallen tun?“ „Worum geht es?“ Entspannt nippte Komui an der Tasse und verbittert presste Lavi die Lippen aufeinander. Er zögerte mit der Antwort, blickte flüchtig um sich und besah sich die Finder, die alles taten, um den Stadtbewohnern eine Hilfe zu sein. „Wir brauchen hier mehr Finder“, sagte er dann letztendlich und Komui runzelte die Stirn. Kurz darauf richtete er sich auf, schob rasch einen Haufen Unterlagen zur Seite und fand einen Notizzettel. „Wenn ich mich nicht irre, habe ich in letzter Zeit unentwegt Finder in die Stadt geschickt.“ Lavi nickte nachdenklich. Er wusste, dass es nun an der Zeit war, Ehrlichkeit zu beweisen, doch die richtigen Worte hangen wie giftige Galle in seiner Kehle fest. Er wendete den Hörer zum anderen Ohr, schöpfte tiefen Atem. „In der vergangenen Nacht ist hier ein Kampf ausgebrochen“, würgte er die Worte dann dennoch hervor und rieb sich das Auge. Komui schwieg überrascht. „Es geschah schnell und plötzlich. Auf einmal waren überall Akuma und…“ „Und?“ „… Yu ist verschwunden.“ Lavi senkte den Kopf, presste das Kinn gegen das Schlüsselbein, doch Komui schien den Ernst der Lage nicht zu begreifen. „Und das bereitet dir Sorgen?“, erkundigte er sich und resigniert öffnete Lavi das Auge und starrte zu Boden. „Ich denke, Kanda kann gut auf sich selbst aufpassen. Möglicherweise ist er durch den Kampf nur ein wenig abgedriftet. Er kommt sicher zurück.“ Lavi biss sich auf die Unterlippe. Langsam blickte er zur Seite und starrte auf Mugen, das neben ihm auf der Mauer lag. „Würdest du immer noch so ruhig bleiben, wenn ich dir sage, dass er seine Waffe nicht dabei hat?“ „Wie meinst du das?“ Komui ließ die Tasse sinken und mit einem Mal sprudelte es aus Lavi heraus. „Wir kämpften an verschiedenen Orten… ich bemerkte es möglicherweise auch zu spät, weil ich abgelenkt war und dann verschwanden die Akuma mit einem Mal und Mugen lag in irgendeiner Gasse. Wir haben jetzt die ganze Nacht über die gesamte Stadt auf den Kopf gestellt, jedoch ohne eine Spur zu finden. Und deswegen brauche ich dringend mehr Finder, damit wir auch die Umgebung der Stadt durchsuchen können. In der Nähe gibt es so viele Höfe und Dörfer…“ Komui atmete tief durch. Flüchtig schloss er die Augen, wurde die Tasse auf dem Schreibtisch los. „Ich werde sehen, wie viele Finder in der Nähe der Stadt stationiert sind und sie sofort zu dir schicken“, versprach er dann und sofort nickte Lavi. Er war angespannt, er war müde und doch war nicht an Schlaf zu denken. Nicht, wenn Kandas Aufenthaltsort ungewiss blieb. Er unterdrückte ein Gähnen und hängte den Hörer zurück in die Gabel, bevor er träge nach Mugen griff und sich von der Wand löste. Ein zitternder, langsamer Atemzug strich über Kandas Lippen, während seine Augen entspannt geschlossen blieben und sein Leib sich nur schleppend von der tiefen Bewusstlosigkeit erholte. Nur stockend erwachten auch seine Sinne zu altem Leben und nach einigen Momenten spürte er einen harten, kalten Untergrund, auf dem er lag. Er lag auf der Seite, hielt einen Arm von sich gestreckt und spürte flüchtig, wie eine Brise durch seine Finger strich. Sein Leib hob und senkte sich unter einem tiefen Atemzug, zuckend bewegten sich die Lider und auch die Lippen lösten sich voneinander. Er öffnete den Mund, holte abermals tief Luft und begann seine Finger zu bewegen. Kitzelnd glitt eine schwarze Strähne in sein Gesicht, doch er war nicht wach, auch nicht entschlossen genug, um die Hand zu regen und sie zurückzustreifen. Sein Körper fühlte sich taub an, kalt und unbeweglich… er wirkte, als wäre er gelähmt und auch, als ein leises Scharren in sein Bewusstsein drang, behielt er die Augen geschlossen und driftete allmählich in die Wirklichkeit zurück. Nur langsam, stockend und unbeholfen. Seine Augen bewegten sich hinter den gesenkten Lidern… bald fühlte er auch eine Unebenheit des Bodens, die in seine Seite drückte. Es war unangenehm, es schmerzte, doch es wollte ihm nicht einmal gelingen, sich auf den Rücken zu drehen. Matt und benommen blieb er liegen, seine trockenen Lippen formten sich zu stummen Worten und es nahm viele Augenblicke in Anspruch, bis er gestärkt genug war, um die Lider um ein Stück zu heben. Er begann zu blinzeln. Von irgendwo drang das gleißende Licht der Morgensonne zu ihm. Es blendete ihn und so schloss er die Augen abermals und lauschte mit matter Konzentration in die Umgebung hinein. Irgendwo sangen Vögel. Nahe Baumkronen schienen zu rauschen… doch dies waren auch die einzigen Geräusche. Keine Schritte, keine Stimmen und nach wenigen Momenten öffnete er die Augen abermals. Vorerst bot sie ihm nur ein verschwommenes, undeutliches Bild. Beige Farbtöne umgaben ihn, ein dunkles, hölzernes Dach erstreckte sich über ihm, doch viel eher wurde er auf den schwarzen Fleck aufmerksam, der ihm recht nahe zu sein schien. Er verengte die Augen, blinzelte mehrfach und bald bot sich ihm endlich ein scharfes Bild. Er lag in einer verlassenen Bahnhofshalle, recht nahe an einer alten, bröckeligen Wand. Er bewegte die Hand, ballte sie matt zur Faust, doch mit einem Mal war er wach. Ein Zucken durchfuhr seinen Körper und abrupt weiteten sich seine Augen, als er den jungen Mann erblickte, der vor ihm auf einer Bank saß. Er saß ihm zugewandt, hatte sich bislang zurückgelehnt und löste sich nun von der Rückenlehne. Seine Bewegungen schienen geschmeidig und entspannt, als er sich nach vorn neigte und die Ellbogen auf die Knie stemmte. Kaum zwei Meter trennten die beiden voneinander. Tykis lockiges Haar wiegte sich unter einer milden Brise, die sich ihren Weg in das alte Gebäude gesucht hatte. Säuberlich lag der Zylinder neben dem jungen Mann auf der Bank. Auch das Frack war ein wenig aufgeknöpft und erlaubte den Blick auf ein ordentliches, weißes Hemd, das den schlanken Oberkörper des Noah kleidete. Seine Beine steckten in einer edlen schwarzen Hose und leise knirschte der Dreck unter den sauber polierten Schuhen, als sich diese flüchtig regten. Tyki atmete tief ein, atmete aus… kein Gedanke war an seiner Mimik abzulesen, während Kanda erblich. Regungslos blieb er liegen. Keine Sekunde konnten sich seine Augen von Tyki lösen. Stockend drifteten sie über seinen Leib, schweiften auch zu seinem Gesicht, während zitternder Atem geräuschvoll über seine Lippen drang. Eiskalte Schauer suchten ihn unterdessen heim. Sie ließen ihn erschaudern, während ihm die schiere Angst wie ein bitterer Geschmack auf der Zunge lag. Stille herrschte zwischen ihnen. Sie betrachteten sich einander und merklich zuckte Kanda zusammen, als sich Tyki in Bewegung setzte. Er richtete sich auf, zückte eine Schachtel und zog eine weiße Zigarette ins Freie. Seine hellen Augen lösten sich flüchtig von Kanda und gerne ließ er sich Zeit mit dem Streichholz. Bedächtig entfachte er es, entzündete den Tabak und warf es anschließend hinter sich. Genüsslich nahm er einen tiefen Zug, schloss kurz die Augen und ließ den Rauch aus der Nase dringen. Bebend hob und senkte sich Kandas Leib unter dem heftigen Atem, keine Bewegung wollte ihm gelingen, während das Wissen in ihm pulsierte, dass er Tyki ausgeliefert war. Er spürte Mugen nicht an seiner Hüfte. Seine Waffe war nicht bei ihm und verbittert rang er mit sich. Sein rasendes Herz… Sein bebender Atem… Seine zitternden Glieder… Verzweifelt suchte er nach Fassung, nach Kontrolle, doch ein Blick Tykis machte jeden Versuch zunichte. Nur kurz blickte der Noah zu dem jungen Exorzisten, schürzte die Lippen und lehnte sich wieder zurück. Er machte es sich an der Rückenlehne bequem, schlug die Beine übereinander und ließ die Stille zwischen ihnen anhalten. Er schien es bequem zu haben, verträumt blickte er zum Dach der alten Halle auf, während nicht weit entfernt Tauben gurrend ihres Weges tappten. Flüchtig strich er sich auch das Haar zurück, während Kanda gegen den unangenehmen Druck in seinem Hals anschluckte. Es fühlte sich furchtbar an, unangenehm… doch während Tyki die Augen geschlossen hielt und den Hinterkopf in den Nacken legte, wurde Kanda auf eine nahe Tür aufmerksam. Er hob matt den Kopf vom Boden, starrte zu ihr und verschloss den bebenden Atem flüchtig hinter den Lippen. Er presste sie aufeinander, doch kurz darauf brach er umso lauter aus ihm hervor. Tyki schenkte seinen Blicken keine Beachtung. Behaglich rauchte er, bewegte den Fuß in der Luft und ließ den Rauch gen Decke aufsteigen. Er formte Kreise, genoss die Zigarette wie keine andere und noch immer starrte Kanda auf diese Fluchtmöglichkeit. Er wusste es… es war eine unumstößliche Tatsache für ihn, dass Tyki nach Rache sann und so, wie er ihn kannte, würde es ihm gleichgültig sein, ob er bewaffnet war oder nicht. Hier in dieser Halle befürchtete er seinen Tod und umso verlockender wurde diese nahe Tür. Wenn er schnell genug war… Hastig befeuchtete er die trockenen Lippen mit der Zunge. Fahrig blinzelte er auch, doch sobald er sich zu regen begann, durchzuckte ihn ein höllischer Schmerz, der ihn in sich zusammenfahren ließ. Er erbebte, stieß ein gequältes Stöhnen aus und ließ sich benommen gen Boden zurücksinken. Seine Beine… Sobald er darauf aus gewesen war, sie zu nutzen, hatte ihn diese schiere Pein erreicht und verbittert versuchte er sie zu bewegen. Stockend räkelte er sich auf dem Boden, tastete sich zu seinem Oberschenkel, während Tyki die Zigarette abermals zwischen die Lippen klemmte und tief an ihr zog. Kanda kannte diese Art von Schmerz. Er erinnerte ihn schmerzlich an das, das geschehen war. An seine Schulter, die Tyki mit nur einem Griff untauglich gemacht hatte. Nun waren es seine Beine unter deren Haut zerrissene Muskeln pulsierten. Er spürte sie, fühlte den Schmerz und gleichsam auch die Ausweglosigkeit seiner Lage. Er konnte weder aufstehen, noch konnte er flüchten und verkrampft biss er die Zähne zusammen, als er damit rang, sich zumindest ein wenig aufzusetzen. Er wollte nicht im Staub des Bodens sterben. Nicht zertreten werden wie Ungeziefer und während er mit sich kämpfte, richtete sich Tyki wieder auf. Er senkte den Kopf, senkte auch die Zigarette und verfolgte schweigend, wie sich Kanda in eine aufrechte Haltung quälte. Keuchend und stöhnend rappelte er sich auf, schob sich um ein Stück zurück und lehnte sich ächzend gegen die Wand. Tyki schürzte die Lippen. Schweigend blickte er zu der Zigarette und noch einen Zug nahm er, bevor er sie zur Seite schnippte und flüchtig an seinem Frack rückte. Schwer atmend stemmte sich Kanda mit den Händen noch um ein Stück höher, bevor er abermals gegen das poröse Gestein sank und kurz die Augen schloss. „Nur eine Vorsichtsmaßnahme“, erhob sich plötzlich Tykis Stimme. Sie erhob sich ruhig, erhob sich entspannt und Kanda zwang sich dazu, die Augen wieder zu öffnen. Der junge Noah wies mit einem Nicken auf seine Beine. „Ich möchte nur sichergehen, dass du mir zuhörst. Es wäre unpraktisch, wenn du zu flüchten versuchst. Aber keine Bange. Bis das geheilt ist, sind wir sicher längst miteinander fertig.“ Ein kurzes Zucken durchfuhr Kandas Gesicht. Es offenbarte puren Argwohn, pure Abneigung. Seine Augen blieben mit einer Mischung aus Hass und Angst auf den Älteren gerichtet. Und er war zu keinem Wort fähig. Seine Stimme war in seiner Brust vereist und so unterlag er auch weiterhin seinem scharfen Keuchen. Sein gesamter Körper fühlte sich in dieser Haltung abermals so gelähmt an und mit einem Mal zweifelte er daran, ob er wirklich auf die Beine gekommen… ob er nicht sofort wieder in sich zusammengesunken wäre. Mit einem Mal entpuppte sich der Wille zur Flucht als lächerlich und die Eindrücke der Umgebung verblassten in Kandas Wahrnehmung. Einzig und allein auf Tyki konzentrierte er sich. Wandte nicht die Augen ab, achtete auf nichts und niemanden. Der junge Noah wirkte unterdessen nachdenklich. Er rieb sich das Kinn, lauschte in die Stille hinein, die nur von Kandas Keuchen unterbrochen wurde und nach wenigen Momenten zückte er abermals die Schachtel. Er atmete tief durch, bot Kanda schweigend eine Zigarette an und zog die Schachtel zurück, als dieser nicht reagierte. An der Schachtel starrte er geradewegs vorbei, zeigte keine Regung und seufzend gönnte sich Tyki noch einen Glimmstängel. Die alte Stille brach zwischen ihnen aus, während er auch diesen entzündete, das Streichholz knirschend zertrat und es sich abermals auf der Bank bequem machte. Aufgebracht und unsicher verfolgte Kanda, wie der graue Rauch aufstieg. „Du hast Glück, weißt du das?“ Wieder ergriff Tyki das Wort ruhig und bedächtig. „Der Graf wollte deinem Leben eigentlich eigenhändig ein Ende setzen aber ich konnte ihn davon überzeugen, es mir zu überlassen.“ „Ts.“ Kanda versuchte sich an einem humorlosen Grinsen, doch die Mimik entgleiste ihm, verzerrte sich vielmehr, als Hohn zum Ausdruck zu bringen. So erhob sich seine Stimme auch bebend und leise. „Und das soll mich in eine bessere Lage bringen?“ Mit einem Mal erhob sich Tyki von der Bank. Er kam auf die Beine, stockend und geweitet folgten ihm Kandas Augen und zitternd presste sich der Körper des Jüngeren fester gegen die Wand, als sich Tyki bequem vor ihn hockte. Er ließ sich sinken, nahm einen bedächtigen Zug und schien sich Kanda genau zu betrachten. Er studierte sein Gesicht, legte den Kopf schief. „Als wir uns das letzte Mal trafen, blieb uns leider keine Zeit für eine gediegene Unterhaltung. Ebenso warst du so erpicht darauf, mich umzubringen. Deswegen… lass es uns jetzt nachholen.“ Ein knappes Lächeln flüchtete sich über Tykis Lippen. „Wie geht es dir, seit du mich besiegt und getötet hast?“ „Ich habe dich getötet, weil du es zugelassen hast!“, zischte Kanda leise zurück. „Also sprich nicht von Siegen! Du hast mit mir gespielt…“, Kanda schluckte, „… ein weiteres Mal.“ Wenn sie auch immer noch bebte, seine Stimme erhob sich nun etwas gefasster. „Ich sehe schon.“ Behaglich ließ sich Tyki tiefer sinken. Er setzte sich vor Kanda. „Es ist wohl zum Besten von uns beiden, dass ich zurückgekehrt bin.“ Finster richtete sich Kandas Blick auf ihn, doch er lächelte erneut. „Ich vermute, dass es viel gibt, was du mir sagen willst. Nun, du hast jetzt die Gelegenheit dazu.“ „Einen Teufel sage ich!“ Stockend regte sich Kanda an der Wand. Er fühlte sich eingekesselt, in die Enge getrieben, so wollte auch das Zittern seines Körpers einfach nicht nachlassen. „Wenn du mich töten willst, dann tu es einfach!“ Leise seufzte Tyki auf. Er kratzte sich im Schopf, betrachtete sich Kanda beinahe enttäuscht. „Waren wir nicht schon einmal an diesem Punkt?“ Und Kanda zuckte zusammen. Es schmerzte, dass Tyki diese Worte in den Mund nahm. Was geschehen war, wurde dadurch nur umso reeller, umso spürbarer und so schwieg er verbittert und angespannt. Tyki musterte ihn eine zeitlang schweigend und nachdenklich, bevor er die Zigarette auf dem Boden ausdrückte. Keinen Moment lösten sich seine Augen von dem Jüngeren und kurz darauf kam er nicht um das alte Lächeln. „Hast du Angst?“, erkundigte er sich leise, doch sah Kanda nur schweigen. Still drifteten die hellen Augen weiter. Sie wurden dem Gesicht untreu, richteten sich auf den freien Hals Kandas. Auch auf den Teil der Brust, der durch die offenen Knöpfe zu erkennen war. Und sein Lächeln vertiefte sich, bis er die Hand hob. Eine simple Bewegung, die Kanda dennoch zusammenzucken ließ und wie verkrampft schmiegte er sich gegen die Wand, als sich die dunkle, gepflegte Hand des Noah seinem Gesicht näherte. „Du bist…“, Tykis Fingerkuppen erreichten Kandas Wange, strichen sanft über sie hinweg, „… wunderschön.“ Angespannt versuchte Kanda den Berührungen zu entfliehen. Ruppig wandte er den Kopf ab, doch sofort erhaschte Tykis Hand eine schwarze lange Strähne. Er spielte mit ihr, drehte sie um den Finger. „Die Angst, die du verspürst, macht dich nur noch schöner, weißt du das?“ Angespannt schloss Kanda die Augen. Hasserfüllte Worte stiegen in ihm höher, doch gleichsam rang er auch mit einer schieren Übelkeit, die sich in seinem Magen bildete, dort rumorte und ihn schwer schlucken ließ. Nichts, das Tyki entging. Tief atmete er auf, sachte entfernte sich die Hand von Kanda. Die Strähne glitt zwischen seinen Fingern hindurch, bevor er die Hand sinken ließ. So senkte er auch den Kopf, blickte durchaus nachdenklich zu Boden. Er füllte die neu auflebende Stille mit Grübeleien, bald verzog sich seine Miene und Stirnrunzelnd sah er den Jüngeren wieder an. „Weißt du…“, erhob er leise die Stimme, verbittert starrte Kanda noch immer zur Seite. Auch seine Schultern… sie hoben und senkten sich unter dem alten, aufgebrachten Keuchen. Seinem Körper war es ein Unmögliches, zur Ruhe zu finden. Nicht in dieser Lage. „… es gibt zwei Stimmen in meinem Kopf.“ Tyki legte den Kopf schief, senkte die Stimme zu einem Flüstern. „Willst du wissen, was sie mir sagen?“ Kanda zog die Nase hoch, presste die Lippen aufeinander und schwieg, stets darauf bedacht, sein Gegenüber nicht anzusehen. Es schmerzte. Der Anblick des jungen Noah… schmerzte. Langsam hob die Tyki die Hand zum Gesicht. Sachte tippte sein Zeigefinger gegen die Schläfe. „Die eine Stimme sagt mir…“, die Hand sank hinab, flüchtig verengten sich Tykis Augen, „… dass ich dich hier und jetzt und auf dem Boden abermals nehmen sollte und dass es mir mehr als gefallen wird.“ Flüchtig versiegte Kandas Atem. Es war ein quälender Stich, der ihn erfasste und alleine bei dem Gedanken, packte ihn die nackte Angst und ließ seinen gelähmten Körper heiß und kalt zugleich erschaudern. „Die andere jedoch…“, fuhr Tyki da schon leise fort, annähernd andächtig. Keinen Moment ließ er den erstarrten jungen Mann unterdessen aus den Augen, „… sie flüstert mir zu, dass ich viel eher vor dir auf die Knie sinken und um Vergebung bitten sollte.“ Ein Beben fuhr durch Kandas Arme. Mit einem Mal kehrte eine gewisse Beweglichkeit zurück und augenblicklich erwachte er zum Leben. Sein Kopf schnellte zu Tyki. Schlagartig riss sich auch sein Arm in die Höhe und wie gierig lechzten seine Finger danach, sich um den Hals des Noah zu schließen. Sie streckten sich ihm entgegen, doch plötzlich riss es seinen Körper zur Seite. Es war Tykis Hand, die ihm zuvorkam. Abrupt bettete sie sich auf Kandas Ohr und ein gequältes Stöhnen erhob sich, als er den Kopf des Jüngeren zu Boden schmetterte. Die alten Fliesen brachen unter Kandas Stirn, knackend sank sein Kopf tiefer und mit zusammengebissenen Zähnen rang er flüchtig mit dem tobenden Schmerz, der in seinem Kopf ausbrach. Er zischte auf, schloss die Augen und spürte kurz darauf das Gewicht des Noah auf seinem Kreuz. Entspannt stemmte sich Tyki auf ihn, bettete den Ellbogen in Kandas Nacken und löste die Hand von seinem Ohr. Er tat es sachte, verspielt nahmen seine Finger vereinzelte Strähnen mit sich und während Kandas Leib unter dem neu aufgelebten Keuchen bebte, machte er es sich ein wenig auf ihm bequem. „Du hast es also nicht verloren… dein Feuer.“ Tyki legte den Kopf in den Nacken und blickte zum alten, hölzernen Dach auf. Stockend begann sich Kanda unter ihm zu regen. „Weißt du… nicht nur deine Schönheit bewegte mich dazu, dich zu nehmen.“ Benommen tastete Kanda um sich. Nur kurz versuchte er sich in die Höhe zu stemmen, doch seinem Leib fehlte die Kraft, das Gewicht des Noah zu tragen. „Auch diese Flamme… die tief in deinem Inneren lodert“, fuhr dieser entspannt fort. „Die nicht einmal erlosch, als du dich nackt unter mir wandtest und unter meinen Stößen stöhntest.“ Gepeinigt schloss Kanda die Augen, sank auch nach dem nächsten Versuch zurück zu Boden. „Sei still…!“ Seine Stimme war nicht mehr als ein fahriges Keuchen. Er wollte es nicht hören…! Wollte nicht, das hervorbrach, was er in sich begraben hatte und wie wand er sich unter den grausamen Bilden, die vor seinen Augen aufflammten. Aufmerksam verfolgte Tyki seinen stillen Kampf. Er blickte zu Kandas Gesicht hinab, wortlos bewegten sich seine Lippen aufeinander und flüchtig strich er sich das Haar zurück, bevor er sich auf die Seite wendete und die Hand abermals zu Kandas Ohr senkte. Auffällig zuckte dieser in sich zusammen, als er spürte, wie er gestreichelt wurde. Beruhigend glitt Tykis Hand über seinen schwarzen Schopf hinweg, ließ sich kurz vom Ohr verleiten. Er umspielte es mit den Fingern, verfolgte deren Arbeit fasziniert, während Kanda mit der alten Übelkeit rang. Er fühlte sich, als müsste er sich endlos übergeben. Bei jeder Berührung, die der Noah ihm so heuchlerisch zärtlich zukommen ließ. „Aber nun muss ich dich bitten, dich zu benehmen.“ Innig übte Tykis Hand Druck auf Kandas Kopf aus. Er liebkoste ihn auch weiterhin, senkte die Stimme zu einem leisen Flüstern. „Du weißt, was geschieht, wenn du mich herausforderst. Bitte zwing mich nicht dazu, dir wehzutun.“ Er spürte ein Beben unter sich. Tief zog Kanda Luft in seine Lunge und annähernd irritiert hob Tyki die Augenbrauen, als ein trockenes, humorloses Lachen aus Kanda hervorbrach. „Seit wann hast du Probleme damit!“ Tykis Hand, soeben noch versucht, nach einer auffälligen Strähne zu greifen, hielt mit einem Mal inne. Er blieb auf Kanda liegen, doch zögerte in jeder Bewegung. Nachdenklich und erwartungsvoll blieben seine hellen Augen auf das Gesicht des Jüngeren gerichtet. Die deutliche Belustigung verblasste so rasch, wie sie gekommen war und kaum ein Moment verging, bis wieder schiere Verbitterung seine Züge formte. „Du hast mich verstümmelt, geschändet, bei den Mienen verhöhnt und mich anschließend ebenso gedemütigt, indem du es zugelassen hast, dass ich dich töte!!“ Gellend erhob sich seine Stimme in der verlassenen Halle. Ungewöhnlich laut erhob sich der Flügelschlag der Tauben, als sich diese aufgeschreckt in die Luft erhoben und tief atmete Tyki ein, als er langsam aufblickte. „So siehst du das?“, erwiderte er dann leise. Nach wenigen Augenblicken löste sich seine Hand von Kandas Schopf und erleichtert spürte dieser, wie der schwere Druck des Noah nachließ. Schweigend schob sich Tyki von dem Jüngeren, stemmte sich zurück und kauerte sich wieder vor ihn. Sofort versuchte sich Kanda wieder aufzurichten, doch seinen Armen fehlte es an jedweder Kraft und matt sank er zurück zu Boden, während sich Tyki flüchtig den Staub aus der Hose klopfte. Es machte den Anschein, als hätten ihn die zornigen Worte getroffen und flüchtige Stille brach zwischen den beiden aus, bevor sich Tyki seufzend aufrichtete. „Bevor wir gegeneinander kämpften, warst du wenig gesprächig.“ Kanda spürte einen Griff an seinem Arm. Tyki beugte sich über ihn, zog ihn in die Höhe und schob seinen Rücken zurück gegen die Wand. Bröckelnd löste sich das Gestein des Bodens von Kandas Stirn. Es vermischte sich mit dem Blut, das sofort das Gesicht des jungen Mannes hinabperlte. Kurz fasste Tyki ihn an beiden Schultern, doch sein Griff war sachte. Er fügte Kanda keinen Schmerz zu, postierte ihn aufmerksam am alten Fleck. Flüchtig strichen seine Finger über den Stoff des Hemdes hinweg. Nachlässig richteten sie es, doch umso liebevoller kümmerte er sich anschließend um Kandas Gesicht. Angespannt schloss dieser die Augen, als er das Kitzeln der milden Berührungen auf seinen Wangen spürte. Behutsam strich Tyki das wirre lange Haar zurück, legte sein Gesicht frei und kurz wischte er auch über die klaffende Wunde auf seiner Stirn. „Nun bleibt uns jedoch genug Zeit.“ Endlich lösten sich die Finger von Kandas Gesicht und als dieser die Augen öffnete, richteten sich diese zufällig auf die nahe Tür. Ein Blick, der Tyki nicht entging. Er nahm an seiner Beobachtung teil, schien die Gedanken des Jüngeren zu lesen. „Niemand wird dich hier finden“, murmelte er leise. „Niemand.“ Ein zitternder Atem strich über Kandas Lippen, als er die Augen von der Tür löste. Still blickte er zu Boden und lange zögerte er, bevor er zu leisen Worten imstande war. „Ich habe dir nichts zu sagen“, wisperte er abermals und Tyki hob die Brauen, wirkte überrascht. „Wirklich nicht?“, hakte er sogleich nach. „Nachdem ich starb… hast du dich niemals danach gesehnt, mir etwas ins Gesicht zu sagen? Mich anzuschreien? Mir Vorwürfe zu machen?“ „Das einzige“, stieß Kanda leise aus, „wonach ich mich sehnte, ist, dich abermals umzubringen.“ Ein Zucken durchfuhr seine Miene. „Immer… und… immer… wieder.“ „Diesen Gefallen kann ich dir leider nicht tun.“ Ein mildes Lächeln entfaltete sich auf Tykis Lippen. Verbittert starrte Kanda noch immer hinab und entspannt machte es sich Tyki auf dem Boden bequem. Er setzte sich nieder, winkelte die Beine an und bettete die Ellbogen auf den Knien. Locker umfasste er auch ein Handgelenk. „Aber wenn ich dich mir so betrachte, zweifle ich daran, dass mein Tod dir sonderlich geholfen hat.“ Und Kanda schwieg. Kein weiteres Wort kam über seine Lippen und diesmal handelte es sich um eine Stille, die Tyki kaum ertrug. „Sprich mit mir“, forderte er den Jüngeren nach wenigen Momenten sanft auf und Kanda antwortete, ohne ihn anzusehen. „Satan bittet zur Beichte?“, flüsterte er leise und schüttelte matt den Kopf. Diesmal war es Tyki, der dem Schweigen verfiel. An seiner Mimik war nicht auszumachen, wie er über die Situation dachte. Seine Lippen blieben versiegelt und er ließ Kanda Zeit. Er wartete… und er wartete lange, bis sich Kandas Brauen voller Missfallen verzogen und jeder Zug in seinem Gesicht dieser Emotion gleichkam. „Du interessierst dich einen Dreck!“ Nachdrücklich wurde er anschließend die Worte los, die sich nicht mehr länger in ihm hielten. „Dir geht es nicht darum, wie es um mich steht, du sadistischer Bastard! Das einzige, worum es dir geht, ist, dich bestätigt zu sehen… ja, vielleicht amüsierst du dich sogar prächtig!“ Kanda schöpfte tiefen Atem, regte sich kurz an der Wand. „Ich werde dir einen Teufel sagen.“ „Mm.“ Tyki senkte den Kopf. Seine Hand fand zum Kinn und grüblerisch rieb er es sich, während er sich das lose Gestein zu seinen Füßen betrachtete. Leise erhob sich das Gurren der Tauben. Sie hatten sich auf einem alten Dachträger niedergelassen und unauffällig mischte sich das Scharren des Gesteins darunter, als Tyki die Füße bewegte. Der Noah blieb gefasst, wirkte flüchtig absent, doch bald legte sich seine Stirn in Falten. „Als wir uns trafen… im Wald“, erinnerte er sich leise, „… gemeinsam mit deinen Kollegen.“ Er schürzte die Lippen, blickte sinnierend zu Kanda auf. „Du sagtest mir, dass du dich nach dem Tod sehnst. Dass du es hasst, am Leben geblieben zu sein.“ Und er hatte es erwartet. Dass er auch diesmal keine Antwort erhielt. Er wusste auch nicht, um welche es sich handeln sollte und so fuhr er leise fort. „Möchtest du…“, murmelte er, „… immer noch sterben?“ Kanda presste die Lippen aufeinander. Es schien, als gäbe es Worte in ihm, die hervorbrechen wollten, doch er gewann den Kampf gegen ihre Macht, wurde aufmerksam gemustert. „Ich wundere mich doch sehr, dass du mich nicht schon längst darum gebeten hast, deinem Leben ein Ende zu setzen.“ Kurz gestikulierte Tyki mit der Hand. „So vernarrt, wie du damals in diesen Wunsch warst…“ Und Kanda schloss die Augen. Seine Lider senkten sich, seine Schultern regten sich unter einem tiefen Durchatmen und geräuschvoll drang es an Tykis Ohren. Es zeugte von einem inneren Kampf, einem schier gnadenlosen Duell gegen die Emotionen, die dieser Situation gerecht werden könnten. Wortlos öffnete Tyki den Mund. Er streckte den Kopf nach vorn, verengte unter angestrengtem Sinnieren die Augen und eine lange, intensive Musterung seines Gegenüber brachte seine verzerrte Mimik zurück zur völligen Entspannung. Eine Einsicht erreichte ihn, unter der er sich langsam zurücklehnte. Sie schien ihn schwer zu treffen und offensichtlich suchte er lange nach Worten. „Nein…“, brachte er beinahe lautlos hervor, senkte den Blick und schüttelte den Kopf. „Kann es sein… dass…“ Seine Stimme versiegte in Unentschlossenheit, stockend rieb er sich abermals das Kinn und versunken in tiefen Grübeleien ließ er die Stille ein weiteres Mal gewähren. Sie saßen voreinander und Kanda wurde die Zeit gegeben, gegen seinen rasenden Atem anzukämpfen. Er schluckte ihn hinab, langsam tastete sich seine Hand zur Brust und kurz rieb er sie sich, bevor er den Arm im Schoß bettete und den Hinterkopf gegen die poröse Wand sinken ließ. Und er hörte Tykis Atem. Er fiel entspannt, fiel leicht und sachte und abermals schluckte er schwer und löste den Druck auf, der sich bei jedem Wort des Noah in ihm gebildet hatte. Tyki senkte den Kopf tiefer, unschlüssig glitt seine Hand zur Stirn und kurz verharrte er in dieser Haltung, bevor er den Arm sinken ließ und Kanda annähernd ungläubig ansah. Direkt und unausweichlich richteten sich seine hellen Augen auf das in der Zwischenzeit gefasste Gesicht seines Gegenübers. Kanda machte nicht den Anschein, sich Tykis Grübeleien anzuschließen. Seine Mimik machte auf keine Gedanken aufmerksam und abermals schöpfte er tiefen Atem. Er spürte, wie er in seine Brust floss, wie es in ihm pulsierte und kurz befeuchtete er die Lippen mit der Zunge. „Ich…“, flüsterte er dann mit brüchiger Stimme, „… will leben.“ Und Tyki begann sich zu bewegen. Er zog die Beine an, setzte sich in den Schneidersitz. Entspannt schlang er den Arm um die Brust, bettete den Ellbogen auf dem Handgelenk und die Wange in der Hand. „Darf ich erfahren, wie es dazu kommt?“, erkundigte er sich leise und mit einem Mal wandte Kanda das Gesicht zu ihm. Hatte er bislang darunter gelitten, das Antlitz des Noah vor sich zu haben, so suchte er nun offen die Konfrontation und ertrug es recht gut. Interessiert erwiderte Tyki seinen verschlossenen Blick, verharrte reglos, doch erhielt keine Antwort. Schweigend musterte Kanda ihn und langsam legte er den Kopf schief. „Hat jemand dein Herz erreicht?“ Kanda blinzelte. Flüchtig wandte er den Blick ab und ein unauffälliges Lächeln formte Tykis Lippen, als er wieder angesehen wurde. „Heilt die Wunde, die ich dir beibrachte?“ Abermals spähte Kanda zur Seite. Er sah an Tyki vorbei und dieser nickte langsam in sich hinein. „Das tut sie… nicht wahr?“ Seufzend ließ Tyki die Arme sinken. Seine Hände fanden einander. Sie rieben sich und noch immer war er der einzige, der sprach. Kanda hielt sich an sein Schweigen. Ihm war nicht anzusehen, woran er dachte, doch was auffällig war, war die Ruhe, die in seinen Körper floss. Sein gehetzter Atem hatte sich gelegt, sein Herz war dem alten monotonen Rhythmus verfallen, so verharrte auch sein Gesicht in einer gewissen Entspannung. Dabei wirkte er leicht absent. Gedankenvoll verfolgte Tyki unterdessen die Bewegungen seiner Hände. „Am besten heilen Wunden, wenn man sie nicht wieder aufkratzt“, murmelte er leise und lockte Kandas Aufmerksamkeit. Ausdruckslos lenkte sich seine Beachtung zurück auf den Noah. Tyki starrte an seinen Händen vorbei zu Boden und beinahe abwesend fuhr er fort. „Ich kann mir nur vorstellen, wie du gelitten hast… in letzter Zeit. Ich habe mich von meiner Lust leiten lassen… diese Stimme in meinem Kopf war zu stark. Ich höre sie beide zu jeder Zeit. Auch jetzt.“ Seine Hand hob sich zum Kopf, bettete sich auf den schwarzen Locken. „Du weißt, was sie mir sagen.“ Eine gewisse Ernsthaftigkeit befiel sein Gesicht, als er aufblickte. Nachdrücklich erwiderte er Kandas Blick und für wenige Augenblicke bewegte sich keiner von ihnen. Abwägend sondierte Kanda sein Gegenüber und er nahm es wahr. Die Kälte, die zurück in Tykis Augen strömte, die Härte, die sein Gesicht erfasste und er würgte ein schweres Schlucken hinab, als der Noah mit einem Mal auf die Beine kam. Dem erneuten Staub, der am Stoff seiner Hose haftete, keine Beachtung schenkend, richtete sich Tyki auf, erhob sich stolz und stark vor dem erschöpften jungen Mann, der am Boden kauerte. „Ich nenne mich ‚Noah‘, du dich ‚Exorzist‘“, laut und bestimmt erhob sich Tykis Stimme. „Wir beide haben unsere Pflichten, wenn wir aufeinandertreffen, weil es Geschöpfe gibt, die über uns stehen und uns Befehle erteilen.“ Kanda deutete das zustimmende Nicken nur an. „Die uns diese Pflichten aufbürden und wir müssen uns nach ihnen richten.“ Tyki zog an seinen Handschuhen, sicherte ihren Halt und schneidig richteten sich seine hellen Augen zurück auf den jungen Mann, der den Kopf senkte und schwer schluckte. „Du verstehst mich sicher, denn du würdest nicht anders handeln. Das hast du auch bei unserem ersten Treffen nicht getan.“ „Ich würde dich auf der Stelle töten, wenn ich es könnte“, hauchte Kanda stimmlos und Tyki sah sich nur bestätigt. „Das meinte ich damit. Wir verstehen einander und ich hoffe, dass du mit meiner Entscheidung fertig wirst.“ Ein zitternder, zurückhaltender Atemzug strich über Kandas Lippen. Natürlich verstand er die Worte des Noah. Beinahe gruselig war es, wie sehr er deren Sinn nachvollziehen konnte und wenn es ihm auch schwerfiel, er blieb sitzen, die verletzten Beine von sich gestreckt, die Hände im Schoß gebettet, während sich sein Verstand mit der völligen Kapitulation anzufreunden hatte. Gefühle und Emotionen, denen Tyki keine Beachtung schenkte. Hier würde es also geschehen. Wie ironisch dieser Moment doch war. Wie hatte er sich nach dem Tod gesehnt und kaum richtete sich sein innigstes Sehnen auf das Leben, wurde es ihm genommen. Vermutlich war es wohl sein Schicksal, hier zu enden. Unspektakulär… wehrlos… unbewaffnet… Hier in dieser Halle, in der man ihn höchstens Tage später finden würde. Wie schwer war es, sich an einen Tod zu gewöhnen, der ihn einholte, während er hier im Dreck kauerte. Kein Wort des Unbehagens hätte er verloren, wäre er ruhmreich im Kampf gestorben. Im Streben nach einer guten Sache. Stolz und unzerstörbar bis zuletzt. Er blinzelte, matt sank sein Kinn gen Schlüsselbein und resignierend schloss er letztendlich die Augen. Wenn auch nur ein Funken Gutes in dem Noah steckte, so würde er es schnell tun. Langsam hob Tyki die Hände. Die Augen nicht von Kanda lösend, führte er sie zueinander. Sachte zupfte er am Stoff, zupfte an den einzelnen Fingern und geschmeidig strich er kurz darauf den weißen Stoff von seiner Haut. Er entblößte seine Hände. Beide. Tat es langsam und bedächtig, während sein Gesicht einer versteinerten Maske ähnelte. Geräuschlos landeten die Handschuhe kurz darauf hinter ihm auf der Bank und kurz nahm er sich die Zeit, sich das Haar zurückzustreifen. Seine Lippen blieben reglos, blieben versiegelt und es geschah, als er einen Fuß zurücksetzte, dass Kanda zögerlich die Augen öffnete. Seine Befürchtungen hatten einen schnellen Angriff beinhaltet, doch nichts dergleichen geschah. Vorsichtig fanden die beinahe schwarzen Augen des Japaners zu dem jungen Noah und stockend weiteten sie sich, als dieser mit einem Mal in die Knie ging. Tyki ließ sich sinken, geschmeidig, entschlossen… So stemmte er sich nur kurz auf die Knie, bevor er den Oberkörper nach vorne neigte. Die nackten Hände betteten sich auf dem dreckigen Boden und wie stockte Kandas Atem, als er sich tief und inständig vor ihm verbeugte. Er senkte den Kopf, lockig fiel das Haar in seine Stirn, bevor diese auf das alte Gestein traf und geräuschvoll rang Kanda nach Atem, als Tyki unterwürfig in dieser Haltung verharrte. Die alte Starre legte sich auf Kandas Glieder, die letzte Farbe schien aus seinem Gesicht zu bröckeln, die letzte Fassung und stockend öffnete er auch den Mund. Er wirkte, als hätte reines Entsetzen ihn heimgesucht. „Ich flehe um Vergebung.“ Verkrampft verzerrte sich Kandas Miene. Er biss die Zähne zusammen, keuchte laut auf. Die alte Aufregung erfasste ihn, die alte Fahrigkeit und mit erschütterter Ungläubigkeit starrte er auf den Noah, der noch immer hinabgebeugt verharrte. Geräuschvoll gierte Kanda nach Luft, sein Unterkiefer erbebte und mit einem Mal löste er sich von der Wand. Sein Oberkörper schnellte nach vorn, heftig stemmten sich seine Hände auf den Boden nieder. „Das… ist nicht fair!“, erhob sich seine Stimme aufgelöst. Sein gesamter Körper bebte unter dem Schrei, den er hervorwürgte. „Hörst du?! Nicht fair!!“ Gellend hallte Kandas Stimme in der Halle wider. Die Gewalt seiner Worte brach sich an den Wänden und entspannt begann sich Tyki zu bewegen. Langsam stemmte er sich nach oben, öffnete die Augen und erhob sich auf die Knie. „Du weißt, dass ich dir niemals vergeben werde!!“ Fahrig schrie Kanda ihn abermals an. Es schien, als drang in diesem Moment etwaiger Schmerz nach außen. Jede Qual, jede Pein und doch versiegte seine Stimme unter einem leisen Röcheln, als Tyki auf die Beine kam. Zitternd atmete Kanda ein, abermals bissen seine Zähne aufeinander und seine Stimme wirkte mit einem Mal so brüchig, als sie sich wieder erhob. Erschöpft sank er gegen die Wand zurück, während sich Tyki gemach den Staub aus der Hose klopfte. „Das tust du doch nur, um dein Gewissen zu erleichtern…“, drang ein gedrungenes Flüstern an seine Ohren, doch er schöpfte nur tiefen Atem, wirkte mit einem Mal befreit, als er Kanda den Rücken kehrte und an die Bank herantrat. „Die Antwort darauf musst du dir selbst geben“, murmelte er leise zurück, während er nach seinen Handschuhen griff. Als würde es Kanda frösteln, klammerte er sich in seinen Oberarm. Er sank in sich zusammen, wurde kleiner und kleiner, während seine Mimik bebte. Seine Brauen verzogen sich. Es schien undeutlich, ob es abgrundtiefe Traurigkeit war, die ihn heimsuchte oder schierer Schmerz. Seine Mundwinkel zuckten, verkrampft presste er die Lippen aufeinander, während Tyki auch nach seinem Zylinder griff und ihn säuberlich auf seinem Kopf postierte. Er ließ sich Zeit dabei. Er flüchtete nicht, rückte an seinem Hemd und strich sich über die Brust. „Die Muskeln in deinen Beinen dürften verheilt sein. Deiner Freiheit steht nichts mehr im Wege.“ Zu keinem Atemzug war Kanda mehr fähig. Alles in seiner Brust verkrampfte sich und er wirkte so kraftlos, so morbide, als er schleppend den Kopf schüttelte. „Nicht fair…“, brachte er hauchend hervor, rutschte um ein Stück an der Wand hinab und fahrig hob er den Arm und presste ihn sich auf die Augen. Heiß sammelten sich die Tränen in ihnen, verbissen kämpfte er dagegen an und völlige Stille umgab ihn, als er einen der schwersten Kämpfe ausfocht und verlor. Er unterdrückte ein leises Schluchzen, kroch in sich zusammen. Die Beine bewiesen problemlose Beweglichkeit und stockend zog er sie zu sich und die Knie eng an die Brust. Krampfhaft schloss sich auch sein Arm um sie, während er den anderen auf dem Gesicht bewegte. Sein Körper zitterte, begann zu zucken und etwaige Hürden brachen. Laut erhob sich sein Schluchzen in der verlassenen Halle. Er würgte es hervor, abermals kapitulierte er vor der Intensität seiner Gefühle und wie zerbrach er erneut an den kläglichen Lauten, zu denen seine Lunge fähig war. Ein pochender Schmerz im Kopf führte ihm vor Augen, dass seine Innenleben unter schierer Überlastung litt. Kein Denken ließ sich aufbauen, kein Gedanke sich fassen. Eine endlose Konfusion rumorte in ihm, tat es so schmerzhaft, so gnadenlos, dass er das Gefühl hatte, innerlich zu zerreißen. Wäre er in diesen Augenblicken gestorben, so hätte er es nicht gespürt. Tiefer rutschte er hinab… immer tiefer, während ihn eine völlig leere Halle umgab. Er kauerte alleine hier. ~tbc~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)