An unexpected Lesson von MajinMina (Eine unerwartete Lektion) ================================================================================ Kapitel 12: Kapitel 12 ---------------------- Letztes Kapitel!!! Danke an alle, die's bis hierher geschafft haben! Bitte lest meine Anmerkungen am Ende!! Kenshin hat einen Brief an den Mann geschrieben, der Rache an ihm nehmen will. Nun muss er ihn auch irgendwie überbringen. Doch als erstes muss er unauffällig die Kabuki-Familie verlassen, bevor seine wahre Identität ans Licht kommt. An Unexpected Lesson - Eine unerwartete Lektion By Conspirator übersetzt von Majin Mina Kapitel 12 Es war nun schon fast dunkel und der Theaterhof war in ein schwaches Dämmerlicht gehüllt. All die Verkaufsstände hatten schon geschlossen und waren verschwunden und so gingen die meisten Theatergäste ohne Umschweife gleich nach Hause. Wie erwartet blieben allerdings noch eine Handvoll zurück, um eine letzte Runde Autogramme zu ergattern – auch von Kenshin. Doch dieser konzentrierte sich auf etwas ganz anderes – denn auch eine andere, bestimmte Gruppe schien nicht vorzuhaben, den Hof zu verlassen. Und das war ausgerechnet der Gouvaneur mit seinen ganzen Leibgarden! Nach dem letzten Autogramm kamen sie zu Daisuke und seiner Familie herüber, anscheinend, um sich diesmal ausgiebiger mit ihnen zu unterhalten. Zum zweiten Mal fand ein scheinbar endlos langer Austausch von gegenseitigen Höflichkeiten und Verbeugungen statt. Doch genau währenddessen bemerkte Kenshin, dass keiner, nicht einmal die Leibwache des Gouvaneurs, ihm Beachtung schenkten. Probehalber trat er zwei Schritte zurück. Keiner bemerkte es. Er ging noch einmal zwei Schritte zurück. Immer noch keine Reaktion. Niemand beobachtete ihn. Die Chance zur Flucht! Sofort ergriff er sie. Allmählich trat er Schritt um Schritt zurück, bis er in den tiefen Schatten eintauchte, den das Theatergebäude warf. Kaum dort im Dunkel angekommen eilte er schnell an den Wänden entlang zum Tor, das zu dem Hinterhof führte. Zwei der Leibgarden standen dort Wache, aber da Kenshin einer der Schauspieler war, zögerten sie nicht und gewährten ihm Einlass. Kaum schloss sich das Tor hinter ihm, da rannte er schon so schnell es seine hohen Geta erlaubten zum Wagen, warf sich hinein, packte sein Sakabatou und seine Zori, die immer noch auf dem hohen Wandregal lagen und schüttelte sich die Perücke vom Kopf. Es war unmöglich, in dieser Dunkelheit in einem Frauenkimono ohne Unfall durch den Wald zu rennen, deswegen zog er sich schnell um. Er streifte den Kimono und – mit etwas Genugtuung, es endlich loszuwerden – auch das Brustteil ab und zog seine vertrauten Gi und Hakama an Hastig griff er nach einem der Handtücher, die noch im Wagen herumlagen und schrubbte sich die weiße Schminke aus dem Gesicht, die ihm im Dunkeln nur unnötig auffallen lassen würde. In seiner Eile kümmerte er sich nicht einmal mehr darum, in einem Spiegel zu kontrollieren, ob auch alles wirklich abgeschminkt war. Er hoffte einfach, dass nach seinem fast schon gewalttätigen Schrubben alle Rückstände verschwunden wären. Gerade, als er fast fertig war und das Rot von den Lippen rubbelte, spürte er plötzlich eine extrem feindselige Ki, die sich ihm schnell näherte. Es war Orinosuke. Schnell warf Kenshin das Handtuch davon, steckte sein Sakabattou in seinen Obi und mit den vertrauten Zori an den Füßen eilte er zum Wagenausgang. Bevor er herausspringen konnte, war Orinosuke schon vor ihm. Kenshin versuchte, an ihm vorbei zu kommen, aber Orinosuke zog sein Schwert und hielt es Kenshin unter die Nase. Dieser schob es unbeeindruckt mit der Hand von sich weg und sagte, „das ist ein Kostüm-Schwert.“ Orinosuke lächelte höhnisch. „Wir wissen alle, das selbst ein stumpfes Schwert schwere Verletzungen bereiten kann – Hitokiri Battousai!“ Er starrte in Kenshins teilnahmsloses Gesicht und wartete auf eine Reaktion. Doch es kam Keine. „Oh ja, ich weiß jetzt, wer du bist und ich kann es beweisen. Denn gerade eben habe ich mich mit einigen der Leibwächter von Shimazu-sama unterhalten. Einer davon hat dich offenbar vor einigen Jahren schon einmal getroffen.“ Er versuchte, Kenshin wieder in den Wagen zu drängen und rief dabei laut: “Vater, Brüder! Kommt schnell! Ich habe den Hitokiri Battousai gefangen!“ Und zu Kenshin gewandt fügte er düster hinzu: „Leider und zu deinem Glück sind die Männer des Gouvaneurs gerade gegangen.“ „Warum tust du das, Orinosuke-san?“ fragte Kenshin mit kalter Stimme. „Ich habe nichts mir dir zu schaffen. Ich möchte nur gehen.“ Man hörte jetzt schnelles Fußgetrappel und Rufe im Innenhof. „Was ist hier los?“ Baiko war der erste, der am Ort des Geschehens eintraf und sobald Orinosuke ihn sah, bellte er ihn an: „Los, komm her und zieh dein Schwert. Er ist der Hitokiri Battousai!“ Baiko starrte in Orinosukes stürmisches Gesicht, dann in das emotionslose von Kenshin und zögerte. „Du hast mich gehört, Mann! Zieh dein Schwert!“, schrie Orinosuke ihn wütend an. „Das ist ein Befehl!“ Er schlug Baiko mit dem Handrücken ins Gesicht und Baiko zog endlich wiederwillig sein Schwert. „Und richte es auf IHN!“, fügte Orinosuke hinzu, als er sah, dass Baiko keinerlei Anstalten machte, sein Schwert in Kenshins Richtung zu halten. Inzwischen hatten auch Daisuke und Ryosuke den Wagen erreicht. Daisuke schubste Baiko grob aus dem Weg und schrie, „was zur Hölle geht hier vor? Was soll das hier?“ Orinosuke wandte sich zu seinem Vater um, sein Gesicht vor Triumph glühend. „Das, Vater, ist der Mann, den jeder sucht! Hitokiri Battousai – das ist die wahre Identität deines ach so netten Rurouni!“ Wegen dem Ausdruck absoluten Unglaubens im Gesicht seines Vaters fügte er hinzu: „Oh ja, ich habe auch Beweise! Du wolltest mir ja vorher nicht glauben, aber jetzt kann ich es auch beweisen! Einer von Shimazu-samas Leibwächtern, Vater – er hatte einmal eine Begegnung mit dem berüchtigten Hitokiri Battousai und er hat mir alles über ihn erzählt. Den, den sie einen Dämon aus der Hölle nennen; der, der sich mit der Geschwindigkeit eines Gottes bewegt und fliegen kann; Der, über den man sagt, dass er aus reinem Vergnügen tötet und das Blut seiner Opfer trinkt. Rote Haare, sagte er, eine kreuzförmige Narbe auf seiner linken Wange. Er hatte ihn für größer gehalten, aber in Wahrheit, so erzählte er mir, sei Hitokiri Battousai relativ klein – und sehr jung...“ Daisuke schob seinen ältesten Sohn beiseite und baute sich vor Kenshin auf. Er starrte ihm in die Augen und verlangte nach einer Antwort. „Stimmt das?“ Kenshin schaute zu Boden. „Einige,“ antwortete er leise, „haben mich bei diesem Namen genannt.“ “Da siehst du’s!” krähte Orinosuke. Er fasste nun Ennosuke ins Auge, der auch gerade auf Krücken humpelnd den Wagen erreichte. „Bruder, glaubst du mir jetzt?“ Dann, wieder an seinen Vater gewandt, fuhr er fort: „Sieben lange Jahre hast du uns in Kagoshima versauern lassen, eine schlechte Entscheidung nach der anderen getroffen und nun – du hast nicht nur damals die Ishin Shishi unterstützt und uns damit in Lebensgefahr gebracht, nein! Du hast sogar einen Killer in deine Familie aufgenommen und zwar nicht irgendeinen Killer, sondern den Berüchtigtsten in ganz Japan! Du hast das Leben deiner ganzen Familie in Gefahr gebracht!“ Er wandte sich zu Ryosuke und Ennosuke um. „Es ist nun Zeit,“ begann er zu verkünden, „dass sich alles ändert. Die Familie brauch einen neuen Führer. Wir werden unseren angestammten Platz in Kyoto wieder einnehmen. Wenn ihr vorher Zweifel über mich gehabt habt – jetzt dürften sie zerstreut sein. Das...“ Er zeigte mit dem Finger auf Kenshin, „...sollte Beweis genug sein!“ Ryosuke stürmte plötzlich vor und schlug seinem ältesten Bruder voller Wucht mitten ins Gesicht. Voll getroffen warf es Orinosuke zu Boden. „Ist es das, was du willst?“ schrie Ryosuke bleich vor Zorn. „Unseren Vater als Familienoberhaupt los werden? Niemals!“ Orinosuke rappelte sich wieder auf und wischte sich sein Blut von der Nase. „Du hast nichts zu sagen, Ryosuke. Du bist bereits überstimmt, denn dein jüngster Bruder hat gesagt, dass er zu mir hält, wenn ich ihm meinen Verdacht beweise. Nicht war, Ennosuke?“ Ennosuke funkelte hasserfüllt seinen Bruder an. „Nie habe ich so etwas gesagt. Ich würde nie zustimmen, Vater durch dich als Familienoberhaupt zu ersetzen!“ Demonstrativ wandte er sich an seinen Vater. „Daisuke, was sollen wir nun tun?“ Wütend über die unverhohlene Frechheit seines Sohnes verlangte Daisuke, “schafft ihn mir aus den Augen!“ Dann wandte er sich dem Wagen zu. „Und nun zu dir, Himura-san.“ Er rieb sich seine Stirn, während er versuchte, trotz der nun heftigen Schreiereien zwischen seinen Söhnen nachzudenken. Wie konnte es sein? Dieser freundliche Rurouni, der nicht nur das Leben seines jüngsten Sohnes sondern auch die Aufführung des Stückes gerettet hatte war der berüchtigte Hitokiri Battousai? Er schaute nochmals in das Gesicht des jungen Mannes, der nun etwas verloren vor dem Wagen stand. Dann bemerkte er Baiko, der immer noch mit seinem halbherzig vorgestreckten Schwert vor Kenshin stand. „Oh, steck das Ding weg!“ murmelte er zu Baiko. Dann trat er vor Kenshin. „Schau mich an!“ Kenshin sah empor, doch bevor er irgendetwas sagen konnte, rief Baiko dazwischen. „Daisuke-san, er ist nicht, was du denkst...“ Erschöpft fixierte Daisuke Baiko. „Wie lange weißt du es schon?“ „Seit der ersten Nacht,“ antwortete Baiko ehrlich, „als er uns seinen Namen genannt hat. Hör mir zu, du weißt, ich habe im Boshin-Krieg gekämpft. Mein Truppenführer war ein Typ namens Matsuo. Er kam aus Choshuu. Er hat nie viele Worte gemacht und war so ehrlich wie sonst nur was. Er hat uns aufgeklärt, dass der richtige Name von Battousai Kenshin Himura ist. Außerdem hat er uns erzählt, dass er mit diesem Himura zusammen in Kyoto war und sie befreundet waren. Er beteuerte, Himura sei ein guter Mensch und kein blutrünstiger Dämon. Und ich habe ihm geglaubt. Himura selbst hat es doch bewiesen. Sogar als Orinosuke ihm das Schwert an die Kehle gehalten hat, blieb er ruhig! Und diese Yakuza – er hat niemanden getötet, obwohl sie das weiß Gott verdient hätten. Matsuo hatte recht!“ Daisuke hatte während dieser flammenden Rede zwischen Baiko und Kenshin hin und her gestarrt und versucht, alles irgendwie zu verstehen. Hitokiri Battousai ein guter Mensch? Es fiel ihm schwer, das zu glauben. „Dann warst du derjenige,“ sagte er schließlich, „der damals in Kyoto soviel Blutvergießen verursacht hat?“ Ungläubig schüttelte er den Kopf. Hatte ihm Kenshin nicht erzählt, dass er erst 22 Jahre alt war? Aber das würde ja bedeuten... „Unmöglich! Dann wärst du damals ja kaum 15 Jahre alt gewesen!“ Kenshin sagte nichts. Er starrte nur weiterhin zu Boden. Es war einfach nicht zu glauben. Dieser junge Mann, der sowieso kaum wie ein Erwachsener aussah, war einst ein kaltblütiger Killer gewesen? Daisuke konnte sich das nicht vorstellen, aber die Fakten waren nun einmal erwiesen worden und Kenshin stritt nichts ab. „Himura-san,“ sagte er, „ich weiß nicht, was ich denken soll. Du bist es anscheinend wirklich, aber ich kann an dir kein Zeichen sehen, ich meine – du bist nicht einmal eine Spur so, wie ich mir einen Hitokiri vorstellen würde.“ „Dennoch ist es die Wahrheit,“ meinte Kenshin sanft. „Sessha kann es nicht leugnen, obwohl es mich damals fast meine Seele gekostet hat. Deswegen hat Sessha auch geschworen, nie wieder zu töten, sobald der Krieg beendet wäre. Sessha hat sein Schwert gegen ein Sakabattou eingetauscht und sich geschworen, die Unterdrückte zu beschützen. Das war der einzige Weg, auf dem es möglich schien, für all die Leben zu sühnen, die geopfert wurden. Ich kann es Orinosuke nicht vorwerfen, wenn er sich vor mir fürchtet. Mehr verdient Sessha auch nicht...“ Daisuke unterbrach ihn. „Solch ein Verhalten verdient niemand! Du hast dich nichts als ehrenhaft verhalten, während du mit uns unterwegs warst. Es gab keinen Anlass, dass dich Orinosuke so behandelt. Aber was tun wir nun...?“ „Daisuke-san, Sessha wusste, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis man mir erkennt. Ich hätte schon heute Morgen gehen sollen, aber da war das Versprechen, dass ich dir gegeben habe. Nach dem Stück wollte ich dann gehen, aber...“ „Antworte mir bitte ehrlich, Himura-san,“ unterbrach ihn Daisuke abermals, „aber sucht man dich? Will die Regierung dich festnehmen?“ Kenshin zögerte. Er wusste es selbst nicht genau, denn Ennosuke hatte ihm ja erzählt, dass Okubo Tochimichi persönlich nach ihm Ausschau hielt. Er hatte bereit Gerüchte gehört, dass die neue Regierung jeden jagte, der zu viel über ihre schmutzigen Geschäfte während des Bürgerkriegs wusste, und Kenshin gehörte mit Sicherheit dazu. Andererseits… „Sessha wurde versprochen, dass so etwas nicht passiert!“ antwortete er schließlich. „Von wem?“ „Meinem Anführer, Katsura Kogoro.“ Daisukes Kinnlade klappte nach unten. „Katsura Kogoro?“ wiederholte er entgeistert. „DER Katsura Kogoro?“ „Er war Himura-sans direkter Vorgesetzter,“ mischte sich Baiko ein. „Auch das hat mir Matsuo erzählt.“ „Nun, das lässt die Dinge ja ganz anders aussehen...“ murmelte Daisuke aber Kenshin stoppte ihn. Er ahnte, was Daisuke nun dachte und wollte es unterbinden. „Ich werde für immer dankbar für deine Gastfreundschaft sein,“ sagte er schnell, „aber es wäre ein großer Fehler, wenn ich noch länger bei euch bliebe. Es ist nicht nur die Angst vor mir, die von jetzt an bei jedem von euch irgendwo in Gedanken lauern würde. Es ist die Gefahr, mit mir zusammen zu sein, denn immer noch wollen sich viele Leute an mir rächen und würden nicht vor unschuldigen Beteiligten halt machen. Es gibt keinen anderen Weg für mich, als zu gehen.“ Er trat ein paar Schritte zum Wagen und fischte seine wenigen Habseligkeiten unter dem Sitz hervor. Daisuke stoppte ihn. Ihm kam es gerade so vor, als ob er sich selbst in einem seiner tragischen Stücke befinden würde – nur diesmal konnte er das Ende verändern! „Treffe uns in Kagoshima. Dort wirst du sicher sein,“ erklärte er schnell. „Mein ältester Sohn wird in Kyoto sein und Shimazu-sama könnte dir für deine Sicherheit bürgen.“ „Aber es ist einer seiner Leibwächter, der Rache an mir nehmen will – und zwar gerechtfertigt!“ erinnerte Kenshin ihn. „Egal wie man es wendet und auch wenn ich es mir wünsche – Ich muss gehen.“ Daisuke beobachtete hilflos, wie Kenshin seine Sachen vom Wagen nahm. Ein Blick in sein Gesicht zeigte ihm, dass seine Entscheidung getroffen war. „Dann gebe ich dir wohl jetzt dein Geld und deinen Teil der Belohnung. Denn ohne dich hätten wir die Yakuza wohl nicht besiegt...“ „Es ist zu gütig,“ wandte Kenshin ein, „aber Sessha kann keine Bezahlung für den Dienst seines Schwertes annehmen. Baiko-san ist euer Sicherheitsmann, gebt ihm meinen Teil!“ Baiko schaute ihn überrascht an und formte stumm mit seinen Lippen ein „Danke!“ „Gut, aber dann lass mich dir wenigstens deine Gage für den Auftritt geben,“ bestand Daisuke darauf. Kenshin überlegte kurz. Doch plötzlich platzte Ikuko in das Geschehen. “Himura-san, was ist hier los? Sie sagen, du wärst der Hitokiri Battousai?“ Ungläubig starrte sie dem jungen Mann in die Augen. Das Ausmaß an Schmerz und Schuld, dass sie darin fand bestätigten ihr alles. „Oh, Himura-chan...“ murmelte sie fassungslos. „Du?“ Kenshin schaute wieder zu Boden Eine ganze Reihe von Emotionen glitt nun über Ikukos Gesicht – Überraschung, Unglaube, Angst, Wut und dann – Erleichterung. „Junger Mann, du bist in großer Gefahr!“ verkündete sie auf einmal mit fester Stimme. „Daisuke, bist du dir bewusst, dass die ganze Stadt nach ihm sucht und ihn töten will? Wir müssen ihn so schnell wie möglich von hier wegbringen.“ Sie rief ein paar Befehle durch die Gegend. „Baiko-san, du gehst zu Orinosuke und behältst ihn im Auge! Pass auf, dass er niemandem etwas erzählt. Falls nötig, wende Gewalt an! Und schicke mir Bunjiro mit den Reisbällchen von heute Nachmittag!“ „Hai, hai,“ nickte Baiko ergeben und eilte davon. „Daisuke, wir müssen ihm seine Belohnung auszahlen...“ „Er hat es bereits abgelehnt,“ sagte Daisuke, „aber ich glaube, die Bezahlung für den Auftritt nimmt er an, oder nicht?“ Kenshin nickte. „Dann werden wir dich gleich aus den heutigen Einnahmen bezahlen. Leider hat Baiko-san den Umschlag. Wir müssen also kurz warten.“ Zu Kenshin gewandt fragte er, „wie hast du dir deine Flucht vorgestellt?“ Kenshin nahm seine Wandersachen. „Über die Mauer,“ antwortete er. „Das war Sesshas Plan, bevor Orinosuke kam. Auf irgendeiner Hauptstraße oder vor dem Theater wäre es zu riskant, die Leibgarden würden mich vermutlich entdecken.“ Ikuko trat zu Kenshin und reichte ihm einen Hut. „Den wirst du brauchen,“ sagte sie mit angespannter Stimme. „So kannst du deine Haare verstecken.“ Kenshin verbeugte sich tief und nuschelte ein „Arigatou,“ aber als er aufsah, blickte er nicht in das sonst freundliche, sondern in ein strenges und unnachgiebiges Gesicht. „Himura-san, verwechsle das hier nicht mit Freundlichkeit,“ sagte Ikuko. „Ich tue das aus Höflichkeit und als Dankeschön für deine Dienste an meiner Familie. Ich kann nicht ignorieren, was du damals in Kyoto getan hast, all das Blutvergießen und der Terror...“ „Sein direkter Vorgesetzter war Katsura Korogo persönlich,“ warf Daisuke dazwischen. „Das mag so sein,“ meinte Ikuko abweisend. Sie kämpfte mit sich selber, ein Kampf zwischen dem Hass auf Hitokiri Battousai und seine Untaten in Kyoto und den Gefühlen, dem Mitleid und der Trauer, die die Tatsache mit sich brachte, dass dieser Killer ein Mann war, den sie inzwischen lieb gewonnen hatte. Warum hatte er nicht heute Nachmittag, als sie über den Hitokiri Battousai gesprochen hatten, die Wahrheit zugegeben? Ihre Wut wuchs. Er hatte sie getäuscht. Sie drehte sich um und schaute nun zum Theater, auf Bunjiro und Baiko wartend. So, Kenshins Befehle kamen direkt vom großen Katsura Kogoro. Na und? Sie erinnerte sich noch genau, wie sich damals Kyoto innerhalb weniger Wochen von einer ruhigen Stadt in ein blutiges Schlachtfeld verwandelt hatte. Wie könnte sie das je vergessen? Einige ihrer prominentesten Theatergäste wurden ermordet – vom Hitokiri Battousai persönlich, so erzählte man sich. Und als Reaktion darauf waren die rücksichtslosen Shinsengumi in den Strassen aufgetaucht, die jeden Verdächtigen niedermetzelten, sogar im Tageslicht. Das alles war ein blutiger Albtraum gewesen und sie war dankbar, dass sie ohne Schaden fliehen konnten. Und all dies nur wegen einem scheinbar netten, jungen Mann? Sie schaute aus dem Augenwinkel wieder zu Kenshin. Sie konnte sehen, dass ihre Worte ihn verletzt haben mussten. Er war also mitten im Zentrum dieses Albtraums des Bakumatsu gewesen. So viele Dinge wurden ihr jetzt klar – seine Verschwiegenheit, sein Zusammenzucken bei der geringsten Berührung. Sie begriff jetzt, dass er im Gegensatz zu ihrer Familie wohl niemals diesem Albtraum entfliehen konnte und mit ihm den Rest seines Lebens leben musste. Sie konnte es nicht verleugnen – Kenshin war ihr ans Herz gewachsen. Seine Handlungsweise während der letzten Tage hatte ihr sein wahres Ich gezeigt und sie wusste, dass er nicht mehr derjenige war, der er vielleicht einmal während des Bakumatsu gewesen war. Hatte er ihre Ablehnung wirklich verdient? Bunjiro tauchte plötzlich auf, sein Gesicht in Tränen. „Baiko-san und Ryosuke verprügeln gerade meinen Vater,“ weinte er. „Vater wollte den Soldaten hinterher rennen und sie auf Kenshin-san hetzen. Er hat gesagt, sie sollen Kenshin-san töten! Oma, ich hab Angst vor Vater! Ich will nicht, das jemand getötet wird! Ich will nicht nach Kyoto, ich will bei dir und Großvater bleiben!“ Ikuko beugte sich nach unten und wischte ihm die Tränen von den Augen. „Scht,“ beruhigte sie ihn und drückte ihn an sich. „Wir werden eine Lösung finden, keine Angst. Jetzt lauf zurück und hole Baiko-san, wir brauchen ihn schnell!“ Ikuko stand wieder auf und wandte sich zu Kenshin um. Sein Gesicht war nun eine kalte, gefühlslose Maske – ohne Zweifel das Resultat ihrer harten Worte. Sie hasste es, das zuzugeben, aber dieser Audruck brach ihr fast das Herz. „Herrje, wem will ich etwas vormachen?“ seufzte sie schließlich. „Was du damals getan hast, wurde dir befohlen. Du warst ein Soldat im Krieg und hast Dinge getan, die du unter normalen Umständen niemals getan hättest. Das weiß ich.“ Sie unterbrach sich und sah Kenshin in die Augen. „Weißt du, Himura-chan, ich habe in dein Herz gesehen und darin nur Gutes entdeckt. Es betrübt mich, dass die Welt in dir wahrscheinlich nie das sehen kann, was ich gesehen habe.“ Kenshins Maske zerbrach. War das eine Verzeihung? „Ikuko-dono,“ wollte er sagen, aber sie brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen, aus Angst, dass jedes weitere Wort von ihm sie in Tränen ausbrechen lassen würde. In diesem Moment kam auch Baiko zurückgeeilt. Die Zeit wurde langsam knapp. „Baiko-san, du hast den Umschlag mit den Tageseinnahmen?“ rief ihm Daisuke zu. Baiko griff in seinen Gi und zog ihn heraus. Schnell nahm Daisuke das Geld an sich und zählte Kenshin einige Münzen ab. „Hier, dein Lohn für den Auftritt!“ Er gab Kenshin einige Münzen extra. „Die sind für deine medizinischen Dienste.“ „Medizinische Dienste? Aber...“ “Kein aber, nimm es einfach an,” brummelte Daisuke. „So, jetzt mach dich auf den Weg, bevor es zu spät ist.“ Kenshin trat an die Mauer, gefolgt von allen anderen. Er nahm seine Wandersachen und mit einer dankbaren Verbeugung auch die Reisbällchen, die Bunjiro Ikuko gebracht hatte, setzte sich den Hut auf den Kopf und betrachtete alle Anwesenden noch ein letztes Mal. Dann sprang er elegant über die hohe Mauer und war verschwunden. „Hey, Himura!“ rief Baiko, während er panisch in seinem eigenen Gepäck kramte. „Das hier wirst du auch brauchen!“ Er warf seinen Haori über die Mauer. Er hörte ihn auf der anderen Seite aufplumpsen. Dann war es still. Kenshin war verschwunden -- Der Wald, der an das Theater angrenzte, war stockdunkel und nicht einmal der helle Mondschein konnte durch das Dickicht der Äste brechen. Kenshin jedoch benötigte keinerlei Licht, denn seine Sicht im Dunkeln war exzellent. Er wusste auch genau die Richtung, in die er wollte – geradeaus, bis zum Waldrand und den Klippen, die eine herrliche Aussicht auf das Meer boten, die er heute Nachmittag genossen hatte. Als er dort gestanden hatte, hatte er nicht nur die Aussicht bewundert. Seine Instinkte waren so geschärft, dass er ganz unbewusst den ganzen Strand sofort auf Anzeichen von Gefahr und eventuellen Flucht- und Versteckmöglichkeiten gemustert hatte. Einige Gewohnheiten blieben wohl erhalten, dachte er reumütig, aber dieses Mal war er dankbar dafür. Er erinnerte sich, einige Stufen gesehen zu haben, die von den Klippen zum Strand herabführten. Kaum hatte er die Klippen erreicht, da fand er die Stufen auch schon. Vorsichtig stieg er sie hinab und er brauchte fast zehn Minuten, bis er unversehrt aber voller Erde, Wurzeln und Dreck unten auf dem körnigen Sand ankam. Sofort musterte er den Strand nach irgendeinem Anzeichen von Gefahr, dann ging er flach an den Klippenrand gedrückt in Richtung eines großen, vorspringenden Felsenstückes, das von einer Klippe ausgehend in den Strand hineinragte. Wie er richtig vermutet hatte, war der untere Teil dieses Felsen vom Meerwasser ausgespült und wölbte sich weit nach innen. Diese Höhle würde ihm nicht nur Sichtschutz und Unterkunft für die Nacht bieten, er würde auch sofort jeden Herankommenden hören. Er verstaute seine Sachen in der kleinen Höhle und machte sich dann auf den Weg zurück. Er hatte noch seinen Brief an den Mann, der ihm nach dem Leben trachtete, zu überbringen – den Leibwächter Ozawa. Der Aufstieg über die teilweise schon zerbröckelnden Stufen gestaltete sich noch schwieriger als der Abstieg. Kaum oben angekommen, schüttelte Kenshin den Schmutz von sich und eilte in Richtung Stadt. Als er ihre Lichter vor sich sah, verschmolz er mit der Dunkelheit und glitt einem Schatten gleich über die Dächer. Es schmerzte ihn, daran zu denken, dass er sich jetzt genau das Talent zu nutze machte, das ihn damals als Hitokiri so schrecklich erfolgreich hatte werden lassen. Es war nur wenig ermunternd, zu wissen, dass er jetzt dieses Talent dazu einsetzten wollte, Blutvergießen zu verhindern anstatt welches zu verursachen. Mit der Information, die ihm Baiko über den Aufenthaltsort der Leibwächter gegeben hatte, eilte er zur Stadtvilla des Gouvaneurs, neben der auch die Unterkünfte der Soldanten waren. Als er dort ankam, sah er auch schon einige der Männer auf der Veranda der Baracken sitzen und Würfel spielen. Am Strand hatte Kenshin einen Stein aufgesammelt und etwas faseriges Wurzelzeug in seinen Ärmel gestopft. Nun band er den Brief mit den Wurzeln an den Stein und warf ihm von seinem sicheren Versteck den Soldaten genau vor die Füße. Er zielte perfekt. Leider kam im dem Moment gerade einer der Soldaten auf die Idee, aufzustehen und nach vorne zu treten, genau in den Zielbereich seines präparierten Steines. Kenshin hörte in seinem dunklen Versteck nur ein überraschtes „AU!“ Er lugte vorsichtig über den Dachrand und sah ein halbes dutzend Männer, die um den klagenden Getroffenen herumstanden. „Was ist passiert?“ Ein paar von ihnen liefen in Richtung Straße und schauten hinauf und hinab, konnten aber niemanden entdecken. Dann sah Kenshin den Mann, der den Stein hielt, die Augen zusammenkneifen und etwas ungläubig verkünden: „An dem Stein ist ein Brief und er ist an Ozawa-kun andressiert!“ “Ozawa-kun?” wiederholte ein anderer Mann stumpfsinnig. „Von wem der Brief wohl ist?“ Der getroffene Leibwächter rieb sich die schmerzende Stelle an seinem Kopf. „Los, hol ihn!“ Kenshin beobachtete, wie nun nach Ozawa gerufen wurde und dieser innerhalb einer Minute auf der Veranda erschien. Er war ein großer, gut gebauter Mann, vor dem die Soldaten offensichtlich Respekt hatten. Eilig trat er vor und riss seinem Kameraden den Stein mit dem Brief aus der Hand. Dann trat er ins Licht der Tür, um ihn zu lesen. „Was steht drin?“ fragten die Männer neugierig. Ozawa schaute mit zusammengekniffenen Augen auf und musterte die Wände und Dächer der Umgebung. Dann zerdrückte er den Brief in seiner Hand. „Nichts!“ sagte er mit totengleicher Stimme. „Nur ein Fan-brief von irgendeinem Idiot!“ Die Männer lachten und klopften Ozawa auf die Schulter, ihn dabei über seine Schauspielerischen Leistungen vom Nachmittag neckend. Ozawa schüttelte die Hände ab und stapfte davon. Erleichtert seufzte Kenshin kaum hörbar auf. Er hatte gehofft, dass sein Brief Ozawa von seiner Rache abbringen würde. Wenn das nicht geklappt hätte, dann wäre es sehr wahrscheinlich gewesen, dass er seine Männer zusammengetrommelt und mit ihnen gemeinsam zu ihrem Treffpunkt gegangen wäre. Nicht, dass Kenshin das eingeschüchtert hätte, aber er wollte ja niemanden, der nichts mit der Sache zu tun hatte, verletzten. Doch das Verhalten von Ozawa gerade eben ließ Kenshin vermuten, dass er sich wahrscheinlich dazu entschlossen hatte, ihn alleine im Wäldchen zu treffen. Und dort, so überlegte Kenshin, hatte er noch einmal die Möglichkeit, den Mann von seinem Pfad der Rache abzubringen. Kenshin eilte auf dem selben Weg, den er gekommen war, wieder zurück zum Strand in seine entdeckte Höhle. Dort erst entspannte er sich etwas, nahm die Box mit den Reisbällchen, die Ikuko ihm gegeben hatte und wollte schon hungrig alles in sich hineinstopfen, bis er sich daran erinnerte, dass er keine Ahnung hatte, wann er die nächste, vernünftige Mahlzeit bekommen würde. So zwang er sich wehmütig dazu, nur die Hälfte der Reisbällchen zu essen. Den Rest hob er sich vorsorglich für den nächsten Tag auf. Jetzt gab es nichts mehr für ihn als in die Nacht hinaus auf das tintengleiche Meer zu starren und auf Mitternacht zu waren. Er schielte immer wieder hinauf zu den Sternen, um die Zeit einzuschätzen. So viel war in den letzten vier Tagen passiert, so viel, über dass er jetzt während der Stunden des Wartens nachdenken hätte können – doch alles, was ihm jetzt in den Sinn kam, waren die Ereignisse von Kinmon no Hen – das Chaos des Kampfes, das lodernde Feuer, das fast halb Kyoto in Schutt und Asche gelegt hatte aber vor allem: sein Befehl, heimlich so viele Palastwachen wie möglich zu beseitigen. Hatte er wirklich auch den Bruder dieses Mannes getötet? Dreiundzwanzig Soldaten waren seinem Schwert in weniger als zehn Minuten zum Opfer gefallen, aber in seinem geistigen Auge konnte er noch genau jedes einzelne Gesicht sehen. Er fragte sich, wer von den Gesichtern wohl Ozawas Bruder gewesen war. Ein letzter Blick auf den Himmel zeigte ihm, dass es jetzt kurz vor Mitternacht sein musste. Er seufzte, schüttelte die Gedanken ab und begann abermals den mühseligen Aufstieg zu den Klippen. Oben angekommen suchte er sich einen hohen Baum nahe der Lichtung, die er Ozawa als Treffpunkt angegeben hatte und sprang in seine hohen Äste. Dort wartete er nicht einmal zehn Minuten, bevor er spürte, dass sich jemand näherte. Er konzentrierte sich und fühlte eine Ki – ein Lächeln schlich sich in sein Gesicht. Es war Baiko. Seine Augen fanden ihn mühelos, wie er am Boden im Dunkeln umherstolperte und sich schließlich in einem Gebüsch versteckte. Es gab so wenige Menschen, die sich die Mühe machten und hinter die Fassade des Hitokiris blickten. Baiko hatten Kenshin so angenommen, wie er wirklich war. Er war sein erster Freund nach seiner Zeit in Kyoto. Es tat gut zu wissen, dass sich jemand um sein Wohl kümmerte. Plötzlich wurde er aus den Gedanken gerissen, denn er hörte nun weitere, stapfende Schritte, die sich durch das Unterholz näherten. Eine extrem feindselige Ki warf sich ihm förmlich entgegen und ohne Zweifel wusste er, dass es Ozawa war – und er war alleine. Es war Zeit. Kenshin sprang von seinem Baum und erwartete den Mann mitten in der Lichtung. Kaum trat dieser aus dem Unterholz, sprach Kenshin ihn an. „Ozawa-san, nehme ich an.“ „So! Da bist du endlich, Hitokiri Battousai!“ Spukte sein Gegenüber förmlich aus. „Ich habe die letzten Jahre genug Zeit gehabt, dich hassen zu lernen – seit du meinen Bruder getötet hast, war das stärkste Gefühl in mir, Rache an dir zu nehmen!“ „Dein Bruder starb einen ehrenhaften Tod bei der Verteidigung unseres Kaisers,“ sagte Kenshin. „Es gibt keinen Grund für Rache.“ „Zur Hölle! Du hast nicht nur ihn getötet – seine Frau war schwanger und als sie von dem Tod ihres Mannes erfuhr, hat sie sich umgebracht. Du hast sein Leben und das seiner Frau und seines Kindes auf dem Gewissen – Mörder!“ Die Worte waren kaum aus Ozawas Mund als er auch schon nach vorne sprang mit all der Schnelligkeit, die er als hervorragender Schwertkämpfer aufbringen konnte und mit der Absicht, Kenshin mit dem ersten Streich zu töten. Kenshin blieb ruhig auf der Stelle stehen, bis er sich im letzten Moment über den Angreifer hinweg katapultierte und hinter ihm leichtfüßig landete. Ozawa bremste seinen Angriff und drehte sich um, sein Gesicht gezeichnet von Hass. „Lass es bleiben, Ozawa-san,“ warte Kenshin ihn. „Nichts wird dieser Kampf verändern. Weder dein noch mein Tod wird deinen Bruder wieder ins Leben zurückholen.“ „Ich habe deinen Brief gelesen,“ sagte Ozawa mit schneidender Stimme. „Für deine Sünden büßen? Ich hätte fast gekotzt! Du wirst hier und jetzt bezahlen und zwar durch mein Schwert!“ Mit diesen Worten sprang er erneut nach vorne, einen weiteren, tödlichen Angriff planend. Während dem Rennen schnitt sein Schwert kontinuierlich rechts und links von ihm durch die Luft, einen Gegenangriff vermeidend. Dann, in dem Moment in dem er in die Reichweite seines Gegner kam, verwandelte er die Fuchtelbewegung in einen tödlichen Aufwärtsschlag, der selbst einen wegspringenden Schwertkämpfer noch erwischt und von unten nach oben zerteilt hätte. Kenshin jedoch rollte sich schnell zur Seite ab, während er den Aufwärtsschlag parierte. Dann, als er wieder zu stehen kam, sprang er ein paar Schritte zurück um seinen Angreifer zu erwarten. Ozawa wurde nun zunehmend wütender. Er hatte gerade eine seiner besten Techniken angewandt und seinen Gegner nicht einmal gekratzt. Noch schlimmer, er hatte bisher nicht eine einzige Technik des mysteriösen Schwertstils Hitokiri Battousais zu Gesicht bekommen. Statt dessen hatte der Hitokiri bereits zwei seiner eigenen, besten Techniken gesehen – ein taktischer Vorteil. Ozawas Wut wurde größer. „Kämpfe endlich mit mir wie ein Mann!“ provozierte er und ging in Battoujutsu-Stellung. Kenshin bewegte sich nicht. Dieser Mann schien einfach nicht begreifen zu wollen, worauf er hinaus wollte. Es schien an der Zeit, die Sache zu beenden. Kenshin ging nun ebenfalls in Battoujutsu-Stellung und wartete. Die beiden starrten sich an, es schien eine Ewigkeit zu dauern. Dann hatte Ozawa endlich genug und flog vorwärts, bereit, mit seiner finale Kampftechnik Kenshin zu erledigen. Doch dieser hatte andere Pläne. Im allerletzten Moment warf sich Kenshin nach oben und mit dem Ruf „Ryu Tsui Sen!“ stieß er auf Ozawa herab und schlug ihn mit einem kräftigen Schlag zu Boden. Entsetzt keuchend schlug Ozawa auf den Wurzeln der Bäume auf und sah noch sein Schwert, in zwei Teile gebrochen, durch die Luft surren. Kenshin sah auf den sich vor Schmerz krümmenden Mann herab. „Dieser Kampf ist beendet,“ sagte er grimmig. „Du hast deinem Bruder jede dir mögliche Ehre erwiesen. Gehe zu deinem Lehnsherren zurück, er braucht deine Dienste.“ Dann wandte er sich zum Gehen um. Kaum hatte Kenshin sich abgewandt, da hievte sich Ozawa auf seinen Ellebogen hoch, packte sein Wakizashi und warf es mit tödlicher Präzision nach Kenshins Rücken. Er hatte alles sehr leise gemacht aber das Geräusch, das eine Waffe macht, die gezogen wird konnte er nicht vermeiden und auch das Geräusch, das eine Waffe macht, die durch die Luft fliegt, war für Kenshin nicht zu überhören. Schneller als ein Auge sehen konnte wirbelte er herum, zog sein eigenes Schwert und schlug das Wakizashi aus seiner Flugbahn. Ohne Schaden anzurichten, blieb es in einem Baum stecken. Kenshin warf Ozawa einen letzten, warnenden Blick zu, drehte sich dann wieder um und ging ein paar Schritte davon. Ozawa starrte auf seine im dunkeln verschwindende Gestalt. Trotz seiner Schmerzen in der Brust rief er: „Der große Hitokiri Battousai läuft vor einem Kampf davon? Du hast mich noch nicht getötet! Der Kampf ist noch nicht vorbei!“ Kenshin blieb stehen und wandte sich ein letztes Mal um. „Hitokiri Battousai hat in dem Moment aufgehört, zu existieren, als der Bürgerkrieg beendet war. Geh zu deinen Kameraden zurück. Dieser Kampf ist vorbei!“ Dann lief er weiter, bis er schließlich vollends in der Dunkelheit verschwunden war. Er lief ein Stück in Richtung Klippen, bis er vor einem Gebüsch stehen blieb. „Baiko,“ sagte er einfach nur. Baiko, der von diesem Gebüsch aus das Geschehen in der vom Mondlicht erleuchteten Lichtung beobachtet hatte, stand auf. „Verdammt, schon wieder! Woher wusstest du es?“ Er wollte sich gerade zu Kenshin umdrehen, doch dieser schien plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Baiko sah sich überall in der Nähe um, musterte sogar die Äste der Bäume – immerhin hatte er die für ihn sehr beängstigende Erfahrung gemacht, als Kenshin ihm wie ein Schatten über die hohen Dächer von Miyazaki gefolgt war – aber nichts. Kenshin war verschwunden. „Viel Glück, Himura,“ sprach Baiko mit weicher Stimme in den Wald. Dann wandte auch er sich zum Gehen. Lächelnd sah Kenshin von oben auf ihn herab. Baiko hatte einfach nicht hoch genug geschaut, um ihm fast auf der Spitze des Baumes zu entdecken. Langsam sah er ihn zurück zu den Lichtern der Stadt laufen. Sehr wahrscheinlich würde er Baiko von allen am meisten vermissen. Nun wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Ki von Ozawa zu. Erleichtert stelle er fest, dass der Mann offensichtlich wieder aufstehen und gehen konnte, wenn auch unter Stöhnen. Würden diese Kämpfe der Vergeltung niemals enden? Es war alles so sinnlos. Kaum war Ozawa aus seinem Blickwinkel verschwunden, da kletterte er vom Baum hinab und kehrte zu seiner kleinen Höhle an den Strand zurück, wo er schnell in einen Schlummer sank. Wie immer war er bereits bei der Dämmerung wieder wach, aber ihm wurde kein prachtvoller Sonnenaufgang über dem Meer beschenkt – statt dessen hatte es das Regnen angefangen. Er fröstelte und nahm in dankbarer Erinnerung Baikos Haori aus seiner Tasche. Sobald er sich versichert hatte, dass draußen am Strand weit und breit niemand zu sehen war, ging er schnell den Weg wieder zurück zum Wald. Anstatt östlich zum Schrein und zum Theater wandte er sich jetzt westlich und schon bald wurde der Wald licht. Nur noch vereinzelt fand er ein paar Ausläufer der Stadt, die schließlich schnell verschwunden waren. Nun war er alleine auf einer wegen dem heftigen Regen wie ausgestorbenen Straße, die aufs Land führte. Er war nass bis auf die Haut und ihm war kalt, aber es hätte viel schlimmer kommen können. Erst am Nachmittag ließ der Regen wieder etwas nach und Kenshin setzte sich in den Schutz eines Baumes, um endlich etwas zu Essen. Nach einer Weile kam sogar die Sonne zwischen den Wolken hervor und Kenshin rollte seine Bettmatte aus und legte sich in ihr warmes Licht, um zu trocknen. Erst jetzt, nachdem er alle Gefahr endlich von sich abgeschüttelt hatte und ganz alleine in der Natur war, bemerkte er, dass er überhaupt keine Ahnung hatte, wo er eigentlich hinlief. Und er wusste auch nicht, wo er eigentlich hinlaufen wollte. Orinosuke, darauf konnte er schwören, hatte sicher schon jedem in der Stadt erzählt, dass er Hitokiri Battousai entdeckt hatte. Es würde also gut möglich sein, dass die Leute selbst in so einer patriotischen Provinz wie Satsuma vor ihm auf der Hut oder sogar auf der Suche nach ihm waren. Also würde er nicht weiter in den Süden in die Provinz vordringen. Er überlegte kurz, den Weg zurück nach Norden, den er gekommen war, einzuschlagen, aber der Winter kam jetzt schnell und er wollte nicht in den Bergen sein, falls es zu einem Schneeeinbruch kommen würde. Und was lag im Westen? Die Provinz, die für ihn am schicksalhaftesten war: Choshuu. Er überlegte, dass er eigentlich von dieser Provinz außer den Bergen, in denen er aufgewachsen war und den Städten, in denen er während des Bakumatsu kurzzeitig eingesetzt war, nichts gehen hatte. Vielleicht war es jetzt die Zeit, sich mit seinen eigenen Wurzeln dort – dem Dorf seiner Familie, seiner Vergangenheit vor der Zeit bei Hiko – auseinander zu setzten. Er hatte gar nicht bemerkt, dass seine Augen zugefallen waren und er eingedöst war. Plötzlich ließen ihn Fußschritt hochschrecken. Vor ihm standen drei recht lumpige und wild dreinblickende Ronin. Es gab eine Zeit, zu der er sofort aufgestanden wäre und seine Hand drohend über seinem Schwertgriff hätte kreisen lassen – aber diese Zeit war vorbei. Was hatte er die letzten vier Tage gelernt? Was hatte ihm Baiko immer wieder eingetrichtert? Er lächelte schüchtern. „Hey, du da!“ Einer der Ronin trat nach seinem Bein. “Sag uns, wie man zum Dorf Takahashi kommt.“ Kenshin grinste nur dümmlich. „Hey, ich rede mit dir!“ Der Ronin trat noch einmal, diesmal festern, nach Kenshins Bein. Kenshin lächelte immer noch. „Oro?“ sagte er. Jetzt zog der Ronin sein Schwert und hielt es drohend in Richtung Kenshin. „Wenn du mir nicht sofort den Weg sagst, dann wirst du anstelle deines Mittagessens das Schwert hier zu schmecken bekommen!“ „Sessha ist nur ein Rurouni, weiter nichts,“ sagte Kenshin, während er ein weiteres, albernes Lächeln in sein Gesicht pflasterte. Der Ronin starrte ihn an, drehte sich dann um, steckte sein Schwert wieder ein und ging zu seinen Kameraden. „Das hier muss der Dorftrottel sein. Last uns gehen!“ Ja, er hatte definitiv einige unerwartete Lektionen während seiner Zeit bei der Kabuki-Truppe gelernt, dachte Kenshin, während er den Männern hinterher sah. Überlebenstechniken sozusagen – die Kunst, einen Feind loszuwerden, in dem man schauspielert. Er lachte laut über die Absurdität des Ganzen: der gefürchtete Hitokiri Battousai als Dorftrottel. Gott, es fühlte sich so gut an, wieder zu lachen, vor allem über sich selbst! Er sammelte seine Sachen ein, rollte die Matte zusammen und trat auf die Strasse. Er wusste nun, wohin er gehen würde. Dann, die warme Sonne auf seinem Gesicht spürend, machte er sich auf den Weg nach Westen. -- Author’s Note: Vielen Dank an dieser Stelle an alle Leser und vor allem an meine Reviewer: Zmistress, bluedunz und Sarai-san!! Vielen Dank!! Natürlich auch vielen Dank an die anderen Unterstützer: Carcajou, Inuyasha22 und Mono-chan! Ohne euer Interesse hätte ich die Arbeit schon längst aufgegeben!! Ich umarm euch alle ganz herzlich ^_^x Das Größte Dankeschön bekommt natürlich die Autorin dieser Geschichte Conspirator Ihr sei gedankt, dass sie eine der besten Kenshin-Fanfics ever geschrieben hat und ich sie übersetzten durfte!! Ihr habt außerdem Glück: Die Autorin hat für die Story ein Jahr gebraucht, und ich nur ein halbes ;)) Die Originalstory könnt ihr nachlesen unter: http://www.fanfiction.net/s/1768089/1/An_Unexpected_Lesson Es gibt auch einen Epilog: Wer den auch übersetzt haben möchte, bitte melden. Ansonsten betrachte ich diese Geschichte als abgeschlossen ;)! -- Japanese Terms: Boshin Krieg: Rebellion gegen die neue Regierung, vor allem in Aizu und Hokkaido, 1868-69 Okubo Toshimichi: Einer der führenden Ishin Shishi aus Satsuma, unter der neuen Regierung quasi der leitende Minister Japans. Ishin Shishi: Die Patrioten, die gegen das Shogunat während des Bürgerkrieges (Bakumatsu) kämpften Haori: warmer Überwurf-Mantel Engawa: Veranda bei japanischen Häusern Kinmon ho Hen: Der Versuch der Choshuu-Fraktionen , den Palast des Kaisers zu erstürmen und den Kaiser nach Choshuu zu bringen, 1864 (gescheitert) Ougi: die finale Technik eines Schwertstils, die weitervererbt wird Wakizashi: Kurzschwert Kiheitai: Privatarmee Choshuus, ins Leben gerufen von Takasugi Shinsaku zu Beginn des Bakumatsu Ronin: herrenloser Samurai Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)