Mimiko no Miko von Jarmina (Mimiko die Priesterin) ================================================================================ Kapitel 1: Die Stadt -------------------- Der Gestank, der ihr augenblicklich entgegen schlug, betäubte sie für einen Moment schier und sie presste verzweifelt die weiten Ärmel ihrer Kutte vors Gesicht, um nicht daran zu ersticken. Doch es half nicht viel, sie musste husten und keuchen und ihre Augen tränten, bis sie ein paar Lungen voll mit Abwasserdämpfen verseuchte Luft eingeatmet hatte und ihr Körper sich widerwillig anpasste. Mit vom Husten gerötetem Gesicht stolperte sie weiter über das Kopfsteinpflaster, dessen Härte und Regelmäßigkeit so ganz anders war, als der schwammige weiche Waldboden. Darauf bedacht, nicht aus Versehen einen der Menschen um sie herum zu berühren, bahnte sie sich ihren Weg durch die lauten, übelriechenden Straßen zu dem Wirtshaus, das ihr Ziel war. „Zum löchrigen Fass“ stand auf dem vom Wetter verblichenen Holzschild über dem Eingang und die Priesterin fühlte sich erleichtert, dass sie den Weg dorthin wiedergefunden hatte. Es war das erste Mal seit zwei Jahren, dass sie wieder hier war, um ihre Freundin zu besuchen. Die unangenehme Umgebung vergessend, schritt sie voller Vorfreude in die düstere Schankstube, wo sie die Person, die sie suchte, sogleich erblickte. Das Mädchen arbeitete als Kellnerin in dem Wirtshaus und eilte mit strahlendem Lächeln von Tisch zu Tisch und verteilte Getränke. Sie war ein gutes Stück gewachsen seit ihrer letzten Begegnung, doch ihr Gesicht mit den frechen Sommersprossen, das von hellblonden Locken umrahmt wurde, hatte sich kaum verändert. Die Priesterin stellte sich an den Tresen und nahm ihre Kapuze ab, damit das Mädchen sie erkennen konnte, wenn sie von ihrer Bedienungstour zurück kam. Ihre Reaktion fiel heftiger aus, als die Gazanerin es erwartet hatte. Sobald die hellblauen Augen des Mädchens die Frau an der Theke entdeckten, ließ sie mit lautem Scheppern ihr mit leeren Bierkrügen beladenes Tablett fallen und stürmte mit einem Freudenschrei auf sie zu. „Seina! Was machst du denn hier?!“ Unbedacht fiel sie der Priesterin um den Hals und wurde von den über sie hereinbrechenden Visionen niedergestreckt, als ihre Arme den nackten Hals der Frau berührten. Seina fing sie mit ihren stoffumhüllten Armen auf, ehe sie sich wehtun konnte, doch das Mädchen kam rasch wieder zu sich, noch ehe die Priesterin sie auf einen Stuhl befördert hatte. Alle Blicke hatten sich ihnen zugewandt, durch den Lärm, den die Jüngere veranstaltet hatte und Stille legte sich über den Raum, als die Leute realisierten, weshalb das Mädchen zusammengebrochen war. „Lass uns hochgehen, in mein Zimmer.“ Sagte das Mädchen rasch und zog die Priesterin am Ärmel hinter sich her, die Treppe hinauf. Oben angekommen präsentierte sie der anderen stolz ihr eigenes Zimmer, das der Wirt ihr zur Verfügung gestellt hatte, seit sie für ihn arbeitete. Sie bat der Gazanerin ihr Bett als Sitzplatz an und begann fröhlich ihr alles zu erzählen, was sie erlebt hatte, seit sie die Priesterin zuletzt gesehen hatte. Seina lächelte, als sie spürte, wie glücklich die Kleine hier war und stellte beruhigt fest, dass sie ihr Vertrauen in den richtigen Mann gesetzt hatte, als sie dem Wirt die Aufgabe gab, sich an ihrer Stelle um das damals vierzehnjährige Mädchen zu kümmern, das als Sklavin geboren, aus Angst vor ihrem gewalttätigen Herrn in den heiligen Wald geflüchtet war. Leider würde sie hier nicht bleiben können... Das Lächeln verschwand von Seinas Lippen, als sie sich an den Grund ihres Besuches erinnerte und sie verlieh ihrem Gesicht die undurchschaubare Maske der Priesterin, um sich nicht sofort anmerken zu lassen, wie besorgt sie um das Mädchen war. „Mimiko, ich muss mit dir sprechen.“ Die sanfte Stimme der Priesterin unterbrach Mimikos sturzbachartige Berichte über die letzten zwei Jahre abrupt und ließen das aufgeregte Mädchen überrascht verstummen. Einen Moment lang erwartete Mimiko, dass sie gleich aufwachen würde, jetzt wo sich ein Fehler in ihren wunderschönen Traum eingeschlichen hatte. Die Gazara-Priesterin durfte nicht mit ihr sprechen, hatte es nie getan, in all der Zeit, als sie noch bei ihr gelebt hatte. Doch Seina blieb unverändert auf ihrem Bett sitzen ohne zu verschwinden oder sich in einen Alptraum zu verwandeln. Nur ihr seltsamer Gesichtsausdruck stimmte nicht mit dem der liebevollen Seina überein, die Mimiko in Erinnerung hatte. „Ich dachte, du darfst in der Gegenwart von Menschen nicht sprechen?!“ fragte Mimiko ängstlich, da sie befürchtete, ihre Freundin könnte bestraft werden, falls dies kein Traum war, da sie damit die Regeln des Ordens brach. „Das stimmt.“ Bestätigte Seina geduldig. „Aber...warum tust du es dann? Ich will nicht, dass du wegen mir Ärger bekommst...“ Es war das erste mal, dass Mimiko Seina sprechen hörte und es machte ihr Angst, als sie sah, wie ernst der Gesichtsausdruck ihrer sonst immer lächelnden Freundin war. Nervös setzte sie sich neben sie und blickte besorgt zu ihr hoch. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, es ist mir erlaubt mit dir zu sprechen. Ich wurde sogar zu diesem Zweck hierher geschickt.“ Seina fiel es schwer der Kleinen die Wahrheit zu sagen. Lieber wäre sie nur zu Besuch hierher gekommen, doch ein Auftrag des Ordens hatte sie zu Mimiko geführt. „Sie haben dich hergeschickt?“ Mimiko verstand nicht. Wie konnte sie auch? Dachte Seina verbittert, sie hatte keine Ahnung von den Regeln des Ordens, keine Ahnung, was sie wegen dem Verletzen dieser Regeln erwartete. „Du erinnerst dich, wo wir uns kennen gelernt haben?“ fragte Seina das Mädchen. „Natürlich tue ich das! Es war unter einer wunderschönen Weide, die an dem eiskalten Fluss steht, der durch den Wald fließt. Du hast dort gebadet. Hab ich recht?“ Mimiko strahlte sie an, in der Hoffnung den Test der Priesterin bestanden zu haben. Doch Seina lächelte nicht zurück, sondern nickte nur traurig. „Richtig, am Fluss im heiligen Wald.“ Allmählich dämmerte Mimiko, worauf die Priesterin hinauswollte und auch ihr Lächeln erstarb. „Es ist, weil ich im Wald war, obwohl es verboten ist, stimmst’s?“ fragte das Mädchen ängstlich und Seina nickte wieder und blickte dann zu ihr auf. „Es tut mir Leid, aber du wirst mit mir kommen müssen.“ Mimiko wurde blass. Sie zögerte kurz dann stand sie auf und griff sie nach ihrem Umhang, der an einem Haken an ihrer Tür hing. „Ich bin bereit für meine Fehler gerade zu stehen.“ Sagte sie tapfer, doch ihr Blick ruhte ängstlich auf der Gazanerin, als würde sie hoffen, dass die Freundin ihr sagte, dass sie nur eine harmlose Strafpredigt zu erwarten hatte. Doch dem war sicherlich nicht so, denn sonst hätten die Bewohner der Stadt bestimmt nicht so große Angst vor den Gazana-Priesterinnen und der Strafe, die sie erwartete, wenn sie den Wald betraten und dann würde Seina nicht so traurig aussehen. „Was wird mit mir geschehen?“ Fragte Mimiko. „Das darf ich dir nicht sagen, ehe wir im Wald sind.“ Antwortete die Priesterin. „Pack deine Sachen und verabschiede dich von allen. Du wirst vermutlich nicht zurückkehren.“ Seinas Worte, die durch ihre sonderbare Stimme süß wie Honig klangen, legten sich wie ein schwerer Stein in Mimikos Magen. Stumm räumte sie ihre wenigen Habseligkeiten in einen Beutel und warf ihn sich zusammen mit dem Umhang über. Dann folgte sie der Priesterin, die ihre Kapuze wieder aufsetzte, als sie die Treppe heruntergingen in die Schankstube, wo sie dem Wirt alles erklärte und sich verabschiedete. Anschließend begleitete sie die Priesterin zurück zum Wald. Auf dem Weg wurde Seina mehrmals von Schwächeanfällen heimgesucht, da sie zu lange von der Natur getrennt war und die für ihre feinen Sinne beißenden Gerüche und Geräusche setzten ihr noch zusätzlich zu. Mimiko stützte sie besorgt und musste sie schon halb tragen, als sie endlich die Stadttore erreichten. Die zartgebaute, aber dennoch um einiges größere Priesterin hing schwer an Mimikos Schultern und das Mädchen musste die ganze Zeit aufpassen, dass sie nicht mit der Haut der Frau in Berührung kam. Zumindest hielt sie das davon ab, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, welche Strafe sie wohl erwartete. Als sie endlich bei den Stadttoren ankamen, tat sich nun das Problem auf, dass die Wachen Mimiko nicht in den Wald lassen wollten und Seina nicht sprechen durfte, um ihnen zu bestätigen, dass sie die Erlaubnis des Gazara-Ordens hatte. Mit letzter Kraft richtete Seina sich auf und zerrte Mimiko demonstrativ mit sich durch das Tor, während sie drohend die Hand nach den Wachen ausstreckte. Die Wachen wichen ängstlich vor der Priesterin zurück. Sie wagten nicht, sie aufzuhalten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)