100% Sorglospunks! von abranka ================================================================================ Kapitel 47: Sorglospunks mal anders oder Die Super-Sorglospunks --------------------------------------------------------------- Alles fing mit der alten Villa an, die Chris von einem entfernten Onkel geerbt hatte. Warum gerade er in den zweifelhaften Genuss gekommen war, dieses alte Gemäuer sein eigen nennen zu dürfen, war keinem der Sorglospunks so wirklich klar. Aber etwas dagegen hatten sie natürlich nicht. Dennoch war dieses Gemäuer inmitten dieses kleinen Dorfs am Rande des Ruhrgebiets doch wenig heimelig. Die altmodischen Fensterläden waren vernagelt, die Farbe blätterte von den Mauern und der windschiefe Zaun umfasste einen verwilderten Garten, der offenbar ein Brennnesselmekka darstellte. „Bist du sicher, dass du da reingehen willst?“, erkundigte sich Jack, die Bandleaderin, bei ihrem mit Erbglück/-pech geschlagenen Gitarristen. „Klar. Onkel Benno war jetzt nicht gerade eine Ausgeburt an Mut, von daher wird uns sicher nichts Böses erwarten“, gab dieser betont draufgängerisch zurück. „Na, ich weiß ja nicht…“, meldete sich nun Easy, die dritte im Bunde, zu Wort. Die Sängerin schauderte sichtlich. „Wir haben schließlich schon so viele unheimliche Gemäuer betreten, in denen dann auch Unheimliches passiert ist…“ „Wo ist denn dein Übermut hin?“, spöttelte Chris und marschierte dann betont mutig voraus. Das war schließlich eine Gelegenheit, den beiden Mädels zu zeigen, dass er eben doch ein echter Kerl war. Natürlich hinderte das die Zwillingsschwestern kein bisschen daran, ihm direkt auf dem Fuße zu folgen. Im Inneren erwartete die drei Sorglospunks vor allem Staub und Dunkelheit. „Muffig ist es hier.“ Jack zog die Nase kraus. „Aber toll!“ Chris strahlte. „Schau, hier können wir unser Wohnzimmer haben, im Dachgeschoss bauen wir ein Studio ein…“ „Und vorher gewinnen wir im Lotto…“, ergänzte Jack trocken. Chris schwieg betreten, strahlte aber immer noch angesichts dieses tollen Hauses. Es war einfach genial! Und so machten sie sich an die Erforschung des alten Gemäuers. Die Einrichtung stand noch in allen Räumen. Es handelte sich dabei vor allem um alte, dunkle Eichenmöbel, samtene Vorhänge, teure, alte Teppiche und alte, dick gepolsterte Stühle. Alles hier drin war alt. Auch die Stromleitung, wie Easy nach einem Schreckmoment mit durchknallender Sicherung feststellen musste. „Das muss komplett renoviert werden“, moserte Jack herum. „Damit können wir nichts anfangen, Chris!“ „Wenn dann, muss eh ich etwas damit anfangen!“, schnappte er beleidigt. „Ja, ja, dann eben du.“ Die Bandleaderin rollte mit den Augen. „Guckt mal! Das Bücherregal ist toll!“, jubelte Easy. Momentan hockte die junge Frau mit dem strubbeligen braunen Haar auf der obersten Stufe der beweglichen Leiter, die an dem Regal befestigt war. „Massen an Büchern! Bücher sind toll!“ Sie wollte einen der alten Wälzer dort oben herausziehen, doch irgendwie klemmte dieser fest. „Mist! Mist! Mist! Mist hoch drei!“, fluchte sie und zog fester. „Easy, lass das!“, rief Chris aus. „Halt dich fest!“, entfuhr es Jack. Doch zu spät. Das Buch löste sich zwar nicht aus dem Regal, kippte jedoch schlagartig in die Waagerechte, Easy verlor den Halt und stürzte ab. Und während sie noch leise jammerte, drehte sich auf einmal das Regal bei Seite und gab den Weg auf einen erleuchteten Tunnel frei. Die Sorglospunks sahen sich an. „Mir scheint, Onkel Benno hatte wohl das eine oder andere Geheimnis.“ Langsam tasteten sie sich durch den zwar erhellten, aber nichtsdestotrotz äußerst unheimlichen Tunnel vorwärts. Schließlich erreichten sie am Ende einen großen Kellerraum. „Cool, das ist wie die Bathöhle!“, entfuhr es Chris. Mit offenem Mund blickte er sich um. Eine riesige Computerinstallation mit einem kinoleinwandgroßen Monitor nahm die Front des Raumes vollständig ein. An der rechten Wand befand sich ein Fahrstuhl, an der linken zweigte ein Gang ab und neben besagter Plattform stand eine gemütliche Sitzecke mit einem großen Besprechungstisch. Die technischen Gerätschaften glänzten wie poliert und waren offenbar auch in der Zeit seit Onkel Bennos Tod regelmäßig gewienert worden. Und während Chris noch wie ein kleiner Junge begeistert staunte und schließlich gemeinsam mit Easy losflitzte, um sich alles aus der Nähe anzusehen, blickte sich Jack aufmerksam um. Ihr stellten sich gerade die Nackenhaare auf, weil ihr bewusst wurde, dass sie hier sicherlich nicht alleine waren und dass das dort vor ihnen sehr viel mehr bedeutete, als nur eine kleine Spielerei. Deutlich langsamer folgte sie den anderen beiden, nachdenklich und mit gerunzelter Stirn. Eine halbe Stunde später war alles so weit inspiziert. Der Tunnel führte zu einem großen Ankleidezimmer, in dem einige Kostüme an der Wand hingen, die ihnen eine Ahnung gaben, wozu diese Computeranlage da sein könnten. Chris’s erster Ausruf von wegen „Bathöhle“ war gar nicht so falsch gewesen. Offenbar war Onkel Benno ein Superheld gewesen. Und zwar niemand anderes als der berühmte Phantomias! Jetzt saßen sie in der Sitzecke beisammen und Chris murmelte immer wieder vor sich hin: „Ich fasse es nicht: der ängstliche Onkel Benno ein Superheld. Ich fasse es nicht.“ Jack ignorierte Chris’ Gebrabbel und stellte ihre Vermutungen in den Raum: „Wir sollten uns weniger Gedanken darum machen, dass Onkel Benno Phantomias war, sondern vielmehr darüber, wer in der Zwischenzeit hier alles instand gehalten hat.“ „Du meinst er hatte einen Igor?“, fragte Easy aufgeregt. „Einen Igor?“ Chris unterbrach sein Gebrabbel. „Du weißt schon. Einen Helfershelfer, der fo fprifft.“ Sie lispelte absichtlich. „Äh, eher nicht. Das wäre ein Frankenstein und ich wage zu bezweifeln, dass Superhelden viel mit verrückten Experimenten zu tun haben.“ Jack rollte die Augen. Aber zumindest hatte Easy das Prinzip verstanden. „Den verrückten Experimenten möchte ich nicht unbedingt widersprechen, diesem Bild des Assistenten eines Superhelden allerdings vehement“, ertönte in diesem Augenblick eine wohlklingende, die Worte klar und sauber – mit einem leicht englischen Akzent – artikulierende Stimme aus Richtung Eingangstunnel. Sofort fuhren die drei herum. Dort stand ein älterer Herr mit strahlgrauem Haar in einem schicken schwarzen Anzug. „Und Sie sind…?“, fragte Jack, die als erste die Sprache wiedergefunden hatte und im Gegensatz zu Chris und Easy nicht hinter den Sesseln in Deckung gesprungen war. „Alfred.“ Die Fremde verneigte sich zur Begrüßung nach bester Butlermanier. Doch ehe er noch etwas hinzufügen konnte, erscholl eine andere Stimme aus dem Tunnel. „Onkel Alfred? Wo bist du denn jetzt?“ Dann trat jemand in den Raum, der den Sorglospunks nur allzu vertraut war. „Ist das der Computer?“, stellte sie die nächste Frage und dann bemerkte die Gestalt die drei Sorglospunks. Die junge Frau mit dem kurzen blonden Haar und in dem schicken Maßanzug blickte ihren Onkel an. „Ich glaube, das solltest du mir erklären.“ Denn die Nichte des Butlers und Assistenten von Phantomias war niemand anders als Nifen, die Bandmanagerin der Sorglospunks. „Dem stimme ich absolut zu“, sagte Jack nach einer Weile des Schweigens. Wenig später erfuhren die Sorglospunks, dass Onkel Benno als Phantomias den Kampf gegen seinen Erzfeind den Schattenmann geführt hatte. Dabei ging es um nichts Geringeres als den Kampf Gut gegen Böse, Richtig gegen Falsch. Und eben dieser Schattenmann hatte sich zwar einige Jahre nicht mehr sehen lassen, sodass Onkel Benno sich zur Ruhe hatte setzen können, jedoch war er just in dem Moment, als Onkel Bennos Sarg in das Grab hinabgesenkt wurde, wieder in Erscheinung getreten und hatte eine Bank überfallen. Ein Banküberfall, so hatte Onkel Alfred erklärt, war stets der Beginn. Danach besaß der Schattenmann wieder die finanziellen Möglichkeiten, um seine finsteren Pläne voranzutreiben und an deren Ende stand nie etwas anderes als die Eroberung Weltherrschaft. „Das heißt, wir müssen – mal wieder – die Welt retten.“ Jack versuchte gar nicht erst, ein Augenverdrehen zu unterdrücken. „Und dafür werden wir Superhelden!“, jubelte Easy. „Genau.“ Nifen nickte und fixierte Onkel Alfred. „Und wenn ich das richtig sehe, wird einer von euch das Erbe von Phantomias antreten und sein Kostüm benutzen.“ „Wieso?“, fragte Easy mit offenem Mund. „Onkel Benno ist doch tot!“ „Aber Phantomias lebt“, wandte der Butler ein. „Auch Benno hat die Identität des Phantomias geerbt. Jetzt ist es an der Zeit, dass sein Erbe, Chris, diese Identität weiterführt.“ „Wow. Ich werde Phantomias!“ Mit leuchtenden Augen blickte Chris die anderen an. „Gut, das wäre eins. Easy, Jack, da ihr Chris ja sicher helfen wollt, braucht ihr auch eine neue geheime Identität.“ „Oh, cool, cool, cool!” Begeistert klatschte Easy in die Hände. „Was ist im Angebot?“ Jack klang betont desinteressiert. „Im Endeffekt das gleiche wie für Phantomias. Alle möglichen technischen Spielereien und ein Anzug, der eure Körperkräfte erheblich verstärkt und dafür sorgt, dass ihr fliegen könnt. Ihr braucht letztlich nur einen tollen Namen und solltet euch für eine Farbe entscheiden.“ „Ich bin Fly Girl!“ Easy war kurzentschlossen. „Fly Girl?“ Nifen zog eine Augenbraue hoch, verkniff sich aber jegliche Bemerkung dazu. Sie wusste jedoch jetzt schon, dass ganz schnell von dem Fliegenmädchen die Rede sein würde. Und die Karikaturisten würden Easy als riesige Fliege darstellen. Aber bitte… „Kaffeejunkie“, sagte Jack schließlich. „Und ich will so eine geniale Brille haben wie Cyclops von den X-Men, die meine eigenen Augen rot aussehen lässt, aber durch die ich ganz normal gucken kann.“ „Okay.“ Onkel Alfred zuckten mit den Schultern. Das war eine seiner leichtesten Übungen. Da musste er nur die Laser-Fernsicht-Röntgen-Brille ein wenig modifizieren und fertig. Was die Farben anging, blieb Chris bei dem traditionellen Schwarz und Blau, Easy wählte Schwarz und Grün und Jack Schwarz und – natürlich – Rot. Gegen die Vorstellung von flatternden Capes hatte sich Alfred kategorisch dagegen ausgesprochen. Er wies nur trocken auf die Gefahr hin, dass man damit irgendwo festhängen, festklemmen und eingesaugt werden konnte. Daher kamen Capes absolut nicht in Frage. „Übermorgen habe ich eure Anzüge fertig. Kommt dann wieder und wir besprechen alles Weitere.“ Noch während die drei Sorglospunks ihre neuen Anzüge testeten und damit fröhlich in heldenhaften Haltungen posierten, hockte Nifen vor dem gigantischen Computer und nutzte dessen Rechenleistung vollkommen aus. Dann stutzte sie. „Leute! Leute!“, rief sie aus und sofort besaß sie alle Aufmerksamkeit – außer von Easy, die noch darüber moserte, dass ein Cape ihren Anzug sehr viel schicker hätte aussehen lassen. „Nach den Berechnungen wird der Schattenmann heute Abend kurz vor Ende der Öffnungszeiten einen weiteren Überfall tätigen. Das bedeutet, dass ihr heute direkt eure Feuerprobe haben werdet.“ „Feuer? Von Feuer hat vorher aber keiner was gesagt!“, platzte Easy heraus, was ihr eine Kopfnuss von Jack eintrug. „Dann sollten wir uns wohl besser einen Plan überlegen“, sagte diese überlegen und übernahm nahezu vollkommen natürlich die gleiche Anführerrolle wie bereits in der Band. Im Schatten warteten die Super-Sorglospunks und beobachteten, was geschah. Noch war die Sparkasse hell erleuchtet und Kunden gingen ein und aus, um noch mal eben schnell eine Überweisung zu tätigen oder das zu tun, was man kurz vor Schluss noch in einer Sparkasse so tat. Dann raste ein schwarzer amerikanischer Wagen – vergleichbar dem vom A-Team nur ohne den roten Streifen – heran, donnerte auf den Bordstein, fünf schwarz gekleidete Handlanger sprangen heraus und ein großer, ebenfalls ganz in Schwarz gehüllter Mann folgte ihnen. Sein langes Cape wehte hinter ihm her, als er in der Bugwelle seiner Handlanger die Sparkasse betrat. „Jetzt!“, flüsterte Kaffeejunkie leise und stürmte gemeinsam mit ihren Gefährten los. Und während die Bösewichte in der Sparkasse noch „Hände hoch! Geld her!“ brüllten, riefen sie: „Hände hoch oder wir schockfrosten euren Boss!“ Drei Eispistolen waren auf den Schattenmann gerichtet, der sich wenig interessiert zu ihnen umwandte. Sein Gesicht war unheimlich: In der vollkommenen Schwärze schienen nur die wabernden Schatten die menschlichen Gesichtszüge zu erstellen. „Du!“, fauchte er dann und deutete auf Phantomias. „Du bist tot!“ „Nö!“ Phantomias grinste und feuerte mit seiner Eispistole gedankenschnell auf einen der Handlanger, der gerade eine Geisel nehmen wollte. Dieser wurde schlagartig schockgefroren: Weißes Eis überzog von der Einschussstelle aus in Sekundenbruchteilen seinen Körper und fror ihn vollständig ein. Alfred hatte gesagt, dass man die Menschen hinterher problemlos wieder auftauen konnte und darauf vertrauten die Super-Sorglospunks jetzt. „Bastard!“, tobte der Schattenmann. „Ich werde dir das Herz rausreißen!“ „Oh, da sind wir aber gegen!“, entgegnete Kaffeejunkie mit einem süffisanten Grinsen und streckte seinerseits einen der Handlanger eiskalt nieder. „Und wer seid ihr?“ Der Schattenmann spuckte das letzte Wort regelrecht aus. „Ich bin Fly Girl!“, sagte Easy stolz. „Und das ist Kaffeejunkie.“ „Superhelden?“ Noch nie war dieses Wort mit mehr Abscheu und angewiderter ausgesprochen worden. „Was sonst?“ Kaffeejunkie grinste breit. „Dann macht euch auf eure Niederlage gefasst!“ Der Schattenmann streckte die Arme aus und Dunkelheit kroch aus seinen Fingerspitzen, griff die Schatten der Super-Sorglospunks und nagelte diese fest. Und diese dunklen Bande hielten auch die Originale fest! „Spürt meine Macht!“ „Jetzt!“, brüllte Phantomias und eine Blendgranate wurde aus dem Gang geschleudert, der zu den Kundentoiletten führte. Dort stand Kakaolady und wog bereits die nächste Granate in der Hand, während das Licht die Schatten zerfetzte und alle Beteiligten geblendet zurückließ. Nur Kaffeejunkie konnte dank seiner roten Brille noch sehen – und der Schattenmann, der seine Augen reflexartig geschützt hatte. Der Schattenmann stürzte zur Tür, um zu fliehen und Kaffeejunkie schoss – daneben! Stattdessen entstand nun eine Eisbahn unter seinen Füßen, über die der Schattenmann schlidderte. Doch das hinderte ihn nicht daran, schnell voranzukommen – im Gegenteil! „Die Tür!“ Und noch während sich die Glastür hinter dem Schattenmann schloss, feuerten Phantomias und Fly Girl gemeinsam auf den Türmechanismus und legten diesen lahm. Die bruchfeste Glastür klemmte das Cape des Schattenmanns ein und nagelte diesen fest, bis schließlich die Polizei kam. „Kakaogirl? Cool.“ Nifen grinste. „Kakaogirl zu sein gefällt mir.“ „Kaffeejunkie hat auch was“, stimmte Jack zu. „Aber das mit dem Cape am Ende ist einfach schwach, Easy.“ Sie schüttelte den Kopf. „Och, Menno…“ Easy schmollte und ließ sich auch nicht davon trösten, dass Chris Phantomias ganz toll fand. Schließlich sollte das hier der Auftakt zu dem Superheldenepos der Sorglospunks werden und nicht nur eine kleine Nebenbei-Kurzgeschichte. Und verfilmt werden musste dieses Superheldenepos sowieso! Denn was war denn bitte schön eine Band ohne ihren eigenen Film? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)