Lunatismus von abgemeldet (Ruhmreiche Rumtreiber) ================================================================================ Kapitel 50: - Vater und Sohn - ------------------------------ A.N.: Huhu, meine Lieben! Ich glaube, dieses Kapitel spricht für sich. Genießt es einfach. ^-^ In diesem Sinne: ENJOY! --------------- - Vater und Sohn - Remus spülte in der Küche kurz seine Tasse aus und stellte sie ordentlich zum Abtropfen in das Becken. Über den Ablagen waren viele Regale angebracht, in denen hunderte von Fläschchen, Döschen und Holzschächtelchen standen, in denen seine Mutter Gewürze, Heilkräuter und Tee aufbewarte. An bunten Fäden hingen hier und da Lavendelbündelchen von der Decke, deren trockene Blüten noch immer einen angenehmen Duft versprühten. Auch wenn er selbst von Pflanzen nicht viel verstand, so mochte und bewunderte er doch den Grünen Daumen seiner Mutter. Wenngleich kein Fremder ein System in den Sammlungen Freyja Lupins hätte feststellen können, so war es für Remus niemals schwer sich in der ordentlichen Unordnung seiner Mutter zurecht zu finden und die Aufopferung und Liebe zu erkennen, die Freyja in alles Steckte, was wachsen und gedeihen konnte. Er hatte sie schon so oft summend im Garten gesehen, mit einem Lächeln auf den Lippen, wenn sie neue Samen in den Garten streute oder Kräuter sammeln ging. Remus durchquerte die Küche, an die sich der Wohnraum direkt anschloss. Ein schweres, uraltes, rotes Sofa stand direkt neben der eisernen Wendeltreppe, die in den ersten Stock führte. Dort oben befand sich unter anderem auch das Arbeitszimmer seines Vaters. Schon immer hatte dieser Raum eine große Faszination in Remus ausgelöst, die auch nicht durch die Jahre verflogen war. Denn das Arbeitszimmer vom Richard John Lupin hatte einen ganz eigentümlichen Charme. In den alten, dunklen Holzrahmen der Tür war ein lateinischer Spruch geprägt. In feinen, geschwungenen Lettern hieß es: LIBRI AMICI, LIBRI MAGISTRI. Und genau so sah der Raum auch aus. An den Wänden entlang gab es nichts weiter als Regale, groß und dunkel, die mit nichts weiter gefüllt waren, als mit Büchern. Große und kleine Bücher, dicke und noch dickere, alte und nicht ganz so alte, neue Bücher und (so hatte Remus als kleines Kind vermutet) sogar solche, die noch geschrieben werden mussten. Selbst auf den Bänken der beiden Fenster reihten sich die Einbände dicht an dicht. Auf dem Boden standen hier und da recht wackelig aussehende Bücherstapel, die von Jahr zu Jahr mehr in die Höhe wuchsen. Hier gab es Große Errungenschaften der Zauberkunst neben Eine Anthologie der Zauberei des 18.Jahrhunderts. Es gab eine Ausgabe des Führers durch die mittelalterliche Hexenkunst, sowie eine von Gematrie und Hermeneutik. Zwei Regalbretter auf der linken Seite waren allein für Abhandlungen über Runen bestimmt und ein komplettes Regal wurde von schweren Arithmantik-Fibeln in Beschlag genommen. Doch am deutlichsten wurde dem Besucher dieses Raumes wohl die Liebe des hier Arbeitenden für die lateinische Sprache. In diesem Raum ruhten die gesammelten Werke Ciceros in lateinischer und englischer Fassung, einschließlich der Academica priora, verschiedene Geschichtsbücher über das Römische Imperium, De bello Gallico, die Odusia von Livius Andronicus und einige Bücher über die Magische Gemeinschaft zu Zeiten der Kaiser von Rom. Es roch nach Zeit, fand Remus, nach alterZeit und das fesselte den jungen Lupin ungemein. Manchmal, wenn nächtliche Stille das Haus durchdrang, kam es Remus vor, als wenn er leise Stimmen aus dem Arbeitszimmer seines Vaters hören konnte, die Stimmen der Gelehrten und Freigeister, Dichter und Denker, die sich im geschriebenen Wort verewigt hatten. Bücher hatten ihr eigenes Leben, jedes Wort atmete, das hatte Remus schon früh gelernt. In der Mitte des Raumes stand ein uralter Biedermeier-Schreibtisch, der zwar schon bessere Jahre gesehen hatte, aber immer noch beharrlich seine Aufgabe erfüllte und auch unter der größten Last von Lexika und Geschichtsbüchern nicht nachgab. Leicht über einige Rollen Pergament gebeugt, saß Richard John Lupin und studierte einen Text über Runen. Als sein Sohn sacht gegen die geöffnete Tür klopfte, sah er entspannt auf und lächelte. „Ah, da bist du ja", sprach er mit seiner für ihn typischen Stimmlage, die sich anhörte wie das auditive Equivalent zu gelebter Sanftmut. „Deine Mutter sagte, du hättest den ganzen Tag draußen auf der Treppe in den Garten geschaut." Remus ging um den Schreibtisch herum und schaute seinem Vater über die Schulter. „Ich musste ein wenig nachdenken", antwortete er. „Ist das das angelsächsische Futhark?" „In der Tat", antwortete Richard. „Ein Freund aus der Magischen Gesellschaft für Altertumsforschung hat mich gebeten einen Forschungsaufsatz für die Jahresausgabe zu schreiben." Remus legte ihm die Arme über die Schultern und stützte sein Kinn neben die Halsbeuge seines Vaters. Interessiert betrachtete er den alten Text in Richards Händen. Jedem Fremden, der die beiden Gesichter so nebeneinander gesehen hätte, wären auf der Stelle die verwandtschaftlichen Ähnlichkeiten aufgefallen, mehr noch: Remus war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Die gleichen, hohen Wangenknochen, das selbe schmale Kinn und sogar ihre Augenfarben waren beinahe identisch. Doch wenn man genau hinsah - sehr genau - bemerkte man in Remus' Iris den Gelbstich, der sich unter der hellen Bernsteinfarbe versteckte und auf den Vollmond wartete, während sich in den Augen seines Vaters im richtigen Licht der ein oder andere hellbraune Fleck zeigte. Trotzdem war Remus eines klar: In zwanzig Jahren würde er aussehen wie sein Vater - Augenfarbe hin oder her - und eigentlich war das kein schlechter Gedanke. Denn für seine fast fünfzig Jahre war Richard gerade wegen seiner intellektuellen Erscheinung und seines unaufdringlichen Geschmacks ein gutaussehender, repektabler Mann und dem taten die grauen Haare keinen Abbruch. Eine Weile sprachen sie nicht, sondern lasen gemeinsam die Symbole auf dem Pergament und die nebenstehenden Erläuterungen, die Richard beigefügt hatte. Seine Handschrift war eng und sauber, so wie die von Remus, aber nicht so geschwungen wie die seines Sohnes. Ein paar Sachen, hatte der junge Werwolf doch von seiner Mutter mitbekommen und wenn es schon nicht der Grüne Daumen war, so doch wenigstens ein paar Kringel an den Hs und Fs und Ls und Ks. „Was hälst du davon?" fragte Richard schließlich und warf seinem Sohn einen vielsagenden Blick zu. Remus lächelte. Es bedeutete ihm viel, dass sein Vater ihn nach seiner Meinung fragte. Er erinnerte sich daran, dass er schon als kleines Kind mit seinem Vater auf dem Sofa gesessen und gelesen hatte, besonders an kalten Tagen. Sein Vater hatte ihm zunächst vorgelesen und dem kleinen Remus jede seiner Frage geduldig beantwortet. Als Lupinsche Spross älter wurde, las er selbst, ließ seinen Vater aber noch immer das ein oder andere erklären. Jetzt kam es schon manchmal vor, dass Remus seinem Vater die ein oder andere Frage beantworten konnte. Es machte ihnen beiden viel Spaß über wissenschaftlichen Aufsätzen zu brüten und das Für und Wider abzuwägen, Argumente zu bestärken oder fallen zu lassen, zu diskutieren und letztendlich jeden Gedanken als ein eigenes, winziges Wunder zu feiern. Was die Liebe zum geschriebenen Wort anging, so standen sich die beiden Lupins in nichts nach. „Es ist gut", antwortete Remus. „Wie immer, wenn du etwas schreibst." Sein Vater lachte auf. „Das ist übertrieben", meinte er. Remus wusste, dass sein Vater mit Lob ebenso wenig umgehen konnte, wie sein Sohn. „Sei ehrlich. Fehlt etwas?" Remus versuchte den Text kritisch zu betrachten, so wie er es von seinem Vater gelernt hatte. „Vielleicht könntest du dem Absatz über Rudolph den Runenleger noch ein paar Zeilen hinzufügen. Die Einordnung in den historischen Kontext könnte noch etwas präziser sein." Richard sah seinen Sohn liebevoll und stolz an. „Du hast Recht. Das werde ich tun", sprach er. „Danke." Der Ältere zog eine Feder hervor und fügte dem Text ein paar Sätze hinzu, wobei sich die übrigen Zeilen nach unten und oben hin grängten, um den neuen Worten Platz zu machen. Dann rollte Richard des Pergament sorgfältig zusammen. „Mama sagte, du wolltest mir etwas geben?" erinnerte sich Remus, als sein Vater die Rolle in der obersten Schublade seines Schreibtisches gelegt hatte. „Oh, ja! Gut, dass du mich daran erinnerst." Er stand auf (wobei der alte Holzstuhl es nicht versäumte, ein entspannendes Knacken von sich zu geben) und ging hinüber zu einem der Bücherregale, wo er einige Zeit mit der rechten Hand über die Einbände fuhr. Schließlich fand er, was er gesucht hatte. Richard zog ein kleines, dickes Buch hervor und reichte es seinem Sohn. „Ich wollte dir das hier schenken." Andächtig nahm Remus das Buch in die Hände und betratete es eine Weile. Das Leder des Einbandes war schon an einigen Stellen arg verschlissen, aber die goldenen Lettern ließen sich immer noch gut entziffern. De amore et amicitia. „Kannst du es übersetzen?" wollte Richard wissen, obgleich er die Antwort kannte. Immerhin war Remus sein Sohn. „Über Liebe und Freundschaft", antwortete der junge Gryffindor und schlug die erste Seite auf. In der für die lateinische Sprache so typischen Schrift zeigte sich ein wunderschön verziertes Inhaltsverzeichnis auf dem alten Pergamentpapier. „Vier Kapitel", sagte Remus vor sich hin. „De amico et amica, amor parentum, amor primus und amores furtivi." „Von Freund und Freundin, Liebe der Eltern, die erste Liebe und-" „Die heimlichen Liebeleien", übersetzte Remus den Rest und konnte nicht verhindern, dass seine Wangen sich rosa färbten. Unweigerlich musste er an Sirius denken, wusste aber nicht, warum. „Hab' ich bestanden?" fragte er, um von seiner Verlegenheit abzulenken. Sein Vater lächelte gütig. „Cum laude", antwortete Richard und setzte sich zurück an seinen Schreibtisch. „Bevor du fragst, warum ich dir dieses Buch gebe: Deine Mutter gab es mir, kurz nachdem wir uns kennengelernt hatten. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, wenn du verstehst. Danach hatte ich endlich den Mut, sie zum Essen auszuführen." Remus lachte. „Deine Mutter und ich sind der Meinung, dass es an der Zeit ist, dass es in deinen Besitz übergeht", sprach Richard verheißungsvoll und deutlich bedeutungsschwanger. Remus spürte, wie seine Wangen wärmer und wärmer wurden, zwang sich aber seinem Vater mit einem verschmitzten Blick in die Augen zu schauen. „Wollt ihr mir irgend etwas sagen?" fragte er keck, fühlte sich aber innerlich fürchterlich unsicher. Seine Eltern und er hatten immer genug mit seinem pelzigen Problem zu kämpfen gehabt. Warum also nach einem anderen Problem graben? Sein Liebesleben war schließlich nicht sonderlich spannend, was wahrscheinlich daran lag, dass er keines besaß. Aber wie sollte er das seinen Eltern erklären, ohne sie alle in Verlegenheit zu bringen? „Nun ja," begann Richard und zögerte einen Moment. „Libri amici et magistri. Bücher sind Freunde und Lehrer." „Und was soll meine Lektion sein?" Remus war angespannt wie eine Bogensehne. Natürlich wusste er, dass sein Vater ihm nicht die berühmte Bienchen-und-Blümchen-Predigt halten würde. Über das Alter war Remus weit hinaus. Aber trotzdem spürte er, dass sein alter Herr ihm etwas bestimmtes sagen wollte und dieses Buch sollte ihm dabei helfen. „Zweierlei", sprach Richard, der - wenn er ebensolche Unruhe verspürte wie sein Sohn - es zumindest versuchte nicht zu offensichtlich zu zeigen. „Deine Mutter und ich wissen, dass die Gewissheit des Wolfes dich hemmt, dass du noch immer befürchtest keinen Platz in dieser Welt zu finden." Remus staunte. Wie lange hatte er nach diesen Worten gesucht und sie nicht gefunden? Und dann saß da sein Vater und traf den Nagel auf den Kopf. Wieso erschienen Worte bei seinem Vater immer so einfach zu kommen? Remus erinnerte sich daran, wie er seiner Mutter versucht hatte, seinen inneren Tumult zu erklären und schämte sich plötzlich. Im Gegensatz zu der verbalen Präzision seines Vaters, waren seine eigenen Worte nur ein wirres Wortgetümmel gewesen. Es überraschte ihn, dass seine Mutter überhaupt verstanden hatte, was er ihr hatte mitteilen wollen. Er nickte um seinem Vater zu signalisieren, dass er weiter sprechen konnte. „Wir machen uns Sorgen deswegen", fuhr Richard fort. Remus wollte ihm sagen, dass das nicht nötig war, aber Richard ließ keinen Protest zu. „Daran kannst du nichts ändern. Wir sind deine Eltern und Eltern haben die Eigenschaft gelegentlich mit ihrer besorgten Art ihren Kindern auf die Nerven zu fallen." „Ihr fallt mir nicht auf die Nerven", warf Remsu wahrheitsgemäß ein. „Mag sein." Richard war etwas aus dem Konzept gebracht und versuchte seinen roten Faden wiederzufinden. „Wie dem auch sei. Seitdem du Hogwarts besuchst und Freunde gefunden hast, sehen wir, dass es dir sehr viel besser geht und das freut uns natrülich. Aber dennoch haben wir in letzter Zeit das Gefühl, dass dich irgend etwas beschäftigt und ... nun ja... Also, wir vermuten... also... weißt du...eigentlich... verstehst du?" Es war ein seltener Anblick für Remus: Sein eigener Vater auf der Suche nach den richtigen Worten. Unweigerlich musste der junge Werwolf anfangen zu lachen. „Das ist nicht lustig." sprach Richard, verfehlte aber seinen angestrebten ernsten Tonfall, weil er selbst schmunzeln musste. „Ich versuche hier ein ernsthaftes Vater-Sohn-Gespräch mit dir zu führen. Auch wenn mein Monolog inhaltlich nicht sonderlich stringent ist. Und ich weiß, dass diese Vater-Sohn-Gespräche funktionieren können. Ich hab in Büchern davon gelesen!" Sie lachten noch etwas mehr und es dauerte eine Weile, bis sie sich beruhigt hatten. Aber das Lachen hatte etwas sehr gutes, denn es löste die Spannung der Situation auf, was beiden sehr entgegen kam. „Du sagtest zweierlei." erinnerte Remus, als er endlich nicht mehr kichern musste. „Oh, richtig." Richard nahm seinem Sohn behutsam das Buch noch einmal aus der Hand und schlug es behende auf einer Seite im ersten Kapitel auf, wo er anschließend mit einem dünnen Federstrich einen bestimmten Satz kennzeichnete. Dann schlug er das Buch zu und gab es Remus zurück. „Es ist so schwer, darüber zu sprechen, obwohl es so einfach sein könnte." seufzte Richard. „Eigentlich wollen wir nur, dass du weißt, dass wir für dich da sind. Wir haben den Wolf überstanden-" Richard blickte kurz zum Fenster hinüber und zeigte damit, dass er nicht Moony meinte, sondern ein anderes Monster. „-Und gemeinsam werden wir auch alles andere überstehen. Lass uns an deinem Leben teilhaben, wenigstens ein wenig. Eltern brauchen das Vertrauen ihrer Kinder, um sich zu vergewissern, ihre Arbeit richtig gemacht zu haben." Remus tippte mit den Fingern vorsichtig auf den Einband von De amore et amicitia. „Und? Seid ihr bisher mit eurer Arbeit zufrieden?" Als er aufsah, schaute er in die vor Stolz glänzenden Augen seines Vaters. „Zufrieden ist noch gar kein Ausdruck. Du bist unser Grandum Opus, unser Meisterstück." Einen Moment lang betrachteten sich Vater und Sohn einfach nur in gegenseitiger, stiller Bewunderung. „Danke für das Buch", sprach Remus schließlich. „Ich werde jetzt runter gehen und Mama beim Abendessen helfen." „Tu das", entgegnete Richard und zog einen Bücherstapel zu sich heran, der auf seinem Schreibtisch gelegen hatte. „Aber halt deine Mutter davon ab, noch einmal diese fürchterliche Fenchelgeschichte zu machen. Bei aller Liebe, aber das war grauenvoll." Richard schnitt eine Grimasse und brachte seinen Sohn erneut zum lachen. „In Ordnung. Ich werde es versuchen." Als der junge Werwolf das Arbeitszimmer seines Vaters verlassen und die Tür hinter sich zugezogen hatte, übermannte ihn die Neugier. Er schlug zügig das Buch auf und suchte nach der Seite, auf der sein Vater etwas unterstrichen hatte. Nach einigem hin- und hergeblättere fand er sie auch. Im ersten Kapitel war die finale Konklusion, die Quintessenz des Textes von Richard unterstrichen worden: Amor parentum infinitus est. (*) Mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht machte sich Remus auf den Weg in die Küche. ------------------- (*) -> "Die Liebe der Eltern ist unendlich" ... to be continued ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)