Methadon von Tattoo (Kyo x Kaoru x Ryo) ================================================================================ Kapitel 10: ------------ ~10~ Beängstigend laut quietschend und ächzend rollte das eiserne Gitter des Tores beiseite und gab den Weg für die beiden gigantischen Busse frei, die wenige Augenblicke später auf dem weitläufigen Parkplatz zum Stehen kamen. Bei dem hinteren öffnete sich die Tür sofort und alle Roadies kamen heraus, um das Gepäck und Equipment zu entladen. Kurz darauf zeigten sich auch drei Bewohner des ersten Busses, sie traten einer nach dem anderen hinaus in die Nachmittagssonne und genossen die frische Luft, an der es ihnen unterwegs des öfteren gemangelt hatte. Kein Wunder, bei fünf Kerlen und einem Hund auf engstem Raum. "Na endlich..." seufzte Die erleichtert während er sich, die Arme zum Himmel gerichtet, ausgiebig streckte. Seine Bemerkung ließ Toshiya grinsen. "Ja, ich bin auch froh, dass diese Tour vorbei ist. War ja kaum auszuhalten mit unseren beiden Turteltauben. Ne, Shinya?!" Damit drehte er sich zu seinem Kollegen um, doch der Drummer bedachte ihn nur mit einem eisigen Blick und schwieg, während sie darauf warteten, dass der Laderaum geöffnet wurde. Shinya war, seit Kaoru und Kyo wieder zusammengefunden hatten, sogar noch wortkarger als ohnehin schon, er hielt offenbar überhaupt nichts davon, dass ihr Leader Ryo betrog und bisher noch nicht einmal den Schneid besessen hatte, ihm das zu beichten. Toshiya und Die waren zwar auch nicht wirklich die Typen, die Fremdgehen gut hießen, aber ihre Freude darüber, dass das Traumpaar der Band wieder zusammen war, überwog. Und Ryo würde schon noch jemanden finden, mit dem er glücklich werden konnte. Kurz darauf hatte jeder der drei sein Gepäck in Empfang genommen und alle warteten nur noch auf Kyo und Kaoru, doch die beiden dachten anscheinend gar nicht daran, sich in nächster Zeit mal blicken zu lassen. Ihre Kollegen (ganz zu schweigen von den Roadies und ihrem Fahrer) wurden langsam aber sicher ungeduldig, weshalb Die schließlich mit der flachen Hand mehrmals beherzt gegen die Buswand schlug und dabei rief "Hey ihr zwei, jetzt kommt endlich da raus! Poppen könnt ihr auch daheim!" Und ganz so, als hielten sie die Worte des Gitarristen für eine vorzügliche Idee, die es sogleich in die Tat umzusetzen galt, verließen Kaoru und Kyo tatsächlich nur wenige Sekunden später den Tourbus und gesellten sich zu den anderen. "War ja klar, kaum ist von poppen die Rede, kommen die Herrschaften angedackelt." witzelte Die und zwinkerte den beiden zu, was Kyo dazu veranlasste, besitzergreifend die Arme um Kaoru's Hüfte zu schlingen und grinsend zu seinem ehemaligen Ex-Freund aufzublicken. "Hey Kao, mir scheint, da ist jemand neidisch auf unser erfülltes Sexleben." Der angesprochene Gitarrist schmunzelte bei diesen Worten, murmelte noch ein kurzes "Ach wirklich?" und zog Kyo im nächsten Moment auch schon wieder in einen langen Kuss, den ungefähr hundertsten an diesem Tag. Die beiden waren wirklich unersättlich. Doch das dezente Räuspern ihres Busfahrers erinnerte sie schließlich wieder daran, dass sie noch nicht allein waren, also verschoben Kaoru und Kyo ihre Liebeleien auf später, um sich jetzt erst einmal bei den Roadies und Mitarbeitern zu bedanken und zu verabschieden. Viele von ihnen würde man ja bereits in wenigen Tagen bei den Vorbereitungen für das Tourfinale hier in Tokyo wiedersehen. "So, wir werden uns dann auch mal verziehen." meinte Kyo, als sie wenig später nur noch zu fünft auf dem Parkplatz standen, und betrachtete dann den schweren Koffer zu seinen Füßen. Die folgte dem Blick des Sängers und grinste, denn obwohl Kyo noch immer keinen Rollkoffer besaß, hatte Die absolut nichts zu befürchten. Und siehe da, ohne darum gebeten zu werden schnappte Kaoru sich, wie schon in den vergangenen Tagen, ohne zu zögern sowohl sein eigenes als auch Kyo's Gepäck, wünschte Toshiya, Die und Shinya noch eine erholsame Zeit und marschierte dann schnurstracks zu seinem Wagen. Das Gewicht, das er dabei mit sich schleppte, machte ihm anscheinend gar nichts aus, und Kyo sah seinem Freund mit leuchtenden Augen hinterher. Grund genug für Die, noch einen mehr oder weniger sinnvollen Spruch zum besten zu geben. "Ja ja, in Kao's Fall versetzt die Liebe eben nicht Berge, sondern Koffer. Aber der Angeber soll mal nicht so stark tun, ich wette, er hebt sich gerade einen übelsten Bruch." Da drehte Kyo sich zu dem Gitarristen um und strafte ihn mit einem geringschätzigen Blick. "Kao ist kein Angeber, sondern ein Kavalier. Solltest du vielleicht auch mal versuchen, dann hättest du auch keinen Grund mehr, neidisch auf uns zu sein." Dass der Sänger seine Worte nicht ganz so ernst meinte, zeigte das Grinsen, das sich plötzlich auf seinem Gesicht breit machte, und nachdem Kyo sich von seinen Kollegen verabschiedet hatte, stiefelte er Kaoru gut gelaunt hinterher. "Also dann, bis nächste Woche." murmelte nun auch Shinya, nickte Die und Toshiya noch kurz zu und machte sich dann ebenfalls auf den Weg zu seinem Wagen. Seine Laune hatte sich noch immer nicht gebessert. "Keine Angst," meinte Die, als er Toshiya's besorgten Blick bemerkte, und legte dem Bassisten eine Hand auf die Schulter, "der kriegt sich schon wieder ein. Und es ist ja auch wirklich nicht gerade die feine Art, wie Kao sich verhält. Aber soll ich dir mal was sagen, Totchi?" Der Gitarrist wies hinüber zu Kaoru und Kyo, die - kaum dass ihr Gepäck im Kofferraum verstaut war - schon wieder heftig miteinander rumknutschten, und lächelte. "Ich glaub, nicht einmal in ihren besten Zeiten waren sie jemals so unzertrennlich gewesen, wie jetzt." **** Aus dem Wagen raus, das Gepäck achtlos zurückgelassen, die Treppen hoch und den Wohnungsschlüssel eilig hervorgekramt. Kaoru konnte es gar nicht mehr erwarten, Kyo wieder in ihrem gemeinsamen Bett zu haben, und so, wie der Jüngere sich von hinten gegen ihn presste und sich bereits an Kaoru's Hose zu schaffen machte, ging es ihm da offenbar nicht anders. "Mach schon~" raunte er dem Gitarristen ungeduldig ins Ohr und verstärkte, gerade als Kaoru den Schlüssel ins Schloss gesteckt hatte, den Druck seiner Hand noch ein bisschen, was den Älteren Sterne sehen ließ. Daher kam ihm auch nur in der allerhintersten Ecke seines Bewusstseins etwas leicht merkwürdig vor, als er die Tür endlich öffnete, und intensiver darüber nachdenken wollte er im Moment natürlich auch nicht, immerhin klebte gerade ein zu allem entschlossener Kyo an ihm. Und diesen packte er auch sogleich, nachdem er noch schnell die Tür zugetreten hatte, presste ihn gegen die nächstbeste Wand und fiel buchstäblich über sein williges Opfer her. Ihre Küsse waren leidenschaftlich, drängend, fordernd, und es hätte nicht mehr viel gefehlt und sie hätten sich gleich hier im Flur die Klamotten vom Leib gerissen, doch als Kaoru gierig Kyo's Hals attackierte und dieser seinen Kopf zur Seite drehte, wich plötzlich alle Kraft aus dem Sänger und er erstarrte. "Kao..." Sein Freund reagierte allerdings nicht darauf sondern fuhr fort, Kyo's Hals mit Küssen zu übersäen, erst als der Jüngere seinen Namen etwas lauter rief und ihn dabei ein Stück von sich schob, damit sie sich in die Augen sehen konnten, fragte er atemlos "Was ist denn?" Und als Kyo - auf einmal todernst - langsam wieder nach rechts ins Wohnzimmer sah und Kaoru seinem Blick folgte, wurde ihm mit einem Schlag bewusst, was ihm vorhin so merkwürdig vorgekommen war. Die Tür war nicht verschlossen gewesen. Und der einzige, der außer ihm einen Schlüssel zur Wohnung besaß, war... "Oh nein... Ryo..." Der Sänger hockte mit angezogenen Beinen in einem Sessel, starrte sie aus vor Schreck weit aufgerissenen Augen an und hielt sich dabei mit einer Hand den Mund zu. Sein Gesicht war tränenüberströmt. Doch als hätten erst diese wenigen, entsetzt geflüsterten Worte Ryo klar gemacht, dass das, was er da sah, tatsächlich bittere Realität war, entrang sich trotz vorgehaltener Hand endlich ein herzzerreißendes Schluchzen seiner Kehle, das Kaoru durch Mark und Bein ging. Der Gitarrist ließ nun auch von Kyo ab und trat einen Schritt auf Ryo zu, was allerdings zur Folge hatte, dass dieser wie von der Tarantel gestochen aufsprang und sich hinter den Sessel flüchtete, um mehr Abstand zwischen sie zu bringen. "Ryo, bitte... Es tut mir leid. Du solltest es nicht auf diese Weise erfahren, aber ich wollte es dir auch nicht am Telefon sagen, sondern persönlich." versuchte Kaoru ihn zu beruhigen, aber der Jüngere sah ihn nur weiter fassungslos durch seine Tränen hindurch an und schüttelte immer wieder den Kopf. Dann wanderte sein Blick etwas tiefer und er schluchzte erneut auf, weshalb Kaoru irritiert nach unten schaute und schlagartig rot wurde. Der Knopf seine Hose war geöffnet und der Reißverschluss zur Hälfte heruntergezogen, eine Art Schandmal dafür, was hier beinahe passiert wäre. Hastig machte der Gitarrist seine Hose wieder zu. "Hör zu, lass uns darüber reden, okay? Ich erklär dir das alles, es ist nämlich ziemlich kompliziert und-" "Halt den Mund!" schrie Ryo da plötzlich mit unerwartet rauher Stimme und wirkte immer verzweifelter während er, mit dem Rücken zur Wand und den Blick stets auf Kaoru geheftet, langsam um den Tisch und die Couch herumschlich. Und da erst fiel Kaoru etwas auf. Ryo's Augen waren ganz rot, so als hätte er schon lange geweint und nicht erst gerade eben damit angefangen. Er sah überhaupt ziemlich elend aus, seine Haut war auffallend blass und bildete einen starken Kontrast zu den dunklen Ringen unter seinen Augen, und er schien sogar ein bisschen abgenommen zu haben, was in Ryo's Fall nicht unbedingt gesund war. Verwundert und besorgt blinzelte Kaoru den Sänger an. "Ryo, was... ist irgendwas passiert? Ich meine, außer..." Natürlich meinte er, außer der Tatsache, dass er gerade beinahe vor Ryo mit einem anderen Mann Sex gehabt hätte. Gott, er war so ein unsensibles Arschloch. Und das sah Ryo anscheinend ähnlich, denn er ballte seine Hände zu Fäusten und kniff kurz die Augen zusammen, und als er sie wieder öffnete, lag darin so viel Schmerz, dass Kaoru am liebsten zu ihm gegangen und ihn in den Arm genommen und getröstet hätte. Aber das war in dieser Situation selbstverständlich nicht möglich, überhaupt würde er den Kleinen nie wieder in seine Arme schließen können, und zu Kaoru's Erstaunen machte ihn diese Erkenntnis plötzlich noch trauriger als die schrecklichen Umstände, unter denen Ryo von seiner Untreue erfahren hatte. Aber er verdrängte den Gedanken und konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart und Ryo, der inzwischen den Durchgang zum Flur erreicht hatte, wo Kyo noch immer stand. Reglos sahen die beiden Sänger einander an, wobei Ryo gebührenden Abstand hielt. Er wollte nicht so nahe an Kyo heran, musste es aber, wenn er hier raus wollte. Und das wollte er im Moment mehr als alles andere. Doch zu seiner Überraschung senkte Kyo, dem der Jüngere ehrlich leid tat, schließlich den Blick und trat zur Seite, machte so den Weg für ihn frei. Und diese Gelegenheit ließ Ryo sich nicht entgehen, rannte blitzschnell und ohne sich noch einmal umzudrehen in den Flur, griff nach seinen Schuhen, riss die Tür auf und stürzte aus der Wohnung. Er hörte nur noch, wie Kaoru seinen Namen rief. **** An diesem Abend hatten sie nicht mehr miteinander geschlafen, dazu waren weder Kaoru noch Kyo in der Stimmung gewesen. Natürlich hatten sie gewusst, dass es Ryo schwer treffen würde, wenn er von ihrer Beziehung erfuhr, aber dass es so laufen würde, hatte keiner von beiden gewollt. Ryo's entsetzter Blick und der verzweifelte Klang seiner Stimme ließen Kaoru einfach nicht mehr los, und es gab nichts, was Kyo tun konnte, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. Zum Glück zeigte der Sänger sich erstaunlich verständnisvoll, was sein Freund auch zur Kenntnis nahm und wofür er ihm sehr dankbar war, aber Kaoru wusste, dass er und Kyo erst eine glückliche und unbeschwerte Zukunft haben würden, wenn er vorher noch einmal mit Ryo sprach und ihm alles – wirklich alles - erklärte. Persönlich. Er schuldete es Ryo, und in gewisser Weise schuldete er es auch Kyo. Und deshalb stand er auch jetzt, zwei Tage nach dem ganzen Malheur, vor Ryo's Tür. Er hatte zwar auch einen Wohnungsschlüssel, aber ihm war klar, dass er kein Recht mehr hatte, ihn zu benutzen. Nervös betrachtete er die Klingel. Er sah noch genau vor sich, wie er zum ersten Mal hier gestanden und sie benutzt hatte, nur um sich wenige Sekunden später köstlich über den Anblick von Ryo mit Doraemon-Schürze und tropfendem Kochlöffel zu amüsieren. Bei der Erinnerung daran schlich sich ein kleines Lächeln auf sein Gesicht, doch kurz darauf erstarb es auch schon wieder. Heute würde er keinen Anlass zum Lachen haben, und Ryo auch nicht. Der Jüngere würde sich ziemlich viele schmerzhafte Dinge anhören müssen, vorausgesetzt natürlich, dass er Kaoru überhaupt zuhörte. Kaoru hoffte es, hatte aber gleichzeitig auch große Zweifel. Und er würde es Ryo nicht einmal verdenken, wenn dieser ihm bei seinem Anblick sofort die Tür vor der Nase zuschlagen würde. Aber das kam auf den Versuch an, also hob Kaoru schließlich eine Hand und drückte nach kurzem Zögern auf die Klingel. Die Tür wurde wenig später geöffnet und auch nicht gleich wieder geschlossen, allerdings war es nicht Ryo, der ihn mit vorwurfsvollem Blick musterte. Es war Kei. "Verschwinde." war alles, was der jüngere Gitarrist sagte, doch in diesem einen Wort schwang so viel Hass und Verachtung mit, dass Kaoru sich sofort noch ein ganzes Stück mieser fühlte, als er es ohnehin schon tat. "Ich werde auch wieder gehen, keine Sorge, aber vorher möchte ich Ryo bitten, mir zuzuhören. Es ist wirklich wichtig, dass er die ganze Wahrheit erfährt." Bei diesen Worten wurde Kei etwas redseliger, und er trat zu Kaoru in den Gang und schloss die Tür hinter sich, damit Ryo sie nicht hörte. "Die ganze Wahrheit?! Die ganze Wahrheit ist, dass du ein untreues, gefühlloses Arschloch bist! Und glaub mir, die kennt er bereits, dafür haben du und dieser Typ ja bestens gesorgt!" Kaoru schüttelte den Kopf. "Erstens ist das nur ein Teil der Wahrheit, und zweitens hab ich das so nicht gewollt. Also, dass er uns so sieht." Während er sich rechtfertigte, fiel ihm an Kei's Shirt, knapp unterhalb des Schlüsselbeins, eine feuchte Stelle auf, so als habe der Jüngere sich dort mit Wasser bespritzt, doch seine Aufmerksamkeit wurde sogleich wieder auf die Worte seines Gegenübers gelenkt. "Ist mir vollkommen egal, ob das Absicht war oder nicht! Ich hatte dich gewarnt! Ich hatte dir gesagt, dass du nichts mit ihm anfangen sollst, wenn es dir nicht wirklich ernst ist! Kannst du dir vorstellen was das für ein Gefühl für ihn war, als er an seinem Geburtstag und den Tagen danach nichts von dir hörte?! Er hat sich sogar eingeredet, dass du einfach viel zu beschäftigt bist, und wollte dich deshalb nicht mit seinen Anrufen und Problemen belästigen! Und dann muss er dabei zusehen, wie sein Freund mit einem anderen rummacht!" Kei wurde immer wütender und zerrte an der Stelle seine Shirts, wo Kaoru den nassen Fleck bemerkt hatte. "Siehst du das?! Siehst du, wie fertig er ist?! Er weint sogar im Schlaf, Kaoru! Warum musstest du ihm das antun? Und ausgerechnet jetzt, wo er dich so dringend gebraucht hätte! Wegen dir ist alles noch viel schlimmer für ihn geworden! Erst die Sache mit Bansaku, dann Akira, und jetzt auch noch DAS!" Und zu Kaoru's Überraschung rollten plötzlich Tränen über Kei's Wangen, die der junge Gitarrist aber sofort trotzig wegwischte. "Kei, wovon sprichst du da? Was ist mit Bansaku und Akira?" fragte Kaoru verwirrt und beobachtete, wie Kei, den die ganze Sache offensichtlich auch sehr mitnahm, darüber nachgrübelte, ob er dem Älteren etwas erzählen oder ihn doch lieber zum Teufel jagen sollte. Schließlich entschied er sich für das Erstere und teilte Kaoru mit, dass Akira im Krankenhaus lag und es ihn so schwer getroffen hatte, dass drei Fanklub Konzerte Ende August abgesagt werden mussten. Das war in einem Monat. Besorgt wollte Kaoru wissen, was denn mit ihm los sei, doch da verdunkelte sich Kei's Blick wieder. "Das geht dich nichts an." Kaoru nickte. "Stimmt, es geht mich wirklich nichts an. Aber ich hoffe trotzdem, dass er schnell wieder gesund wird. Und was ist mit Bansaku? Ist der etwa auch krank?" Doch die zusammengepressten Lippen und der gepeinigte Blick des Jüngeren ließen Kaoru vermuten, dass es im Fall des Bassisten um etwas anderes ging. Etwas schlimmeres. Und er behielt Recht, denn was Kei ihm dann sagte, ließ Kaoru's Herz noch eine Etage tiefer sinken. "Das geht dich zwar auch nichts an, aber du wirst es früher oder später sowieso erfahren. Bansaku... ist aus der Band ausgestiegen, und wir überlegen, ob wir ohne ihn überhaupt mit baroque weitermachen werden. Wohl eher nicht... Und du kannst dir ja sicher denken, wie enttäuscht Ryo war, als er das erfuhr, und auch noch so kurz vor seinem Geburtstag. Du und die Band, ihr habt ihm alles bedeutet. Und dann rufst du ihn nicht mal an, weil du wahrscheinlich gerade mit deinem Neuen... Aber er hat versucht, tapfer zu sein, weil er sicher war, dass alles gut werden würde, wenn du wieder da bist. Doch da hat er sich leider gründlich geirrt. Und jetzt-" Kei brach ab und biss sich auf die Lippe, ihm war anzusehen und auch anzuhören, dass er mit den Tränen kämpfte. Und auch Kaoru war tief bestürzt über das wahrscheinliche Ende dieser erfolgversprechenden jungen Band und besonders über die vielen Schicksalsschläge, die Ryo innerhalb von nur wenigen Tagen hatte hinnehmen müssen. "Es tut mir so leid..." murmelte er betreten in die Stille hinein und war sich inzwischen überhaupt nicht mehr so sicher, ob es das Richtige wäre, Ryo die Wahrheit zu erzählen. Würde es ihn nicht nur noch mehr verletzen, zu erfahren, dass Kaoru sich nur für ihn interessiert hatte, weil er ihn so sehr an Kyo erinnerte? Natürlich würde es das, aber Kaoru hatte bis vor ein paar Minuten noch gedacht, dass Ryo letztendlich darüber hinwegkommen würde. Aber nach allem, was dem Sänger in letzter Zeit widerfahren war, hielt Kaoru es nicht für ausgeschlossen, dass Ryo an den Details ihrer von Anfang an falschen Beziehung endgültig zerbrechen könnte, und DAS würde Kaoru ihm niemals antun. Dafür hatte er den Kleinen viel zu gern. Und so kam der Gitarrist zu dem Schluss, ihm die Wahrheit doch zu ersparen, griff in seine Hosentasche, holte den Zweitschlüssel zu Ryo's Wohnung hervor und hielt ihn Kei, der sich wieder gefangen hatte, hin. "Hier, den wollte ich noch zurückgeben. Weißt du zufällig, wo er..." Die Worte lagen Kaoru auf der Zunge, doch es kam ihm schäbig und gefühlskalt vor, sie auszusprechen. Kei verstand aber auch so. "Ja, weiß ich. Ich hole sie, Ryo wird froh sein, wenn sie weg sind." Damit drehte er sich um, schlüpfte in die Wohnung und kam gleich darauf mit dem Zweitschlüssel zurück. Kaum hatte er ihn dem Älteren in die Hand gedrückt, wollte er die Tür auch schon schließen, doch als Kaoru seinen Namen rief, hielt er inne und sah seinen Gegenüber mit ausdruckslosen Augen an. Kaoru lächelte traurig. "Ich bin froh, dass du dich um ihn kümmerst." Ohne etwas darauf zu erwidern, schloss Kei die Tür. ------------ Anm.: Für alle, die sich mit baroque nicht so gut auskennen, möchte ich hier nur mal erwähnen, dass alle Zeitangaben (Tourdaten, Veröffentlichungen etc.), die die beiden Bands betreffen, der Realität entsprechen, so also auch Akira's Krankenhausaufenthalt und die Zeit, in der Bansaku den anderen seinen Ausstieg bekannt gab. *sich bei FFs immer gern an Fakten orientiert* Beim Recherchieren kam es mir manchmal schon fast so vor, als hätten die Bands sich vorher abgesprochen, damit ich es beim Zusammenbasteln der Story leichter hab! XD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)