Babydoom von Nurja (Eltern wider Willen) ================================================================================ Prolog: Kaiba-Ritis ------------------- Prolog Oder: Kaiba-Ritis ------- An jedem Montagmorgen stehe ich am Abgrund – und heute gehe ich noch einen Schritt weiter. Es ist der erste Montag im Dezember und Weinachten steht vor der Tür. Alle fiebern schon den Ferien und vor allem ihren Geschenken entgegen und sind generell am Durchdrehen. Sogar die Lehrer. Seit einigen Jahren gibt es die Tradition, die letzten Wochen des Jahres zu Projektwochen zu machen, um "das Jahr harmonisch und entspannt ausklingen zu lassen", wie Kisaki-Sensei, unsere Sozialkundelehrerin, erklärt hatte. Ihr denkt jetzt wahrscheinlich "W00T! Projektwoche! Is' ja voll lässig!" … Ihr kennt unsere Lehrer nicht. Was die sich immer für Schwachsinn ausdenken. Letztes Jahr war es "Konserven sammeln für Bedürftige". Im Winter, bei gefühlten -30°C, von Tür zu Tür stapfen, um zu fragen, ob man denn vielleicht, eventuell, bitte?, eine Dose Suppe übrig hätte. Der gesamte Jahrgang, das heißt um die hundert Schüler, hat es doch tatsächlich geschafft, in zwei Wochen sage und schreibe 17 Dosen zu sammeln… Die Projektwochen des vorletzten Jahres sollten als das "Hello-Kitty-Massaker" in die Geschichte der Schule eingehen. Ein ungeschriebenes Gesetz der Schule verbietet jedem Schüler, darüber zu sprechen. Schön war auch das Jahr davor, mit dem Motto "Esswettbewerb". Unnötig zu erwähnen, dass ich gewonnen habe. Bis dahin war es ja auch in Ordnung, doch dann artete alles in einer Gruppenkotzerei aus… Irgendwas mit Salmonellen. Fünfzehn Schüler mussten ins Krankenhaus, darunter auch ich, weswegen meine Erinnerungen etwas schwammig sind. Versteht ihr jetzt, warum ich so gar keine Lust auf diese Projektwochen habe? Ich hatte das ganze Wochenende Horrorvisionen, Alpträume und konnte die Nacht nicht schlafen, was darin resultiert, dass ich tatsächlich pünktlich bin. Ich schlendere über den Schulhof und erspähe auch schon meine Freunde. Die sehen so aus, wie ich mich fühle. Außer Yuugi natürlich, dem macht die Schule nämlich grundsätzlich Spaß. Manchmal – aber nur manchmal – hasse ich ihn dafür. Ganz selten und nur ein bisschen. Da kommt man schlecht gelaunt, unausgeschlafen und in Gedanken noch im warmen Bett in die Schule und dann steht da so ein kleiner, ewig lächelnder Zwerg, der einem fortwährend aufmuntern will, sagt, man solle den Kopf nicht hängen lassen und immer positiv denken… Das einzig Positive an der Schule ist, dass ich um drei Uhr nach Hause gehen kann. "Morgen, Alter", begrüßt mich Honda und gähnt mich erstmal herzhaft an. Maaan, gähnen ist so ansteckend! Ich habe mal gelesen, dass man nur etwas über das Gähnen lesen muss und schon muss man selbst gähnen. Ich habe gegähnt. Das tue ich auch jetzt. "Hey, Jounouchi-kun, du bist ja", jetzt muss sogar Anzu gähnen, "heute sogar mal pünktlich." Ich zucke die Schultern. "Konnt' nich' schlaf'n", murmele ich. "Ich auch nicht, ich bin so aufgeregt. Was wir dieses Jahr wohl machen?" Yuugi. Ein unterdrücktes Stöhnen geht durch die Runde. Er schaut verwirrt. "Was ist denn?" "…Nichts, schon gut, Alter. Lasst uns reingehen, sonst friere ich mir noch meinen Knackarsch ab." Feixend sehe ich zu Anzu, die uns allerdings schon vorausgeeilt ist. Dennoch konnte ich kurz sehen, wie ihre Wangen einen leichten Rotschimmer angenommen haben. Ich grinse ich mich hinein. Auf Hondas letzter Geburtstagsparty hatte dieser, schon ziemlich breit, die glorreiche Idee "Lasst uns Flaschendrehen spielen". Komplett mit Wahrheit oder Pflicht. Anzu, ebenfalls recht angeheitert, hat Wahrheit genommen. So habe ich, als einziger in der Runde noch nüchtern (Yuugi lag schon schnarchend auf dem Sofa) und fies, wie ich sein kann, sie gefragt, ob sie mich sexy fände. Nach einem kleinen Kichern, wie es nur japanische Mädchen beherrschen, sagte sie, ich hätte einen süßen Knackarsch. Was sie Tags darauf aufs Übelste bereute. Und es bis heute tut, denn ich lasse selten eine Gelegenheit aus, dieses Wort in eine Konversation einfließen zu lassen. Aber, ganz objektiv betrachtet hat sie ja Recht; Ich bin wirklich ein ansehnliches Kerlchen. Ich würde sogar soweit gehen und mich als "hübsch" bezeichnen. So hübsch wie ein Kerl eben sein kann. Und – natürlich wieder ganz objektiv betrachtet – ich habe auch einen wirklich tollen Körperbau. Durchtrainiert, sonnengebräunt (im Winter natürlich weniger) und ein strammer Hintern. So ein bisschen Arroganz ist schon erlaubt, wenn man(n) so gut aussieht wie ich. … Oh, nein, ich glaube Kaiba ist ansteckend! Hilfe, ich habe Kaiba-Ritis! A propos; Als wir in die Klasse kommen, sehe ich ihn schon. Schwer, ihn zu übersehen, mit seinem superstylischen, 10.000 Dollar Designer-Mantel, den seit er Neuestem auch in der Schule trägt. Die Lehrer wagen es ja nicht, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass Schuluniform Pflicht ist. Unser Physiklehrer hat es getan. Danach war er nicht mehr unser Physiklehrer… Angeblich ist er in Pension gegangen – mit 47? Ja, klar… - aber jeder weiß, dass Kaiba veranlasst hat, ihn zu feuern. Seitdem haben wir freitags schon um ein Uhr Schluss. Insgeheim bin ihm dafür dankbar (Physik war nie meine Stärke). Das würde ich ihm natürlich niemals sagen. Er sieht sehr schlecht gelaunt aus. Gut, das tut er eigentlich jeden Tag. Mittlerweile kann ich aber zwischen "einfach nur schlecht gelaunt" und "heute besonders mies drauf" unterscheiden. Honda fragt mich ständig, wie ich das anstelle, er sehe immer nur dieselbe unbewegte Hackfresse (O-Ton). Ich kann dann nur die Schultern zucken und sagen: "Instinkt." Kaiba strahlt irgendwie so eine Aura aus, keine Ahnung, kann's nicht beschreiben. Wie ich ihn so ansehe, bemerke ich zwei Dinge: a) Ich denke mal wieder viel zu viel über diesen Kotzbrocken nach (passiert mir in letzter Zeit leider häufiger – ich sag ja, Kaiba-Ritis) und b) Ein fettes Grinsen stiehlt sich gerade auf mein Gesicht. Den Gedanken, der dieses Grinsen hervorruft, spreche ich prompt laut aus. "Na, Kaiba, heute keine wichtigen Termine, mit denen du dich drücken kannst?" Er dreht sich nicht einmal um, aber ich kann sehen, wie seine Hände sich zu Fäusten ballen. "Halt die Klappe, Köter", knurrt er nur. Daran zum Beispiel merke ich, wie er drauf ist. Ist er wirklich mies drauf, nennt er mich Köter. Will er mich einfach nur zu einer unserer alltäglichen Streitereien herausfordern, nennt er mich Hündchen oder gibt mir Hundenamen wie Bello oder Fiffi. Einmal hat er mich Felix genannt und als ich ihn freundlich darauf aufmerksam gemacht habe, dass Felix ein Katzenname ist (soll heißen, ich habe es ihm mit einem überheblichen Grinsen entgegen geschleudert), meinte er nur, der Hund seiner Nachbarin hieße Felix. Das hat mich erstmal sprachlos gemacht. Woher weiß der unsozialste Mistkerl der Nation, wie der Hund seiner Nachbarin heißt? Wahrscheinlich schläft er mit ihr. Würde ich ihm zutrauen. Ich weiß nicht genau warum, aber aus irgendeinem Grund macht mich der Gedanke rasend. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich mit meinen 17 Jahren noch nie eine Freundin hatte und der Arsch vögelt sich durch die gesamte Nachbarschaft. Aber die Wahrheit ist: Ich interessiere mich gar nicht mal so für Mädchen. Das bleibt aber unter uns, ja? Nach dem obligatorischen "Ich habe auch einen Namen, Geldsack" setze ich mich auf meinen Platz. Das Klingeln und das – wie immer – überpünktliche Erscheinen unserer Sozialkundelehrerin hindern ihn daran, mich weiter zu beleidigen. Worüber ich auch recht froh bin, denn selbst ich habe Respekt vor einem übelgelaunten Kaiba. Und nein, Respekt ist kein anderes Wort für Angst. Naja, vielleicht ein bisschen. ------- Ende Prolog Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)