100% Sorglospunks! von abranka ================================================================================ Kapitel 14: Golden Goal ----------------------- „Leute, für das nächste VfB-Spiel brauchen wir eine Stadionhymne!“ Easy schoss aus dem Sessel in die Luft, zwang Kiwi zu einer katzigen Landung, weil diese von ihrem Schoß geschleudert wurde, und riss die restlichen Bandmitglieder aus ihrem Fußballhalbschlaf. Easy hatte auf das Schauen des DFB-Pokal-Viertelfinales VfB Stuttgart gegen Bayern München bestanden. Nur teilten Chris und Jack ihre akute Fußballbegeisterung nicht so sehr, wie es sich die sorglose Frontfrau wünschte. Dennoch brachten die beiden Easys Leidenschaft immerhin eine gesunde Toleranz entgegen – Easy war schließlich auch niemand, den man von seinen Begeisterungen und Besessenheiten trennen sollte. Wenn man ihnen nachkam, passierten nämlich a) regelmäßig interessante Dinge und sprangen b) doch die einen oder anderen Songtexte dabei heraus und c) waren sie generell sehr unterhaltsam. Und so blickten Chris und Jack ihre Bandleaderin fasziniert an und warteten auf weitere Infos, die sicher auch gleich kommen würden. So war es auch. „Stellt euch doch mal vor! Wir können dann im Stadion singen! Vor Tausenden von Menschen! Wir können einen Klassiker schaffen! Einen Evergreen! Wie Grönemeyers ‚Bochum’. Wie ‚You never walk alone’! Stellt euch vor, wie ein ganzes Stadion unseren Song singt!” „Schon... Nur hat jeder Verein schon längst seine eigenen Hymnen und Gesänge“, warf Chris behutsam ein. „Na und? Wir machen was Universelles!“, fuhr Easy unbeeindruckt fort. „Okay... Dann schreib“, entschied Jack. „Nein, nein, nein.“ Die Frontfrau und Songwriterin der Sorglospunks schüttelte den Kopf. „Dafür brauche ich ein Fußballspiel. Live. Nicht auf der Mattscheibe!“ Schweigen. Easy wähnte sich schon siegesgewiss, dass somit die nächsten Karten für ein VfB-Spiel sicher waren, dann kam Jacks Vorschlag. „Hey, in der Nähe kicken doch die Dorfmannschaften, oder? Die sollten doch eigentlich reichen.“ Jack grinste breit. „Äh... Ich brauche ein Stadion? Und Massen an Fans? Und...“ Easy setzte ihren berühmten Dackelblick auf, der an ihren Bandmitgliedern eiskalt abprallte. „Dorfmannschaften klingt gut.“ Chris nickte. „Gehen wir da heute halt mal hin. Schaden kann’s ja nicht.“ Easys Wünsche nach einem Profispiel wurden rigoros ignoriert. Schließlich hatte sie doch nur gesagt, dass sie Fußball brauchte... Und so zog die imaginärste beste Band der Welt nach Ende des DFB-Pokalspiels samt Gitarre, Triangel, Blockflöte, einem dicken Schreibblock und ausreichend Schreibmaterial gen Sportplatz davon. Nifen sah kurz aus dem Fenster, zuckte dann aber mit den Schultern. Man sollte eine aktive Band nie aufhalten, fand sie. Außerdem konnte sie so in aller Seelenruhe das Wohnhaus für ihre Neopetslieblinge einrichten. Immerhin bestand jetzt nicht die Gefahr von einem entsetzten „Easy!“-Schrei aus der Konzentration gerissen zu werden. Ich besah mir das ganze Geschehen eher skeptisch. Gut, Easy konnte unter den ungewöhnlichsten Bedingungen kreativ werden und schaffte das so gut wie nie an ihrem inspirationsfördernd eingerichteten Schreibtisch, aber... Fußball? So sehr die Sorglospunks-Frontfrau auch den VfB Stuttgart liebte – Was zum Merlin sollte sie denn bitte schön mit Amateurmannschaften? Und dann auch noch mit... Jugendmannschaften? Und wie sollte auf einem solchen Sportplatz ein Stadionhit geschrieben werden? Nun, ich war jedenfalls gespannt. Selbst Kiwi trabte neugierig hinter der Band her. Das schrie schließlich nach Unterhaltung. Die Sorglospunks hatten Glück. Auf dem Sportplatz trainierte nicht nur gerade eine Mannschaft, nein, sie schneiten mitten in ein Amateurturnier für die B-Jugend der umliegenden Vereine. Sprich: Ein Haufen 15- bis 16jähriger fußballverrückter Jungs rannte durch die Gegend, feuerte sich gegenseitig an und lebte seine Rivalitäten aus. Chaos pur. Und dort marschierte die Band rein, besorgte sich ein paar Bratwürstchen – Sojabratwürstchen für die Mädels – bei einer der Buden und ließ sich unter den Zuschauern nieder. „Also, Easy, dann leg mal los.“ Chris grinste breit und drückte ihr den Block in die Hand. Mit einem tiefen Seufzer zückte Easy den Stift und starrte auf das Spielfeld. Die Jungs dort waren ganz gut. Sie kickten, als wenn es um ihr Leben ging. Aber das war’s auch. Hier war keine Stadionatmosphäre, hier herrschte sehr viel mehr Jugendherbergsstimmung und Klassenfahrtslaune. Schrecklich! Das war hier doch kein Ort, um einen Hit zu schreiben! „Wer spielt denn da gerade eigentlich?“, erkundigte sich Chris bei einigen jüngeren Kids, die dem Spiel zusahen. Netterweise reichten sie ihm erst ihr Rahmenprogramm und machten sich dann über ihn lustig. „So... Also, wir sind hier beim Schwabenturnier. Angereist ist alles aus den umliegenden Dörfern.“ Chris pfiff durch die Zähne. „Sogar Stuttgarter sind hier.“ „Was? Wo?“ Easy war sofort Feuer und Flamme. „Äh... Die sind in der zweiten Runde rausgeflogen. Wir sehen hier gerade das erste Halbfinale. Ist ein Kurzturnier, damit das heute noch alles entschieden wird. Die spielen sogar noch mit Golden Goal-Regel“, erklärte Chris weiter. „Oh.“ Easy seufzte tief. „Und jetzt?“ „Du schreibst deinen verdammten Song.“ Jack war langsam genervt. „Du wolltest Fußball, hier hast du Fußball! Also schreib!“ „Hey, unter Druck kann ich das nicht!“, protestierte Easy und ignorierte dabei geflissentlich, dass sie unter Bühnendruck doch konnte. „Sagt mal...“ Jemand tippte Jack von hinten auf die Schulter. „Was seid ihr? So eine Art Band?“ Ein hochgewachsener Junge, vielleicht sechzehn Jahre alt, recht hübsch und vom Trikot her definitiv einer der Turnierteilnehmer sah die Band an. „Ja! Wir sind die Sorglospunks!“, verkündete Easy stolz und vergaß ganz einen Augenblick lang verlegen zu sein. „Ah... Ja. Punks?“ Er zog eine Augenbraue hoch und die drei Freunde, die neben ihm saßen, fingen an zu kichern. „Und was tut ihr bei einem Fußballturnier?“ „Einen Stadionhit schreiben!“ Jetzt brachen die vier wirklich in Gelächter aus, während Easy rot anlief. Was fiel denen eigentlich ein? Sie hatten schließlich schon vor dem Weihnachtsmann, den Weihnachtswichteln, dem Grinch und Werwölfen gespielt! Wie kamen die dazu, über sie zu lachen? Doch ehe Easy etwas sagen und ich ihr eintrichtern konnte, dass sie das bloß nicht aussprechen sollte, hatte Chris ihr die Hand über den Mund gelegt. „Ach, ihr findet uns also zum Lachen?“, fragte Jack zuckersüß. Jeder von uns wusste ganz genau, was dieser Tonfall zu bedeuten hatte. Das hieß, dass jemand in ganz großen Schwierigkeiten war. In ganz, ganz, ganz großen Schwierigkeiten! „Ja!“, gab der Junge zurück und grinste breit. „Nun, wie heißt du?“ „Tobias...“ Diesmal kam seine Antwort etwas zögerlicher. Aber da sein Name eh auf dem Trikot stand, konnte er ihn ja auch nennen. „So, Tobias, dann lass uns doch eine Wette abschließen. Wir wetten darum, dass wir am Ende des Turniers einen stadiontauglichen Hit hier auf diesem Sportplatz performen können. Traust du dich das? Oder bist du dafür zu feige?“ „Pah! Natürlich traue ich mich das! Ihr schafft das doch nie!“ „Fein. Und worum wettest du?“ „Äh... Ihr tretet im Kindergarten in Hühnerkostümen auf, wenn ihr verliert!“ Tobias grinste siegesgewiss zu seinen Freunden hinüber. „Schön. Und wenn wir gewinnen, macht ihr vier einen Flitzer über den Rasen.“ Jack grinste breit. Die Demütigung von Teenagern machte definitiv Spaß. Und ein Kindergartenkonzert ließ sich immer noch problemlos als tolle Marketing- und Werbestrategie verkaufen. Kein Problem. Die drei anderen blickten ihren Wortführer missmutig an, doch nach einer kurzen Besprechung schlug dieser in Jacks ausgestreckter Hand ein. „Ah, und wie entscheiden wir, wer gewonnen hat?“, erkundigte sich Tobias. „Ist doch klar: Das Publikum entscheidet. Wenn es den Song toll findet, wird man das schon merken“, mischte sich Chris ein. Seine Hand ruhte noch immer auf Easys Mund und diese versuchte sie wegzuziehen und wenn sie das nicht tat, wedelte sie hektisch mit den Händen. Erst als die Jungs weg waren, gab Chris sie frei. „Leute, ihr spinnt doch!!! Eine verdammte Wette???“ Sie starrte die beiden fassungslos an. „Oh nein, ohne mich!“ „Oh, ganz sicher mit dir!“ Jack grinste breit und holte einen Schlüssel aus der Tasche. „Das hier ist nämlich der Schlüssel zum Kaffeeschrank in der Küche...“ „AH!“ Easy ließ sich händeringend ins Gras fallen. Das war doch nicht fair! Das war doch so was von nicht fair! Ich rieb mir meine Hände und bereitete meine Wolke vor. Ideenblitze, -konfetti, -bonbons, Motivationsschokolade, Gute-Laune-Drops – alles hielt ich bereit. „Los, Easy, lass uns einen Song schreiben und es diesen dummen Jungs zeigen!“, feuerte ich sie an. „Bist du ein Sorglospunk oder eine Maus?“ „Ein Sorglospunk!“, fuhr Easy sofort hoch. Kiwi fraß schließlich dann und wann mal Mäuse – wenn sie auf Natur machte – und es war nicht nett, gefressen zu werden. Während Easy sich – komponistentechnisch unterstützt von Chris – an die Ausarbeitung einer Stadionhymne machte, schlug sich Jack zu den Verantwortlichen des Turniers durch. Sie konnten ja schließlich nicht einfach so auf den Platz marschieren und spielen. Ordnung musste sein. Und dann folgte ein kurzes Telefonat mit Nifen, die aus ihrem Neopetsfieber gerissen wurde, um sich a) um alles Managementnotwendige zu kümmern und b) das Schlagzeug und den Verstärker herzubringen, damit sie auch genug Lautstärke hinbekamen. Stadionhymnen mussten schließlich laut gespielt werden. Strom war hier eher weniger das Problem, da die Veranstalter sich recht schnell von einer jungen, hübschen und äußerst redegewandten Musikerin zur Unterstützung eines Spontanauftritts einer jungen, aufstrebenden Band bereiterklärten. Noch bis zur letzten Sekunde, als die Turniersieger das Spielfeld jubelnd verließen, Chris und Jack bereits Position bezogen und die Sorglospunks per Megafon angekündigt wurden, kritzelte Easy noch auf dem Papier herum. Dann war sie endlich so weit. „Hallo fußballverrückte Fans! Wir sind die Sorglospunks und wir haben gewettet!“, begann Easy und schrie vor lauter Nervosität geradezu ins Mikro. Sie wollte schließlich nicht als Megaküken rumlaufen! „Darum, dass wir einen Stadionhit schreiben können! Ihr seid jetzt unser Stadion, also zeigt uns, ob wir gut sind! Nein, zeigt uns, dass wir gut sind!“ Etwas Selbstbewusstsein schadete schließlich nicht. Die Frontfrau nickte Jack zu und diese zählte den Takt an. Dann begann sie mit einem furiosen Schlagzeugsolo, das schon allein beinahe alle Zuschauer auf die Füße riss – dann stieg Chris mit der Gitarre ein und spielte einen mitreißenden Beat. Und dann kam Easys Einsatz. „Fußball, ohoho Fußball! Fußball, ohoho Fußball! Du bist unser Leben! Du bist unser Leben! Fußball, ohoho! Fußball, ohoho!“ Nun, der Refrain, den Easy gleich an den Beginn stellte, brachte immerhin die ersten Leute dazu mitzuklatschen. Längst nicht alle, aber ein Anfang war gemacht. „Der Ball rollt! Der Zauber beginnt! Der Ball rollt! Der Wahnsinn beginnt! Komm schon, ab ins Tor! Ab ins Tor! Golden Goal! Golden Goal! Fußball, ohoho Fußball! Fußball, ohoho Fußball! Du bist unser Leben! Du bist unser Leben! Fußball, ohoho! Fußball, ohoho! Der Ball fliegt! Ab ins Tor, ab ins Tor, ab ins Tor! Flieg, flieg, flieg! Ab ins Tor, ab ins Tor, ab ins Tor! Flieg, flieg, flieg! Ab ins Tor, ab ins Tor, ab ins Tor! Fußball, ohoho Fußball! Fußball, ohoho Fußball!“ Bekanntermaßen müssen Stadionhymnen einen Text haben, der sehr einfach ist und den man auch dann noch relativ gut mitsingen kann, wenn man schon einen recht hohen Alkoholpegel besitzt. Und genau das hatte Easy – unter meiner aufmerksamen Inspiration – berücksichtigt. Die Zuschauer auf den Bänken und dem Rasen standen längst, klatschten und sangen im Takt. Jack grinste vier Jungs am Rande des Spielfeldes an, die knallrot anliefen. Wenig später rauschten vier Flitzer quer über das Spielfeld und Jacks Grinsen wurde nur noch breiter und süffisanter. Die würden niemals wieder an den Sorglospunks zweifeln – und dafür sorgen, dass auch sonst niemand mehr an ihnen zweifelte! Später am Abend waren sie endlich auf dem Rückweg zur WG. Das Ganze war schließlich zu einem Spontankonzert ausgeartet, weil die Zuschauer kaum genug von ihnen bekommen hatten können. Äußert zufrieden summte Easy ihren neuen Fußballhit vor sich hin. Damit konnte das nächste VfB-Spiel doch kommen. „Äh, Easy... Nur eine Sache noch“, meinte Chris schließlich und legte der sorglosen Frontfrau den Arm um die Schulter. „Ja?“ „International gibt es das Golden Goal seit 2002 nicht mehr...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)