Der Weg zum Glück von Lady_Ocean ================================================================================ Kapitel 10: Vertrauen braucht Zeit ---------------------------------- Das neue Kapitel ist endlich da! Tut mir Leid, dass es so fürchterlich spät kommt, aber es kam einiges dazwischen. Vorbereitungen für mein Auslandsjahr, Ann-chans Umzug, Studium, Erkältung... Sprich: Niemand hatte Zeit übrig x_x. Ich hoffe, ihr könnt uns noch mal verzeihen *verbeug* ^^! Und vielen Dank für über 100 Kommentare! Boah, ihr seid der Wahnsinn! Ich könnte euch alle knuddeln ^^. Auch die Favos! *fast bei 50 sind**freusel* Und vielen lieben Dank an die Teilnehmer vom WB! Da hab ich mich auch sehr gefreut. Aber nun genug gelabert. Viel Spaß beim Lesen! -~*~- Disclaimer: Die Charas gehören (bis auf wenige Ausnahmen) nicht uns, sondern Clamp. Wir wollen kein Geld damit verdienen, sondern nur unterhalten. Erstschreiber des Kapitels: Lady_Ocean Kapitel: 10/26 -~*~- „Toleranz ist der Verdacht, daß der andere Recht hat.“ (Kurt Tucholsky) -~*~- Vertrauen braucht Zeit „Nii-chaaaaaaaan!!!“ Noch bevor der Gerufene Tomoyos Gesicht erblicken konnte, denn es war immer noch hinter dem blauen Gartentor versteckt, wusste er, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Die weinerlich-flehende Stimme seines kleinen Schützlings ließ daran gar keinen Zweifel zu. Auch das übermäßig laute Zuschlagen der Tür des schwarzen BMW und der Gesichtsausdruck des ebenso schwarzhaarigen Mannes sprachen für sich. Er sah aus, als wäre er gezwungen worden, eine ganze Zitrone zu essen. Dann hatte Tomoyo das Tor endlich aufbekommen und rannte geradewegs auf ihren Kindergärtner zu, versteckte ihr verängstigtes Gesicht in seinen Hosenbeinen. „Ach du meine Güte, Tomo-chan! Was hat das böse Brummbärchi denn bloß mit dir gemacht?!“, rief er teils alarmiert, teils neckend. „Versuch nicht immer, alles MIR in die Schuhe zu schieben!“, fauchte es weiter hinten. Kuro-wanko kam wütend hinterhergestapft. Fye taxierte ihn dabei mit seinem Blick, doch der hochgewachsene Mann machte keine Anstalten, sich genauer zu erklären. Da müsste er wohl noch ein bisschen sticheln. „Aber was soll die süße, kleine Tomo-chan denn angestellt haben? Dafür ist sie doch vieeeel zu lieb!“ „Das glaubst aber auch nur du! Seit neuestem ist sie eine richtige Hexe. Wart’s nur ab, du wirst das mit Sicherheit auch bald erleben!“, rechtfertigte der Miesepeter sich nun doch. „Gar nicht wahr...“, mischte sich Tomoyo in Fyes Hemd nuschelnd ein. „Papa will mich ärgern mit diesen bösen Hunden. Er weiß ganz genau, dass ich solche Angst vor ihnen habe, und trotzdem will er mich zwingen, so einen anzufassen! Aber...aber wenn der nun wieder beißt...!“ Ihre kleine Rede wurde von einem lauten Schluchzer unterbrochen. Instinktiv zog Fye das zerbrechliche Mädchen noch ein wenig näher an sich und streichelte ihr beruhigend mit der linken Hand über das samtene schwarze Haar. „Shhhh, ist ja gut...“ Da drückte der Schuh also. Anscheinend war es gestern Abend alles andere als gut gelaufen. „Jetzt fang nicht schon wieder damit an! So ein winziger Hund kann dir gar nichts tun und außerdem ist er jetzt meilenweit weg!“, echauffierte sich der Papa, der im Moment so gar nicht wie ein Vater wirkte. Innerlich seufzte der Blondschopf schwer. Wenn es darum ging, die Probleme von Kindern zu verstehen, stellte der Große sich nach wie vor, gelinde gesagt, blöd an. Da hatte er noch ein ganzes Stück Arbeit vor sich. „Ach, Kuro-wanwan, jetzt brüll doch nicht wie ein Löwe! Du verschreckst die arme Kleine“, witzelte der Kindergärtner, um die geladene Atmosphäre etwas zu entspannen. Bei seinem Gesprächspartner ging das jedoch zum einen Ohr rein und zum anderen wieder heraus. „Ja, du hast gut Reden! Du darfst dir das ja nicht schon seit gestern in einer Tour anhören! Ich WEIß, dass sie Angst vor den Viechern hat, und der Quacksalber im Krankenhaus meinte, ich soll ihr die wieder nehmen, indem ich sie mit Hunden in Kontakt bringe! Aber sie stellt sich so was von quer, sie versucht nicht mal, sich ein bisschen anzustrengen und gegen ihre Angst zu kämpfen, obwohl ich ihr hundertmal gesagt habe, dass ich auf sie aufpasse und ihr nichts passiert!“, sprudelte es aus dem Schwarzhaarigen nur so heraus. Fye staunte nicht schlecht, so viele Worte hintereinander hörte er sicher zum ersten Mal aus dem Munde von Tomoyos maulfaulem Daddy. Und als er mit seinem Beschwerde-Dauerfeuer fertig war, wirkte seine Mimik bereits ein Stück weniger verkrampft. Wahrscheinlich tat es ihm auch mal gut, sich den Frust von der Seele zu reden. Und so, wie es klangt, hatte das Thema nicht nur gestern Abend, sondern auch heute Morgen bereits wieder für schlechte Stimmung gesorgt. Trotzdem musste Fye seinem Kinder-Analphabeten irgendwie begreiflich machen, dass es so nicht ging. Auch wenn er damit riskierte, dass der gutherzige Kuro-chan dann gleich wieder wie eine Rakete an die Decke ging. „Du verlangst ein bisschen viel von ihr, Kuro-sama“, versuchte er es ruhig, bemerkte aber sofort, wie die Ader an der Schläfe wieder anschwellte, und sprach deshalb schnell weiter. „Sie ist erst vier und das ist noch sooooooo wenig! Du überschätzt sie. Kinder KÖNNEN in diesem Alter gar nicht anders als wegrennen, wenn sie Angst haben, und weißt du, wo sie hinrennen? Zu ihren Eltern; in dem Fall zu dir. Kannst du dir denn gar nicht, nicht ein klitzekleines bisschen vorstellen, wie sich so ein kleines Kind fühlen muss, wenn ihr einziger Zufluchtsort, der sie vor ihrer Angst beschützen könnte, sie von sich weist? Noch dazu, wenn es eine so tief sitzende Furcht ist, die sie quält?“ An dieser Stelle hielt Fye kurz inne, ließ Kurogane etwas Bedenkzeit, während dessen Augen abschätzend zum Hinterkopf seiner Tochter wanderten. Just in diesem Moment ertönte ein ersticktes Schluchzen und der kleine Körper erbebte für einen Moment, sodass die kurz zuvor noch feuerrot glühenden Augen wehmütig zu flackern begannen. „Ich weiß ja, dass du es gut meinst, aber Tomo-chan versteht das noch nicht. Nicht auf diese Art“, sprach der Kindergärtner in ruhigem Ton weiter, streichelte unaufhörlich Tomoyos Rücken. „Fein, und was schlägt der Herr Psychologe dann vor?“, schnappte der Schwarzhaarige beleidigt. Fye konnte sich ein zartes Grinsen nicht verkneifen ob dieser Wortwahl. „Ein Psychologe bin ich zwar nicht, aber am wichtigsten ist, dass du ruhig bleibst.“ „Das versuche ich doch schon die ganze Zeit!!!“, wetterte das Pulverfass gleich weiter, fühlte sich augenscheinlich auf den Schlips getreten. Wie nicht anders zu erwarten, schniefte Tomoyo gleich wieder und zuckte ein wenig zusammen, sodass der Gesichtsausdruck des Schwarzhaarigen gleich wieder ins Verzweifelte umschlug. Wenn der Anlass nicht so ernst gewesen wäre, hätte Fye ihn gern noch länger beobachtet. Nicht nur die vielen Worte, die er heute mit ihm wechseln konnte – so ein vielseitiges Mienenspiel durfte er heute auch zum ersten Mal erleben. Aber Tomoyo ging vor. „Ich weiß doch, dass du dich bemühst. Und dass es dir nicht leicht fällt“, lenkte er mit schwachem Lächeln ein, nahm seine Hand von Tomoyos Rücken und führte sie zu Kurogane, legte sanft die Fingerspitzen an Kuroganes Oberarm und konnte durch das eng anliegende T-Shirt deutlich die Körperwärme des anderen spüren. Fast schon heiß war es im Gegensatz zu seinen stets kalten Fingern... „Ich bitte dich nur, nicht aufzugeben. Versuch es weiter, langsam. Nur nichts überstürzen. Und lass dich nicht entmutigen, wenn es noch ein wenig dauert, bis sich erste Erfolge zeigen. Solche Wunden sind tief, sie brauchen Zeit, um zu heilen. Aber irgendwann wird es besser, glaub mir. Und wenn du selbst ebenfalls daran glauben kannst, dann fällt es dir auch leichter, ruhig zu bleiben.“ Kuroganes Gesicht war nun wieder die übliche steinerne Maske, die Fye inzwischen so vertraut war. Ein Teil des Blonden seufzte auf und wünschte sich den Kurogane von gerade eben zurück, der so viel von sich offenbart hatte, doch der vernünftige Teil tröstete sich damit, dass diese Reaktion beim Papa in Spe zumindest zeigte, dass dieser zugehört und verstanden hatte. „Tze, du stellst dir das alles so einfach vor...“, kam dennoch der erwartete Protest, jedoch fehlte ihm der Schwung. Ja, er nahm seine Worte ernst. Und das war bei Kuro-rin schon fast so was wie ein Kompliment! „Also, wollt ihr euren Streit nicht endlich vergessen und euch wieder vertragen?“, schlug Fye vor, doch Tomoyo schüttelte bestimmt den Kopf. „Papa will mir trotzdem nicht zuhören! Heute Abend holt er den schrecklichen Hund schon wieder ab...“, jammerte sie kleinlaut. Ein Wink mit dem Zaunpfahl. Vier Jahre und schon stellte sie Bedingungen auf und wollte verhandeln! Zu putzig! Ein Blick auf ihren großen Vater zeigte Fye schnell, dass dieser den Wink auch verstanden hatte, aber das bei weitem nicht so spaßig sah. Schon wieder zogen dunkle Schatten über das angespannte Gesicht... Um die Situation nicht gleich wieder eskalieren zu lassen, tat Fye etwas, was er normalerweise sehr selten machte, bei Kurogane aber seltsamerweise schon zum zweiten Mal innerhalb der letzten Tage: Er sah seinem Gegenüber direkt ins Gesicht, in die Augen, fing seinen Blick ein. Als der Schwarzhaarige, etwas überrumpelt, ihm seine Aufmerksamkeit schenkte, schüttelte der Blondschopf sacht, aber bestimmt den Kopf, ließ ihn dabei nicht aus den Augen. In dieser knappen Geste lag etwas Warnendes und der andere verstand die Botschaft. Noch einen Moment konnte Fye beobachten, wie er mit sich rang, dann wurde sein Gesichtsausdruck wieder weicher und eine große, gebräunte Hand legte sich sanft auf den schwarzen Hinterkopf des kleinen Mädchens, bedeckte ihn fast vollständig und fuhr sanft darüber. Hatte Fye nicht gerade etwas Rötliches auf der Hand bemerkt? Doch jetzt war sie schon wieder weg, Richtung Ohr gewandert, wo sie hinter der schwarzen Mähne verschwunden war. Was war da wohl? „Es tut mir Leid, Kleines. Ich habe schon wieder überreagiert und dich einfach angeschrieen. Glaub mir, es ist besser für dich, wenn du deine Angst überwindest. Irgendwann wirst du das verstehen. Aber ich verspreche dir, dass ich dich nicht mehr so sehr drängen werde, wenn wir in Zukunft mit dem Hund spazieren gehen, okay?“ Er seufzte. „Ich mute dir immer zu viel zu. Ich weiß, ich bin ein schlechter Vater...“ „Nein, bist du nicht“, kam jetzt endlich eine leise, wenn auch immer noch zögerliche Reaktion von dem kleinen Mädchen. Schüchtern drehte sie ihr Gesicht ein wenig, sodass sie ihrem Papa wieder in die Augen blicken konnte. „Du bist kein schlechter Papa. Ich hab dich sehr lieb! Aber...aber ich hab solche Angst vor dem Hund. Ich kann nicht...!“ Ihre Stimme erstickte wieder. Diesmal war es Kurogane, der sie mit einem leisen „Shhhhhh“ tröstete und in seine Arme zog, wobei Tomoyo bereitwillig den bisher so fest umklammerten Oberkörper ihres Kindergärtners losließ und sie stattdessen um den Oberkörper ihres Vaters schlang, sich fest an ihn kuschelte. „Ich hab verstanden. Das ist viel schwerer für dich, als ich dachte. Ich zwing dich nicht mehr, in der Nähe von diesem Hund zu bleiben. Aber wir gehen trotzdem immer mal mit ihm raus, okay?“, schlug Kurogane nun seinerseits einen Kompromiss für seine Tochter vor. Einen Moment lang schwieg sie, schien zu überlegen, ob sie annehmen oder ablehnen sollte, doch letztlich gab sie nach und nickte schwach gegen die Brust ihres Vaters. „Danke, Kleines. Du bist ja doch ganz schön mutig“, flüsterte er mit einem leichten Lächeln. Als Kurogane seine Tochter sanft streichelte, fiel Fye auf, dass er dabei nur seine rechte Hand benutzte, seine linke verharrte verdächtig ruhig am selben Fleck. Misstrauisch beäugte der Blonde das genauer. War die Hand nicht ein wenig geschwollen? Und zwischen Daumen und Zeigefinger konnte er an der Innenseite eine leichte Rötung erkennen. „Was ist denn mit deiner Hand, Kuro-chii?“, fragte er betont beiläufig. „Nichts, wieso?“, war die ebenso betont beiläufige Antwort, doch im gleichen Moment verschwand besagte Hand schnell hinter Tomoyos schwarzen Haaren. Ohne auf dieses Spiel einzugehen, griff Fye entschlossen nach dem Handgelenk und zog die Hand wieder aus dem Haar heraus, drehte sie zu sich, sodass er die Handfläche sehen konnte. Und hätte sie vor Schreck beinah wieder losgelassen. Das Stückchen Röte, was er an der Seite gerade eben noch gesehen hatte, war nur ein Vorgeschmack dessen, was sich über die halbe Handfläche ausstreckte. Eine puterrote, geschwollene Rötung mit einer ziemlich großen punktförmigen Wunde auf Höhe des Daumens, die eine ziemlich ungesunde bläulich-gelblich-rote Färbung angenommen hatte, blickte ihm entgegen. „Meine Güte...“, hauchte Fye fassungslos und Kurogane nutzte den Moment seines Schocks, um die Hand aus dem gelockerten Griff augenblicklich zurückzuziehen. Doch natürlich war der Aufruhr auch der kleinen Tomoyo nicht entgangen und sie wollte nun genauso rigoros wissen, was ihr Vater da versteckte. „Papa, was hast du denn gemacht?“, fragte sie verängstigt, während sie versuchte, mit ganzem Körpereinsatz den an Rücken gepressten Arm hervorzuziehen. Fyes Schockmoment währte nicht lange, sodass er der Schwarzhaarigen sofort zu Hilfe eilte und sein unfreiwilliger Patient schließlich entnervt nachgab, als er aufgrund des ganzen Gezerres schließlich das Gleichgewicht zu verlieren drohte. Als er den Blick auf die Handfläche geschlagen wieder freigab, zog auch Tomoyo scharf die Luft ein und trat vor Schreck einen Schritt zurück. „Papa“, hauchte sie fassungslos, „das sieht furchtbar aus! Du musst ganz schnell zum Arzt!“ „Nix da! Diese Quacksalber können mich mal!“, kam die patzige Antwort. Glücklicherweise war Tomoyo noch viel zu verängstigt, um den gereizten Tonfall wahrzunehmen, bemerkte Fye beruhigt. Sie sollten nicht schon wieder streiten. Doch Tomo-chan hatte schon Recht. Die Wunde sah wirklich schlimm aus. Und sie schien noch frisch zu sein. „Wie ist das passiert?“, wollte er daher wissen. „Ist doch unwichtig“, wich der Schwarzhaarige aus. Doch Fye war nicht dumm. Er sagte nur normalerweise nicht alles, was er wusste. In diesem Fall lag es eigentlich klar auf der Hand. Es sah aus, als hätte er sich etwas Großes, Spitzes mitten durch die Handfläche gerammt, wie bei einem Handwerksunfall. Da Kuroganes Erscheinung jedoch immer makellos war, ging er nicht davon aus, dass sein Job irgendetwas mit dem Bauhandwerk zu tun hatte. Er war gepflegt, roch immer gut... Jedenfalls musste es außerhalb seiner Arbeit passiert sein. Und wo hatte er in letzter Zeit herumgezimmert? Bei ihm, im Kindergarten. Gestern erst. Mit stapelweise Holzbrettern, die teilweise ganz schön rau gewesen waren. „Du hast dich verletzt, als du gestern das Regal für uns zusammengebaut hast“, fasste er seine Gedanken schließlich in Worte. „Wirklich?“, japste Tomoyo sogleich erschrocken. „Und wir haben es gar nicht mitbekommen...!“ „Natürlich nicht! Wegen so einer Lappalie fange ich ja auch nicht an zu jammern!“ „Trotzdem könnte diese...Lappalie, wie du sie so schön nennst, bald ein ernstes Problem sein. Sieht aus, als wäre es schon ein bisschen entzündet. Du hast es bestimmt nicht desinfiziert, was?“, hakte Fye nach. „Übertreib es nicht! Das geht auch so weg.“ „Von wegen! Das sieht doch ein Blinder, dass da was gemacht werden muss!“ Ohne weitere Widerworte zu dulden, zog Fye den Verletzten am Handgelenk mit nach drinnen. „Kannst du meinem Papa helfen, Nii-chan?“, fragte Tomoyo mit tellergroßen Augen. Sie sah aus, als sähe sie in ihm die letzte Hoffnung. Der Blondschopf lächelte die Kleine aufmunternd an. „Na klar. Alles halb so wild!“ Damit war sie beruhigt und huschte nun schnell auf die andere Seite der beiden Erwachsenen, wo sie die noch freie Hand ihres Vaters zu fassen bekam. Dieser schenkte seinem niedlichen Töchterchen eines dieser warmen Lächeln, die Fye an ihm so mochte, und so drehte er sich schnell weg von dem friedlichen Bild, damit Kurogane das verschmitzte Lächeln nicht bemerkte, das sich auf sein Gesicht gestohlen hatte. Im nächsten Moment stand die kleine Gruppe auch schon vor den Erste-Hilfe-Schränken, einer Reihe Hängeschränke in der Küche, an die die kleinen Kinder nicht herankamen. Nachdem Fye seinen Patienten auf einen Stuhl gedrückt hatte, suchte er Desinfektionsmittel, Wattepads, ein Stück Binde und Pflasterstreifen heraus, stellte dann alles auf dem Küchentisch ab. Tomoyo hatte sich keinen Zentimeter von ihrem Vater wegbewegt und wartete nun neugierig darauf zu sehen, was Fye tun würde. Dieser öffnete zuerst etwas umständlich, weil sein rechter Arm immer noch in einer Schlinge ruhte, die Flasche mit dem Desinfektionsmittel und gab dann genauso umständlich etwas davon auf eins der Pads. „Achtung, das ziept jetzt etwas“, warnte er den Schwarzhaarigen vor, bevor er sich der Wunde näherte. „Sehe ich aus wie einer der Hosenscheißer?“, kam die wie immer leicht bissige Antwort. Fye überging die Antwort mit einem sanften Lächeln und begann, die Wunde sauber zu tupfen. Und tatsächlich verzog der große Mann nicht eine Miene, wie er aus dem Augenwinkel beobachten konnte. Anschließend schnitt er ein Stück von der Binde ab und faltete es ein wenig zusammen, bis es nur noch knapp zwei mal zwei Zentimeter breit war, und versuchte sich dann daran, den Klebestreifen zu lösen. Da er hieran mit seiner einen Hand jedoch vollständig scheiterte, erbarmte Kurogane sich schließlich mit einem entnervten Stöhnen, nahm ihm die Rolle aus der Hand und zog ein Stück Streifen ab. „Wie lang?“, kam es knapp. „Ein kleines Stück noch. – Ja, so ist’s prima!“ Und im nächsten Moment wurde das Stück an der entsprechenden Länge mit der Schere durchtrennt. Dann platzierte Fye das Stück Binde in der Mitte des Klebfeldes und befestigte sein selbstgebautes Pflaster auf der Wunde an Kuroganes linker Hand. Anstatt nun aber ein Stück zurückzutreten, um den anderen Mann aufstehen zu lassen, verharrte er noch etwas in dieser Position, ließ seine Fingerspitzen sanft auf der großen Handfläche ruhen. Als Kurogane in einiger Verwirrung fragend den Blick hob, begegnete Fye ihm bereits mit einem seiner antrainierten Lächeln und antwortete auf die stumme Frage: „Lass es bitte noch ein wenig dran, okay? Die Verletzung ist noch frisch und kann sich leicht öffnen und dann kommt nur neuer Dreck rein. So heilt es schneller.“ „Ja, ja, schon gut“, antwortete der Größere etwas entnervt. Beide zogen gleichzeitig ihre Hände weg. Fye trat noch einige Schritte zurück, damit Kurogane problemlos aufstehen konnte. Der große Mann wandte sich nun ohne Umschweife wieder seiner Tochter zu. „Wird Zeit, dass ich mich wieder losmache, Kleines.“ Sie nickte. „Ich weiß.“ Dann tappste sie flink auf ihn zu und umarmte ihn erneut. Inzwischen war Kurogane sichtlich daran gewöhnt, erwartete es sogar, denn noch bevor das kleine Mädchen ihn erreicht hatte, hatte er seine Arme schon ausgestreckt und war in die Hocke gegangen, um mit ihr auf einer Höhe sein zu können. Sanft drückte er sie an sich und fuhr ihr noch einmal durchs Haar. „Dann mach dir noch einen schönen Tag, okay? Ich hol dich heute ein wenig früher ab.“ Für einen Moment schien Tomoyo schwer zu schlucken, doch dann fand sie ihre Stimme wieder und antwortete. „Okay. Aber ich muss den Hund nicht anfassen, oder?“ „Nein, musst du nicht.“ „Danke, Papa.“ Dann lösten sie sich voneinander und der Große trat den Rückweg an, während sein kleines Töchterchen an Fyes Seite zurückblieb. Der Tag verlief angenehm ruhig. Vor dem Mittagschlaf hatte Fye seinen Schützlingen die Geschichte von Robin Hood vorgelesen, die sich Ryu mit Feuereifer gewünscht hatte, und nach dem Schlafen durften die Kinder sich draußen beschäftigen, wobei die Jungen sogleich die Klettergerüste gestürmt hatten, während die Mädchen sich um Mokona kümmern wollten. Inzwischen waren alle wieder drinnen und Fye erklärte den Kindern gerade, dass ein Spielzeugregal nicht nur dazu da war, alles Spielzeug herauszuholen, sondern es anschließend auch wieder hineinzulegen. Ryu wollte das allerdings so gar nicht einsehen. „Aber wir spielen doch immer damit! Warum müssen wir uns dann so viel Arbeit machen, um es wegzuräumen?“ „Weil sonst jemand drüberfallen und sich weh tun kann“, erklärte Fye geduldig. „Nimm Tomo-chan zum Beispiel.“ „Warum ich? Ich kann schon laufen!“, fragte die Kleine empört dazwischen. „Ich weiß“, antwortete Fye und wuschelte ihr grinsend durchs Haar, sodass sie anfing zu kichern und sich unter der Hand wegduckte, die zerzausten Strähnen wieder aus dem Gesicht sammelnd. Der Kindergärtner wollte ja eigentlich auch auf etwas anderes hinaus. „Es könnte ja auch Yuzu-chan oder Arashi-chan drüberstolpern-“ „Wenn meiner holden Maid deiner Unachtsamkeit wegen ein Leid geschieht, Ryu-kun, dann wird mein Zorn dich treffen!“, unterbrach nun Sorata die Erklärungen seines Kindergärtners und plusterte sich vor dem etwas größeren Braunhaarigen auf. Dieser nahm die Herausforderung ohne Umschweife an und postierte sich genauso stolz vor Sorata. „Wenn Arashi-chan nicht gucken kann, ist das nicht meine Schuld!“, verteidigte er sich. Schnell ging Fye dazwischen und schob die beiden sanft auseinander, bevor aus dem kleinen Geplänkel ein richtiger Streit entstehen konnte. „Jungs, das war doch nur ein Beispiel!“, lachte er. „Kein Grund, gleich den Teufel an die Wand zu malen. Jedenfalls – falls also Tomo-chan über dein Spielzeug fallen sollte, Ryu-kun, weil du es nicht weggeräumt hast, was meinst du denn, wie ihr Vater das finden wird?“ Endlich war er an dem Punkt angekommen, auf den er ursprünglich hinaus gewollt hatte! Denn auch wenn der kleine Kämpfer es niemals zugeben würde, inzwischen hatte er doch Respekt vor dem hochgewachsenen Mann mit dem mürrischen Blick. „Tze“, machte Ryu dennoch mit einer abwertenden Geste. „Mir doch egal.“ Damit drehte er sich demonstrativ weg und verschränkte die Arme vor der Brust. Doch Fye hatte noch ein weiteres Argument in petto. „Und wenn Tomo-chan deinetwegen anfängt zu weinen, weil sie sich verletzt hat? Ist dir das auch egal?“ Diesmal zögerte der Braunhaarige. Fye wusste, dass er ihren neuesten Kindergarten-Zuwachs ziemlich gern hatte, auch wenn er das niemals offen zugeben würde. Trotzdem, allein der kurze, verstohlene Blick des Kleinen zu dem schwarzhaarigen Mädchen hinüber zeigte ihm, dass er Recht hatte. Ryu traute sich nicht, in ihrer Gegenwart so offen etwas Schlechtes gegen sie zu sagen, weil er wusste, dass er sie damit verletzen würde. Stattdessen versuchte es nun mit einer ausweichenden Gegenfrage. „Aber Tomo-chan fällt nicht über die Spielsachen, das hat sie selbst gesagt! Stimmt’s, Tomo-chan?“ Zur Bestätigung nickte die Angesprochene eifrig. Fye seufzte und schüttelte vergnügt den Kopf. Der Kleine war ein Querkopf durch und durch. Und dennoch so niedlich in allem, was er tat. „Es fällt natürlich niemand mit Absicht über das Spielzeug“, räumte Fye ein. „Doch passieren kann es früher oder später jedem einmal. Und du, Ryu-kun, bist doch der Älteste in unserer Gruppe. Das heißt, du hast eine besonders wichtige Verantwortung.“ „... Und die wäre?“, fragte er zögerlich zurück. Fye lächelte ihn stolz an. Der Junge klebte förmlich an seinen Lippen. Endlich hatte er angebissen. Wenn es etwas gab, das seiner Sturheit Konkurrenz machen konnte, dann war es sein Beschützerinstinkt den Jüngeren gegenüber. Ryus Vater war Polizist und der Kleine vergötterte ihn dafür, in seinen Augen gab es nichts Größeres, als in den Kampf zu ziehen und die Welt vor fiesen Bösewichten zu retten. Er tat wirklich alles, um diesem Traum Stück für Stück näher zu kommen und irgendwann in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, den diese Einstellung seines Sohnes unheimlich stolz machte. „Du musst ein bisschen aufpassen, dass den anderen nichts passiert. Zumindest nicht deinetwegen. Und wenn wirklich mal jemand über dein Spielzeug stolpert...“ Fye ließ den Satz offen, zog ein mehr als wehleidiges Gesicht und sah den kleinen Kämpfer flehend an. Dieser schluckte schwer und wusste auf die starke Melodramatik keine passende Widerrede. Die Argumente zeigten endlich Wirkung. Schließlich seufzte der kleine Zauskopf und sah betreten zur Seite. „Na schön...“ Das Gesicht des Blonden hellte sich schlagartig auf und strahlte, als wollte es der Sonne Konkurrenz machen. Stolz legte er dem Kleinen die linke Hand auf eine Schulter. „Das ist klasse, Ryu-kun! Ich wusste, du würdest das verstehen. Du bist ja schließlich schon ein großer Junge.“ Der Kleine grinste bei diesem Lob über das ganze Gesicht und machte sich nun endlich daran, auch sein Spielzeug ins Regal zurückzuräumen. „Das ist unfair! Wir haben viel besser auf dich gehört als Ryu-kun, Nii-chan, aber uns lobst du nicht so“, beschwerte sich Kamui. Sein Gesicht zeigte deutlich, dass er mit Ryus Bevorzugung nicht einverstanden war. Auch ihm schenkte Fye ein warmes Lächeln und strich ihm sanft durchs Haar. „Ich bin auf euch alle sehr stolz. Jederzeit. Denn ihr seid alle ganz wunderbare Kinder. Wie wäre es, wenn ich euch deshalb...ein Eis spendiere?“ Auf diese Frage folgte ein ohrenbetäubender Jubel, gemischt mit euphorisch gerufenem „Ja, ja!“, das von allen Seiten zu kommen schien. Genau wie die Kinder, die jetzt auf ihn zurannten, um ihm stürmisch um den Hals zu fallen. „Woha! V-vorsicht, mein Arm!“, lachte der Blonde, bemüht, das Gleichgewicht nicht zu verlieren, während er versuchte, die Umarmungen der Kinder zu erwidern und gleichzeitig seinen rechten Arm halbwegs zu schützen. Ganz so sehr wie vor zwei Tagen schmerzte es zum Glück schon nicht mehr. Über das Geschrei hinweg wandte Fye sich an Sakura, die die Szene mit einem versteckten Kichern beobachtete. Als sie seinen Blick bemerkte, bat er sie, eine Packung Eis aus der Kaufhalle zu holen, und das Mädchen kam der Aufforderung sofort nach. Fünfzehn Minuten später – Sakura hatte sich mit ihrem Fahrrad auf den Weg gemacht – war sie mit zwei Packungen Vanille-Erdbeer-Schokoeis wieder da und jedes Kind bekam von ihr ein paar Löffel von seinem Lieblingseis in ein Schälchen. Als kurz darauf alle begeistert am Essen waren, fiel Fye auf, dass ein einziges Kind diese Begeisterung nicht so recht zu teilen schien. Still und lustlos kratzte Tomoyo ein wenig an dem bereits angeschmolzenen Erdbeereis herum und führte kaum einen Löffel an den Mund. „Was hast du denn, Tomo-chan?“, fragte der Kindergärtner besorgt, als er hinter ihrem Stuhl angekommen war und ihr Trost spendend seine Hand auf die Schulter legte. „Es ist schon Nachmittag...“, gab die Kleine flüsternd zur Antwort. Fye verstand, wo ihr Problem lag. Sein Blick huschte kurz zur großen Uhr über der Tür, die ihm anzeigte, dass es bereits halb vier durch war. Es würde nicht mehr lange dauern, bis ihr Papa sie abholen würde, was an sich kein Grund zum Trübsal blasen war, aber er wusste ja, was die beiden danach noch vorhatten und wie viel Angst Tomoyo davor hatte. Die Kleine tat ihm unheimlich Leid. Selbst wenn ihr Vater sich zusammenreißen und nicht aus der Haut fahren sollte, war es dennoch eine enorme Herausforderung an ein gerade mal vier Jahre altes Mädchen. Aber vielleicht...vielleicht konnte er ja helfen. „Hm...was hältst du davon, wenn ich euch heute Abend beim Spazierengehen begleite?“ „Aber Nii-chan!“, fuhr die Kleine erschrocken herum. „Das ist doch gefährlich!“ „Ach was! Es ist doch nur ein kleiner Hund, wenn ich deinen Papa richtig verstanden habe. Der kann uns nix tun. Und außerdem haben wir doch deinen starken Papa dabei, der uns beschützt, wenn der Hund tatsächlich etwas Böses machen sollte.“ Tomoyo schwieg nachdenklich. „Dein Papa hat es dir doch versprochen, dass er dich beschützt, stimmt’s?“, hakte Fye nach. Tomoyo nickte zögerlich. „Na siehst du! Kein Grund zur Sorge! Und wenn ich auch dabei bin, dann sind wir schon zu dritt! Was soll dann noch schief gehen? Bei einem einzigen kleinen Hündchen?“, witzelte er lachend daher. Seine Unbeschwertheit wirkte in diesem Moment so echt, so natürlich, dass sie selbst Tomoyos Ängste ein wenig beiseite schieben konnte. Ein wenig zuversichtlicher lächelte sie und nickte dankbar. „Ja, wenn du auch dabei bist, muss ich nicht mehr so viel Angst haben. Papa und du, ihr seid beide stark und beschützt mich, stimmt’s?“ „Ganz genau!“, pflichtete Fye ihr bei, hundertprozentig von seinen Worten überzeugt. Irgendwie wollte das breite Grinsen gar nicht mehr aus seinem Gesicht verschwinden. Er war gespannt, wie der Grummelpapa sich bei seiner Aufgabe mit dem Hund anstellte. Wie er dabei mit seiner Tochter umging. Und...ja. Und einfach so. Er wusste nicht genau, worauf er sich noch freute, aber irgendein Grund war da noch, auch wenn er ihn nicht richtig fassen konnte. Es war einfach so ein Gefühl, dass das ein netter Abend werden würde. Auch wenn er sich dafür draußen zeigen musste. Seltsamerweise machte ihm der Gedanke diesmal gar keine Angst. Ob es daran lag, dass der Schwarzhaarige bei ihm sein würde? Er strahlte immer so eine unbezwingbare Kraft aus, die selbst der schlimmste Sturm nicht brechen konnte. Ja, bei Kurogane hatte er einfach das Gefühl, sicher zu sein. Der Erste, der an diesem Nachmittag abgeholt wurde, war Sorata. Seine Mutter kam schon kurz nach dem Eisessen. Etwas später kam auch Yuzurihas Mutter, die von ihrer Tochter wie immer sehnsüchtig erwartet wurde. Yuzu-chan hatte auch einen Hund, fiel Fye dabei auf. Einen ziemlich großen sogar. Inuki hieß er. Wahrscheinlich würden sie ihn gleich von zu Hause abholen und auch erst einmal eine Runde spazieren gehen. Fye lächelte bei dem Gedanken. Dasselbe hatte er heute auch noch vor. Kurz vor vier Uhr stand dann schon Kurogane vor der Tür und wurde überschwänglich von seiner Tochter begrüßt. An der nach oben gehenden Augenbraue konnte der Kindergärtner erkennen, dass dieser nicht mit einer so überschwänglichen Reaktion gerechnet hatte. Doch er wurde auch nicht lange im Unklaren gelassen, denn Tomoyo sprudelte den Grund ihrer Freude sofort heraus. „Weißt du was, Papi? Nii-chan möchte uns beim Spazierengehen heute begleiten!“ Aufgeregt hüpfte sie vor ihrem Vater auf und ab, ließ seine große Hand dabei nicht los. Im Gesicht des Schwarzhaarigen zeigte sich das ganze Gegenteil von Tomoyos Reaktion. Er sah aus, als wäre er gerade einem schlechten Scherz zum Opfer gefallen. Hinter vorgehaltener Hand grinsend trat Fye auf den großen Mann zu. „Ich sehe, du bist begeistert von meiner grandiosen Idee, Kuro-pon“, neckte er den anderen. „So begeistert wie von einem Kopfschuss.“ „Na, na, Kuro-mu, nicht so gefährliche Vergleiche! Es sind Kinder anwesend!“, ermahnte er ihn mit gespielt empörten Tonfall. „Und was bringt euch auf die irrwitzige Idee, dass ich dem auch nur im Entferntesten zustimmen könnte?“, fragte der Schwarzhaarige kritisch, seine Tochter sanft in den Armen haltend, bereit loszustürmen, falls es erforderlich werden sollte. „Ganz einfach!“ Stolz baute Fye sich vor dem vor ihm hockenden Mann auf, um ihm seine narrensichere Erklärung zu liefern. „Tomo-chan hat Angst vor Hunden. Weswegen, das wissen wir ja beide. Und ich war dabei, als sie dieses schlimme Erlebnis hatte, und habe davon sogar noch mehr Schaden genommen als sie. Wer könnte ihr also am ehesten deutlich machen, dass sie nicht vor allen Hunden Angst zu haben braucht, na?“, flötete er mit einem gewinnenden Augenaufschlag. Kurogane sah jedoch wie immer eher abgeschreckt als angetan von dem flapsigen Verhalten aus und so setzte Fye eine Spur ernsthafter nach: „Ich denke, in der Sache wird sie mir eher Glauben schenken können als dir, weil sie denkt, dass es mir so ähnlich gehen muss wie ihr. Wenn ich ihr nun das Gegenteil beweisen kann, könnten wir viel schneller ans Ziel kommen, als wenn du alles allein bewältigen müsstest.“ Der Schwarzhaarige sah nach wie vor nicht begeistert aus. Ein Hauch von Resignation lag in seinen Augen, als er den Kindergärtner abschätzend musterte. Er wusste, dass das ein ganz gewaltiger Punkt war, der für Fyes Vorhaben sprach. Dennoch kam keine Reaktion. Irgendwo in seinem Innern schmerzte etwas, als er realisierte, wie viel Überwindung den hochgewachsenen Mann diese Kleinigkeit zu kosten schien. Doch Fye wäre nicht Fye, wenn er diese Veränderung seiner Stimmung auch nur für einen Bruchteil nach außen gelassen hätte. Schließlich war es Tomoyo, die mit einem leisen, flehenden „Bitte, Papa...“ die Entscheidung herbeiführte. Die ausdruckslosen, roten Augen ließen nun von ihm ab und wanderten zu dem kleinen Mädchen in seinen Armen, musterten es besorgt. Der Schwarzhaarige stieß einen kleinen Seufzer aus und nickte resigniert. „Vielleicht wäre es wirklich das Beste...“, nuschelte er mehr zu sich selbst. Die kleinen Ärmchen schlossen sich noch ein Stück enger um den großen Oberkörper und ein erleichtertes „Danke, Papa“ war zu hören. Kurzentschlossen nahm der große Mann sein Töchterchen auf die Arme und stand dann wieder auf, blickte sich kritisch im Raum um. „Und wie lange soll ich dann bitteschön noch warten, bis du hier fertig bist?“ Fye sah noch einmal auf die Uhr. Es war kurz nach vier. Um die Zeit wurden die meisten Kinder von ihren Eltern abgeholt und tatsächlich dauere es auch nur noch Minuten, bis auch Kamui und Subaru von ihrem Vater abgeholt wurden. Inzwischen hatten Sakura und Fye begonnen, in Küche und Bad den Boden zu wischen, während Arashi und Tomoyo die letzten Spielsachen an ihre Plätze zurückstellten und die Schälchen vom Eisessen abtrockneten. Als Arashis Mutter eine viertel Stunde später kam, war bereits alles fertig, Sakura verabschiedete sich und wünschte einen schönen Abend und Fye fuhr zusammen mit Kurogane und Tomoyo zum Tierheim. „Ach, der ist ja goldig!“, frohlockte der Blondschopf, als er den Hund das erste Mal sah. „Richtig putzig! Findest du nicht auch, Tomo-chan?“ „Nein!“, war die patzige Antwort, während sie sich zerknirscht hinter die Beine ihres Kindergärtners schlich, als ihr Vater mit dem schwarzen Mischling an der Leine aus der Anlage kam. Der Schwarzhaarige verdrehte bei der Reaktion seiner Tochter gleich die Augen. Lachend wuschelte Fye dem kleinen Mädchen mit seiner linken Hand durchs Haar. „Du wirst ihn noch lieben lernen, glaub mir! So einem niedlichen Fratz widersteht keiner lange.“ Ein Murren war die Antwort, bevor Tomoyo sich unter der Hand wegduckte und noch ein paar Schritte zurückwich. Fye sah zurück zu Kurogane, der das Verhalten seiner Tochter mit besorgtem Gesicht verfolgte. Als der Schwarzhaarige kurz zu ihm aufsah, schenkte er ihm ein aufmunterndes Nicken, dann machten sie sich schweigend auf den Weg. Eine ganze Weile passierte gar nichts, kein Geräusch durchbrach das monotone Rascheln der Schritte. Kurogane hielt die Leine, der Hund tippelte rechts von ihm über die Wiese, soweit es seine Einschränkung zuließ, Fye schlenderte links neben ihm her und Tomoyo schlich ihnen mit einigem Abstand hinterher. Mit regelmäßigen Seitenblicken versuchte der Blondschopf zu ergründen, was in seinem Begleiter vorgehen mochte, doch dieser zeigte unentwegt denselben verbissenen Gesichtsausdruck. Na wenigstens verlor er nicht die Nerven und zwang seine Tochter zu Dingen, für die sie noch nicht bereit war. Das war schon mal gut. Gedankenverloren huschten seine Augen weiter über den anderen Mann. Ja, er sah wirklich stets gepflegt aus. Frisch gewaschene, samtig glänzende Haare, makelloses schwarzes T-Shirt, makellose schwarze Hose. Wie immer halt, aber immer ordentlich. Zwischendurch bekam Fye mit, wie Kurogane seine linke Hand hob und umdrehte, um an der schweren, silbernen Uhr die Zeit abzulesen. Irgendwie trug er die Uhr immer falsch herum am Handgelenk. Dabei fiel ihm jedoch etwas auf, was ihm ein leichtes Lächeln aufs Gesicht zauberte: Das Pflaster, welches er heute morgen auf die Wunde von Kuroganes kleinem Arbeitsunfall geklebt hatte, war noch immer an Ort und Stelle. Er hatte nicht vor, etwas dazu zu sagen, denn so, wie er den schwarzhaarigen Grummel kannte, würde dieser dann schon aus reinem Trotz das Pflaster abnehmen. Doch der Blick war ihm wohl nicht entgangen, denn eine Antwort auf die stumme Frage folgte dennoch. „Meinst du, ich hab Lust, mir deine Litanei anhören zu dürfen, wenn du mitkriegst, dass ich das dämliche Pflaster abgemacht habe?“ Hilfe, war Kuro-pon mal wieder aufmerksam! Da wollte Fye lieber nicht wissen, wie viele von den verstohlenen Seitenblicken er bemerkt hatte. Um möglichst effektiv vom Thema abzulenken, begann er, vergnügt vornweg zu tänzeln und blieb schließlich in der Nähe des Hundes stehen. „Wie hieß er doch gleich? Hataki?“ Kurogane nickte säuerlich beim Klang dieses Namens. „Okay, dann komm doch mal her, Hataki!“, rief er dem kleinen Mischling über den letzten Meter zu, während er an Ort und Stelle in die Hocke ging. Ein schockiertes Aufkeuchen war zu hören, als Tomoyo fix zu ihrem Papa tappste und sich an dessen Beine klammerte. „Nicht, Nii-chan...!“, flehte sie atemlos. „Keine Sorge. Er ist wirklich ganz lieb, Tomo-chan“, versuchter, sie mit sanfter Stimme zu beruhigen. Dann wandte er sich wieder an den kleinen Hund, der ihn interessiert musterte. „Na komm schon her, Kleiner“, wiederholte er sanft und streckte einladend seine linke Hand aus. Zuerst schnupperte der Kleine vorsichtig, dann trat er einen Schritt näher, sodass Fye ihn hinter dem Ohr kraulen konnte. Hataki schien es zu gefallen, denn er reckte sich freudig der Hand entgegen und wedelte leicht mit dem Schwanz. Als der Arm wieder weggezogen wurde, lief er freudig an den Blonden heran, hoffte offensichtlich auf mehr Liebkosungen. Anstatt ihn aber erneut zu kraulen, schob Fye seinen linken Arm nun vorsichtig unter den Körper des Tieres und nahm ihn hoch, stützte ihn ein wenig mit der rechten Hand ab, ohne diese dabei zu belasten. Als der Hund sicher in seinem Arm ruhte, sah er mit einem sanften Lächeln zurück zu Vater und Tochter. Der große Mann musterte ihn mit einiger Erwartung, während die Kleine ihn noch immer mit vor Schreck geweiteten Augen anstarrte. „Siehst du, wie lieb er ist? Er tut mir gar nix“, versuchte es Fye aufmunternd. „Magst du ihn nicht auch mal streicheln? Sein Fell ist ganz weich. Wie das von Moko-chan.“ Hilfe suchend blickte Tomoyo zu ihrem Vater empor, der sich auch sogleich zu ihr umdrehte und beruhigend seinen Arm um sie legte. „Was meinst du? Möchtest du nicht mal zu ihm rüber gehen? Ich komme auch mit, wenn du möchtest.“ Noch immer klammerten sich die kleinen Händchen verzweifelt in Kuroganes Hose, doch nach einigen Blickwechseln zwischen Fye, dem Hund und Kurogane brachte sie schließlich ein stockendes Nicken zustande. Kurogane nahm sie an der Hand, damit er seine Beine wieder zum Laufen benutzen konnte, und wartete noch einen Moment, bis seine Tochter von allein die ersten, zögerlichen Schritte tat. Am Rand der Wiese blieb sie wieder stehen, sah erneut zu ihrem Kindergärtner, der ihr aufmunternd zulächelte, und dann zu ihrem Vater, der sie keine Sekunde aus den Augen ließ, nicht von ihrer Stelle wich. Noch ein paar Schritte. Langsamer, zögerlicher. Nur noch zwei Meter bis zu Fye und Hataki. Weitere Schritte. Schritt. Schritt. Schritt. Noch ein Meter. Schritt... Schritt... Wenn sie sich nun weit genug streckte, könnte sie den Hund wirklich berühren. Unsicher blieb sie stehen, sah wieder in das Gesicht des Blondschopfs, der sie freudig anstrahlte. „Das hast du toll gemacht, Tomo-chan! Du bist wirklich mutig, ich bin ganz stolz auf dich“, schwärmte er und fing dann an, den Hund in seinen Armen etwas am Hals zu kraulen. Ein weiterer unsicherer Blick zu ihrem Vater, der sie liebevoll anlächelte und aufmunternd die kleine Hand drückte, die er unentwegt festhielt. Zitternd hob die Kleine ihre rechte Hand an, streckte sie ein wenig nach dem Hund aus, der seinen Kopf in freudiger Erwartung in Richtung der sich nähernden Finger drehte. Tomoyo schreckte vor dieser Geste jedoch sofort zurück und klammerte sich gleich wieder Schutz suchend an die Beine ihres Vaters, der sie zur Beruhigung sanft streichelte. Fye lachte amüsiert auf, kam dem Hund mit seinem Gesicht dabei etwas näher und der Kleine nahm die Gelegenheit beim Schopfe und leckte dem Blonden einmal kräftig übers Kinn, worauf das Lachen nur noch lauter, fröhlicher wurde, während die rechte Hand vorsichtig ihre Streicheleinheiten wieder aufnahm. In Tomoyos Augen mischten sich Verwirrung und Erstaunen unter die Angst, als sie das beobachtete. All ihren Mut zusammennehmend, trat sie erneut einen Schritt vor, streckte die rechte Hand zögerlich noch einmal aus und wartete. Wieder drehte Hataki seinen Kopf in ihre Richtung, doch diesmal hatte sie schon damit gerechnet, sodass die Finger nur ein kleines Stück zurückwichen, unsicher in der Luft stehen blieben, sich dann aber langsam, ganz langsam wieder nach vorn bewegten. Keine noch so kleine Bewegung des Tieres entging dem Mädchen, sie wäre jederzeit bereit, wieder davon zu laufen. Doch der Hund tat nicht mehr, als ihr neugierig mit dem Blick zu folgen, als die Hand langsam über seinen Kopf schwebte. Dann, für einen winzig kleinen Moment, berührten die Fingerspitzen sacht das dunkle Fell am Kopf des Tieres, bevor das Mädchen nur einen Augenaufschlag später schon wieder hinter den Beinen ihres Vaters Schutz gesucht hatte. Fye strahlte über das ganze Gesicht. „Tomo-chan, du bist die Größte! Das war soooooo mutig von dir, ich bin absolut begeistert!“ „Aber du bist doch viel mutiger, Nii-chan“, antwortete sie ein wenig verlegen. „Aber als ich so klein war wie du, hätte ich mich das sicher nieeeeee getraut!“ „Du hattest ja auch keine Angst vor Hunden“, konterte sie. „Ja, aber WENN ich welche gehabt hätte, dann hätte ich es mich sicher nicht getraut. Wirklich, ich bin unheimlich stolz auf dich, meine Kleine.“ „Gleichfalls“, klinkte Kurogane sich in das Gespräch ein. „Nach dem, wie es gestern gelaufen ist, hätte ich nicht gedacht, dass du dich dem Hund jemals auch nur nähern würdest. Du hast mich schwer beeindruckt, Kleines. Dafür hast du eine Belohnung verdient.“ Stolz wie Oskar strahlte er seine Tochter an, nahm den Kindergärtner in diesem Moment gar nicht wahr, wie dieser beruhigt registrierte. So konnte er die traute Zweisamkeit der beiden ein wenig beobachten. „Wirklich?!“, jubelte Tomoyo aufgeregt. „Was denn für eine Belohnung?“ „Du darfst dir nachher was aussuchen.“ „Au jaaaaaaa!“ Stürmisch knuddelte die Kleine ihren Vater bzw. dessen Beine ab, wovon dieser nur noch breiter grinsen musste. Als er aus dem Augenwinkel registrierte, wie Fye den Hund wieder absetzte und aufstand, wurde sein Gesichtsausdruck jedoch schlagartig nüchterner. Nüchterner, nicht verbissener, wie der Blondschopf erstaunt feststellte, als ihre Blicke sich wieder trafen. Nach einer Weile wandte der Schwarzhaarige seine Augen wieder ab. „Na los, machen wir uns auf den Rückweg“, schlug er vor, was von seiner Tochter natürlich begeistert angenommen wurde. Für den Rest des Weges blieb sie an seiner Seite, schlich nun nicht mehr allein hinter ihnen her. „Und, habe ich zu viel versprochen?“, fragte Fye nach einer Weile in das Schweigen hinein. Kurogane sagte eine Zeitlang nichts. Einen besseren Beweis, dass diese Idee gut gewesen war, hätte es gar nicht geben können als das Verhalten seiner Tochter von vorhin und auch jetzt noch. Sie wirkte viel gelöster als auf dem Hinweg. Schließlich nickte er betont gleichgültig. „Hätte schlimmer kommen können.“ Noch ein „Kompliment“! Der Blondschopf sah den anderen Mann freudestrahlend an. „Also komme ich beim nächsten Mal am besten wieder mit, was?“ Entsetzt fuhr das Gesicht des Schwarzhaarigen herum. Ja, ja, daran hatte dieser offensichtlich noch gar nicht gedacht. Und er hatte auch gleich den Mund aufgerissen, um entschieden zu protestieren, hielt im letzten Moment dann aber doch noch inne. Ein kurzer Seitenblick zu seiner Tochter, die wieder an dessen rechter Hand hing, folgte. Weiteres Überlegen. „... Na gut“, gab er sich schließlich geschlagen. „Lässt sich ja scheinbar nicht vermeiden...“ „Ich wusste, du bist vernünftig, Kuro-puu“, frohlockte der Blonde grinsend. Sofort wurde Kuroganes Gesichtsausdruck wieder entnervter, was Fye jedoch nicht im mindesten störte. Ein solches Zugeständnis vom misanthropen Kuro-wanko! Das war ja fast wie ein Sechser im Lotto! Ostern und Weihnachten zusammen! Aber im Grunde bestätigte es die Meinung, die er sich von dem vermeintlichen Miesepeter gebildet hatte, nur. Denn eigentlich war er ein ganz lieber Kerl, was er nur niemandem zeigen wollte. Warum bloß? Falscher Stolz? Selbstschutz? Fye wüsste zu gern, was diesem Menschen im Leben schon alles widerfahren war, dass er einen solch dicken Panzer gegen seine gesamte Außenwelt aufgebaut hatte. Wie seine Freundin wohl damit klar kam? Ihr gegenüber war er sicherlich sanfter, wenn sie allein waren. Doch auch sonst würde sie mit Kuro-rins Ecken und Kanten schon umgehen können. Die braun gebräunte Frau machte einen sehr couragierten Eindruck auf ihn. Sicher wusste sie, dass er das meiste gar nicht so meinte, wie er es sagte. Aber eigentlich sollte er darüber gar nicht so genau nachdenken, schollt Fye sich. Kuroganes Privatleben ging in schließlich nun wirklich nichts an. TBC... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)