Tell me the best way I could kill you & Back to reality von abgemeldet (~ Yu Kanda x Tyki Mikk~) ================================================================================ Kapitel 15: ~5~ --------------- Die Besuche in der Wissenschaftsabteilung waren immer recht spannend. Ganz im Gegensatz zu den nächsten Stunden. Es war Routine, die Lavi zu spüren bekam. Genau wie Bookmans Unzufriedenheit, für die keine Worte nötig waren, um sie wahrzunehmen. Schweigsam saßen sie beieinander, still gingen sie ihrer Arbeit nach und der Vormittag bestand letzten Endes lediglich aus oberflächlichem Fachsimpeln. Wenige Stunden, die es in sich hatten und doch gelang Lavi die Konzentration. Die Gedanken blieben beisammen und auf einzelne Tätigkeiten gerichtet, die er erfolgreich und zufriedenstellend beendete. Wie viel hatte er zu beweisen, wie sehr musste er sich zusammenreißen, um Menschen nicht zu enttäuschen. Es stand viel auf dem Spiel. Eine Tatsache, die ihm nicht neu war und doch in gewissem Sinne an ihm nagte, wenn er sich hinreißen ließ, an die Ziele zu denken, von denen er noch weit entfernt war. Entspannt verharrte er auf seinem Stuhl, lauschte der Stille, bis der Tag sich gen Mittag neigte und somit zu dem Zeitpunkt, an welchem Lavi dieser beengten Atmosphäre lieber entfloh. Zu gerne erhellte er sich die Arbeiten mit gelöster Konversation… es machte wirklich umso mehr Spaß, wenn man sich abzulenken wusste und hin und wieder auch zu einem Lachen fand. Heute wurde ihm nichts von alledem zuteil und irgendwann schloss er die Unterlagen, mit denen er arbeitete und klemmte sich eine Notizmappe unter den Arm. Heute suchte er sich lieber einen anderen Ort. Einen Platz, der bereits offensichtlich vor ihm lag: Die Bibliothek. So oder so benötigte er Literatur, um mit seinen Aufgaben weiterzukommen. Mehr Bücher, als er mit sich herumtragen wollte, also war es doch einfacher, am Ort des Geschehens zu sein, auch, wenn ihm dort die vollendete Ruhe fehlen würde. Vermutlich waren die Arbeiten noch in vollem Gange, doch behagten ihm die Gesellschaft und die Stimmen der anderen weitaus mehr, als Lautlosigkeit, die tückisch zur Ablenkung einlud. Kurz darauf öffnete er auch schon die Tür zur Bibliothek und sah all seine Erwartungen bestätigt. In den letzten Stunden schienen hier keine Helfer abhanden gekommen, mehr noch, hinzugestoßen zu sein. An manchen Stellen tummelten sich die sandfarbenen Mäntel zwischen den Regalen, Stimmen erfüllten die Luft und auch die säuberlichen Bücherstapel hatten um einiges an Höhe und Anzahl zugenommen. Überall waren sie zu finden, beinahe glich es einem Labyrinth und er bahnte sich seinen Weg vorsichtig. Dort oben… sein Auge richtete sich auf eine schmale Empore, dort oben würde er den nötigen Platz finden und möglicherweise auch ein paar Bücher, die ihm eine Hilfe waren. Aufmerksam wich er einem Finder aus, hob entschuldigend die Hand, als er dadurch gegen einen Anderen stieß und es war wahre Erleichterung, als er den Tumult verließ und die schmale Treppe erreichte. Sicher legte sich seine Hand auf das hölzerne Geländer und unter einem tiefen Atemzug stieg er hinauf. Es war ein schmaler Gang, den er sich vorgenommen hatte, begrenzt von der tiefen Halle durch ein weiteres Geländer und bestimmt ließ es sich dort gut aushalten, während unten der Fleiß vorherrschend war. Der Halle den Rücken zukehrend, beschäftigte er sich zuerst mit den Regalen, durchstöberte sie entspannt und wurde wirklich fündig. Mit einigen dicken Büchern blockierte er kurz darauf den schmalen Gang, saß im Schneidersitz vor dem Geländer und verfolgte das Treiben beiläufig, während er im ersten Werk zu blättern begann. Unweigerlich fiel seine Aufmerksamkeit auch auf jene Ecke, die zwei riesige neue Regale zu bieten hatte. Seine Finger bekamen die Kante des Papiers zu fassen und langsam beugte er sich etwas nach vorn, spähte durch das Geländer. Jetzt begannen die Finder auch schon die Regale einzuräumen. Unter dem strengen Blick und den Anweisungen des Bibliothekars, machten sie sich daran, die Berge zu lichten, die Bücher durch den halben Saal zu befördern. Ihr Ächzen und Schnaufen drang bis zu ihm hinauf und erneut blätterte er um, warf einen flüchtigen Blick in das Buch und fand flüchtig erneute Ablenkung. Eine Stimme war es, die ihn aufmerksam werden ließ. Nur ein unverständliches Brummen, das in seiner Einzigartigkeit jedoch sofort verriet, dass auch ein bestimmter Helfer noch vor Ort war. Es wunderte ihn nicht mehr und er brauchte auch nicht lange, bis er ihn erspähte. „Die Halle ist groß genug!“ Einen Schraubenzieher in der Hand, hatte Kanda von seiner Arbeit abgelassen und selbst aus dieser Entfernung konnte Lavi die finstere Miene erkennen, mit der er vor weiteren Regal-Einzelteilen kniete, bitter den Findern nachstarrte, die sich an ihm vorbeidrängten, schwere Bücherstapel balancierend. „Rennt gefälligst woanders lang!“ „Auf der anderen Seite kommen wir nicht mehr an die Regale heran“, nahm sich ein keuchender Finder Zeit für ein Antwort. „Da ist jetzt ein neuer Bücherstap...“ „Wage es, auf das Werkzeug zu treten!“, fiel Kanda ihm übellaunig ins Wort, als ein orientierungsloser Finder dem Schraubenkasten zu nahe kam. Fluchend zerrte er ihn zu sich, brachte ihn in Sicherheit und wendete den Schraubenzieher in der Hand, als hätte er anderes mit ihm vor, als ihn gegen eine Schraube zu rammen. Argwöhnisch starrte er weiteren Findern nach und Lavi glaubte beinahe, den Fluch zu hören, als er sich um ein Stück zurückdrängen ließ, die Materialien mit sich zerrte und sich mürrisch in die Arbeit vertiefte. Was für eine ausgeglichene Persönlichkeit… Die Wangen aufblähend, senkte auch Lavi den Blick zu dem Buch, lehnte die Stirn gegen das hölzerne Geländer und begann zu lesen. Die brutalen Geräusche des Hammers drangen daraufhin an seine Ohren und entspannt vertiefte er sich in den Text, stemmte das Kinn in die Handfläche und bewegte die Lippen aufeinander. Ja, diese Schriften halfen ihm wirklich weiter… Beiläufig tastete er neben sich nach der Notizmappe. Unterdessen klirrte der Schraubenkasten, als ein Finder ihn doch mit dem Fuß erwischte. „Verzeihung.“ Kurze Stille, die Geräusche des Hammers blieben aus. „Oh… warten Sie, ich mache das sofort weg!“ Und als Lavi das nächste Mal aufblickte, hockte da wirklich ein junger Finder. In gewisser Distanz zu dem Exorzisten, schob er sich auf den Knien herum und nahm sich der Schrauben an, die sich scheinbar weit verteilt hatten. Mit teilnahmsloser Miene verfolgte er, wie Kanda unterdessen auf die Beine kam. Flink fand der Hammer seinen Platz unter dem Gürtel und eine recht große Platte wurde herangeholt, gegen die Darniederliegende gestemmt. Blind war er seinem Weg gefolgt, hatte das Ausweichen den Findern überlassen und hinter ihm rutschte einer von ihnen vorbei, tastete nach den Schrauben, als er in die Knie ging, stets den Halt der Platte sichernd und sie an den Winkel rückend. Scheinbar schweigsam streckte er dem jungen Finder anschließend die Hand entgegen, bekam sofort ein paar Schrauben überreicht und klemmte sie zwischen die Lippen, bevor er begann, die Platte festzuschrauben. Er arbeitete wirklich zielstrebig und sicher, ließ sich für geraume Zeit nicht stören und träge regte Lavi die Stirn an dem Holz, senkte das Gesicht zum Buch und blätterte um. „In das zweite Regal… in das Zweite!“, meldete sich der Bibliothekar aufgeregt zu Wort. „Und diese da in das Erste!“ Er musste beinahe schreien, um den Tumult zu übertönen und wieder erschallte der Hammer. Wenn es so weiterging, dann würden die Umräumarbeiten heute wirklich noch ihr Ende finden, genau wie jegliche Kräfte der Helfer. Bald begann sich Lavi Notizen zu machen, die Arbeit fließend fortzuführen. Und es ging. Die Geräusche drangen nur beiläufig in sein Bewusstsein, als er sich das Kinn rieb, die Unterlippe mit den Zähnen bearbeitete. „Pass auf, wo du hinrennst!“ Die erboste Stimme ließ nicht lange auf sich warten und Naserümpfend wandte er sich seinen Notizen zu, wendete den Federhalter zwischen den Fingern. „Wie dumm kann man sein!“ Seltsame Geräusche erhoben sich und erneut hatte der Hammer ausgesetzt. „Hey“, meldete sich ein Anderer zu Wort. „Es war nicht seine Absicht. Sie werden wohl selbst sehen, wie eng es hier ist.“ „Deshalb hat man Augen im Kopf!“ Die Antwort folgte weitaus weniger verträglich. „Was steht ihr hier noch rum! Macht euch an die Arbeit oder soll ich das alleine übernehmen!“ >Hättest doch bestimmt nichts dagegen.< Entspannt setzte Lavi die Miene auf das Papier, begann zu schreiben. „Jetzt reißen Sie sich mal zusammen! Es lässt sich eben nicht vermeiden, dass…“ „Überleg genau, bevor du den Mund aufmachst!“ „Komm, beruhig dich.“ Vorsichtig wandte sich ein junger Finder an den Älteren, zog ihn zur Seite. Ergrimmt gab dieser nach, während Kanda mit dem Hammer ausholte, den Nagel postierte. „Tse… der ist es eh nicht wert!“ Konzentriert presste Lavi die Lippen aufeinander und der Hammer ließ auf sich warten. Er rutschte in der erhobenen Hand tiefer und stechend folgten die Augen dem Finder, als sich Kanda aufrichtete. „Was hast du gesagt…?“ Befürchtend verzog der junge Finder das Gesicht, Vorbeiziehende starrten hinter ihren Stapeln hervor und sofort wandte sich der Ältere dem Exorzisten zu. Scharf wurde er taxiert, der Nagel vom Holz gehoben und Lavi klemmte den Federhalter zwischen die Lippen, blätterte um. „Ihre Haltung lässt ziemlich zu wünschen übrig!“ Offen stellte sich der Finder dem Konflikt und in einer langsamen Bewegung kam Kanda auf die Beine, wendete den Nagel zwischen den Fingern. „Sie sollten sie ändern!“ Klirrend landete der Nagel auf dem steinernen Boden und Lavi blickte auf. Eine gewisse Alarmiertheit trieb ihn zur Aufmerksamkeit und langsam neigte er sich erneut zum Geländer, verfolgte, wie Kanda den Finder mit einem Schritt erreicht hatte. Nahe trat er an ihn heran, baute provokante Nähe auf, unter welcher er dem Mann direkt ins Gesicht fauchte. „Wiederhol das…!“ Geweitet waren seine Augen auf ihn gerichtet, fest umklammerte seine Hand den Hammer und der Finder stemmte die Hände in die Hüften, war wenig beeindruckt von dem Benehmen des weitaus Jüngeren. „Ihre Selbstüberschätzung könnte Sie irgendwann teuer zu stehen kommen!“, fuhr er fort und das Gesicht seines Gegenübers erbebte zuckend. Lavi hob die Augenbraue, öffnete den Mund. „Man bekommt immer das, was man verdient! Sie werden seh…“ Es verschlug ihm die Sprache und beinahe stolperte er zurück, als sich die Hand des Exorzisten in den Kragen seines Mantels schlug, eine Kraft offenbarte, die dem Finder in dem Moment des Entsetzens etwaige Gegenwehr verbot. Bedenklich verzog sich Lavis Gesicht, nervös rieb er sich die Wange und der Fluss der Finder kam zum Stehen. „Was hast du gesagt?!“ Keuchend zerrte Kanda den Mann zu sich, zitternd verfestigte sich sein Griff und ängstlich wurde der junge Finder auf den Hammer in seiner anderen Hand aufmerksam, der ebenfalls zu beben schien. „Wie kannst du es wagen…!“ Beinahe versiegte seine Stimme in dem heftigen Atem und stockend festigte der ältere Finder seine Haltung. „Du verfluchter…“ „Hey, es reicht!“ Bestimmt ging eine Hand auf Kandas Schulter nieder. Ein großer Finder war hinter ihn getreten, doch bevor er die Finger in dem Hemd des Exorzisten versenken konnte, war dieser der Hand entkommen. Ein wahrer Schreck hatte sein übereiltes Ausweichen geprägt und doch blieb seine Hand in dem fremden Kragen versenkt, als er zur Seite trat… die Wut in seinen Zügen einer flüchtigen Verstörtheit wich, in welcher er der Hand nachstarrte. Angespannt war der Finder ihm nachgestolpert und nur kurz war der Augenblick, in welchem sich der Zorn löste, bevor ihm Kanda wieder Aufmerksamkeit schenkte. Mit offenem Mund starrte Lavi zwischen dem Geländer hindurch, fand zu keiner Regung, beobachtete zu konzentriert, zu erpicht. Aufmerksam waren bereits andere Bücher fortgelegt worden und alarmiert scharten sich die Finder um den Exorzisten. „Du wagst es, so mit mir zu sprechen?!“ Die Hände des Finders, die sich um die seinen legten, schien Kanda nicht wahrzunehmen. Ebenso die plötzliche Bedrängnis der Anderen, als er erneut an dem Mann zerrte. Lavi schluckte. „Was glaubst du, wen du vor dir hast!“ Schallend erhob sich seine Stimme in dem Saal und abermals streckten sich Hände nach ihm aus. Bebend rang er nach Atem. „Im Gegensatz zu mir bist du ein Nichts!!“ „Kanda?“, erhob sich plötzlich eine weitere Stimme, zog sofort etwaige Aufmerksamkeit auf sich. Gleichzeitig wandten sie die Gesichter und auch Lavi lugte zur Seite, richtete sich auf. Stockend löste Leenalee die Hand von der Klinke, betrat die Bibliothek und erwiderte den konfusen Blick des jungen Mannes ungläubig. „Was soll denn das?“ >Leenalee…<, tief schöpfte Lavi Atem, presste die Lippen aufeinander. Unterdessen nahm der ältere Finder das Zucken der jungen Hand wahr. Augenblicklich und mit dem Eintreffen der jungen Frau hatte sich die Atmosphäre verändert und Kanda entrann ein trockenes Keuchen, als er zu ihm herumfuhr, sein Gesicht einem weiteren Zucken unterlag und seine Augen dennoch weiterdrifteten, sich eilig auf die nahen Finder richteten, die ihn umringten, in ihrer Mitte einschlossen und ohne Weiteres eingegriffen hätten. Feindseligkeit schlug ihm entgegen, Wut funkelte in den Augen der Männer und zitternd verlor seine Hand an Kraft, während die raschen Schritte der jungen Frau ertönten. Laut hallten ihre Absätze in der völligen Stille der Halle wider, als sie sich zielstrebig näherte. „Kanda!“ Angespannt wechselte sie die Mappe in die andere Hand und Kanda starrte um sich, fand sich in dem dichten Meer der Anwesenden wider… abermals war der Zorn einer undefinierbaren Mimik gewichen und annähernd wehrlos war er, als der Finder seine Hand aus seinem Kragen riss, er sie sofort zurückzog, sich nicht von der Stelle regte. „Was ist hier los?“ Sofort wurde der jungen Frau Platz gemacht, als sie die Gruppe erreichte, problemlos zu ihm durchdrang. Kaum wurde ihr Aufmerksamkeit geschenkt. Nur kurz streiften sie die dunklen Augen, bevor sie sich weiterhin über die Anwesenden flüchteten. >Ist das etwa…< flink legte Lavi die Hand um das Geländer, rückte näher, verengte das Auge, während er sich Kanda betrachtete, sein Verhalten in dieser Menge. Ja, er wirkte regelrecht hilflos in dieser Beengtheit. Orientierungslos zwischen all den Gesichtern. „Er hat sich nicht im Griff!“, wandte sich der ältere Finder empört an die junge Frau, rieb sich den schmerzenden Hals und fand sofort Kandas erneute Aufmerksamkeit. „Es gab überhaupt gar keinen Anlass dazu!“ >Das würde ich so nicht sagen.< Konzentriert lehnte sich Lavi gegen das Geländer und laut schlug der Hammer auf dem Boden auf, als die Hand ihn freigab, ihn den Findern direkt vor die Füße schmetterte und einige von ihnen zurückweichen ließ. „Ts!“ Eine verächtliche Handgeste richtete sich an die Finder, als sich Kanda scheinbar dazu entschloss, dieser Situation zu entgehen. Die alte Verbitterung hatte ihn wieder, als er sich an Leenalee vorbei schob, ohne zu zögern in die Umherstehenden eintauchte, sich grob seinen Weg bahnte. Rasch wich man ihm aus und sprachlos starrte Leenalee ihm nach, verfolgte perplex, wie er in zielstrebigen Schritten auf den Ausgang zusteuerte. Auch Lavis Pupille folgte ihm akribisch. Wie er das Gesicht gen Boden senkte… sich mit dem Handrücken über den Mund fuhr und es nicht eiliger haben könnte, diesen Ort zu verlassen. Durch die noch offene Tür schob er sich nach draußen, entzog sich den Blicken und allein seine Schritte waren es, die kurz darauf an die Ohren der Anwesenden drangen. Keine zugeschmetterte Tür, kein Fluch zum Abschied. Er ging ohne einen Kommentar, ohne weitere Anzeichen der Wut und sofort erhoben sich die Stimmen der Finder, als seine Schritte verstummten. Wild überlagerten sie sich und kurz verharrte Leenalee noch reglos in ihrer Mitte, bevor sie sich den Männern zuwandte. „Mm.“ Unter einem dumpfen Seufzen richtete sich Lavi auf, tastete nach dem Buch und rückte sich kurz und ziellos zurecht. Als wolle ihn jemand seiner Zweifel rügen… ihm neue Entschlossenheit vermitteln. Wo auch immer er Kanda am heutigen Tag traf, erhielt er seine Bestätigung. Er tat das Richtige. Weitaus leichter fielen ihm die nächsten Stunden, die er an Ort und Stelle verbrachte. Still wurde die Arbeit fortgesetzt, höflicher Umgangston schaffte eine angenehme Atmosphäre und oft waren die Finder noch beim Brummen und Flüstern zu erwischen. Das Geschehnis hatte einen gewissen Nachklang, für den Lavi sich nicht interessierte. Hier waren keine erschreckenden Neuigkeiten zu ihm gedrungen, nichts, das ihn überraschte und bequem führte er seine Arbeit fort, beendete sie auch, ohne, dass er aufgestanden war, sich die Beine vertreten hatte. Hier oben war es wirklich bequem und es musste in den späten Abendstunden sein, als er die Notizen zur Seite legte, die Bücher schloss und sich umständlich und träge erhob. Der Boden war wirklich hart gewesen… er bemerkte es erst, als er auf den Beinen stand. Unbequem verzog sich sein Gesicht und er nahm sich die Zeit, sich ausgiebig zu strecken. Die Hände auf dem Geländer gebettet, das Bein zurückgesetzt, streckte er den Kopf in die Höhe, unterdrückte ein Gähnen und lugte zu all den Werken, die er überflogen hatte. Ein gutes Gefühl, ein Ziel erreicht zu haben… er mochte diese Erfolgerlebnisse wirklich und wie sehr hoffte er, sie noch öfter genießen zu können, als er sich die trockenen Hände an der Jacke abwischte, die Schultern spannte und sich nach den Büchern bückte. Unten in der Halle waren die fleißigen Finder noch mit den letzten Arbeiten beschäftigt. Auch sie hatten das Projekt beendet und eine angenehme Ruhe herrschte in der Bibliothek, als einige Finder mit Besen hantierten und der Bibliothekar zufrieden vor den neuen Regalen spazieren ging. „Ganz ausgezeichnet“, hörte Lavi den älteren Mann seufzen, als er das letzte Buch in dem Regal verstaute. „Wiedersehen.“ Erschöpft verließ eine Gruppe von Findern den Ort des Geschehens und auch Lavi sah seinen Feierabend näher rücken. Vermutlich würde Bookman ihn heute nicht mehr benötigen, ihn seinem, seiner Meinung nach, naiven Vorhaben ausliefern. Und wirklich hatte er an diesem Tag noch eine gewisse Hürde zu meistern. Die Hürde, so wie es schien. Der Anfang würde am schwierigsten sein und sobald seine Gedanken sich von der Arbeit zu lösen vermochten, streiften sie unaufhaltsam in die andere Richtung, lenkten sich auf jenes Treffen, das er provozieren würde. Noch immer recht entspannt kehrte er so zur Bibliothek zurück und sah sich in seiner Vermutung schnell bestätigt. Nur flüchtig überflog Bookman seine Arbeiten, bevor er ihn verabschiedete, ihm knappe Blicke sendete, während er zur Tür zurückkehrte. Die Distanz, die Lavi geschaffen hatte, schien sich ausgezahlt zu haben. Ja, es hatte wirklich gut getan und ein knappes Schmunzeln zog an Lavis Lippen, als er die Tür hinter sich schloss, die Hand von der Klinke löste und sich auf den Weg machte. Gleichgültig, dass keine weiteren Worte gefallen waren… er konnte sich durchaus vorstellen, mit welch zynischer Sicherheit Bookman sein Versagen erwartete. Er sah das Gesicht des alten Mannes schon vor sich. Wie sich seine Stirn in Falten legte, er sich bestätigt sah und die Thematik mit einem nüchternen: „Du hättest mir einfach glauben sollen.“ beendete. Entspannt versenkte Lavi die Hände in den Hosentaschen, betrachtete sich das Gestein, das gemächlich unter ihm vorbeizog. >Wir werden sehen<, zog es ihm durch den Kopf und er atmete tief ein. >Wir werden sehen.< Nun musste es ihm erst einmal gelingen, Kanda ausfindig zu machen. Eine Sache, die sich recht schwierig gestalten würde, bedachte man, wo man hier überall Arbeit zu finden vermochte. Überall dort, wo es etwas zu tun galt, überall dort könnte er sein und der junge Mann nahm die Suche optimistisch und ruhig auf sich. Die Wissenschaftsabteilung war das erste Ziel, das er sich setzte. Dort war Kanda des Öfteren anzutreffen. Auch, wenn ihm theoretische Papierarbeit nicht behagte… für seine Verzweiflung dürfte es genügen, doch als Lavi den Kopf in den Raum streckte, fand er keinen jungen Exorzisten, der verbissen in Unterlagen blätterte und sich beeindruckenden Flüchen hingab. Nein, vielmehr kamen ihm die Wissenschaftler unter die Augen, die all das gerne übernahmen. „Da fehlen zwei Seiten…!“ Johnny schien den Tränen nahe, als er in einen Hefter starrte, vorblätterte, zurückblätterte und es letztendlich dabei beließ, an einer Seite zu zerren und sich ächzend die Haare zu raufen. In nicht allzu weiter Entfernung beugte sich River über die Reagenzgläser, rückte an den Flaschen und ließ den Kopf hängen. „Komui hat schon wieder den ganzen schwarzen Tee ausgetrunken!“, hörte Lavi ihn stöhnen. „Ist denn kein Koffein vor ihm sicher…?!“ „Ist Yu hier gewesen?“, meldete sich Lavi zu Wort, bevor ihn der Pessimismus niederdrückte. Wirklich, die Untergangsstimmung lastete auf dieser Abteilung, wie eine dunkle schwarze Wolke, aus der jederzeit die Blitze der Verzweiflung zucken könnten. Nur mäßige Aufmerksamkeit wurde ihm entgegengebracht. Johnny ließ sich auf den Tisch sinken, River kratzte sich den Rücken und allein Tapp Topp war noch ansprechbar genug. „Ist vor einer Stunde raus.“ Träge ließ er den Federhalter sinken und Lavi hob die Augenbraue. „Hat er gesagt, wo er hingeht?“ „Nö.“ Tapp Topp kratzte sich mit dem Federhalter den Kopf und schnaufend griff River nach einem grünen Tee. „Ah.“ Vorsichtig zog sich die Lavi zurück, hob die Hand. „Trotzdem danke.“ Weshalb sollte man es ihm auch einfach machen? Nun wartete also die schier endlose Suche und er blähte die Wangen auf, entschloss sich, einfach jeden zu fragen, der ihm über den Weg lief. Also stellte er die Fragen, öffnete viele Türen und lehnte sich in die Lobby und in zwei der Trainingshallen. Zu dieser Stunde waren all diese Räumlichkeiten in Benutzung. Der Feierabend ließ sich am besten auf den weichen Sofas und im dämmrigen Licht der Lobby genießen, die Trainingshallen wurden von wenigen Exorzisten genutzt und sofort ausgeschlossen. Kanda gab sich dem Training stets alleine hin, sowie in ruhigem Umfeld. Nur ein kurzer Blick genügte, um die Tür wieder zu schließen und sich neue Ziele zu setzen. Die Dunkelheit der Nacht lag bereits vor den hohen Fenstern des Hauptquartiers, als er nach einer halben Stunde in das Treppenhaus zurücktrat, die Hände in die Hüften stemmte und sich einem lauten Stöhnen hingab. Was für eine Lage, ihm war schon wieder nach grinsen zu mute. Allein der Wille zur Hilfe ließ ihn endlose Suchen auf sich nehmen und Bookmans Missbilligung abbekommen. Wer wusste außerdem, welche Abenteuer Kanda ihm noch zu bieten hatte? Als würde sich die finstere Wolke bereits weit über die Wissenschaftsabteilung erstrecken. Es war gruselig und er bog zur Seite. Weiterhin wurden also die Finder befragt und war für eine Wohltat war es, als man ihm endlich die Antwort lieferte. Zumindest einer wusste, wo Kanda sich niedergelassen hatte und sofort machte er sich auf den Weg. Auf den zielstrebigen Weg. Was für ein Gefühl. Nach einem kurzen Spaziergang erreichte er das Ziel und kein Zögern war ihm anzusehen, als er sich gegen die Tür schob, flüchtig nach dem Stirnband tastete und es höher streifte. Hier befand er sich erneut an einem Ort, an dem niemand schlief. Es war die Küche, die er betrat. Zwischen den Zeilen tummelten sich die Köche, flink versank Geschirr in einem schaumigen Bad und überall klirrten Teller sowie Besteck. Die Luft war stickig durch den Dampf der kochenden Speisen. Überall und in jedem Topf blubberte es und auch Jerry ließ nicht lange auf sich warten. „Wo sind die Aubergineeen?“ Beeindruckend. Selbst nach einer erdrückend langen Schicht bewegte er sich leicht und graziös zwischen den Köchen, folgte dem ausgestreckten Arm in die Lagerräume. Nur flüchtig sah Lavi ihm nach, bevor er um sich blickte, sich in Bewegung setzte. Hier sollte er sein? Aufmerksam wich er den fleißigen Gehilfen aus, bahnte sich einen schmalen Pfad und erkundete den beachtlich großen Raum. Gekocht und gewerkelt wurde offensichtlich mehr im vorderen Teil und so konzentrierte er sich auf den Hinteren, in welchem sich vielmehr die Regale reihten. Säuberlich und sauber war dort alles untergebracht, was man für einen vielseitigen Speiseplan benötigte und wieder achtete er penibel darauf, keinen Topf mit dem Arm zu erwischen. Hier war es recht eng und vorsichtig lehnte er sich jeden Gang, um jede Ecke… bis er innehielt und sich sein Gesicht entspannte. Seine Pupille richtete sich auf einen bestimmten Punkt und nach einem kurzen Zögern trat er in den Gang. In nicht allzu weiter Entfernung kauerte dort ein junger Mann. Das Haar zu einem hastigen Dutt gebunden und in lustiger Gesellschaft eines Eimers, bearbeitete er das raue Gestein des Bodens. Da schien es ein Unglück gegeben zu haben. Ein leerer Topf, der in der Nähe stand, machte darauf aufmerksam, dass das Essen woanders hingehörte, als auf den Boden. Lavis Zähne bekamen die Unterlippe zu fassen und in langsamen Schritten näherte er sich Kanda, wurde rasch bemerkt, jedoch nach einem knappen desinteressierten Blick, als unwichtig eingestuft. Das Wasser plätscherte, als er einen Lappen hinauszog, flüchtig auswrang und sich kurz umblickte. Auf eine Bürste hatte er es abgesehen und flink war auch diese entdeckt. Unterdessen hatte Lavi ihn erreicht, blieb vor dem Eimer stehen und schöpfte tiefen Atem. Da war er nun… und vor ihm eine Herausforderung, wie er lange keine mehr hatte. War es realistisch, an einen Erfolg zu glauben? Nun konnte er es herausfinden und geräuschvoll stieß er die Luft aus der Lunge, umfasste das Handgelenk auf dem Steiß. „Hi.“ Ein knappes gelockertes Lächeln zeichnete seine Lippen und aufmerksam verfolgte er, wie Kanda abermals den Kopf hob, sich seine Augen auf einen bestimmten Punkt richteten. Seine Stiefel? Verwundert beugte sich Lavi nach vorn, folgte seiner Beobachtung und wurde unter einem deutlichen Brummen weg gewunken. „Oh!“ Sofort folgte er der liebevollen Gestik, trat zur Seite. Auf der Stelle, die er sich ausgesucht hatte, schien Kanda noch nicht gewesen zu sein und mit finsterer Miene verfolgte dieser, wie er sich die Sohlen am Boden reinigte. „Verzeihung… tut mir leid!“ Unter einem verlegenen Grinsen hob er die Hände, doch es schien auch nicht den Weltuntergang darzustellen, denn Kanda putzte weiter. Ungestört bearbeitete er den Boden mit dem Lappen, wendete die Bürste in der Hand und machte auch von dieser Gebrauch. Und er wurde dabei sorgfältig beobachtet. „Ähm…“ So oder so, Lavi war nicht hier, um ihn anzustarren und nach einem weiteren tiefen Luftholen legte er den Kopf schief. „Hast du kurz Zeit?“ Lustlos wurde die Bürste fallen gelassen, als einer der Ärmel unerlaubte Freiheit genoss. Und es blieb bei einem weiteren missgestimmten Brummen, als sich Kanda daran machte, den Stoff hoch zu strüffeln. „Ah, ich sehe schon.“ Lavi schnalzte mit der Zunge. „Du hast zu tun, bist voll beschäftigt.“ Eine Stichelei, die seltsamerweise auf taube Ohren zu treffen schien und zermürbt verfolgte er, wie der Lappen abermals im Eimer versenkt wurde. Als wäre er nicht anwesend. „Zuhören wirst du wohl trotzdem können.“ Nach einem solchen Tag hatte er keine Ambitionen für lächerliche Betteleien und aus Kandas Richtung war ein dumpfes Stöhnen zu vernehmen. „Was willst du.“ Und schon ging der Lappen erneut auf den Boden nieder und Lavi rümpfte die Nase. Er wusste, wann man eine Frage stellte und wann man eine stumme Verfluchung verpackte. „Ich möchte dir nur eine Frage stellen“, erwiderte er kurz darauf, lehnte sich seitlich gegen eine Ablage. Zu seinen Füßen wurde weitergeputzt. „Verstehst du das unter Urlaub? Ich glaube kaum, dass du irgendeine Entspannung erreichst, wenn du in der Bibliothek schuftest, den Wissenschaftlern Gesellschaft leistest und letztendlich auf dem Boden herumrutschst.“ „Was geht dich das an.“ Die Antwort erfolgte monoton und teilnahmslos. „Verschwinde.“ „Ehrlich gesagt kann ich das nicht.“ Gemächlich verschränkte Lavi die Arme vor dem Bauch und Kanda rutschte zurück. „Versuch es erst einmal!“ Spätestens zu diesem Zeitpunkt schien sich die deutliche Abneigung zu offenbaren. Mit gesenktem Kopf tastete er abermals nach der Bürste, begann zu schrubben. „Mm.“ Zu mehr als einem unwirschen Murmeln war Lavi vorerst nicht im Stande. Es war erdrückend. Mit Ablehnung hatte er gerechnet, doch die Tatsache führte sie ihm weitaus früher vor Augen, schleuderte sie ihm vor die Füße wie eine Barriere. Schweigsam blieb er stehen, regte ziellos die Finger und blickte um sich. Und er könnte hier stehen, bis Kanda die Arbeit abgeschlossen hatte. Könnte auch noch hier stehen, während dieser ging, seiner Aufmerksamkeit den Rücken kehrte und sich vermutlich neue Arbeit suchte. Das Gesicht des jungen Mannes verharrte entspannt, als er den Fleiß der Köche verfolgte, sich auch das Geschirr betrachtete. Neben ihm rauschte die Bürste und tat dies äußerst penibel. An diesem Fleck schien er schon eine Weile zu sitzen und nach wenigen Momenten, erwachte Lavi wieder zum Leben. Seine Zunge bearbeitete seine Zähne, abermals rümpfte sich seine Nase und mit einer zielstrebigen Bewegung ging er in die Knie, hockte sich vor den anderen und stemmte die Ellbogen auf die Oberschenkel. Direkt und unausweichlich sah er ihn an. „Du weißt, dass ich gestern bei Komui war“, hob er ruhig an und suchte nach Reaktionen. Doch nicht einmal ein Nicken wurde ihm zuteil, lediglich ein knapper Griff, mit welchem Kanda den Eimer zu sich zog. Entspannt harrte Lavi aus. „Und vermutlich wunderst du dich, dass bisher nichts passiert ist.“ Und endlich. Die fließenden Bewegungen des jungen Mannes ließen nach, die Bürste verharrte reglos und schweigsam starrte er auf den Boden. „Tja.“ Schulterzuckend faltete Lavi die Hände ineinander. „Ich hatte meine Finger im Spiel, habe etwas mit Komui ausgehandelt. Es bleiben dir also zwei Möglichkeiten, statt einer einzigen.“ Er näherte sich an, ganz vorsichtig und langsam… und ihm gegenüber setzte sich die Bürste wieder in Bewegung. Annähernd unbeteiligt gab sich Kanda wieder dem Gestein hin und allmählich ließ sich Lavi dadurch nicht mehr stören. Kanda verstand ihn schon. „Ich weiß…“, hob er also an und presste die Lippen aufeinander, „… dass dir beide nicht gefallen werden aber für eine wirst du dich entscheiden müssen. Ich sage es dir so wie es ist. Unverändert kann es für dich nicht weitergehen.“ Aufmerksam hielt er inne, gab dem Anderen Zeit für eine Antwort und verfolgte, wie sich dessen Hand an der Bürste regte. Nur die Finger, die sich kurz spreizten, bevor er das Holz sicher umschloss, den Kopf gesenkt hielt. Ein unbeeindrucktes „Ts“, war letztendlich das Einzige, was er hervorbrachte, bevor er die Bürste in den Eimer warf. „Pass auf, die erste Möglichkeit sieht folgendermaßen aus.“ Ein leises Räuspern entrann Lavi und konzentriert rieb er sich den Mund. „Etwaige Untersuchungen werden nachgeholt. Und die Arbeit wirst du für lange Zeit vermissen, während dich Ärzte umringen und die Probleme mit Medikamenten zu lösen versuchen. Dein verbissener Widerstand wird das Seine dazu beitragen. Wie diese Möglichkeit endet, kann ich mir nicht vorstellen. Viel eher will ich es nicht. Du wirst wissen, weshalb.“ Ein tiefer Atemzug drang an seine Ohren und abermals wurde der Boden vernachlässigt. Kandas Finger lösten sich aus dem Lappen und mit finsterer Miene starrte er zur Seite. Allein die Worte schienen ihm zuzusetzen und unter einem leisen Zischen rümpfte er die Nase. „Glücklicherweise gibt es die zweite Möglichkeit“, warf Lavi ein und mit einem Mal spürte er eine Aufmerksamkeit, wie er sie noch nie zuvor von Kanda erhalten hatte. Ein förmliches Knistern durchzog die Luft, als der andere still verharrte und wartete. „Du fängst endlich an, dich zu entspannen und dir etwas Gutes zu tun. Arbeite an deiner Gesundheit und für eine gewisse Ausgeglichenheit. Zeig endlich den Willen, selbst etwas verändern zu wollen.“ Nur ein weiterer zögerlicher Schritt zum Ziel und aufmerksam folgte seine Pupille den Bewegungen seines Gegenübers. Der Lappen wurde endlich vollends liegen gelassen und als Kanda sich aufrichtete, bekam Lavi den passenden Argwohn zu spüren. Lauernd wurde er taxiert. „Wo ist der Haken.“ Und Lavi entfloh den bohrenden Augen, fand sich nun an dem Punkt, an dem sich viel entschied. Nun hatte er ihm also sein Vorhaben mitzuteilen und wurde sich der Lage bewusst, in welcher es ihm durchaus schwerer fallen würde. Imaginär hatte er gewisse Vorbereitungen getroffen, sich beinahe schon ein jedes Wort bereit gelegt. Doch nun hockte er hier und ihm gegenüber der junge Mann, begierig auf die Antwort und anschließend vermutlich nicht von übermäßiger Euphorie erfüllt. Er schürzte die Lippen, löste die Hände voneinander und rang sich zu einem undeutlichen Grinsen durch, als er sich Kandas Blick auslieferte. „Der Haken… wäre dann wohl ich.“ „Soll heißen?“, folgte sofort die angespitzte Antwort und Lavi erlaubte sich selbst keinen weiteren Aufschub. „Bei der zweiten Möglichkeit wäre ich für dich zuständig und dazu bereit, dir zu helfen. Soweit ich es eben kann.“ Und Kanda regte sich nicht. Nicht einmal ein Zucken seines Gesichtes ließ erahnen, woran er dachte und der Lappen schien mit seinem sämtlichen Zubehör nicht mehr zu existieren. „Ich will dich nicht zu etwas drängen oder zwingen“, versprach Lavi flink, solange man ihn noch nicht unterbrach oder anfiel. „Das werde ich auch nicht. Wir können uns in dieser Problembewältigung völlig nach dir richten… nur tun müssen wir etwas. Du wirst die Gründe kennen.“ Somit nickte er in sich hinein, machte sich auf eine Antwort gefasst und erkannte lediglich ein Stirnrunzeln. Weiterhin stumm hockte Kanda vor ihm, starrte ihn an. „Ich habe mich angeboten“, fügte er ruhig hinzu. „Das ist die Alternative.“ Lautlos öffnete sich Kandas Mund, reglos verharrten die Fingerkuppen stützend auf dem Boden und wahrlich schien ihm auf die Schnelle keine Antwort einzufallen. Zumindest in einem Punkt behielt Lavi recht: Nicht einmal der Hauch eines Verständnisses ließ sich in dem blassen Gesicht erkennen, ganz zu schweigen von Erleichterung. Er kauerte dort, als hätte er etwaigen Glauben verloren. „Was sagst du dazu?“, erkundigte sich Lavi dennoch. Es tat ihm nicht weh, wenn man ihn etwas warten ließ, doch zumindest für diesen Tag beanspruchte er für sich eine gewisse Sicherheit. Und endlich erwachte Kanda zum Leben. Er blinzelte, perplex drifteten seine Pupillen zur Seite und kurz darauf neigte er sich nach vorn, lehnte sich zu Lavi. Vorerst stumm bewegten sich die Lippen und letztendlich fanden seine Pupillen zu ihm und er verengte die Augen in verwirrtem, durchaus übertriebenem Unglauben. „Meinst du… das ernst?“ Nur leise erhob sich seine Stimme, ließ Lavi unvoreingenommen nicken. „Ich bin nicht hier, um schlechte Scherze mit dir zu treiben.“ „Ah.“ Stockend wurde sein Nicken erwidert und ebenso richtete sich Kanda auf, löste die Augen keinen Augenblick von seinem Gegenüber. Der Argwohn hielt an… wenn auch nur für wenige Augenblicke, auf die ein annähernd verächtliches Zucken der Mimik folgte, sich diese jäh verfinsterte „Warum tust du es dann!“ „Eh…?“ Etwaige Fassung schien aus Lavis Gesicht zu bröckeln, als er verfolgte, wie Kanda auf die Beine kam. „Du?“ Nun war es Verachtung, in welcher er auf ihn herabstarrte und Lavi war zu keinem weiteren Wort fähig. Mit offenem Mund blieb er hocken, nahm ein dumpfes Schnauben wahr. Kanda zog eine Grimasse. „Das ist echt ein Witz.“ Und unter diesen Worten schüttelte er den Kopf, fand zu einem humorlosen Grinsen… und wandte sich ab. Wortlos verharrte Lavi auch weiterhin, verfolgte, wie er sich in Bewegung setzte, ging. Kurz machte er sich die Hoffnung, er würde stehen bleiben, ihm eine Möglichkeit geben, sich zu rechtfertigen, doch er tat das, was ihm zuzutrauen war, wurde jeder Befürchtung gerecht. Ohne zurückzublicken schob er sich durch die Regale… und verschwand. Die Stimme steckte noch immer in Lavis Hals fest, als er auf den Punkt starrte, an welchem er ihn zuletzt gesehen hatte. Er konnte sich nicht bewegen, fühlte sich völlig übermannt von dieser Reaktion. War das möglich…? Das war die Antwort auf seine Bereitschaft? Auf seine Selbstlosigkeit? Ein Witz? Endlich gelang es ihm, den Mund zu schließen. Ungläubig starrte er zu dem Eimer, zu all den Dingen, an denen die Lust verloren gegangen war. Die erwarteten Schwierigkeiten entpuppten sich als arger Misserfolg und unter einem lauten Ächzen ließ er kurz darauf den Kopf hängen. >Ich glaube das nicht…!< Matt rieb er sich das Gesicht, schüttelte den Kopf. War so eine Sturheit möglich? Er kannte ihn doch, konnte ihn doch einschätzen…? Weshalb kam diese Antwort trotzdem so niederschmetternd? Eine Weile blieb er dort hocken, stemmte das Kinn in die Hand, starrte auf sauberen Boden und lauschte den Geräuschen des Geschirrs, den Stimmen der Köche. Das war also das sichere Fundament für sein Vorhaben… >Ganz reizend.< Bald zog er eine Grimasse, rollte mit dem Auge und kam auf die Beine. Allmählich sah er ein, dass er mit nichts anderem gerechnet hatte. Noch stimmte all das mit seiner Vorahnung überein. Noch war nichts verloren und ächzend kümmerte er sich erst einmal um die Sachen, die zurückgelassen worden waren. Jerrys Stimmung sollte auf jeden Fall kein Abbruch getan werden, weil er über diesen Eimer stolperte oder auf der Bürste ausrutschte. >Dann machen wir es eben anders.< Lustlos leerte er den Eimer, wrang den Lappen aus und bückte sich nach der Bürste. >So einfach geht das nicht! Wenn man dich erst zu deinem Glück zwingen muss? Gerne.< Er bewahrte Ruhe, atmete tief und konzentriert, als er kurz darauf die Küche verließ, zielstrebig eine Richtung einschlug. „Ja!“ Nur kurz ließ Komui von dem Telefonhörer ab, als er das Klopfen an der Tür vernahm. Dem Besucher ließ er ein knappes Winken zukommen, bevor er das Telefonat fortsetzte. „Wie ich mir dachte.“ Seufzend tastete er nach einer Kopie, zog sie mit den Fingerkuppen zu sich. Unterdessen trat Lavi näher. „Aber, aber.“ Komuis Hand hielt inne und unter einem tröstenden Kopfschütteln richtete er sich auf. „Natürlich war es nicht umsonst, Miranda. Ihr habt gute Arbeit geleistet.“ Abermals gab er sich einem Seufzen hin. „Nun können wir diese Sache endlich abschließen und brauchen uns nicht mehr darum zu kümmern. Ja, genau.“ Ihm gegenüber ließ sich Lavi auf der Armlehne des Sofas nieder, rollte mit den verspannten Schultern und wippte mit dem Fuß. „Und ihr kommt fein zurück, ja?“ Komui hob die Augenbrauen, begann sich wieder mit der Kopie zu befassen. „Na, gleich… hm? Ihr habt den Plan verloren? Och. Dann besorgt euch einen Neuen. Ich glaube an euch. Das schafft ihr schon. Bis später.“ Und gnadenlos legte er auf. „Lavi, wie geht’s?“ Die Kopie zu sich ziehend, lehnte er sich zurück, streckte die Beine von sich und bekam eine seltsame Reaktion geboten. Der junge Mann rümpfte die Nase, blähte die Wangen auf und räusperte sich verlegen. Doch was geschehen war, stellte kein Geheimnis mehr dar. „Ich habe schon davon gehört“, fuhr er also entspannt fort, lugte zu der Kopie. „Wie Kanda in der Bibliothek geholfen hat. Am meisten den Findern auf die Sprünge, hm?“ So konnte man es sagen und Lavi kratzte sich am Kopf. Ihm gegenüber wurde die Kopie kurz überflogen und anschließend weggelegt. Erwartungsvoll musterte Komui seinen Besuch, faltete die Hände auf dem Bauch. „Aber jetzt ist dein Beobachtungstag vorbei“, bemerkte er. „Wie geht es weiter?“ „Das weiß ich genau, nur dazu bräuchte ich deine Hilfe“, kam Lavi sofort zum Punkt und der Ältere hob die Augenbrauen, wirkte nicht abgeneigt. Er hatte es versprochen, würde es selbstverständlich einhalten und ließ Lavi Zeit, fortzufahren. Müde streckte Lavi die Beine durch, verschränkte die Arme. „Wie ich mir gedacht habe, übernimmt er keine Eigenverantwortung und zeigt keinen Ehrgeiz. Meine Hilfe hat er soeben charmant abgelehnt.“ Auch eine Tatsache, die hier niemanden erschreckte. „Was kann ich tun?“ *tbc* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)