Die Magie der Musik 2 von abgemeldet (Die Fürsorge eines Bruders) ================================================================================ Kapitel 22: ------------ Kapitel 22 Daniel fuhr sein Auto geradewegs in die Garage, die irgendjemand schon in weiser Voraussicht für ihn geöffnet hatte. Er war schon wieder vollkommen im Trott der Uni gefangen, nachdem er fast eine Woche lang nicht dort gewesen war. Zum Glück war es nicht allzu viel Stoff gewesen, den er hatte nachholen müssen und er war recht schnell wieder in alles reingekommen. Doch eigentlich war es nicht die Uni, die Daniels Gedanken fesselte. Viel eher kribbelte sein Magen in Vorfreude auf das kommende Wochenende. Serdall hatte kurz entschlossen eine Suite für sie gemietet. Jetzt schon. Daniel hatte gedacht, er würde sich damit noch Zeit lassen, sich noch an den Gedanken gewöhnen müssen auch mal der Passive zu sein, doch Serdall hatte so ziemlich gleich nachdem Fei weg war mit einem Hotel in der Nähe telefoniert. Dustin und Ethan waren zum Glück so nett gewesen ihnen zu versichern, dass sie auf Taki aufpassen würden und der Aidstest war wie gehofft und erwartete negativ gewesen, von daher stand nichts mehr im Weg. Zwei Tage noch. Daniel konnte sich das Grinsen schon fast nicht mehr aus dem Gesicht wischen. Es bedeutete ihm so wahnsinnig viel, dass Serdall bereit war, diesen Schritt zu wagen. Einen größeren Vertrauensbeweis gab es momentan wohl nicht. Fröhlich vor sich hin summend betrat Daniel das Haus, wo Serdall gerade ziemlich aufgescheucht in die Küche rannte und kurze Zeit später die Treppe hoch hastete, ohne ihn zu begrüßen. Die Stirn runzelnd stieg Daniel aus seinen Schuhen und folgte seinem Freund hin zu Takis Zimmer, wo der Kleine unter einem Berg Decken vergraben im Bett lag. „Was ist denn los?“, fragte Daniel ziemlich verdutzt. Serdall saß unruhig neben Taki und strich ihm unablässig über die Wange. Sein Sohn schlief im Moment, doch er glühte regelrecht vom Fieber. „Taki ist krank. Erkältung“, erwiderte Serdall und ein nachdrückliches Piepen störte die kurze Stille. Serdall nahm das Fieberthermometer unter Takis Arm hervor und deckte ihn wieder fürsorglich zu. „39.2 Grad! Verdammt, wann wirkt denn diese bescheuerte Tablette“, zischte er leise zu sich selbst und sah besorgt auf seinen Sohn. „Machst du einen Tee? Yoshiko und Dustin sind gerade einkaufen und eben hat der Kleine alles ausgetrunken, bevor er eingeschlafen ist.“ „Ja, klar. Kein Problem.“ Daniel nahm Takis Tasse und die Teekanne und machte sich auf den Weg nach unten, nachdem er Serdall noch einmal aufmunternd über die Wange gestrichen hatte. Er konnte sich vorstellen, dass es seinem Freund gerade echt bescheiden ging. Er machte sich immer so große Sorgen um seinen Sohn und jetzt war Taki auch noch krank. Der Kleine sah wirklich ziemlich erschöpft aus. Schnell hatte Daniel Tee gekocht und war wieder auf dem Weg nach oben. Er zog sich einen weiteren Stuhl ans Bett und setzte sich neben Serdall, nachdem er die saubere Tasse und die Kanne auf den Nachtschrank gestellt hatte. „Alles klar?“, wollte er leise von Serdall wissen. „Nicht wirklich“, erwiderte Serdall leise und stützte seinen Kopf in die Hände. „Der Arzt war schon da und hat ihm ein paar Medikamente dagelassen. Jetzt heißt es abwarten.“ Den Blick nicht von Taki nehmend seufzte Serdall sorgenvoll. „Er war ewig nicht krank gewesen“, murrte er leise und strich seinem Sohn wieder über die heiße Stirn. In dem Versuch Serdall etwas Halt zu geben, schlang Daniel einen Arm um ihn. „Nun, das zeigt doch wie gut seine Abwehrkräfte sind, wenn er so lange nicht krank war“, meinte Daniel. „Und eine Erkältung ist auch nicht so unsagbar schlimm. Ein paar Tage und dann wird es Taki schon wieder richtig gut gehen, außer dass er sich vielleicht etwas schlapp fühlt.“ „Ja.“ Serdall sah weiterhin auf seinen Sohn. Er hatte Angst, dass es doch ernster werden konnte. Ihm graute es davor, dass sich Takis Zustand womöglich verschlimmern könnte… Er wollte es sich gar nicht ausmalen. Serdall machte sich insgeheim Vorwürfe. Er hatte nicht bemerkt, dass es Taki schlecht ging. Erst nachdem die Schule angerufen und er ihn abgeholt hatte, war es ihm bewusst geworden. Warum hatte es Dustin heut Morgen nicht bemerkt, als er den Kleinen zur Schule gebrachte hatte? Serdall fühlte sich sichtlich schlecht. Ich bin ein Rabenvater, klagte er sich selbst an und schüttelte über sich selbst den Kopf. Wie konnte er seinen Sohn nur so vernachlässigen? Unhörbar seufzte Daniel auf. Das war so typisch Serdall. Total die Glucke als Vater. Sobald Taki mal mit ein wenig Fieber und einem Schnupfen im Bett lag machte er sich Sorgen, als würde der Kleine im Sterben liegen. Daniel machte sich wenige Hoffnungen, seinen Freund heute noch mal von Takis Seite wegzubekommen. „Kann ich dir irgendwas zu essen oder zu trinken bringen?“, fragte er Serdall, anstatt sich weiter den Kopf zu zerbrechen. „Nein, danke“, murmelte der Violinist und sah nun endlich einmal zu Daniel. „Du kannst ruhig gehen, wird sonst langweilig für dich“, erklärte Serdall und strich seinem Sohn wieder über die Stirn, als ob er ihm so das Fieber nehmen könnte. Er fragte sich, ob er irgendeine Impfung beim Arzt mit Taki verpasst hatte. „Nur die Hunde müssten nochmal raus, ja?“ Leicht zuckte Daniel zusammen. Serdall schien das mit sich ausmachen zu wollen. Er selbst wäre auch noch dageblieben und hätte seinem Freund Gesellschaft geleistet, aber Serdall wollte wohl tatsächlich mit Taki allein sein. Daniel stand auf. „Gut, dann werde ich jetzt wohl mit den Hunden rausgehen.“ Er stand auf und ging ins Wohnzimmer, wo Kimba und Mücke dösend auf ihren Kissen lagen. Als sie ihn sahen, standen sie allerdings auf und kamen mit dem Schwanz wedelnd auf Daniel zu. „Ja, ihr seid immer froh, wenn ich da bin, nicht wahr“, begrüßte er die beiden und legte sie an die Leinen. Er hätte eben bei Serdall einen großen Terz machen können, darauf bestehen, dass er da blieb, doch Daniel riss sich zusammen. Er hatte sich vorgenommen, nicht mehr ganz so hitzig zu sein und vor allem nicht allzu viel zu machen, das Serdall missfiel, damit erst einmal wieder eine Vertrauensbasis aufgebaut werden konnte. Einige Zeit später kam Daniel ziemlich durchgefroren vom Gassi gehen zurück. Er zog sich die dicke Jacke und die Schuhe aus und steckte den Kopf dann kurz zu Takis Zimmertür hinein. Serdall saß unverändert am Bett und Daniel zog sich leise zurück. Er würde für die Uni lernen gehen und den beiden ihre Ruhe lassen. Am späten Abend betrat Serdall endlich das Schlafzimmer. Er hatte die ganze Zeit neben Takis Bett gewacht, ihm Geschichten vorgelesen und war für seinen Sohn dagewesen, um seinen Fehler wieder wett zu machen. Erschöpft gähnend ging Serdall ins Bad und machte sich bettfertig. Sein Freund schlief augenscheinlich schon. Mit einem schwachen Lächeln registrierte Serdall, dass Daniel wieder einmal auf seiner Bettseite schlief, anstatt auf seiner eigenen. Takis Fieber war vor ein paar Stunden gesunken, nun plagte sein Sohn ein starker Husten und Schnupfen. Serdall hatte ihn ständig umsorgt, bis Taki jetzt endlich richtig eingeschlafen war. Sich zu Daniel legend schmiegte er sich an seinen Freund und umarmte ihn. Er würde mit Daniel noch einmal reden müssen. Ihr Vorhaben am Wochenende würde wohl ins Wasser fallen, denn Serdall hatte keinerlei Lust seinen Sohn wegen der Sache allein zu lassen. Am nächsten Morgen stand Daniel leise auf, um Serdall nicht zu wecken und ging zur Uni. Als er wiederkam saß sein Freund schon wieder bei seinem Sohn. Daniel stellte sich seufzend die in Tür. „Hey“, grüßte er und Taki antwortete eigentlich schon recht munter, nur etwas verschnupft und von ein paar Hustenanfällen unterbrochen. „Habt ihr Zwei denn beide heute schon gut gegessen?“ Daniel hatte die Befürchtung, dass Serdall sich selbst über seinen Sohn vollkommen vergaß. Kurz lächelte Serdall Daniel zu und deutete dann mit einer Hand auf das Tablett an der Erde, worauf eine leere Schüssel lag. „Dustin hat Taki eine Hühnersuppe gemacht“, meinte er und strich seinem Sohn durch die verschwitzen Haare. Das ganze Zimmer roch nach der Kräutersalbe, die er Taki auf die Brust geschmiert hatte, damit seine Atemwege wieder frei wurden. Auf dem kleinen Schrank neben dem Bett häuften sich die Arzneien und Haushaltsmittelchen, sowie Taschentücher. „Jaaa“, meinte Daniel lang gezogen. „Dustin hat Taki Hühnersuppe gemacht und was hast du gegessen? Ich sehe nur eine Schüssel und glaube nicht, dass du einen große Hilfe bist, wenn du vor Hunger irgendwann umkippst.“ Kurz hielt Daniel inne. Er fiel schon wieder in sein altes, direktes und teilweise sarkastisches Muster zurück. „Ich mach dir was zu essen“, meinte er schnell und verließ das Zimmer. Draußen schlug er hart mit der Faust gegen die Wand. Warum konnte er seine Zunge nicht im Zaum halten? Serdall war gerade garantiert extrem gereizt, da Taki krank war, da konnte jede falsche Aussage zu einem Streit führen. Verwirrt zog Serdall eine Augenbraue nach oben. Taki sah ihn böse an. „Papa, du musst jetzt auch was essen gehen“, meinte er verschnupft. „Sonst wirst du so krank wie ich.“ Serdall schüttelte den Kopf und strich über Takis nun fieberlose Stirn. „Ich bin schon erwachsen. Mir macht das nichts“, erklärte Serdall, doch Taki zog trotzig den Kopf weg. „Dan macht sich Sorgen!“, rief der Kleine. Überrascht nahm Serdall seine Hand fort und sah in das wütende Gesicht seines Sohnes. Trotzig zog der Junge dann die Decke bis zum Kinn und blitzte seinen Vater an. Seufzend erhob sich Serdall und gab Taki noch einen Kuss auf die Stirn. „Ich bin gleich wieder da“, erwiderte er geschlagen und beeilte sich hinunter in die Küche zu gehen, wo Daniel am Herd stand. „Na du“, registrierte Daniel Serdalls Anwesenheit etwas lahm und streute Salz auf die vor sich hin brutzelnden Spiegeleier. „Du kannst auch gern oben essen. Ich räum nachher auch das Geschirr runter, dann musst du nicht von Taki weg.“ Betont gleichgültig rührte Daniel den Spinat um und stellte den Deckel der nun gerade kochenden Kartoffeln auf Kipp. Serdall biss sich auf die Unterlippe. Ihm wurde bewusst, dass er Daniel vernachlässigte, aber das musste nun mal sein. Taki war krank und die paar Tage würde es doch gehen. „Nein, ich esse schnell hier. Außerdem muss ich sowieso noch im Hotel anrufen und die Buchung stornieren.“ Wenn Taki so krank war konnte er sich einfach nicht mit Daniel ein schönes Wochenende machen. Der Kartoffeltopfdeckel landete klappernd ganz auf dem Topf und Daniel sah geschockt zu Serdall. „Du machst was?“, fragte er ungläubig. Es war doch alles schon geplant. Er hatte sich so auf dieses Wochenende gefreut. Nicht nur wegen des Sex, sondern vor allem, weil er und Serdall dann endlich etwas Zeit wirklich nur für sich hatten. Und jetzt wurde alles wegen Takis Erkältung abgeblasen? „Was soll ich denn sonst machen?“, erwiderte Serdall und zog verwirrt eine Augenbraue nach oben. „Ich kann Taki schlecht allein lassen, wenn er krank ist.“ Serdall ging zu Daniel und legte eine Hand an seine Wange. „Wir machen das eben nächstes Wochenende, in Ordnung? Bis dahin ist Taki sicher wieder fit.“ Versöhnlich gab er seinem Freund einen kurzen Kuss, ehe er schon ins Wohnzimmer ging, um das Telefon zu holen. Daniel biss sich auf die Zunge und enthielt sich jeglichen Kommentars. Gut, vielleicht war es wirklich nur um eine Woche verschoben, aber er hatte sich darauf gefreut. Er konnte es irgendwie nicht leiden, wenn Serdall so extrem auf Taki fixiert war. Schön, es konnte sein, dass er eifersüchtig auf den Kleinen war. Na und? Immerhin liebte er Serdall genauso wie Taki seinen Vater liebte und wollte dementsprechend auch einige Zeit am Tag mit ihm verbringen. Und momentan schien jede Minute, die Serdall nicht bei seinem Sohn war, eine verschwendete zu sein. Seufzend legte Serdall auf. Die Stornierung hatte geklappt und er hatte gleich für das nächste Wochenende gebucht. Daniel schien diese Sache wirklich wichtig zu sein und Serdall hatte es ihm nun mal versprochen, auch wenn er insgeheim schon froh war, dass er noch ein wenig Aufschub hatte. Als er zurück in die Küche kam, saß Daniel schon am Tisch, der für sie beide gedeckt war. Im Vorbeigehen strich er Daniel kurz am Hals entlang, ehe er sich setzte und schnell zu essen begann. In Gedanken war Serdall schon wieder bei Taki. Er fragte sich, was er noch tun konnte, damit der Husten des Kleinen besser wurde. Kurz sah er zu Daniel, der ziemlich in seinem Essen herum manschte. „Jetzt zieh nicht so ein Gesicht“, murrte Serdall leise. „Es tut mir auch leid, dass es nichts wird. Taki wird so selten krank, da muss ich wenigstens da sein, wenn er es ist. Ich habe ihn die letzten Tage schon vernachlässigt.“ „Taki war die letzten Tage so gut wie gar nicht zuhause“, murrte Daniel und steckte sich ein Stück Spiegelei in den Mund, das jetzt eher an Rührei erinnerte. „Er war entweder sehr lange in der Schule, weil sie für die Projektwoche was machen mussten oder er war bei einem seiner Freunde. Und die Zeit, die Taki hier war, hast du dich mit ihm beschäftigt. Man kann also nicht sagen, dass er vernachlässigt wurde.“ Serdall schüttelte missbilligend den Kopf. „Jetzt stell dich nicht so an“, zischte er nur und aß den letzten Happen. „Er ist ein Kind und du solltest es nachvollziehen können, dass ich für ihn als Vater da sein muss.“ Nachdrücklich legte er die Gabel beiseite und trank von dem Glas Wasser, das ihm Daniel schon so routiniert hingestellt hatte. Daniel schwieg. Mal wieder. Kurz saßen sie noch in dieser drückenden Stille zusammen, dann stand Serdall auf und verließ die Küche. Seufzend ließ Daniel die letzten Reste seines Essens im Mülleimer verschwinden und machte sich an den Abwasch, bevor er sich in sein Zimmer begab und an den Schreibtisch setzte. Er war so weit im Stoff für die Uni wie eigentlich noch nie. Normalerweise machte er das Nötigste, um danach mit Serdall zusammen sein zu können und kam mit dieser Methode eigentlich immer ziemlich gut zurecht, jetzt allerdings war er allem sogar schon etwas voraus und konnte wirklich sagen, dass er die Prüfungen zumindest in diesem Themenbereich sehr gut meistern würde. Was tat man nicht alles aus Langeweile? Als er sich einige Zeit später schlafen legte, war Serdall wie am gestrigen Abend immer noch nicht da. Leicht wehmütig robbte Daniel wieder auf die andere Seite des Bettes, um mit dem Duft wenigstens etwas von Serdall zu haben und schloss die Augen. Nachdenklich sah Serdall auf Takis schlafendes Gesicht. Es ging mittlerweile auf Mitternacht zu und Serdall beschloss, endlich ins Bett zu gehen. Er hätte sich seinen Freitagabend wirklich anders vorgestellt, aber man konnte es nicht ändern. Daniel schlief schon, als Serdall zu ihm ins Bett schlüpfte und ihn in die Arme nahm. Sein Freund kuschelte sich sogleich an ihn, ohne aufgewacht zu sein. Seufzend strich Serdall durch die schwarzen Haare und küsste kurz Daniels Lippen. Er würde alles wieder gut machen, wenn Taki gesund war. Daniel murmelte etwas und atmete an Serdalls Brust einmal tief durch. Lächelnd streichelte Serdall über seinen Rücken. Wie lange war es her, dass sie Sex gehabt hatten? Serdall glaubte, dass es schon drei oder vier Tage sein mussten. Irgendwie war immer etwas dazwischen gekommen. Überrascht registrierte er, dass Daniel diesbezüglich gar nichts gesagt hatte. Insgesamt war sein Freund etwas seltsam in der letzten Zeit. Er war irgendwie… Serdall wusste es nicht genau, er sah nur, dass Daniel sich scheinbar zurücknahm, warum auch immer. Müde gähnend kuschelte Serdall weiter mit Daniel, bis er eingeschlafen war. Neuer Tag, alter Ablauf. Daniel stand auf, ohne Serdall zu wecken und trollte sich unter die Dusche. Der einzige Unterschied war, dass er nicht zur Uni musste und seine Hormone ihm aus den Ohren heraus quollen. Er wusste nicht, wie lange er sich nicht mehr selbst befriedigt hatte, seit er mit Serdall zusammen war, da sein Freund ihn eigentlich immer voll zufrieden stellte. Nur momentan war komplett tote Hose und die Handarbeit in der Dusche auch nicht im Geringsten befriedigend. Reichlich verstimmt schlurfte Daniel in die Küche und ließ sich auf einen der Hocker an der Theke fallen, nachdem er sich eine Tasse Kakao angerührt hatte. Gähnend schloss er die Augen. Er war irgendwie noch ziemlich müde, obwohl er recht viel geschlafen hatte. Irgendwann hatte er gestern die Nase voll vom Lernen gehabt und war schon um kurz vor halb elf ins Bett gegangen. Wahrscheinlich hatte er einfach zu lange geschlafen. Frühaufsteher, der er war, kam Dustin im nächsten Moment zur Haustür herein und schwenkte eine Tüte mit frischen Brötchen, als er die Küche betrat. Er war schon beim Bäcker gewesen und nun war auch endlich jemand wach mit dem er frühstücken konnte. „Morgen, Dan.“ Dustin stockte im nächsten Augenblick und ließ sich fassungslos Daniel gegenüber auf einen Stuhl fallen. „Eigentlich sollten du und Serdall heute nicht hier sein“, stellte er entgeistert fest. „Sag nichts! Er hat es wegen Taki abgeblasen?“ „Du hast es erfasst“, antwortete Daniel murmelnd und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. „Wir haben es auf nächste Woche verlegt. Aber scheinbar hattest du ohnehin vergessen, dass wir weg wollten. Oder wolltest du allein eine ganze Tüte Brötchen essen?“ Daniel konnte nicht anders, als leicht zu grinsen. Verlegen kratzte sich Dustin am Kopf. „Irgendwie hab ich nicht mehr dran gedacht“, meinte er schulterzuckend und füllte den Brotkorb, um ihn vor Daniel abzustellen, ehe er die Kaffeemaschine anwarf und sich wieder zu Daniel setzte. „Und? Hockt Serdall schon wieder bei Taki? Ehrlich, man kann es auch übertreiben.“ „Er schläft noch. Selbst für Taki scheint er nicht um halb acht aufstehen zu wollen“, meinte Daniel. Es tat ganz gut, dass jemand anders das aussprach, was er selbst sich schon so lange dachte. Es war in Ordnung, wenn Serdall sich um Taki sorgte. Allerdings war es doch etwas krass, dass er bis auf nachts immer bei seinem Sohn war. Serdall benahm sich so, als wäre Taki todkrank. „Naja, aber ich wett mit dir, dass er spätestens um neun wieder bei ihm hockt“, erwiderte Dustin genervt, holte sich wie immer seinen Kaffee und deckte noch schnell den Tisch für sie zwei, ehe sie begannen zu frühstücken. „Ich finde, ihr hättet schon ins Hotel fahren können“, überlegte er laut. „Aber Serdall ist mal wieder auf Gluckenmodus. Er hat mich schon angegiftet, dass ich am Donnerstag nicht mitbekommen habe, das Taki krank ist. Echt, Taki hat sich nichts anmerken lassen, außer dass er ein bisschen wenig gegessen hat. Bei Kindern ist das aber ab und an mal“, stellte Dustin klar und biss in sein Marmeladenbrötchen. Die Situation gerade ging ihm tierisch auf die Nerven. Es wunderte ihn nur, dass Daniel und Serdall sich noch nicht gestritten hatten, das würde das Ganze abrunden. „Ich persönlich mache dir da echt keine Vorwürfe“, stellte Daniel klar. „Es ist nun mal so, dass erst gar nichts ist und mit einmal kommt die ganze Krankheit in geballter Ladung. Außerdem ist Taki nicht die Art von Kind, die gleich herum jammert, nur weil ihm ein wenig kalt ist oder sein Hals ein bisschen kratzt. Mir musst du auch nicht sagen, dass wir hätten fahren können. Ich wette mit dir, dass Taki bei Serdalls Pflege und den tausend Salben und Tees, die dort oben herumliegen, schon fast wieder gesund ist. Das Fieber war gestern schon so gut wie weg. Jetzt ist nur noch etwas Husten und Schnupfen da. Eine kleine Erkältung eben. Aber ehrlich gesagt habe ich momentan nicht die Absicht, mich mit Serdall zu zoffen.“ „Na toll“, murrte Dustin. „Wenn nicht du, wer dann? Ich mein, er lässt sich ja sowieso kaum was sagen in der Hinsicht, aber du hättest ihm schon die Meinung geigen können. Ich find es echt bescheuert, dass er dich scheinbar total vernachlässigt. Ist doch so, oder? Ich sehe es dir an, dass du seit mindestens drei Tagen keinen Sex hattest“, eröffnete Dustin mit einem leichten Grinsen im Gesicht. „Exakt drei“, gab Daniel zu. Er fragte sich immer wieder, warum Dustin bei allem, was mit Sex zu tun hatte, so gut informiert war oder auch nur so gut im Raten. Daniel stützte grummelnd den Kopf auf seiner Hand auf. „Ehrlich mal, ich habe mir das erste Mal seit was weiß ich wie langer Zeit in der Dusche einen runtergeholt. Diese lange Abstinenz bin ich einfach nicht mehr gewohnt. Aber ich will es nicht riskieren, mir mit Serdall irgendwas zu verscherzen, nachdem wir uns endlich wieder zusammengerauft haben.“ Dustin rollte mit den Augen. „Du wirst also zu seinem Schatten, der zu allem ja sagt? Du warst doch immer der, der ihm wenigstens denn Sinn zur Realität eingebläut hat, wenn er mal sich mal wieder in seinen verkorksten Gedanken verstrickt und in seine kleine Welt verzogen hat.“ Dustin seufzte und strich sich durch die blonden Strähnen. „Ich möchte ja nichts sagen, aber ich glaube, dass du es dadurch nur schlimmer machst. Wer weiß, was ihm jetzt schon wieder in der Birne abgeht?“ „Er sorgt sich um Taki, das ist doch verständlich. Es ist wohl etwas extremer, da er nun mal allein erziehender Vater ist“, versuchte Daniel Serdall, aber auch in gewissem Maße sich selbst zu verteidigen. „Gut, ich stecke im Moment etwas mehr zurück als normalerweise, aber auch nur so lange, bis alles wieder einigermaßen normal zwischen uns ist. Ich hatte ja gehofft, dass es das nach diesem Wochenende schon sein wird, aber es hat sich jetzt alles um eine Woche verschoben.“ Kopfschüttelnd sah Dustin Daniel in die Augen. „Und jetzt willst du noch eine Woche nach seiner Pfeife tanzen und in Abstinenz leben? Soll ich mal lachen?“ „Hallo“, kam plötzlich ein leises Stimmchen von der Küchentür und Taki kam auf sie zugeschlurft. Er krabbelte zu Daniel auf den Schoß und umarmte den Schwarzhaarigen fest. „Ich hab schlecht geträumt“, murmelte er leise und seine Finger gruben sich in Daniels Pullover. Dustin seufzte tief und strich sich über die Augen. Serdall würde austicken, wenn er Taki hier unten fand und das nicht zu knapp. Daniel war froh, dass Taki für Ablenkung sorgte und er nicht weiterhin mit Dustin über dieses Thema reden musste. Er schlang seine Arme ebenfalls um Taki und strich ihm beruhigend durch die vom Schlaf ziemlich durcheinander gebrachten Haare. „Warum gehst du nicht zu deinem Papa?“, fragte er den Kleinen und ließ seine andere Hand langsam den schmalen Rücken hinauf und hinunter wandern. „Der liegt oben im Schlafzimmer im Bett. Dort ist es sicher bequemer und wärmer als hier unten. Nicht, dass du doch noch richtig krank wirst. Wie geht es dir überhaupt?“ Die letzten Tage hatte Daniel Taki kaum gesehen, da Serdall die ganze Zeit bei ihm war und die Atmosphäre im Raum irgendwie gedrückte war, wenn Daniel eintrat. Allerdings machte Taki einen recht fitten Eindruck. „Weil Papa mich dann nur wieder in mein Bett steckt“, erklärte Taki und kuschelte seine Wange an Daniels Brust. „Mir geht’s schon ganz gut“, meinte er leise. „Außerdem hab ich dich vermisst und Mücke.“ Taki begann leicht zu husten und zog geräuschvoll die Nase hoch. „Machst du mir bitte ein Nutellabrötchen?“, fragte er leise und lehnte sich schlapp gegen Daniel. „Und darf ich dann Fernsehen? Es kommen jetzt soooo viele Trickfilme!“ Daniel war etwas hin und her gerissen. Er konnte es verstehen, dass Taki es satt hatte, den ganzen Tag mit seinem Vater in seinem Zimmer hocken zu müssen und mal raus wollte, etwas Abwechslung. Nur wie würde Serdall darauf reagieren? „Klar“, meinte er schließlich zu Taki und setzte ihn so hin, dass er die Arme frei hatte, um das Brötchen zu schmieren. Zum gesund werden gehörte nun mal nicht nur gute Pflege, sondern auch die passende Umgebung. Und Langeweile war wohl nicht das, was Taki helfen würde, schnell zu genesen. „Ich hole dir dann noch deine Decke und dein Kissen von oben und du machst es dir im Wohnzimmer gemütlich.“ „Au ja!“, rief Taki glücklich und nahm das Brötchen, das ihm Daniel geschmiert hatte, freudig entgegen. Wie versprochen holte Daniel für ihn danach die Decke und das Kissen und Taki mummte sich damit auf dem Sofa ein. Sogleich wurde der Fernseher angestellt und Serdalls Sohn bat Daniel bei ihm zu bleiben und mit ihm zusammen zu schauen. Eine gute Stunde später stolperte jemand gehetzt die Treppen herunter und Serdall erschien im Türrahmen zum Wohnzimmer. Er atmete sichtlich erleichtert auf und lehnte sich gegen den Rahmen, wobei er eine Hand auf seine Brust legte. „Was machst du denn hier unten?“, fragte er seinen Sohn ziemlich außer Atem und Taki sah trotzig zu seinem Vater. „Ich konnte nicht mehr schlafen und wollte Trickfilme gucken.“ Serdall schüttelte den Kopf. „Du bist krank, da guckt man keine Trickfilme“ erklärte Serdall und ging auf sie zu. „Ich möchte aber!“, rief Taki und griff ängstlich nach Daniels Hand. Daniel fühlte sich ziemlich zwischen den Stühlen sitzend. Er wusste nicht, ob er lieber zu Taki halten wollte, der wirklich nicht vorhatte, zurück in sein ödes Zimmer zu gehen oder zu Serdall, damit kein Streit vom Zaun gebrochen wurde. Die Entscheidung fiel, indem Daniel sich von allem frei machte und einfach überlegte, was er selbst über diese Situation dachte, ohne darauf zu achten, jemandem mit seiner Entscheidung auf die Füße zu treten. „Serdall“, sprach er schließlich seinen Freund an. „Taki ist dort oben langweilig. Außerdem ist es überall warm, er kann überall liegen, hat immer seine Decke mit dabei und Gesellschaft. Lass ihn doch einfach hier bleiben. Ich kann mich noch erinnern, dass ich früher jedes Mal fast glücklich war, dass ich krank sein konnte, weil ich dann so viel fernsehen konnte wie ich wollte.“ Daniel traf ein finsterer Blick, doch bevor Serdall etwas erwidern konnte, setzte sich Taki hustend auf und rückte noch mehr zu Daniel, um sich Halt zu suchen. Trotzig sah er wieder zu seinem Vater. „Ja, Papa. Ich werde auch ganz schnell gesund. Aber im Bett ist es soooo langweilig. Bitte!“ Taki machte wieder seinen Bettelblick und Serdall schnaubte im nächsten Moment. Er konnte nie nein sagen, wenn sein Sohn das tat. „Meinetwegen“, ergab er sich und machte beleidigt auf dem Absatz kehrt, um in die Küche zu gehen. Er drehte den Wasserhahn zu stark auf, als er sich ein Glas füllen wollte und fluchte leise, weil er sich selbst bespritzt hatte. Seufzend lauschte Daniel den gedämpften Geräuschen, die aus der geschlossenen Küchentür kamen. Das hatte er ja toll hinbekommen. Allerdings hätte er, egal zu wem er gehalten hätte, immer irgendwen wütend zurückgelassen. „Leg dich wieder hin und schau weiter, ich geh kurz zu deinen Papa, okay?“, erklärte Daniel Taki und stand auf. Er ging zu Serdall in die Küche und schloss die Tür wieder sorgfältig. „Taki brauchte wirklich etwas Abwechslung“, begann er leise. Wütend drehte sich Serdall um, wobei er das Glas aus seiner Hand, geräuschvoll auf die Anrichte stellte. Er wollte ansetzen etwas zu sagen, doch er biss sich hart auf die Lippe. „Scheint so“, murrte er nach einem Moment und strich sich kraftlos durch die Haare. Daniel war bei der plötzlichen Bewegung erst erschrocken zurückgezuckt, hatte sich jetzt allerdings wieder gefangen. Irgendwie konnte es so nicht weitergehen. Sie waren beide scheinbar nahe dran, einfach zu explodieren. „Ich glaub, wir sollten reden“, murmelte Daniel und fuhr sich ebenfalls einmal fahrig durch die Haare. „Am besten nicht hier. Kommst du mit nach oben? Ich denke, wir können Taki ruhig eine halbe Stunde allein fernsehen lassen.“ Serdall nickte abgehackt, griff sich jedoch im Flur Dustin, den er zu Taki abkommandierte. Ganz allein lassen wollte er seinen Sohn nicht, auch wenn er unbedingt mit Daniel reden musste. Wann hatten sie überhaupt das letzte Mal mehr als ein paar Worte miteinander gewechselt? Seufzend setzte sich Serdall auf ihr Doppelbett und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Daniel folgte ihm, zog es allerdings vor, an die Tür gelehnt stehen zu bleiben. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass eine bestimmte Distanz im Moment die richtige Wahl war. Nur wie sollte er anfangen? Er hatte diese Aussprache vorgeschlagen, fand allerdings kein Anfang. „Nun“, begann er leicht unsicher, „irgendwie haben wir uns die letzten Tage nicht wirklich gesehen.“ „Ja“, erwiderte Serdall. Er wusste nicht was er sagen sollte, noch was Daniel überhaupt hören wollte. Sie hatten sich nicht gestritten, eigentlich war alles in Ordnung. Serdall sah zu Daniel und blickte ihm in die Augen. In dieser Sekunde wurde ihm bewusst, dass eben nichts in Ordnung war. Seufzend erhob sich Serdall und ging auf seinen Freund zu. „Wie geht es dir?“, fragte er und kam sich in diesem Moment bescheuert vor, weil er wirklich nicht wusste, wie es seinem Freund ging. Was war denn nur los mit ihnen? Er legte zaghaft seine Hände auf Daniels Hüften, sah ihm aber nicht in die Augen, sondern nur auf seinen Pullover. Kurz lachte Daniel freudlos auf. Ja, woher sollte Serdall auch wissen, wie es ihm ging, wenn sie sich den ganzen Tag nicht sahen, obwohl sie sich in einem Haus aufhielten? Er ignorierte die fremden Hände an seinem Körper und sah Serdall starr ins Gesicht. „Genau das ist es, was mich stört. Allein diese Frage zeigt doch, dass etwas ganz Entscheidendes schief läuft, oder? Wenn ich irgendein Haustier wäre, würde ich wahrscheinlich von zuhause weglaufen und irgendwer würde mich finden und als armes vernachlässigtes Wesens ins Tierheim bringen.“ Daniel stockte kurz und runzelte die Stirn. „Okay, schlechtes Beispiel. Aber es ist doch so. Du bist rund um die Uhr bei Taki, dabei ist alles, was er jetzt noch hat, etwas Husten und Schnupfen. Ihm geht das wie du siehst selbst auf die Nerven und mich scheinst du gar nicht mehr zu kennen.“ Serdalls Hände lösten sich von Daniel und er ballte sie zu Fäusten. „Bist du jetzt etwa eifersüchtig auf Taki?“, zischte er leise und sah Daniel wütend ins Gesicht. „Ich kann mich eben nicht zweiteilen und ich glaube, dass mich Taki im Moment mehr braucht als du. Oder?“ Er wandte sich von Daniel ab und schritt zornig durch den Raum. „Wenn du krank wärst, würde ich dir auch nicht von der Seite weichen“ gab er wenig später leise zu und sah Daniel wieder in die Augen, wobei er immer noch die Hände geballt und einen wütenden Gesichtsausdruck hatte. „Ja, vielleicht bin ich eifersüchtig auf Taki“, gab Daniel nun etwas lauter zurück. „Ich bin ganz sicher eifersüchtig auf Taki, da du mich in den letzten Tagen teilweise noch nicht einmal ansiehst und zu bemerken scheinst. Vielleicht ist der Kleine krank und braucht etwas Fürsorge, aber zu viel ist erstens ebenso scheiße und zweitens gibt es auch, wenn Taki krank ist, eben nicht nur ihn. Wenn ich im krank im Bett liege, will ich auch nicht, dass du Taki vollkommen links liegen lässt. Wobei ich bezweifle, dass du das dann machen würdest. Aber Daniel ist ja groß, der kann für sich selbst sorgen. Ja, vielleicht, aber von wo hole ich mir die ganzen sozialen Sachen, die Streicheleinheiten, den Sex? Du würdest wahrscheinlich schon nach einem Tag Terror machen, wenn ich dich einfach nicht beachte und Charline gesund pflege oder was weiß ich.“ Serdall wandte schnaubend den Blick ab. Es klang einleuchtend, was Daniel sagte, das musste er leider zugeben. Aber er war nun mal so. Wenn Taki etwas geschehen würde, würde er sich aufhängen. Es war ihm auch bewusst, dass er es ab und an übertrieb, aber er hatte nicht gewusst, dass es Daniel schon nach den paar Tagen so extrem überforderte. „Und warum sagst du mir das nicht? Ich kann dir auch nicht alles vom Gesicht ablesen, Herrgott nochmal.“ Fahrig strich sich Serdall mit beiden Händen über seine Schläfen und richtete seine Augen wieder auf Daniel. „Und was erwartest du jetzt von mir? Dass ich doch noch mit dir in dieses Hotel fahre, oder was? Du bist immer noch sauer deswegen, oder?“, zischte er nun wieder in Rage. „Teilweise bist du so engstirnig“, grollte Daniel, wandte sich von Serdall ab und tigerte durch das Schlafzimmer. „Es geht mir nicht um dieses verdammte Hotel. Klar war ich im ersten Moment enttäuscht, dass es nicht geklappt hat, aber ich verkrafte es. Wir fahren halt nächste Woche. Was mich so extrem ankotzt ist, dass du teilweise echt in deiner eigenen Welt zu leben scheinst. Schaltest du eigentlich auch mal dein Gehirn an? Denn dann solltest du vielleicht auch mal selbst merken, dass es echt scheiße kommt, den Freund tagelang noch nicht mal mit dem Arsch anzusehen, obwohl man sogar im selben verdammten Haus lebt.“ Serdall biss sich auf die Lippe. Er wusste was Daniel wollte, warum sie sich hier gerade so beharkten. Aber wieso fiel es ihm erst jetzt so offensichtlich auf, erst nachdem Daniel ihn regelrecht mit der Nase drauf gestoßen hatte? Was war er eigentlich für ein Geliebter? „Tut mir leid“, meinte er plötzlich leise, als er Daniel überraschend an den Schultern griff und auf das Bett warf. Kommentarlos schob er sich zwischen Daniels Beine, verschränkte seine Hände mit Daniels, ehe er ihn forsch küsste. Überrascht und erschrocken blieb Daniel einige Momente untätig liegen, bevor er Serdall recht hart von sich stieß und sich mit seinem Pulloverärmel über den Mund wischte. „Was sollte das denn?“, zischte er. „Ein billiges tut mir leid und dann etwas harten Sex für mich und das war es oder wie? Es wäre vielleicht recht förderlich, wenn das Gespräch auch ein richtiges Ende bekommt. Schön, du hast dich entschuldigt. Die Frage ist jetzt nur, ob du es auch ernst meinst oder weiterhin den ganzen Tag bei Taki bist. Ehrlich, meinst du, nur weil mir der Sex gefehlt hat ist alles wieder gut, wenn du es einmal hinter dich gebracht hast?“ Daniel war extrem angepisst und er wusste, dass eine Wortwahl vielleicht nicht gerade die schönste war, allerdings ging ihm Serdalls Verhalten gerade wirklich gegen den Zeiger. „Was gibt es denn zu bereden?“, schrie Serdall Daniel wütend zu und stand wieder auf. So abgewiesen zu werden, schmerzte ihn. „Soll ich dich beknien, weil ich mich um meinen Sohn gesorgt habe? Weil ich eine Scheißangst habe, ihn zu verlieren? Mehr als dir sagen, dass es mir leid tut, kann ich nicht und das weißt du. Aber anscheinend hast du jetzt wirklich vor, dir mit mir einen Kleinkrieg zu liefern. Nur weiß ich nicht worüber!“ Wild gestikulierte Serdall mit den Händen und trat schlossendlich mit dem bloßen Fuße gegen den Bettrahmen. In der nächsten Sekunde vergrub er seine Hände in seinen Hosentaschen. Jetzt war ihm sein Ausbruch schon fast peinlich. Er redete doch sonst nicht so viel. Aufgebracht war Daniel ebenfalls aufgestanden. In der gleichen Lautstärke wie Serdall zuvor setzte er das Gespräch fort. „Ich habe dir gesagt, was es zu bereden gibt“, keifte er. „Es interessiert mich einfach, ob du deinen Fehler eingesehen hast oder ob ich mein Leben in den nächsten Tagen wieder allein fristen und in der Dusche wichsen muss. Du solltest dir vielleicht erst mal darüber klar werden, wie du deine Prioritäten setzt. Wenn du meinst, nicht mit mir reden zu können und es bei dieser halbherzigen Entschuldigung bleibt, dann weiß ich ja, woran ich bei dir bin.“ Daniel stapfte aus dem Zimmer und die Treppe hinunter, schnappte sich Kimba aus dem Wohnzimmer, wo er Dustins und Takis fragende Blicke ignorierte, zog sich Schuhe und Jacke an und verließ das Haus. Fassungslos sah Serdall noch kurz auf die Stelle, wo Daniel eben gestanden hatte. „Was soll dieser Mist?“, fragte er sich leise. Seit wann war Daniel denn so? Wütend ging Serdall zum Balkon und sah, wie Daniel die Einfahrt herunter stampfte, zusammen mit Kimba, die mit wedelndem Schwanz neben ihm herlief. Er sah dabei zu, wie Daniel um die Ecke bog und fluchte leise. Was sollte er denn jetzt tun? Würde Daniel zurückkommen? Oder hatte Daniel gerade mit ihm Schluss gemacht? Für einen Moment setzte Serdalls Herzschlag aus. Das konnte nicht sein… Nach alldem ging Daniel einfach so? Kopfschüttelnd setzte er sich in Bewegung und hetzte nach unten in den Flur, wo er sich nur eilig seine Schuhe anzog und seinen Hausschlüssel schnappte, ehe er schon nach draußen lief und Daniel hinterher. Leise Verwünschungen vor sich hin murmelnd ging Daniel in Richtung Park. Es musste jetzt fast Mittag sein, allerdings war es trotzdem schweinekalt. Er fragte sich, warum er so überreagiert hatte. Er war noch nie einfach so weggegangen, ohne mit Serdall alles zu klären. Aber sein Freund machte ihn gerade einfach nur wahnsinnig. Serdall schien überhaupt nicht zu sehen, worum es Daniel überhaupt ging und das diese leise gemurmelte Entschuldigung eigentlich nicht wirklich viel an dem Hauptproblem änderte. Daniel hätte nämlich die Befürchtung, dass Serdall erneut so handeln würde, wie er es jetzt getan hatte, wenn Taki wieder irgendwie krank werden würde. Keuchend holte Serdall Daniel ein, doch sein Freund ignorierte ihn, als er neben ihm herging. „Jetzt bleib stehen“, fauchte er Daniel an und packte ihn an der Schulter. „Hast du dich gerade von mir getrennt oder wie soll ich deine Worte werten?“, fragte er ihn laut, obwohl um sie herum lauter Menschen waren, die sie nun schief anblickten. „Schwuchtel“, ertönte es plötzlich von irgendwoher und Serdall zuckte sichtlich zusammen. Er nahm seine Hand von Daniels Schulter und biss sich auf die Lippe. Er war noch nie in der Öffentlichkeit damit konfrontiert worden, doch jetzt war ihm das einfach zu viel. „Ich warte zuhause auf dich“, murmelte er geschlagen und wandte sich ab. Frierend verschränkte er die Arme vor der Brust und schlug den Weg nach Hause ein. Daniel hatte die Quelle für diesen unflätigen Ruf ausgemacht und gab dem Kerl mit einer bezeichnenden Geste zu verstehen, was er von ihm hielt. Anschließend war er es dieses Mal, der hinter Serdall herlief. „Warte“, meinte Daniel recht leise und Serdall blieb leicht zögernd stehen. Seufzend fuhr sich Daniel durch die Haare. „Man, natürlich habe ich mich nicht von dir getrennt“, grummelte er und zog Serdall auf eine Parkbank in der Nähe. „Was meinst du, warum ich die ganze letzte Zeit die Klappe gehalten habe? Eben damit es nicht zu so einem Streit wie jetzt kommt. Aber irgendwann ist mir eben der Kragen geplatzt. Mir ist klar, dass du dich mehr um Taki kümmerst, weil er krank ist, aber dass du mich deswegen vollkommen vergisst ist eben schon ziemlich extrem. Was mich aber wirklich aufgeregt hat war eben, dass du einfach kurz eine Entschuldigung gemurmelt hast und meintest, dass damit alles gut sei. Das, worum es mir allerdings ging, war nicht nur diese Entschuldigung, sondern ich wollte, dass du auch vor mir über dein Verhalten in den letzten Tagen nachdenkst und mir einfach mal sagst, dass du es nicht mehr in der Art und Weise wiederholen wirst.“ Serdall verzog unwillig den Mund. Ihm war kalt und er wurde von Daniel zu Recht gewiesen. Irgendwie fühlte er sich fehl am Platz. „Die bringen dir in der Uni echt zu viel bei“, murrte Serdall leise. „Ich wusste gar nicht, dass man diese Lehrerstandpauken schon in der Ausbildung lernt.“ Verärgert rieb er sich über die Oberarme und sah Daniel ins Gesicht. „Du hast die letzten Tage nicht einmal gesagt, dass es dir nicht passt. Ich habe einfach angenommen, dass du einverstanden bist, dass ich mich so um Taki kümmere.“ „Wie gesagt, ich habe mich nicht beschwert, weil ich nicht wusste, wie du darauf reagieren würdest und keinen Streit haben wollte. Aber von meinem Standpunkt aus hättest du erkennen müssen, dass man den Freund eben nicht tagelang vollkommen missachten sollte.“ „Du weißt, dass das eine einmalige Sache ist“, erwiderte Serdall stur. „Und ich würde das jetzt wirklich lieber ins Warme verlegen. Wie du siehst ist mir kalt und ich habe keine Jacke an“, murrte er trotzig. Er hatte kein gesteigertes Interesse, das hier zu diskutieren. Er sah es ja ein, dass Daniel sich vernachlässigt gefühlt hatte, doch mehr als entschuldigen konnte er sich dafür nicht. „Na dann“, meinte Daniel und stand auf. Er pfiff nach Kimba und sie machten sich auf den Weg zurück ins Warme. Daniel hatte zwar nicht vor, dieses Mal nachzugeben, allerdings sah er ein, dass Serdalls Laune wohl durch die klamme Kälte noch zusätzlich getrübt wurde. „Gleich folgt noch ein kleines Frage-Antwort-Spiel“, kündigte Daniel an. „Nachdem wir uns einigermaßen aufgewärmt haben.“ „Aha“, murrte Serdall leise und meldete sich kurz bei Taki und Dustin zurück, ehe er mit Daniel wieder nach oben in ihr Schlafzimmer ging. Langsam schlug ihn dieser Streit auf den Magen. „Dann fang mit deinen Fragen an“, brummte Serdall, als er sich seine Bettdecke um die Schultern wickelte und sich im Schneidersitz auf das Bett setzte. „Gut“, meinte Daniel entschlossen und setzte sich Serdall gegenüber. Wenn sein Freund ihm schon nicht von sich aus die Antworten geben wollte, die er sich erhoffte, dann würde Daniel es eben aus Serdall herauskitzeln. „So, zum Aufwärmen: Liebst du mich?“ Verwirrt zog Serdall eine Augenbraue nach oben. „Ist das dein Ernst?“, knurrte er mürrisch und zog die Decke enger um sich. „Natürlich liebe ich dich“, erwiderte er fest. „Und das weißt du nur zu gut.“ Daniel grinste. „Nun, wie gesagt, das war eine Frage zum Aufwärmen. So wie bei einem Lügendetektortest um zu sehen, ob das Ding funktioniert. Dann kann es ja losgehen.“ Er sah, wie Serdall sich etwas anspannte und irgendwie bereitete es Daniel eine fast diebische Freude, seinen Freund ein wenig zappeln zu sehen. „Hast du mich in den letzten Tagen vermisst?“ Serdall senkte den Blick. Schuldbewusst schüttelte er mit dem Kopf. Er war viel zu sehr mit Taki beschäftigt gewesen, als dass er einen Gedanken an Daniel verschwendet hätte. „Taki hat mir viel zu viel Sorge bereitet“, gab er offen zu, hob dabei jedoch nicht den Kopf. Daniel schluckte schwer. Ehrlich gesagt hätte er das jetzt nicht erwartet. Immerhin hatten sie trotzdem noch zusammen in einem Bett geschlafen. Zumindest dann mussten Serdall doch einige Gedanken durch den Kopf gegangen sein, die mit ihm zu tun gehabt hatten, oder? Daniel räusperte sich leicht. „Also gut“, murmelte er leise. „Nächste Frage. Wenn Taki das nächste Mal krank wird, bleibst du dann wieder die ganze Zeit bei ihm?“ Unwohl rutschte Serdall ein wenig herum und zog die Decke noch enger um sich herum. „Ich weiß, was du hören willst, aber ich kann einfach nicht anders. Taki ist mein Sohn und ich muss mich um ihn kümmern“, erwiderte er und begegnete kurz Daniels Blick. „Also, ja. Ich würde wieder die ganze Zeit bei ihm sein.“ „Er ist dein Sohn und ich bin dein Freund“, erwiderte Daniel. Die Fragerunde war für den Moment vergessen. „Ich denke, dass beide Rollen in deinem Leben wohl sehr wichtig sind. Ich kann ja verstehen, dass du bei Taki sein willst. Wenn irgendwer krank ist, der mir nahe steht, möchte ich mich auch um ihn kümmern. Aber du hast so eine Art an dir, dass du alles immer übertreiben musst. Taki ist genervt, weil du die ganze Zeit bei ihm bist und er dumm im Bett herumliegen muss. Er kam heute Morgen von sich aus zu mir, nachdem er einen Albtraum hatte und nicht zu dir, weil er dachte, du würdest ihn gleich wieder ins Bett stecken, womit Taki ja augenscheinlich richtig lag. Wie er es genossen hat, endlich mal etwas Abwechslung zu haben. Er leidet und dass ich leide, ist jetzt wohl klar. Also, denkst du, dass du deinen Gluckenzwang mal unterdrücken kannst und das nächste Mal nicht nur bei Taki bist?“ Ungläubig sah Serdall Daniel an und schüttelte leicht den Kopf. Taki hatte sich wirklich von ihm genervt gefühlt? Er hatte sich lieber an Daniel gewandt als an ihn? Keuchend schlug er eine Hand über die Augen. Warum machte er plötzlich alles falsch mit seinem Sohn? „Ich bin ein Rabenvater und ein unsensibler Idiot“, zischte er leise. Sprachlos schüttelte er einfach nur den Kopf und begrüßte den Magenschmerz, der sich nun heftig bemerkbar machte. Er hatte Daniel enttäuscht und Taki mochte ihn nicht… Genervt stöhnte Daniel auf. Serdall war in letzter Zeit echt schwierig. „Du bist kein Rabenvater, wobei ich dir bei dem unsensiblen Idiot fast zustimme. Allerdings nur manchmal, beispielsweise vorhin. Was ich aber eigentlich sagen wollte ist, dass du immer alles gut meinst, eben nur übertreibst. Aber lieber etwas zu fürsorglich, als zu wenig. Du hast ja mich, der dich stoppt, falls es zu viel werden sollte. Lass Taki jetzt einfach ein wenig mehr Freiraum für sich und alles ist wieder in Ordnung.“ „Ich fühl mich so scheiße“, eröffnete Serdall leise und sah Daniel leidlich in die Augen. Langsam wusste er gar nichts mehr. Die letzten Tage und die Sorge um Taki hatten ihn ziemlich geschlaucht und jetzt dieser Streit gab ihm auch noch den Rest. Dieser ganze Monat war einfach nur ein Reinfall gewesen. Erst der Horror mit Fei und jetzt, nachdem er Daniel endlich wieder hatte, stritten sie sich und er vernachlässigte Daniel. Serdall ließ die Decke von seinen Schultern gleiten und fasste zaghaft nach Daniels Händen. „Kannst du mir verzeihen, dass ich dich so schrecklich behandelt habe?“ „So gefällst du mir schon besser. Krieche zu meinen Füßen“, lachte Daniel, umarmte Serdall allerdings dann. „Klar kann ich dir verzeihen. Immerhin habe ich jetzt scheinbar wirklich meinen alten, kitschigen Serdall wieder.“ Lächelnd küsste Daniel ihn einmal kurz und seufzte dann glücklich auf. „Gut, was steht als nächstes auf der Liste mit den Sachen, die unbedingt erledigt werden müssen?“ „Wie wär‘s, wenn wir jetzt das machen, was wir eigentlich vorhatten?“, antwortete Serdall und ließ seine Hände sanft über Daniels Rücken gleiten. Er wollte seinen Fehler wieder gut machen. Liebevoll begann er sich an Daniels Hals entlang zu küssen und zog ihn mit sich in die Horizontale. Schlagartig begann sein Herz einen schnelleren Rhythmus einzuschlagen, als er Daniel auf sich spürte und dessen Geruch und Wärme ihn einzuhüllen begannen. „Ich liebe dich“, sagte er endlich und küsste Daniel tief. Er hatte das echt schon viel zu lange nicht mehr gesagt. „Ich liebe dich auch“, kam Daniels prompte Antwort und er grinste Serdall anschließend keck an. „Man merkt, dass wir abstinent gelebt haben in den letzten Tagen. Dass du mal richtig gehend nach Sex verlangst, hätte ich auch nicht gedacht.“ Er fing sich für den frechen Kommentar einen spielerischen Schlag in die Seite von Serdall ein, küsste seinen Freund allerdings zur Ablenkung. Serdall seufzte in ihren Kuss und griff fest in Daniels Haare, um sich nachdrücklich von ihm zu lösen. „Die Tür…“, murmelte er atemlos und rollte sich mit Daniel herum, um noch einmal aufzustehen, obwohl sein Freund unzufrieden seufzte. Er schloss ab. Lasziv blickend ging Serdall wieder zu Daniel und schob sich über ihn. „Da seid ihr ja endlich“, entgegnete Dustin Daniel und Serdall, die gerade ins Wohnzimmer kamen, ziemlich glücklich im Gesicht. Mit den Augen rollend erhob sich Serdalls Schwager vom Sofa, auf dem Taki immer noch lag und fern sah. „Dafür kümmert ihr euch heute um das Mittagessen“, murrte er im Vorbeigehen und ignorierte Serdalls genervten Blick. Als Dustin auf Daniels Höhe war, gab er ihm einen Klaps auf den Po und registrierte mit sadistischer Genugtuung das leichte Zusammenzucken. „Ah ja. Der Himmel auf Erden ist wieder hergestellt“, zischte er ihm grinsend zu, ehe er weiterging. Daniel schüttelte grinsend den Kopf. Ehrlich, wann immer es um Sex ging, war Dustin auf dem Laufenden. Das war fast schon unheimlich. „Setz dich zu Taki, ich mache essen“, meinte Daniel zu Serdall und verschwand in Richtung Küche. Er wollte ein paar Kompromisse eingehen und Serdall nicht die ganze Zeit von Taki fernhalten. Außerdem wäre sein Freund ihm, auch wenn er mit in die Küche kommen würde, ohnehin mehr im Weg als in irgendeiner Art und Weise helfen zur Hand. Als Daniel allerdings die Tür öffnete, stand Yoshiko schon am Herd und rührte in der Soße umher, während die Kartoffeln vor sich hin kochten. „Hey, wie geht es dir?“, erkundigte sich Daniel auf Englisch und Yoshiko drehte sich etwas überrascht zu ihm um. „Danke, eigentlich ziemlich gut“, kam die leise Antwort begleitet von einem schüchternen Lächeln. „Kann ich dir irgendwie helfen?“, wollte Daniel wissen und sah in den dritten Topf, wo ein ziemlich gut duftender Braten vor sich hin brodelte. „Nein, eigentlich nicht.“ Yoshiko schüttelte verneinend den Kopf. „Ich komm ganz gut klar, weiß ja schon, wo alles ist und muss auch etwas dafür tun, dass ich hier wohnen darf und bezahlt werde.“ „Gut, wie du meinst. Aber ruf mich zum Tisch decken.“ Daniel ging zurück ins Wohnzimmer und setzte sich neben Serdall auf das zweite Sofa, das nicht von Taki belegt war. Serdall legte einen Arm um ihn und hauchte einen sanften Kuss auf seine Wange. „Scheint ja, als ob jemand dir zuvor gekommen ist“, meinte er leise lachend und sah kurz zu Taki, der schläfrig zum Fernseher schielte und zum Teil immer wieder die Augen schloss. Vielleicht war es wirklich nicht schlecht, dass Taki sich hier unten ein wenig Ablenkung suchte. So würde er sich nicht die ganze Zeit auf seine Krankheit konzentrieren können. Seufzend hauchte Serdall noch einen Kuss auf Daniels Ohrmuschel. Warum war er selbst nur immer so kurzsichtig, wenn es um seine Liebsten ging? Es tat ihm wirklich leid, was er Daniel wohl die letzten Tage angetan hatte mit seiner Ignoranz und er wollte es wieder gut machen. Daniel hatte sich so auf ihr Wochenende gefreut… „Wollen wir doch noch heut Nachmittag wegfahren?“, fragte Serdall ihn flüsternd. Kurz stockte Daniel. „Du meinst das ernst, oder?“, fragte er etwas verwirrt. „Du meinst es echt ernst, was du sagst.“ Leise lachend schüttelte er den Kopf. „Also meinetwegen können wir fahren. Ich bin ja ohnehin ein sehr spontaner Mensch und ich wette, dass auch noch irgendwo eine Suite für uns frei sein wird.“ Serdall begann zu schmunzeln, auch wenn ihm schon wieder unwohl wurde. Es war ihm egal. Er vertraute Daniel und es würde schon gutgehen. „Also, dann fahren wir nach dem Essen“, meinte er mit einem Zwinkern und platzierte einen Kuss an Daniels Hals. „Vorher gehe ich aber noch ein wenig Spielen. Sonst komme ich nicht mehr dazu.“ Serdall erhob sich und holte seine Geige vom Regal. „Willst du mit hochkommen?“, fragte er Daniel, als er vor ihm noch einmal stehen geblieben war. Ein kurzer Blick zu Taki, der auf dem Sofa eingeschlafen war, genügte und Daniel stand nickend auf. Er ließ sich von Serdall an die Hand nehmen und nach oben führen. Im Schlafzimmer angekommen, wo die Decken auf dem Bett noch immer reichlich zerwühlt waren, setzte er sich in den bequemen Sessel in der Ecke und schloss schon einmal erwartungsvoll die Augen. Serdall lächelte, als er Daniel so sitzen sah. Obwohl er seine Geige und den Bogen schon in den Händen hielt, schlich er sich an Daniel heran, nahm sein Instrument in eine Hand und beugte sich dann zu Daniels Gesicht. Sanft legte er eine Hand an seine Wange. Er liebte es, wenn Daniel so ruhig und entspannt seinem Geigenspiel zuhörte und schon davor so erwartungsvoll dasaß. Lächelnd legte er seine Lippen auf Daniels und ließ seine Hand in seinen Nacken wandern. Daniel erwiderte den sanften Kuss und öffnete prüfend ein Auge. Er war im ersten Moment etwas erschrocken gewesen, nicht irgendeine faszinierende Melodie zu hören, sondern Serdalls Hand und dessen Lippen zu fühlen, doch der erste Moment des Schreckens war schnell vorüber. „Wolltest du nicht spielen?“, fragte er Serdall leise. „Nicht ohne mir noch eine kleine Inspiration zu holen“, erwiderte er sanft und ließ dann von Daniel ab, um ein paar Schritte zurück zu gehen. Seine Augen mit Daniels fixierend legte Serdall seine Geige auf seine Schulter und begann eine beschwingte Melodie, die sich in ihrer Virtuosität selbst übertraf. Flink tanzten Serdalls Finger über die Saiten, als ob sie nie etwas anderes getan hätten. Serdall verlor sich leicht in diesem Lied, ließ seine Gefühle mit den Tönen verschmelzen und begann verträumt zu lächeln. Er spürte, dass er seine Geige in den letzten Tagen zu selten gespielt hatte. Seine Finger brannten vor Freude und sein Körper kribbelte an jeder erdenklichen Stelle. Das war nur, wenn er zu wenig spielte und die letzten beiden Tage hatte er seine Geige nicht einmal angesehen. Leicht erschauernd seufzte Daniel auf. Man merkte regelrecht, dass er nicht der Einzige war, der Serdall vermisst hatte, sondern auch die Geige hatte ihren Meister vermisst. Daniel musste auf Grund seiner Gedanken leicht lächeln und bewegte seine Finger im Takt der Melodie mit. Einige Zeit später, als auch die letzten Klänge in den Weiten des Zimmers verschollen waren, öffnete Daniel die Augen langsam einen Spalt breit und sah direkt in Serdalls Gesicht. Er fuhr etwas erschrocken zusammen. „Man, warne mich das nächste Mal vor“, maulte er aus seiner Entspannung gerissen und setzte sich wieder normal hin. „Prinzesschen“, murmelte Serdall leicht und küsste Daniel auf die gerunzelte Stirn. „Yoshiko ruft zum Essen“, meinte er schmunzelnd und nahm Daniel bei der Hand. Seine Geige hatte er schon wieder in seinem Geigenkoffer verstaut. Daniel hatte einige wenige Minuten einfach stillschweigend der Melodie nachgeträumt, wie es schien. Überglücklich legte Serdall einen Arm um Daniels Hüfte. Langsam wurde ihm wirklich klar, dass in den letzten Tagen etwas extrem falsch gelaufen war mit ihm. Aber sein Sohn hatte nun mal das Talent, ihn völlig vor Sorge aus der Bahn zu werfen. Daniel ja auch. Eine Gänsehaut bildete sich auf Serdalls Armen, als er daran dachte, wie brutal er gegenüber Fei geworden war, weil er ihm mit Daniels Tod gedroht hatte. Daniel hatte irgendwo Recht. Vielleicht war er manchmal wirklich zu heftig in seinen Aktionen, aber er wusste sich eben nicht besser zu helfen. Wenn er es mal objektiv betrachtete, war er schon immer so gewesen. Er sah kurz auf seinen Geigenkoffer. Ja, er war schon als Kind so gewesen. Es grenzte wohl geradezu an Besessenheit, wie er sich in die Welt der Geigenklänge zurückgezogen hatte, nur um dieses Instrument perfekt zu beherrschen, die Töne aus seinem Kopf zu kanalisieren und sich mit seiner Geige einen Fluchtpunkt zu suchen. Genauso war es mit seiner Liebe. Wenn er liebte, dann ohne Zweifel, ohne Pause und ohne Unterlass. Nur stritt sich das Ganze, weil er eben Daniel und Taki hatte, die er über alles liebte. Nun, er hatte sich im ersten Moment für Taki entscheiden, als er krank wurde, doch das war unfair gegenüber Daniel gewesen… Er musste sich wirklich in dieser Hinsicht zusammenreißen. Ende Kapitel 22 Und an dieser Stelle noch einmal ganz lieben Dank für all eure Reviews. ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)