100% Sorglospunks! von abranka ================================================================================ Kapitel 33: Dann eben ohne uns ------------------------------ „ICH BIN EIN STAR, HOLT MICH HIER RAUS!“, brüllt Easy mit allem, was ihre gesangserprobte Stimme hergibt, und lässt die Flora – sowie vermutlich auch die darin verborgene Fauna – des palumbischen Regenwalds erzittern. „Boah, Easy!“, protestiert Jack, ihres Zeichens Easys Zwillingsschwester, als das Klingeln in ihren Ohren nachgelassen hat. „Hast du nen Knall???“ Stillschweigend muss ich ihr Recht geben – und vermutlich tun das auch die anderen Teilnehmer unserer eher unfreiwilligen Dschungel-Expedition, die da sind Chris, der dritte Sorglospunk im Bunde, Nifen, die Managerin besagter Band, und Kiwi, das offizielle Bandmaskottchen, das seit Verlassen des Flugzeugs Asyl auf meiner Wolke gesucht hat und – da die Wolke nur übernatürliche Lebewesen wie Musen, Teufeln und ähnliches trägt – meinen Schoß seither nicht mehr hat freigeben wollen. Bei meiner Wenigkeit handelt es sich um die Bandmuse und ich höre – meistens, wenn ich nicht gerade durch einen fernsehgeprägten Urschrei vorrübergehend taub geworden bin – auf den Namen Abranka. Und während jetzt gerade eine heftige Diskussion über die Erreichbarkeit von privatsendereigen Einsatzteams aus dem australischen Dschungel im südamerikanischen Palumbien mittels Urschrei losbricht, lasst mich euch kurz erzählen, wie es ausgerechnet uns in die Heimat des sagenumwobenen Marsupilamis verschlagen hat... Angefangen hat alles mit einer Beschwerde von den Nachbarn wegen Lärmbelästigung. Gut, wir mussten ja zugeben, dass Easy die Verstärker etwas laut gedreht hatte und wir somit – ungeplanterweise! – die gesamte Straße beschallt hatten. Bisher war das aber immer noch gut gegangen. Tja, wenn... Wenn das kleine Dörfchen im Schwabenländle, das wir unser sorglospunkiges Zuhause nannten, nicht einen neuen Bürgermeister bekommen hätte, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, einen Haufen Touristen in den beschaulichen Ort zu ziehen. Und dazu passte – aus seiner kleinkarierten Sicht – eine durchgeknallte Punkband auf dem Weg zum großen Durchbruch einfach nicht. Besonders nicht, wenn den halben Nachmittag über Wurstbrot mit Senf, den Teufel und ähnlich verrückte sowie moralisch fragwürdige Dinge herumgegrölt wurde. Das war der O-Ton dessen, was er uns bei unserer Vorladung – anders konnte man diesen Termin mit Mr. B. kaum nennen – an den Kopf warf. Und dann legte er uns nahe, doch den Ort zu verlassen und wenigstens nach Stuttgart zu gehen. In der Großstadt würden diese Verrücktheiten ja nicht weiter auffallen, aber hier wären wir nicht mehr willkommen. Und dann wurden wir hinauskomplementiert, ohne überhaupt eine Chance zu haben, uns auch mal zu den Vorwürfen zu äußern. Beispielsweise indem wir die viele Öffentlichkeitsarbeit erwähnten, die die Sorglospunks auf ihren Konzerten kostenlos (!!!) für besagtes Dörfchen machten. Nichts, keine Chance. Easy war ganz bleich und schockiert, als wir aus dem Rathaus wieder nach draußen traten. Jack tobte vor Wut und verkündete, wen sie alles zwecks Protestaktion anrufen wurde. Chris unterstützte sie dabei laut fluchend. Nifen fuhr sich nachdenklich durch die Haare und überlegte, was wir am besten aus der Sache machen konnten. Und ich bemühte mich, Easy ein wenig zu trösten, denn die Tatsache, dass sie in ihrer Heimatstadt nicht mehr erwünscht war, machte ihr doch gehörig zu schaffen. Und plötzlich, mitten in Jacks große Pläne der Dorfherrschaftsübernahme mit Hilfe ihres persönlichen Fanclubs aus Fußballspielern, sagte sie: „Na, dann eben ohne uns. Sollen die doch sehen, wie sie klar kommen!“ Mit großen Augen sahen wir uns an. Easy redete zwar gerne davon, in die große Welt zu gehen, aber sie liebte das Dorf auch heiß und innig und hatte es sich bisher nicht vorstellen können, wirklich dauerhaft fortzugehen. „Nifen, war da nicht so ein Angebot mit Flügen nach Palumbien?“ „Äh, ja...“ Die Spam-Mails hatten der Managerin mal wieder etwas Interessantes beschert, nämlich Sonderpreise für Musiker, die in das ferne Palumbien in Südamerika fliegen und dort an einer Marsupilami-Such-Dschungel-Expedition teilnehmen wollten. (Für diejenigen, die es nicht wissen: Ein Marsupilami ist ausgewachsen etwa einen Meter groß, hat gelbes Fell mit schwarzen Punkten – alternativ kann es auch schwarz sein –, erinnert von der Gestalt her ein klein wenig an einen Affen und besitzt einen rund acht Meter langen Schwanz, der geknotet als Waffe genutzt wird und ansonsten zum Klettern und für diverse andere Zwecke dient.) „Gut, dann fliegen wir. Wir hauen einfach ab.“ Und damit wandte sich Easy um und marschierte uns allen voran zurück nach Hause. Wir anderen sahen uns lange an und zuckten dann mit den Schultern. Warum nicht? Etwas Abstand würde uns sicher gut tun. Und zurückkehren konnten wir ja immer noch. Wenn Chibichi, der Teufel höchstpersönlich, auf unsere Wohnung aufpassen würde, konnte ja absolut nichts schiefgehen. ...fast nichts. Denn, dass es natürlich von unseren Nachbarn und den Spitzeln des Bürgermeisters mit Argusaugen beobachtet wurde, wie Chibichi in die Sorglospunks-WG einzog und wir uns mit wehenden Fahnen, klimpernder Gitarre und unter folgendem Easy’schem lautstarkem Protestgesang zur Melodie von Rod Stewarts „Sailing“ auf den Weg zum Flughafen machten: „Wir gehen fort. Wir gehen fohooort. Jahaaa, fohooort gehen wir. Und dann sind wir weg. Einfach weeeheeeg. Weheeeg sind dann wir.“ Nifen winkte Chibichi so lange wie möglich noch zu und diese erwiderte den Gruß fröhlich und mit wehenden Teufelsschwingen. Potenziell würde dieser dämliche neue Bürgermeister sich ja noch mal überlegen, was er da ausgelöst hatte. Denn wenn jemand den Teufel auf seiner Seite hatte, war dieser jemand schließlich ein wenig unberechenbar... Und der – also der höllische Oberboss – hatte garantiert noch irgendein As im Ärmel. Tja, der Flug war in Ordnung. Die Fahrt hinaus in den Dschungel auch. Der Dschungel ebenfalls, jedenfalls so lange, bis Easy meinte, einen gelben, schwarzgepunkteten Marsupilami-Schwanz im Dickicht entdeckt zu haben, fröhlich jubelnd den schmalen Pfad verließ und uns dazu brachte ihr zu folgen – wir konnten sie ja schließlich nicht allein lassen –, sodass wir den Rest der Expedition, insbesondere unsere orts- und dschungelkundigen Führer – verloren und uns hemmungslos verliefen. Es gibt eben so Tage, da sollte man definitiv im Bett bleiben. So haben wir uns also in diese missliche Lage gebracht. Langsam ebbt die heftige Diskussion neben mir ab. Sogar die so unterschiedlichsten Zwillinge aller sorglospunkigen Zeiten können schließlich nicht ewig streiten. Insbesondere nicht angesichts der Tatsache, dass der Welt ein potenzielles sorglospunksfreies Dasein droht. Und das muss eindeutig abgewendet werden. Denn eine Welt ohne Sorglospunks ist nun wirklich nicht in dem Sinne irgendeines von uns. (Und von euch hoffentlich auch nicht!) Vermutlich wird es jetzt doch Zeit, dass ich mein übersinnliches Mobiltelefon heraushole, das an das HHO-Netz (Himmel-Hölle-Olymp-Telekommunikationsnetzwerk) angeschlossen ist. Dauerhafter Empfang und Zugriff auf das überirdische Telefonbuch jederzeit, überall und nirgendwo garantiert. „Hey, da ist ein Marsupilami!“, ruft Easy in genau diesem Moment. „Nicht schon wieder!“, protestiert Chris noch, doch die Bandleaderin ist schon ins Dickicht unterwegs. „Verliert sie nicht aus den Augen!“, kommandiert Nifen und läuft ihr als erste nach. Chris folgt leise grummelnd und Jack ebenfalls, wenn auch unter kräftigen Verwünschungen und der Beteuerung, dass instrumentale Punkmusik eine tolle Neuerung sei und eine große Zukunft besäße. So lasse ich das Handy lieber noch stecken und flitze auf meiner Wolke hinter den vieren her. Wie ich die kenne, schliddern die doch garantiert in irgendwelche Schwierigkeiten. Gedacht, vorhergesagt, eingetreten. Anders kann man den Anblick nicht deuten, der mich keine zwei Minuten später erwartet. Easy hat offenbar tatsächlich ein Marsupilami gesehen. Höchstwahrscheinlich exakt das Exemplar, das jetzt seinen langen Schwanz um ihre Beine gewickelt hat, sodass sie kopfüber herunterhängt und von ihm aus großen schwarzen Augen neugierig beäugt werden kann. Easy guckt – noch fröhlich und gelassen – nicht weniger neugierig zurück. Nifen, Jack und Chris werden vom Rest der Marsupilami-Familie – drei Kindern, von denen die zwei gelbbefellten noch nicht einmal schwarze Punkte haben (das dritte ich gänzlich schwarz), und der Gattin – in Schach gehalten, die alle vorsorglich ihre Schwänze zu großen Knoten verknäult haben. Ich verstehe zwar kein Katzisch, aber ich bin mir sicher, dass Kiwi bei diesem Anblick gerade ganz laut lacht. Ehrlich gesagt muss ich mir das Lachen auch verkneifen, weil genau so etwas so unglaublich typisch für diese Band ist. (Aber genau deswegen liebe ich diesen Job ja. Vorhersehbarkeit ist doch langweilig.) „Huba Huba?“, fragt das Marsupilami und stupst Easy in die Seite. Diese muss kichern. „Huba!“, antwortet sie und strahlt das Marsupilami an. Doch damit nicht genug. Mit einer Inspiration, an der ich absolut unschuldig bin, trällert sie auf einmal los: „Huba! Huba! Hubi Hubi Hub! Ohoooo Huba! Ohoooo Huba! Huba Hubi Hub!” Die gesamte Marsupilami-Familie fährt auseinander und schaut sie mit aufgerissenen Augen an. Jack schlägt stumm die Hand vor das Gesicht und man kann von ihrer Miene ganz eindeutig ablesen, dass sie sich wünscht, Einzelkind zu sein. Chris gestikuliert noch, dass Easy still sein soll, doch die schmettert mittlerweile mit allem, was die sorglospunks-song-erprobte Stimme hergibt, ihr spontanes Huba-Ständchen durch den Dschungel. Und was dann passiert, ist wirklich faszinierend. Die Marsupilami-Kinder springen auf einmal fröhlich durch die Gegend und stimmen in ihren Gesang ein! Doch nicht nur das, das Marsupilami summt mit und fängt schließlich auch mit leicht krächzender Stimme an zu singen. Und sein Weibchen wagt sogar ein paar kokette Tanzschritte! „Ich will ne Kamera! Das ist doch nicht zu glauben...“, murmelt Nifen leise und schüttelt den Kopf. Manchmal, da ist der Wahnsinn, der diese Band umgibt, wirklich nicht mehr zu begreifen. Ich grinse vor mich hin und lehne mich auf meiner Wolke zurück, während einige Meter neben mir die wohl erste Marsupilami-Party seit Entdeckung dieses seltenen Geschöpfs ihren Anfang nimmt. Auch Jack und Chris haben nun in den Gesang eingestimmt. Jack zweckentfremdet einen hohlen Baumstamm als Trommel, während Chris auf einem breiten Dschungelgrashalm zu pfeifen beginnt. Als echte Band ist man eben auch in der Lage zu improvisieren und all das als Instrument zu nutzen, was einen umgibt. Noch während das wilde Gehopse weitergeht und mehr und mehr Dschungelbewohner von den ungewohnten Klängen angezogen werden, klingelt mein Handy. Es ist Chibichi. „Hey, Chi, du wirst es nicht glauben, hier...“ „Abby, die wollen mich exzorieren! Dieses Dorf ist vollkommen bekloppt geworden!“ „Äh, was? Das können die doch gar nicht!“ „Natürlich können die nicht! Aber nachdem ich Luzifer und Belzebub mit hergebracht habe, um die Leute mal ein wenig aufzumischen, drehen die hier vollkommen durch!“ „Oh...“ Ich lege die Stirn in Falten und grübele nach. „Kannst du denn noch...“ „Natürlich wehre ich die ab! Keine Frage!“ Ihr Lachen dringt über die Tausende von Meilen Entfernung und fühlt sich ein bisschen an wie Zuhause und verrät mir, dass die Panik zu Beginn des Gesprächs nur gespielt war. Der Teufel will schließlich auch ein bisschen Spaß haben. „Ich unterstütze ja nur die Protestaktion der Fußballjungs. Mittlerweile haben alle Einwohner außer dem Bürgermeister die Petition unterschrieben und...“ „Was für eine Petition?“, unterbreche ich sie aufgeregt. „Dass die Sorglospunks zurückkommen sollen und die Ehrenbürgerehre erhalten, damit man sie nicht mehr rausschmeißen kann. Die Jungs weigern sich, noch Fußball zu spielen, und du weißt doch, wie der Fußball hier in der Provinz gehandelt wird...“ Klar, ohne die allwochenendlichen Fußballspiele ging da nichts! Da war ja schon endlose Langeweile bei mehr als 70% der Einwohner vorprogrammiert, wenn auch nur Winterpause war. „Und? Was sagt Mr. B.?“ „Will heute seinen Rücktritt verkünden. Und dann könnt ihr wiederkommen.“ „Das ist super!“ Ich grinse ganz breit und kraule Kiwi zufrieden das Kinn. Auch sie wird sich garantiert freuen, wieder in den gewohnten vier Wänden zu sein. „Und? Was macht ihr gerade?“, fragt Chi neugierig, die vermutlich den Dschungelzirkus hören kann. „Oooch... Nichts besonders...“ Ich schiele mit einem liebevollen Lächeln zu meinen Schützlingen hinunter. „Easy singt mit vier Marsupilamis, Jack trommelt auf nem Baumstamm, Chris pfeift auf einem Riesengrashalm und Nifen tanzt mit einem Marsupilami... Das Übliche halt.“ Tja, wenn man uns im Schwabenländle nicht will, dann eben woanders. Denn eine Welt ohne uns, die is einfach nicht! (Basta!) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)