RED...[em]otions of a sinner's heart von -Red-Karasu ================================================================================ Kapitel 2: keep the door closed ------------------------------- 2nd motion: keep the door closed       Seine dunklen Augen starrten in den von Wolken bedeckten Himmel, sein Atem entwich seinen aufgesprungenen Lippen in kleinen weißen Wolken. Für einen kleinen Moment erlaubte er es sich, das Gefühl zu genießen. Er mochte Kälte. Sie war klar und rein und lenkte ihn ab von den Dingen, die er getan hatte und noch würde tun müssen. Sie ließ ihn seine Sünden vergessen, wenn sie ihn, wie jetzt, förmlich einzuhüllen schien.   Der kiesbedeckte Weg, den ihn seine Füße nun entlang trugen, führte durch einen kleinen Park, in dem er in den letzten Jahren, seit er in diese Gegend gezogen war, viel Zeit verbracht hatte. Auch heute ging er bedächtig durch die Anlage, versuchte in mitten des Großstadtmolochs so etwas wie Ruhe zu finden. Er lief langsam, vorbei an einer kleinen Kirche, die erst vor kurzem geweiht worden war und die ihm hier immer noch wie ein Fremdkörper erschien. Denn wer baute in einer Zeit wie dieser noch Kirchen? Seine Augen wandten sich widerstrebend vom Himmel und den ihn umgebenden Bäumen ab, als er klare Stimmen hörte, die seine Stille störten. Er blieb stehen.   Sie sangen. In der Kirche. Ein Chor aus Kindern pries in diesem lächerlichen Haus ihren lächerlichen Herrn und schon nach Sekunden war an Entspannung nicht mehr zu denken; ganz im Gegenteil, nun spürte er einfach nur noch kalte Wut in sich aufsteigen. Als ob sie frei von Sünden wären. Als ob sie nicht nur in der verzweifelten Hoffnung handelten, irgendwann errettet zu werden und doch wussten, dass dies nie passieren würde. Sein Gesicht verzog sich zu einer verächtlichen Grimasse als er unwillig den Kopf schüttelte. Schließlich war es doch so, dass kein menschliches Wesen je sein Leben beenden konnte, ohne gesündigt zu haben.   Aber ganz egal was mit diesen Kindern war, er konnte seine Vergangenheit nicht vergessen oder gar auslöschen. Er schaffte es ja noch nicht einmal seine Gegenwart ohne Sünde zu bewältigen. Und auch wenn er versuchte nicht daran zu denken, konnte er die Dinge, die noch in seiner Zukunft lagen, nicht aus seinem Kopf verbannen und wusste, dass er immer würde sündigen müssen.   Noch immer stand er wie angewurzelt da, wandte er seinen Blick nicht von der Kirche ab. Würden denn nur jene, die an diesen fernen Gott glaubten, Erlösung finden? Er schnaubte leise. Das war Blödsinn. Einfach nur dumm, unmöglich, so konnte es nicht sein. Er konnte schließlich nichts dafür, dass ihm sein Glauben schon lange genommen worden war, dass sein Leben ihn zur Sünde zwang – und er war sicher nicht der Einzige, dem es so ging. Konnte, so, wie die Welt nun einmal war, doch gar nicht der Einzige sein.   Es kostete ihn bewusste Anstrengung sich schließlich doch noch abzuwenden und langsam weiterzugehen. Seine Schritte führten ihn gemächlich weiter über die sandigen Wege, die sich seicht durch den Park schlängelten. Es ging beinahe so weit, dass er das hier tatsächlich wieder genießen konnte, trotz der Störung durch die Kirche. Je weiter er sich von dem kruden Bauwerk entfernte, desto mehr konnte er spüren, wie seine Gedanken wieder ruhiger wurden. Nach einigen Minuten kam er an einem Spielplatz vorbei und entschloss sich noch einmal stehen zu bleiben, um einer Gruppe Kinder dabei zuzusehen, wie sie auf einem alten Karussell herumtollten. Es drehte sich, drehte sich, drehte sich. Immer weiter. Und doch war das, was er sah, nie dasselbe. Für ihn war es, als sähe er eine schlechte Metapher für sein Leben. Es schien immer gleich zu sein, mit seinen immer wiederkehrenden Szenarien, die einen mit der Zeit krank machten und aufrieben. Aber trotzdem war eine Situation nie genau wie eine vorher schon erlebte. Nein, es offenbarten sich jedes Mal neue Grausamkeiten, die einen weiter und weiter zermürbten, bis man irgendwann aufgab oder zerbrach. Er fürchtete sich ein wenig vor diesem Moment, wusste, das er irgendwann kommen würde, doch noch war es nicht so weit. Noch konnte er seiner Mission nachgehen, noch hatte er keinen Fehler begangen, der ihn daran hindern konnte.   Mit einem leichten Kopfschütteln riss er sich von dem Anblick des Karussells los und zwang sich dazu weiterzugehen. Die Entspannung, die er noch vor wenigen Augenblicken gefühlt hatte, war verschwunden, ließ nur neue nervenaufreibende Gedanken zurück. Warum konnten Menschen nicht perfekt sein? Nicht einmal annähernd? Sie sagten doch immer, dass Gott allmächtig und damit perfekt sei. Und waren die Menschen denn nicht sein Abbild? Warum also waren sie anders? Wenn sie perfekt wären, müssten sie nicht immer und immer wieder bestraft werden. Wären sie perfekt, könnten sie ohne Sünde leben, bräuchten nicht Seelen wie ihn, um sie aus dem Pfuhl der Menschheit zu erlösen.   Trotz der Gedanken und Gefühle, die gerade unaufhaltsam durch seinen Kopf rasten, schaffte er es mit ruhigen Händen seinen Umhängetasche zu öffnen und holte nach kurzem Tasten zwei Gegenstände daraus hervor. Mit einem freudlosen Lächeln sah er auf das kleine Foto in seiner Hand. Es war alt und ein wenig zerknittert, mitgenommen von der Zeit, und trotzdem lächelte sie ihm entgegen. Auch nach all den Jahren noch wirkte sie noch immer etwas wehmütig, ganz so als hätte sie selbst zu diesem Zeitpunkt schon geahnt, was passieren würde. Sie war die einzige Frau, die jemals sein Herz berührt hatte. Und sie war tot. Schon damals war es seine Schuld gewesen. Er hatte gewusst, dass er sie nicht einfach hätte gehen lassen sollen und hatte doch nichts getan, um zu versuchen zu aufzuhalten. Wäre er nicht so feige gewesen, wäre sie vielleicht noch heute bei ihm und er selbst wäre vielleicht nie den Weg gegangen, auf dem er sich jetzt befand. Und selbst wenn – wäre sie noch hier, könnte sie sicher verstehen, warum er tun musste, was er tat. Warum es gar keine andere Möglichkeit mehr gab. In einer beinahe liebevollen Geste strich er mit dem Daumen über das Portrait, bevor er es wieder in seiner Tasche verschwinden ließ.   Den anderen Gegenstand hielt er fest mit seiner jetzt leicht verschwitzten linken Hand umfasst. Als ein schwacher Sonnenstrahl, der sich irgendwie durch die grauen Wolken gekämpft hatte, durch das Blätterdach der Bäume darauf fiel, glänzte der Eispickel metallen auf. Er ging weiter, langsam, besonnen, ohne auch nur die geringste Regung zu zeigen, als sei er ein normaler Spaziergänger, doch seine Augen waren wachsam, jeder Muskel seines Körpers angespannt und zum Handeln bereit. Was für eine Heuchelei. Er konnte nicht normal sein, genauso wenig wie andere Menschen perfekt sein konnten.   Seine Blicke fixierten die junge Frau, die vor ihm lief. Ein leises Lächeln umspielte ungesehen seine Mundwinkel. Allem Anschein nach telefonierte sie angeregt über ihr Handy mit irgendjemandem, der sie immer wieder zum lachen brachte. Er passte sein Tempo dem ihren an und wartete, bis sie endlich aufgelegt hatte und das kleine Telefon wieder in ihrer Handtasche verschwunden war. Den Eispickel ließ der zunächst in seiner Jackentasche verschwinden, wo er ihn leicht erreichen würde, als er seine Schritte beschleunigte, um zu ihr aufzuholen. Mit einem kräftigen Ruck vergrub er seine Hand in ihrem langen, glänzenden Haar und zog sie daran zurück. Noch bevor sie noch richtig aufschreien konnte, hielt er ihr mit der anderen Hand den Mund zu, registrierte zu seinem Ekel, dass ihre bebenden Lippen seine Finger mit klebrigem Lipgloss beschmierten. Er zog noch einmal kräftig an ihren Haaren. „Sei still...dann wirst du frei sein.“ Ihre zu stark geschminkten Augen blickten panisch zu ihm auf, dann nickte sie zögerlich, schien tatsächlich einen Funken Hoffnung zu haben, das dies hier nicht ihr Ende war, wenn sie sich fügte. Mit einem schwachen Lächeln ließ er seine Hand von ihrem Gesicht gleiten, griff in seine Jackentasche. Noch immer die langen Strähnen ihres Haares festhaltend stieß er sie ein kleines Stück von sich, um auszuholen, zu fühlen wie seine Muskeln sich anspannten. Dann schlug er die Waffe in ihren Körper.   Er genoss das Geräusch, mit dem sich das Metall in den Rücken der jungen Frau grub, ihren erneuten Aufschrei abrupt enden ließ. Einen Moment später gaben die Knochen ihrer Rippen mit einem Krachen nach. Die Waffe blieb von hinten in ihren Brustkorb stecken, als sie – ein letztes Mal nach Luft japsend – auf dem Gehweg zusammenbrach, ihr Blut sich langsam und tiefrot auf dem Boden ausbreitete. Er sah auf sie hinunter als wäre diese Situation das Normalste der Welt, fühlte fast so etwas wie Respekt für die Tatsache, dass sie nicht versucht hatte um ihr Leben zu betteln oder gegen das, was ihr widerfahren war, anzukämpfen. Er war die Ruhe selbst, als er den Eispickel schließlich aus ihrem toten Körper zog. Auch ihr hatte er diese falschen, verlogenen Flügel ausreißen können, hatte ihr ihre eigene hässliche Wahrheit zeigen können. Sie sollte ihm dankbar sein. Erst als er einen Schritt von ihrer Leiche wegtrat sah er, dass sie auch ihn besudelt hatte.   Er warf einen Blick in seine Umgebung. Zu seinem Glück hatte die langsam einsetzende Dämmerung verhindert, dass er die Aufmerksamkeit anderer Leute auf sich gezogen hatte. Einen weiteren Schritt von der Toten wegtretend sah er sich abermals um, bevor er umsichtig sein Werkzeug wieder in seiner Umhängetasche unterbrachte.   Der Weg zurück zu seinem Zuhause dauerte nicht lang, und dennoch fühlte er sich beobachtet. Vielleicht hätte er sich nicht zu diesem Leichtsinn hinreißen lassen sollen. Immer wieder sah er sich um, bis er die Tür zu seinem Apartment hinter sich schließen konnte. Mit einem erleichterten Seufzen lehnte er sich von innen dagegen, erlaubte sich einen Moment um durchzuatmen. Dann schob er den Riegel vor und sperrte von innen ab.   Diese Tür würde vorerst geschlossen bleiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)