Lunatismus von abgemeldet (Ruhmreiche Rumtreiber) ================================================================================ Kapitel 56: - In Pralino Veritas - ---------------------------------- A.N.: Bei Merlins Bart, dieses Kapitel hat Spaß gemacht! Ich hab mich beim schreiben so beömmelt, das glaubt ihr mir nicht. Dieses Kapitel ist so grotesk-witzig, dass es mich wirklich verblüfft. Ich hoffe, es gefällt euch auch. Zum Titel: Natürlich ist "Pralinum" keine echte, lateinische Vokabel und folglich ist auch der Ablativ "In Pralino" vollkommen an den Haaren herbeigezogen. Aber ich habe mich, wie ihr sicher wissen werdet, an dem lateinischen Spruch "In Vino Veritas" (frei übersetzt: "Im Wein liegt die Wahrheit") orientiert... Nun könnt ihr euch ja ausmalen, was der Titel bedeuten soll. Nun sage ich, wie immer: ENJOY! ------------ - In Pralino Veritas - Den gesamten Samstag verbrachten Lily und James damit den Trank fertigzustellen. Sie saßen im Kerker Nummer Acht auf ihren Umhängen, die Ärmel hochgerollt, um sie herum einige Fläschchen und Phiolen, während in der Mitte das mitlerweile abgekühlte, dickflüssige, rosafarbene Gebräu stand. „Nun nehmen wir die Schokohohlkörper und füllen die viskose Masse hinein." „Kannst du bitte aufhören zu reden, wie ein Kochbuch für Akademiker?" bat James und nahm sich eine leere Schokopraline. Lily schlug sie ihm aus der Hand. „Ich höre auf so zu reden, wenn du aufhörst die Pralinen wegzufuttern. Wie sollen wir Remus das Zeug bitte unterjubeln, wenn du die Tarnung aufisst?" James lachte. „Wir basteln hier Trojanische Pferde, ist dir das bewusst?" Lily schmunzelte und griff nach einer Schöpfkelle. „Mensch, James. Jetzt sag nicht, du hast Ahnung von Geschichte. Ich bin beeindruckt." meinte sie. „Ich weiß das nur, weil Remus nicht aufhören kann zu reden, wenn er einmal von Geschichte angefangen hat. Wirklich, der Junge ist erleuchtet, im intellektuellen Sinne, versteht sich." „Immerhin kann man das wenigstens von einem von euch Rumtreibern behaupten." James hielt ihr eine Praline hin und vorsichtig füllte sie die zähe Flüssigkeit ein. Ein Geruch von Lavendel und Rosen stieg den beiden in die Nasen. „Soll heißen?" wollte James grinsend wissen. „Als wenn du das nicht wüsstest." meinte sie, ebenfalls den Mund zu einem neckischen Grinsen verzogen. „Ich meine, Peter ist lieb und putzig und ein wirklich famoses Persönchen, aber der hellste Knopf in der Büchse ist er nicht gerade. Sirius, deine bessere Hälfte, ist nicht dumm, aber wenn es darauf ankommt, lässt er seinen Kopf im Gemeinschaftsraum liegen und handelt stattdessen entsprechend seinem irreführenden Bauchgefühl. Und was dich angeht... Davon fange ich besser gar nicht erst an." „Sprich ruhig." meinte er und reichte ihr die nächste Praline. „Ich hab' Charakter. Ich kann Kritik vertragen." „So? Ist das wahr?" „So wahr ich hier sitze." „Na, dann." Sie lachte nur und schwieg. „Mach mehr rein." sagte er und kippte ihre Hand ein wenig nach vorne. Eine recht große Menge Venustrank floss in die Praline. „James! Das ist zu viel." mahnte sie ihn, doch er störte sich nicht daran. „Lieber zu viel, als zu wenig, Nebenwirkungen hin oder her." Er stellte die Praline zu den anderen auf ein Stück Pergament. „Du willst doch auch, dass es funktioniert." fügte er hinzu. „Zum Wohl unserer Freunde müssen wir auch mal was riskieren." „Ja, James, ich will auch, dass es funktioniert. Aber ich will nicht, dass Remus wegen einem zu stark dosierten Liebestrank versucht, Sirius in der Großen Halle die Kleider vom Leib zu reißen. Die Peinlichkeit würde Remus mir nie verzeihen." James lachte heftig und nur für einen winzigen Augenblick glaubte Lily, dass seine Stimme sich anhörte, wie das Röhren eines Hirsches. „Ich glaube," meinte James. „Dass das Sirius ganz gut gefallen würde." „Aber Remus nicht." wiederholte Lily pflichtbewusst. „Ich möchte gern, dass er sich seiner eigenen Gefühle bewusst wird. Er soll sie ja nicht augenblicklich ausleben. Das hat Zeit, bis die beiden alleine sind." Mehr und mehr fertige Pralinen landeten auf dem Pergament. „Woher wissen wir, das der Trank überhaupt funktioniert?" wollte James wissen. Irgendwie war ihm der Zweifel bis jetzt noch überhaupt nicht gekommen, aber die pinke Plörre wirkte auf ihn nicht sonderlich vielversprechend, obgleich sie recht angenehm roch. Aber das taten Raumerfrischer und Rasierwasser auch. „Wir wissen es nicht." erwiderte Lily. „Wir haben bei der Herstellung alles richtig gemacht... Glaube ich zumindest. Jetzt heißt es hoffen." ~*~ Es war Sonntagmorgen, der Tag an dem James und Lily ihren Plan in die Tat umzusetzen gedachten. Dabei wollten sie sich die Eigenarten des Pärchens in Spe zu nutze machen. „Remus ist immer als Erster wach und geht vor uns in die Große Halle, um entspannt einen Tee zu trinken, bevor wir ihm dann später zum Frühstück Gesellschaft leisten." hatte James ihr erklärt. „Du könntest früh morgens hoch in die Eulerei gehen und Remus die Pralinen anonym per Eule zukommen lassen und ich weihe Sirius ein, sobald er wach ist. Es kann ja nicht schaden, wenn er bescheid weiß. Schließlich wird das vielleicht seine einzige Chance sein, Remus seine Gefühle zu gestehen, ohne befürchten zu müssen, abgewiesen zu werden." Lily war einverstanden. Um zehn nach Sechs am frühen Sonntag, als fast alle anderen Schüler in Gryffindor noch schliefen, schlich Lily aus dem Schlafsaal hinaus und machte sich auf den Weg in die Eulerei. Auch wenn sie es nicht zugegeben hätte, aber sie war aufgeregt, wie an ihrem ersten Schultag. ~*~ Bereits um zehn vor Sechs hatte Remus Lupin den Schlafsaal der Jungen in Richtung Große Halle verlassen, De Amore et Amicitia in der Hand. Er mochte es sehr am Wochenende vor allen anderen in der Großen Halle zu sitzen, in aller Ruhe eine Tasse Tee zu trinken und dabei in dem ein oderen anderen Buch zu schmökern. Er genoss die Stille sehr, denn wenn man ein Rumtreiber war und mit den Herren Potter, Black und Pettigrew befreundet war, wurde Stille schnell zu einem Fremdwort. Um Punkt Sechs Uhr betrat Remus Lupin die Große Halle, ohne zu wissen, welches Drama sich noch an diesem Morgen abspielen würde. ~*~ James hatte die halbe Nacht vor Aufregung nicht geschlafen und als Remus an diesem Morgen leise die Tür des Schlafsaals hinter sich schloss, hätte der Jäger beinahe vor Überspanntheit gequiekt. Nicht mehr lange und der größte Plan aller Zeiten (gleich nach der Toiletten-Sprengung von 1971) würde umgesetzt werden. Es kam ihm vor, als hätten Lily und er den mächtigsten Streich in der Geschichte des Rumtreibertums entwickelt und er war mächtig stolz darauf. Er fragte sich, ob es etwas besseres gab, als einen Streich auszuhecken und im Zuge dessen auch noch seinen besten Freunden zu helfen. Ihm fiel nichts besseres ein. Gerade in diesem Moment rührte sich im Bett gegenüber der Deckenberg, unter dem sich Sirius verbarg. Das war recht ungewöhnlich, denn Sirius war am Wochenende vor Mittag meist nicht aus dem Bett zu bekommen. James runzelte die Stirn und richtete sich auf. ~*~ Ein leises Klicken, dass Sirius augenblicklich als das Schließen der Tür erkannt hatte, hatte ihn aus seinem leichten Schlaf geholt. Er wusste, dass es eigentlich zu früh war, um aufzustehen, aber er wusste auch, dass er nicht wieder würde einschlafen können. Jetzt wo er wusste, dass Remus bereits wach war (denn wer sonst würde an einem Sonntag freiwillig zu einer gewiss gottlosen Zeit das Bett verlassen?), verspürte er selbst den Drang einmal entgegen seiner Gewohnheit früher aufzustehen. Vielleicht könnte er noch ein wenig mit Remus gemeinsam in der Großen Halle sitzen, bevor die anderen zum Frühstück kamen. Was er sich davon erhoffte, war dem Lockenkopf selbst nicht ganz klar, aber es spielte auch keine Rolle mehr, als er die Decke zurückschlug und sah, dass James bereits aufrecht im Bett saß und sich die Brille aufsetzte. „Guten Morgen, Sonnenschein." witzelte der Jäger feixend. „Wie kommt es, dass du schon wach bist? Ist dir klar, dass es erst kurz vor Sechs ist?" Sirius grunzte und schob sich die schwarzen Locken aus dem Gesicht. Wie jeden Morgen fühlte er sich so zerknautscht, wie sein Kopfkissen aussah. „Tür." sagte er und gähnte. „Das Geräusch würde ich unter tausenden heraushören." „Umso besser." meinte James und hüpfte schwungvoll aus seinem Bett. Er griff nach seinem Pullover und warf ihn sich über, während er zeitgleich in seine ausgetretenen Lieblingsslipper schlüpfte. Sirius bewunderte immer wieder mit wie viel Koordination James jeden Morgen bereits kurz nach dem Aufstehen aufwarten konnte. Um ihn selbst zu Potte kommen zu lassen, brauchte es schon eine ganze Menge Kaffee oder eine mittlere Katastrophe. „Wieso ist es umso besser?" wollte Sirius wissen und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und versuchte sich den Schlaf aus den Augen zu reiben. Dadurch konnte er das verräterische Glimmen in den Augen seines Freundes nicht sehen. Peter schnarchte noch immer und sie beide wussten, dass der kleine Gryffindor an einem Sonntag morgen nicht einmal durch eine zwölfköpfige Kapelle aufwachen würde. Es gab also keinen Grund zu flüstern. „Lily und ich haben eine kleine Überraschung für dich." antwortete der Brillenträger und warf Sirius seinen schwarzen Sweater zu. „Zieh dir was an. Wir gehen in die Große Halle." „Was soll das heißen: Du und Lily habt eine Überraschung?" wollte Sirius wissen und ahnte nichts Gutes. James grinste. „Warum dieser skeptische Ton, Herr Tatze? Ich dachte, du magst Überraschungen." „Ja." entgegnete ihm Sirius und zog sich den Sweater über den Kopf, während er versuchte aus dem Bett zu krabbeln. „Aber nicht, wenn Herr Krone und die Rothaarige ihre Teufelsfinger im Spiel haben. Sag schon, James. Was habt ihr zwei ausgeheckt?" „Dafür muss ich dir zuerst was beichten." gestand James und schob seine Brille den Nasenrücken hoch. „Lily weiß, dass du in Remus verliebt bist." „WAS?!?!" Mit einem lauten Knall fiel Sirius von der Bettkante und landete unsanft auf dem harten Holzboden. Peter gab ein Geräusch von sich, dass sich anhörte wie ein nicht mehr ganz tadellos funktionierender Zahnarztbohrer, schlief aber weiter. „Sirius, ist alles okay?" fragte James und wollte sich schon über das Bett beugen, als der strubbelige Lockenkopf mit schockiertem Gesichtsausdruck auf der anderen Seite wieder auftauchte. „Du Mistkerl!" rief er mehr verzweifelt als verärgert. „Wieso hast du ihr das erzählt?!" „Ich hab ihr nichts erzählt!" sagte James wahrheitsgemäß. „Sie ist von ganz allein drauf gekommen. Schon letztes Jahr. Ich hab dir gesagt, dass du fürchterlich offensichtlich bist." „Guhlmist." schimpfte Sirius und vergrub sein Gesicht in der Matratze. „Ich werde ihr nie wieder unter die Augen treten können." „Erzähl keinen Quatsch." meinte James nur, ging um das Bett herum und zog Sirius auf die Füsse. „Wir gehen jetzt in die Große Halle. Unsere Überraschung müsste gleich ankommen." „Ankommen?" Sirius ließ sich nicht von der Stelle ziehen. „James, du sagst mir jetzt auf der Stelle, was los ist, oder ich kau dir beim nächsten Vollmond die Hinterläufe ab." James seufzte. Das sein bester Freund aber auch immer so ungeduldig sein musste. „Schon gut, schon gut." sagte er. „Lily und ich haben einen Zaubertrank gebraut, der Liebesgefühle wachsen lässt. Wir haben ihn in Pralinen abgefüllt und heute morgen ist Lily in die Eulerei, um sie an Remus zu schicken. Er wird sie essen und du- HEY!" James hatte nicht schnell genug reagieren können, Sirius war einfach zu plötzlich losgelaufen. Der Lockenkopf war pfeilschnell an ihm vorbeigerannt und aus dem Schlafsaal gestürmt. Sofort rannte James ihm hinterher. „Sirius, warte! Wo willst du hin?!" ~*~ Lily hatte die Eulerei erst nach zwanzig Minuten erreicht, weil Peeves ihr im obersten Stockwerk den Weg versperrt hatte. Er hatte die rothaarige Schülerin mit pitschnassen Tafelschwämmchen beworfen und schmutzige Lieder gesungen. „Blöder Poltergeist." grummelte sie und strich sich eine feuchte Strähne aus dem Gesicht, als sie die Treppe zur Eulerei empor stieg. In dem hohen, zugigen Turmzimmer saßen hunderte von Eulen auf ihren Stangen. Ein stetiges Rascheln von Federn war hier zu hören, sowie der ein oder andere Eulenschrei. Dann und wann flogen die Vögel durch die scheibenlosen Fenster hinein und hinaus. Die meisten Eulen waren erst vor Kurzem von der nächtlichen Jagd zurückgekehrt. Auf einer der hinteren Stangen saßen die Leiheulen, vier mächtige braune Vögel, die für all jene Schüler zur Verfügung standen, die selbst keine Eule besaßen. Mit einer von ihnen wollte Lily die Pralinen verschicken. Sie hatten sich sehr viel Mühe gegeben, die Schokolade nett zu verpacken. Lily hatte sie in ein tintenblaues Schächtelchen gelegt und eine goldene Schleife dazu ausgesucht. James meinte zwar, dass Rot die bessere Farbe gewesen wäre, aber das hatte Lily ignoriert. Es musste schließlich nicht immer alles rot sein, nur weil man ein Gryffindor war. Außerdem war die schlichte Ästhetik in diesem Falle wichtiger (den jene gefiel Remus, das wusste sie), als häuslicher Patriotismus und im übrigen, so hatte Lily James erklärt, passte das Rot überhaupt nicht zum Blau der Schachtel. Männer hatten eben doch meistens keinen Geschmack. Sie ging vorsichtig zwischen den Sitzstangen hindurch, um die anderen Tiere nicht zu erschrecken und sah sich ganz plötzlich einem großen Uhu gegenüber. Sie erkannte das Tier sofort. Es war die Eule der Potters, mit der James ihr im dritten Schuljahr dieses fürchterliche Valentinstagsgeschenk hatte zukommen lassen. „Hallo, Leander." sagte sie und strich dem ruhigen Vogel über die Brust. „Du kannst nichts dafür, dass dein Herrchen manchmal ein echter Idiot ist, nicht wahr?" Leander bewegte den Kopf ein wenig und Lily fand, dass es wie ein Nicken aussah. Neben Leander saß Peters Raufusskauz. Die Schülerin brauchte einen Moment, um sich an den Namen zu erinnern. „Brueny, richtig?" sagte sie, erwartete aber keine Antwort. Brueny pickte nach ihrem Ärmel. „Hunger? Typisch Pettigrew, stimmt's?" Sie lachte. Dann steckte sie sich ihren Daumen und ihren Zeigefinger in den Mund und pfiff einmal hoch und laut. Augenblicklich kam eine der Leiheulen angeflogen und landete neben der verschreckten Brueny. „Okay, mein Freund." sagte Lily zu der großen Leiheule und hielt ihr das blaue Päckchen vor die Augen. „Das hier ist ein Geschenk an Remus Lupin. Du musst es ihm in die Große Halle bringen." Sie wollte dem Vogel gerade die Pralinen ans Bein binden, als mit einem lauten Knall die Tür zur Eulerei aufflog. Einige Vögel erschreckten sich und flatterten aufgeregt umher, weshalb Lily im ersten Moment nicht sehen konnte, wer so plötzlich hereingestürmt war. Dann sah sie zwischen den vielen Standen und Tieren Sirius hervorschnellen, der ihr versuchte das Päckchen zu entreißen. „Gib das auf der Stelle her!" rief er. Sie duckte sich unter ihm hinweg und sah James hineinrennen. „James, fang!" rief sie und warf ihm die blaue Schachtel zu. Als Jäger der Quidditchmannschaft war es ihm ein leichtes, die Pralinen zu fangen. „James Potter! Rück sofort diese Schachtel raus oder ich schwöre dir, du wirst dein nächstes Lebensjahr nicht mehr erreichen!" Lily war vollkommen perplex. Was war nur mit Sirius los? Warum regte er sich so auf? „Sirius, kannst du mir mal bitte erklären, warum du so sauer bist?" sagte sie, die Hände in einer abwehrenden und zeitgleich beschwichtigenden Geste von sich gestreckt. „Das fragst du noch?!" rief der Lockenkopf. „Ich will nicht, dass ihr dieses Päckchen an Remus schickt! Habt ihr sie noch alle?! Ihr könnt ihn doch nicht wirklich unter Drogen setzen wollen!" James grinste schief. „Sirius, jetzt übertreibst du aber. Wir wollen Remus nicht unter Drogen setzen. Der Trank ist harmlos." „James hat Recht." pflichtete ihm Lily bei. „Der Venustrank in diesen Pralinen sorgt nur dafür, dass bereits bestehende Gefühle stärker zum Vorschein kommen und der betreffenden Person gewahr werden. Das ist alles. Remus wird nicht so massiv davon beeinflusst werden, wie du vielleicht denkst." „Aber er wird davon beeinflusst werden." beharrte Sirius. „Richtig." sagte James. „Das ist ja auch der Punkt der ganzen Sache. Wenn der Trank nur nett schmecken sollte, hätten wir auch Marmelade in die Pralinen füllen und uns eine ganze Menge Arbeit ersparen können." „Sirius, ich versteh das nicht." sagte Lily ehrlich. „Wir wollen dir doch nur helfen. Warum bist du so dagegen?" Sirius lachte freudlos. „Ich fasse es nicht." sagte er. „Ihr beide gehört zu den intelligentesten Menschen unter der Sonne und habt trotzdem keine Ahnung, warum ich diese Aktion nicht sonderlich prall finde?" Lily und James warfen sich einige merkwürdige Blicke zu. „Nein, Sirius. Erklär es uns bitte." „Herrgott, James! Ich will nicht, dass Remus durch irgendwelche Magie in einen künstlichen Rausch verfällt und plötzlich meint er wäre... Was auch immer. Sobald der Trank nachlässt wird er sich fürchterlich fühlen, wenn er feststellt, dass er nichts von dem gewollt hat, was er unter dem Einfluss dieses Teufelszeugs getan hat. Ihr dürft ihn nicht so manipulieren. Das ist nicht fair." Das war nur die halbe Wahrheit. Sirius wusste, dass er es nicht würde ertragen können, wenn Remus ihn freundlich aber bestimmt zurückweisen würde, sobald der Trank seine Wirkung verlöre, mit der Begründung er wäre irgendwie und auf vollkommen unverständliche Weise nicht Herr seiner Sinne gewesen. „A-aber Sirius, Remus will doch, aber traut sich nicht." sprach Lily. „Glaub mir, ich kenne Remus sehr gut. Er liebt dich, er weiß nur noch nichts davon." Selbst für Lilys Ohren hörte sich diese Aussage nicht sonderlich eindrucksvoll an. Dabei hatte sie in ihrem Kopf noch so viel Sinn gemacht. Sirius schnaufte. „Ja, klar. Vielen Dank auch. Das ist vielleicht das, was ihr denkt. Aber daran sieht man mal wieder, wie realitätsfern ihr sein könnt. Kommt wieder auf den Teppich der Tatsachen zurück und lasst den armen Remus in Frieden. Er ist der letzte, der unter dem Chaos zwischen meinen und euren Ohren zu leiden haben sollte." Eine Welle der Ernüchterung und Enttäuschung schwappte über Lily und James hinweg, als sie erkannten, dass Sirius eigentlich Recht hatte. Es war nicht fair gegenüber Remus, ihm seine eigenen Entscheidungen abzunehmen und ihn durch Magie so heftig zu beeinflussen. Was hatten sie sich nur dabei gedacht? Sirius' Herz klopfte immer noch vor Aufregung, aber es wurde besser. Er hatte das Schlimmste gerade noch verhindern können. Es war nicht so, dass er seinen Freunden nicht dafür dankbar war, dass sie sich um ihn sorgten. Aber mehr als sein eigenes Glück war ihm das von Remus wichtig und das bedeutete für Sirius vor allem eines: Verzicht. „Ich weiß, dass ihr mir nur helfen wolltet, aber ich will nicht, dass ihr an Remus' Gefühlen herumpfuscht, nur damit es mir besser geht. Er liebt mich nicht und das ist in Ordnung. Und bitte versucht mir nicht mehr einzureden, dass das anderes wäre. Denn das ist es nicht." Die Worte auszusprechen war noch viel bitterer, als Sirius es sich vorgestellt hatte. Sein Herz war schon eine Weile gebrochen und er hatte eine Ewigkeit am Krankenbett gesessen und es bemitleidet. Jetzt, da er so klar ausgesprochen hatte, was er schon so lange wusste, fühlte es sich an, als hätte er seinem Herzen die letzte Ölung verpasst und die Beisetzung bereits organisiert. Ein heiserer Eulenschrei zog durch die Luft und zu spät sahen die drei Freunde, dass Brueny anscheinend den Schnabel gestrichen voll davon hatte, dass ständig von Pralinen die Rede war, sie selbst aber keine einzige abbekam. Im Sturzflug schnappte sich der kleine Kauz das Päckchen aus James' Hand, der vollkommen überrascht versuchte, die Beinchen des Vogels zu fassen zu kriegen. Doch Brueny schien nicht die Absicht zu haben sich einfangen zu lassen und flatterte hastig weiter nach oben. „Merlin, noch mal!" rief Lily und zückte ihren Zauberstab. „Nuncadis!" Der Zauber brachte die Eule gefährlich ins Trudeln. In einer seltsamen Flugbahn schlingerte Brueny aus einem der Fenster, zu dem die drei Rumtreiber heranstürzten. „Sie trudelt auf die Große Halle zu!" sagte James aufgeregt. Sofort liefen sie los, um den Vogel vielleicht noch in der Halle abzufangen. „Wenn diese Eule das Päckchen zustellt, seid ihr beiden geliefert!" versprach Sirius, als sie die Korridore entlanghechteten. James ignorierte die Drohung seines Freundes und wendete sich im Lauf an Lily. „Du setzt einen Stolperfluch gegen eine Eule ein?" fragte er. Lily wurde rot im Gesicht, teils von der Anstrengung, teils weil sie sich schämte. „Mir ist nichts besseres eingefallen. Versuch du mal in Panik mit einem Spruch aufzuwarten, mit dem man eine Posteule aufhält." ~*~ Remus war vollkommen vertieft in das dritte Kapitel von De amore et amicitia. Er hatte es erst an diesem Morgen begonnen und genoss jedes Wort, während eine Tasse dampfenden Schwarztees vor ihm stand. Zwei Ravenclaws aus dem siebten Jahrgang waren ebenfalls schon an ihrem Platz und tauschten sich mit gedämpften Stimmen über die Arithmantikhausaufgaben der ersten Schulwoche aus und auch am Tisch der Hufflepuffs saßen bereits ein paar Mädchen. Unter ihnen war Fidella Finch-Fletchley, die (wie es der Zufall so wollte) Geburtstag hatte und extra früh aufgestanden war, um ihre Geschenke entgegen zu nehmen. Normalerweise schlief auch sie an Sonntagen aus, aber Remus vermutete, dass die Aussicht auf Geschenke niemanden lange schlafen ließen. Aufgeregtes Kichern kam dann und wann vom Tisch der Hufflepuffs herüber und freudiges Jauchzen, wenn Fidella eines ihrer Geschenke geöffnet hatte und sich bei ihren Freundinnen bedankte. Remus störte das wenig. Viel zu sehr fesselte ihn der Text seines Buches. Groß ist die erste Liebe, denn sie wird ewig erinnert werden. Keine Liebe nach ihr wird so stark sein, noch so schön. Kurz sah Remus auf, um sich einen Schluck Tee zu gönnen, als er aus den Augenwinkeln heraus, einen schwarzen Fleck durch eines der offenen Hallenfenster kommen sah. Er blickte auf und erkannte eine kleine Eule, die aus irgend einem Grund vollkommen ohne Koordination, mehr fallend als fliegend hereinflatterte. In einer seltsamen, spiralförmigen Kurve trudelte sie zur Erde und landete etwas unsanft in Fidellas Berg aus Geschenkpapier. Erschrocken starrten die Mädchen auf die Eule, die sich ungeschickt schüttelte und etwas beduselt versuchte aufzustehen. „Lupin!" rief eine von Fidellas Freundinnen. „Ist das nicht Pettigrews Eule?" Remus stand auf und ging hinüber zum Tisch der Hufflepuffs. „Ja. Ja, das ist Brueny." sagte er und seufzte. Vorsichtig packte er das verwirrte Tier und hob es hoch. „Oh! Es hat ein Päckchen dabei!" rief Fidella freudig erregt und ihre Wangen färbten sich tief rot, als sie lachte. „Peter hat mir ein Geschenk geschickt!" „Wie süss!" seufzten ihre Freundinnen im Chor, während Fidella die Schachtel aus Bruenys Krallen löste. Remus schaute dem ganzen etwas überrascht zu. Peter hatte gar nichts davon erzählt, dass er Fidella ein Geschenk machen wollte, ganz zu schweigen davon, dass er überhaupt wusste, wann sie Gebutstag hatte. Anscheinend hatte er ihn unterschätzt. Remus lächelte. Das war wirklich nett von Peter. „Oh, schaut! Er hat mir Pralinen geschickt! Wie niedlich!" Die Mädchen seufzten unisono, während Fidella genüsslich auf der ersten Praline herumkaute. „Uh, die sind lecker!" schwärmte sie, aber Remus vermutete, dass es ganz egal war, wie sie schmeckten. Wenn man etwas von jemandem geschenkt bekam, spielte es keine Rolle, wie teuer es war, oder wie hübsch oder wie schmackhaft. Geschenke von Menschen, die man sehr mochte, waren so oder so immer besser, als alle anderen. Im Handumdrehen war die kleine Schachtel leer und Fidella seufzte zufrieden. „HALT!" erschallte es plötzlich dreistimmig. Alle Anwesenden drehten sich erschrocken um und sahen, wie Sirius, James und Lily in die Große Halle stürmten. „Lassen Sie die Eule sofort fallen!" rief James. „Was?" fragte Remus und lachte. „Das ist doch jetzt nicht dein Ernst, oder?" „Uuuiiii!" rief Fidella. „Kommt Peter auch gleich? Ich muss mich bei ihm bedanken." „Wofür?" fragte Lily reflexartig. „Na, für die Pralinen. Das ist so süss von ihm, dass er an meinen Geburtstag gedacht hat, findet ihr nicht auch?" Erst jetzt sahen James, Lily und Sirius, dass Fidella die leere Pralinenschachtel in der Hand hielt. Ihre Münder formten drei große Os. „Leute, alles okay mit euch?" fragte Remus besorgt. Irgendwie wirkten seine Freunde, als wären sie alle ein wenig neben der Spur, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass er vor Acht mit keinem von ihnen gerechnet hatte. „Klar!" sagte Sirius, der plötzlich realisierte, dass irgendwer die Situation erklären musste. „Wir sind nur so verwundert darüber, dass... Peter an Fidellas Geburtstag gedacht hat." „Ja, genau!" stimmte ihm James hastig zu. „Du kennst doch unser Würmchen: Wenn man ihn nicht daran erinnern würde, würde er morgens auch vergessen, sich seine Hose anzuziehen." Lily, Sirius und er lachten nervös. „Und warum wolltest du, dass ich die Eule fallen lasse?" hakte Remus nach, dem die ganze Sache irgendwie nicht ganz koscher vorkam. „Ähm... ich... dachte... sie könnte vielleicht... gefährlich sein. Ja. Ich dachte, sie wäre gefährlich. Genau." Remus runzelte die Stirn. „Brueny? Gefährlich?" Er hielt James das Federknäul vor das Gesicht. Der verwirrte Blick des Vogels, so fand James, sah so aus, als sei dieser frisch aus der Fabrik für besonders knuddelige, aber extrem dümmliche Kuscheltiere entlassen worden. „Man weiß ja nie." sprach James. „Tiefe Wasser sind tief... Oder so. Kleinvieh macht auch Mist. Verstehst du?" Der Brillenträger merkte sehr wohl, dass er sich gerade um Kopf und Kragen redete, aber er konnte auch nicht aufhören. Lily und Sirius warfen sich unterdessen panische Blicke zu, während Remus die drei ungläubig musterte. Er ahnte, dass irgend etwas im Busch war, er wusste nur noch nicht was. „Hey, Leute! Ihr seid plötzlich alle weg gewesen. Ist hier schon Großversammlung? Warum hat mir keiner bescheid gesagt?" Peter stand in der Tür, zwar vollständig angezogen, aber noch nicht vollständig wach. Er sah aus, wie ein Knuddelmuff, der seine erste unheimliche Begegnung mit einem Knallrümpfigen Kröter gehabt hatte: Seine Haare standen wüst in alle Himmelsrichtungen ab und auf seiner linken Wange konnte man noch den langsam verschwindenden Kissenabdruck sehen. „Uiiii!" quiekte Fidella plötzlich und rannte auf Peter zu. Für einen kurzen Moment war sich Remus ganz sicher, dass er rosafarbene Wölkchen ihren Ohren entsteigen sah. Das Bild, das sich ihm jedoch im nächsten Moment bot, ließ ihn die Wölkchen augenblicklich wieder vergessen: Fidella war auf Peter draufgesprungen, der natürlich unter ihrem Gewicht zusammenbrach und mit ihr auf den Marmorfliesen landete, während sie ihm heiße Küsse auf Wangen, Stirn und Mund verteilte. Die umherstehenden Mädchen betrachteten die Szenerie mit einer Mischung aus Oh-mein-Gott! und Ach-wie-süss!, während sich James und Sirius das Lachen verkneifen mussten. Lily und Remus standen nur mit offenen Mündern da. „Bei Merlins Bart." sprach Remus. „Das ist-" „Heftig." meinte James. „Übel." sagte Sirius. „Verstörend." fügte Lily hinzu. „Grotesk." umschrieb es Remus. Ein zutschendes Kussgeräusch erklang und jagte allen, die es hörten, eine Gänsehaut ein. Peter zappelte etwas hilflos unter dem Mädchen über sich, konnte sich jedoch nicht befreien. „Naja, wenigstens nimmt Würmchen sich meinen Zungen-Ratschlag von vorgestern zu Herzen." meinte James und grinste schief. „Wenn das so aussieht, weiß ich nicht, ob ich das möchte." sagte Remus und schluckte. Sirius hielt ihm seine Hand vor die Augen. „Guck nicht hin, Moony. Das ist nichts für deine zarte Seele." meinte er. Remus griff nach seiner Hand. „Lass den Unsinn, Tatze." sagte er. „Kommt, wir gehen frühstücken." schlug Lily vor, um einen Vorwand zu haben, endlich weg von dieser seltsamen Szene zu kommen. „Wir sollten die beiden Turteltauben allein lassen." „Nochmal herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Fidella." rief James noch und sah, wie Peter unter ihr panisch mit den Armen wedelte. James war noch nie so froh darüber gewesen, dass ein Plan schiefgegangen war. Zwar musste der arme Peter nun alles ausbaden, aber das war sehr viel besser, als ein verstörter Remus unter dem Einfluss eines zu stark dosierten Liebestrankes. James warf Lily einen entschuldigenden Blick zu. Er hätte beim Befüllen der Pralinen doch auf sie hören sollen. „Mal ehrlich. Ihr hattet da doch eure Finger im Spiel." stellte Remus fest, als sie am Gryffindortisch saßen und auf das Frühstück warteten. „Ja, erwischt!" rief Lily. James und Sirius starrten sie erschrocken an, doch sie hatte keineswegs im Sinn, sie alle zu verraten. Stattdessen sagte sie: „Wir wissen doch, dass Peter Fidella gentlichziemlich gern mag, es nur nich so gut zeigen kann. Und da dachten wir, wenn wir in seinem Namen ein Geschenk an sie schicken, helfen wir den beiden vielleicht ein wenig auf die Sprünge." Sirius und James nickten heftig und Remus schmunzelte. „Ihr seid mir ja welche." meinte er kopfschüttelnd und wandte sich wieder seinem Buch zu. Sirius wischte sich mental den Schweiß von der Stirn. Das war gerade noch einmal gut gegangen. Sirius drehte sich kurz um und warf noch einen Blick auf Fidella, unter der irgendwo Peter liegen musste. Nein, so würde es nicht sein, dachte er und gab sich selbst ein Versprechen. Wenn ich dich jemals küsse, Remus, dann küsse ich dich richtig, dachte er und seufzte. Ihm gegenüber saß Remus und laß: Groß ist die erste Liebe, denn sie wird ewig erinnert werden. Keine Liebe nach ihr wird so stark sein, noch so schön. Nichts ist vergleichbar mit der ersten Liebe. Doch der Weg in ihre Arme ist lang. ------- A.N.: Anregungen? Kommentare? Fragen? ...to be continued... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)