An unexpected Lesson von MajinMina (Eine unerwartete Lektion) ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Wird die Verkleidung als Onnagata einer Kabuki-Theater-Gruppe ausreichend sein, um Kenshins wahre Identität geheimzuhalten? Kapitel 2 Hitokiri Battousai als Frau verkleidet. Kenshin konnte nicht glauben, dass er sich gerade eben einverstanden erklärt hatte, die Rolle der Onnagata in einer wandernden Kabuki-Theatergruppe zu übernehmen. Nun, überlegte er, immerhin würde keiner nach ihm in Frauenkleidern suchen. Es waren zwar schon drei Jahre seit dem Ende der Bakumatsu-Zeit vergangen, aber er wusste aus eigener, bitter gemachter Erfahrung, dass der Hass derjenigen, die Rache an Battousai dem Attentäter suchten, kein bisschen nachgelassen hatte. Was noch schlimmer war – die Aufdeckung seiner wahren Identität hatte mehr als einmal im Laufe seiner Zeit als Wanderer zu dem Tod von Menschen geführt, die sehr nett zu ihm gewesen waren. Aber hier war er nun, unter Leuten, die keine Ahnung hatten, wer er war – bis auf den Kämpfer Baiko, dem das allerdings total egal war. Wie hoch standen die Chancen, dass ihn jemand erkennen würde, während er als Frau verkleidet auf der Bühne stand? Und da die Kabuki-Truppe ständig am umherziehen war, wie hoch war da die Wahrscheinlichkeit, dass irgendjemanden irgendjemand treffen würde, der ihn erkannte, wenn er gerade nicht verkleidet war? Dann war da noch die schrecklich verlockende Aussicht auf regelmäßiges gutes Essen für mehrere Wochen... „Das einzige Problem, dass du haben wirst, wenn du eine Frau spielst, ist das Laufen. Du trägst nämlich diese verdammt hohen Geta-Sandalen“. Kenshins Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf Ryosuke neben ihm. „Danach hast du eine ganz andere Vorstellung vom vermeintlich schwachen Geschlecht...“ Sie hatten den Wagen der Truppe erreicht, wo Ryosuke’s Mutter, Ikuko, auf sie wartete. Sie hatte einen der Koffer geöffnet und wühlte nun in ihm herum auf der suche nach den Frauenkostümen. Kenshin starrte mit großen Augen, als sie verschiedene Stoffe aus feiner Seide, alle mit höchst kunstvollverzierten Stickereien, durch ihre Finder gleiten ließ. „Ah, hier ist das, nachdem ich gesucht habe,“ sagte Ikuko, während sie einen wunderschönen blauen Kimono empor hielt, der mit Drachen und Bambus bestickt war. Sie hielt ihn Kenshin unter die Nase, schüttelte dann aber den Kopf. „ Zu lang. Naja, Zeit für Veränderung.” Sie gestikulierte Kenshin, ihr in den Wagen hinein zu folgen, was er nach einem Schubser von Ryosuke auch tat. “Kawayama-dono,”, sagte Kenshin, “Sessha ist sich nicht so ganz sicher wegen all dem...“ „Quatsch, Himura-san!” Sagte Ikuko. “Du wirst deine Sache gut machen. Und nenn mich Ikuko. Wir haben jetzt alle Vornahmen, seit uns die Regierung das erlaubt hat. Ich hab mich aber auch noch nicht daran gewöhnt.“ Kenshin beobachtete, wie Ikuko ein Mäppchen mit vielerlei Nadeln herausholte und drohte: “Nun, wir werden jetzt das Kostüm an dich anpassen…” Kaum geendet griff sie nach Kenshins Schwert, um es aus seinem Obi zu enfernen, der erste Schritt, ihn für die Anprobe vorzubereiten. Plötzlich, schneller als ein Auge sehen konnte, fand sie ihre Hand gefangen in einem schraubstockartigen Griff. „Aua!“ japste sie überrascht. Sofort ließ Kenshin ihre Hand los, wie als ob sie heiß wie Glut gewesen wäre, und trat zurück – die Reflexe des Hitokiri waren zu schnell, zu tiefsitzend. „Entschuldigt vielmals, Ikuko-dono,“ beeilte sich Kenshin zu sagen und verbeugte sich tief. „Ich hab nicht nachgedacht...“ Ikuko erholte sich schnell von dem Schreck. „Nein, es war mein Fehler!“ sagte sie ein bisschen atemlos während sie über ihre schmerzende Hand strich. „Ich hätte es wissen müssen – du bist ein Schwertkämpfer, kein Schauspieler. Das ist ein echtes Schwert, keine Bühnensäbel. Natürlich hätte ich dein Schwert nicht anfassen sollen. Kannst du einer alten Frau vergeben, die zu sehr daran gewöhnt ist, einen Haufen Schauspieler umzukleiden?“ Kenshin blieb wo er war, Kopf gesenkt und deutlich über das aufgeregt, was gerade passiert war. Mit einschätzendem Blick beobachtete Ihn Ikuko. Er war so angespannt, dieser junge Mann, wie als ob er dachte, jeden Moment könne Gefahr drohen, aber warum? Sie trat einen Schritt näher an ihn heran – langsamer diesmal – und nahm vorsichtig seine Hand in die ihre. Sie tätschelte sie aufmunternd und fühlte, wie er vor ihrer Berührung zurückschreckte. War er Freundlichkeit anderer Menschen so wenig gewöhnt? „Ikuko-dono, vielleicht ist das alles keine gute Idee,“ meinte er sanft. Er wollte seine Hand aus der ihren zurücknehmen, aber traute sich nicht recht. „Komm schon, junger Mann, du hast mich nicht verletzt und du warst im Recht, dein Schwert zu beschützen. Allerdings sehen Kimonos nicht sehr Elegant aus, wenn man ein Schwert unter ihnen trägt, also könntest du es vielleicht selber abnehmen?“ Sie sah ein kleines Lächeln in seinen Mundwinkeln aufblitzen. Er entfernte seine Hand aus der Ihren, kniete dann nieder und legte das Sakabatou auf die Art und Weise vor sich, wie es alle Schwertkämpfer gelernt haben um dem Schwert Respekt zu erweisen. Dann stand er wieder. Ikuko beobachtete seine Bewegungen fasziniert. Selten hatte sie jemanden sich in so flüssiger Eleganz bewegen sehen, fast wie Wasser, das über glatte Steine rann. Selbst ihre Söhne konnten sich nicht so grazil bewegen, grübelte sie, auch wenn sie Schauspieler waren. Sie vermutete, dass das von dem Training als Schwertkämpfer kommen musste, obwohl sie annahm, das er aufgrund seiner schnellen Reflexe wohl auch ein Soldat gewesen sein musste. Es würde wirklich interessant werden, zu sehen, wie dieser junge Mann sich als Schauspieler so machte... Kenshin fühlte sich unwohl, als er Ikukos Augen bemerkte, die seinen Körper hinauf und hinunter wanderten, seinen fadenscheinigen und geflickten, alten braunen Gi und die ramponierten grauen Hakama musternd. Nervös verlagerte er sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, nicht sicher, was er tun sollte. Außerdem fühlte er sich ohne sein Schwert irgendwie nackt. “Nun, die Klamotten, die du trägst, gehen gar nicht,” sagte Ikuko schließlich. „Ich dachte vielleicht, dass wir deinen Gi für unter das Kostüm nehmen können, aber nein, der ist ja überhaupt nicht tragbar, wir brauchen komplett neue Klamotten für dich. Weißt du, hochwohlgeborene aristokratische Frauen tragen nicht nur einen Kimono - sie tragen zusätzlich drei und manchmal sogar vier Unter-Kimonos, alle sorgsam übereinander, um von jedem die verschiedenen Farben am Hals und an den Armen zu zeigen. Für unsere Kostüme nähen wir diese Verschiedenen Stoffe einfach an, das hat den selben Effekt und ist weit weniger aufwändig. Aber wenigstens ein Stück Kleidung sollte man darunter tragen, um nicht das Kostüm zu verschwitzen. Dein Gi hätte gepasst, wäre er in einem besseren Zustand. Aber ich glaube, wir nehmen lieber einen von unserem jüngsten Sohn. So, jetzt zieh doch bitte deinen Gi aus.“ Der Blick in Kenshins Gesicht hätte sie um ein Haar laut auflachen lassen, denn seine Augen waren fast so groß wie Teller. „Meinen Gi ausziehen?“ schluckte er. „Hier?“ Vor einer Frau ausziehen war eine Sache, mit der er nicht gerechnet hatte, als er dem Plan zustimmte. “Tu einfach so, als ware ich deine Mutter – sicher würdest du dich nicht schämen, dich vor ihr auszuziehen,” sagte Ikuko, während sie versuchte, ernst zu bleiben und ihm einen langen, rosafarbenen Unter-kimono hinhielt. Darauf wusste Kenshin nichts zu sagen. Er erinnerte sich kaum an seine Muter, aber er wusste, dass andere Menschen keine Scham hatten, diese Dinge vor den Augen ihrer Eltern zu tun. Ikuko war jedoch nicht seine Mutter. Wenn er dennoch diese Sache durchstehen würde, dann hätte er einen Job und Essen für mehrere Wochen. Zögerlich begann er, seinen Gi aufzubinden, aber er drehte Ikuko den Rücken zu, bevor er ihn vollkommen auszog. Ikoku war nicht sicher, was sie erwartet hatte zu sehen, aber sicherlich nicht das. Für so einen schmächtigen jungen Mann hatte er sicherlich einen sehr muskulösen Rücken und sie war überrascht, dass darauf kaum Narben zu sehen waren, bis auf ein par seltsame Einschnitte an seiner Schulter und seinem Hals und einer langen, breiten Narbe nahe seiner Hüfte, die sich von vorne bis hinten herumzog. Es war ja nicht so, als ob sie hobbymäßig die Rücken von Männern betrachten würde, aber hätte nicht ein Soldat mehr Narben? Vielleicht war er ja doch kein Soldat, obwohl, da waren ja noch die zwei tiefen Schnitte auf seiner Wange... Kenshin streckte seinen Arm nach dem Unterkimono aus. Es war ein dünner Arm, mit mehr sehnigen als protzigen Muskeln, aber dennoch ein Arm, der von großer Kraft zeugte. Als sie ihm den Unter-Kimono in die Hand drückte, sah sie viele kleine Narben, die sich seinen Arm herauf und herunter zogen. Nur einige wenige sahen tief und gefährlich aus. Ja, er musste doch ein Soldat gewesen sein - es war der Arm von jemandem, der im Schlachtfeld Kontakt mit vielen Schwertern gemacht hatte. Überraschenderweise waren die Narben alle etwas blass. Es brauchte Jahre, bis die meisten Narben von einem leuchtenden Rot zu einem zarten Rosa verblassen. Das hieß, seine Narben mussten alle schon älter sein. Ihr Mann hatte ihr erzählt, das der Junge vor ihr erst 22 Jahre alt war. Er konnte aber doch nicht vor dem kürzlich stattgefundenen Boshin-Krieg schon gekämpft haben, oder? Er würde zu jung dafür gewesen sein! Er war ihr wirklich ein Rätsel, dieser junge Mann. Kenshin wandte sich, den pinkfarbenen Unterkimono sicher zugebunden, wieder Ikuko zu. „Er ist mir ein bisschen groß,“ sagte er betreten, als er den Stoff um seine Füße schlackern und die Ärmel über seine Hände fallen sah. „Meine Güte, du bist wirklich klein!“ lachte Ikuko als sie ihre Nadeln zur Hand nahm. „Ungefähr fünf Zentimeter kürzer als mein Ennosuke. Aber du wirst gut als Frau aussehen.“ Sie begann, den Kimono an ihn anzupassen. „Sicher wirst du erleichtert sein, zu hören, dass du dich nie mehr vor mir umziehen musst, sobald dein Kostüm fertig genäht ist. Allerdings muss ich dir noch zeigen, wie du das Brust-Teil tragen musst, bevor du deinen eigenen Gi wieder anziehen kannst.“ Brust-Teil? Kenshins Kopf schoss so schnell herum, dass er Ikuko fast K.O. geschlagen hätte. „Ikuko-dono, Sessha...“ “Oh, keine Angst!” lachte Ikuko. „Es ist nicht das, was du denkst. Es ist nur Watte, aufgenäht an einer Art Hosenträger. Sie wühlte erneut im Koffer und förderte das seltsame Gerät zu Tage. „Hier, du ziehst die Schlingen so über deine Arme, genau, und schon fertig! Wenn dann noch das Kostüm drüber kommt, siehst du wie eine Frau aus.“ Um das zu beweisen, nahm Ikuko einen Blauen Kimono und zog ihn Kenshin über. Dann band sie ihm schnell einen einfachen Obi um. Beides Zusammen, Unter-kimono und Kimono, waren viel zu lang, aber Ikuko freute sich trotzdem und hielt Kenshin einen großen Spiegel vor die Nase. „Siehst du, Himura-san? Wie eine Frau. » Kaum hatte Kenshin einen Blick in den Spiegel geworfen, da wurde er auch schon röter als sein rotes Haar. Es war, als ob sein Kopf auf den Körper irgendeiner jungen Frau gesetzt worden wäre – aber es war ja sein Körper. Irgendwie fühlte er sich desorientiert. „Ich... aber... Es ist nicht so....“ stotterte er und schließlich, „Hilfe, Ikuko-dono!“ Ikuko konnte sich nicht länger halten. Sie begann so heftig zu lachen, dass sie schon dachte, ihr Bauch würde platzen. „Himura-san,“ schaffte sie es zwischen dem Lachanfall zu sagen, „sei nicht so beschämt. Du siehst perfekt aus. Aber du musst aufhören, so rot zu werden!“ Kenshin hielt es nicht länger aus – all die Spötteleien, die er während seiner Jugend über sein weiblich wirkendes Äußeres hatte ertragen müssen, fielen ihm wieder ein. Er versuchte, den Obi aufzubinden. Er wollte so schnell wie möglich diesen Kimono loswerden und wieder männlich sein! „Ist es für dich so schockierend, dich im Spiegel als Frau zu sehen?“ fragte Ikuko. Kenshin nickte heftig. Ikuko wurde plötzlich ernst. „Himura-san,“ sagte sie bestimmt, als sie ihn vom Losbinden des Obis abhielt. “Lass es mich unverblümt sagen: Ich nehme an, du bist ein Soldat gewesen, wie Baiko-san. Und was bringt man Soldaten bei? Soldaten bringt man bei, zu töten. Es hat keine Bedeutung, ob für oder gegen die Regierung, euch wurde beigebracht zu töten, und das hat nur Trauer und Entsetzen über die Familien der Opfer gebracht, oder nicht?“ Kenshin wurde plötzlich sehr still und, wie sie spürte, noch angespannter als vorher. „Aber was wird Schauspielern beigebracht?” sprach sie mit weicherer Stimme weiter. „Sie lernen, wie man Menschen aus ihren täglichen Sorgen und Nöten herausreißt, indem man ihnen Glück und Freude durch ein lustiges Theaterstück schenkt. Und das werden wir dir jetzt beibringen!“ Der Ausdruck in Kenshins Gesicht war nicht zu entschlüsseln und seine Augen starrten matt und gefühllos geradeaus, aber Ikuko wusste, das sie auf dem richtigen Weg war. Sie sah eine kurze Regung in seinem Gesicht, bevor er den Kopf senkte und einen leisen Seufzer ausstieß. „Glück und Freude hat man bisher noch nie mit mir in Zusammenhang gebracht,“ sagte Kenshin schließlich mit einer Stimme, die kaum mehr als ein leises Flüstern war. „Sessha bezweifelt, dass sich das jemals ändern wird.“ Diese Feststellung bestürzte Ikuko. „Aber du hast doch schon Glück und Freude geschenkt – meiner Familie!“ sagte Ikuko. „Ohne dich hätten wir Ennosuke verloren. Warum versuchst du es nicht einfach – was hast du zu verlieren? Vielleicht bringt es dich sogar irgendwann mal selbst zum lächeln. Auf jeden Fall wären wir dir sehr dankbar, wenn du es versuchen würdest.“ Kenshin entwich der Hauch eines Lachens. Wenn ihm das Leben irgendetwas beigebracht hatte, dann das Glück und Freude nicht für ihn bestimmt waren und er es auch keinem anderen schenken konnte. Dennoch war es verführerisch. Er war so glücklich gewesen, in Otsu. Seine Zeit mit Tomoe war so schön, dass er sein Leben fast lebenswert gefunden hatte. Vielleicht konnte er ja wenigstens den Kabuki-Schauspielern helfen, anderen Menschen Freude zu bereiten – er selbst würde Freude wohl nie wieder empfinden können. Endlich sagte er: „Ich werde es versuchen. Aber ich werde mich wohl nie daran gewöhnen.“ Ikuko kicherte und tätschelte seine Hand. „Keine Sorge, Himura-san, niemand gewöhnt sich daran.“ Kenshin empfand es als große Erleichterung, seine alten Klamotten wieder am Leib zu spüren und vor allem sein Sakabatou wieder in seinen Obi zu stecken. Er war jetzt nur für circa 5 Minuten eine „Frau“ gewesen, aber es war trotzdem lang genug, um sich seltsam zu fühlen. Seine Hand wanderte instinktiv zum Heft seines Schwertes, wie als ob er einen verloren geglaubten Freund begrüßte. Er wünschte, er könnte jetzt einfach irgendwo hingehen und seine Schwertübungen machen, nur um sich zu erinnern, das er immer noch er selbst war, aber als er den Wagen verließ, sah er, wie alle sich zum Aufbruch bereit machten. Also ging auch er seine Sachen zusammenpacken und fand Baiko, der ihn zu sich winkte. „Himura-san, auf ein Wort?“ Er führte Kenshin weg von den anderen. „Erinnerst du dich an gestern, als ich sagte, ich hätte kein Problem damit, einen Meister der Schwertkunst um mich zu haben? Nun, ich hab gerade eben einen Mann aus dem nächsten Dorf getroffen und der sagte, wir werden vermutlich weiter südlich Probleme mit irgendwelchen Yakuzas bekommen.“ „Ach, deswegen ist die Strasse wohl so verlassen?“ fragte Kenshin. „Zweifellos,“ antwortete Baiko, „Und wenn das stimmt, haben wir ein Problem. Diese Kabuki-Leute sind nicht reich, auch wenn sie so aussehen wegen dem ganzen Kostümkram – wahrscheinlich sehen sie wie ein lohnenswertes Ziel aus. Die Männer haben zwar alle einige Grundkenntnisse mit dem Schwert, aber nichts, was in einem echten Kampf taugen würde. Mit ein paar lumpigen Dieben könnte ich schon selber fertig werden, aber Yakuza?“ „Was meinst du, soll ich tun?“ fragte Kenshin “Ich habe Daisuke und seine Söhne gebeten, sie alle als Samurai zu verkleiden, um uns mehr wehrhafter erscheinen zu lassen, wenn du weißt, was ich eine. Orinosuke-san läuft immer vorne, und Ryosuke-san und Ennosuke-san bewachen die zwei Seiten des Wagens. Ich bilde die Nachhut. Daisuke-san fährt. Und die Frauen und Kinder laufen nebenher, nur die kleinsten sind im Wagen. Jetzt, wo Ennosuke außer Gefecht ist, dachte ich, du könntest seinen Platz einnehmen...“ „Sessha tut alles, was nötig ist.“ „Obwohl,“ meinte Baiko, „wenn Orinosuke einverstanden ist, wäre es besser, du würdest voraus laufen.“ „Ich bin der Älteste. Ich laufe voraus!“ Die zwei drehten sich um zu Orinosuke, der auf sie zuging. „So, ihr denkt, ich wäre nutzlos in einem Schwertkampf!“ Orinosukes Stimme hatte einen sarkastischen Unterton. „Ich möchte, dass ihr wisst, dass ich acht Jahre lang Kenjutsu studiert habe, wahrscheinlich also länger, wie ihr beide. Ich werde der Anführer des Konvois bleiben. Nebenbei bemerkt, wir brechen jetzt auf. Also Los.“ Damit drehte er sich um und ging. “Jetzt weißt du, warum der Sicherheitsmann hinten läuft,“ grummelte Baiko. Kenshin’s Augen verengten sich, da er die feindselige Stimmung von Orinosuke spürte. „Er ist auf mehr wütend als auf uns,“ überlegte er laut. Baiko rollte die Augen. „Sein Selbstvertrauen ist größer wie der Fujiyama, aber frag mich nicht, warum. Oh, lassen wir ihn halt vorauslaufen. Es dauert sowieso nur zwei Stunden, bis wir das nächste Dorf erreichen. Trotzdem – halte bitte beide Augen offen, ja?“ Kenshin nickte und die Beiden gingen zurück zum Wagen, der gerade losfuhr. Als sie ihre Positionen rund um ihn herum einnahmen, kam Kenshin plötzlich alles so unwirklich vor. Wie oft, während der Bakumatsu-Zeit, hatte er genau diesen Job ausgeführt – als Aufpasser neben einem Konvoi herzulaufen? Ein duzend Mal? Zwei duzend Mal? Es waren zwar drei Jahre seit dem letzten Mal her, aber die alte Gewohnheiten kamen sofort wieder – die angespannte Vorsicht setzt alle seine Sinne in Alarmbereitschaft. Er erwartete fast, neben sich ein paar Anführer der Ishin Shishi oder vielleicht eine Truppe Soldaten vorzufinden. Statt dessen war neben ihm die Frau von Ennosuke, Noriko, und ihre drei Jahre alte Tochter. Der Wagen war nicht voll Munition, sondern voll Kostümen. Zum zweiten Mal an diesem Morgen fragte er sich, wo er da wohl hineingeraten war. Ein leichtes Lächeln kräuselte sich in seinen Mundwinkeln, als er sich diese absurde Situation bewusst machte. Sie waren nur wenige Minuten unterwegs, als Kenshin bemerkte, wie die Mutter und die Tochter neben ihm ihn anstarrten. Ihm war die Gesellschaft von Fremden schon immer unangenehm gewesen, weil sie, wenn sie nicht gerade mit Starren beschäftigt waren, sie ihn in Gespräche verwickeln wollten, und er war nicht gut im Gespräche führen. Wie als Bestätigung begann Noriko keine zehn Minuten später mit ihm zu sprechen. „Wir sind so dankbar, Rurouni-san, dass du meinem Mann geholfen hast.“ „Mhm.“ Kenshin schaute gerade aus. Nach einer Minute gegenseitigen Anschweigens begann sie erneut. „Warst du schon mal bei einer Kabuki-Aufführung?“ „Nein, Noriko-dono, noch nie.“ Seine Augen ließen die Strasse vor ihm keine Sekunde unbeobachtet. „Dann weißt du ja gar nicht, was dich erwartet,“ kommentierte sie. „Die Kinder lieben die Komödien, vor allem wenn die Schauspieler sich mit Dingen bewerfen.“ Überrascht blickte Kenshin sie an. „Sich bewerfen? Das muss ich tun?“ Sie lachte. „Manchmal. Manchmal schlagen sie sich auch mit Bratpfannen auf den Kopf.“ Kenshin lächelte. Er erinnerte sich an die Zusammenstösse, die einige Männer mit Okami-san, der Wirtin der Herberge in Kyoto, wo er sein erstes Jahr als Hitokiri verbracht hatte, gehabt hatten. Sie hatte mehr als einmal die Männer mit der Bratpfanne in ihre Schranken gewiesen. „Ich dachte, Kabuki-Theater beschäftigt sich mit den alten Zeiten und legendären Schlachten.“ „Oh Nein, oftmals gibt es auch alte Volksmärchen oder einfach alberne Geschichten, nur um die Leute zwischen den ernsten Stücken wieder aufzuheitern. Mein Schwiegervater hat auch neue Stücke geschrieben, zum Beispiel über die Bakumatsu-Zeit. Sie sind in Satsuma sehr beliebt!“ Kenshin versteifte sich. „Was für Stücke über die Bakumatsu-Zeit?“ Noriko nahm die Veränderung bei Kenshin wahr und fasste die Hand ihrer kleinen Tochter ein bisschen fester. Wie bescheuert, dachte sie, die Revolution zu erwähnen, wo sie doch nichts über diesen Wanderer wusste. Immerhin waren noch einige Leute unterwegs, die das Shogunat unterstützten. „Es geht um die Ikedaya-Affaire,“ sagte sie zögerlich, seine Reaktion beobachtend. „Die Ishin Shishi sind die Helden, die Shinsengumi die Bösen, und Okubo Toshimichi aus Satsuma, der den Angriff überlebt, schwört Rache auf das Shogunat.“ Zu Norikos Erleichterung lachte Kenshin leise. „Was ist daran so lustig?“ fragte sie. „Okubo Toshimichi war nicht dabei,“ erklärte Kenshin lachend, „und Satsuma hat sich in diesem Sommer mit dem Shogunat verbündet.“ „Woher...“ wollte sie fragen, aber sie brachte sich schnell wieder unter Kontrolle. „Ich meine, mein Schwiegervater schrieb das Stück ja für Satsuma, da wollen die Leute so was hören.“ „Ah so..“ meinte Kenshin, immer noch ein Lachen in seiner Stimme. In dem Moment zog das kleine Mädchen am Arm ihrer Mutter und wisperte laut etwas, während sie unverblümt auf Kenshin zeigte. Kenshin hörte etwas von „lustigem Haar“ und die Ermahnungen der Mutter. Er seufzte innerlich. Warum war er in diesem Land geboren? „Rurouni-san,“ sagte Noriko endlich laut, „Meine Tochter möchte deinen Namen wissen, aber ich muss gestehen, ich kenne ihn nicht.“ Diese Frage war unerwartet aber nicht unangenehm. Kenshin entschloss sich, die kleine Dame mit seinen besten Manieren zu ehren und verbeugte sich ehrfurchtsvoll vor ihr. „Himura Kenshin ist mein Name,“ verkündete er feierlich und fügte lächelnd hinzu, „du darfst mich Kenshin nennen.“ Das kleine Mändchen starrte ihn nur mit offenem Mund an. „Nomi-chan,“ flüsterte die Mutter, „wo bleiben deine Manieren?“ Das Kleine Mädchen verbeugte sich schnell und nuschelte, „ ich bin Nomi“, bevor sie sich hinter ihrer Mutter versteckte. „Bitte verzeih ihr, Himura-san, aber niemand hat sie bisher wie eine Erwachsene behandelt,“ lachte Noriko. Sie wollte sie wieder an die Hand nehmen, aber das kleine Mädchen flüchtete sich zur anderen Seite des Wagens. „Die neue Meiji-Zeit ist für Kinder wie sie,“ Sagte Kenshin. „Deswegen verdienen sie unseren Respekt!“ Noriko musterte ihn. Wie sonderbar, so etwas zu sagen, überlegte sie, aber sie hatte keine Zeit, weiter zu grübeln, denn Nomi kam zurück gerannt, mit zwei kleinen Jungs im Schlepptau, der eine vier, der andere sieben Jahre alt. Sie stellten sich vor den zwei Erwachsenen auf und schauten erwartungsvoll. „Himura-san,“ kicherte Noriko. “Ich glaube, die Kinder von Ryosuke, Oda und Saburo, wollen, dass du dich ihnen auch vorstellst.” Kenshin tat dies mit einer erneuten Verbeugung. „Darf ich auch eure Namen erfahren?“ Die zwei Jungs erröteten und stammelten ihre Namen. Dann rannten sie wieder weg. Kenshin lachte leise. „Kommen noch mehr?“ fragte er mit einem ungewohnten Lächeln im Gesicht. Kenshin sah Baiko in der Nähe, der sich Mühe gab, nicht loszulachen. “Es gibt nur noch Byako und Bunjiro, die Kinder von Orinosuke,” antwortete Noriko. „Aber sie sind neun und zwölf. Ich glaube nicht, dass sie es so spannend finden wie die kleinen, von einem Erwachsenen begrüßt zu werden.“ Das Eis war endlich gebrochen. Kenshin fühlte sich nun nicht mehr so unwohl, neben dieser Frau herzulaufen. Er musterte sie unauffällig, um sie besser einschätzen zu können – eine Angewohnheit, die er sich als Hitokiri angeeignet hatte und die er auch nicht aufgegeben hatte. Es hatte ihn immer Sicherheit gegeben, soviel wie möglich über die Leute um ihn zu wissen, nur für den Fall... Was für einen Fall, fragte er sich. Diese Frau, das wusste er, würde nicht plötzlich ein Katana ziehen, oder, weiß Gott, einen Dolch. Ihr Ki war wie eine leichte Sommerbriese und bis auf die leichte Sorge wegen ihrem verletzten Ehemann strahlte sie Zufriedenheit aus. Sie schien in seinem Alter zu sein, nicht viel größer als er, und sie war sehr hübsch. Deswegen war er auch zuerst so nervös gewesen. Jetzt aber schein sie seine Anspannung gelöst zu haben. Ihr spielerisches Verhalten gegenüber den Kindern hatte Kenshin bestätigt, dass sie glücklich sein musste. Er fragte sich kurz, ob Tomoe wohl jemals so gefühlt hatte. Kurze Zeit später schloss sich ihnen die Frau von Orinosuke an. Kenshin fühlte, wie sich Noriko in Gegenwart dieser streng wirkenden Frau anspannte. „Noriko-chan,” sagte sie kurz angebunden, “du kannst jetzt zu deiner anderen Schwieger-schwester und zu Ryosuke gehen.“ „Ich laufe gern auf dieser Seite des Wagens,” antwortete Noriko steif. „Dennoch wirst du jetzt zur anderen Seite gehen, Noriko,” kommandierte die Frau. Kenshin verblüffte dieses unfreundliche Verhalten der Frau gegenüber ihrer angeheirateten Schwester. Naja, nichts, was ihn etwas anging. Er konzentrierte sich wieder auf die Strasse vor ihnen, während Noriko nach kurzer Verbeugung davoneilte. Orinosukes Frau jedoch war aus einem bestimmten Grund herübergekommen und sie brachte ihn auch gleich zur Sprache. Kaum war Noriko verschwunden, wandte sie sich an Kenshin. „Habe ich das richtig verstanden, dass sie sich selbst einen Rurouni nennen, Himura?“ “Ja, Onna-dono,” antwortete er, auch wenn die Frage nicht sehr freundlich klang. Er warf einen Seitenblick auf sie. Sie war groß und sah königlich aus, mindestens 10 Jahre älter wie Noriko, mit einem harten Zug um ihren Mund und einer kalten Ausstrahlung. Er fühlte sich in ihrer Gegenwart fast so angespannt, wie wenn er gleich in die Schlacht ziehen müsste. „Woher kommen sie?“ fragte sie direkt. Jetzt war es klar, da sie gekommen war, um ihn auszufragen – auf ihren eigenen Wunsch oder auf den ihrer Familie. Nichtsdestotrotz baute Kenshin sofort seine inneren Barrieren auf. Es gab einige Dinge, über die er mit niemandem, egal aus welchem Grund, sprechen würde. „Sessha wuchs in den Bergen auf, westlich von Kyoto,“ antwortete er vage in seiner höflichsten Stimmlage. Sie warf ihm einen stechenden Blick zu. „Westlich von Kyoto? Also im hintersten Wald. Kein Wunder, dass du so altertümliche Manieren hast. Sessha in der Tat. Und du wirst mich mit meinem Namen ansprechen.“ „Gomen nasai, gute Frau, aber ich weiß ihren Namen nicht.“ Kenshin verbeugte sich demütig. „Kawayama Mayako. Du wirst mich Kawayama-san nennen,“ befahl sie. „Jawohl, Kawayama-dono.“ Sie ignorierte das –dono. „Und ich werde dich im Auge behalten!“ fügte sie knapp hinzu. „Wenn irgendwas verschwindet, wissen wir, wer es gestohlen hat.“ Kenshin war an diese Art von Misstrauen gewöhnt – er war ja immerhin ein Fremder für sie - aber irgendwie war da auch Feindseligkeit in ihrem Verhalten. Vielleicht war er doch nicht so willkommen. “Kawayama-dono,” sagte er ruhig, “wenn sie möchten, dann gehe ich, sobald ihre Familie einen Doktor gefunden hat.” Mayako fixierte den Fremden erneut. Sie vertraute ihm nicht, genau wie ihr Mann. Ein Schmarotzer, so hatte ihn ihr Mann genannt – ein professioneller Schmarotzer wie er im Buche stand. Sie hatte nicht gedacht, das er so leicht auf regelmäßige Mahlzeiten verzichten würde. „Tja, diese Entscheidung kann ich leider nicht treffen,“ antwortete sie. „Der alte Idiot Daisuke hat gesagt, das sie bei uns bleiben sollen, deswegen bleibst du auch. Er ist das Oberhaupt der Familie, ob uns das gefällt oder nicht. Aber wir werden dich im Auge behalten.“ Mit diesen Worten verschwand sie. Kaum war sie weg, holte Baiko Kenshin ein. Er schaute schnell, ob sie auch keiner belauschte, dann sagte er: „Hat sie dir die alte „Wir werden dich im Auge behalten“-Leier reingedrückt? Das gleiche hat sie zu mir auch gesagt, als ich hier angefangen hab.“ „Mir macht das nichts aus,“ antwortete Kenshin. „Ich hab so was in der Art erwartet.“ “Erwartet?” wiederholte Baiko. „Du erwartest, das die Leute dich für einen Dieb oder schlimmeres halten?“ „Sessha ist nur ein Rurouni,“ meinte Kenshin sachlich. „Diese Leute wissen nichts über mich, außer, dass ich ihnen im Notfall geholfen habe. Kawayama-dono ist nur um die Sicherheit ihrer Familie besorgt. Sessha verdient kein anderes Verhalten.“ Verblüfft starrte Baiko ihn an. Hier war er, DER Hitokiri Battousai, oder nicht? Der legendäre Attentäter. Den Mann, den man den größten Patrioten der Bakumatsu-Zeit nannte. Der Mann, der vermutlich mehrere Medaillen, wenn nicht sogar eine Lebenslange Pension verdient hatte. Und dieser Mann erwartete, das man ihn wie einen Gauner behandelte? Kenshin fühlte Baikos Verwirrung. „Baiko-san,“ sagte er nach einer Weile. “Wie lange kennst du mich?” „Ich? Weniger als einen Tag. Warum?” “Heute Morgen, als ich aufstand und in Richtung Wald ging, was hast du da gedacht?” “Ich hab mich gefragt, was du machst.” „Obwohl wir einen gemeinsamen Bekannten haben, der dir meinen Charakter bestätigt hat, warst du trotzdem nicht sicher, ob man mir trauen kann, oder? Und es war richtig so. Wie könnte ich also beleidigt sein, wenn ihr alle zurecht misstrauisch seid? Ob es mir passt oder nicht, so ist es nun mal.“ Baiko konnte nicht glauben, was er da hörte. Die meisten Männer würden, wenn sie eine Frau so herablassen behandelte, vor Wut dampfen, Rache schwören, oder sonst etwas, um sie in ihre Schranken zu weisen. Er selbst würde nicht überrascht sein, wenn ein Hitokiri – vor allem dieser Hitokiri – so fühlen würde. Er wusste nichts auf die Worte von Kenshin zu antworten und zuckte schließlich mit den Schultern. „Ich muss wieder zu meinem Posten,“ sagte er. „Lass dir die Reden dieser Frau nicht zu Herzen gehen!“ “Keine Sorge,” sagte Kenshin mit einem schwachen Lächeln. Ihm geisterten noch die Worte durch den Kopf, die Mayako so beiläufig gesagt hatte. „Der alte Idiot Daisuke... solche Umgangsformen hatte er zuletzt in Kyoto erlebt. Die Männer hatten sich über ihre idiotischen Kommandeure beklagt, Katsura Kogoro oder Yamagata Aritomo hatten die Politiker „alte Idioten“ genannt. Er wunderte sich, was in dieser Familie nicht in Ordnung war... er hatte keinerlei Erfahrung mit Familiensachen, er hatte selbst nie in einer gelebt – zumindest konnte er sich nicht erinnern, weil er noch zu jung gewesen war. Jetzt, wo er allein neben dem Wagen herlief, drifteten seine Gedanken ab, obwohl er immer noch die Strasse im Auge behielt. Er sah vor sich Orinosuke und seine zwei Söhne, die mit ihren Holzschwertern spielten. Ab und zu lief der ältere der Jungs, Bunjiro, neben seinem Vater und der jüngere, Byako, neben seiner Mutter, die ihm den Arm liebevoll um die Schulter legte. Eine Geste, die so gar nicht so ihrem rüpelhaften Verhalten ihm gegenüber passen wollte. Wie immer kam er irgendwann auf Tomoe. Er und Tomoe waren so glücklich gewesen, wenn auch nur wenige Monate lang. Damals in Otsu... Dort hatte er gelernt, was Glück wirklich bedeutet, wie es war, wenn zwei Menschen zusammen leben konnten und sich liebten. Er fragte sich oft, wie sein Leben wohl verlaufen wäre, wenn Tomoe nicht gestorben wäre. Er wusste, das solche „Was wäre wenn“-Fragen zu nichts führten, aber er konnte nicht anders. Vielleicht hätten sie Kinder gehabt, vielleicht wären sie Bauern geworden, er würde auf dem Feld stehen und das Lachen seiner Kinder hören, unterbrochen von den ermahnenden Worten der Mutter. Vielleicht würde sie eines der Kinder in den Arm nehmen, wie Mayako es gerade tat. Doch er wusste, dass dies alles niemals passiert wäre. Selbst wenn Tomoe nicht gestorben wäre, Katsura hätte ihn zurückgeholt. Er wäre wieder nach Kyoto gegangen, abermals als Hitokiri. Und Tomoe- hätte sie ihn dann noch geliebt? Nein. Er musste aufhören zu denken. In der Vergangenheit zu leben war gefährlich, er musste sich auf die Gegenwart konzentrieren. Nur was, wenn das Leben in der Gegenwart einfach sinnlos war? Der einzige Grund, warum er noch lebte, war das Versprechen, das er der sterbenden Tomoe gegeben hatte. Kurz vor Mittag erreichte die Truppe ihr Ziel: ein kleines Dorf. Wie sie es gewohnt waren, kletterten die Frauen und Kinder in den Wagen, bevor sie in das Dorf hinein fuhren, damit niemand unterwegs verloren gehen konnte. Das wäre hier allerdings sehr schwierig gewesen, weil das Dorf nur aus einer einzigen Strasse bestand. Als sie am Dorfplatz angekommen waren, kamen die Leute aus ihren Häusern und Geschäften, um die seltsamen Fremden zu begutachten. Daisuke ließ den Wagen schließlich anhalten und beugte sich zu der ihm am nächsten stehende Person. „Guter Mann,“ fragte er jemanden, der wie ein Schmied aussah, „wir hatten gestern einen Unfall. Können sie uns sagen, ob es hier im Dorf einen Arzt gibt?“ Der Schmied runzelte misstrauisch die Stirn, vor allem als er die vielen Männer mit Schwertern sah. „Das hängt davon ab, wer Hilfe braucht.“ Daisuke blickte in die sich angesammelte Menge und sah überall in den Gesichtern Misstrauen. Er stand auf und verkündete theatralisch: „Liebe Leute, wir sind die Daisuke Kabuki Familie aus Kagoshima. Wir kommen, um euch den Tag mit akrobatischen Kunststücken zu verschönern. Aber einer von uns wurde leider gestern verwundet, als unser Wagen einen Unfall hatte.“ „Keine Yakuza?“ wisperte eine Frau. Daisuke wandte sich an sie. „Wir sahen keine Yakuza unterwegs. Aber wir haben gehört, das welche hier in der Gegend sein sollen. Haben sie Probleme mit ihnen gehabt?“ Es gab Gemurmel in der Menge, aber keiner antwortete. Der Schmied zeigte auf ein Haus. „Hier wohnt der Dorfarzt. Das Haus mit dem großen Schild vor der Tür.“ Daisuke bedankte sich und versprach um drei Uhr Nachmittags eine Show. „Ooooh!”, rief da plötzlich die Menge und alle Leute liefen, um die Neuigkeit zu verbreiten. Das Haus des Arztes war groß, aber es sah geschlossen aus. An der Tür fanden sie ein Schild: „Sprechzeiten: 15-18 Uhr.“ „Vielleicht sollten wir später wiederkommen?“ meinte Ryosuke. „Nein, wir klingeln,“ sagte Daisuke. Als sich die Tür endlich öffnete, stand da ein Mann um die dreißig, mit einem Schwert im Obi und verkniffenem Gesicht. „Ich bin Satoshi,“ stellte er sich mit vor der Brust verschränkten Armen vor. „Was für Hilfe brauchen sie? Meine Sprechstunde ist erst um 15 Uhr!“ Baiko stupste Kenshin an, als er sah, das sich die Hand von dem Arzt dem Griff seines Schwertes näherte. Anscheinend schien er sich bedroht zu fühlen. Daisuke musste das auch bemerkt haben, denn er verbeugte sich tief und sagte so demütig wie er konnte: „Satoshi-san, Ich bin Kawayama Daisuke, der Anführer der Daisuke Kabuki Familie aus Kagoshima. Unser Wagen ist umgekippt und hat meinen jüngsten Sohn unter sich begraben und ihm einen Nagel durch das Bein gestoßen. Wir haben ihn schon behandelt, aber die Verletzungen sind ernst. Könnten sie ihn nicht wenigstens kurz untersuchen, nur um sicher zu gehen, das alles in Ordnung ist? Hier drüben steht der Wagen.“ Satoshi betrachtete die fünf Männer vor der Tür. Drei sahen aus wie Samurai, einer wie ein Soldat und der kleinste mit der abgetragenen Kleidung ... wie ungewöhnlich, er hatte rote Haare. Aber auch ein Schwert, und das sah benutzt aus. Was, wenn das Yakuza waren? „Ihr müsst ihn herüber bringen,“ sagte Satoshi. „Dann entscheide ich.“ Niemals würde er einfach so in einen Wagen steigen, wer weiß, am Ende nahmen sie ihn noch gefangen. Daisuke befahl sogleich, Ennosuke herzubringen. Satoshi sah die Kinder und Frauen aus dem Wagen hüpfen und einen Koffer mit Kostümen. Seit wann haben Yakuza Frauen und Kinder dabei, fragte er sich. Außer, es waren Geiseln... aber wenn sie Geiseln waren, warum halfen sie dann den Männern? Und seit wann waren Samurai Kabuki-Schauspieler. Es sei denn, sie spielten nur Samurai... Endlich trugen sie den halb bewusstlosen Mann mit blutigen Bandagen aus dem Wagen. Eine ältere Frau und ein Mann begleiteten sie, und eine jüngere Frau hielt dem Verletzten die Hand. Ein kleines Mädchen rannte hinterher. Nein, das waren wirklich keine Yakuza, und Satoshi fühlte sich plötzlich beschämt, so üble Verdächtigungen angestellt zu haben. Er sah auf den ersten Blick, das die Familie sich zu recht Sorgen machte. „Bitte, folgt mir,” sagte er schnell. „Ihr hattet Recht, nicht zu waren. Bitte, akzeptiert meine Entschuldigung für mein misstrauisches Verhalten. Wir hatten in letzter Zeit viele Probleme mit den Yakuza...“ “Schon vergeben,” sagte Daisuke. “Wir sind einfach nur dankbar, dass sie unserem Sohn helfen können.” Satoshi führte sie in sein Haus und bemerkte zu Daisuke: „Das wird jetzt eine schmutzige Angelegenheit. Vielleicht sollten die Frauen und Kinder draußen bleiben.“ „Gute Idee,“ stimmte Daisuke zu. Er schickte bis auf Ryosuke, Noriko und Ikuko alle nach draußen. Er selbst ging auch mit Orinosuke, um den Dorfältesten zu finden und um Erlaubnis für ihren Nachmittagsauftritt zu fragen. Sotoshi begann, Ennosukes Bein zu untersuchen. Er sah deutlich die Bandagenstücke, die jemand in die tiefe Wunde gedrückt hatte. Das sollte eigentlich das Bluten stoppen, aber es hatte nicht funktioniert. Um zu sehen, woher das Blut kam, spreizte er vorsichtig die Wunde auf und zog die Bandagenstücke heraus. Sofort spritzte ihm Blut entgegen und er hörte auf. Leise fluchend verband er die Wunde wieder. An Ikuko gewand sagte er: „Ihr Sohn hat wirklich Glück, noch am Leben zu sein.“ Er hörte wie Noriko scharf die Luft einsog. „In seinem Bein wurde die Hauptader getroffen, und das heißt, er hätte innerhalb von wenigen Minuten verbluten können. Ihr Mann sagte, es käme von einem Eisenstab. Der hat wahrscheinlich so tief gesessen, das er diese Ader durchstochen hat. Wenn sie nicht diese Bandagenfetzen hineingedrückt hätten...“ „Wäre er verblutet?“ beendete Ryosuke den Satz. Satoshi nickte. „Nicht viele Leute kennen sich mit so tiefen Wunden aus, es sei den Ärzte und vielleicht noch Soldaten. Woher wusstet ihr, wie...?“ „Wir wussten das nicht!“ antwortete Ryosuke. „Aber mit uns reist ein ehemaliger Soldat, als Sicherheitsmann, aber auch der konnte die Blutung nicht stoppen. Dann tauchte plötzlich ein Junge – na ja, also eigentlich kein Junge, aber er sieht so aus – auf und er wusste genau, was zu tun war.“ „Er sagte, er war mal ein Apotheker oder so,“ fügte Noriko hinzu. “Er war auch einmal ein Soldat, da bin ich sicher,” bemerkte Ikuko - sie erinnerte sich an die Narben, die sie an Kenshin heute morgen gesehen hatte. Ryosuke warf ihr einen überraschten Blick zu. „Er? Ein Soldat? Wirklich?” “Glaub mir, Sohn, er war irgendwann mal ein Soldat.” „Was auch immer er war, er hat richtig gehandelt,“ stellte Satoshi fest. „Und er hat gute Arbeit geleistet, den Bruch zu begradigen. Dennoch muss ich mich jetzt um diese Blutader kümmern. Bringt mir heißes Wasser und Bandagen.“ Während sie auf das Wasser warteten, holte der Arzt eine große hölzerne Kiste aus der Ecke des Raumes. Als er sie öffnete, sahen sie verschiedene Kräuter und Arzneimittel darin, wie auch etwas, das wie ein Sammelsurium von Foltergegenständen aussah, darunter eine kleine Säge für Amputationen. „Sie werden ihm nicht sein Bein abschneiden, oder?“ flüsterte Norika, als sie das sah. Ennosuke hörte das und versuchte sich panisch und stöhnend aufzusetzen. Satoshi drückte ihn sanft wieder nach unten. „Keine Angst,“ lachte er leise, “diese Medizinkiste habe ich bei mir, seit ich in den Kreigen der Bakumatsu-Zeit war. Dort habe ich auch den Beruf des Arztes gelernt. Sie enthält alles, was man auf dem Schlachtfeld braucht. Die Säge habe ich zum Glück schon lange nicht mehr benutzen müssen!” Eine kleine Frau mit einem dampfenden Bottich voller Wasser und einem Arm voller Verbände tauchte auf. Sie verbeugte sich schüchtern, redete einige Worte mit Satoshi und begann dann, einige Kräuter zu einem Medizinischen Tee zu zerreiben. Kaum war der Tee gebrüht, flößte Satoshi ihn Ennosuke ein. „Es ist gegen den Schmerz,“ erklärte er. Dann klemmte er ihm ein Stückchen Holz zwischen die Zähne. „Und das gegen die Schmerzen, die du trotzdem haben wirst,“ fügte er entschuldigend hinzu. Dann began er, sein medizinisches Gerät vorzubereiten. Sie beobachteten ihn, wie er ein kleines Messer, eine Nadel und Seidenfäden hervorholte. Er entfernte vorsichtig die blutigen Bandagen aus der Wunde und begann sie zu nähen. Ryosuke reichte es und er verließ leicht grün im Gesicht den Raum. “Ein Sensibelchen wie sein Vater,” kommentierte Ikuko. Ryosuke konnte nicht schnell genug den Raum verlassen. Als er in der frischen Luft stand, atmete er tief durch und setzte sich schwankend auf den Rand eines Zaunes. Seine Frau, eine untersetzte kleine Frau namens Mei, eilte herbei und fühlte seine Stirn. „Bist du krank? Wie geht’s deinem Bruder?“ Ryosuke schüttelte den Kopf, um wieder klar zu werden. „Keine Angst, Liebling – du weißt, wie es mir geht, wenn ich Blut sehe.“ Die anderen Familienmitglieder, die sich auch bereits um Ryosuke versammelt hatten, kicherten bei dem Kommentar. Ryosuke wurde leicht rot, verkündete dann aber: „Unser jüngster Bruder wird in Ordnung sein. Der Arzt muss die Wunde nähen und den Bruch noch mal gerade rücken, mehr nicht.“ Während Ryosuke noch drinnen gewesen war, hatten Mayako und Mei bereits eine Brotzeit für die Familie vorbereitet. Sein Sohn Saburo brachte ihm ein Teller kalter Nudeln. Als er ihn nahm, fragte er: „Wo sind Baiko-san und der Rurouni? Jemand könnte ihnen sagen, das unser Patient gesund wird.“ „Ich mach das,” meinte Mayako kalt. „Sie sind beim Wagen.“ Sie ging schnell mit zwei Schüsselchen mit Nudeln zu ihnen. Zu sich selbst murrte sie: „Jetzt müssen wir auch noch hier essen kaufen, mit den Extra-Mäulern, die wir zu stopfen haben. Noch mehr Geld den Gulli runter...“ “Mayako-chan!” rief Mei aus, “Er hat uns doch geholfen!” Mayako warf ihrer Schwieger-Schwester einen verächtlichen Blick zu. „Geholfen, ja. Aber trotzdem, eine Person mehr durchzufüttern kostet Geld!” Sie verließ die anderen und kam zum Wagen, wo Baiko und Kenshin waren. Zu Kenshin sagte sie: „Ich denke, du hast dir diese Mahlzeit verdient – Ryosuke sagt, mein Schwiegerbruder wird wieder gesund werden, was wohl dank deiner Hilfe gestern möglich ist.“ Kenshin verbeugte sich und meinte nur, „Danke, Kawayama-dono.“ Baiko fluchte über diese nervige Frau, kaum hatte sie sie verlassen. Kenshin kicherte nur, als er die Nudeln auf seinen Stäbchen balancierte. „Baiko-san, wenn überhaupt habe ich folgendes auf meinen Wanderungen gelernt: Verweigere niemals eine Mahlzeit, egal wie dich jemand behandelt!“ Wenig später kamen Daisuke und Orinosuke mit der Erlaubnis des Dorfältesten, ihr Stück aufführen zu dürfen, zurück. Daisuke gab Baiko die Liste mit Sachen, die für den Auftritt bereit gemacht werden mussten, dann wartete er zusammen mit dem Rest der Familie im Hof des Arztes. Dieser kam endlich, eine gute Stunde später, aus seinem Behandlungszimmer. “Mein Sohn – gehts ihm gut?” bestürmte ihn sofort Daisuke. Satoshi lächelte. „Ja, er kommt in Ordnung. Mit ein bisschen Ruhe und ein Paar Wochen Zeit, heilt das Bein und er ist wieder so gut wie neu!” „Wie lange?“ fragte sofort Orinosuke. „Nun,“ meinte Satoshi nachdenklich, „Er wird zumindest einen Tag lang noch hier liegen bleiben müssen, damit die Naht heilt. Ansonsten, ich würde meinen, vor dem Ablauf von sechs Wochen sollte er nicht länger wie ein paar Minuten auf den Beinen sein. Bis dahin sind sie bestimmt wieder in Kagoshima.“ „Sechs Wochen!“ wiederholte Orinosuke. „Wie der Rurouni uns gesagt hat,“ stellte Ryosuke fest. „Gut, das wir ihn als Rollenersatz haben, nicht?“ „Dank diesem Rurouni ist ihr Bruder überhaupt am Leben!“ bemerkte Satoshi. „Wenn er nicht diese Wunde so behandelt hätte, wäre euer Bruder verblutet. Ich würde ihn gerne treffen, wo kann ich ihn finden?“ „Himura-san?“ sagte Daisuke. “Er ist hinten beim Wagen – es ist der kleine mit den roten Haaren.” Den roten Haaren. Ja, Satoshi hatte diesen Typen gesehen, als der Wagen im Dorf angekommen war. Irgendwas klingelte bei ihm beim Anblick von diesen Haaren, aber er konnte noch nicht ganz herausfinden, was. Er ging aus dem Hof zum Wagen, sah aber dort nur den anderen stämmigen Soldat, der gerade Kisten herumtrug. „Entschuldigen sie,“ fragte er Baiko, „Wo finde ich Himura-san?“ „Das ist der da drüben,“ sagte Baiko, mit dem Finger hinter den Wagen weisend, wo Kenshin gerade mit einer weiteren Kiste auftauchte. „Oi, Himura-san, der Arzt will dich sprechen!“ Kenshin setzte geschwind die Kiste ab und verbeugte sich. „Du siehst zwar verdammt jung aus,“ begann Satoshi, „aber du hast Erfahrung als Arzt? Ich war beeindruckt, als ich den Verband um die Wunde gesehen habe. Nicht viele Laien wissen, wie man eine blutende Aterie behandelt. Und wie du den Knochen gerichtet hast – ich hätte es nicht besser machen können.“ Erfahrung? Kenshin wusste nicht, wie er das beantworten sollte. Nein, keine Erfahrung als Arzt. Aber Erfahrung mit solchen Verletzungen. Leider ja. „Sessha... hat zugeschaut,” antwortete er endlich, nicht erwähnend, dass dieses Zuschauen oftmals ihm selbst galt, als er verwundet war und behandelt wurde. „Nun, du könntest ja mal drüber nachdenken, Arzt zu werden. Du hast offensichtlich Talent!“ Kenshin lächelte in sich hinein bei dem Gedanken, dass ein ehemaliger Auftragskiller Leute verarztet anstatt sie zu töten, aber dann wurde er wieder ernst, als er sah, dass ihn Satoshi so seltsam beäugte. Er fühlte keine feindselige Stimmung, aber irgendwas anderes, was ihm nicht gefiel. “Ist irgendwas?” fragte er schließlich. Satoshi schüttelte heftig den Kopf. „Weißt du. Ich könnte schwören, dich von irgendwoher zu kennen. Haben wir uns schon mal getroffen?“ Kenshin versteifte sich. „Nein, ich denke nicht,“ sagte er wahrheitsgemäß. Es passierte schon wieder – jemand erkannte ihn. Allerdings war er sich hier nicht so sicher. Er war gesegnet – oder verflucht – mit einem photographischen Gedächtnis, das ihm erlaubte, sich an alle Gesichter von Menschen, die er schon mal getroffen hatte, zu erinnern. Aber dieser Mann gehörte nicht dazu. “Warst du jemals bei der Kiheitai?” fragte Satoshi. „Kiheitai?” Kenshin war wirklich überrascht. Keiner, nicht seit seinen drei Jahren Wanderschaft, hatte ihn so etwas gefragt! „JA, das ist es, das ists!” rief Satoshi. „Jetzt weiß ich es wieder. Daher kenn ich dich. Oder jemanden, der so aussieht wie du. Ich war bei der Kiheitai – dort hab ich Arzt gelernt – und nach ein paar Wochen hat mir mein Meister dort mal einen kleinen Jungen gezeigt. Er war wirklich klein, mit roten Haaren und einem Schwert fast so groß wie er selbst. Er war kaum eine Woche da, als er schon mit irgendeinem großen Ishin Shishi-Typ nach Kyoto ging, um sein Kammerdiener zu werden oder so was. Lustig ist, dass man sich später erzählte, das genau dieses kleine Kind es war, was zum berüchtigten Hitokiri Battousai wurde... aber ich glaub das nicht. Jeder weiß doch, das Hitokiri Battousai riesig groß ist, und dieses Kind war so klein... Außerdem war er damals wohl um die 13 oder 14 Jahre alt, auch wenn er jünger aussah. Das würde ihn heute so an die 22 Jahre alt machen. Und du bist.. na ja, 16, oder so? Nein, er wäre viel älter als du, da bin ich sicher.“ Baiko war während Satoshis Monolog an Kenshins Seite getreten und sah, wie sich sein Gesicht zu einer grimmigen Maske versteinerte. Ehe noch mehr gesagt werden konnte, unterbrach er Satoshi. „Sie waren bei der Kiheitai? Aah, interessant. Was macht denn jemand aus Satsuma in Choshu?“ Kenshin warf Baiko einen dankbaren Seitenblick zu und nutzte die Chance zur Flucht. „Was ich?“ sagte Satoshi. „Ich bin geflüchtet, weil hier Samurai herrschten und uns das Leben zur Hölle machten. Kaum hatte ich von Takasugi Shinsaku und der Kiheitai gehört, die jeden, der gegen das Shogunat war, trainierten, bin ich nach Choshu gewandert. Ist ja nicht so weit weg, per Boot. Leider hat sich herausgestellt, das ich kein begabter Schwertkämpfer war, aber ich hatte Talent als Arzt. Oh, wo ist euer Freund denn hin?“ Baiko schaute sich müßig um. „Wohl Weg. Und, konntet ihr diese höllischen Samurai schließlich vertreiben?“ „Nein, das hat die Regierung geregelt,“ antwortete Satoshi leise, als hätte er Angst, gehört zu werden. „Sie wurden von einem mächtigeren Ishin Shishi Anhänger vertrieben. Aber zwei Söhne sind noch da. Sie sind es, die jetzt hier mit ihren Leuten die Gegend unsicher machen. Sie wollen ihr Land zurück und uns wieder das Geld aus der Tasche ziehen. Sie terrorisieren das ganze Gebiet bis runter nach Miyazaki.“ „Genau da wollen wir hin,“ meinte Baiko beunruhigt. „Tja, vor einer Woche waren sie noch in dieser Gegend. Wir hörten, sie töteten einige Wanderer, nur um ihnen das Essen zu stehlen. Also wäre ich an eurer Stelle sehr vorsichtig!“ „Danke für die Warnung.“ Baiko sah, wie Satoshi wieder in sein Haus zurück ging. Dann suchte er nach Kenshin, den er schließlich mit geballten Fäusten hinter dem Wagen sitzend fand. “Ich war nicht so klein,” murmelte er, als er Baikos Anwesenheit spürte, „und das Schwert hat mir gut gestanden.“ Baiko schluckte sein Gelächter hinunter. Nur daran zu denken, Hitokiri Battousai als Kind mit einem Schwert, das viel zu groß für ihn war, zu sehen, ließ ihn fast vor Lachen platzen. Aber Kenshin war offensichtlich nicht sehr gut gelaunt. Es folgten einige unangenehme Minuten des Schweigens. Dann stand Kenshin auf und begann wieder, die Kisten, die Daisuke für die Aufführung wollte, aus dem Wagen zu holen. „So.” Baiko half ihm beim Tragen. „Dann hatte der Arzt also Recht. Er kennt dich von der Kiheitai.“ Wieder Schweigen. Baiko dachte schon, dass Kenshin seine Frage überhaupt nicht beantworten würde, bis er plötzlich sagte: „Ich war bei der Kiheitai, vielleicht eine Woche, oder zwei. Ich glaube nicht, das mir Satoshi-san begegnet ist, auch wenn er mich gesehen haben könnte.“ Er wurde still. Dann, mit leiser, weicher Stimme fuhr er fort. „Ich war jung, nicht viel älter wie Bunjiro – jung und idealistisch.“ Ruhig drehte er sich zu Baiko um, dem es kalt den Rücken herunter lief, als er Kenshins farblose, matte Augen sah. „Während des Bakumatsu,“ sagte er mit tonloser Stimme, „gab es keinen Platz für Jugendliche mit Idealen.“ Dann wandte er sich wieder seiner Arbeit zu, und Baiko war sich sicher, dass das Gespräch jetzt wohl beendet war. Er wunderte sich, was einen so berühmten Patrioten wohl so verbittert hatte. Japanische Begriffe Onnagata: Die weibliche Rolle, die ein Mann im Kabuki-Theater spielt Bakumatsu: Japanischer Bürgerkrieg. Geta: Holzsandalen mit Absätzen. Sessha: ‘Dieser unwürdige’ Kata: Die vorgeschriebenen Bewegungen während des Schwerttrainings Yakuzas: Gängsterbande Kenjutsu: Die Kunst des Schwertkampfes Ki: Geist, Aura Ishin Shishi: Während der Bakumatsu-Zeit die Fraktion gegen das Shogunat, die Patrioten Onna-dono: wörtlich “Frau Dame.” Gomen nasai: Tut mir sehr leid Kiheitai: die Privatarmee, die sich Choshu während der Revolution schuf, ins Leben gerufen von Takasugi Shinsaku. Bestand vor allem aus Bauern, Handwerkern oder Kaufleuten, weniger aus Samurai. Bakufu: Militärregierung des Schogunats Anmerkungen: Ich fand dieses Kapitel seeehr langatmig zu übersetzten, auch wenn es viele schöne Stellen hat (Kenshins Umziehszene mit Ikuko oder am Schluss das Gespräch mit Baiko…) Allerdings lässt sich die Autorin dieser FF oftmals von endlos langen Szenenbeschreibungen davontragen – deswegen habe ich einige Stellen mal frecherweise gekürzt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)