Glamour ☆ Fashion von Kiru (Wie weit sollte ein Mensch für seinen Ruhm gehen? vs. Wie weit darf ein Mensch für seinen Erfolg gehen?) ================================================================================ Fashion #1 ---------- Rating: G A/N: furchtbares Kapitel ~_~ viel zu lang und viel zu wenig inhalt ._. ich hoffe, HydeAddict bringt mich hierfür nicht um |D Beta’d: ausführlichst und liebevoll von meinem Tattoo-chan xD Disclaimer: weder Arena noch Fool’s Mate, ViENUS oder BAPE gehören mir <.< (sucht mal nach ‘A Bathing Ape’ und geht mal auf die Homepage, das ist voll lustig, vor allem guckt der Affe so *DROP* XDDDD) ~★~☆~★~☆~★~ Mist, Mist, Mist. Ich war sowieso schon so spät dran, und jetzt geriet ich direkt in dieses Gewimmel von Menschen hinein. Und es wäre nicht das erste Mal, dass ich zu einer unserer Verabredungen zu spät kam. VIEL zu spät. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Bereits über eine halbe Stunde. Mist. Junko würde verstimmt sein. Und NOCH verstimmter, wenn ich noch später kam. Hastig schlängelte ich mich durch die Menge. Das war nicht gut, das war gar nicht gut, ich konnte mich noch erinnern, wie sauer sie gewesen war, als ich fast zwei Stunden zu spät kam, nachdem erst das Auto, das ich mir geliehen hatte, abgesoffen und dann die Bahn nicht gefahren war. Und das Schlimmste war – so was passierte mir STÄNDIG. Es war richtig frustrierend. Und just in diesem Moment rannte ich in einen Typen rein. „Tut mir leid“, entschuldigte ich mich schnell und wollte direkt weitergehen, aber er packte mein Handgelenk und zog mich zu sich zurück, sodass ich gezwungen war stehen zu bleiben und ihn anzusehen. Er hatte etwa schulterlange dunkelbraune Haare, trug eine ‚Pornobrille’ (diese großen Sonnenbrillen, ihr wisst schon) und einen Hut, hatte ungefähr meine Statur (so dünn, dass es fast schon an Magersucht grenzte), war elegant gekleidet und lächelte mich an. „Haben Sie Interesse daran, sich ein bisschen Geld dazu zu verdienen?“, fragte er mich mit einer wohltönenden und ruhigen Stimme. Ich starrte ihn verständnislos an. Was zur Hölle wollte der Kerl von mir? „Nein danke, keinen Bedarf“, murmelte ich und wollte mich losreißen, aber er zog mich wieder zurück, ein wenig näher zu sich als vorher. „Sie werden es bereuen, mein Angebot ausgeschlagen zu haben. Wissen Sie was, ich gebe Ihnen einfach meine Karte, und wenn Sie Interesse haben, können Sie mich gerne am Sonntag so gegen Mittag besuchen kommen. Meinetwegen bringen Sie irgendwelche Freunde mit, falls Sie das beruhigt, alle sind herzlich willkommen.“ Damit drückte er mir eine Visitenkarte in die Hand, klopfte mir auf die Schulter und verschwand kommentarlos. Blinzelnd sah ich ihm nach. Was... war das denn jetzt gewesen? Da lud so ein Typ, der wie ein Zuhälter aussah, wildfremde Leute bei sich zuhause ein? Kopfschüttelnd stopfte ich mir seine Visitenkarte in die Jackentasche, ohne sie mir einmal angesehen zu haben, und hielt noch kurz nach ihm Ausschau. Ich erwischte einen kurzen Blick auf ihn, wie er sich mit einem im Vergleich zu ihm winzigen Kerl unterhielt, der aussah wie eine Frau. Nein, wirklich, er sah aus wie eine europäische Frau! Weiche Gesichtszüge, lange seidige Haare, charmantes Lächeln... (Und dann sahen sie auch noch beide zu mir herüber. ... Unangenehm.) Ich schüttelte den Kopf, drehte mich um und stürmte weiter. Ich durfte nicht NOCH später kommen, sonst würde sie mir den Kopf abreißen... „Und was für eine Ausrede hast du diesmal?“, wollte Junko gereizt wissen, als ich mich völlig außer Atem vor ihr an den Tisch sinken ließ. „Hat wieder irgendetwas gestreikt? War Stau? Deine Oma ist gestorben?“ Ich atmete einmal tief durch und schüttelte dann den Kopf. „Nein, zuerst hat Yuu mich aufgehalten, weil er mich am Telefon zugelabert hat-“ „-was ich nicht ganz glauben kann, da er nie auch nur mehr als sechs Wörter sagt, wenn ich dabei bin, aber okay...“ Ja, weil er dich nicht leiden kann, dachte ich. „-und dann bin ich direkt in eine Welle von Geschäftsleuten reingerannt. Ach ja, und dann hat mich ein GANZ schräger Typ angequatscht, ob ich mir nicht ein wenig Geld verdienen will.“ Ich runzelte die Stirn. Junko hob eine Augenbraue. „Guck mich nicht so an, es IST so!“, verteidigte ich mich. „Und dann hat er mir eine Visitenkarte in die Hand gedrückt und ist wieder abgehauen, wirklich! Keine Ahnung, was das sollte, und dann hat er sich noch mit so einem Typen unterhalten, der wie eine Frau aussah.“ „Und woher wusstest du, dass er keine Frau IST?“, wollte Junko zweifelnd wissen. „Ganz einfach – er hatte nicht die gleichen wohlgeformten Rundungen wie du“, versuchte ich es. Sie lächelte säuerlich. „Ach so, da guckst du natürlich als zweites hin, wenn du ein hübsches Gesicht siehst.“ Damit stand sie auf. ~☆~ „Ich glaub’s nicht...“ Ich legte mir einen Arm über die Augen und streckte mich ein wenig auf meinem Bett aus. „Das ist jetzt schon die... wievielte innerhalb dieses Jahres?“, fragte Yuu, der auf meinem Schreibtischstuhl saß und im Schlafzimmer hin- und herrollte, während er versuchte, mit vier Orangen zu jonglieren. „Die siebte“, gab ich leise zurück. „Und es sind immer nur Kleinigkeiten, Yuu, weißt du, Mariko hat geglaubt, ich würde sie mit dir betrügen – gut, das ist jetzt keine Kleinigkeit, aber das hat sie an Kleinigkeiten festgemacht –, Haruka hat es nicht gefallen, wie ich mich ausdrücke, Izumi wollte, dass ich keine andere Frau auch nur ANGUCKE, weil ich kurz davor gewesen bin, mich mit dieser total lieben Bibliothekarin anzufreunden-“ „Ich weiß doch, Gara, ich weiß es doch“, seufzte er und fluchte leise, als ihm alle Orangen gleichzeitig auf den Boden fielen. (Das ahnte ich natürlich nur, sehen konnte ich es nicht, aber ich hatte vier dumpfe Aufpralle gehört, von daher ging ich davon aus, dass ich Recht hatte.) „Aber du bist auch nicht perfekt, entweder, sie nehmen dich so, wie du bist, oder sie lassen’s sein.“ „Nur meistens tun sie letzteres.“ Ich seufzte ebenfalls. „Und bei dir gibt’s auch nichts Neues? Weder von dem Kerl, der dir eine Ausbildung verschaffen wollte, noch von der einen Perle, die du auf der Straße kennen gelernt hast?“ Ich drehte den Kopf zur Seite und sah Yuu an, der sich auf die Orangen konzentrierte. Als wieder einmal alle heruntergefallen waren, schüttelte er den Kopf und schenkte mir ein kurzes Lächeln. „Keine Sorge, ich bin auch nicht besser dran als du... Weder, was Arbeit angeht, noch was das Liebesleben betrifft...“ Er seufzte erneut tief. „Aber sag mal ehrlich, wir sind doch keine Versager, oder?“ „Wenn, dann hätten wir schon längst aufgegeben. Nein, was wir sind... wir sind einfach nur Pechvögel. Aber richtig.“ Damit setzte ich mich auf. „Ich glaube, irgendwer da oben kann uns nicht leiden, ganz ehrlich.“ Eine Weile herrschte Schweigen, dann fiel mir etwas ein und ich sprang auf, ging zur Garderobe, kramte in meiner Jacke herum und kehrte dann mit der Visitenkarte in der Hand zurück. „Was ist das?“, wollte Yuu wissen und fiel fast vom Stuhl, als er versuchte, eine verirrte Orange vor dem Absturz zu retten. Ich erklärte ihm kurz, wie ich an die Karte gekommen war und las sie mir dann stirnrunzelnd durch. „Yuu, hast du schon mal von einem ‚Mori Kiyoharu’ gehört?“ Prompt lagen alle Orangen wieder auf dem Boden, aber ich schenkte ihnen keine Beachtung. „Mh, wohnt in einer ziemlich reichen Gegend, scheint wichtig zu sein... kennst du-“ Als ich aufsah, bemerkte ich, dass Yuu mich mit offenem Mund anstarrte. „Ha?“ „Gib mal“, sagte er entgeistert, riss mir die Visitenkarte aus der Hand, betrachtete sie und bekam einen noch fassungsloseren Gesichtsausdruck. „Was ist denn?!“, fragte ich irritiert. Er hob den Kopf und musterte mich, als sähe er mich zum ersten Mal. „Und der Typ hat dich angesprochen?“ „Nachdem ich ihn umgerannt habe, ja.“ „Du hast ihn UM-“ Yuu brach ab und schüttelte den Kopf, ehe er mit der Karte wedelte. „Du hast keine Ahnung, wer das ist, oder?“ „Nein, woher auch?“ „Sagt dir ‚GLAMOUR ☆ FASHION’ was?“ Ich runzelte die Stirn. „Entfernt.“ „Das ist die erfolgreichste Modezeitschrift in ganz Japan, in halb Korea und in halb China, selbst in der USA wird sie verkauft!“ Ratlos hob ich die Augenbrauen. „Und?“ Yuu sah mich vielsagend an. Ich blinzelte einmal. „Du willst mir nicht gerade erzählen, dass ich in irgendeinen Chef reingerannt bin, oder?“ „Fast. Kiyoharu ist... Herrgott, er ist eine LEGENDE, ich weiß nicht, warum du ihn nicht kennst! Er hat eine Modemarke namens ‚Elegance’, für die er selbst Kollektionen entwirft, er ist ein Talentsucher, was Models, Designer, Journalisten und das alles angeht, er modelt manchmal selbst, er schreibt Artikel für die Zeitschrift, nach ihm wird entschieden, was auf das Titelcover kommt... er ist ein Multitalent, und zwar eins vom Feinsten, das glaubst du nicht, er kann ALLES, und alles perfekt und vor allem gleichzeitig. Und dabei schafft er es noch, ein Privatleben zu haben – WIE er das macht, darfst du mich nicht fragen, auf jeden Fall war er mal verheiratet und hat schon etliche Male Schlagzeilen gemacht.“ Jetzt kam Yuu erst richtig in Fahrt. „Weißt du, es wurde sowieso lange vermutet, dass er nicht nur vom einen Ufer ist, und als dann ein paar seiner Models an die Öffentlichkeit gegangen sind und ‚gestanden’ haben, eine Affäre mit ihm gehabt zu haben, hat er natürlich alles abgestritten, und obwohl sein Ruf allgemein gewahrt wurde, sind alle inzwischen davon überzeugt, dass er schwul ist. Dann gab es-“ „-Moment, Moment, da komm ich nicht ganz mit“, unterbrach ich ihn. „WARUM glauben jetzt alle, dass er schwul ist?“ Yuu grinste. „Weil er grundsätzlich nur Männer als Models einstellt. GLAMOUR ☆ FASHION hat sowohl einen Teil für Frauen als auch einen nur für Männer, und fast alle Models in dieser Rubrik hat Kiyoharu persönlich ausgesucht. Für die Frauen ist jemand anders zuständig, Anna Tsuchiya heißt sie, und sie ist so in etwa das Gegenstück zu Kiyoharu – wobei auch vermutet wird, dass die beiden sich absolut nicht leiden können –, kann alles, macht alles und ist auch noch gut dabei. Auf jeden Fall haben ein paar männliche Models behauptet, mit Kiyoharu zusammen gewesen zu sein – unabhängig voneinander –, was er vehement bestritten hat. Aber ich meine – stell dir mal vor, du bist tagtäglich von diesen hübschen Männern umringt, die ganze Zeit, und dann tanzen sie dir vor der Nase rum... ich glaube, da würde ich auch schwul werden.“ Ich musste zugeben, ich war beeindruckt. Nicht nur von diesem Kiyoharu, sondern auch davon, wie viel Yuu über ihn wusste. Er interessierte sich sonst nicht so viel für Klatsch, und vor allem nicht für Mode. „Ach ja, und dann gab es noch einen Skandal, als zwei seiner Models eine Schlammschlacht angefangen haben, worum es ging, wusste hinterher keiner mehr, aber auf jeden Fall hat Kiyoharu sich auch davon distanziert. Aber er ist nicht so, dass er die Typen nur beschäftigt und sie im Stich lässt, wenn sie Mist bauen, ein Model ist mal wegen schwerer Körperverletzung in den Knast gekommen, und Kiyoharu hat ihn weiterhin unterstützt, was so weit ging, dass er hinterher sogar Beweise für die Unschuld des Typen vorgebracht hat, sodass dieser entlassen wurde. Allerdings teilen sich die Meinungen – die einen sagen, der Kerl war schuldig und Kiyoharu hat nur ein bisschen seines Einflusses gebraucht, andere meinen, dass der Kerl wirklich nichts getan hatte. Und dann gab es einen Prozess gegen ihn wegen angeblich geklauter Ideen, aber da hat sich alles in Wohlgefallen aufgelöst, die Sache wurde geklärt und der Ankläger hat sich ausführlich bei Kiyoharu entschuldigt – und der hat ihn gleich als einen neuen Designer eingestellt und groß rausgebracht. Seit dieser Sache küsst die Öffentlichkeit ihm wieder die Füße. Ich frage mich allerdings immer noch, wie das alles so an dir vorbei gehen konnte!“ Verständnislos schüttelte Yuu den Kopf. Ich schwieg einen Moment. Dann legte ich den Kopf schief. „Und ich frage MICH, warum zur Hölle du das alles weißt“, erwiderte ich nachdenklich. Yuu lief knallrot an und musste einmal mehr die Orangen aufsammeln. „Interpretier da ja nichts rein, ja?“ „Was könnte ich denn da reininterpretieren?“, grinste ich. „Keine Ahnung, dass ich... ach, was weiß ich. Lass es einfach. Ich weiß das, weil ich mindestens drei Freundinnen hatte, die unheimlich hinter dieser Zeitschrift her waren. Allerdings nicht, um sich die neuesten Tipps für die modebewusste Frau anzusehen, sondern die Typen im anderen Teil anzusabbern.“ Er verdrehte kurz die Augen. „Und wie kommt es, dass du dann mit so einer Begeisterung davon erzählst?“, fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen nach. Er wurde noch eine Spur dunkler. „Ich... weiß nicht, seitdem ich mich von der dritten getrennt hatte, weil sie mich mit ihren andauernden Kiyoharu-hier, Jui-da, Hakuei-dort genervt hat, kauf ich mir die Zeitschrift zwischendurch immer mal wieder...“ Ich wusste nicht, ob ich ihm resigniert auf die Schulter klopfen und theatralisch seufzen, in Lachen ausbrechen, ihn ungläubig anstarren oder fluchtartig den Raum verlassen sollte. „Uhm... Yuu...“, meinte ich zögernd. „Das meinst du doch gerade nicht ernst, oder?“ Er nickte leicht. Jetzt konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Hast du mir irgendwas verschwiegen?“ „Genau DAS solltest du da NICHT reininterpretieren!!“, antwortete er gequält. „Hör zu, GLAMOUR ☆ FASHION ist wirklich SERIÖS, verstehst du? Da sind nicht einfach nur viele Leute mit wenig Kleidung abgedruckt, um dir zu zeigen, wie du sowieso niemals aussehen wirst, sondern... ich weiß nicht. Wenn du die Tipps darin wirklich beherzigst, dann...“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Am Besten ist, du guckst dir die Dinger selbst mal...“ Da wurden plötzlich seine Augen groß und er sah mich an. „Gara, Kiyoharu hat dich doch zu sich eingeladen, oder?“ Ich nickte verwirrt. „Ja, hat er. Was-“ „Oh mein Gott, oh mein GOTT!“ Yuu starrte mich wieder so komisch an, als wäre ich von einem anderen Stern. „Was denn?!“ „Du wirst ein Model!“ Mir klappte die Kinnlade runter. „ICH?!?“ „Ja, klar, warum sollte er dich sonst angelabert haben??“ Yuu wirkte, als würde er gleich auf dem Stuhl auf und ab hüpfen, die Orangen waren ihm inzwischen egal geworden. „Oh mein Gott, du wirst berühmt und kriegst ganz viel Geld und lernst die Leute kennen, die richtig viel Einfluss haben und OH MEIN GOTT, ich glaub das nicht!“ Er strahlte mich an. „Hey, Yuu, komm mal wieder runter!“, gab ich stirnrunzelnd zurück. „Ich glaub irgendwie nicht, dass er mich angequatscht hat, weil er mich als Model haben will, müsste das nicht sonst anders verlaufen sein? Ein bisschen... professioneller? Einfach wildfremde Typen anmachen, denen eine Visitenkarte aufdrängen, sie einladen und wieder verschwinden ist nicht so die feine Art, oder?“ „Stimmt, das ist ein bisschen inoffiziell“, gab Yuu zu und dachte kurz nach. Dann strahlte er mich wieder an. „Ich hab’s – er will dich für seinen privaten Harem!“ „HALLO?!“ Yuu musste lachen. „Nein, Scherz. Ich hab keine Ahnung, wie man normalerweise zum Model rekrutiert wird, ich hab mich mit dem Beruf noch nicht allzu sehr auseinander gesetzt-“ „Mehr als ich“, warf ich ein. „-aber ich denke, dass es das ist. Wenn er dich als Designer wollte, dann hätte er sich erst einmal deine Sachen angucken wollen, und wenn als Journalist, hättest du ihm natürlich erst einmal was schreiben sollen.“ „Wer sagt denn, dass er mich nicht für was GANZ anderes will?“, überlegte ich. „Was denn sonst, den Müll raustragen?“ Jetzt musste ich lachen. „Nein, aber... ach, ich weiß es doch auch nicht. Keine Ahnung. Am Besten wird sein, wenn wir einfach am Sonntag hingehen. Okay?“ Yuu nickte. „Okay, machen wir.“ Er grinste mich breit an. „Das kann ja was werden, ganz ehrlich... Soll ich dir vorher noch ein paar Ausgaben vorbeibringen?“ „Wie viele hast du denn insgesamt?“ „Das... willst du gar nicht wissen.“ Wollte ich wirklich nicht. Ich war schon froh, dass Yuu mir nur fünf vorbeibrachte. Als ich das erste Heft aufschlug (gut, was hieß da Heft? Das Ding war umfangreicher als eine Arena oder eine Fool’s Mate), erwartete ich Glanz, Gloria und hochgradig und kreativ gestylte Menschen, was grundsätzlich bei mir ein Gefühl auslöste wie bei einer Katze, die man gegen den Strich streichelte. Was ich allerdings bekam, war etwas ganz anderes. Es war, wie Yuu gesagt hatte – seriöser. Die Berichte, von denen nur einer oder zwei von Kiyoharu stammten und die anderen fünfundzwanzig (mindestens) von verschiedenen Personen, die ich alle nicht kannte, behandelten ernste Themen, die nicht nur mit Mode zu tun hatten, sondern auch zum Teil verschiedene Kulturen, Kultur allgemein (wie etwa Bücher- und Theaterkritiken) und Sachen, die man wissen sollte oder die interessant zu wissen waren. Es wirkte wie ein Magazin mit Schwerpunkt auf Mode. Und selbst wenn es um Mode ging, hatten die Redakteure es geschafft, die Zeitschrift nicht wirken zu lassen, als befände sie sich auf einem viel höheren Level, sondern dass selbst der Durchschnittsbürger sich angesprochen fühlte. Es war so interessant, dass ich mir sogar den Teil für die Frauen durchlas, wo ich etliche Sachen erfuhr, die ich eigentlich gar nicht brauchte, z.B. dass es half, wenn man einen Kajalstift vor dem Benutzen kurz in eine Flamme hielt, da er dann besser malte, und dass man bei den meisten Lidschatten nicht knausern sollte, da diese sonst zu leicht verwischten. Und ich musste zugeben, dass die Models (beiden Geschlechts) weder zu wenig anhatten noch allzu sehr gestylt waren noch aussahen wie frisch vom Chirurgen. Sie waren allesamt unheimlich hübsch, das schon, aber sie waren nicht UNWIRKLICH hübsch. Und selbst wenn Frauen oder Männer (nein, wirklich, das ist jetzt ernst gemeint) in aufreizenden Posen dargestellt waren, so konnte man doch erkennen, dass sie nicht gerade erst aus einem Porno entkommen waren. (Das meine ich absolut ernst – Männer in aufreizenden Posen. ... Das musste man sich mal vorstellen. Obwohl, besser nicht.) Ganz ehrlich – die Zeitschrift faszinierte mich. Und sie tat es noch mehr, als ich Kiyoharus Namen im Inhaltsverzeichnis der letzten Ausgabe las, die ich bereit gestellt bekommen hatte. (Aber echt – wie hatte Yuu mir nur FÜNF geben können!? Das reichte doch nicht einmal für eine ganze Nacht, also wirklich, ich würde mich noch mal beschweren müssen. Als ob fünf für den Anfang reichen würden, mal ehrlich...) Ich ignorierte den gesamten Rest fröhlich und blätterte sofort zu der Seite, die angegeben war. Und wurde von dem Gesicht angeschaut, das ich keine 24 Stunden vorher direkt vor mir gehabt hatte. Whow. So ohne Pornobrille und Hut konnte man sein Gesicht besser erkennen – und er war hübsch. Er war richtig hübsch. Zwar spindeldürr, aber trotzdem durchaus nicht unattraktiv. Und so jemand hatte mich zu sich nach Hause eingeladen. Auf einmal war ich mir nicht mehr ganz so sicher, ob das so eine gute Idee war... ~☆~ „Klingel du.“ „Warum ich?!“ „Ich kann nicht.“ „Hey, er hat DICH eingeladen.“ „Aber du bist mitgekommen!“ „Ja und?“ „Jetzt mach doch einfach.“ „...nein.“ „Warum nicht?“ „Was, wenn er dich nur verarscht hat?“ „Dann ist das MEIN Problem, also klingel jetzt.“ „Mach da doch nicht so einen großen Wirbel drum!“ „Du könntest dich auch einfach erbarmen und auf diesen kleinen Knopf drücken...“ „Gut, wenn du nicht willst...“ „...“ „...“ „...was ist jetzt?“ „Ich trau mich nicht...“ „Na super! Und wie sollen wir reinkommen, wenn du nicht klingelst?!“ „Jetzt bin ICH auch noch Schuld??“ „Ich störe ja nur ungern...“ Yuu und ich zuckten zusammen, als hätte man uns einen Elektroschock verpasst, und wandten uns der dunklen Gestalt zu, die vor uns stand. „...aber sind Sie angemeldet? Falls nicht, muss ich Sie bitten-“ „Nein, sind wir nicht“, antwortete ich kleinlaut und bekam von Yuu einen Ellbogen in die Rippen. „Ach, doch, sind wir!“ Der Typ (Ein Bodyguard? Sah zumindest so aus) betrachtete uns skeptisch. „Ich bin letztens Ihrem Chef über den Weg gelaufen, also eigentlich hab ich ihn über den Haufen gerannt, aber ich glaube inzwischen, dass das Absicht war, also, dass er sich hat umrennen lassen, und dann hat er mir seine Visitenkarte aufgedrängt und gesagt, ich soll doch Sonntag Mittag mal vorbeikommen und...“, plapperte ich drauflos. „Haben Sie die Visitenkarte noch?“, wollte der Bodyguard wissen. Ich kramte verzweifelt in meinen Taschen herum, bis ich sie schließlich doch fand und ihm reichte. Er musterte sie kurz, nickte dann und trat zur Seite, sodass wir durch das Tor gehen konnten. Neben mir atmete Yuu erleichtert aus, nur um dann wieder scharf die Luft einzusaugen. Kiyoharu wohnte in einer ansehnlichen Villa, die von einer tadellos gepflegten Rasenfläche umgeben war. Auf diese kam man nur, wenn man durch das Tor ging, das zur Straße zeigte. Es war schon... beeindruckend. „Yuu“, flüsterte ich. „Ich hab Angst. Ganz ehrlich.“ „Ich hab nur Lampenfieber“, murmelte Yuu zurück, während wir vorsichtig den Weg zur Tür zurücklegten, als gingen wir zum Jüngsten Gericht. „Warum das denn?“ „Was, wenn ich mich blamiere? Wenn ich irgendetwas Peinliches sage oder etwas Doppeldeutiges, was, wenn ich hinfalle, was, wenn ich ihn aus Versehen so umrenne, dass er sich was bricht, was, wenn ich irgendetwas von unschätzbarem Wert hinschmeiße, was, wenn-“ „Danke“, fiel ich ihm ins Wort. „Jetzt hab ich AUCH Lampenfieber.“ Yuu kicherte nervös, hielt aber sofort inne, als sich die reich verzierte Tür vor uns von selbst öffnete. Kiyoharu trug keinen Hut und keine Pornobrille, weshalb man sein Gesicht in dessen Vollkommenheit sehen konnte (Was zum Teufel rede ich gerade?), sondern eine Jeans mit etlichen Löchern drin und ein ärmelloses weißes Shirt. Und er lächelte mich an, wie bei unserer ersten Begegnung. Ich spürte, wie meine Knie weich wurden, weil ich hier gerade vor einem der wichtigsten Menschen überhaupt bei GLAMOUR ☆ FASHION stand, und weil er mich anlächelte, als würde er sich freuen, mich zu sehen, und weil er mein Leben wahrscheinlich mit einem Fingerschnipsen auslöschen konnte (Hallo? Wirklichkeit??) und überhaupt. (Zusammenfassung: Ich war noch nie einem so hübschen Star so nah gewesen.) „Einen wunderschönen guten Tag“, begrüßte Kiyoharu (der leibhaftige Kiyoharu – ich glaubte es immer noch nicht) uns freundlich. „Oh mein Gott“, murmelte ich leise. Er sah mich an. „Bitte?“ „Ich habe hallo gesagt“, sagte ich schnell. Yuu biss sich auf die Lippe, um nicht lachen zu müssen und erwiderte den Gruß dann ebenso freundlich. Ich wäre am liebsten auf der Stelle im Boden versunken. „Ich würde vorschlagen, dass ich Sie beide erst einmal ein wenig herumführe und wir uns etwas näher kennen lernen, und dann können wir immer noch weiter sehen, ja?“, bot Kiyoharu an und schenkte uns ein Lächeln, das so umwerfend aussah, dass ich mich verfluchte, keine Kamera dabei zu haben. (Okay, ich übertrieb wirklich. Das hier war auch nur ein Mensch. ... Aber WAS für einer.) „Darf ich mitkommen?“, wollte Yuu verwirrt wissen. „Natürlich. Sehen Sie, Sie müssen im Moment die wichtigste Person in seinem-“, Kiyoharu deutete auf mich, „-Leben sein, sonst wären Sie jetzt nicht hier. Und wenn alles passt, dann werden wir beide noch etwas länger zusammenarbeiten, und da Sie zu seinem Umfeld gehören, ist es besser, wenn ich Sie so früh wie möglich kennen lerne – schließlich muss ich wissen, was in den Köpfen meiner Models vorgeht und was sie beschäftigt, sonst kann ich ihren Charakter nicht zur Geltung bringen.“ Mir wurde kurz schwindelig. Ich sollte wirklich... Model werden. Bis gerade eben hatte ich nicht wirklich daran geglaubt – ich hatte doch fast nichts mit den Models gemein, die ich in den Heften gesehen hatte... „Wenn Sie nichts dagegen haben, dann zeige ich Ihnen erst einmal meinen Garten, da bin ich besonders stolz drauf. Und währenddessen können Sie sich gerne etwas vorstellen“, meinte Kiyoharu und schob uns ein Stück von der Tür weg, ehe er Seite an Seite (ich links, Yuu rechts) mit uns über den perfekten Rasen spazierte. Und ich konnte weder glauben noch überhaupt begreifen, was hier gerade vor sich ging. Kiyoharu führte uns wirklich fast überall herum. In seinem Garten hatte er hinter dem Haus, sodass man es von der Straße nicht sehen konnte, einen Whirlpool, einen Swimmingpool, ein Stück Sandstrand ohne Meer aber mit Teich (keine Ahnung, was das sollte, aber es beeindruckte mich zutiefst, was wahrscheinlich der Sinn der Sache war) und etliche knallbunte Blumenbeete. Und wenn ich sage knallbunt, meine ich knallbunt. In der Villa selbst gab es ALLES. Hatte ich in meinem ganzen Leben Häuser mit Billardzimmer, Trainingsraum, Musikzimmer, zwei Wohnzimmern, drei Bädern, zwei Schlafzimmern, einer riesigen Küche oder einem Wohnzimmer, das allein eine Etage eines Einfamilienhauses ausmachen konnte, gesehen, so vereinte Kiyoharus Villa das alles in stilvoller Art und Weise. Ich glaube, er hatte sich, bevor er das Ding hat einrichten lassen, eine Liste geben lassen mit der Überschrift ‚Räume, die man nicht braucht, die man aber trotzdem haben kann’ und danach sein Haus eingerichtet. Oder so. Yuu schien ähnlich beeindruckt zu sein wie ich, denn er redete fast gar nicht, was nur dann vorkam, wenn er anwesende Personen nicht leiden konnte (im Gegensatz zu mir) oder wenn er sprachlos war. Na ja. Während wir die Villa in ihrer Gesamtheit besichtigten, unterhielten Kiyoharu und ich uns ganz locker, hauptsächlich über mich bzw. mein Leben (was nicht ganz so toll war – ich hatte das Studium abgebrochen und seitdem nicht einen Tag gearbeitet, aber nur, weil ich nichts gefunden hatte) und GLAMOUR ☆ FASHION. Wo ich konnte, gab ich mit meinem Vorwissen über die Zeitschrift an und merkte, wie Yuu immer wieder tat, als würde er sich umsehen, während er sich einen weggrinste. Und nach fast zwei Stunden (wir hatten uns reichlich Zeit gelassen) standen wir wieder vor Kiyoharus Tür (nur dieses Mal von innen gesehen). Er schenkte uns ein Lächeln. „Ich muss zugeben, dass ich die Zeit mit euch ziemlich genossen habe.“ Dann wandte er sich an Yuu. „Aber ich befürchte, dass ich dir etwas sagen muss, das dir nicht sonderlich gut gefallen wird.“ Yuu sah ihn sowohl neugierig und zerknirscht als auch schuldbewusst (Schuldbewusst? Hatte ich was verpasst?) an. „Was denn...?“ „Ich werde Gara noch ein bisschen länger hier behalten müssen.“ Ich und Yuu sahen uns an und in derselben Sekunde erschien ein breites Honigkuchenpferdgrinsen auf unseren Gesichtern. Oh Gott, ich glaubte es wirklich nicht... Yuu knuffte mich kurz aufmunternd in die Seite und verbeugte sich dann ganz kurz vor Kiyoharu. „Behalt ihn, so lang du willst. Vielen Dank, dass ich auch hier sein durfte. Bis dann.“ Er zwinkerte mir zu und ich grinste zurück. „Auf Wiedersehen“, erwiderte Kiyoharu lächelnd und wartete, bis Yuu das Haus verlassen hatte (nicht, ohne mir noch verstohlen einen Thumbs Up zu geben), ehe er mich zurück in das Riesen-Wohnzimmer führte. „So... du weißt, warum du hier bist?“, fragte er mich. Ich legte den Kopf schief. „Weil du mich eingeladen hast?“ „Weil du etwas besitzt, was nicht alle Leute in dem Ausmaß haben. Ausstrahlung. Bei echten Models geht es nicht nur darum, ob sie gut aussehen, sondern ob sie es auch so herüberbringen können. Wenn du irgendwelche Sachen präsentieren willst, musst du dich fühlen, als seist du in ihren geboren worden. Setzen wir uns.“ „Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich mit dem ganzen Stress klarkomme“, gab ich vorsichtig zu bedenken und ließ mich auf eine Couch sinken. Kiyoharu lächelte leicht und setzte sich mir gegenüber. „Das soll deine geringste Sorge sein. Du fängst ganz unten an, und wenn du dich verbesserst, wirst du langsam immer höher gestuft, wenn nicht, bleibst du da, wo du bist. Und selbst wenn du da bleibst – davon leben kannst du allemal und du wirst auch noch bekannt.“ Ich dachte darüber nach. „Das heißt, an dem Beruf gibt es keine Schattenseiten?“ „Das kann man so auch nicht sagen. Er wird auf jeden Fall riskanter, je bekannter du wirst. Du kannst es dir vorstellen wie ein Seil, auf dem du entlang balancieren musst, und dieses Seil wird langsam immer dünner. Wenn du gut bist, wenn du dich den Umständen anpasst und neue Methoden entwickelst, mit Problemen klarzukommen, wenn du dich ständig weiterentwickelst und immer besser wirst, bekommst du keine Probleme, wenn du das aber nicht tust, dann fällst du runter. Es wird sich auf jeden Fall zeigen, ob du flexibel und anpassungsfähig bist. Ach ja, und wenn du irgendwelche Probleme hast, wenn du das Gefühl hast, es geht nicht mehr weiter – komm zu mir. Ich kann das alles regeln. Ich will nur nicht, dass du immer weiter machst, weil du denkst, dass es von dir erwartet wird, und nicht, weil es dir Spaß macht. Okay?“ Dieser Typ überraschte mich immer wieder aufs Neue. Ich nickte langsam. „Okay...“ „Gut. Pass auf. Ich biete dir Folgendes an: Du arbeitest erst einmal drei Monate für uns. Das ist nicht lange, aber lang genug. Du kriegst natürlich noch kein volles Gehalt, aber du arbeitest ganz normal und machst das, was alle anderen auch machen. Die drei Monate sind erst einmal fest, und wenn sich zeigt, dass du das nötige Zeug hast, um richtig berühmt zu werden, dann bieten wir dir einen Vertrag an, der dann mindestens für fünf Jahre gilt – wobei du natürlich rausgeschmissen werden kannst, wenn sich herausstellt, dass du dich nur in den drei Monaten angestrengt hast und dann die Füße hochlegen willst. Also solltest du das gar nicht erst versuchen, wobei du sowieso nicht wie jemand wirkst, der das machen würde. Bist du denn erst einmal mit den drei Monaten einverstanden?“ Wie schon gesagt, dieser Typ schaffte es immer wieder, mich zu überraschen. Ein wenig perplex nickte ich. „Ich... denke schon. Aber vorher würde es auf jeden Fall helfen, wenn ich ein wenig mehr über den Beruf allgemein erfahren könnte...“ Aus dem ‚ein wenig mehr’ wurde ein ‚ein wenig VIEL mehr’ und daraus dann ein ‚UNHEIMLICH VIEL mehr’. Nicht, dass es mich störte, ich mochte Kiyoharus Stimme und ich mochte es, wenn er redete, er hatte einen total niedlichen Akzent. Aber er erschlug mich beinahe mit Informationen, und ich wusste, dass ich morgen sowieso die Hälfte wieder vergessen hätte. Ich sollte dran denken, mir das Ganze aufzuschreiben. Weitere drei Stunden später hatte ich endlich keine Fragen mehr, mit denen ich Kiyoharu löchern konnte, also verabschiedeten wir uns (ich bedankte mich ausführlich für alles, er winkte bloß ab) und ich ging mit weichen Knien (was lustig ausgesehen haben musste) zum Tor zurück. Whow. Okay. Das war also Kiyoharu. Ich hätte noch viel mehr Zeit mit ihm verbringen können, er machte es einem so einfach, ihn zu mögen. Vor allem gefiel mir seine ruhige Art und er hatte mir nicht ein einziges Mal das Gefühl gegeben, dass ich ihn nervte, obwohl meine Fragen wahrscheinlich teilweise für ihn ein wenig... absurd gewesen sein mussten. Gerade, als ich aus dem Tor ging, hielt davor ein Auto, aus dem eine kleine Gestalt ausstieg, die ich sofort wiedererkannte – der Typ, der wie eine Frau aussah. Lächelnd kam er auf mich zu und schüttelte mir die Hand. „Ich glaube, wir haben uns noch nicht kennen gelernt, oder?“, fragte er freundlich. „Doch, vor ungefähr drei Tagen“, erwiderte ich lächelnd. „Aber nur ganz kurz, ich war derjenige, der Kiyoharu umgerannt hat.“ Der Typ überlegte kurz und nickte dann, sich offensichtlich erinnernd. „Tut mir leid, ich habe beruflich mit so vielen Leuten zu tun, da vergisst man schon ein paar Gesichter. Sie sind...?“ „Gara. Und mit wem habe ich das Vergnügen?“ Irgendwie war es hier am Anfang leichter, mit diesem Kerl zu reden, wahrscheinlich, weil er nicht so groß und respekteinflößend war wie Kiyoharu. „Ich bin Hyde, vielleicht haben Sie meinen Namen schon mal im Zusammenhang mit der GLAMOUR ☆ FASHION gelesen...?“ Stirnrunzelnd durchforstete ich mein Gedächtnis. Nein, da war nichts von einem Hyde... Weder bei den Models, noch bei den Artikelschreibern. „Tut mir leid...“ Ich schüttelte den Kopf. „Sagt mir gerade nichts.“ Er schenkte mir ein Lächeln, das ihn noch weiblicher aussehen ließ. Seine tiefe Stimme passte überhaupt nicht zu seinem Äußeren, zwar hatte ich weder was gegen das eine noch gegen das andere, aber in der Kombination... „Kein Problem. Hat er Sie angenommen?“ Ich nickte. „Für drei Monate erst einmal. Wissen Sie, ob mich da harte Arbeit erwartet?“ Hyde musste grinsen. „Kommt drauf an, wen Sie als Senior zugeteilt bekommen. Beten Sie dafür, dass es jemand wie Yasu ist, und nicht einer wie Hakuei.“ Yasu? Ich erinnerte mich, ein Typ mit meistens dunklen Haaren und strahlend blauen Kontaktlinsen, der meistens normal angezogen war. Hakuei war so ziemlich das Gegenteil, er hatte jede Modeerscheinung schon mal in ihrer extremsten Form ausgelebt – Punk, Gothic, Visual Kei... Na ja. Ich zuckte lächelnd mit den Schultern. „Das kann ich nicht beeinflussen, da sollten Sie sich lieber an Kiyoharu wenden.“ „Stimmt. Wie auch immer, ich wünsche Ihnen viel Glück und auf dass wir uns bald wiedersehen – aber dann, wenn Sie ein berühmtes Model sind.“ Er schüttelte mir noch einmal die Hand und stapfte dann in Richtung Kiyoharus Haus los. Ich sah ihm eine Weile nach. Obwohl er das Gegenteil von unhöflich und unfreundlich gewesen war, hatte ich das Gefühl, dass er mich nicht so recht leiden konnte. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Na ja, egal. ~☆~ „Yuu, ich kann’s immer noch nicht glauben... ich glaub’s einfach nicht...“ Ich schüttelte langsam den Kopf, während Yuu, der quer zu mir auf seinem Bett lag und seinen Kopf auf meinem Bauch liegen hatte, mich angrinste. „Dir ist schon klar, dass du seit fünf Minuten nichts anderes mehr gesagt hast?“, fragte er. Jetzt nickte ich. „Ja, das weiß ich... und trotzdem... weißt du, da haut der mir erst mal rein, dass er mich für die nächsten drei Monate beschäftigen will, und wenn ich mich nicht ganz bescheuert anstelle, krieg ich einen Vertrag über mindestens fünf Jahre...“ „Und dann wirst du auch noch berühmt“, fügte Yuu hinzu. „Genau, stell dir das mal vor... die ganzen Frauen reißen sich um mich, und ich kann es mir erlauben, wählerisch zu sein...“ Ich lächelte geistesabwesend. „Wobei du dich natürlich erst mal hocharbeiten musst“, bemerkte Yuu und stupste meine Wange an, damit ich ihm zuhörte. „Also bitte, so schwer kann das doch wohl nicht sein – wichtig tun, hübsch aussehen und Punkt.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Das krieg ich schon hin.“ „Ich dachte, Kiyoharu hat dir einen dreistündigen Vortrag darüber gehalten, wie schwer Modelsein doch ist?“ „Hat er auch.“ Ich grinste. „Aber ich glaube nicht, dass es so schwer wird. Außerdem krieg ich doch noch einen Senior zugeteilt.“ Yuu sah mich an. „Einen was?“ „Einen Senior – einen Typ, der schon etwas länger Model ist und mir Tipps und Ratschläge gibt.“ „Dann bete darum, dass es Yasu und nicht Hakuei ist.“ Ich musste lachen. „Genau das hat der andere Kerl auch gesagt!“ „Welcher?“ „Der, der wie eine Frau aussieht. Wie hieß er noch? Hyde, glaube ich.“ Da setzte Yuu sich auf. „Du hast HYDE getroffen?“ Ich nickte verwirrt. „Ja, hab ich, das war der Typ, der aussah wie eine Frau... Warum, ist er auch so ein hohes Tier?“ „Uhm... er ist der Vizeredakteur der gesamten Zeitschrift“, antwortete Yuu vorwurfsvoll, als hätte ich das wissen müssen. Okay, hätte ich wahrscheinlich auch. „Echt?“ Ich legte den Kopf schief. „Oh. Dabei sieht er aus, als könnte er bei den Weibern modeln – natürlich nur vom Gesicht her. Oder man gibt ihm was zum Ausstopfen und steckt ihn in ein Kleid.“ Yuu seufzte tief. „Ich glaube, mit solchen Kommentaren solltest du dich wenn möglich zurückhalten...“ „Wie auch immer.“ Ich zog ihn zurück, sodass er wieder mit dem Kopf auf meinem Bauch lag. „Gibt es noch irgendwas, das ich wissen sollte? Wer ist eigentlich der Redakteur, wenn Hyde nur der Vize ist?“ Er sah mich an, als wäre die Frage eine persönliche Beleidigung gewesen. „Du guckst auch nie in das Impressum, oder? Miya heißt er. Verwechsel ihn BLOß nicht mit Miyavi, da reagieren beide ziemlich gereizt. Wie auch immer, Miya ist eine ähnliche Lichtgestalt wie Kiyoharu, wenn auch weit nicht so bekannt oder beliebt, die Leute vergessen meist, dass ohne ihn GLAMOUR ☆ FASHION gar nicht existieren würde. Aber er ist richtig gut, behält immer den Überblick und weiß über alles Bescheid. Wenn irgendjemand sich eine Zigarette anzündet, ist er der erste, der weiß, wie viele noch in der Packung übrigbleiben. Also, wenn du irgendetwas wissen willst, wäre er die beste Quelle – bis auf dass du natürlich nicht an ihn herankommst.“ Die Leute wurden mir alle immer unheimlicher. Musste man so multibegabt sein, um da arbeiten zu können? „Und... warum gibt es dann noch einen Vize-Redakteur?“ „Gut, die Bezeichnungen sind vielleicht nicht ganz korrekt, du könntest Miya als den Chef bezeichnen und Hyde als den Chefredakteur. Miya sorgt eigentlich nur für die internen Sachen, regelt Dinge und so was, und Hyde kümmert sich darum, wie die Zeitschrift hinterher aussieht. Aber das Faszinierende ist – keiner von ihnen ist ersetzbar. Wenn auch nur einer von Miya, Hyde oder Kiyoharu fehlen würde, würde das ganze System zusammenbrechen.“ „Klingt riskant“, gab ich zu bedenken. „Ist es auch.“ Yuu nickte. „Aber so ist es nun mal... und es funktioniert bestens.“ „So, und jetzt musst du mir noch mal erklären, warum genau Kiyoharu und Hyde auf der Straße standen und nach jemandem wie mir Ausschau gehalten haben...“ Yuu grinste. „Warum fragst du mich das?“ „Weil du sowieso alles weißt“, erwiderte ich beleidigt. Warum wusste er ausgerechnet das nicht, was mich interessierte? „Ich vermute, dass ein Model sie demnächst verlassen wird, und deshalb sorgen sie schon mal für Nachschub, du hast natürlich Recht, es ist ein wenig unüblich für die beiden, sich einfach auf die Straße zu stellen...“ Ich nickte. „Find ich auch. Aber egal. Wir werden ja sehen.“ „Wann fängst du denn an zu arbeiten?“ „Nächste Woche Montag direkt... und WAS ich mache, wird mir dann von meinem Senior erklärt.“ Yuu schenkte mir ein Lächeln. „Herzlichen Glückwunsch, Gara, ganz ehrlich.“ ~☆~ Montagmorgen, Punkt acht Uhr, betrat ich das riesige Gebäude, das allein dazu da war, um eine gewisse Zeitschrift zu produzieren. Es war wirklich groß, vielleicht dreißig Stockwerke und dann auch noch so lang und breit... Und hier würde ich die nächsten drei Monate arbeiten. Na ja, mal schauen. Ich ging durch die Eingangshalle zu den Aufzügen. Ich war bereits einmal hier gewesen, vor ein paar Tagen, Kiyoharu hatte mir die wichtigsten Dinge gezeigt und wo ich hinmusste, um zu meinem Senior zu kommen. Daher war ich jetzt nur deshalb aufgeregt – ich wusste immer noch nicht, wer sich die nächste Zeit um mich kümmern würde. Ich hoffte inständig, dass es wirklich nicht so jemand total Arrogantes war, der meine Anwesenheit als eine persönliche Beleidigung auffasste. Als ich im siebten Stock aus dem Aufzug ging, wäre ich um ein Haar von einem Tacker getroffen worden, so aber flog er nur Millimeter an meinem Gesicht vorbei. Ich machte einen Satz zurück und sah in die Richtung, aus der das Wurfgeschoss gekommen war. Da erst bemerkte ich auch den Lärm. „Federboas! FEDERBOAS!! Ich glaub, ich hör nicht recht, ich soll ein Shooting mit FEDERBOAS machen?! Wahrscheinlich noch in pink oder rosa! Warum ziehen die mir nicht gleich ein KLEID an?!?“ „Bitte, beruhigen Sie sich...“, meldete sich jetzt eine kleinlaute weibliche Stimme zu Wort. „Was soll ich denn NOCH dazu anziehen?! Soll ich mich vielleicht wie Hakuei ausstaffieren, als er diese FURCHTBARE Session mit dieser abscheulichen pinken Federboa gemacht hat?? Huh?! Was soll ich dazu anziehen?!?“ Die Frau sagte etwas, das ich nicht verstand, aber das war auch nicht nötig. „NICHTS????? WIE BITTE!!?“ Ich brauchte einen Moment, um zu registrieren, dass der Raum, aus dem das Geschrei kam, der Raum war, zu dem ich hin sollte. Ich bekam einen gequälten Gesichtsausdruck. Nein, bitte nicht... „Ich lasse mich doch von denen nicht so erniedrigen, wer BIN ich denn?? Ich habe doch auch meinen Stolz, und es geht mir am Arsch vorbei, ob der werte Herr meint, dass mir Federboas stehen und meinen Charakter unterstreichen würden, ICH. MACH. DAS. NICHT!!“ Vorsichtig setzte ich mich in Bewegung und warf einen Blick in das Zimmer, wobei ich mich sofort ducken musste, als eine Kaffeetasse angesaust kam. Hinter mir zersprang sie an irgendeiner Wand, aber das interessierte mich in dem Moment ziemlich wenig. Was ich sah, schockierte mich zu sehr. Da stand ein Model in Lebensgröße, das ich eigentlich ziemlich hübsch gefunden hatte, und nahm die Einrichtung auseinander. Neben ihm stand eine völlig verstörte junge Frau. Wahrscheinlich eine Sekretärin, die ihren ersten Tag hier hatte. Würde mich nicht wundern, wenn der Kerl einen ziemlich Verschleiß von Sekretärinnen hatte. Und DAS war mein Senior. ... Wollte man mich gerade verarschen?! „Verschwinden Sie, ich muss das regeln!“, rief der Typ und sah aus, als würde er auf die Frau losgehen, wenn sie nicht innerhalb von drei Sekunden gehorchte. „Haben Sie mich verstanden?!“ Ohne ein weiteres Wort huschte die Sekretärin an mir vorbei, ohne mich anzusehen. Dann erst bemerkte der Typ mich. „Wer auch immer Sie sind, kriechen Sie unter den Stein zurück, unter dem Sie hervorgekommen sind, ich will alleine sein!!“, fauchte er. Dir auch einen wunderschönen guten Tag. „Uhm, Entschuldigung, aber ich bin neu hier und... mir wurde gesagt, dass Sie mein Senior wären“, erwiderte ich zögernd und so freundlich wie möglich. Als Antwort bekam ich einen Blick, aus dem die Mordlust deutlich hervorstach. „Ach so, das bist DU“, bemerkte er, plötzlich nicht mehr fuchsteufelswild, sondern so kalt, dass man damit einen Kühlschrank hätte 48 Stunden ersetzen können. „Ich nehme an, du weißt, wer ich bin?“ Ich nickte langsam. „Ja, das weiß ich...“ „Gut, dann weißt du auch, dass ich sehr beschäftigt bin und keine Zeit für dich habe. Verschwinde.“ Damit würdigte er mich keines weiteren Blickes mehr, sondern setzte sich an seinen Schreibtisch und schnappte sich das Telefon. „Sachiko, räum das hinterher auf!“, rief er an mir vorbei, offenbar an seine Sekretärin gewandt, während er eine Nummer wählte und dann mit einem Gesichtsausdruck wartete, der nichts Gutes verhieß. „Was zur Hölle soll das mit den Federboas?!“, zischte er dann in den Hörer. „... Das ist mir EGAL, Kiyo, ich werde GANZ bestimmt kein Shooting mit den Teilen machen, ich hasse diese Dinger, die sehen immer aus, als hätte man sie gerade einem Strauß aus dem Arsch gezogen!“ Ich musste wohl ein wenig hilflos und fehl am Platze gewirkt haben, wie ich da stand und mir nur dachte ‚Du hättest wissen müssen, dass du immer die Arschkarte ziehst’. „... Weißt du, wie wenig- ... Nein, aber- ...“ Der Typ verdrehte genervt die Augen. „Hör mir mal zu, reicht es nicht schon, dass ich mich für das Ginko-Shooting halb ausgezogen habe, muss ich jetzt auch noch- ... Kiyo, ich- ...“ Er seufzte. „... Wenn du mir mal zuhören würdest- .... WAS?? ... Okay. Ja, ist okay. ... Nein, wirklich. ... Ich denk drüber nach. ... Ja. ...“ Erneutes Seufzen. „Jetzt reg dich doch nicht gleich so auf. ... Nein, ist okay, ehrlich. ... Ja. Ich sag’s dir dann morgen, okay? ... Ist gut. ... Entschuldige. Bis dann. ... Was? Ja, hier ist...“ Er warf mir einen kurzen Blick zu. „...ja, kann ich machen. Warum hast du ihm nicht gleich eine eigene Sekretärin angeschafft? ... Ja, er kann Sachiko haben, die ist eh zu nichts gut. ... Wenn du meinst... bis dann.“ Das musste ich mir merken – Kiyoharu war offenbar eine der wenigen Personen, die ihn hier beruhigen konnten. Das war hilfreich, sollte ich mal in einer lebensbedrohlichen Situation sein. Was wohl nicht lange auf sich warten lassen würde. Ich musste unwillkürlich schlucken, als sich Kiritos Blick auf mich legte, und machte mich auf das Donnerwetter gefasst. „So, und du bist also dieser Gara.“ Nein, kein Donnerwetter. Schnee. „Kiyos neueste Errungenschaft.“ „Wie bitte?“, fragte ich vorsichtig nach, woraufhin der Angesprochene nur die Augen verdrehte. „Du kommst von der Straße“, betonte er. Ich hob die Augenbrauen. „Ich-“ „Du hast vorher noch nie gemodelt, hast absolut keine Ahnung von dem Ganzen hier und wärst ohne einen Senior vollkommen aufgeschmissen“, fuhr Kirito fort. Es hörte sich eher an wie eine Feststellung, trotzdem antwortete ich nickend in der Hoffnung, er würde sich als besonders fürsorglich und hilfsbereit herausstellen. Aber er lächelte nur kurz und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Tja, schon scheiße, nicht wahr?“ Damit wandte er sich irgendwelchen Papieren zu und würdigte mich keines Blickes mehr. Eine halbe Minute stand ich wie angewurzelt da und fragte mich, warum um alles in der Welt ich das hier verdient hatte. Das konnte ja lustig werden. Und ich hatte keine Ahnung, wo ich hinsollte. „Sachiko!!“, rief das Model so unvermittelt, dass ich zusammenzuckte. „Komm mal bitte.“ Oh. Das erstaunte mich. Er kannte das Wort ‚bitte’. Die Sekretärin huschte an mir vorbei in den Raum. „Ja...?“ „Sag meinen Termin mit diesem Reporter ab, das Shooting ist dazwischengekommen. Ach ja, und erinnerst du mich morgen daran, dass ich mich noch mit Rose treffen wollte? Das wäre soweit alles.“ Das alles sagte Kirito, ohne aufzusehen. „Richtig, und bringst du ihn bitte zu ViENUS, die brauchen noch ein paar Leute. Danke.“ Bei ‚ihn’ hatte ich das ungute Gefühl, dass ich gemeint war. Ich sah Sachiko an, die mir ein schwaches Lächeln schenkte und mir durch eine Kopfbewegung klarmachte, dass ich ihr folgen sollte. Als wir das Zimmer neben Kiritos betraten (welches offenbar ihr Büro war), atmete sie hörbar auf. „Entschuldigen Sie, dass ich Sie vorher nicht begrüßt habe, aber hätte ich auch nur eine Silbe zu viel gesagt, hätte er bestimmt noch den Locher geworfen.“ Ich lächelte sie mitfühlend an. „Keine Ursache. Ich frage mich nur, wie Sie unter so einem... arbeiten können.“ Sachiko winkte ab. „Keine Sorge, er ist nicht immer so, nur, wenn ihm irgendwas nicht passt.“ Sie runzelte die Stirn. „Was... ziemlich oft vorkommt, aber egal. Eigentlich ist er ganz umgänglich, und ob Sie’s glauben oder nicht, manchmal flirtet er sogar mit mir. Dann hat er einen richtig guten Tag.“ Ganz ehrlich, ich glaubte ihr ohne Weiteres. Aber nur, weil sie bei den Worten wie ein frisch verliebter Teenager aussah. „Es sei denn, ihm kommen Federboas dazwischen“, warf ich ein. Sie musste grinsen. „Psst, nicht so laut, sonst hört er uns noch.“ „So, nur, damit ich das richtig sehe, Sie sind Sachiko, die Sekretärin-“ „Vom Diktator“, bestätigte sie nickend. Ich blinzelte sie an, woraufhin sie leise kicherte. „So wird er genannt, wenn er nicht gerade dabei ist. Ja, ich arbeite für ihn, jetzt schon seit ungefähr einem Jahr, die anderen vor mir haben nicht so lange durchgehalten – haben eher seine negativen Seiten gesehen. Dazu neige ich auch manchmal, aber wenn er dann wieder einen seiner guten Tage hat und dann so rumstrahlt...“ Sie seufzte leise. „Er macht es einem nicht leicht, ihn zu mögen, das stimmt. Aber wenn man ihn erst einmal kennt, kommt das von allein.“ Dann betrachtete sie mich prüfend von oben bis unten. „Hm. Ob Sie richtig in dem Job hier sind, wird sich erst noch zeigen. Die anderen werden Ihnen nicht gerade mit viel Freundlichkeit begegnen, sie haben was gegen die Leute, die ‚von der Straße’ kommen, wie sie es ausdrücken. Aber wenn Sie gut sind, werden Sie ziemlich schnell akzeptiert. Ich würde sagen, wir fahren jetzt erst einmal zu ViENUS.“ Ich nickte langsam. Gut. Ein Diktator und eine Labertasche, die bis über beide Ohren in ihn verknallt war. Gut~... Ich fühlte mich immer mehr fehl am Platz. „Uhm, werden Sie mir den Kopf abreißen, wenn ich gestehe, dass ich nicht weiß, wer ViENUS ist?“, wollte ich vorsichtig wissen. Sachiko sah mich mit einer Mischung aus Entsetzen und Ungläubigkeit an. „Was? Sie wissen nicht- ...“ Dann seufzte sie einmal tief. „Okay. Ganz ruhig, fangen wir GANZ von vorne an. Kommen Sie, während wir zu ViENUS fahren, kann ich Ihnen ein wenig mehr erzählen.“ ViENUS entpuppte sich als eine Marke, die Jeans herstellte – und deren Hauptsitz günstigerweise ganz in der Nähe war. Wie Sachiko mir erzählte, wollten sie einen neuen Katalog rausbringen und suchten dafür regional bekannte Models, beziehungsweise B-Models, wie Sachiko es ausdrückte. Sie wollten wohl nicht mehr so viel Geld ausgeben wie bei dem einen Mal, wo Anna Tsuchiya persönlich für sie gemodelt hatte. Kiyoharu und Anna hatten wohl zugestimmt, der Marke ein paar ihrer Models auszuleihen – und ich war wohl einer von ihnen. Ich solle mir nicht zu viel davon versprechen, meinte Sachiko, eventuell würde ich gar nicht genommen. Und selbst wenn, hieß es nicht, dass mein Foto in den Katalog kam. Und selbst wenn, hieß das nicht, dass ich mir was darauf einbilden konnte. Sie war so aufbauend, ganz ehrlich. Bei ViENUS angekommen, wussten weder Sachiko noch ich, wo wir hinmussten. Sie rief Kirito an und wurde für einen Moment wieder ganz die unterwürfige Angestellte, als er sich offenbar per Handy bei ihr darüber aufregte, dass es wohl ZIEMLICH kalt war mit nur ein paar Federboas am Leib. Ich versuchte, mir die Szene NICHT vorzustellen und sah mich um. Ich entdeckte jemanden, dessen Gesicht ich kannte, aber ich konnte es nicht so genau einordnen. Er ging gerade durch die große Eingangshalle, in der wir standen, und unterhielt sich mit jemand anderem. Als er merkte, dass ich ihn anstarrte, erwiderte er meinen Blick, sah dann zu Sachiko und musste lächeln. „Kirito-san-“, versuchte Sachiko sich neben mir Gehör zu verschaffen. „Bitte, hören Sie- ... ja, das glaube ich Ihnen. Was ich fragen- ... ja, habe ich schon. ... Ja. ... Hören Sie-“ Kein merklicher Erfolg zu vernehmen. Ich wandte mich von dem Typen ab, der sich inzwischen weiter unterhielt und sah Sachiko hilflos an. Sie machte ein gequältes Gesicht, sah dann über meine Schulter und warf jemandem ein kurzes Lächeln zu. Als sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legte, fuhr ich zusammen. Es WAR aber auch nicht mein Tag heute. „Sachiko? Würde es dich allzu sehr stören, wenn ich ihn hinbringe?“, fragte eine mir gänzlich unbekannte und ziemlich helle Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und blickte in das Gesicht des Typen, der mir gerade schon aufgefallen war. Jetzt wusste ich auch, woher ich ihn kannte – aus den Zeitschriften. Er war derjenige, der ständig königsblaue Augen hatte. Nur sein Name war mir entfallen. „Es würde mich außerordentlich freuen, wenn du das machen könntest“, seufzte die Angesprochene, die Sprechmuschel zuhaltend. „Kirito macht wieder Stress und ich hab sowieso noch viel zu viel zu tun – außerdem braucht er hier professionelle Hilfe.“ Danke, jetzt wurde ich sogar zum Patienten degradiert! „Vielen Dank, Yasu. Bis dann. Auf Wiedersehen, Gara.“ Sie schenkte mir noch ein Lächeln und verschwand dann. Richtig – das war Yasu. Der Kerl, von dem ich so viel Gutes gehört hatte. Er lächelte mich an. Schien wohl ganz nett zu sein. (Ich hatte inzwischen gelernt, kein Vertrauen mehr in meine Umwelt zu haben.) „Also ein echt hoffnungsloser Fall? Scheint so. Keine Sorge, das kriegen wir auch noch hin. Komm mit.“ ~☆~ „...das war voll lustig, es gab ein Riesenchaos, als Yasu gemerkt hat, dass er sich verlaufen hat – wir sollten nämlich in irgendeinen Raum, den es auf dem Raumplan überhaupt nicht gab. Zum Glück waren wir nicht die einzigen, da liefen noch haufenweise andere Leute rum, die nicht wussten, wo sie hinsollten.“ Ich jagte einer Taube hinterher, aber sie war leider zu schnell für mich. „Und der Rest war ziemlich langweilig, es wurden eigentlich nur diejenigen aussortiert, die sie nicht haben wollten, und mit den anderen irgendwelche Sachen besprochen. Das eigentliche Shooting ist erst übermorgen.“ „Und dich haben sie genommen?“, fragte Yuu lächelnd nach, woraufhin ich grinsend nickte. Er schüttelte den Kopf. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich jetzt mit einem Model befreundet sein soll... Ich meine – nicht, dass ich es dir nicht gönne oder so was, das ist das Beste, was dir passieren konnte, aber ich glaube, ich muss mich mit dem Gedanken erst einmal anfreunden.“ Ich hakte mich bei ihm unter und stupste ihn in die Seite. „Glaubst du, ich nicht? Aber mit der Zeit wird es wohl schon gehen. Ich hoffe ja, dass Kirito nach einiger Zeit erträglich wird – ohne, dass ich mich in ihn verknallen muss.“ Ich grinste gequält. „Weißt du, ich hatte ja vorher noch nie Angst um mein Leben...“ „Ich glaube, ich würde mich erschießen, wenn ich auf so jemanden angewiesen wäre“, bemerkte Yuu lachend. „Wenn er mir nicht zuvorkommen und mir vorher den Kopf abreißen würde. Aber ehrlich, wenn du ihn dir mal auf den Bildern anguckst, kämst du nie auf den Gedanken, dass er so...“ „Ach nee.“ Wir bogen in eine Seitenstraße ab. „Würde ja auch seinem Image schaden. Aber Yasu ist echt cool. Wenn man sich mal an seine Stimme gewöhnt hat– Du hättest ihn dir mal anhören sollen, das ist total niedlich. Er hat mir sogar vorgeschlagen, dass wir uns ja mal für irgendwann verabreden könnten, voll nett...“ „Du besorgst mir dann ja schon ein Autogramm von ihm, oder?“, fragte Yuu breit grinsend. „Ich kann ja schon mal eine Sammlung anlegen von Autogrammen von Models aus GLAMOUR ☆ FASHION.“ „Kirito gehst du aber gefälligst selbst fragen, ich hab das Gefühl, dass wenn ich ihn um so etwas bitte, er mir eine nicht sonderlich nette persönliche Widmung dazuschreibt“, erwiderte ich mit einem schiefen Grinsen. Ich hatte den Tacker vom Morgen noch nicht vergessen. Im folgenden Monat wurde ich erst einmal in das Leben eines Models eingeführt. Bei meinem ersten Shooting blamierte ich mich erst einmal auf voller Linie, weil ich jemanden fragte, ob man mich wohl auch schminken würde. Und ich fühlte mich vor Kameras unwohl. Nein, ganz ehrlich, ich wurde eigentlich nicht gerne fotografiert, und hier durfte ich noch nicht mal so aussehen, als würde ich gerade fotografiert werden. Kurz gesagt: Es war alles anstrengend, ungewohnt und peinlich. Nachdem ich Kirito in der ersten Woche einmal so richtig die Meinung darüber gesagt hatte, dass er mich ständig behandelte wie eine ungeliebte Stieftochter, war er sogar einigermaßen zumutbar. Wenn ich ihn was fragte, gab er mir zwar zu verstehen, dass ich ihm auf die Nerven ging, aber er antwortete trotzdem. Mit der Zeit unterhielten wir uns sogar manchmal. Ein Riesenfortschritt war es aber nicht, er ließ ständig durchhängen, dass ich den Job sowieso nicht schaffen würde und nach drei Monaten wieder verschwunden wäre. Mit seiner Sekretärin Sachiko und mit Yasu kam ich allerdings immer besser klar, obwohl Sachiko bereits angekündigt hatte, dass sie nur noch einen Monat warten würde, und wenn sich dann nichts Großes tat, würde sie Journalistin werden – Angebote hatte sie bereits genug. Das hieß, ich würde dann wieder ziemlich alleine sein, Yasu hatte nämlich sowieso ziemlich wenig Zeit. Andere Models hatte ich zwar kennen gelernt, aber sie schienen nicht sonderlich scharf darauf zu sein, Freundschaft mit mir zu schließen. Klar, sie hatten noch nie von mir gehört. Die richtig großen wie Hakuei oder Jui sah ich sowieso nur aus der Ferne, bis auf ein Mal, wo Hakuei mich halb über den Haufen gerannt hatte. Nicht, dass es ihn störte. ... Er schien Kirito ziemlich ähnlich zu sein. Im darauffolgenden Monat wurde alles noch stressiger. Ich wurde als eines der C-Models mehr oder weniger bekannter und auch in GLAMOUR ☆ FASHION eingegliedert, und zwar insofern, als dass ich z.B. in Katalogen auftauchte von Modemarken, die von jemandem aus der Zeitschrift gegründet wurden und so was alles, also kurz gesagt: Über sieben Ecken und nicht aus der Menge herausstechend. Aber, immerhin: Ich wurde langsam vertrauter mit den ganzen Shootings, den Kameras, den vielen Leuten, die um mich herumwuselten und mich anmeckerten, dass meine Haare eine Katastrophe seien, und so weiter. Wie man das halt so kannte. Sachiko war inzwischen aus meinem Alltag verschwunden, und Kirito dachte längst noch nicht daran, von seinem Thron herunterzusteigen. Gut, ein Punkt, den ich vergessen hatte: Kiyoharu. Er war definitiv ein Lichtblick bei der ganze Sache. Wir trafen uns, so weit es sich einrichten ließ, mindestens einmal in der Woche. Dann gingen wir meist irgendetwas essen oder entspannten uns bei ihm zuhause. Ich hätte nicht gedacht, dass er sich so viel Zeit für mich nehmen würde, aber es freute mich – denn das zeigte doch, dass ich für ihn nicht ‚irgendjemand’ war, sondern ICH. Wenn wir zusammen waren, redeten wir über alles mögliche, er erzählte mir einige Anekdoten von anderen Models und ich ihm, wie es zur Zeit bei mir lief, aber wir blieben nie nur bei der Arbeit, ich fragte ihn ein wenig über sein Leben aus und er wollte viel von mir wissen. Mit der Zeit mochte ich ihn immer mehr, und nach ein paar Treffen hatte ich auch das Gefühl nicht mehr, vor mir einen Profi in allem stehen zu haben, den ich nie erreichen können würde – er war ja noch nicht mal arrogant, aber er war gelassen, und das war es wahrscheinlich, was ich selbst noch lernen musste. Ich hatte das bereits bei Hakuei gesehen – er ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Und bei Kiyoharu war es ähnlich. Möglich, dass er dadurch so wirkte, als wüsste er alles und könnte auch alles. Aber je besser ich ihn kannte, desto mehr war er nicht mehr Über-Mensch, sondern nur Mensch. Nicht, dass ich desillusioniert wurde, es war schön zu sehen, dass niemand perfekt war. Obwohl er wahrscheinlich am nächsten dran war. Na ja, Kiyoharu und Yasu waren die einzigen, die ich – wenn überhaupt – zu meinen Freunden gezählt hätte (neben Yuu natürlich). Yasu half mir, wo er konnte, und schien ganz angetan von mir zu sein, wovon ich natürlich nur profitieren konnte. Das schützte mich allerdings nicht vor Kiritos Launen. ~☆~ Eines Morgens kam ich in mein Büro (so nannte ich den Raum, in dem Sachiko vorher gewesen war und wo ich mich inzwischen breit gemacht hatte, es war von Kiritos nur durch eine Tür getrennt, wobei es ziemlich unpraktisch war, dass jeder, der zu ihm wollte, erst einmal an mir vorbei musste) und musste zu meinem Erstaunen feststellen, dass Kirito noch nicht da war. Normalerweise war er immer vor mir da, aber an diesem Tag war er wahrscheinlich direkt zu einem Shooting oder sonst was gefahren. Na ja, egal. Er hatte mich sowieso am vorigen Tag angemacht, weil ich mir seinen (neuen) Tacker ausgeliehen hatte, ohne ihn zu fragen, weil er gerade nicht anwesend gewesen war, sodass ich ihn hätte fragen können. Er hatte sowieso einen schlechten Tag gehabt. Einen ZIEMLICH schlechten. Und ich wollte nicht, dass es heute so weiterging. Keine zehn Minuten später hörte ich ein Telefon klingeln. Schien aus Kiritos Büro zu kommen. ... Und er war nicht da. Normalerweise wurde er nur auf seinem Handy angerufen, daher war ich etwas irritiert. Kurzerhand stand ich auf, ging in den Raum nebenan, zögerte kurz und hob dann ab. „Guten Tag, Sie sind mit Kiritos Büro verbunden, was kann ich für Sie tun?“, begrüßte ich den Anrufer so, wie ich es schon tausend Mal bei Sachiko gehört hatte. „Uhm... hallo, mein Name ist Ono Koji, ich bin von der Modemarke A Bathing Ape.“ ...Ein badender Affe? „Tut mir furchtbar Leid, Ono-san, aber Kirito-san ist zur Zeit nicht verfügbar. Kann ich ihm etwas ausrichten lassen?“ „Ich wollte eigentlich nur erfahren, ob sein Angebot, für uns zu modeln, noch steht. Er hatte sich bei uns gemeldet, und wir haben uns letztendlich für ihn entschieden, daher wäre es gut zu wissen... Und am besten so schnell wie möglich, wir haben schließlich noch genügend andere Kandidaten und können nicht warten.“ Moment, da war irgendwas, ja... A Bathing Ape (so bescheuert der Name auch war) sagte mir etwas, hatte nicht Kirito gemeint, dass er gerne... „A Bathing Ape, sagen Sie? Doch, darüber hat er mich informiert. Er würde unheimlich gerne für Sie arbeiten, und er würde sich über eine Zustimmung Ihrerseits sehr freuen.“ „Ja? Das ist schön. Dann richten Sie ihm doch bitte aus, dass er morgen um zehn Uhr zu unserer Filiale in Tokyo kommen kann, dort regeln wir dann alles weitere.“ „Kein Problem“, erwiderte ich und tastete nach einem Zettel und einem Stift. „Vielen Dank für Ihren Anruf.“ „Ich habe zu danken. Auf Wiederhören.“ „Bis dann.“ Ich legte auf und runzelte die Stirn. Nicht nur, dass ich mich gerade als Kiritos Sekretär ausgegeben hatte (obwohl – eine männliche Tippse war doch wohl immer noch besser als gar keine, oder?), ich hatte ihm auch einen Job verschafft, den er, falls ich mich falsch erinnert hatte, auch überhaupt nicht haben wollte. Obwohl selbst mir der Name A Bathing Ape bekannt vorkam, und ich kannte mich ja nun mal gar nicht aus, also war es wahrscheinlich eine ziemlich bekannte Firma. Genau in dem Moment flog die Tür auf. „Was machst du hier?“, knurrte Kirito leise, etwas außer Atem wirkend. „Uhm... das Telefon hat geklingelt, und-“ „Du bist an mein TELEFON gegangen?!?“ GANZ falsch, Gara. Andere Taktik. „Es hat jemand für dich angerufen von-“ „Genau, Gara, es hat jemand für MICH angerufen, und nicht für DICH, was erlaubst du dir?!“ Er kam auf mich zugestürmt, weshalb ich vor ihm zurückwich. „Hör mir doch mal zu, da war ein Typ von-“ „Weißt du, wie WENIG mich das interessiert??“ „Warum bist du eigentlich so spät?“ Volltreffer. Er blieb wie angewurzelt stehen und starrte mich prüfend an. Ich zuckte nicht mit der Wimper. „Das geht dich gar nichts an“, gab er pikiert zurück. „Warst du vorher etwa bei deiner Freundin und hast verschlafen?“, riet ich halb grinsend drauflos. Jetzt lächelte er selbst, allerdings eher überlegen. „Das würdest du wohl gerne wissen, hm? Ich könnte jetzt vor dir angeben, aber das lasse ich wohl besser sein. In dem Beruf sollte man aufpassen, was man sagt.“ „Wie heißt sie?“, stichelte ich grinsend weiter. „Ist sie hübsch? Auch ein Model?“ „SIE“, betonte er, „gibt es gar nicht.“ „Eh?“ Ich runzelte die Stirn. „SIE“, wiederholte er und musste wieder lächeln, „wäre, wenn überhaupt, ein ER.“ Ich blinzelte und sah ihn entgeistert an. „EH?!?“ Er musste grinsen und setzte sich an seinen Schreibtisch. „Geschockt?“ „...kaum“, erwiderte ich ironisch und schüttelte den Kopf. „Du willst sagen...“ „Dass du es vorher nicht gemerkt hast, wundert mich aber. Wie auch immer. Merk dir nur eins – geh nie wieder an mein Telefon, verstanden?“ Damit wandte er sich von mir ab. Ich brauchte einen Moment, um mich wieder konzentrieren zu können. „Kirito, der, der hier angerufen hat, das war so einer von einer Firma namens...“ Ich dachte nach. Kirito sah mich an. „Was?“ „Ich überlege“, murmelte ich und fuhr mir durch die Haare. „Es liegt mir auf der Zunge, auf jeden Fall hat so ein Typ hier angerufen und wollte dich sprechen, aber ich habe gesagt, dass du nicht verfügbar bist, und dann meinte er, dass sie sich irgendwie für dich entschieden hätten und...“ Seine Augen wurden groß. „A Bathing Ape?“, rief er. „Richtig!“ Ich nickte. „So hieß die Firma.“ „Das ist keine Firma, du Hohlkopf, das ist eine der bekanntesten Modemarken überhaupt, die haben Läden in London, New York, Taipei und Hongkong, und die Kleidung wird selbst von amerikanischen Stars getragen!“, erklärte Kirito entrüstet. Oh. Könnte sein, dass ich deshalb den Namen kannte. Weil ich ihn kennen sollte. „Jetzt, wo du’s sagst...“ Ich lächelte entschuldigend. „Tut mir leid, ich kenn mich sowieso nicht so gut aus...“ Kirito seufzte und drehte sich zu mir. „Deshalb kümmere ich mich nicht so gerne um Juniors“, meinte er. „Weil sie meistens keine Ahnung von nichts haben. Oder ein vollkommen falsches Weltbild.“ „Und deshalb hast du mich einfach so sitzen lassen? Mir nicht mal eine Chance gegeben?“, wollte ich wissen und bereute sofort, was ich gesagt hatte. Ich sollte mir angewöhnen, den Mund zu halten. „Deshalb und weil du nach den drei Probemonaten sowieso entweder für immer aus der Branche verschwinden oder auf ewig ein C-Model bleiben wirst. Ich habe bis jetzt noch keinen erlebt, der es bis nach oben geschafft hat.“ „Wie definierst du ‚bis nach oben’?“, fragte ich. „Mit den ‚acht Seiten’“, antwortete er geheimnisvoll. „Wenn du die ‚acht Seiten’ gekriegt hast, DANN bist du oben. DANN erkennen dich die Leute, DANN kannst du dich vor Aufträgen nicht mehr retten. Okay? Nur bis dahin schaffst du es sowieso nicht.“ „Wetten wir?“, meinte ich herausfordernd. Kirito musste lachen. „Warum sollte ich mit dir wetten? Du hast doch nichts, was ich haben wollen würde, ganz ehrlich.“ Ich legte den Kopf schief. Da hatte er allerdings Recht. „Hör zu, Kleiner – wenn du es tatsächlich zu den ‚acht Seiten’ schaffst, und diesen Bekanntheitsgrad mindestens zwei Jahre durchhältst, dann kauf ich dir ein Haus, okay?“, schlug er grinsend vor. Ich blinzelte. „Eh?“ „Ein Haus, mit allem Drum und Dran, mit allem, was du haben willst. Ja? Das wäre zumindest ein Ansporn für dich.“ Er zwinkerte mir zu. „Und da kann ich sicher sein, dass ich niemals werde zahlen müssen.“ „Sei dir da mal nicht so sicher“, bemerkte ich trotzig und verließ den Raum. „Gara?“, rief Kirito mir noch hinterher. „Und danke wegen dem Anruf, ja?“ Ich musste lächeln. „Keine Ursache!“ So viel zu ‚du darfst nicht an mein Telefon’. ~☆~ „Kirito wird sogar langsam erträglich“, meinte ich, streckte mich ein wenig mehr auf dem bequemen Sofa aus und schloss die Augen. Ich liebte das Sofa. Es war purpurrot und mit einem Badezimmerteppich bezogen. Na ja, nicht ganz, aber es hatte diese flauschigen und plüschigen und weichen Fransen, ihr wisst schon. Ein wenig seltsam, da als seltener Gast draufzusitzen, aber wenn man sich entspannen wollte, dann war es perfekt. „Ach? Was musstest du dafür tun?“, fragte Kiyoharu grinsend. „Dafür sorgen, dass er einen Job bekam. Er war nämlich nicht da, hatte verschlafen, und dann bin ich an sein Telefon gegangen“, antwortete ich lächelnd. „Eigentlich GANZ falsch“, kommentierte er amüsiert. Ich nickte. „Genau. Auf jeden Fall komm ich jetzt besser mit ihm klar als vorher. Er beachtet mich, stell dir das vor – er sagt ‚bitte’ und ‚danke’ und entschuldigt sich!“ „Wenn man ihn näher kennt, dann kann er sogar richtig nett sein, weißt du, dann tut er einem sogar Gefallen – unaufgefordert – und interessiert sich für einen. Aber dafür muss man ihn GUT kennen.“ „Ja, das kann ich mir vorstellen...“ Ich schwieg kurz. „Wer hat eigentlich dafür gesorgt, dass ausgerechnet ER mein Senior wird und nicht Yasu oder Jui oder so?“ „Ich hatte gehofft, dass du diese Frage niemals stellen würdest“, murmelte Kiyoharu. Erstaunt setzte ich mich auf und sah ihn an. Er lächelte schuldbewusst. „DU?“ Er nickte. „Warum das denn?“ „Genau kann ich es auch nicht ausdrücken, aber ich glaube, ich wollte damit nur prüfen, ob du durchhältst. Ich bin bereits einige Male bitter enttäuscht worden von Juniors, die von den ‚netteren’ unter den Models betreut worden waren. Und da kamst du als Versuchskaninchen gerade recht – was, wie ich gehört habe, ja sowieso nicht viel gebracht hat, da sich trotzdem nicht Kirito, sondern Yasu um dich gekümmert hat.“ Jetzt nickte ich. „Ja, wir sind uns gleich am ersten Tag begegnet, und ich glaube, er hat mich inzwischen ins Herz geschlossen... Aber schön, dass ich jetzt erfahre, dass ich ein Versuchskaninchen gewesen bin.“ Ich schüttelte den Kopf und gab mir Mühe, Kiyoharu beleidigt anzusehen, aber er grinste nur zurück. „Hey, es scheint doch funktioniert zu haben!“, rechtfertigte er sich und drückte seine Zigarette aus. Ich hatte ihn mal gefragt, warum so viele Models rauchten. Seine Antwort: Berufskrankheit. Mittlerweile hatte ich gelernt, dass Extravaganz ebenfalls dazu zählte. Und eine gewisse Überlegenheit, die man selbst bei netten Leuten wie Yasu bemerkte. „Hm.“ Ich schwieg eine Weile. „Kiyoharu, was sind die ‚acht Seiten’?“ Er musste lachen. „Das hast du von Kirito, oder?“ Ich nickte bestätigend. „Weißt du, immer, wenn wir vielversprechende neue Talente haben, versuchen wir natürlich, diese so sehr wie möglich zu fördern – ihnen also Jobs bei anderen Modemarken zu verschaffen, sie gelegentlich in der Zeitschrift auftauchen zu lassen und so weiter, aber dass es jemand wirklich geschafft hat, sieht man erst daran, wenn er die ‚Hachi Peーji’ kriegt. Das ist eine nicht feste Rubrik in GLAMOUR ☆ FASHION, d.h. sie kommt nicht in jeder Ausgabe vor, und wenn sie es tut, dann steht es immer groß auf der Titelseite angekündigt. Auf diesen acht Seiten stellen wir jemanden vor, immer ein neues Model, von welchem dann genügend Bilder, Informationen und Interviews abgedruckt werden, dass die Öffentlichkeit ein gutes Bild von dieser Person kriegt. Da jede Ausgabe, in denen die ‚Hachi Peーji’ vorkommen, verkauft wird wie blöd, weiß innerhalb weniger Tage ganz Japan über das betreffende Model Bescheid. Das hat natürlich zur Folge, dass es mit Interviewanfragen, Werbeangeboten und Shootings zugeschmissen wird und sich kaum mehr retten kann. Das ist natürlich eine ziemlich künstliche Art, jemandes Erfolg zu pushen, aber bis jetzt hat es niemanden gestört. Und erst, wenn du deine ‚Hachi Peーji’ gehabt hast, kannst du dich ein professionelles Model nennen.“ Das klang doch schon mal nicht schlecht. „Und... wie kommt man an diese ‚Hachi Peーji’ ran?“ Kiyoharu grinste. „Du musst mich davon überzeugen, dass du es wert bist. Mehr nicht. Ach ja, und Hyde natürlich auch. Und glaub mir, der ist eine viel härtere Nuss als ich.“ „Hat es denn schon mal jemand bei euch geschafft, ohne die acht Seiten richtig berühmt zu werden?“, wollte ich wissen. Er überlegte. „Kommt drauf an, wie du ‚richtig berühmt’ definierst. Ich glaube, Jui ist am Anfang ohne die Hachi Peーji ausgekommen und ist auch so zum Massenliebling geworden.“ „Wie denn?“, fragte ich weiter. Da dachte Kiyoharu wirklich nach. „Das ist schon ein paar Jahre her... Es lag an seiner Ausstrahlung. Er grinste und lachte gerne, machte ständig Scherze und war unheimlich verplant. Schon als er als Model angefangen hat, wurde er innerhalb weniger Wochen zum Liebling der Firma. Er war einfach so aufgedreht und dabei so niedlich, dass man ihn einfach gern haben MUSSTE. Der einzige, der sich damals aufgeregt hat, war Hyde, er hat gemeint, dass Jui nicht fürs Witze machen bezahlt werden würde – und hat prompt dafür gesorgt, dass Jui keine acht Seiten bekam. Das hat aber im Endeffekt gar nichts gebracht, weil Jui einmal zusammen mit Hakuei in einer Fernsehshow aufgetreten ist, und dann mit Kirito in einer anderen, und nach einer weiteren mit mir bekamen wir Tausende Briefe, dass wir doch bitte mehr Shootings mit Jui machen sollten. Hyde hat ihn aber noch immer boykottiert, bis Jui irgendwann Millionenangebote von anderen Zeitschriften bekommen hat. Da hat Hyde richtig Stress mit Miya gekriegt und schließlich doch eingelenkt. Wir hätten Jui fast verloren durch ihn.“ „Und warum hat er ihn so boykottiert?“, fragte ich stirnrunzelnd. Kiyoharu lächelte leicht. „War eine persönliche Sache – er war noch nicht fähig, Persönliches und Arbeit zu trennen. Aber da hat er seine Lektion gelernt.“ „Hm. Und Jui?“ „Der weiß bis heute nicht, was los war.“ Er lächelte wieder. „Aber verändert hat er sich nicht. Er ist immer noch so tollpatschig wie vor ein paar Jahren. Obwohl er natürlich zwischendurch schwere Rückschläge hatte erleiden müssen... vor allem wurde er von den Personen, die er geliebt und denen er am meisten vertraut hat, verraten. Falls du dich erinnerst – vor zwei Jahren gab es einen riesigen Skandal darüber, dass er als Teenager auf der Straße gelebt und mit Drogen gedealt haben soll. Natürlich kompletter Schwachsinn, aber das Schlimme war, dass es von seiner damaligen Beziehung stammte, die sich natürlich dann auch noch offenbarte, was einen weiteren Skandal auslöste.“ „Wer war es denn?“ „Sagt dir der Name Toshiya was?“ Ich sah Kiyoharu verständnislos an. „Hab ich mir gedacht. Ein Model von meinem zweitgrößten Konkurrenten nach Anna: Gackt.“ „Den kenn ich!“, rief ich stolz. „Der hatte doch den Skandal von wegen er würde irgendwelche Modekollektionen kopieren, nicht wahr?“ „Richtig. Und Toshiya ist eins seiner Models, einer der etwas Bekannteren.“ Ich hielt inne. „Einer?“, wiederholte ich. Kiyoharu nickte. „Ja, einer. Toshiya ist ein Mann, auch, wenn er nicht immer so aussieht.“ Ich brauchte einen Moment, um das zu verarbeiten, dann klappte mir der Mund auf. „Jui ist...“ „Ach, klar, woher solltest du das auch wissen?“ Er schüttelte über sich selbst den Kopf. „Ja, ist er. Ich könnte dir jetzt noch endlos weitere aufzählen, aber ich will dich nicht noch mehr desillusionieren.“ „Gibt es... gibt es so viele?“, fragte ich vorsichtig und erntete ein Nicken. „Oh ja, das kannst du dir nicht vorstellen. Unheimlich viele. Und selbst wenn sie nur bi sind. Ich meine – was willst du machen, du hast einen Beruf und bist ständig von halbnackten Männern in allen Ausführungen umgeben, da KANNST du doch nur schwul werden.“ „Was ist... was ist denn mit den weiblichen Models?“ „Die sind in einem komplett anderen Gebäude untergebracht, was meinst du, warum du so wenig Frauen bei uns siehst?“ Kiyoharu lächelte leicht. „Es ist nämlich so, dass nicht nur in den oberen Rängen eine absolute Feindschaft herrscht, sondern auch unter den Models selbst. Die Frauen machen die Männer dumm an und die Männer starten einen Zickenkrieg, den die Frauen zu einer Schlammschlacht ausweiten – wir haben es bereits versucht, es ist kläglich gescheitert.“ „Ja, ich hab mal gehört, dass du und Anna Tsuchiya euch nicht gerade die Füße küsst...“, bemerkte ich. „Oh ja. Sie mag zwar ganz hübsch und talentiert sein, aber als Frau an sich ist sie eine Katastrophe. Viel zu anspruchsvoll, eigenständig... geistig ist sie schon fast ein Mann, im Körper einer hübschen Frau. Das ist immer ganz gefährlich.“ Er schüttelte den Kopf. „Was hast du gegen selbstständige Frauen?“ „Weiß nicht. Frauen... ich kann mit ihnen sowieso nicht allzu viel anfangen. Die, die ich bis jetzt kennen gelernt habe, waren alle entweder eingebildet, hohl, streitsüchtig oder so emanzipiert, dass sie einem deutlich das Gefühl gaben, dass sie es überhaupt nicht nötig hatten, sich mit einem Mann abzugeben.“ Er lehnte sich zurück und seufzte einmal tief. „Wir sind ziemlich von Thema abgekommen, oder?“ „Egal.“ Ich schüttelte den Kopf. „Es war zumindest alles interessant, was du erzählt hast. Auch, wenn ich morgen wahrscheinlich alles wieder vergessen haben werde.“ Er lächelte. „Keine Problem, dann erzähl ich’s dir halt noch mal.“ „Kiyoharu?“, fragte ich unvermittelt. „Wenn ich dich fragen würde, würdest du mich unter Vertrag stellen?“ Mehrere Minuten herrschte Schweigen. Er betrachtete mich mehrere Male von oben bis unten (woran ich mich mit der Zeit gewöhnt hatte, schließlich wurde ich vor jedem Shooting so beäugt) und legte den Kopf schief. „Ich weiß es nicht“, meinte er ehrlich. „Du bist nicht schlecht, aber besonders hervorgetan hast du dich auch nicht. Du solltest vielleicht ein wenig mehr essen. Ich weiß es nicht, ich kann es dir noch nicht sagen. Einen Versuch wäre es wert, allerdings wurde ich bereits schon oft genug enttäuscht. Weißt du was, ich berede mich mal mit Hyde und Miya, und dann fragst du mich nächste Woche noch mal, ja?“ Ich nickte und lächelte. „Okay. Danke.“ ~★~☆~★~☆~★~ tbc~ kurze Zwischenbemerkung: ALLES, was hier über Personen wie z.B. Miya, Anna Tsuchiya, Hakuei, Rose, Toshiya etc. gesagt wurde, ist so gut wie nicht wichtig, und wenn, dann wird es an den entsprechenden Stellen definitiv noch mal wiederholt werden! Ihr braucht euch das nicht alles zu merken, das wäre auch alles viel zu anstrengend >_< tut mir leid, wenn ich so viele personen vorkommen lasse, aber wenn meine Plot-Bunnies davon rennen, hab ich keinen einfluss mehr <.< ich hoffe, ihr seid wenigstens ein kleines bisschen gespannt auf das nächste kapitel ._. jeder, der einen kommi schreibt, kriegt einen keks *versprech* mit schokolade :D Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)