Crazymas von NaokiKaito (Verschiedene Weihnachts-One Shots) ================================================================================ Kapitel 5: Nähe ohne Worte - FF für Requat ------------------------------------------ „Mach auf!“, rief eine unbeherrschte Stimme von draußen, und eine Faust, die gewohnt war, sich zu nehmen was sie wollte, hämmerte heftig gegen die Tür. Ein winziges bisschen mehr und die besagte Tür hätte ihn die längste Zeit vor dem Irrsinn dort draußen geschützt, beziehungsweise den Wahnsinn in der Wohnung gehalten, die Welt damit geschützt, wie auch immer man das sehen wollte. Sanji schmunzelte bitter. „Scheiße, Koch, du stehst auf Feiertage, also fang verdammt noch mal an, mir auch mit Weihnachten auf die Eier zu gehen!“, verlangte das Individuum dort draußen und Sanji zog die Decke, welche seinen Körper zur Gänze einhüllte, noch ein kleines Stück höher, sodass nur noch ein wuscheliger Blondschopf, ein missmutig rausstarrendes blaues Auge und eine kleine süße Stupsnase zu sehen waren. „Hau ab, Marimo!“ „Komm erst raus, damit ich sehe, dass du noch immer so unausstehlich und nervtötend bist, wie sonst auch!“, verlangte die Mooskugel und Sanji seufzte. Jedes Jahr das gleiche Theater. Jedes Jahr brüllte Zoro von draußen die Nachbarschaft zusammen. Sanji runzelte die Stirn. Gut, genau genommen war es das erste Jahr, dass es zu einer potentiellen Beschwerde kommen konnte, sonst hatte Jeff den grünhaarigen Volltrottel immer reingelassen. Nur damit der dann ihm gegenüber saß und ihn anschwieg. Reden konnte der eigentlich so gut wie gar nicht, sah man mal von Beleidigungen oder dummen Sprüchen, die kein Mensch brauchte, ab. Nur jetzt war kein Jeff mehr da, der Zoro reinlassen konnte. Hier war außer ihm überhaupt keiner mehr, der ihn reinlassen konnte, da er seit Mitte Mai diesen Jahres alleine wohnte. Was ja vom Prinzip her nicht schlecht war. Nur an Weihnachten war es grausam. Mit Jeff hatte er wenigstens zusammen noch zum Friedhof gehen können, kochen und dann essen, bevor er sich den Nachmittag und Abend in sein Zimmer zurückzog und sich in seinem Bett verkroch. Na ja... und da dann von Zoro angestarrt wurde. Auch wenn die Nähe all die Jahre schon irgendwie beruhigend gewesen war. „Stell dich nicht so scheiße an, Küchenjunge!“ „Geht das leiser?!“, fauchte es von irgendwo. Einer von Sanjis Nachbarn, ohne Frage. Vermutlich der, der über ihm wohnte und den Blonden eh reichlich misstrauisch beäugte. Warum auch immer. Vielleicht weil er jung und alleinstehend war, und so ziemlich der einzige Besuch war Zoro. Na ja, von Zeit zu Zeit auch Ruffy oder Ace, aber alles Herren der Schöpfung. Kein Wunder, wenn jemand misstrauisch wurde. Auch wenn den Kerl das nun wirklich nichts anging. „Schnauze!“, knurrte der Grünhaarige drohend zurück. Okay, kein Wunder, dass sich die Nachbarn gerne mal beschwerten, über ihn und seine Besuche. Wenn sie getrunken hatten, waren sie nicht eben leise, insbesondere, wenn er sich mit Zoro stritt, was zu einem seiner Hobbys geworden war. Und dieses Haus hier war wirklich hellhöriger als gedacht. Vielleicht sollte er sich irgendwann mal entschuldigen... Nun ja. Man würde sehen. „Verzieh dich einfach, Marimo!“, verlangte Sanji und verdrehte die Augen. Jedes Jahr wollte er nun wirklich nicht von Zoro vollgeschwiegen werden. „Mach einfach diese verschissene Tür auf, bevor ich sie kaputt hau’!“, kam es ohne Verzögerung zurück. Himmelherrgott, Zoro wusste, das er Weihnachten hasste. Konnte er ihn da nicht einfach in Ruhe lassen? Fest der Liebe...eher Fest des Alleinseins, der Trauer und der Idioten, die gerne rot-weiß unterwegs waren. Wieder verdrehte Sanji die Augen. Zoro nervte ihn immer wieder, ohne Unterlass, und das, seit er vier Jahre alt war, ein viertel Jahr vor seinem fünften Geburtstag. Genauer gesagt: Seit sie sich kannten. Die Zeit zuvor hatte er ein Kindermädchen gehabt, doch seit dem Tag, an dem seine Eltern gestorben waren, dem 13.12. des Jahres damals, war es überflüssig, zumindest war das Jeffs Ansicht gewesen. Nachdem seine Eltern tot waren, war er quasi sofort zu ihm gezogen, und hatte dann auch in den Kindergarten gehen müssen. Von dem Tag an war Jeff sein Vaterersatz gewesen, auch wenn er bis dahin nur ein guter Freund der Familie gewesen war. Aber an diesem Tag hatte sich eh alles geändert. An dem Tag, als die Männer in Rotweiß sein Vertrauen missbraucht und ein unschuldiges Kind hintergangen hatten. Ein Kind, das geglaubt hatte. „Kinder! Der Weihnachtsmann ist da!“ Jubelnd lief die Kinderschar zusammen und niemand scherte sich um den Neuling, der mit einem Mal kreidebleich wurde. Niemand bemerkte es, außer ein paar giftgrüner Augen, die zu einem Jungen gehörten, den Sanji noch nicht wahrgenommen hatte. Ein Junge, der für sein Alter viel zu still war, im Gegensatz zu den anderen der Gruppe stand. Genauso wie Sanji selbst. Ein Außenseiter. Zu still um aufzufallen. Nicht anders wie bei ihm. Er hatte geschwiegen und der Trubel um den Neuling hatte sich schnell wieder gelegt. Niemand wollte etwas mit jemandem zu tun haben, der sich lieber ausschwieg. Zu frisch waren die Wunden. Zu frisch die Erinnerungen. Zu frisch alles, was der Junge vergessen wollte. Woran er nicht mehr denken wollte, und es doch nicht konnte. Ein kräftiger Mann betrat den Raum und Sanji stolperte zurück. Ein weißer Bart hing auf der breiten, rot eingepackten Brust. Ängstlich blickte Sanji ihn an. „HoHoHo“, machte die Gestalt, und der kleine Blonde konnte nichts anderes tun, als die Beine in die Hand zu nehmen. Sein stolpernder Lauf führte ihn zu dem Gemeinschaftsbad, in dem sich auch die Toiletten befanden, und er warf die Tür lautstark hinter sich zu. In dem Trubel wurde es nicht einmal bemerkt, und Sanji war das nur Recht. Er wollte alleine sein, wollte diesen brutalen Kerl nicht sehen. Wollte nicht sehen, wie sich der Bart rot färbte, nicht, wie ein Messer immer wieder in den Körper seiner Mutter fuhr. Auch wenn das bedeutete, das er Schränke meiden musste. Durch die Lamellen sah man viel zu viel, und konnte nicht mehr tun, als stumm zu weinen. Zusehen, wie sich die Mutter schützend vor diesem aufgebaut hatte, nachdem der Vater mit einem heiseren Röcheln zu Boden gegangen war. Ein Röcheln, das zu einem Ertrinkenden gehörte, ebenso wie das schwarze Blut zu dem der Lunge, und der faulige Geruch zu dem letzten bisschen ausgestoßenen an Luft. Atemreserve, wie er gelernt hatte. Die letzten zehn Prozent des Lungenvolumens, ausgestoßen im Todeskampf. Ein schwerer Geruch nach Verwesung, Zersetzung. An die restliche Sauerei wollte er lieber gar nicht erst denken. Eltern hatten es nicht verdient, vollkommen besudelt im Gedächtnis zu verbleiben. Er verkroch sich in eine Badezimmerecke, eine Ecke des Schrankes, und drückte sein kleines Gesicht zwischen die Knie, die er angezogen und mit den Armen umschlungen hatte. Abwehrhaltung durch und durch. Schrankhaltung. Vollkommen entsetzt sah er auf, als sich die Tür öffnete. Doch der Alptraum blieb aus. Ein Junge mit fast neongrünen Haaren betrat den Raum und schloss die Tür hinter sich. Kam näher, ohne ein Wort zu sagen, und ließ sich neben dem Blonden nieder. Ohne eine Frage, ohne etwas zu sagen. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich an die Wand, saß so nahe bei Sanji, dass dieser die Wärme des anderen kleinen Körpers spüren konnte. Eine Nähe, in der es sich weinen ließ. Eine Nähe ohne Worte. Mit einem Ruck ging die Tür auf und der Grünhaarige, der umso vieles größer war als in seiner Erinnerung, betrat den Raum. „Ist gut, hauen Sie wieder ab!“, knurrte er, und schob jemanden aus der Wohnung, der neugierig hinein gelinst hatte. Sanji hatte ihn, während er sich ruckartig erschrocken aufsetze, als den Hausmeister identifiziert. Wie kam er hierher? Und wieso ließ er Zoro in die Wohnung? Genau das fragte er Zoro, als dieser die Tür vor dem verdatterten Mann zuwarf und sich, mit einem Rucksack und angepissten Gesichtsausdruck bewaffnet, zu Sanji herumdrehte und in einer fließenden Bewegung aus seinen nicht geschnürten Springerstiefeln schlüpfte. Eine Jacke trug er erst gar nicht, da er erstens abgehärtet war und zweitens der Weg zu seinem blonden Alptraum auch nicht der weiteste war. Eigentlich. Aber das war ein Punkt, über den Zoro lieber stillschweigend hinwegsah. Er konnte schließlich nichts dafür, dass die Straßen nie da lagen, wo sie ursprünglich verlegt sein sollten. „Deine Nachbarn wollen ihre Ruhe, haben aber eingesehen, dass sie mich net loswerden...“, grummelte Zoro wenig begeistert und der Blonde verdrehte die Augen, welche bei genauerem Hinsehen rot gerändert waren. Schien als wäre an diesem Tag die dominierende Farbe immer und überall rot, auch wenn das zumindest an Zoro unbemerkt vorbeigegangen war. Er war wie immer nur in blau und schwarz gehalten, abgesehen von seinen grünen Haaren. Aber dass etwas an Zoro unbemerkt vorbeiging, war nicht weiter verwunderlich. Glaubte man der Ansicht des Grünhaarigen, taten dies nämlich auch Straßen und Häuser. Der Hinweis, dass diese für gewöhnlich nicht gingen, wurde knallhart ignoriert. „Wieso kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?“, knurrte Sanji und ließ sich seufzend zurück sinken, wenn auch dieses Mal auf den Rücken. Zoro machte sich nicht einmal die Mühe, darauf zu antworten, sondern kam zum Sofa, stellte seinen Rucksack ab und griff nach Sanjis Beinen, die er, trotz des Protestes des Blonden, einfach ein Stück weit anhob, sich setzte und sie dann auf seinem Schoß platzierte. Erst dann setzte er zu so etwas wie einer Antwort an, wenn auch ohne Worte. Er griff einfach nach seinem Rucksack und holte eine lädierte Schachtel heraus, legte sie auf Sanjis flachen Bauch. „Was ist das?“, fragte dieser mit hochgezogener Augenbraue. „Guck doch...“, kam es wortkarg wie gewohnt zurück und Sanji richtete sich ein kleines Stück auf, öffnete sie und fand einen angematschten kleinen Kuchen aus der Bäckerei am anderen Ende der Stadt. Schien als hätte Zoro wieder einen kleinen Umweg eingelegt. Er wollte etwas sagen und sah wieder zu dem Grünhaarigen, der grade beleidigt eine Thermoskanne herausholte. „Der Kakao is kalt...“, murrte er und ohne es zu wollen, musste Sanji grinsen. „Spinner!“ Zoro zuckte mit den Schultern und sah den Blonden prüfend an. „Solltest du dich langsam dran gewöhnt haben, Idiot. Und jetzt iss’ deinen blöde Kuchen, ich bin nicht umsonst durch die halbe Stadt gerannt“, murrte er weiter und lehnte sich zurück. „Manchmal hab ich echt das Gefühl, dass du mich irgendwie zu mögen scheinst...“, kam es nachdenklich von Sanji und er brach sich ein kleines Stück des Kuchens ab. Nugat. Das, was er liebte. Eigentlich nicht weiter verwunderlich. Manchmal war Zoro netter als er zugeben wollte. „Und ich hab manchmal das Gefühl, das du noch dämlicher bist, als es den Anschein hat, Blondie!“, kam es zurück und Sanji sah mit einem leichten Lächeln zu ihm. Verwunderlich. Sonst antwortete er ihm so gut wie nie auf diese Feststellung. Wenn er es denn mal feststellte. Auch auf Zoros Züge legte sich ein schmales und doch ehrliches Lächeln. Und Sanji hatte für einen kurzen Moment das Gefühl, dass es vielleicht doch ein schönes Weihnachten werden konnte. Warmen Kakao konnte er ja immer noch machen. Und ansonsten...hatte er zumindest einen Freund, dem er bedingungslos vertraute. Und der tief drinnen, unter der Fassade des vollidiotischen Arschlochs, doch ein wirklich liebenswerter kleiner Trottel war. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)