Divine Justice von MajinMina (Göttliche Gerechtigkeit) ================================================================================ Kapitel 21: Kapitel 21 - Die nächsten Schritte ---------------------------------------------- Es ist geschafft!! Das Kapitel ist tatsächlich fertig!! Warum hat es so lange gedauert? Einfache Antwort: mein PC ist abgebrannt. Und das meine ich wörtlich. Lüftung kaputt, den ganzen Tag an und dann – Qualm. Es hat gedauert, bis ich alle Daten gerettet hatte, außerdem hatte ich noch viele andere Sachen zu tun. Jetzt bin ich einfach nur glücklich, dass es mit der Story weitergehen kann... leider muss ich sagen, dass es noch dauern wird, bevor ich zum Ende komme. Ich habe in diesem Kapitel einige neue Handlungsstränge gelegt, die noch aufgeklärt werden müssen ^^ Aber ich habe definitiv nicht vor, die ganze Geschichte von Kenshin und Tomoe nachzuerzählen. Das hier ist immer noch eine blutige Bakumatsu-Fic und Kenshin steht im Mittelpunkt. Danke an Eure Geduld und für das lange Warten! Ich hoffe, es hat sich gelohnt! Wenn ja (oder nein), dann lasst es mich wissen! Zur Einstimmung eine kleine Wiederholung. Wer sich noch erinnert, kann das einfach überspringen. Was bisher geschah: Kenshin ist vollends in der Realität eines Hitokiris angekommen. Seine Menschlichkeit scheint sich zu verabschieden, doch plötzlich rettet er ein Mädchen – er weiß selbst nicht genau, warum. Sein alter Freund Yoshida unterdessen hat sich entschlossen, doch noch den Kontakt zu Kenshin zu suchen. Unterdessen plant erneut jemand aus dem Kreis der Ishin Shishi finstere Intrigen – jedoch weitaus finsterer und gefährlicher als alle zuvor. Das Gelingen der Revolution steht auf Messers Schneide, denn Kenshin wird wieder einmal, ohne es zu merken, von Feinden eingekreis: die Shinsengumi sind dem rätselhaften Hitokiri Battousai auf der Spur – mit Unterstützung der Oniwabanshu Ninja. In seinem engsten Umfeld jedoch lauert der gefährlichste Feind von allen... Die wichtigsten Personen: Kenshin – genannt Hitokiri Battousai. Inzwischen 15 Jahre alt und der gefürchtetste Killer Kyotos. Yoshida – ältester und einziger Freund von Kenshin, allerdings von Kyoto nach Choshuu versetzt. Uchida – Soldat der Ishin Shishi, der sich um Kenshin sorgt. Katsura Kogoro – Anführer der Ishin Shishi und Kenshins Auftraggeber Izuka – Katsuras Mann für die Geheimoperationen und Attentate, direkter Vermittler zwischen Kenshin und Katsura Katagai – Leibwächter Katsuras Okami – Wirtin der Herberge Kohagi, Unterschlupf der Ishin Shishi Saito Hajime – Anführer der dritten Einheit der Shinsengumi Okita – Anführer der ersten Einheit der Shinsengumi Hioshi – ehemaliger Anführer einer Einheit der Mimiwarigumi, die von Kenshin ausradiert wurde. Nun arbeitet er für Saito. -- Kapitel 21. Die nächsten Schritte Ein lautes Pochen ließ Okami, die Wirtin der Kohagi-Herberge, aus ihrem Dämmerschlaf in der Küche empor schrecken. Eigentlich hatte sie vor dem Schlafengehen nur noch schnell einen Becher Tee trinken wollen, doch sie war wohl währenddessen eingenickt und hätte nun fast die längst kaltgewordene Flüssigkeit in ihren Schoß verschüttet. Schnell stellte sie das Gefäß beiseite und erhob sich etwas steif von ihrem Kissen, auf dem sie im Sitzen eingeschlummert war. Die sterbende Glut in der Feuerstelle des Herdes neben ihr zeigte ihr an, dass sie bereits einige Stunden geschlafen haben musste. Es musste bereits weit nach Mitternacht sein. Blinzelnd rieb sich Okami ihre vom Schlaf schweren Augen, bevor sie ein weiteres, lautes Klopfen daran erinnerte, warum sie überhaupt aufgewacht war. „Meine Güte,“ murmelte sie, während sie sich der Hintertür näherte. „Wer ist bei diesem Wetter wohl so spät nachts noch unterwegs?“ Den ganzen Tag, nein, die ganze Woche hatte es wie aus Kübeln geschüttet und auch die heutige Nacht bildete keine Ausnahme. Grimmig schob Okami den Riegel beiseite. Es wussten doch alle, dass sie nasse Fußspuren auf ihren Tatami hasste. Sie schob die Tür auf, dunkle Wassermassen trübten ihren Blick, bevor sich ihre Augen weiteten, als sie es rot aufblitzen sah. „Kenshin!“ Sie hatte den Jungen schon seit Wochen nicht mehr richtig zu Gesicht bekommen, was sicherlich nicht an ihr lag, denn Kenshin war inzwischen ein Meister geworden, wenn es darum ging, Leuten aus dem Weg zu gehen und unbemerkt zu verschwinden. Immer, wenn sie es zeitlich doch einmal geschafft hatte, auf ein Gespräch an seine Zimmertür zu klopfen, hatte er sich stumm gestellt und nicht aufgemacht. Aus Angst, den wenigen Schlaf, den der Junge noch bekam, zu stören, hatte sie es nicht gewagt, einfach seine Tür aufzureißen, so wie es sonst ihre Art gewesen wäre. „Komm rein,“ hauchte sie und schob die Tür weiter auf – und unterdrückte gerade so einen kleinen Schrei! Das, was da gerade eben rot aufgeleuchtet war, waren nicht nur Himuras Haare gewesen – es war sein Gesicht und sein ganzer Körper. Vom Regen verschmiert und ausgewaschen waren dennoch riesige rote Flecken auf seiner Kleidung zu entdecken. Seine Wange blutete. Und er hatte jemand blutenden über seine Schulter gehievt. Ein Mädchen! „Bist du verletzt? Ist sie...?“ Ein paar blauer Augen blitzte sie an, während Kenshin den Kopf schüttelte. Anscheinend war zumindest ihnen beiden nichts Ernsthafteres zugestoßen. „Kami-sama,“ murmelte Okami tonlos und gestikulierte den jungen Mann mit seiner Fracht in die Küche. Sofort legte Kenshin das Mädchen auf dem Boden nieder und trat einen Schritt von ihr weg, als ob sie giftig wäre. Okami schloss schnell die Tür und rang um Fassung. Das Mädchen atmete tief und fest. Im Kerzenschein erkannte Okami, dass sie nicht verletzt war, sondern nur von Blut bespritzt. Und offensichtlich ohnmächtig. Sie blickte Kenshin scharf in die Augen und wartete auf eine Erklärung. Doch der rothaarige Junge stand nur da wie eine Salzsäule, sein Gesicht erstarrt. „So,“ zischte sie schließlich, Besorgnis in Wut verwandelt. „Ihr Choshuu-Soldaten tötet die ganze Nacht und dann bringt ihr auch noch eure Mädchen mit, um die ich mich kümmern soll!“ Kenshin zuckte zurück und sah beschämt zu Boden. Sofort war Okamis Zorn verraucht. Da sah sie ihn wieder stehen, ihren kleinen Jungen mit den großen, traurigen, blauen Augen. Sie blinzelte – die Anstrengungen der letzte Tage hatten ihre Worte hart werden lassen. „Was ist passiert? Wer ist dieses Mädchen?“ fragte sie, ihre Stimme jetzt deutlich weicher. Ohne Aufzuschauen antwortete Kenshin: „Sie hat mich gesehen und wurde dann ohnmächtig. Ich brauche ein Zimmer für sie.“ Fragend und ein bisschen beschämt blickte er durch seine verklebten Haare nach oben. Okami zog eine Augenbraue hoch. „Nur für heute Nacht!“ fügte Kenshin schnell hinzu. „Wie stellst du dir das vor, Himura? Wir sind restlos überbelegt. Du musst sie schon mit in dein eigenes Zimmer nehmen.“ Irgendwie schien sich Kenshins Gesichtsfarbe zu verändern. Okami erlöste ihn erst nach einer Minute unangenehmen Schweigens. „Ich werde sie umziehen und einen Futon vorbereiten. Du kannst dich so lange saubermachen.“ Mehr als Erleichtert ob dieser Gelegenheit, schnell den Raum verlassen zu können, verschwand Kenshin sofort in Richtung Badehaus. Er hatte es vermieden, das Mädchen noch einmal anzusehen. Okami jedoch musterte jetzt mit kritischem Blick die dunkelhaarige, junge Frau, die auf ihrem Küchenboden lag und die Tatami durchnässte. Ihr schöner, weißer Kimono war voller Blutspritzer, durch den Regen rosa verfärbt und zu bizarren Mustern verlaufen. Okami roch jetzt auch deutlich die Alkoholfahne, die von ihrem Atem ausging. „Himura,“ seufzte sie, und sah zu der Tür, aus der Kenshin gegangen war. „Warum hast du sie hierher gebracht?“ Sie schüttelte den Kopf, als ob sie sich über Kenshin ärgern würde, doch in Wahrheit hatte sie sich schon seit Wochen nicht mehr so erleichtert gefühlt. „Sie muss Kenshin bei seinem Auftrag gesehen haben,“ überlegte sie. Wenn das so war, und er sie nicht getötet hatte... bedeutete das dann, dass er noch Skrupel hatte? Dass diesem Mädchen gelungen war, woran sie selbst gescheitert war? „Vielleicht hat es dieses Mädchen geschafft, irgendwelche Gefühle in Kenshin anzurühren...“ Okami kniete sich vor die Unbekannte und wischte ihr das Blut von der Wange. Bei der Berührung stöhne diese im Schlaf leicht auf, erwachte aber nicht. Vorsichtig band ihr Okami den Obi auf. Dabei fiel ein schwerer Gegenstand zu Boden. Verblüfft hob die Wirtin des Kohagi-ya den Tanto auf. Seine schwarze Scheide schimmerte matt im Kerzenschein, sie war mit eingravierten Kirschblüten in weiß und gelb verziert, ein schönes Stück. Es war die traditionelle Waffe einer Samurai. „Was bist du für ein Mädchen?“ murmelte Okami leise, während sie den Dolch in ihren eigenen Obi schob. „Ist es Schicksal, dass du jetzt hier auftauchst?“ Sie schüttelte besorgt den Kopf. Wer auch immer sie war, sie hatte die Geheimwaffe der Ishin Shishi gesehen – und lebte. -- Noch während Okami dabei war, das fremde Mädchen in das Zimmer des Hitokiris zum Schlafen zu betten, und noch während Kenshin mit der üblichen, mechanischen Verbissenheit versuchte, seinen Körper von fremdem Blut rein zu waschen, verließ eine in Schwarz verhüllte Gestalt das Kohagiya durch die Hintertür. Mit raschen Schritten überquerte der Mann die breite Strasse, nachdem er sich mit einem Blick nach Links und Rechts vergewissert hatte, dass ihn auch niemand beobachtete – dann verschwand er in einer dunklen Seitengasse. Der strömende Regen hatte nachgelassen, es tröpfelte nur noch leicht, aber der schmale Weg zwischen den Häusern hindurch war glitschig und es stank nach Unrat und Abfällen. Irgendwo in einem der schäbigen Häuser schrie ein Kind. Die vermummte Gestalt beschleunigte ihre Schritte und rutschte durch die aufgeweichten Strassen, den Randbezirken der Stadt entgegen. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bevor er den verlassenen Schrein erreicht hatte, von oben bis unten bespritzt mit Schlamm, das schwarze, schwere Tuch, dass er um seinen Kopf geschlungen hatte, vor Feuchtigkeit modrig stinkend. Gerne hätte er sich jetzt an seinem Schnurrbart gezwirbelt, doch er durfte sein Gesicht nicht enthüllen. Statt dessen glitt seine Hand zu seinem Gürtel, während er durch die schief in den Angeln hängende Holztür in den nachtschwarzen Tempel eintrat. Als seine Finger den kühlen Griff des versteckten Dolches berührten, spürte er, wie sein Herzschlag deutlich ruhiger wurde. Eine Stimme aus der undurchdringlichen Tiefe des Raumes brachte seinen Puls in sekundenschnelle wieder auf Höchstgeschwindigkeit. „Zweifelt ihr etwa an dem Versprechen, das wir zu eurer Sicherheit geleistet haben? Oder sind es wir, die sich Sorgen machen müssen?“ Izuka straffte die Schultern und atmete tief durch, während er seinen Blick zwischen den Spalten seiner Kapuze hindurch auf den im Dunkeln kaum auszumachenden Ninja richtete, der in der Ecke saß. Wenn seine langen, grauen Haare nicht matt im Dämmerlicht geschimmert hätten, dann wäre er so gut wie unsichtbar gewesen. „Jeder trägt versteckte Waffen in Kyoto dieser Tage,“ entgegnete Izuka. „Ihr Oniwabanshu müsstet das doch am besten wissen.“ „Hm.“ Der Ninja stand auf und trat auf Izuka zu, mit jedem Schritt nach vorne war sein kaltes Lächeln besser zu erkennen. „Wir haben einen Handel geschlossen und arbeiten für die gleiche Sache. Jeder auf seine Weise.“ Ein leises Lachen ertönte und Izuka rann ein Schauer über den Rücken. „Das Bakufu weiß schon längst, dass dieser Krieg nicht mit Waffengewalt allein entschieden werden kann-...“ Der Anführer der Oniwabanshu trat noch einen Schritt näher an Izuka heran. „...dafür aber mit Informationen.“ Katsura Kogoros Mann für Geheimoperationen wandte sich fröstelnd ab. Erst jetzt entdeckte er die anderen verhüllten Gestalten, ebenfalls Ninja, die sich in den Ecken des dunklen Raumes verteilt hatten und stumm ihrem Gespräch lauschten. Izuka spürte eine Gänsehaut auf seine Armen, als er sich überlegen musste, wie leicht es für diese Männer wäre, ihm eine Klinge an die Kehle zu halten und ihm alle Geheimnisse abzupressen, die er wusste. Doch schnell schüttelte er diese Gedanken wieder von sich ab und lächelte in seine dunkle Kapuze hinein. Ihm würde es nicht so ergehen wie Daisuke oder Buntaro. Dämliche Idioten. Nein, er selbst hatte gleich zu Beginn klar gestellt, dass er nur lebend von Nutzen war. Von großem Nutzen. Seit dem Tag, an dem der Anführer der Choshu Ishin Shishi ihm sein volles Vertrauen geschenkt hatte, hatte er keine Angst mehr um sein Leben. Er war inzwischen ein unersetzliches Mitglied des Klans. Er war ein federführender Vermittler geheimer Bündnisse, Schlichter von Konflikten zwischen verschiedenen Fraktionen, Organisator von Auftragsmorden – und bald steinreich. Izuka lächelte, während er die schmalen Lichtpunkte beobachtete, die der inzwischen aus den schweren Regenwolken gekrochene Mond durch die zerfetzten Reispapierwände des Schreines warf. Niemand konnte sich gegen die Ordnung des Shogunats auflehnen, niemand. Izuka hatte die mächtigen Heeresverbände gesehen, tausend um tausend bestens ausgerüstete Krieger in Reih und Glied, bereit auf den Wink ihres Anführers hin die abtrünnigen Provinzen dem Erdboden gleich zu machen. Mochte Katsura sein kleines Spiel in Kyoto doch spielen – Izuka hatte längst begonnen, seine eigenen Pläne zu verwirklichen. Der Preis seines Spiels war bares Gold – für jeden Kopf, den er ans Messer lieferte. „Was habt ihr für Informationen für uns?“ unterbrach der grauhaarige Ninja seine Gedankengänge. „Das Mädchen ist mit ihm in die Herberge zurückgekehrt.“ Eine buschige, graue Augenbraue zog sich nach oben. „Sie lebt?“ Izuka nickte. „Er hat sie nicht getötet. Vergesst nicht – er ist noch ein Junge.“ Das Gesicht des Anführers der Oniwaban verhärtete sich. „Er ist unser tödlichster Feind. Er hat heute Nacht einen meiner Männer getötet, den ich jahrelang ausgebildet habe! Immerhin...,“ seine Stimme wurde wieder ruhig. „Immerhin wissen wir jetzt, dass wir dir vertrauen können.“ Achselzuckend lächelte Izuka den Ninja an und bemerkte ein arglistiges Glitzern in dessen hellen Augen. „Von Anfang an habe ich diesem Plan nicht viele Chancen ausgerechnet. Doch jetzt, da er sie aufgenommen hat...“ „Unterschätzt ihn nicht. Dieses Mädchen ist so begierig nach Rache, dass ihr vielleicht ein Fehler unterläuft.“ „Na und?“ Der große, grauhaarige Mann drehte Izuka den Rücken zu. „Wenn sie scheitert, haben wir nichts verloren, außer ihr Leben. Ich glaube allerdings nicht, dass sie so plump sein wird und versucht, den Hitokiri im Schlaf zu erdolchen. Sie ist ein hübsches Mädchen...“ Izuka spürte, wie sein schiefes Grinsen breiter wurde. „Wir werden sehen, wie es sich entwickelt.“ Der Ninja nickte. „Sie ist ohnehin nur unser Notfall-Plan. Wenn alle anderen Pläne zuvor scheitern.“ Izukas Lächeln erlosch. „Es wird Zeit, dass wir über unsere nächsten Schritte beratschlagen.“ Genau in dem Moment stand eine der bisher stumm in der Ecke verweilenden Gestalten auf. Izuka sah, dass dieser Mann nicht, wie er zuerst angenommen hatte, ein Ninja war – unter den schwarzen Ärmeln lugte ein Stoffrand mit blau-weißem Zick-Zack Muster hervor. Argwöhnisch fixierte Izuka den grauhaarigen Ninja. „Was bedeutet das?“ „Keine Angst.“ Der verhüllte Mann trat vor und warf seine Kapuze zurück. Er hatte kurze, schwarze Haare, ein hageres Gesicht mit tiefliegenden Augen und eine auffällige Narbe, die sich über seine rechte Augenbraue zog. „Takeo Ubei,“ stellte er sich vor, „geheimer Ratgeber von Kondo Isami.“ Izuka erbleichte. Kondo Isami? Ausgerechnet der Anführer der bluthungrigen Wölfe von Mibu war in diese Sache verwickelt?! Der Anführer der Oniwabanshu lächelte. „Auf höchsten Befehl hin arbeiten wir ab jetzt mit den Shinsengumi zusammen.“ „Wir werden eure Informationen vertraulich behandeln und überlegt vorgehen.“ Ubei lächelte ein schmales, dünnlippiges Lächeln. „Wir wollen schließlich auch nicht, dass unser wichtigster Informant kurz vor dem entscheidenden Schlag auffliegt.“ Stirnrunzelnd wandte Izuka sich ab. „Es bleibt ohnehin nicht mehr viel Zeit,“ murmelte er. Ubeis Gesicht versteinerte sich. „Dann stimmt es also?“ Izuka nickte. „Die Anführer der verschiedenen Ishin Shishi Fraktionen befinden sich noch immer im Widerspruch miteinander und das letzte, gemeinsame Treffen ist schlecht verlaufen. Die zahlreichen Shinsengumi-Patrouillen setzten die Ishin unter Druck, Katsura jedoch will nicht voreilig handeln, was die anderen nur umso ungeduldiger werden lässt. Sollten sich Toshimaro und Miyabe mit ihren radikaleren Gruppen durchsetzten... dann wird Kyoto brennen und nicht nur das...“ „Wann findet das nächste Treffen der Choshu Anführer statt?“ fiel ihm Ubei ins Wort. Izuka lachte leise. „Ihr müsst, genau wie ich, noch auf weitere Informationen warten.“ Das Gesicht des Vertrauten von Kondo Isamis verdüsterte sich. „Ihr spielt ein sehr gefährliches Spiel. Wie nahe ihr Katsura Kogoro auch stehen mögt, lasst uns nicht zu lange warten.“ Damit schlug er seinen schwarzen Umhang wieder um sich und verließ das baufällige Tempelgebäude. Mit einem schiefen Grinsen sah ihm Izuka hinterher. Er mochte die Shinsengumi nicht, sie waren wie Bluthunde, zu sehr auf ihre Beute bedacht, zu wenig verschlagen und vorsichtig. „Behaltet das Mädchen im Auge,“ flüsterte hinter ihm der grauhaarige Ninja. „Seht zu, dass sie den Dämon zähmt.“ Als Izuka sich umdrehte, war niemand mehr hinter ihm. Ein plötzlicher Wind ließ die lockeren Wände des Schreins klappern. Er war allein. Jetzt endlich konnte sich Izuka den Schweiß von der Stirn wischen, die lästige Kapuze abschütteln und während er fiebrig seine nächsten Schritte überlegte, zwirbelte er mit der rechten Hand bereits unbewusst seinen Schnurrbart. „Obwohl Katsura nichts von Miyabes Plan hält,“ überlegte er, „muss er sich noch einmal mit ihm und den anderen Anführern treffen. Ich muss alle auf einem Haufen haben – auch Himura – bevor ich den Shinsengumi Informationen übermitteln kann.“ Er lächelte schief. „Alle Fliegen auf einen Streich – und ich bin reich und kann das Land sofort verlassen.“ Während er die Treppe aus dem Schrein hinabstieg, spürte er schon das schwere Gewicht des Goldes in seinen Taschen. Seit er sich entschlossen hatte, die Seinen zu verraten, lief alles genau nach Plan. Er würde den Shinsengumi Informationen zukommen lassen, um sie nicht ungeduldig werden zu lassen – und im gleichen Atemzug würde er die Ishin Shishi dadurch verunsichern und sie zu einer voreiligen Reaktion verleiten. Katsura Kogoros enger Vertrauter ging mit raschen Schritten zurück zum Kohagiya. Dort würde er erst einmal den nächsten Schritt tun: einen gefühllosen Hitokiri auf die Schönheit einer Frau aufmerksam machen. Die Waffe, die er im Auftrag Katsuras geschaffen hatte, war einfach zu perfekt geworden. Izuka schüttelte den Kopf. Er hätte am Anfang nicht einmal seinen kleinen Finger darauf verwettet, dass Kenshin soweit kommen würde... dass man ihn sogar eines Tages Battousai nennen würde... und dass dieser Name durchaus der Wahrheit entsprach. Himura war ein perfekter Killer geworden, aber sein Geist, und das wusste Izuka spätestens seit der Sache mit Yoshida, war verwirrt und verletzlich. Ein Teil von ihm war eben doch noch ein unsicherer Junge. Seine einzige Schwäche, die er gut vor allen verbarg. Wenn sich das Mädchen geschickt anstellte, könnte sie sich diese Schwäche zunutze machen. „Eine Frau, die seinen Tod bedeuten wird. Oder er ihrer? Wer weiß schon, was die Zukunft bringt?“ Er lachte leise, während er weiter durch die schmutzig-feuchten Gassen eilte. -- Kenshin sah sich durch eine dunkle Gasse gehen, unter seinen Füßen Pfützen klar wie die Flächen eines Spiegels, der Nachthimmel und die Sterne in ihnen glitzernd. Ständig hörte er die Stimme seines Shishous in seinem Kopf, sah ihn, wie er unter dem Sternenzelt an der Quelle des Gebirgsbaches saß, in der Hand ein Schälchen frischen Sake, im Gesicht eines seiner seltenen entspannten und gutmütigen Lächeln. „Kenshin, eines Tages werden wir zusammen Sake trinken.“ Das Bild seines Shishous verschwamm, die Pfützen wurden schwarz im Regen. Kenshin stand alleine in der dunklen Gasse, nass bis auf die Haut, Kälte durchdrang ihn bis in sein Herz. „Hitokiri Battousai, nehme ich an,“ hörte er eine höhnische Stimme hinter sich. Langsam drehte er sich um und blickte dem vermummten Ninja entgegen. Ein schwerer und klobiger Kerl. Seine Waffen waren zwei Kettenschwerter. „Was willst du?!“ hörte er seine eigene Stimme zischen, sie klang fremd und abstoßend in seinen Ohren. Er spürte, wie sich sein Körper unmerklich anspannte, jede Faser seiner Muskeln sich bereit machte für das, was gleich kommen würde. Er war bereit, als der Ninja mit atemberaubender Geschwindigkeit sein eines Kettenschwert nach vorne warf und dabei „Stirb!“ brüllte. Kenshins Schwert war gezogen, ehe er überhaupt daran gedacht hatte. Pure Reaktion und Instinkt hatte die Kontrolle über seinen Körper ergriffen. Sein Geist jedoch war damit beschäftigt, die Bewegungen dieses ungewohnten Gegners hervorzusehen und ihn einzuschätzen. „Ein Spion des Shogunats,“ dachte er, während er das auf ihn zufliegende Schwert mit einem Streich seiner Klinge ablenkte. Funken flogen in den Regenhimmel. Er sah, wie das Schwert sich anstatt in sein Herz in den feuchten Boden neben ihm rammte. „Aber kein Samurai.“ Sein Körper nutze den Schwung des Abwehrschlages, doch der Ninja sprang über ihn hinweg. „Er ist...“ Zu spät bemerkte Kenshin die Ketten, die schon viel zu nah an seinem Körper waren, um ihnen noch ausweichen zu können. „...wie ich.“ Sekunden später hielten sie ihn schraubstockartig umschlungen, seine Arme und seine rechte Hand mit dem Schwert nutzlos an die Seite gefesselt, der Ninja außer seiner Reichweite. „Ein Hitokiri,“ vollendete Kenshin seine Vermutung, während er seinen ganzen Körper anspannte, um dem Druck der Ketten stand zu halten und Luft zu bekommen. „Jemand, der nie in die Geschichte eingehen wird. Ein Killer aus den Schatten.“ Und er war gut. Kenshin hatte Mühe, nicht ohnmächtig zu werden, so stramm zog der vermummte Mann die Ketten um ihn. „Sei Bereit für den Tod!“ Der Ninja sprang erneut auf ihn zu, sein zweites Schwert nach vorne gestreckt für den Todesstoss. Bei seinem Sprung gaben die Ketten minimal nach – genug für Kenshin. Er ließ mit einem Mal seinen Körper schlaff werden, so dass seine linke Hand genug Spielraum fand, um am anderen Ende der Kette zu ziehen. Das Schwert, dass unweit vom ihm im Boden steckte, gab nach, als Kenshin mit einem Ruck die Kette zu sich hinriss, und flog in seine linke Hand, genau, als der Ninja schon über ihm war. Sich duckend, keine Zeit zu atmen, packte Kenshin den Griff mit aller Kraft, die ihm verblieben war. Der Ninja, der schon zu nahe war, um noch ausweichen zu können, flog direkt in seine eigene, von Kenshin hoch über seinen Körper gestreckte Klinge hinein. Unmengen von Blut spritzen in dem Moment in den Nachthimmel, in dem der Ninja zerteilt wurde, und wurden vom Regen wieder hinabgespült. Für einen kurzen Moment sah es tatsächlich so aus, als ob es Blut vom Himmel Regnen würde. Kenshin sank auf die Knie, die Ketten fielen von seiner Brust und Luft konnte in seine Lunge zurückkehren. Keuchend stütze er sich auf sein Schwert, alles um ihn war wie rot gefärbt, doch im selben Moment roch er nicht Blut sondern etwas anderes... ...Hakubaiko!? Er sah vor sich ein Mädchen stehen, ihr weißer Kimono war rotgefärbt. Sie stolperte auf ihn zu, murmelte etwas, ihre Hand war nach vorne gestreckt. „Sie hat mich gesehen,“ schoss es durch seinen Kopf, und die eiskalte Schlussfolgerung: „Sie muss sterben.“ Seine Hand packte das Katana fester, er hob es an, während sie näher kam, und näher, die Spitze Millimeter von ihrer weißen Haut entfernt. Seine Augen sprangen auf. „Verdammt,“ fluchte er, hellwach, als er das leere Zimmer sah. „Ich bin eingeschlafen!“ Vor ihm war der Futon, auf den gestern Nacht er und Okami das Mädchen gelegt hatten: ordentlich zusammengerollt. Leer. Sie war verschwunden! „Kuso!“ Kenshin rannte in den Flur. Gestern Nacht war er sich nicht sicher gewesen, ob er sie hatte töten sollen. Für einen kleinen Moment hatte er wirklich sein Katana fester gepackt, während seine andere Hand vor lauter Schreck das Schwert des Ninjas fallen gelassen hatte. Doch dann, als sie ohnmächtig in seinen Armen lag, Blut auf der weißen Haut ihres Gesichtes, war sein Verstand wieder zu ihm zurückgekehrt. Wie hätte er jemals eine harmlose, unbewaffnete Frau töten können? Naja... unbewaffnet war sie nicht gewesen. Nachdem Okami die Unbekannte saubergemacht und mit frischem Yukata bekleidet in seinen Futon gelegt hatte, hatte sie ihm die Sachen gegeben, die sie bei sich getragen hatte – einen Schirm. Ein Tagebuch. Und einen Dolch. Kenshin sprintete die Treppe hinab in Richtung Küche. Eines war sicher – sie hatte ihn letzte Nacht töten gesehen. Er musste sie dazu zwingen, alles zu vergessen. Niemand durfte ihn sehen und leben. Was, wenn sie jetzt schon verschwunden wäre? Katsura würde ihn umbringen... „Okami-san,“ rief er verzweifelt und stürmte in Richtung Küche, hoffend, dass die gute Frau vielleicht das Mädchen nicht hatte gehen lassen. Er riss die Küchentür auf und sah gerade noch, wie Okami der Fremden mit einem Lächeln im Gesicht einen Stapel Tablette voller Essen für das Frühstück in die Hand drückte – dann glitten seine Füße auf dem blank gebohnerten Boden aus und er plumpste zu Boden. „Ohaiyo Himura-san,“ begrüßte ihn die Wirtin des Kogahiya freundlich, während das fremde Mädchen einfach an ihm vorbei lief. „Deine Freundin hat sich heute morgen als tüchtige Hilfe entpuppt. Sie hat gute Arbeit geleistet.“ „Freundin?!“ Kenshins rappelte sich auf, in seinem Kopf begann sich alles zu drehen. Das hier musste ein Albtraum sein. Auf Beinen wie Pudding stolperte er dem Mädchen hinterher und holte sie kurz vor der Tür zum Essenssaal ein. Breitbeinig baute er sich vor ihr auf und versperrte ihr so den Weg. Er wusste, dass seine Augen funkelten aber sie sah ihn nur fragend an, in ihrem Gesicht keinerlei Regung, kein Zeichen, dass sie sich an ihn erinnerte oder gar Angst vor ihm hatte. Es war, als ob sie durch ihn hindurch schauen würde. „Ähm. Uhm. Nah. Meh.“ Kenshin verfluchte sich innerlich. Er war noch nie ein Freund großer Worte gewesen, doch immerhin hatte er es meistens geschafft, sich zumindest mit einsilbigen Wörtern zu verständigen. Jetzt schien er nicht einmal einen Buchstaben vernünftig artikulieren zu können. „Mein Name?“ fragte sie leise. „Tomoe. Yukishiro Tomoe.“ Ihre Stimme war so ausdruckslos wie ihr Gesicht. Nur ihre schwarzen Augen ließen ahnen, dass hinter ihrer Fassade noch etwas anderes versteckt sein könnte. Kenshin schloss die Augen und versuchte, ihre Ki zu erspüren. Vielleicht würde ihm ja das irgendwie Aufschluss darüber geben, was er von diesem Mädchen zu halten hatte. Immerhin hatte sie ihn töten gesehen und schien davon nicht im mindesten berührt. Doch was er spürte, half ihm auch nicht weiter. Sie strahlte herablassende Gelassenheit aus, als ob ihr alles egal wäre, gleichzeitig schien in ihr aber ein wahrer Sturm von Gefühlen zu toben, festgehalten von dem eisigen Würgegriff der Selbstbeherrschung. Es erinnerte ihn irgendwie an ... sich selbst. Als er die Augen wieder öffnete, stand sie immer noch unbewegt da, allerdings schienen ihre Augen nun fast noch eine Spur mehr zu glühen. „Tomoe.“ Seine Stimme klang belegt. Es war, als ob seine Zunge an seinem Gaumen festkleben würde. „Was machst du hier?“ „Sieht du das nicht?“ Sie verzog keine Miene. „Du... hilfst beim Frühstück?“ „Gut beobachtet.“ Kenshin verpasste sich in Gedanken eine Kopfnuss. Neuer Versuch. „Ich muss mit dir reden!“ „Ich bin beschäftigt. Du kannst später mit mir reden.“ Mit diesen Worten schob sie die Tür zum Frühstücksraum auf, von wo sie sofort mit lüsternen Blicken und anzüglichen Bemerkungen begrüßt wurde. Kenshin stand daneben, wie vom Donner gerührt. Noch nie in seinem Leben, nicht einmal während seines Trainings bei Hiko, hatte er sich so hilflos gefühlt. „Oooooh!“ tönte es aus dem Saal. „Das ist Himuras Freundin?“ „Süß!“ „Sie ist älter als er!“ „Genauso ernst wie Himura!“ Kenshin konnte es nicht fassen. Wo war die sonst immer vorhandene Furcht und Abneigung gegen ihn geblieben? Es war, als ob ihn die Männer, kaum dass sie ihn in Begleitung eines Mädchens sahen, für jemand anderes hielten. Waren das nicht Muhura und Uchida, die er so breit grinsen sah? „Tomoe desu, yoroshiku,“ stellte sich das Mädchen vor. Kenshin spürte, wie es in seinem Gesicht das Brennen anfing. Sie tat nichts, aber auch gar nichts, um richtig zu stellen, dass sie gar nicht seine Freundin war! Er spürte die Hand von Izuka schwer auf seiner Schulter, während seine bebenden Beine genau in dem Moment kollabierten, als er seinen Frühstücksplatz erreicht hatte. Angewidert nahm er aus dem Augenwinkel das feixende Gesicht seines Vorgesetzten wahr. „Himura,“ zwinkerte der schnurrbärtige Mann und verstärkte den Druck auf Kenshins Schulter. „So hätte ich dich nun wirklich nicht eingeschätzt.“ Kenshin schnaubte und nahm seine Stäbchen. Er versuchte, so teilnahmslos wie möglich zu essen, konnte aber die Augen nicht von dem Mädchen – Tomoe – abwenden, das den Reis verteilte. „Ich habe gehört, dass du sie letzte Nacht mit hierher gebracht hast?“ grinste Izuka breit. Innerlich stöhnte Kenshin auf und fragte die Götter, warum Izuka ausgerechnet jetzt so laut reden musste. So konnte der ganze Frühstückssaal problemlos mithören! „Wo hast du so eine Schönheit aufgegabelt? Ich wette, sie hatte was zu erzählen.“ Kenshin verschluckte sich fast und unterdrückte ein Husten. „Okami hat es mir erzählt,“ redete Izuka ungerührt weiter und rollte eine Pflaume zwischen seinen Fingern hin und her. „Sie hat gesagt, du hattest sie die ganze Nacht in deinem Zimmer.“ Mit einem Haps war die Pflaume in Izukas Mund verschwunden. „War sie gut?“ Krachend knallte Kenshin das Schälchen zurück aufs Tablett und packte sein Schwert, das neben ihm auf dem Boden gelegen hatte. Sofort war es totenstill im Frühstücksraum. Kenshin spürte die Blicke auf sich und das Brennen auf seiner Haut schien sich noch zu verstärken. Erhitzt stürmte er hinaus ins kühle Freie. Izuka schluckte schwer und sah ihm nach. „Ich hatte für einen Moment fast vergessen, dass er ja Battousai ist,“ meinte er zu den anderen Männern, die, nicht minder erschrocken als er, langsam wieder weiteraßen. „Ihn zu verärgern, bedeutet, mit seinem Leben zu spielen,“ murmelte jemand. Tomoes glühender Blick ruhte auf der Tür, aus der Kenshin nach draußen geeilt war. -- Mit blutunterlaufenen Augen beobachtete Saito von dem Fenster seines Privatraumes im Shinsengumi-Hauptquartier aus, wie die bleiche Sonne langsam über den Rand der Stadt kroch. Neben ihm saß Hioshi auf dem Boden, den Kopf gegen die Wand gelehnt, ruhig und regelmäßig atmend. Saito unterdrückte den Impuls, den schlafenden Mann mit einem kräftigen Fußtritt wieder in den Zustand des Wachseins zu befördern. Endlich klopfte es leise an der Tür. Ungestüm eilte Saito durch den Raum, hinter ihm schreckte Hioshi aus seinen Träumen auf und rieb sich die nicht minder roten Augen. Der Anführer der dritten Einheit riss schwungvoll die Tür auf. Der Bote, der davor gewartet hatte, stolperte fast hinein. „Go-gomen nasai, Saito-san,“ stammelte er sichtlich nervös, erschrocken über das schreckliche Gesicht seines Befehlshabers. Ohne ein Wort schnappte sich der Wolf von Mibu den Zettel, den der Beamte in seinen zitternden Händen trug und schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Hellwach trat ihm Hioshi sofort zur Seite, um einen Blick auf das Dokument zu erhaschen. „Er ist tot,“ murmelte Saito ausdruckslos, kurz nachdem er den Brief entfaltet hatte. Er reichte ihn an Hioshi weiter, der schnell die dahingekritzelten Zeilen überflog, die ihnen in Ninja des Oniwaban-shu Clans geschickt hatte. „Tot,“ bestätigte er eine Minute später, seine Stimme bebend. „Anscheinend ist dieser Battousai wirklich ein außerordentlicher Schwertkämpfer, wenn er mit diesem Ninja fertig werden konnte.“ Saito schnaubte. „Sie werden für diese Mission nicht ihren allerbesten Kämpfer vorausgeschickt haben.“ Er tastete auf dem Schreibtisch nach einer Zigarette. Der Aschenbecher quoll bereits über. „Immerhin wussten sie genau wie wir, dass der Ninja nur eine 50-50 Chance hatte. Sie wollten sicher auch erst die Stärke des Hitokiri testen, um weiter planen zu können.“ Hioshi starrte entgeistert zu dem nun in Rauch gehüllten Shinsengumi-Anführer. „Saito-san, ich kann das nicht glauben. Hier wird ein Kämpfer geopfert, nur um irgendetwas zu TESTEN?“ Er blickte in kalte, bernsteinfarbene Augen. „Dieser Test hat uns einiges enthüllt!“ Saito sah wieder aus dem Fenster. „Erstens,“ fuhr er fort, „wissen wir jetzt, dass unser Informant die Wahrheit über den Killer gesagt hat. Der Hitokiri war im verabredeten Zeitraum am verabredeten Ort. Das bedeut, dass ihn der Verräter wirklich kennt.“ Hioshi blinzelte. In der Tat, das waren einige Informationen, die äußerst wichtig waren. „Der Informant steht also in Verbindung mit dem Killer, was zweitens bedeutet,“ redete Saito mit tiefer Stimme weiter, „dass er auch seinen Auftraggeber kennen muss.“ Langsam nickte Hioshi. „Aber WER ist der Killer? WER ist der Auftraggeber?“ „Drittens wissen wir zumindest, dass der Killer existiert, von dem so viel Gerüchte verbreitet werden. Wir wissen auch, dass sein auffälligstes Kennzeichen rote Haare sind.“ Frustriert strich Saito sich mit den Fingern über die schmerzenden Augen. „Wir können allerdings nur vermuten, dass es sich bei dem Hitokiri wirklich um diesen Battousai handelt, und dass er im Dienst von Katsura Kogoro steht.“ Schnaubend wandte sich Hioshi ab. „Ein teurer Preis für so wenig Informationen, auch wenn sie wichtig sind. Ich habe noch nie einen Mann in Kyoto mit roten Haaren gesehen!“ Saito drehte sich um und fixierte seinen Mitstreiter. „Hioshi-san, ich möchte, dass ihr euch sofort mit dem Rest eurer Männer unten im südlichen Versammlungsraum des Hauptquartiers sammelt und bereit macht.“ Sofort stand Hioshi stramm. „Ein Auftrag?“ Saito nickte stumm. „Wartet dort, bis ich eintreffe. Ich muss noch etwas klären.“ Fragend zog Hioshi die Augenbrauen hoch, doch der Wolf von Mibu kehrte ihm wieder den Rücken. Das Gespräch war beendet. Leise schlüpfte Hioshi aus der Tür und eilte davon. Saito verharrte am Fenster und blies silbrigen Rauch in den Morgenhimmel. „WER ist dieser Informant?“ überlegte er. „Und warum haben sich die Oniwabanshu bereit erklärt, sich mit mir und Hioshi zu treffen? Warum haben sie uns ihre nächsten Schritte enthüllt?“ Ungehalten schnipste er die Zigarette in den vollen Aschenbecher und rauschte davon. Er wusste, dass nur einer seine Fragen beantworten konnte, einer, der wahrscheinlich schon längst über alles Bescheid wusste: sein Anführer, Kondo Isami. Entschlossen packte er den Türgriff, bereit, durch den Flur zum Zimmer des Anführers der Shinsengumi zu stürmen doch noch während seine Füße sich nach vorne bewegen wollten, spürte er einen Widerstand, der ihn zurückprallen ließ. Ein Knurren entwich seinem Mundwinkel. Das konnte nicht sein. Es hatte tatsächlich jemand gewagt, ihn anzurempeln. Er sah nach unten und blickte in das lächelnde Gesicht des Anführers der ersten Einheit der Shinsengumi. „Itai! Das hat weh getan, Saito-san.“ Der braunhaarige Junge rieb sich den Kopf und zwinkerte verschmitzt. „Wie immer wollt ihr mit dem Kopf durch die Wand.“ „Hmpf.“ Saito verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie jeder andere auch wollte ich die Tür benutzen. Ich konnte ja nicht wissen, dass du mir auflauern würdest, Okita.“ Okita lachte. „Ihr habt mich nicht bemerkt? Wie konntet ihr nur so nachlässig sein. Seit über fünf Minuten warte ich schon im Flur.“ Saito spürte, wie ein plötzlicher Kopfschmerz über seinen Schläfen zu pulsieren begann. Warum nur musste dieser krampfhaft lächelnde Junge ihn ausgerechnet jetzt heimsuchen... Der Anführer der ersten Einheit der Shinsengumi drehte sich zur Seite und gebot Saito mit einer Geste, ihm zu folgen. Mit einem Geräusch des Missfallens folgte ihm der ältere Schwertkämpfer. Seine Augen verengten sich, als ihm langsam einiges klar zu werden schien. „Was willst du, Okita?“ „Ich wurde geschickt, um euch zu holen, Saito-san.“ Das Lächeln war aus Okitas sonst so fröhlichem Gesicht verschwunden. Saito musterte ihn aufmerksam. Auch wenn Okita mit seinem unerschütterlichen Optimismus oftmals eine harte Geduldsprobe darstellte, hatte er doch Respekt vor ihm. In so jungen Jahren schon so weit aufzusteigen – er war gerade einmal 17 und schon Kommandant - das verdankte Okita nicht nur seinem atemberaubenden Können mit dem Schwert sondern auch seinem scharfen Verstand. Was bedeutete, wenn der Jungen sich über etwas Sorgen machte, dann war das meistens auch etwas, dem er, Saito Hajime, seine Aufmerksamkeit widmen sollte. „Wer hat dich geschickt?“ Okita blieb stehen und drehte sich kurz zum Anführer der dritten Einheit der Shinsengumi um. „Kondo-san natürlich. Wer sonst?“ „Und warum?“ Okita zuckte mit den Schultern. „Das wird er uns gleich sagen, nehme ich an. Er erwartet uns in seinem Büro.“ Kaum zwei Minuten später standen die beiden Shinsengumi-Anführer am Ende eines langen Flures vor einer mit reichen Verzierungen und Seidenmalereien ausgestatteten Schiebetür. Das Zimmer ihres Anführers. Saito räusperte sich, Okita rückte das Lächeln in seinem Gesicht zurecht und der an der Wand neben dem Büro wartende Dienstbote schob mit einer tiefen Verbeugung die Tür auf. „Ohaiyo gozaimasu, Kondo-san,“ tönten Saito und Okita unisono, während sie mit einer ebenfalls tiefen Verbeugung den Raum betraten. Im hellen Licht, dass durch die Reispapierwände drang, saß Kondo Isami entspannt auf den Tatami und genoss einen warmen Tee. Nur das leichte Zucken seiner buschigen Augenbrauen verriet, dass er die Ankommenden zur Kenntnis genommen hatte. Er atmete tief ein, strich sich abwesend mit einer Hand sein bereits ergrautes Haar zurück, die er anschließend dazu benutzte, die Kommandanten zum Hinsetzen aufzufordern. Okita spürte, wie die gemächliche Art des älteren Mannes Saitos Nerven auf eine Geduldsprobe stellten, denn er sah, wie die Hand seines Freundes immer wieder mit der Kordel seines Umhangs spielte. Sie setzten sich rasch. Dann herrschte Stille. „Saito-san, Okita-san.“ Okita kam es Stunden, Saito Tage später vor, als Kondo endlich zu reden begann und seine bisher unter buschigen Brauen verborgenen Augen öffnete. Ein helles Grün blitzte ihnen durch den in Morgenlicht getränkten Raum entgegen. „Ihr wisst, warum ihr hier seid?“ „Nein!“ blaffte Saito, bevor Okita irgendetwas sagen konnte. Kondo lächelte nachsichtig, als ob Saito ein Kind sei, das bei einer Ungezogenheit ertappt worden wäre. „Ihr beide seid meine fähigsten Kommandanten. Es wird wohl Zeit, dass ich euch alles offenbare.“ Er schnippte mit dem Finger und an der Seite schob sich eine kleine Tür auf. Sofort war Saito auf den Beinen, die Hände am Schwertgriff. Durch die kleine Tür trat ein großer Mann, tiefliegende Augen musterten träge die beiden Kommandanten. „Saito!“ Geschockt hievte sich Okita ebenfalls hoch und legte seine Hände beschwichtigend auf die von Saito. Kondos grüne Augen blickten stechend in seine Richtung, doch das leicht amüsierte Lächeln in seinem Gesicht blieb. „Ich nehme an, ihr kennt meinen geheimen Ratgeber,“ sprach er und seine Mundwinkel zuckten. „Ubei.“ Das Zischen von Saitos Stimme durchschnitt die Luft. „Hisashiburi dana, Saito.“ Mit einem spöttischen Lächeln tippte sich Takeo Ubei an die Wange, dort, wo von der Stirn herab über seine Augenhöhle eine tiefe Narbe verlief. „Nett, dass du dich an meinen Namen erinnert. Ich jedenfalls habe von dir einen bleibenden Eindruck behalten.“ Verwirrt schaute Okita zwischen den beiden Männern hin und her und blickte dann schließlich hilfesuchend in Richtung Kondo, der mit einem Seufzen sein Grinsen sein ließ und aufstand. „Die alten Geschichten sind nicht länger von Bedeutung,“ brummte er, während er etwas schwerfällig zwischen die beiden Männer trat, die sich mit ihren Blicken zu erdolchen schienen. „Ihr werdet alle von nun an zusammenarbeiten.“ Okita meinte, Saitos Gesichtsfarbe noch kreidiger werden zu sehen. „Wieso?“ Die formlose Frage des Kommandeurs der dritten Einheit der Shinsengumi überraschte keinen. Der nächste Satz jedoch schon. „Mit diesem Mann arbeite ich nicht zusammen!“ „Heißt das, ihr verweigert meinen Befehl?“ Kondos Stimme klang leise aber bedrohlich. Okita schluckte. Saito schloss die Augen und rieb sich seine müden Lider. „Ich meine,“ fuhr er weniger aggressiv fort, „dass ich wenigstens den Grund erfahren will, wieso ich mit diesem Mann zusammenarbeiten soll.“ Takeo Ubei lächelte ihn ungerührt an. „Ganz einfach, mein Lieber,“ erwiderte er, ein boshaftes Glitzern in seinen Augen. „Wir sollen gemeinsam einen Dämon und seine Sippschaft zu Fall bringen.“ „Partner?!“ So wie Saito dieses Wort aussprach, hätte man meinen können, dass es sich um die Bezeichnung eines Dreckklumpens handeln würde, den jemand tief unten aus der Kloake gefischt hatte. „Wozu brauche ich einen Partner?“ Der geheime Ratgeber von Kondo Isami schüttelte den Kopf. „Wie willst du einen Dämon jagen und fangen, ohne einen Plan? Ich bin dafür da, dass deine nächsten Schritte nicht straucheln.“ -- Das nächste Kapitel kommt in weniger als 3 Monaten, versprochen ^^x’ Was wird zwischen Kenshin und Tomoe passieren? Was hat Izuka vor? Und was hat es mit Ubei und Saito auf sich? Während sich zwischen den Personen viel entwickelt, schreiten auch die politischen Ereignisse immer schneller voran... Wörter: Kohagi-Ya: Kohagi-Herberge Kami-sama: Bei den Göttern! Choshuu: Provinz Japans, aus der Katsura und sein Klan der Ishin Shishi vornehmlich stammen. Obi: Gürtel, der den Kimono zusammenhält Tanto: Kleines Messer, Dolch Ishin Shishi: Patrioten bzw. Rebellen, heute würde man sagen: Terroristen, die durch Anschläge die Regierung stürzen wollen. Bakufu: Militärregierung Japans (angeführt vom Shogun) Kondo Isami: Oberhaupt der Shinsengumi in den ersten Jahren des Bakumatsu. Toshimaro, Miyabe: Anführer anderer patriotischer Klans, teilweise aus Kyoto aber auch aus anderen südlichen Provinzen wie Satsuma. Oniwabanshu: Ninja im Dienst des Shoguns, vornehmlich in Tokyo aber auch in Kyoto eingesetzt. Yukata: schlafkimono Ohaiyo: Guten Morgen Kuso: Verdammt Hakubaiko: Pflaumenblüten Tomoe desu, yoroshiku – Ich bin Tomoe, freut mich, sie/euch kennenzulernen. 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