HOLLOW von Creep (A Vampire Story) ================================================================================ Kapitel 10: Under Suspicion --------------------------- Sagas POV Ich schloss die Augen und wartete auf den Film, der sich gleich vor meinen geschlossenen Lidern abspielen würde. Dieser letzte Best-of-Movie, von dem ständig in Filmen und Büchern die Rede ist, wenn jemand kurz davor ist, den Löffel abzugeben. Statt des erhofften Filmchens (Ich hätte gern noch einmal alle schönen Augenblicke meines Lebens an mir vorüber ziehen lassen!), hörte ich eine vertraute Stimme etwas rufen. Sofort waren meine verbliebenen Lebensgeister wieder geweckt und ich riss die Augen auf. Im Schein der Straßenlampe, erkannte ich schemenhaft eine mir durchaus bekannte Gestalt. Tsukasa. Mein zukünftiger Mörder bleib abrupt stehen und schien Tsukasa zu beobachten. Der kam geradewegs in meine Richtung. Ich versuchte erneut zu schreien, mich irgendwie bemerkbar zu machen, doch nur ein gedämpftes Wimmern verließ meine trockene Kehle. Meine Panik wuchs ins Unermessliche. Es war eine Sache, wenn dieser Spinner hier mich aus irgendwelchen Gründen umbringen wollte, aber es war schon eine ganz andere Sache, wenn er sich auch noch an meinem Bruder vergreifen wollte! Ich biss die Zähne zusammen und trat mit aller Kraft die ich aufbringen konnte nach hinten aus. Ein scharfer Schmerz durchflutete meinen, ohnehin schon lädierten, Knöchel, doch anscheinend war meinem Angreifer das herzlich egal. Er zuckte nicht mal, als mein Fuß mit voller Wucht dahin traf, wo sich wahrscheinlich sein Schienbein befand. Und Tsukasa kam näher, war nur noch ungefähr vier Meter entfernt. „Saga?“ Saga ist momentan nicht zu erreichen, der versucht gerade seinen Bruder zu warnen, der da in tödliches Unheil rennt. Bitte versuchen Sie es später nochmal! Ich holte gerade zu einem weiteren Tritt aus, als der Griff um meine Arme und die Hand auf meinem Mund plötzlich verschwunden waren. Mit einem Mal bemerkte ich, dass der feste Griff des Angreifers alles gewesen war, das mich noch auf den Beinen gehalten hatte. Jetzt, da dieser Halt sich anscheinend davonmachte, sackten mir die Knie weg und ich landete unsanft auf dem dreckigen, kalten Boden. Mein Kopf dröhnte, mein Gehirn versuchte die vorgefallene Ereignisreihe zu verarbeiten, aber irgendwie schien es nicht so ganz nachzukommen. Wie aus weiter Ferne hörte ich Tsukasa, der irgendetwas zu mir sagte und mich an der Schulter rüttelte. Wieder durchflutete mich Schmerz und ich stöhnte unterdrückt auf. Sofort ließ Tsukasas Hand mich los. Irgendwie schaffte er es, mich auf die Beine zu ziehen und irgendwie schafften wir es danach beide nach Hause. In der Wohnung angekommen ließ ich mich aufs Sofa fallen und schwieg. Ich konnte jetzt nicht reden. Ich wollte jetzt nicht reden. Etwas in meinem Inneren hinderte mich daran. Und etwas in meinem Inneren hinderte mich auch daran, zu fragen, was zur Hölle Tsukasa um diese Uhrzeit, an diesem Ort zu suchen gehabt hatte und wer der unbekannte Angreifer gewesen war. Ich starrte auf den Boden, als Tsukasa aus der Küche wiederkam, in die er direkt nach unserer Heimkehr verschwunden war. „Saga, zieh das Oberteil aus, ja? Ich muss mir mal deine Schulter angucken.“, sagte er leise und irgendwie machte es auf mich den Eindruck, als wäre die Situation, in der wir uns beide bis eben befunden hatten, das normalste der Welt für ihn gewesen. Mit Ach und Krach zog ich meinen Pulli aus und meine Schultern dankten es mir, indem sie noch ein ganzes Stück mehr weh taten. Tsukasas warme Hände tasteten irgendwo an meinem Rücken und an meinen Schulter herum. „So wie's aussieht ist weder was gebrochen noch ausgekugelt, aber dein Fuß sieht böse aus.“, murmelte er und begann meinen Schuh aufzuschnüren, um sich mein pochendes Fußgelenk anzuschauen. „Wir müssen morgen zum Arzt damit. Sieht fast so aus, als hättest du dir was gebrochen.“ Ich nickte stumm. Mein Bruder seufzte und kniete sich vor mir auf den Fußboden, um mir in die Augen sehen zu können. „Was genau ist da passiert?“, fragte er eindringlich. Eine Weile schwieg ich, doch endlich fanden doch ein paar Worte den Weg aus meinem Mund. Ich erzählte, was genau vorgefallen war. Doch ich verschwieg Tsukasa, wo ich vorher gewesen war. Tsukasa hörte mir aufmerksam zu, sagte aber nichts weiter. Ich nutzte die Gelegenheit, um ihm eine Frage zu stellen, die sich langsam aber sicher in mein, sowieso schon gebeuteltes, Hirn einbrannte. „Wieso warst du so plötzlich da? Du hättest noch in der Uni sein müssen um die Uhrzeit.“ Ich wunderte mich darüber, wie erbärmlich meine eigene Stimme in diesem Augenblick klang. Normalerweise hörte ich mich nur so an, wenn ich nächtelang durchgesoffen hatte. „Du kannst von Glück reden, dass ich da war. Wer weiß, was sonst passiert wäre.“ Ich sah ihn forschend an. „Sicher bin ich froh. Aber wieso zum Teufel warst du da? Ich meine, du hättest ganz wo anders sein müssen! Wieso warst du genau an diesem Zeitpunkt da und hast ausgerechnet mich gefunden?“ Das sollte er mir bitte mal sagen, denn irgendwie fand ich es unheimlich. Tsukasa seufzte und erhob sich. „Wenn ich ehrlich sein soll, dann hab ich dich beschattet und zwar den ganzen Tag über.“ Er lehnte sich an den Wohnzimmertisch und sah mich an, als ob es vollkommen legitim wäre, seinen Bruder mal eben so aus Jux und Dollerei zu beschatten! „Du hast was?“, fragte ich noch einmal sicherheitshalber nach. Nicht, dass ich hier etwas nur falsch verstanden hatte. „Nein, du hast schon richtig gehört. Und soll ich dir sagen warum? Weil ich dich besser kenne als jeder andere und weil ich genau wusste, dass du früher oder später nochmal zu diesem Blutsauger rennen würdest. Ich weiß, wie naiv und leichtsinnig du manchmal sein kannst. Und wie wir heute beide gesehen haben, hatte ich Recht!“ Er klang gegen Ende seiner Standpauke ziemlich sauer. Mir fehlten die Worte. „So wenig Vertrauen hast du also in mich, ja?“, giftete ich zurück. Es war enttäuschend und irgendwie war es mir gerade scheißegal, dass ich eben noch, die Arme auf den Rücken gedreht und vollkommen hilflos, mit irgendeinem Irren zusammen in einer stinkenden Seitengase gestanden hatte. Im Moment hatte dieser aufkommende Streit Priorität! „Du weißt genau, dass das nicht stimmt! Sicher vertrau ich dir, aber ich weiß auch, dass du öfters mal Dummheiten machst und dich mächtig in die Scheiße reitest! Ich wollte nur, dass dir nichts passiert, verdammt!“ Langsam wurde es mir zu bunt! Schön und gut, er hatte mich gerettet. Aber musste er gleich so tun, als wäre ich ein riesiges, blödes Baby, auf das der ach so erwachsene große Bruder aufpassen musste?! „Achso, ja?! Du fühlst dich also mal wieder für mich verantwortlich? Ich sag dir mal was! Ich kann selber auf mich aufpassen, ich bin kein Kleinkind mehr. Ich bin genauso erwachsen wie du! Also hör auf mich ständig zu bevormunden und den Beschützer zu spielen, ok? Dein bescheuertes Gehabe kotzt mich echt nur noch an!“ Er starrte mich an. Ich hatte es geschafft ihn sauer zu machen. Kreuzchen im Kalender, das kam nicht oft vor. Erst jetzt fiel mir auf, dass es doch ziemlich harte Worte gewesen waren, die ich da gerade gebraucht hatte, doch das ließ sich jetzt nicht rückgängig machen. Jetzt musste ich auch dazu stehen! „Ok, gut! Dann meinst du also, ich sollte dich demnächst, wenn du dein Monster besuchen gehen willst, einfach so laufen lassen? Das kannst du dir abschminken! Was glaubst du denn, wer dich eben in diese scheiß Gasse reingezogen hat und dich gefressen hätte, wenn ich nicht in der Nähe gewesen wäre? Bist du wirklich so blind?! Zähl doch verdammt nochmal eins und eins zusammen!!“ Er war laut geworden. Ich konnte mich nicht erinnern, wann mein Bruder mich das letzte Mal dermaßen angeschrien hatte. Langsam dämmerte mir, was er mit seinen Worten meinte. „Du meinst, dass es Hizumi war?“, fragte ich leise. Er schien sich wieder beruhigt zu haben und nickte seufzend. „Genau das meine ich.“ Zeros Villa, Wohnzimmer, ca. 11.30 Uhr ... Toshiya blinzelte verschlafen und kuschelte sich, noch im Halbschlaf, in die warme Wolldecke. Moment mal. Wolldecke? Wo kam die Decke her? Er gähnte und sah sich suchend im Zimmer um. Der Fernseher war ausgeschaltet, nur das Kaminfeuer brannte knisternd und warf epileptisch zuckende Schatten an die Wände. Langsam setzte Toshiya sich auf und streckte sich ausgiebig. Er musste feststellen, dass allein war. Sein Blick fiel auf die kunstvolle Standuhr in einer Ecke des Zimmers, die ihm sagte, dass es bereits halb zwölf war. Anscheinend war er während des Films eingeschlafen. Aber wo war Zero? Es war untypisch für ihn, um diese Uhrzeit schon ins Bett zu gehen, normalerweise war Toshiya es, der früher müde wurde und schlafen ging. Er richtete sich auf und lauschte. Es war totenstill. Langsam setzte er sich in Bewegung. „Zero?“, rief er in die Stille hinein, doch eine Antwort blieb aus. Toshiya ging in die Küche, in der Hoffnung, eine Nachricht oder etwas Ähnliches zu finden, das Zero vielleicht hinterlassen hatte. Suchend sah er sich im Raum um, wurde aber enttäuscht. Nichts. Dann blieben nur noch zwei Möglichkeiten. Die erste wäre, dass Zero überstürzt das Haus verlassen hatte, warum auch immer. Die zweite bestand darin, dass er irgendwo in seinem Büro war und arbeitete. Toshiya hielt die zweite Möglichkeit für die sinnvollere, wollte allerdings sicher gehen, denn mittlerweile überkam ihn ein nicht zu deutendes, komisches Gefühl. Zeros Büro befand sich im obersten Stockwerk, doch Toshiya hatte bis jetzt nur ein einziges Mal einen kurzen Blick hineinwerfen können und das war reiner Zufall gewesen. Zero saß oft stundenlang da oben und Toshiya hatte keinen blassen Schimmer, was genau er dort überhaupt trieb. Er ging in den kalten Hausflur und warf zögerlich einen Blick hinauf zum Ende der Treppe, genau auf die Tür zu Zeros Schlafzimmer. Eine Weile stand er etwas unentschlossen in dem dämmrigen Flur herum, doch dann entschied sich der Junge doch dafür, einen kurzen Blick in Zeros Arbeitszimmer zu werfen. Oder wenigstens anzuklopfen. Denn etwas stimmte hier nicht, soviel war sicher. Schritt für Schritt stieg Toshiya die Eichenholztreppe hinauf, an Zeros Schlafzimmertür vorbei, weiter hinauf in den zweiten und letzten Stock, der wahrscheinlich in früheren Zeiten einmal als Speicher gedient hatte. Die letzte Treppenstufe, die er betrat bevor, er das oberste Geschoss erreichte, knarrte träge und das Geräusch ließ ihn erschrocken zusammenzucken. Hastig nahm er den letzten Schritt und befand sich nun vor einer schweren Holztür mit massiver Messingklinke. Toshiya zögerte. Ein ungutes Gefühl überkam ihn und diesmal war es mehr als nur der Schatten einer Vorahnung. Trotz allem streckte er die Hand aus und klopfte zaghaft an die Tür. Nichts geschah. Unsicher legte er seine Hand auf die kühle Klinke und drückte sie langsam hinunter. Und zum ersten Mal konnte er sich wirklich ein Bild von Zeros Arbeitszimmer machen. Es war ein großer, ziemlich düsterer Raum, der mehr Büchern beinhaltete, als Toshiya in seinem bisherigen Leben je gesehen hatte. In der Mitte des Raumes stand ein monströser Schreibtisch, der mit Bergen von Akten und anderen Papieren überhäuft war. Durch ein einzelnes, staubiges Fenster fiel fahles Mondlicht auf die Papierberge und Toshiya ging fast schon automatisch, einige unsichere Schritte in den voll gestopften Raum hinein. Ein großes, altes Blatt Pergamentpapier, das quer über den chaotischen Schreibtisch gerollt war, zog seine Aufmerksamkeit an. Er sah sich um und sein Gewissen rebellierte kurz, doch die Neugier siegte. Bei genauerer Betrachtung erkannte er, dass dieses Pergament anscheinend einen Familienstammbaum, oder etwas Ähnliches, darstellen sollte. Eine ganze Menge Namen, von denen einige mit simplen, schwarzen Tuschestrichen miteinander verbunden waren, prangten auf dem gelblichen Papier. Ein Stammbaum. Nichts Ungewöhnliches, aber etwas ließ Toshiya stutzen. Die Personen, deren Namen da fein säuberlich aufgelistet und verknüpft worden waren, waren alle schon seit mindestens dreihundert Jahren tot. Außerdem trug nie mehr als eine Person den gleichen Nachnamen. //Was hat das zu bedeuten?// Toshiya starrte das rissige Papier an und sein Blick fiel auf einen ihm sehr wohl bekannten Namen. Zero – Geboren: 1602 ; Gestorben: 1628 Nächster Morgen, Zeros Villa, Küche ... Toshiyas POV Ich saß am Küchentisch und rührte nun schon solange in meiner Teetasse herum, dass sich ein kleiner Strudel gebildet hatte, der so stark war, dass man in seinem Auge bereits den Tassenboden erkennen konnte. Mein Entdeckung in Zeros Büro beschäftigte mich immer noch und es fiel mir schwer, nicht danach zu fragen. Doch was hätte das bitteschön für einen Eindruck auf Zero gemacht? Man konnte es drehen wie man wollte, fest stand: Ich hatte in Zeros Privatsachen herumgeschnüffelt und das war absolut unhöflich und dreist gewesen. Zu allem Übel saß Zero mir auch noch, wie jeden Morgen, gegenüber und bedachte mich mit undeutbaren Blicken. Ahnte er etwas? Ich starrte in meinen Tee und mein schlechtes Gewissen machte die ganze Sache nicht unbedingt besser. „Sag mal, ist alles ok mit dir?“, fragte mein Gegenüber plötzlich und klang dabei etwas besorgt. Ich nickte hastig. „Ja, alles bestens! Ich bin nur noch müde.“ Ich zwang mich zu einem scheinheiligen Lächeln und hätte mir am liebsten selbst eine Ohrfeige verpasst! Zero musterte mich noch eine Weile stumm, dann sagte er: „Ich muss sowieso noch mal mit dir reden, fällt mir ein. Ich hab ja in den letzten Tagen etwas herumtelefoniert und anscheinend hat jede Stelle, die sich um dich kümmern könnte zu viel Zulauf bekommen, oder andere 'Probleme' zu lösen.“ Ich legte den Kopf schräg und versuchte mir zusammen zu reimen, was das jetzt für mich zu bedeuten hatte, doch Zero fuhr fort. „Ich habe also zwei Möglichkeiten. Entweder setze ich dich einfach wieder auf die Straße“ Er machte eine kurze Pause und das Herz sackte mir in die Fußsohlen „Oder ich behalte dich weiterhin so lange hier, bis irgendwann wieder etwas frei wird.“ Er sah mich mit gewohnt ernstem Blick an. Ich blickte verwirrt und eingeschüchtert zugleich zurück und versuchte meine Gedanken in Worte zu fassen, was mir jedoch schändlicherweise misslang. „Natürlich ist die Voraussetzung, dass ich dich hier weiterhin bleiben lasse die, dass du überhaupt bleiben willst.“, fügte er hinzu, ohne den Blick von mir ab zu wenden. Und endlich fand ich meine Sprache wieder (Wenn auch nur im Sparmodus)! „Ich- Ich würde sehr gern hier bleiben, wenn es dir wirklich nichts ausmacht. Ich will dir keinen Ärger machen, oder so.“, murmelte ich und in gewisser Weise war es mir verdammt peinlich. Ich hatte am Vorabend noch herumgeschnüffelt und Zero bis jetzt noch nichts davon erzählt. Demnach log ihn gerade an und er ahnte nichts von alledem und war weiterhin so unglaublich nett zu mir. Ich fühlte mich verdammt mies. Er nickte. „Ok, dann ist ja alles klar soweit.“, sagte er und ein flüchtiges Lächeln erhellte seine Züge. Das war zu viel des Guten. „Zero. Ich muss dir was sagen.“, rückte ich kleinlaut raus mit der Sprache. Er sah mich aufmerksam an. Ich nahm eine tiefen Atemzug und begann zu erzählen, was am Vorabend vorgefallen war. „...Und dann bin ich rein gegangen, obwohl du nicht da warst und das tut mir Leid. Es war nicht richtig so was zu tun.“, stammelte ich und merkte nicht, das ich vor Nervosität schon wieder begonnen hatte meine Nägel bis aufs Fleisch abzupiddeln. Plötzlich legte sich Zeros Hand einen kurzen Augenblick lang auf meine, um mich daran zu hindern, mich weiterhin zu verletzen. Ich zuckte leicht, als ich bemerkte, wie kalt seine Hand war und sah ihn verwirrt an. Doch bevor ich etwas erwidern konnte, hatte Zero seine Hand bereits zurückgezogen. „Ist ok. Entschuldigung angenommen.“ Ich kaute auf meiner Unterlippe herum. „Und du bist nicht böse auf mich?“, fragte ich sicherheitshalber noch einmal nach. Er schüttelte nur sachte den Kopf. „Nein, bin ich nicht. Natürlich bin ich nicht begeistert darüber, aber es wäre absolut überzogen, wenn ich dir deswegen jetzt ernsthaft böse wäre.“ Mir fiel ein Berg vom Herzen und unwillkürlich breitete sich ein kleines Lächeln auf meinen Zügen aus. „Danke. Für alles!“, sagte ich und spürte, dass meine Gesichtsfarbe sich schon wieder zu einem kräftigen Rot wandelte. Doch so erleichtert ich auch war, etwas beschäftigte mich weiterhin und ich entschloss mich auch damit herauszurücken, wo ich schon mal dabei war. „Ähm...“ Toller Anfang! „Also noch was. Auf deinem Schreibtisch, da lag so ein Stammbaum und ich hab mir den angeguckt und irgendwie... waren da einige Sachen drauf, die ziemlich merkwürdig waren.“, druckste ich herum. Zeros Augenbrauen wanderten in Richtung Haaransatz. „So? Und was fandest du daran so merkwürdig?“ Ich biss auf meiner Unterlippe herum und erkannte, dass ich diese Frage besser doch hätte zurückhalten sollen. Doch jetzt war es zu spät. „Keiner der Nachnamen war gleich, obwohl die Namen untereinander verbunden waren.Und.. Außerdem sind alle diese Leute laut dem Stammbaum schon lange tot.“ Ich zögerte „Und du auch.“ Kurz hob ich den Blick, den ich während des Sprechens stur auf meine Hände gerichtet hatte, und sah in Zeros unveränderte Mine. „Ja, stimmt. Und was glaubst du jetzt, was das alles zu bedeuten hat?“, fragte er lächelnd. Ich blinzelte überrascht. „Keine Ahnung, das will ich ja von dir wissen. Ist das alles ein Scherz oder so?“ Anders konnte ich es mir nun wirklich nicht erklären. „Und was würdest du sagen, wenn ich dir jetzt erzählen würde, dass alles, was auf diesem Stammbaum zu sehen ist der Wahrheit entspricht?“ Meine Finger umklammerten die Teetasse, in der mein unberührter Tee mittlerweile kalt geworden war. „Ich... weiß nicht. Dann würde ich mich wundern, warum du noch hier sitzt. Denn da steht, dass du schon seit vierhundert Jahren Tod bist.“ Ich lachte nervös und langsam wurde mir doch etwas mulmig. Was sollte das alles? „Hast du schon mal was von Vampiren gehört?“, fragte er mich ruhig, so als ob wir gerade über vollkommen normale Dinge reden würden. Meine Augen weiteten sich und ich starrte wahrscheinlich ganz schön blöde aus der Wäsche. Ok, das war abgefahren! Ich suchte nach Worten, denn ich war absolut sprachlos. Was sollte ich jetzt bitte von dieser Antwort halten? „Ja. Ja, sicher hab ich schon mal davon gehört. Aber das sind doch nur Geschichten, oder?“ Wieder schlich sich ein kleines Lächeln auf Zeros Lippen. „Wenn du sowieso denkst, dass es nur Geschichten sind, wieso siehst du dann gerade so ängstlich aus?“, fragte er mich freundlich. „Weil ich- Naja, Ich weiß ja nicht, ob es nur Geschichten sind. Immerhin halten mich die meisten Leute auch für einen Spinner, oder einen Lügner, obwohl das, was ich erzähle und erlebe wahr ist. Es gibt sicherlich noch mehr Dinge, die wahr sind, aber als Lüge abgestempelt werden.“, antwortete ich ehrlich, doch in meiner Stimme schwang ein leichtes Zittern mit und mein Herz schlug schneller. „Damit hast du allerdings verdammt Recht. Du würdest mir also einfach so glauben, wenn ich dir sagen würde, dass ich in der Tat seit vierhundert Jahren untot bin?“ Ich schüttelte zögerlich den Kopf. „Nein, würde ich nicht. Du müsstest es mir erst beweisen.“ Es war absolut verrückt, diese ganze Situation war mehr als irre, doch eigentlich konnte ich mir nicht vorstellen, dass Zero mich hier gerade anlog. Und genau das war es, was mich so nervös machte. „Und wie soll ich es dir beweisen?“ Seine Stimme war vollkommen gelassen und er sah mich mit gewohnt kühlem Gesichtsausdruck aus seinen hellbraunen Augen an. „Ich weiß nicht genau. Was können Vampire denn Besonderes?“ Er schien kurz zu überlegen. „Da gibt es eine ganze Menge. Dieser Kram mit in Fledermäuse und so was verwandeln ist größtenteils Mist. Es gibt zwar einige wenige, die sich tatsächlich in Tiere verwandeln können, aber das ist eine angeborene Gabe, die man nicht so ohne Weiteres erlernen kann. Ich zum Beispiel bin dazu nicht in der Lage. Dann hätten wir da noch übermenschliche Kraft, extrem gute Sicht im Dunkeln, Gedankenlesen, Kommunikation durch Gedanken...“ Er zählte diese Fähigkeiten auf, wie Lebensmittel für den nächsten Wocheneinkauf und meine Fassungslosigkeit wuchs von Wort zu Wort. Er schien es tatsächlich ernst zu meinen! „Gedankenlesen?“, hakte ich nach. Er nickte. Ich nahm einen tiefen Atemzug. „Ok, wenn du wirklich ein...Vampir bist...“ Irgendwie hörte es sich absolut absurd an, ihn so zu nennen. „Dann sag mir jetzt woran ich denke.“ Ich überlegte angestrengt. Es musste etwas vollkommen Zusammenhangloses sein, das er auf keinen Fall einfach so erraten konnte. Und plötzlich, ganz ohne weitere Zusammenhänge kam mir ein Wort in den Sinn. Ich konzentrierte mich nur auf mein ausgedachtes Wort und sah Zero erwartungsvoll an. Für einen kurzen Moment trafen sich unsere Blicke und mein Herz machte einen kleinen Sprung. Ich spürte, wie ich zum dritten Mal an diesem Morgen die Gesichtsfarbe wechselte. „Wieso ausgerechnet Schokolade?“, fragte mein Gegenüber plötzlich etwas verwirrt. Mein Unterkiefer klappte ein Stück weit nach unten. „Das gibt nicht. Wie kannst du das wissen?“ Er hatte Recht gehabt! 'Schokolade' war das erste Wort, das mir eingefallen war. Warum, das wusste ich selbst nicht so genau. Wieder lächelte Zero. „Und? Beweis genug?“ Ich nickte stumm und wusste nicht so recht, was ich jetzt sagen sollte, denn zu viele Gedanken gingen mir durch den Kopf. Besonders ein bestimmter. „Stimmt es denn, dass Vampire Menschenblut trinken müssen?“ Meine Stimme war leise. Ich hatte mich kaum getraut diese Worte überhaupt laut auszusprechen. „Das stimmt leider.Ohne Blut können wir nicht existieren. Aber mittlerweile ist es selten, dass ein Vampir mutwillig einen Menschen beißt, um sein Blut zu trinken. Die meisten von uns versuchen so gut wie möglich mit euch zusammen zu leben, leider gibt es manchmal auch Ausnahmefälle, aber die sind recht selten. Ich persönlich ernähre mich von Blutkonserven.“ Eine Zeit lang schwiegen wir beide, dann fuhr Zero mit ernster Mine fort. „Toshiya, eigentlich hätte ich dir das hier gar nicht erzählen dürfen. Es ist uns strengstens verboten unsere Existenz den Menschen zu offenbaren und ich bringe uns damit beide in Gefahr. Jetzt denk aber bitte nicht, dass mir das egal wäre, denn das ist es nicht! Allerdings hat es einen guten Grund, warum ich dir dieses Geheimnis verraten habe. Wenn alles, was du mir bisher erzählt hast wahr ist, dann besteht die Chance, dass du selbst mindestens zur Hälfte Vampir bist.“ Diese Aussage traf mich wie ein Schlag vor den Kopf. Zu viel Information! Mein Sprachsystem streikte. Zero seufzte leise. „Ja, ich weiß. Das ist jetzt alles ein bisschen viel auf einmal.“ Ich nickte stumm. Das war es allerdings. Mir dröhnte der Kopf und ein Teil tief in mir weigerte sich strikt, auch nur die kleinste Kleinigkeit zu glauben, die Zero mir hier gerade weiß machen wollte. Doch ein weit größerer Teil hatte eingesehen, dass er nicht log. Was sollte es ihm bringen, mir solch eine absurde Geschichte zu erzählen, wenn sie Erstunken und erlogen war? Außerdem hatte er vor wenigen Minuten meine Gedanken gelesen und wenn das nicht Beweis genug war, dann wusste ich ab jetzt gar nichts mehr... Tsukasas Schlafzimmer Ein fahler Sonnenstrahl fiel auf das zerwühlte Bett und kitzelte Tsukasa an der Nase. Noch im Halbschlaf drehte der junge Mann sich um und vergrub das Gesicht in seinem Kopfkissen. Doch es half nichts, der Schlaf war weg und wollte nicht wiederkommen. Gähnend richtete er sich auf und gähnte. //Scheiß Morgen.//, waren Tsukasas erste Gedanken und der Wunsch sich jetzt einfach wieder zurücksinken zu lassen und weiter zu schlafen war fast übermächtig. Doch die Uni brüllte nach ihm, immerhin hatte er die letzten Tage an keiner Vorlesung mehr teil genommen, es hatte ja einen kleinen Bruder zu versorgen gegeben. Ächzend erhob er sich und schlurfte in die Küche, um einen rettenden Kaffee zu sich zu nehmen. Auf dem Weg dorthin streifte sein Blick Sagas geschlossene Zimmertür. Der Sack schlief natürlich noch. Wie immer. Es wurde Zeit, dass sein kleiner Bruder sich endlich einen ordentlichen Job suchte und sein eigenes Geld verdiente, es konnte ja nicht angehen, dass man sich den größten Teil des Unterhalts immer noch von den Eltern schicken lassen musste. In diese und andere Gedanken versunken saß Tsukasa am Küchentisch und schlürfte bedächtig seinen schwarzen Kaffee. Etwa eine halbe Stunde später befand er sich, geschniegelt und gebügelt, auf dem Weg zum Universitätsgebäude, das per Fußmarsch eine gute Viertelstunde entfernt lag. Es fesselte und der Himmel war von einem einheitlichen Grau. Mal wieder. //Dieses Wetter macht mich irgendwann nochmal wahnsinnig.// Die Sonne hatte sich seit Wochen eigentlich kaum gezeigt und jeder Tag war gleich grau und verregnet. Es war lange her, dass Tokyo einen derart miesen November erlebt hatte. Ein leiser Seufzer entfuhr Tsukasa und er vergrub die Hände tief in den Jackentaschen. Nach einiger Zeit stach das düster-sterile Junigebäude vor ihm in den wolkenverhangenen Himmel. Zusammen mit einem Haufen gesichtsloser Freaks in einem verstaubten Hörsaal sitzen. Das war genau das, wonach er sich jetzt um alles in der Welt sehnte. Augen zu und durch. Tsukasa, 17.53 Uhr ... Erschöpft verließ er die kalte Eingangshalle und trat durch die massive Glastür in die noch kältere Dämmerung. Obwohl es noch nicht vollkommen dunkel war, hatte die Kälte bereits die Oberhand gewonnen und kroch unerbittlich in jede Faser. Tsukasa schlug seinen Mantelkragen hoch und stopfte die Hände in die Taschen. Er wollte jetzt nach Hause und sich schlicht und ergreifend vor den Fernseher pflanzen, um irgendeine sinnfreie TV-Show anzusehen. Dabei musste man wenigstens nicht denken. Seine Gedanken kreisten um Saga, diesen kleinen, naiven Idioten. An Saga und seine Vampir-Begegnung. Es hatte ihn Überwindung gekostet, nicht jeden weiteren von Sagas Schritten zu kontrollieren, nach allem was bis jetzt passiert war. Viel Überwindung! Immerhin wusste er nur zu gut, was alles hätte passieren können... Tsukasa überquerte eine menschenleere Straße, als das Zwielicht plötzlich von gleißend hellen Scheinwerfern durchbrochen wurde. Ruckartig drehte der Braunhaarige sich um und kurz nachdem er realisiert hatte, dass es ein verdammt schnelles Auto war, das da auf ihn zu kam, wurde er zu Boden gerissen. Ein scharfer Schmerz durchzuckte Tsukasas rechte Schulter und er spürte, dass er auf die nasse Straße gedrückt wurde und ein Jemand ihn daran hinderte sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. In weiter Ferne hörte er die Motorengeräusche des Wagens, der ihn vor wenigen Sekunden fast überfahren hatte, verhallen. Langsam ließ das erdrückende Gewicht auf Tsukasas Rücken nach, war schließlich ganz verschwunden. Ächzend rappelte er sich auf und wischte sich über den Mund. Blut. Anscheinend hatte er sich durch den Sturz die Lippe aufgeschlagen. Der Schock saß tief und immer noch wurde Adrenalin durch Tsukasas Blutbahnen gepumpt und sein Herz raste. Zögernd drehte er sich um und versuchte in der grauen Dämmerung das Gesicht der unbekannten Person zu erkennen, die ihn da gerade vor einer schweren Verletzung, oder Schlimmerem bewahrt hatte. Erst allmählich gewöhnten sich seine Augen wieder an das dämmrige Zwielicht und plötzlich erkannte er, wer da vor ihm kniete und ihn mit besorgter Miene ansah. „Ist alles in Ordnung?“, fragte eine tiefe, ihm durchaus bekannte Stimme vorsichtig. Karyu. Benommen nickte der am Boden Liegende. Karyu erhob sich und streckte eine Hand aus. „Kannst du aufstehen?“ Wieder nickte Tsukasa und streckte seinerseits die Hand aus, um sich von Karyu nach oben helfen zu lassen. Karyus Hand war kalt und Tsukasa verspürte den Drang, seine eigene sofort wieder zurückzuziehen. Doch er fühlte sich beim besten Willen nicht dazu in der Lage, ohne fremde Hilfe auf die Beine zu kommen. Bei dem Versuch aufzustehen, merkte er, dass seine Kniegelenke sich anfühlten, als hätten sie sich ganz plötzlich in eine gummiartige, widerspenstige Substanz verwandelt, die jede Bewegung erschwerte. Etwas benommen stand Tsukasa auf dem Gehweg. „Was tust du hier?“, fragte er leise. Karyu legte den Kopf leicht schräg. „Ich war gerade auf dem Weg nach Hause und anscheinend war ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“ Er lächelte. Tsukasa nickte stumm. „Und du bist sicher, dass alles ok ist mit dir? Du blutest da am Mund.“ Karyu streckte die Hand aus und schien Anstalten zu machen, das schmale Blutrinnsal von Tsukasas Lippen zu wischen, doch der wich augenblicklich zurück. „Mir geht’s gut soweit. Ich muss das nur erstmal verkraften.“, murmelte der Braunhaarige und wischte sich ein zweites Mal über den Mund. Karyu steckte die Hände in die Taschen seines schwarzen Mantels. „Soll ich dich zum Arzt bringen oder so?“ Ein Kopfschütteln folgte als Antwort. „Nein, ich will einfach nur nach Hause...“ „Dann bring ich dich heim.“ Erneutes Kopfschütteln. „Das musst du nicht. Ich schaff das auch allein.“ „Daran zweifel ich nicht, aber trotzdem. Du scheinst das Unglück magisch anzuziehen. Ich werde mitkommen, keine Widerrede. Außerdem kannst du nicht wissen, ob du dir nicht doch mehr getan hast, als du glaubst.“, beharrte Karyu und musterte Tsukasa skeptisch. Der gab sich schlussendlich geschlagen und nickte resigniert. „Wenn du unbedingt willst.“ Er war jetzt zu müde und zu verwirrt, um noch mehr Widerworte zu geben, oder sich gar auf eine Diskussion einzulassen. Wenn man gerade fast von einem Auto überfahren worden war, dann hatte man andere Dinge im Kopf. Auch wenn die komplette Situation noch so irreal und suspekt war. Schweigend machten sich die beiden Männer auf den Heimweg. Plötzlich durchbrach Karyu die Stille. „Irgendwie bist du wesentlich lockerer, wenn vorher fast angefahren worden bist.“, bemerkte er grinsend. Tsukasa schnaubte. „Gewöhn dich nicht dran. Das ist das Adrenalin, also bilde dir nichts ein.“ Karyus Grinsen wurde eine Spur breiter. „Du bist ganz schön merkwürdig, weißt du das?“ „Ja, ist mir durchaus bekannt.“ „Dann ist ja gut.“ Sie erreichten das dunkle Mehrfamilienhaus, in dem sich Tsukasas Wohnung befand. Das Treppenhaus war stockfinster und menschenleer. Tsukasa schaltete das Licht an und humpelte in den zweiten Stock, Karyu im Schlepptau. „Willst du noch kurz mit reinkommen? Auf nen Tee oder so?“, fragte Tsukasa plötzlich. Karyu blinzelte, lächelte dann aber. „Ja. Gerne.“ Wenige Minuten später fand Karyu sich auf einem weißen Sofa sitzend wieder, eine heiße Tasse Tee in der Hand haltend. Tsukasa hatte ihm gegenüber Platz genommen. „Wohnst du ganz alleine hier?“, fragte er und nippte an seinem Tee. „Nein, ich wohne zusammen mit meinem Bruder hier. Mich wundert sowieso, dass der nicht schon längst aufgekreuzt ist.“ „Sieht dein Bruder gut aus?“ „Was soll das denn bitte heißen?“ „Naja, wenn er gut aussieht, dann wäre es doch möglich, dass er ein paar Mädels aufreißen gegangen ist, oder? Oder ist er eher so ein schüchterner Typ wie du?“ Karyus Grinsen wurde breiter als jemals zuvor und Tsukasas Wangen eine Spur röter. „Nein, wir sind uns nicht sehr ähnlich.“, gab er knapp zurück und starrte in die Tiefen seines Tees. „Dachte ich mir fast. Und wie ist das bei dir so mit den Mädels? Hast du eine Freundin?“ „Sag mal ist das hier ein Kreuzverhör oder was?“ „Nun mal nicht so aggressiv. Ich hab doch nur gefragt.“ „Nein, ich bin Solo.“ „Ehrlich? Das wundert mich.“ „Als ob!“ „Das hast du jetzt gesagt!“ Karyu schien sich prächtig zu amüsieren und musterte sein errötendes Gegenüber über den Rand seiner Teetasse hinweg. „Ähm. Achja. Und danke, wegen eben. Wenn du nicht da gewesen wärst, dann hätte mich jetzt Jemand von der Straße abkratzen können.“, murmelte Tsukasa plötzlich ganz unvermittelt. Karyu schenkte ihm ein freundliches Lächeln. „Keine Ursache. Ich war halt zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Vielleicht war's ja auch Schicksal, wer weiß.“ „Ja, vielleicht.“ Tsukasa gähnte. „Da scheint aber jemand ziemlich müde zu sein. Anstrengenden Tag gehabt?“, fragte Karyu mit einem Augenzwinkern. „Ja, das hatte ich allerdings.“, antwortete Tsukasa matt. Der Vampir lehrte den Rest seines Tees in einem Zug und erhob sich. „Na dann geh mal besser schlafen, ich will dich nicht länger stören.“ Auch Tsukasa stand auf, um seinen Überraschungsgast zur Tür zu bringen. Dieser Versuch erwies sich allerdings im Nachhinein als reichlich unintelligent, denn die Beine des Braunhaarigen waren scheinbar nicht wirklich gewillt, ihren Dienst zu tun, was zur Folge hatte,dass Tsukasa ruckartig nach vorne kippte und auf einen Widerstand stieß. Karyus Brustkorb. Eine Sekunde lang sagte Niemand etwas, doch dann ertönte ein leises, melodisches Lachen. „Ich wusste gar nicht, dass du so anhänglich sein kannst. Wie schon gesagt, du solltest dich öfters von Autos anfahren lassen.“ Tsukasa spürte deutlich, dass sein Gesicht nun die gleiche Farbe hatte, wie Sagas selbstgemachte Tomatensoße (Das Einzige, was dieser Kerl wirklich kochen konnte.). Er hob langsam den Blick und das Erste was er erblickte, waren Karyus Bernsteinaugen, die ihn belustigt ansahen. Ganz unvermittelt beugte Karyu sich vor, so weit, dass seine Lippen sich gefährlich nah an Tsukasas Hals befanden. „Du solltest nachher mal deinen Hals genauer untersuchen, ich glaube du bekommst da einen blauen Fleck.“, murmelte er und Tsukasas Nackenhaare stellten sich auf. Ruckartig löste sich der Kleinere von Karyu und taumelte zwei Schritte rückwärts. „Hey, war nur gut gemeint.“, sagte Karyu beschwichtigend und lächelte sein etwas schiefes Lächeln. Tsukasa nickte stumm und musterte Karyu aus sicherer Entfernung. „Mach ich.“ Der Vampir ging in aller Seelenruhe zur Garderobe und begann seinen Mantel anzuziehen. „War nett mit dir, auch wenn der Anlass dazu eigentlich weniger nett war.“ Wieder breitete sich ein Grinsen auf Karyus Zügen aus. Doch nun musste auch Tsukasa lächeln, wenn auch noch etwas unterkühlt. „Ja, der Anlass war allerdings weniger erfreulich. Aber ist ja alles gut gegangen. Danke nochmal.“ „Kein Problem. Und jetzt schlaf gut und vielleicht bis irgendwann mal.“ Mit diesen Worten schloss Karyu den letzten Mantelknopf, drehte sich um und verschwand. Eine ganze Weile stand Tsukasa allein im Flur, vor der mittlerweile geschlossenen Haustür, und fragte sich, was zur Hölle er in dieser vergangenen Stunde erlebt, gedacht und vor allem getan hatte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)