When he returns von MiyaToriaka (AGM-Trio-Story) ================================================================================ Kapitel 1: When he returns - Oneshot ------------------------------------ When he returns – AGM-Trio-Story 03.01.2008, © MiyaToriaka á Franzy S. Schon wieder. Nichts. Überhaupt nichts! Null, nada, nienté! Misty konnte es einfach nicht fassen. Nervös, unruhig und einfach nur verzweifelt vergrub sie ihre Hände in ihrem offenen Haarschopf und musste erneut gegen Tränen ankämpfen. Der Computerbildschirm flackerte immer noch, obwohl sie den PC aus lauter Wut heruntergefahren hatte, nachdem sie schon wieder ihre E-Mail-Adresse durchgecheckt hatte. – Nun ja… Wut konnte man das nicht nennen. Einfach eine tiefe Trauer… und dieser Schmerz, der sich Einsamkeit und Hilflosigkeit zugleich nannte. Sie konnte einfach nicht mehr. So ziemlich auf den Tag genau war es nun fünf Jahre her, dass sie sich von ihrer Clique getrennt hatte und alleine in Azuria City verweilte. Zu Maike, Max und Rocko hatte sie nach wie vor Kontakt. Es war alles wie immer geblieben. Alles, bis auf diese eine Sache. Und diese ließ sie einfach nicht ruhen. Misty konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern, wie lange sie nun schon so elend aussah, nicht mehr schlafen konnte und schon gar nicht mehr aufhörte zu weinen. Neben ihr fing etwas leise und kurz an zu piepsen. Misty wusste ganz genau, dass es ihr PokéCom war, den sie ständig bei sich trug seit Ash ihr damals seine Nummer gegeben hatte. Eine Nummer, die er nie benutzt oder beantwortet hatte, wenn sie denn schrieb. Wobei sie bei diesem Gedanken schon wieder bei ihrem Problem angekommen war. Ash. Aus ihren wasserreichen Augen aufschauend sah sie mit einem verschwommenen Blick auf das Gerät. Sie wusste auch wieder ganz genau, was darin stand. Es war, wie jeden Abend um diese Zeit, eine Nachricht von Tracey aus Professor Eichs Labor, auf die Frage, die sie ihm jeden Tag stellte, seit es bekannt war. Hatten sie Ash endlich gefunden? „Immer noch keine neuen Informationen über den vermissten Trainer Ash Ketchum. Nachricht gesendet um 23:15Uhr am 03.01.2004 von ‚Tracey’ an ‚Misty’“ Jeden Tag dasselbe. Tracey hatte es sich inzwischen schon angewöhnt, eine Art Newsletter an alle zu senden, die die Rückkehr des nun 18-jährigen Trainers erwarteten. Verzweifelt, denn ganz Alabastia war sich inzwischen sicher. Er würde nie mehr wieder zurückkehren. Misty weigerte sich allerdings permanent das zu glauben. Es konnte einfach nicht sein! Ash konnte nicht sterben, niemals! Das war nicht sein Schicksal, es konnte einfach nicht sein. Zu sehr würde er gebraucht werden. Niemals könnte das wahr sein. Sie wollte sich gerade erheben, um den Antritt in ihr Bett zu wagen, da vibrierte ihr PokéCom noch einmal. Irritiert blickte sie auf das Display, das nicht mehr aufhörte zu blinken und zu piepsen. Das konnte nicht sein – diese Nummer hatte sie ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Was konnte er nur wollen? Kurzerhand drückte sie die Taste „phone“ und ein Bild erschien. „Misty?“, ertönte die Stimme des jungen Mannes. „Bist du zu Hause? Ich muss unbedingt mit dir reden, bitte!“ „Beruhig’ dich bitte erst Mal. Warte eine Minute, bin gleich an der Tür. Wo steckst du denn?“ „Ich steh direkt vor der Arena, mach bitte auf, es ist schweinekalt hier!“ Misty nickte nur noch, klappte den PokéCom zu, zog ihre Hausschuhe an und ging am Pool entlang zur Arenapforte. So gut es ging öffnete sie diese und ließ Gary herein. „Wo kommst du denn her so spät in der Nacht? Wo bist du denn jetzt noch gewesen?“ „Puuh! Also erst Mal, hi!“, grinste Gary und umarmte Misty freundschaftlich. „Sorry, dass ich so einfach reinplatze, aber…“ Abrupt hörte er auf zu reden. Seit auch er erfahren hatte, dass sein bester Freund verschollen war, war Gary irgendwie sehr zerbrechlich geworden und auch verschlossener. Allgemein hatten sich alle sehr verändert. Man sollte nicht glauben, was eine Person für Narben in anderen hinterlassen konnte. Misty legte besorgt einen Arm um seine Schulter, als sie ihn erst Mal auf die Couch im Eingangsbereich platzierte. So gut es nun mal möglich war, denn Gary war inzwischen über einen Kopf größer wie seine alte Freundin, die so gesehen eigentlich noch genau dieselbe Statur hatte, als sie sich kennen gelernt hatten. „Du bist ja total fertig. Was ist denn passiert?“ „Ich weiß, ich hätte dir bescheid geben können oder besser sollen. Aber ich dachte, ich schaffe das alleine. Ich bin seit etwa einem Monat aktiv auf der Suche nach Ash und Pikachu – aber nirgends gibt es ein Anzeichen von ihnen! Lucia meinte sogar, sie habe Ash ebenfalls schon fast über 3 Jahren nicht mehr gesehen, seit sie nach Hoenn gegangen ist und dachte, er hätte den Kontakt zu ihr abgebrochen, sie weiß bis heute nicht, warum.“ Misty senkte schluckend den Kopf. „Sie war die Letzte, die ihn gesehen hat…“ „Ja, ich weiß…“ Besorgt sah Gary Misty an. „Deswegen hatte ich ja gehofft, dass sie irgendetwas weiß. Keiner konnte ja ahnen, dass Ash sich auf seiner neuen Reise nie mehr melden und schon gar nicht, dass er sich total von uns allen abgekapseln würde.“ Darauf konnte Misty nur nicken. Sofort bemerkte Gary, dass Misty sich dermaßen zusammenriss, dass sie fast schon platzte. Ihre Nerven waren einfach total zerstört und sie selbst unberechenbar. Keiner konnte mehr an sie heran, seit sie mit dem Gedanken spielte, Ash auf eigene Faust zu suchen. „Misty, tu das nicht. Komm schon, bitte!“ Gary wusste, er musste sie trösten und er hatte auch keine Hemmungen davor. Seit er und Misty von Ashs Reisen abgeschnitten waren und Gary sich ein eigenes Labor auf einer Nebeninsel bei Kanto errichtet hatte, waren sie öfters miteinander unterwegs und hatten sich ziemlich gut kennen gelernt. Es ging inzwischen schon so weit, dass sie sich gegenseitig einander öffneten und Sachen sagten, die sie sonst niemand sagen würden. Ja, man könnte sagen, zwischen den beiden habe sich eine sehr enge Freundschaft gebildet. Gary drückte Misty ganz fest. „Du darfst das nicht zurück halten. Du musst es los lassen! Du machst dich sonst kaputt. Komm schon, lass es raus. Das ist OK, wirklich! Du musst dich nicht schämen.“ „Wieso hast du mich nicht mitgenommen?! Ich hätte dir helfen können! Ich weiß zwar nicht wie, aber ich hätte dir verdammt noch mal helfen können!!!“ Fest krallte sich Misty an Garys Mantel und drückte ihr Gesicht an seine Brust, während sie ihn laut beschimpfte. Eigentlich wollte sie ihn niemals anschreien, aber… es tat so verdammt gut und er verstand sie, verstand ihr Verhalten, ihr Handeln, ihre Worte und ihren Schmerz… einfach alles. „Ich hätte dich damit in Gefahr gebracht, das weißt du ganz genau. Seit Giovanni sich eine richtige Armee aufgebaut hat, die ganz Kanto, Hoenn und Sinnoh unter Kontrolle hat, ist es nirgendwo mehr sicher! Ich kann nur hoffen, dass Rocko die Suche noch nicht aufgegeben hat und er und Officer Rocky zusammen weiter nach diesem verdammten Verbrecher suchen! Am Ende haben sie Ash noch auf dem Gewissen…!“ Geschockt riss Gary die Augen auf. Was sagte er da nur?! Zu spät merkte er, was er da eben vor Misty offenbart hatte. „Nein… Du glaubst es also inzwischen auch…“ „Nein! Nein, nein, nein, nein, Misty, ich glaube das nicht, niemals!“ „Ash kann nicht sterben! Dazu hat er noch viel zu viel vor und davon wird auch Team Rocket ihn nicht abhalten können! Sie sind zwar sehr mächtig, aber gegen Ash kommen sie nicht an!“ „Ja, ich weiß! Es ist mir nur so rausgerutscht. Ich glaube immer noch, dass er lebt, sonst hätte ich die Reise doch niemals auf mich genommen.“ Kurz war es still, nachdem Misty schwach genickt hatte. Etwas dichter kam Gary zu Misty, wiegte sie leicht in seinen Armen und wartete bis sie sich etwas beruhigt hatte. „Also… weswegen ich hier bin…“, begann er vorsichtig. „Als ich das letzte Mal hier war, da hatte ich schon bemerkt, dass es dir nicht gut geht. Du bist einfach viel zu sehr alleine.“ Ruhig spitzte Misty die Ohren und hörte Gary zu ohne ihn zu unterbrechen. „Und heute komme ich her und meine Befürchtung bestätigt sich nur noch. Wenn du hier bleibst, wird deine Einsamkeit dich noch auffressen! … Weißt du, ich bin auch ziemlich alleine und… Ich möchte dir und mir helfen. Gib die Arena auf. Es gibt jetzt wirklich Wichtigeres, als hier herum zu sitzen und über den Tod nachzudenken. Komm mit mir!“ „Was hast du vor?“ Völlig am Ende wagte Misty es Gary ins Gesicht zu schauen. „Wir beide sind die Einzigen, die noch daran glauben, dass Ash lebt. Wir sind die Einzigen, die ihn und Pikachu finden können. Die Anderen haben doch schon längst aufgehört, an seine Rückkehr zu glauben, aber wir…! Wir sind Ashs beste Freunde. Ich glaube so lange nicht an seinen Tod bis ich ihn irgendwo liegen sehe. – Und verdammt, ich sehe ganz genau, dass du auch in dir spürst, dass er noch lebt. Komm schon!“ Misty senkte kurz den Kopf, sah Gary dann aber wieder mit ein wenig Tränen im Gesicht an. „Ja… Ich glaube daran… Und ich spüre es.“ „Deswegen habe ich vor, dich aus deiner Trauer heraus zu holen. Ich habe nicht länger Lust, nur dazusitzen und nichts zu tun und ich kann mir vorstellen, dass es dir genauso geht. Lass ihn uns suchen, Misty. Wir werden ihn finden, ganz bestimmt!“ Erneut nickte Misty. Jedoch sah sie diesmal Gary mit einem kleinen Lächeln und wieder einem Funken Hoffnung an. Er hatte absolut Recht. „Ich pack nur schnell ein paar Sachen zusammen.“ Die Arena war ohnehin seit Monaten wie leer gefegt. Dass Misty sich selbst noch nicht wie ein Gespenst in einem unbekannten Spuckschloss vorkam, war echt ein Wunder. Das Einzige, was Misty mit sich nahm, waren ihre Pokémon und der PokéCom. Den Rest ließ sie hier. Ihren Freunden ließen sie nur eine Nachricht zukommen, die nur kurz und bündig sagte, was sie vorhatten. Weder wo sie hingingen, noch wo sie ab nun zu erreichen waren. „Wie bitte?! Aber das können Sie doch nicht machen! Sind Sie wahnsinnig? Wie können Sie es nur wagen, uns so etwas anzutun?!“ „Delia, beruhigen Sie sich bitte…“, sagte der Professor vorsichtig, der Mrs. Ketchum davon abhalten musste, dem Bürgermeister Alabastias an die Gurgel zu gehen. „Ich bin mir sicher, die Herren haben dafür eine Erklärung!“ Mit einem bissigen Blick sah er nun diesen auch an. Etwas unwohl rückte dieser seine Krawatte wieder etwas zurecht, während seine beiden Vorstandsmitglieder etwas zurückgewichen waren. „Ash ist nicht tot! Wie können Sie nur so etwas Makaberes sagen?!“ „Ich kann Ihre Wut sehr gut verstehen, Mrs. Ketchum, aber wir haben leider keine andere Wahl. Hier, nehmen Sie das.“ Etwas benommen starrten Delia und Professor Eich auf den Brief, den der Bürgermeister ihnen entgegen hielt. Als Adressant stand da „Stadt Alabastia“ – sehr ungewöhnlich. Zögernd nahm sie diesen an sich, begann ihn zu öffnen und las ihn. Nach den ersten drei Zeilen zuckte sie zusammen und hielt sich eine Hand vor den Mund, um ihren aufkommenden Nervenzusammenbruch zu unterdrücken. Geschockt entnahm der Professor den Brief aus ihrer Hand und las noch einmal, ob er doch seine Brille brauchte oder ob das wirklich wahr war, was dort stand. „Das kann doch nicht sein!“ „Ist aber leider wahr. Der Brief kommt direkt von der Regierung von Officer Rockys Behörde obersten Ranges. Vor drei Jahren, exakt fünf Tage, nachdem die letzte Nachricht ihres Sohnes an seine Bekannte gedrungen war, gab es eine Art Revolution auf die Team Rocket Organisation. Leider ohne Unterstützung der Polizei oder der Behörden, so dass dieser Vorfall einige Konsequenzen mit sich zog. Giovannis Agenten spürten die ‚Rebellen’ auf, bevor sie angreifen konnten und…“ „Sie haben sie…“, wendete Delia unter Schock ein. „Ja, Mam, es ist leider die Realität. Die Organisation sprengte das gesamte Kampffeld in die Luft. Es wurden schon einige Opfer identifiziert und Aussagen zu urteilen, soll auch ihr Sohn, Ash Ketchum, in diesen Fall verwickelt gewesen sein. Da viele Tote zu angeschlagen sind, um ausgemacht zu werden, stellte der Staat heute die Anforderung, dass alle bekannten Revolutionäre für tot erklärt werden sollen.“ „Das ist nicht Ihr Ernst! Ich habe kein Verständnis dafür, für den Rest meines Lebens mit dieser Lüge zu leben! So lange ich ihn nicht mit eigenen Augen tot sehe, ist mein Junge nach wie vor am Leben. Ich verbitte mir derartig dreiste Aussagen!“ „Delia… Kommen Sie bitte mit herein…“, beschwichtigte der Professor ruhig, als er seine alte Freundin an den Schultern nahm und in ihr Haus führte. Dabei wandte er sich noch mal den Beamten zu. „Vielen Dank für Ihre Informationen.“ „Warten Sie bitte noch.“ Verwundert blieb der Professor stehen, als der Herr Bürgermeister eine Plastiktüte seinem Kollegen abnahm und sie ihm hinreichte. „Ich glaube, es wäre besser, wenn Sie Ihr diese geben würden.“ Ohne jeglichen blassen Schimmer, was ihn nun erwarten würde, öffnete der Professor die Tüte. Man sah regelrecht wie ihm der Schock durch die Glieder fuhr. „Es tut uns wirklich sehr Leid. Guten Tag, Herr Professor.“ Mit diesen Worten zückten die Beamten ihre Hüte und wandten sich ab. Zurück ließen sie den kreidebleich gewordenen Professor. Erst nach einigen Minuten konnte er sich wieder besinnen und betrat das Haus der Ketchums. Delia hatte sich bereits auf ihrem Sofa nieder gelassen und versuchte sich mit Fluchen ihr Selbstvertrauen und ihre Hoffnung wieder anzueignen. „So eine bodenlose Unverschämtheit! Ash ist nicht tot, das können die mir tausend Mal sagen, ich glaube fest daran, dass er noch lebt! Schlimm genug, dass man seit einem halben Jahr nichts mehr von Misty und Gary gehört hat, nein, jetzt kommen die auch schon zu einem ins Haus um Terror und Schrecken zu verbreiten. Als wenn Team Rocket da nicht reichen würde.“ Ohne groß zu überlegen schaltete sie den Fernseher an und wie es der Zufall wollte, kam gerade dieselbe Nachricht auf dem Kanal wie die, die die Männer ihnen eben überbracht hatten. „Ein richtiges Massaker…“, wisperte sie vor sich hin, als das „Schlachtfeld“ mit all den verwischten Spuren gezeigt wurde. „Ich kann nicht glauben, was die alles anrichten. Was sagen Sie dazu, Sammy? – Sammy…?“ Verwundert drehte Delia sich um. Der Professor war immer noch dabei, seinen Mantel auszuziehen und die Tüte nachdenklich anzustarren. „Sammy, was haben Sie?“ Besorgt stand Delia auf. Vorsichtig ging sie auf ihn zu und legte eine Hand auf seine Schulter. „Alles in Ordnung? – Hh!“ Erschrocken starrte sie in dessen Gesicht. Er war gerade dabei, Tränen herunter zu schlucken und als er sie ansah, überkam es ihn doch. „Ich fürchte fast, dass die Behörde Recht hat.“ „Was reden Sie denn da…“ In jenem Moment öffnete Professor Eich die Tüte und zog etwas heraus, das Delia dazu brachte, zusammen zu sacken. Das konnte nicht sein! Es war unverkennbar. Dieses Stück Fetzen – anders konnte man es nicht mehr bezeichnen – war eindeutig Ashs Sinnoh-Cappy. Es war in der Tat das Cappy IHRES Sohnes! Total zerstört und doch - unverkennbar. Piep – piep – piep, piep – piep – PIEP – PIEP, PIEP… „Was zum…?“ Irritiert blinzelte Gary vor sich hin. Was sollte dieses nervige Gepiepste?! Am liebsten hätte er seinen PokéCom zertrümmert. Da war er nun endlich eingeschlafen und dann so was. Wie spät war es eigentlich? Halb vier Uhr morgens. Welcher Idiot schrieb um diese Uhrzeit nur eine ESM (Emergency Short Message)?! Moment Mal – eine "Notfall-SMS"? Doch nicht etwa… nervös sprang Gary aus dem Bett. So schnell es ging, knipste er das Licht an und löste die Tastensperre. Er hatte die Nachricht gerade zu Ende gelesen, da stieß Misty die Tür auf. „Gary, das kann nicht sein!!!“ „Ich kann’s auch nicht glauben. Das kann unmöglich Ash gewesen sein.“ „Wieso haben wir davon nichts mitbekommen?“ Misty war ganz verzweifelt. Ihre Nerven waren definitiv am Ende. Seit einem halben Jahr hatten sie und Gary nun Hinweise und Recherchen im Bezug auf Ashs Reisen angestellt, dass sie dabei völlig übersehen hatten, was um sie herum passierte. „Ich kann das nicht glauben. Es ist inzwischen so offensichtlich, dass Ash lebt, wie kommen die plötzlich zu dieser Behauptung?“ In jenem Moment wurde Gary zu Traceys vorheriger Nachricht noch ein Anhang mitgeschickt. „Beantwortet das deine Frage?“ Angezeigt wurde ein Foto des zerstörten Cappys, dass Delia vor einigen Wochen in ihren Händen gehalten hatte. „Oh mein Gott…“ „Jetzt wird’s echt eng. Wenn die Regierung mitbekommt, dass wir nach wie vor auf der Suche nach ihm sind, werden sie uns unter Beobachtung stellen, um unsere Arbeit unmöglich zu machen. Sie wollen nicht noch mehr Tote im Bezug auf Team Rocket sehen, deswegen gilt der Beschluss, dass normale Bürger und Trainer sich von dieser Organisation fern halten, erst Recht nicht auf eigene Faust handeln sollen.“ „Wie können die uns nur so etwas antun! Nie im Leben werde ich aufhören nach Ash zu suchen! Das Cappy soll doch nur abschrecken. Ich bin mir jetzt mehr als sicher, dass Team Rocket Ash in seinen Fängen hat! Das ist so offensichtlich. Die WOLLEN uns doch nur weiß machen, dass Ash tot ist, damit wir nicht länger nach ihm suchen.“ Gary begann zu grinsen. Sie hatten Team Rockets Pläne inzwischen schon ziemlich gut im Griff und waren in ihrer Studie schon so weit, dass sie der Polizei des Öfteren schon anonyme Hinweise auf neue Terror-Anschläge ankündigen konnten. Durch die Suche nach Ash waren die zwei zusammen mit ihren Pokémon quasi eine Art kleine Geheimorganisation geworden. „Ich hab genau so wenig Lust jetzt aufzugeben wie du. Solange wir zusammen halten können wir Ash und Pikachu garantiert noch finden.“ Misty nickte auf Garys Worte hin energisch. „Na, dann. Wir sehen uns später. Ich hau mich noch drei Stunden aufs Ohr. Bis nachher.“ „Alles klar. Schlaf gut“, winkte Gary ihr zu und schon war Misty aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Gary seufzte. Wie lange sollte er Misty eigentlich noch etwas vorlügen? Was diese nicht wusste, war, dass Gary auf seiner ersten Suche nach Ash genau an dem Unfallplatz war und dort nicht nur Ashs Cappy, sondern auch zwei seiner Pokébälle gefunden hatte, die ebenfalls dort lagen. Er hatte die Indizien damals Officer Rocky zugesendet – ebenfalls anonym – in der Hoffnung weitersuchen und Ash eventuell doch noch finden zu können. Aber nach all dem, was er und Misty nun gesehen hatten, schwand seine Hoffnung mit jedem Tag immer mehr. Keine Ahnung, wie er das die ganze Zeit mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, aber es war ihm egal, wenn er auf Grund seines Wissens nicht einschlafen konnte. Er wollte Misty nicht die Hoffnung nehmen und ihr weh tun. Warum wusste er selbst nicht. Seine Gedanken und vor allem sein Verhalten gegenüber Misty wurden seit jener Nacht immer schlimmer. Er hatte das Gefühl, dass es ihn richtig zerriss. Seine Gefühle und die Trauer, die mit ihnen und seinem besten Freund verbunden waren, ebenso die Erinnerung, als Misty nur ihm sagte, was sie für Ash empfand und dass sie nicht wusste, wie dieser darauf reagieren würde – ihn machte das alles so unglaublich fertig! Niemals wollte er, dass Misty etwas von seinem Wissen erfuhr. Er wollte erst gar nicht wissen, was passieren würde, würde Misty etwas davon mitbekommen, geschweige denn, wie sie sich ihm gegenüber dann verhalten oder benehmen würde. Er hatte einfach Angst davor, Angst alleine mit seiner Trauer zu bleiben und sie dann auch noch damit hineinzuziehen. Sie hatte echt schon genug durchgemacht, da brauchte er ihr nicht auch noch so zusetzen. Doch auf ihren ganzen Missionen und Forschungen wurde es Gary immer mehr klar. Würde er Misty nicht endlich die Wahrheit sagen, würde nicht nur ihre Hoffnung und ihre Lebensenergie kaputt gehen – sondern auch er. In jener Nacht schlich er sich in Mistys Zimmer. Sie hatten so viel Vertrauen zu sich und ihrer Freundschaft, dass sie gegenseitig immer ein offenes Ohr für den anderen hatten. Er sagte zwar immer, er würde Misty wegen irgendwelchen Kleinigkeiten niemals aus dem Bett schmeißen – aber war das hier auch eine Kleinigkeit? Ganz sanft setzte er sich auf die Bettkante. Sie schlief ruhiger als sonst. Öfters hatte er schon beobachtet wie Misty sich nachts hin und her drehte, sie Schweißausbrüche bekam und es durch ihre Worte immer deutlich war, dass sie von Ash träumte und zwar nicht von ihm selbst – sondern wie er vor den Augen all seiner Freunde zugrunde ging. Aber seit Misty erfahren hatte, dass Gary immer an ihrer Seite war und er Ash genau so wenig aufgab wie sie selbst, hatte sie wohl wieder Hoffnung bekommen und statt Ash in ihren Träumen einfach sterben zu lassen, kämpfte sie um sein Leben. Jedes Mal. Mit diesen Gedanken wurde es Gary auf einen Schlag klar. Hatte er Misty wirklich schon so oft beobachtet? Wieso tat er das? Und wieso machte er sich Sorgen, ob sie schlief oder ob sie Angst hatte? Wie lange machte er das jetzt schon? Wurde er verrückt? Machte ihn seine Trauer und diese Ungewissheit etwa wahnsinnig? War er so beharrt auf Nähe, dass er vergaß, wo seine und Mistys Grenzen waren? Gary wollte sich nicht länger selbst von seinem Handeln ablenken. Er wusste, heute Nacht wäre er bereit dazu und verdammt noch mal, er musste es endlich tun. Das war er Misty schuldig. Und Ash… Ganz leicht streifte er Misty mit dem Handrücken über ihre Wange, dann legte er sie einmal kurz vorsichtig auf und streichelte sie nur mit dem Daumen. „Misty?“, flüsterte er sanft, dann beugte er sich mit dem Gesicht über ihr Ohr und wisperte: „Ich muss mit dir reden. Es ist wirklich wichtig.“ Langsam räkelte sich Misty. Langsam schlug sie die Augen auf, blinzelte etwas. Mehr oder weniger spürte sie Garys kühle Hand auf ihrer Wange. „Was…?“ Dann sah sie ihn noch etwas verschlafen an. „G-Gary, was ist?“ Etwas überrascht starrte sie ihn an. „Ist was passiert? Du bist ganz blass…“ Gary schluckte leicht. Unbewusst strich er Misty noch einmal über die Wange. Misty sah im schwachen Licht des Mondes wie er seine Lippen bewegte und seine Augen etwas kleiner wurden. Dabei fragte sie sich unbewusst, seit wann Gary ihr so nahe stand und sie gezielt berührte. Ihre Sorge um ihn war jedoch momentan stärker, als dass sie sich tiefer mit diesem Gedanken befasste. „Es ist, weil…“, begann Gary, musste aber kurzerhand wieder abbrechen, senkte den Kopf. Er wollte es ihr unbedingt sagen – aber er wusste nicht, wo anfangen. „Ich – ich muss dir… etwas Wichtiges sagen…“ „Gary… du zitterst ja…“ Verwirrt nahm Misty seine Hand und drückte sie etwas an ihre Wange, in der Hoffnung, dass er seine Angst verlieren würde. „Du kannst mir alles sagen, das weißt du.“ „Das hier ist leider etwas anderes…“ „Wieso? Bisher konnten wir uns doch alles sagen. Wir sind ein Team.“ „Das meine ich nicht.“ Langsam wurde Gary richtig nervös. Seine Stellung wurde ihm langsam schwer. Er drehte sich nun komplett seitlich zu Misty und legte seine Unterarme auf seine Oberbeine, sah sie nicht mehr an. „Ich bin so ein Idiot! Ich dachte, es wäre besser dir nichts zu sagen – aber ich kann mich mein Leben lang nicht vor einer Lüge verstecken.“ „Was redest du denn da?“ Aufgeregt und doch langsam und vorsichtig setzte Misty sich auf und streichelte Garys Rücken entlang. „Egal, was es ist oder wie schlimm du es findest… Ich bitte dich, rede weiter…“ Gary schloss kurz die Augen. „Bitte lass nicht diese Ungewissheit im Raum. Ich wünsche mir nur, dass du ehrlich bist, egal, ob du denkst, dass es mir schadet. Du hast schon genug durch gemacht. Ich finde, es reicht!“ „Aber, Misty…!“ „Wir beide haben so viel zusammen durchgemacht! Dabei haben wir doch gemerkt, dass wir mit unseren Erzählungen, Beichten und unserer Zweisamkeit immer alles Leid geteilt haben und uns so aufrecht halten konnten. Ich bin inzwischen zu allem bereit, wenn du es auch bist, verstehst du mich?“ Jetzt sah Gary aus einem bestimmten Augenwinkel Misty bewundernswert und doch geschockt an. Zu allem bereit. Vielleicht wusste sie schon… Vielleicht hatte sie schon gemerkt, dass… er etwas vor ihr verheimlichte… Aber wieso kannte sie ihn so gut? Hatten sie sich so verändert, sich so – geöffnet…? Füreinander? „Verstecke dich nicht länger. Teile mit mir dein Leid.“ In der ganzen Zeit, die Gary und Misty nun schon zusammen verbrachten, hatte sie ihm nur sehr selten dieses innige und vertrauensvolle Lächeln geschenkt. Sie war wirklich zu allem bereit. Gary wendete sich wieder von ihr ab. Erneut schloss er die Augen. Dann jedoch kniff er sie zu. „Ich war es! Damals…“ Misty weitete die Augen etwas. Sie wollte unbedingt alles hören, jedes einzelne Wort. „Damals, als ich zu dir in die Arena gekommen bin – ich brauchte unbedingt jemanden, der mir zuhören, mich verstehen und mir auch beistehen konnte. Ich hätte das sonst niemals fertig gebracht. Ich hoffe nur, dass du jetzt nicht denkst, dass ich dich ausgenutzt habe oder haben wollte, glaub das bitte nicht, Misty! Ich wusste nur, dass du die Einzige sein würdest, die mir diese Bitten erfüllen konnte. Bestimmt wollte ich dich nicht damit hineinziehen, ich konnte auch nicht wissen, dass das bekannt werden würde!“ Plötzlich brach Gary in Tränen aus. In ihrem ganzen Leben hatte Misty ihn noch nie so gebrochen gesehen, so hilflos, so – zerstört. „Ich wollte doch nur helfen…“ „Gary… nicht…“ Zuerst zögernd, dann aber gezielt, legte Misty ihre Hände auf Garys Schultern, dann aber drückte sie ihn fest an sich, nachdem sie sich direkt hinter ihn gesetzt hatte. Sie drückte ihn so fest, dass sie fast selbst schon dabei war zu weinen, weil dieser Anblick sie einfach nur schmerzte. „Egal, was du jetzt denkst – aber eines weiß ich ganz sicher. Du wolltest helfen und das hast du auch. Du hast MIR geholfen. Du hast mir geholfen, meine Angst zu überwinden. Du hast mir geholfen, wieder aus mir herauszugehen, mir Hoffnung zu geben. Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber… Ich danke dir wirklich sehr dafür und… Bitte versprich mir, egal, was du mir noch zu sagen hast… Bleib bitte bei mir. Ich ertrage es nicht, dich auch noch zu verlieren. Versprichst du mir das?“ Beim letzten Satz war ganz deutlich, dass Misty auch schon anfing zu weinen. Sie unterdrückte es wie eh und je, aber lange konnte sie das wohl nicht mehr. „Seit Ash tot ist, hatte ich dieses Gefühl nicht mehr… Lass mich mit meiner Angst bitte nicht alleine! Du denkst zwar, dass du mich ausgenutzt hast – aber in Wahrheit habe ich das dich und glaub mir, ich bereue es!!“ „W-Was…?“ Ganz langsam drehte Gary sich um und nahm mit zitternden Händen nach kurzer Stille Mistys Gesicht in seine Hände. „Du wusstest – es die ganze Zeit? Du wusstest, dass Ash…“ „Als ich das Cappy sah, war mir alles klar. Ich hatte Tracey und Professor Eich darum gebeten, eine Analyse an dem Cappy vorzunehmen. Dabei wurde durch die Fingerabdrücke und die Aufzeichnung deiner Angabe auf dem Polizeirevier klar, dass du derjenige warst, der Ashs Verschwinden bewiesen und zu Tage gebracht hatte.“ Misty musste kurz eine Pause machen und ihr Lächeln kurz ablegen, denn der aufkommende Tränenfluss wurde zu stark. Sie musste die Augen schließen. Verzweifelt fuhr sie fort: „Ich konnte es einfach nicht ertragen! Der Gedanke, dass Ash tot sein sollte und meine Hoffnung, er würde eines Tages wieder vor mir stehen, machten mich wahnsinnig! Ich hatte so sehr gehofft, wenn wir weiter als Team nach ihm suchen würden, würden wir ihn nie vergessen und gemeinsam ihn in uns weiterleben lassen, genau so, wie wir ihn in Erinnerung haben. Ash wird nie sterben, Gary. Er lebt in uns. Für immer…“ Dabei legte sie ihre Hände auf Garys und versuchte einmal tief ein und aus zu atmen. Die Tränen erschwerten ihr das, aber es ging. „Dann hast du mir das verschwiegen, weil – du mir nicht weh tun wolltest und weil du… denkst mich genau so zu brauchen, wie ich dich, um Ash nicht zu vergessen?“ „Ja“, nickte Misty verzweifelt. „Ich wusste nicht, wie ich alleine mit meiner Angst weiterleben könnte, Angst für immer alleine zu bleiben und an die Gedanken an ihn, irgendwann selbst zu sterben. Ich bin mir sicher, das hätten weder er noch Pikachu so gewollt. Dazu hatten sie uns zu gern, da bin ich mir sicher…“ Gary musste, obwohl das Thema gerade sehr ernst war und man darüber eigentlich keine Witze machen sollte, plötzlich schlagartig erleichtert lächeln. „Genauso – ging es mir auch…“ Kurz sah Misty auf. Seine sanften Berührungen auf ihren Wangen machten sie unglaublich sentimental und zerbrechlich. Irgendwie spürte sie, dass ihre Sinne gerade komplett ausgeschaltet waren und da es Nacht war, wusste sie, dass sie in jenen Stunden immer Dinge sagte, die sie am Tage niemals sagen würde. „Ich weiß, das klingt jetzt echt bescheuert. – Aber du erinnerst mich unheimlich an ihn. Ihr wart mehr Brüder als nur gewöhnliche Freunde. Ich hab dich dafür sehr beneidet.“ „Und ich habe dich dafür beneidet, dass du Ash immer so nah sein konntest. Ich wünschte mir heute, meine Freundschaft zu ihm wäre so intim gewesen wie die deine.“ „Wovon redest du…?“ Langsam kam Gary Mistys Gesicht immer näher und die Augen beider wurden langsam kleiner und kleiner. „Du hast ihn geliebt.“ Dabei streichelte er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Seine Nase berührte vorsichtig die ihre und strich vorsichtig ein paar Mal entlang. „Wäre ich ein Mädchen – hätte ich das wohl auch getan.“ Misty war zu vernebelt und zu eingenommen von Gary in jenem Moment, als dass sie hätte widersprechen können. „Oh mein Gott, Gary… Weißt du, was du da sagst? Woher weißt du… das…?“ „Ich habe dir noch etwas verschwiegen. Du sagtest vorhin, du hättest seit ich bei dir bin dieselben Gefühle wieder gespürt, die du zuletzt bei Ash gespürt hast. Und ich muss dir sagen… Mir geht es ganz genau so.“ „Du bist… verliebt…“ Bei diesen Worten schlossen die beiden vollkommen ihre Augen und ihre Lippen berührten sich auf eine seltsame Art und Weise. Es war, als würden sich die beiden damit von ihren verschlossenen Gefühlen, die tief in ihnen verborgen waren, lösen und sich somit von jeglicher Anspannung und vor allem von ihrer Trauer für einen kurzen Moment lösen. Diese Explosion war so stark, dass Misty bei jener Berührung Gary fest umschlang und den Kuss innig erwiderte, immer mit dem Gedanken, sich dafür bodenlos zu schämen, dass sie diesen Augenblick nicht mit Ash verbringen konnte. Ihre Tränen vermischten sich mit denen von Gary. Und ohne es sofort zu bemerken, waren beide derartig ineinander vertieft, dass ihnen gar nicht bewusst wurde, wie ihre Berührungen inniger und tiefgründiger wurden. Sanft und total eingenommen, leidenschaftlich berührten sie sich, beide mit den Gedanken immer noch eigentlich bei dem Grund, der sie so handeln ließ. Ihre Körper aber schienen nach Nähe nur so zu schreien und sie somit zu diesem Handeln zu treiben. Nachdem Gary sein T-Shirt ausgezogen und zur Seite geworfen hatte, drückte er Misty sanft auf ihr Bett, beugte sich ohne Gewissen über sie und küsste sie erneut innig und doch zärtlich und einfühlsam. Dabei streichelte er ihr über den Bauch, streifte ihr Shirt noch etwas mehr nach oben, während sie ihm wohltuend über den bloßen Rücken streichelte, ihn neckte und seine Küsse immer wieder ohne Zögern erwiderte. Sie war schon fast bereit, sich von Gary weiter einnehmen zu lassen, als es plötzlich im Erdgeschoss krachte. Wie aus einem tiefen Traum gerissen, starrten die beiden zu Mistys Schlafzimmertür. Es blieb nicht nur bei dem plötzlichen Lärm, sondern die beiden konnten auch ganz deutlich Schritte vernehmen. Zuerst waren sie nur unterhalb des Zimmers zu hören, aber nach wenigen Minuten schritten sie die Treppe hinauf. „E-Ein Einbrecher…?“ „Womöglich… Bleib ganz ruhig…“ Ohne Misty alleine zu lassen, beobachtete Gary weiterhin die Tür und griff währenddessen zielsicher an seine Hosentasche, aus der er einen Pokéball zog. „Dir geschieht nichts.“ In jenem Moment ging die Türklinke herunter. Gary wollte schon ausholen, als die beiden eine Stimme vernahmen. „Ist irgendjemand hier? Hallo?! Bitte, wenn jemand da ist, meldet euch!“ „Was…“, wisperte Misty nur. „Seit wann sagen Einbrecher denn ‚Hallo’?“, wunderte sich nun auch Gary und stieg aus dem Bett, Misty folgte ihm ängstlich, klammerte sich an seine Schulter. „D-Das meine ich nicht…“, stotterte sie leise. „Die Stimme klang wie…“ Doch bevor Gary ihr zu Ende zuhören konnte, ging die Tür auf. „Entschuldigung, ich suche…“ Die plötzliche Stille in dem Raum war unerträglich. Gary und Misty starrten geschockt auf den Unbekannten. Dieser starrte genauso geschockt zurück. Für alle Beteiligten stand die Zeit auf einmal still. Jedem Einzelnen schoss eine Erinnerung, ein Moment, eine Szene durch den Kopf. Es war wie als hätten sie eine Reise in die Vergangenheit gemacht. – Es konnte einfach nicht sein. „Pika Pi?“, ertönte plötzlich eine Stimme hinter Mr. Unbekannt und hervor kam ein kleines Pikachu, das seinem Trainer auf die Schulter sprang und dann genauso starrte, wie die anderen auch. Nach einigen Minuten des Schocks, die allen wie eine Ewigkeit vorkamen, war Misty die Erste, die sich regte. Schwankend trat sie vor Gary, der nach wie vor reglos war und sich ein tiefes Schlucken verkneifen musste. Vorsichtig wagte sie einen Schritt, dann jedoch stellte sie sich direkt vor den großen schwarzhaarigen Jungen. Innig und immer noch fassungslos starrte sie ihn an. Dann jedoch konnte sie nichts mehr halten. Keine Ahnung, was sie in jenem Moment so furchtlos und selbstbewusst machte. Sie schmiss sich an ihn, umarmte ihn stark, ließ alles aus sich heraus. „Du lebst!“, weinte sie in seine Weste hinein, krallte sich an ihn, wünschte sich in jenem Moment nur noch, nie wieder aufzuwachen. „Ich wusste es, es konnte einfach nicht wahr sein! Oh mein Gott…“ Die zwei Jungs wussten immer noch nicht, was sie sagen sollten. Sie starrten immer noch nur, während das Mädchen keine Lust zu haben schien, damit aufzuhören, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. „M-Misty…“ Gary zuckte zusammen. Der Junge konnte doch nicht… Hatte Misty Recht? Wenn nicht – woher sollte er dann ihren Namen wissen? Aber er hatte ihn ganz deutlich gewispert. Und dabei fing er an, erleichtert zu lächeln, das sah Gary genau. Es war also wahr… Ash lebte. „Endlich habe ich dich gefunden…“ „Verdammt, wo warst du?! Wieso hast du dich nicht gemeldet?! Was ist passiert? Wieso bist du verletzt? Ist es sehr schlimm?“ Misty war außer sich. Sie wollte alles los werden, was sie sich in den ganzen Jahren zusammen gemalt hatte. Sie wollte alles wissen, was man ihr verschwiegen hatte. Und während Mistys diesen Gefühlsausbruch von sich gab, wurde Gary etwas schlagartig bewusst. Diese Fragen – genau dieselben Fragen hatte Misty ihm doch damals gestellt, als er in die Arena gekommen war. Genau dieselben Emotionen hatte sie gezeigt gehabt – nur lange nicht so energisch und voller Elan wie hier. Eher wie ein Wispern, wie ein verzweifelter fast unhörbarer Hilferuf. Er wusste nicht, ob er zerbrechen oder lächeln sollte. Misty hatte nicht gelogen. Sie hatte also irgendwo gespürt, dass er, Gary, für sie nur ein Ersatz war. Ein Ersatz für Ash. Sie hatte ihn wirklich als Ash gesehen, ihn vollkommen mit ihm gleichgestellt. Jetzt, da Ash wieder hier war, würde sie ihn womöglich ignorieren. – Und was war mit Ash? Ob er sich noch an ihn erinnerte, ob er für ihn wohl immer noch einer der besten Freunde war? Er wollte es gar nicht wissen! „Bitte, schrei mich nicht gleich wieder an… Es tut mir so unglaublich leid, dass das alles passiert ist.“ „Es ist egal, es ist so was von egal!“, lachte Misty übermütig. „Es ist egal, was du jetzt denkst. Ich weiß nur, dass ich froh bin, dass du wieder da bist und es ist auch ganz egal, was du uns erzählen wirst, ich weiß einfach ganz genau, dass du ehrlich zu uns sein wirst und dass du alles erklären kannst.“ Wieder traf Gary ein Blitz. Durch diese Worte wurde sein Verdacht immer mehr bestätigt. „Ich werde euch alles erklären. Aber wäre es vorher möglich, dass ich was zu trinken haben könnte?“, grinste er etwas verlegen. Daraufhin musste Misty kurz kichern und auch Gary schüttelte, die Hände an die Hüften stemmend, grinsend einmal kurz den Kopf. Ash war wirklich ganz der Alte geblieben und dass obwohl er absolut nicht mehr wie der Ash aussah, den Misty und er kannten. Er hatte jetzt ziemlich lange Haare, die ihm hinter die Schulter fielen und zu einem kleinen Zopf gebunden waren. Er war ein kleines Stück kleiner wie Gary, also passte er einer Orgel gleich direkt zwischen ihn und Misty. Welch Ironie. Ein paar Minuten später begann Ash das 5 ½-Jahres-Rätsel zu lösen, das ihn die ganze Zeit über im wahrsten Sinne des Wortes vergessen ließ, dass er sich hätte zu Hause melden sollen. Die Recherchen von Gary waren absolut richtig gewesen. Ash war in der Tat zu jenem Zeitpunkt einer der „Rebellen“ gewesen, die es gewagt hatten, Team Rocket stürzen zu wollen. Auch die Explosion war richtig, ebenso die Toten und das Massaker. Aber wie durch ein Wunder hatten er und Pikachu überlebt. Dies war der Punkt, wo Misty Recht behalten hatte. So lange es für Ash noch etwas zu tun gab, würde das Schicksal wohl dafür sorgen, dass er nicht sterben würde. „Und wieso bist du dann nicht gleich zu uns gekommen, anstatt ewig mit deinen schweren Verletzungen durch die Gegend zu rennen?“, fragte Gary nun, während er eine Nachricht in seinen PokéCom eintrug. Man sollte die arme Mrs. Ketchum schließlich auch endlich mal von ihrem Leid befreien. „Diese Frage ist leichter zu beantworten, als ihr denkt“, gab Ash zurück. „Pikachu war bis auf wenige Schrammen und Wunden kerngesund, im Gegensatz zu mir. Glaubt ja nicht, es waren meine Verletzungen, die mich davon abgehalten hatten, herzukommen. Wäre es nur das gewesen, hätte ich euch sofort aufgesucht. Das Problem war nur – ich hatte vergessen, dass es euch gibt.“ „Du hast WAS?!“, fragte Misty erschrocken. Sie war immer noch zu sehr eingenommen von dem Geschehen, dass Ash wirklich wieder da war, dass sie nicht richtig nachdachte. Gary gab ihr einen kleinen Stoß. „Na, das ist doch einleuchtend. Ash muss bei der Explosion mit dem Kopf irgendwo gegen geschlagen sein, so dass er eine Gehirnerschütterung und ein Trauma bekam. Somit hatte er Amnesie. Er hatte sein Gedächtnis verloren.“ „Genauso ist es“, nickte Ash geknickt. „Pikachu konnte sich nach wie vor an alles erinnern – aber dadurch, dass ich wirklich alles vergessen hatte, einschließlich ihm, war das für den Armen keine leichte Aufgabe. Es hat fast ein dreiviertel Jahr benötigt, bis ich alleine meinen Namen wusste.“ „Und wieso bist du dann mit deiner neuen Erkenntnis nicht gleich zur nächsten Polizeistation gegangen und hast dich als vermisst gemeldet?“, fragte Gary etwas sauer. „Auch das ist einfach…“, seufzte Ash erneut, dabei blickte er Gary kurz etwas verstimmt an. „Es gab da so ein Ereignis, in dem ich nach circa einem Jahr nach dem Unfall erfuhr, wer Team Rocket war. Ich bekam auch sehr bald zu spüren, dass ich all die Zeit nicht alleine war. Die Organisation hatte irgendwie Wind davon bekommen, dass ich noch lebte und dass ich, sollte ich meine Erinnerung wieder erhalten, alles erzählen könnte. Deswegen hetzten sie erneut Mitglieder auf mich und ich musste jeden Tag um mein Überleben kämpfen. Wäre ich zu einer Polizeistation gegangen, hätte mich zu erkennen gegeben und mich womöglich dort auch noch kurzzeitig nieder gelassen, hätten sie von meinen Bekannten, Freunden und Verwandten erfahren und hätten euch alle umgebracht. Ich musste mich also wohl oder übel für eine Weile zurückziehen, da ich keine Ahnung hatte, wen genau ich dort verraten würde. Pikachu und ich tauchten deshalb komplett unter, ebenso versteckte ich meine Pokémon. Erst als ich meine vollständige Erinnerung zurück hatte, beschlossen wir, uns zu wehren.“ „Und was ist jetzt? Glaubst du jetzt, wo du deine Erinnerung zurück hast, wäre Team Rocket für deine Mitmenschen nicht mehr gefährlich?“ „Da bin ich sogar ganz sicher!“ Auf Ashs Gesicht machte sich ein Grinsen breit. „Giovanni sitzt nämlich seit ein paar Tagen hinter schwedischen Gardinen.“ „Bitte was?!“, schrien Misty und Gary gleichzeitig und konnten nicht fassen, dass Ash das ernst meinte. „Natürlich. Dadurch, dass wir groß und breit in den Medien verbreitet hatten, ich sei tot, wurde Team Rocket unaufmerksam. Sie dachten, sie könnten mich nun in aller Ruhe suchen, da mich eh niemand mehr vermissen würde. Dabei hatte ich mich heimlich mit Officer Rocky und der Polizeiwache in Verbindung gesetzt. So führte ich sie Schritt für Schritt zum Versteck von Team Rocket. Durch diese Methode kamen wir zwar ans Ziel, aber…“ „Aber was?“ Misty schaute Ash besorgt an. Seine Augen wurden plötzlich so klein. „Pikachu und ich mussten dafür etwas Wichtiges in Kauf nehmen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie einsam einen so eine Mission macht! Ich konnte es kaum aushalten, euch nicht zu schreiben, mich nicht zu melden, euch im Ungewissen zu lassen!! Ich hab das wirklich nicht gewollt… Bitte verzeiht mir!“ „Ash… Nicht…“ Misty kniete sich vor Ash und berührte seine Wangen. Wieder machte es bei Gary Klick. „Du musst dich nicht entschuldigen. Glaub mir…“ Ash sah auf und blickte direkt in Mistys Augen. Sie waren voller Tränen und darunter… war ein sanftes erleichtertes Lächeln. „… Wir haben genau so gelitten wie du.“ Mit diesen Worten umarmte sie ihn sanft und ergänzte dann: „Willkommen daheim, Ash…“ Ashs Augen weiteten sich kurz, dann jedoch bekam er gläserne Augen und ebenso ein sanftes Lächeln wie Misty und schloss sie stark in seine Arme. Leise verließ Gary den Raum und genauso leise schloss er hinter sich die Tür. Leicht sarkastisch und doch erleichtert lächelte auch er. Es war wohl alles wieder wie früher… --------------------------------------------------------------------------------- Geschrieben zu dem Lied "Wenn ich tot bin" von Ich+Ich Story by © MiyaToriaka á Franzy S am 03.01.2008 Wer Rechtfehlerschreiber findet, darf sie behalten. Bin zu müde XD (04.01.2008, 01:50Uhr) Vielen Dank noch mal für die ganzen vielen lieben Geburtstagsgrüße!!! :D Ich hab mich so damn gefreut ;___; Danke! Hosted by Animexx e.V. 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