Umbruch von Gaomee (Eine Novelle für Shadowtears) ================================================================================ Kapitel 7: Das Frühstück ------------------------ Im Burghof, wo auch der Parkplatz für Angestellte untergebracht war, sprang Sakura aus dem schwarzen Wagen mit den dunkel getünchten Fenstern und in den verschneiten Innenhof heraus. Sasuke schloss ab und bestand darauf, die Dame bis zu ihrer Zimmertür geleiten zu dürfen. Als sie so nacheinander eine knarrende Treppe – Sakura fand es eigentümlich, dass Sasuke immer die Stufen zu vermeiden wusste, die dieses lästerliche Geräusch von sich gaben - hinauf kletterten und Sakura auf den breiten gebeugten Rücken starren durfte, fand sie es recht schwer die Frage niederzuringen, die sich ihre Kehle hinaufwälzte. Sie wollte sie als lästig abtun, aber es war nun einmal keine heiße Galle, sondern ein warmer Gedanke, der da ihren Lippen entspringen wollte und dem hatte Sakura reichlich wenig entgegen zu setzen. Als sie wieder nebeneinander gingen, schien ihm das aufzufallen und er zog verblüfft die Brauen in die Höhe. „Nur heraus damit. Alles, was du sagst, kann nicht schlimmer sein als was immer die Dorfbewohner mir entgegen grölen.“ Sakura musste wider Willen lächeln, biss sich dann aber auf die Lippe und schüttelte den Kopf. Sie kam sich reichlich peinlich vor und die Tatsache, welche sie sich immer wieder ins Gedächtnis rief, dass sie nun eine vierundzwanzigjährige, erfolgreiche Journalistin mit einer festen Anstellung war, half nicht besonders ihr Selbstvertrauen groß aufzubauen. Aber er wandte seinen Blick einfach nicht ab und so befiel Sakura der wachsende Drang etwas sagen zu müssen. „Ehm… es ist Blödsinn…“, eröffnete sie ihm wenig geistreich. „Ich kenne mich gut mit Blödsinn aus, habe ich doch selbst oft genug welchen verbrochen – Also?“ „Nein, nein, du verstehst nicht. Ich habe automatisch daran gedacht, dich zum Frühstück einzuladen, aber ich freue mich auch über Abendessen irgendwann einmal“, versicherte sie ihm willig. Sasuke lachte. „Mhh, vielleicht macht meine schlechte Laune ja Morgen früh eine Pause.“ Sie waren vor ihrer Tür angekommen und Sakura lehnte sich leicht dagegen, sah ihn skeptisch an. „Ich zweifle nicht an deiner Gabe, dich zu beherrschen, aber tu’ dir doch keinen unnötigen Zwang an.“ Er schüttelte entschieden den Kopf, stützte auch eine seiner Pranken neben ihrem Kopf an die verschlossene Zimmertür und versicherte ihr ein wenig belustigt: „Ich werde mich schon nicht zu sehr verausgaben. Beruhigt?“ Sie konnte es sich nicht verkneifen, das süffisante Lächeln zu erwidern. Er nahm das einfach als Zustimmung, verabschiedete sich mit einem Wink. „Wenn du Morgen auf bist, komm ’runter.“ Heute war der Mond schon etwas voller als am gestrigen Tag und Neumond war ja schon lange nicht mehr… Sakura eilte nicht ohne Grund in der hübschen Bluse am nächsten Morgen die Treppe herab. Sie war weiß und betonte auf nette Weise ihren nicht so sonderlich ausgeprägten Busen vorteilhaft. Irgendwie war ihr danach gewesen auch etwas Make-Up aufzulegen. Ihre Lippen waren rot geschminkt. Es kam ihr so vollkommen hilflos aufgedonnert und offensichtlich vor, dass die Röte ihr sofort in die Wangen schoss jedes Mal, dass sie daran dachte. Die enge Jeans trug sie auch nicht jeden Tag und im Geheimen, schätzte sie, glaubte sie wohl auch, dass es seine Stimmung etwas aufhellen könnte. Denn ganz sicher, dass er seine Beteuerungen einhalten können würde, war sie nicht. An diesem Morgen gab die Sonne sich besondere Mühe, es nicht nach Spätherbst, sondern schon nach Frühling aussehen zu lassen, aber das trügerische Bild entlarvte jeder sofort, sobald er hinaus in den Hof trat. Es war bitterkalt. Außerdem trug der schon leicht verdreckte und durchgematschte Schnee in dem Hof nicht unbedingt zur Glaubhaftigkeit des Bildes vom nahenden Frühling bei, der in Wirklichkeit doch noch so weit entfernt war. Sakura nahm die Abkürzung zu dem Ort, zu dem sie wollte. Sie hatte entschieden, da sie ja nicht wusste, wo Sasuke sein Zimmer beherbergte, einfach erstmal zu dem Ort zu gehen, an dem sie ihn das erste Mal wirklich kennen gelernt hatte. Sie hoffte wider besseren Wissens, er würde dort vielleicht schon auf sie warten, denn sie wusste nicht mehr woher er gekommen war als sie ihm an besagtem Abend gefolgt war. Glücklicherweise musste sie gar nicht bis dorthin, denn er stand im Hof schon an einem Pfeiler und wartete auf sie. Als sie sah wie schlicht er gekleidet war – schwarzes Hemd, schwarze Jeans – spürte sie schon wie ihr die Hitze den Hals, über die Wangen bis zu den Ohren kroch und hoffte, er schob die Röte auf die Kälte. Er lächelte und ihr kam es vor als sei es wissend. „Na, so früh schon auf?“ Sie sah verdutzt auf als sie die letzten Schritte zu ihm herüber eilte. „Ja. Hätte ich etwa warten sollen? Aber du stehst doch schon hier!“ Er nickte. „Ich gebe zu, ich habe unserem Treffen entgegen gefiebert.“ Dann grinste er unvermittelt, stieß sich von dem Pfeiler ab und führte sie den Schnee gesäumten Weg entlang und eine steinerne Treppe hinauf. „Vorsichtig. Sie ist recht alt und ausgetreten. Daher auch glatt. Da ihr Frauen ja so gern diese unpraktischen, aber modischen, Seidenschühchen tragt, lebe ich in ständiger Angst, dass jemand ausrutscht“, bekannte er und seine Sorge rührte sie. Aber sobald er sich zu ihr umwandte und die kniehohen, gut eingefetteten Lederstiefel sah, verzog er die Lippen zu einem beruhigten Lächeln. Ihn beschlich der Gedanke, dass er in letzter Zeit mehr Lächeln verschenkt hatte als in den letzten paar Jahren, die er beinah allein hier verbracht hatte. Sasuke besaß ein recht geräumiges Zimmer. An einer Stelle war es mit Holz oben angebaut worden und so kam es, dass Sasuke sich sogar an einem Balkon erfreuen konnte. Alles war zwar an einem Platz und es gab auch einen Platz für alles, aber das erschien Sakura nicht besonders schwer zu bewerkstelligen, da sie sowieso kaum persönliche Einrichtungsgegenstände entdecken konnte. Sie war ein wenig verwundert. In ihm hatte sie einen Hobby-Historiker vermutet und somit auch sein Zimmer als Museum in Klein vorgestellt. „Enttäuscht?“, fragte er amüsiert. Sie schüttelte den Kopf. „Ehm, nein, nicht wirklich …“ Er runzelte die Stirn, während er ihr den Stuhl zurecht schob. „Aber unwirklich? Macht das einen Sinn?“ „Was du da redest bestimmt nicht. Aber was ich meinte war, dass ich nicht enttäuscht, sondern verwundert bin.“ Er nahm ihr gegenüber Platz. „Ah ja? Und wie kommt das?“ Sie erklärte ihm ihren Gedankengang, während sie sich an wunderbar heißem Kaffee erfreute, welchen sie im Winter gern schwarz trank. Er auch. Er aß sowieso wenig. Während Sakura sich eine Scheibe Schwarzbrot mit einer besonders dick abgeschnittenen Scheibe des würzigen Höhlenkäses genehmigte, knabberte er an dem dänischen Graubrot und hörte zu, während die weibliche Redseligkeit plötzlich von ihr Besitz ergriff. Im Nachhinein wusste sie gar nicht mehr so recht, was sie da eigentlich von sich gegeben hatte, aber irgendetwas wird es wohl gewesen sein, denn damit hatten sie die erste Stunde ihres Frühstücks zugetragen. Am Anfang hatte sie wohl noch über das Wetter gesprochen, dann über seine spartanische Einrichtung und dann irgendwann fand Sakura nichts mehr zu sagen. Er bemerkte natürlich ihre Not und zeigte sein charmantestes Lächeln. Natürlich war sein ganzes Gesicht so eingerostet, dass ihm nicht einmal bewusst war, dass es sein charmantestes war. Er handelte impulsiv, aber nicht unbedacht. „Die Burg ist recht alt, wusstest du“, begann er gemächlich, klopfte mit der flachen Hand ein paar Mal an das alte Gemäuer. „Es wird allgemein angenommen, sie wurde um das Jahr 1000 erbaut, obwohl sie urkundlich erst 1083 erwähnt wird.“ Er zuckte die Schulter, lächelte dann unbeschwert. Sakura sah in den Hof hinab, versuchte sich eine Gesandtschaft vorzustellen, die in den Burghof ritt. Ein großer Earl(2) tauchte vor ihrem Auge auf, auf einem mächtigen Rappen mit einem mit Silber verschwenderisch verzierten Holzsattel und bis an die Zähne bewaffneten Housecarls(3), die die zweifelhafte Ehre hatten Helme mit langem Nasenschutz tragen zu dürfen. „Woran denkst du?“, erkundigte er sich, stützte das Kinn auf die vor sich verschränkten Hände. Sakura seufzte, wandte den Blick ab. „An dich“, eröffnete sie ihm, obwohl das nicht ganz der Fall gewesen war. Sie deutete auf seinen Teller, wo das halb verspeiste Brot noch immer lag. „Wenn du nichts isst, dann komm ich mir so verfressen vor – Ich bin eine Frau, ich lebe in ständiger Sorge um meine Figur. Zeig etwas Mitleid mit mir, armem Wesen, und frühstücke groß.“ Sasuke lachte, riss ein weiteres Stück seiner Scheibe ab und steckte es in den Mund. „Gut so?“, fragte er, nachdem er gekaut und geschluckt hatte. Sakura tat so als müsse sie überlegen, dann grinste sie schelmisch und schüttelte entschieden den Kopf, fütterte ihn mit einem weiteren Stückchen. Er machte eine komisch übertrieben ergebene Miene und ergab sich in sein Schicksal. Nachdem er geschluckt hatte, seufzte er in absurder Theatralik und komischer Verzweiflung. „Nun ist es schon so weit gekommen, dass ich mich füttern lassen muss.“ Sakura lachte hell auf und Sasuke grinste, riss ihr zuliebe sogar ein weiteres Stück von seiner Scheibe Brot ab. Sie stützte den Ellbogen auf die Tischplatte und legte die Wange in ihre Handfläche, schloss glücklich die Augen. Er betrachtete sie versonnen. Ihre Lippen erschienen ihm röter als sonst. Ihm fiel auch auf, dass die Bluse sich positiv auf ihre Oberweite auswirkte, aber es kümmerte ihn nicht sonderlich. Frauen glaubten wohl, sie wüssten genau wie Männer dachten. Doch mit Sasuke hatte sie sich vertan. Nicht das es ihn störte (Wen störte es schon, dass eine Frau sich für einen hübsch machte?); es amüsierte ihn eher. Denn was seine Blicke wirklich auf sie zog, waren der lange Schwanenhals, in welchem er ihren Puls pochen sehen konnte und die Art und Weise wie sie immer sein Lächeln erwiderte. Es brachte ein kleines Grübchen in ihrer Wange zum Vorschein. Außerdem war sie einfach nur da, leistete ihm Gesellschaft und es schien ihr sogar nichts auszumachen, schien ihr sogar zu gefallen. Es verursachte ein kleines Gefühl der Genugtuung in ihm. Er hatte sehr wohl bemerkt wie Naruto sich um sie kümmerte und er hatte die unzähligen Male, dass dieser in angeschrieen hatte, bestimmt nicht vergessen. Geistesabwesend streckte er eine Hand nach ihr aus und bevor ihm gewahr wurde, was er tat, rieb er mit seinem Daumen über ihre Lippen. Sakura öffnete über alle Maßen verdutzt die Augen, machte aber keine Anstalten die Hand fort zu schlagen. Stattdessen sah sie ihm unverwandt in die Augen, hatte den Kopf von ihrer Hand gehoben. Er nahm seine Pranke inzwischen langsam wieder zurück, musste feststellen, dass er den roten Lippenstift verwischt hatte. Verlegen hob er die Schultern. „Entschuldige“, machte er unbeholfen. Sakura winkte unsicher ab, nahm eine Serviette und wischte sich den Rest der Farbe auch noch ab. „Viel hübscher so“, merkte er an und sie lächelte ihm dankend zu. Dann fanden sie nichts mehr zu sagen und sahen stattdessen eine Weile jeder auf seinen Krumen übersäten Teller. „Du bist müde?“, erkundigte sich Sasuke dann schließlich. Sakura schüttelte entschieden den Kopf. Dann versiegte das Gespräch wieder. „Du etwa?“, fragte Sakura wenig einfallsreich später. Er schüttelte den Kopf, sah dann aus der gläsernen Tür, die zum Balkon führte. Sein Stuhl scharrte als er ihn zurückschob und aufstand. Er schob die Tür auf und trat in die frische Morgenluft heraus. Er winkte ihr und sie stand hastig auf, um ihm zu folgen. Draußen bauschte ein böiger Wind ihre Haare auf und sie schlang ihre dünnen Arme um den Oberkörper. Sasuke hatte die Unterarme auf das Gelände gestemmt und der Blick starrte in die Ferne. Es war ein raues Land, fiel ihr auf, mit struppigem Gras auf sanften Hügeln. Weiter hinten war das dunkle Wäldchen, durch welches Sakura am Tage ihrer Ankunft gefahren war. Vereinzelt taute noch immer der Schnee auf der Wiese, auf welche sie blickten, und weiter westlich von ihnen konnte man das Dorf erkennen und einen breiten (und reichlich matschigen) Pfad, der zum Hotel führte. Vorsichtig stellte sie sich neben Sasuke, betrachtete sein Profil. Die Augen waren verengt und auch sein Haar, das ihm immerhin bis in den Nacken reichte, blieb nicht vollkommen vom unbarmherzigen Wind verschont. Plötzlich wandte er sich dann zu ihr um und sie musste feststellen, dass es ihr ein wenig peinlich war, ihn so beobachtet zu haben. „Was immer war, jetzt, da der Wind dich so schön zerzaust hat, kannst du gar nicht mehr müde sein“, versicherte er und Sakura schob eine Hand in ihr Haar, um es zu bändigen, und lächelte bestätigend. „Nein, wirklich nicht. Du siehst aber auch toll aus“, bemerkte sie spöttisch, zwirbelte eine etwas längere Strähne seines pechschwarzen Haares zwischen Mittelfinger und Daumen. Er konnte ihr nur zustimmen. Wahrscheinlich sah er schlimmer aus als gewöhnlich. Er grinste, konnte der Versuchung nicht widerstehen. „Wenn du meine nicht vorhandene Frisur schlimmer machen darfst als sie schon ist, dann, finde ich, habe ich dasselbe Recht.“ Und mit diesen Worten drehte er sich zu ihr um, vergrub genüsslich die schwieligen Finger in ihrem weichen Haar und wuschelte ein wenig herum bis sie quiekend seine Handgelenke ergriff. Er beschloss sich ihrer zu erbarmen und befühlte nur noch verstohlen ihren Haaransatz im Nacken, die Unterarme lose auf ihren Schultern. Sie lachte, musste zu ihm aufsehen, da er einen ganzen Kopf größer war als sie. „Süßer Jesus, mir ist noch nie aufgefallen, was für ein Hüne du bist!“, stieß sie aus, legte demonstrativ übertrieben den Kopf in den Nacken und schirmte mit der Hand ihre Augen ab. „Kannst du mich da oben überhaupt noch hören?“, fragte sie lauter, als nötig gewesen wäre. „Aber natürlich doch … “, antwortete er ruhig, nahm anstandshalber die Hände von ihr und geleitete die Dame wieder ins Haus. „Nun, da die Dame wieder schön durchgefroren ist, möchte sie vielleicht noch einen Kaffee?“ „O ja, bitte … “, seufzte Sakura und trat wieder in die warme und tröstliche Umarmung seiner Wohnung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)