Child Again von abgemeldet (AkuRoku) ================================================================================ Teil 1 - Axel ------------- Teil 1 – Axel: Mal ehrlich: Niemand braucht ein Herz, um zu fühlen. Nicht mal Niemande. Xemnas kann erzählen was er will, ich glaube ihm kein Wort mehr. Denn gerade jetzt habe ich höllische Angst. Und ich bin traurig. Und verflucht enttäuscht. Oh ja. Ich dachte wirklich, es gäbe ein Happy End für mich. Nun ja. Roxas sagte immer, ich wäre zu optimistisch. Natürlich stimmt das nicht. Ich denke eher, ich war... verzweifelt. Und in meiner Verzweiflung habe ich mir eben einzureden versucht, das Schicksal würde mir dieses Ende ersparen, würde mir eines Tages auch zeigen, wie es ist, glücklich zu sein, wenn ich nur das Richtige täte. Nun ja. Richtig. Falsch. Leere Worte für einen Niemand wie mich. Offensichtlich habe ich zu spät beschlossen, meine Fehler gutmachen zu wollen. Schlechtes Karma lässt sich eben nicht so leicht wieder ausbessern. Schon gar nicht so schlechtes Karma wie meines. Ich höre ein leises Geräusch, ein Klirren. Jemand hat gerade ein Schlüsselschwert fallen gelassen. Ah, und jetzt dieses Zischen, als es verschwindet. Das Geräusch ist so vertraut... Roxas ist fort. Es lebe Sora! Hurra! Ich lache, und es tut weh. Aber viel schlimmer als der Schmerz ist die Angst. Ha! Keine Gefühle, wie? Angst ist ein Gefühl! Nimm das, Xemnas! Ich widerlege hiermit jede einzelne deiner dämlichen Theorien! Bei Kingdom Hearts, hab ich eine Scheißangst! Aber trotzdem kann ich nicht aufhören zu lachen, auch wenn kein Laut aus meinem Mund kommt. Innerlich zerreißt mich das Gelächter förmlich. Es tut höllisch weh, aber ich kann nicht aufhören. Ich hebe eine Hand, sehe zu wie kleine Flammen aus dem Stoff meiner Handschuhe züngeln, sich durch das schwarze Material fressen und nur noch mehr Schwärze offenbaren. Oh, hoppla. Das Feuer scheint heißer gewesen zu sein als beabsichtigt. Meine Hände sind verbrannt, verkohlt, kaum mehr als menschlich zu erkennen. Als ich die Hand zur Faust balle, platzt die verkohlte Haut auf, und heißes Blut tropft auf mein Gewand. Die kleinen Flammen erfassen den Ärmel meines Mantels, und genauso breitet sich auch das Feuer in meinem Inneren aus, frisst sich durch meine Adern, durch mein Fleisch. Es verbrennt mich von innen und außen. Nun ja. Ich wusste, dass das passieren würde. Limit-Attacken tragen diesen Namen nicht umsonst. Man geht eben bis ans Limit, schöpft all sein Potential aus, steckt all seine Kraft in diesen einen Angriff. Und natürlich ist dann nichts mehr übrig, um das Element, das man entfesselt hat, zu bändigen. Ich schätze, mein Element ist hier wohl das undankbarste. Feuer lässt sich eben nicht bändigen. Und wenn es einmal entfesselt ist, ist es nur schwer aufzuhalten. Roxas sagte immer, ich wäre wie mein Element. Unbezähmbar. Unstet. Unruhig. Aber, hey, ich könnte mir schlimmere Arten zu sterben vorstellen, als durch mein eigenes Feuer verbrannt zu werden. Es tut zwar weh, aber es lenkt auch von diesem leeren, kalten Gefühl in meiner Brust ab. Ich hasse es, dieses leere Gefühl. Ha, hassen! Oh, das ist ein Gefühl das die Niemande der Organisation beherrschen! Und ja, mir ist bewusst, dass das ein Paradoxon ist. Ich hasse es, nicht fühlen zu können? Nun, niemand hat gesagt, ein Niemand zu sein wäre einfach. Manchmal ist es sehr verwirrend, kann ich nur sagen. Wir können nicht fühlen. Das ist das erste, was uns auffällt. Wenn ein Mensch sein Herz verliert, kann sich sein Niemand nicht freuen, noch am “Leben” zu sein. Die Welt wirkt plötzlich kalt. Alles ist grau. Man kann keine Angst haben, selbst wenn man an derselben Stelle erwacht, an der sein Anderer getötet wurde. Eine milde Art der Verwirrung ist möglich, aber die meisten geben einfach auf und werden zu niederen Niemanden, Dämmerlingen, Meuchlern, Tänzern, Samurai, wie sie auch alle heißen. Die wenigen, die sich an die bloße Erinnerung an Gefühle klammern, werden wie ich. Sie behalten ihre Form, die Fähigkeit zu denken. Das zweite, was Niemanden auffällt, ist die Leere. Das Fehlen des vertrauten Herzschlages. Denn ja, man hört das Schlagen des eigenen Herzens die ganze Zeit über. Aber es fällt einem erst auf, wenn es nicht mehr da ist. Wie bei vielem im Leben. Halb-Leben. Schattendasein. Existenz. Was auch immer es ist, was wir Niemande tun. Aber dann, wenn man begriffen hat, was einem zugestoßen ist... dann beginnt man, die Menschen zu beneiden. Das ist etwas, das viele Niemande nicht begreifen. Sie beneiden Menschen, die noch ein Herz besitzen. Sie beneiden die Herzlosen, die die Herzen stehlen. Ich denke, Neid ist die treibende Kraft hinter allem, was Niemande tun. Romantiker würden es vielleicht Sehnsucht nennen. Aber ich bin nicht besonders romantisch. Wie auch, ohne Herz? Roxas sagte immer, ich wäre seltsam. Ich wäre zu fröhlich, zu kindisch, zu leidenschaftlich für einen Niemand. Und der alte Xemnas, unser guter alter Anführer, wurde immer fuchsteufelswild, wenn ich die jüngeren Niemande zu allem möglichen Unsinn anstiftete, oder gar zum Lachen brachte. Erfolg hatte ich ja doch nur bei Demyx, und manchmal bei Roxas. Armer Demy. Er dachte bis zum Ende, er hätte doch ein Herz. Wie auch immer. Xemnas mochte es auch gar nicht, wenn ich ihn darauf aufmerksam machte, dass er wütend auf mich war, was doch eindeutig eine Emotion ist. Meine Theorie ist, dass Niemande sehr wohl in der Lage sind, zu fühlen. Und ich rede nicht von körperlichen Dingen, wie Schmerz, oder Lust... Körperlich sind wir ja auch vollständig. Nein, es sind die Emotionen, die uns angeblich völlig fehlen. Ich glaube, dass sie da sind, die Emotionen. Nur in abgeschwächter Form. Denn das ganze... hm... biochemische Drumherum ist ja noch vorhanden. Hormone und all das Zeug. Nerven, die Schmerzimpulse in unser Gehirn transportieren. Nur... das verlässlichste Anzeichen für ein Gefühl ist ja wohl das Herz. Wir freuen uns, das Herz klopft schneller. Wir sind traurig, es schlägt langsamer. Wir sind wütend – schnell. Wir sind entspannt – langsam. Wir sind verliebt – schnell. Aber da wir kein Herz haben, denken wir, die Gefühle sind völlig verschwunden. Wie sollen wir auch wissen, ob wir aufgeregt sind, wenn kein schnelles Pochen in unserer Brust uns darauf hinweist? Aber ich weiß, dass ich gerade Angst habe. Ich merke es an der Art, wie mein Magen sich zusammenzieht, wie mein Körper den Drang verspürt, sich zu einer Kugel zusammen zu rollen. Angst ist eine Emotion. So wie Trauer. Trauer, die mir den Hals zuschnürt, und gleichzeitig den Drang zu schreien in mir weckt. Wenn ich nur schreien könnte. Schreien und mich winden und toben vor Schmerz. Aber inzwischen bin ich wohl zu schwach dafür. Ich höre Schritte. Jemand kniet sich neben mich. “Du... verschwindest.”, stellt Sora fest, und selbst seine Stimme erinnert mich an Roxas. Ich sehe ihn an, obwohl es schmerzt, den Kopf auch nur ein bisschen zu drehen. Bei Kingdom Hearts, selbst die Augen auf ihn zu richten tut weh! “Das passiert eben, wenn man sein ganzes Wesen in einen Angriff steckt.”, antworte ich, und ich hoffe nichts mehr, als dass man meiner Stimme nicht anmerkt, wie sehr das Reden mich quält. Ich sehe interessiert zu, wie vereinzelt Ascheflöckchen und Rauch von meiner verbrannten Kleidung aufsteigen, und frage mich, ob da wohl auch Teile meiner Haut dabei sind. Igitt. “Weißt du, was ich meine?”, fahre ich fort und versuche, den Schmerz einfach zu überspielen. Das Feuer breitet sich immer weiter aus, es fühlt sich an, als würde mein Blut kochen. Kein angenehmes Gefühl. Nicht einmal für mich. “Nicht, dass Niemande tatsächlich ein Wesen haben... nicht wahr?”, scherze ich, und lächle, obwohl mir nicht danach zumute ist. Sora scheint es nicht lustig zu finden. Seine Augen... Roxas’ Augen, sie sind so traurig... Aber Roxas hat mich nie so angesehen. Mit diesen großen, wunderbaren, herrlich blauen Augen... Er war immer der emotionalste Niemand der Organisation. Nicht einmal ich, nicht einmal Demyx kamen je an ihn heran. Aber er versuchte die Gefühle zu unterdrücken, anders als wir. Wir anderen versuchten immer verzweifelt, irgendetwas zu empfinden. Er versuchte, so zu sein wie wir. Und er war auch verdammt gut darin. Ich denke, ich war der einzige, der wusste, wie sehr seine Gefühle ihn quälten. Wenn er doch nur gewusst hätte, wie sehr er mich gequält hat, als er einfach verschwunden ist... ~“Niemand würde mich vermissen.”~ Ich kann seine Worte noch immer hören. Wenn er nur gewusst hätte, wie sehr mich das verletzt hat... Hätte ich ein Herz, hätte dieser eine Satz es wohl gebrochen. Ich schon. Ich habe ihn vermisst. Beim Hades, wie sehr ich ihn vermisst habe. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es sich angefühlt hätte, hätte ich ein Herz gehabt. Es war auch so schon... furchtbar. Ihm zuzusehen, wie er einfach aus meinem Quasi-Beinahe-Halb-Leben verschwand. Ihm in die Augen zu sehen, und nicht auch nur den kleinsten Funken Wiedererkennen darin zu finden. Zu hören, wie er nach diesen Kindern rief, die er in DiZ’ Simulation für seine Freunde hielt, nicht nach mir... nicht nach mir... Ich war sein bester Freund, ich war derjenige, dessen Namen er hätte rufen sollen, aber DiZ hat uns das genommen. Hoffnung in mir aufsteigen zu fühlen, als er sagte, wir wären Freunde gewesen... Hoffnung, er würde sich erinnern, an unsere gemeinsamen Abende auf dem Uhrturm, wo wir Meersalzeis gegessen und uns unterhalten haben, oft stundenlang... Und dann zu fühlen, wie diese Hoffnung sich in Luft auflöste, als mir klar wurde, dass er sich nicht erinnern konnte. Ihm gegenüberzustehen, meine Chakrams in meinen Händen, seine Schlüsselschwerter in seinen, wie wir uns so oft im Training gegenüberstanden... Zu wissen, dass er sich nun endlich erinnerte und dennoch wieder gehen wollte. Weg von mir. Ja... gut, dass ich kein Herz habe. Er hätte es so oft gebrochen... “Wie auch immer, ich schweife ab.”, sage ich, und ich hoffe, Sora sieht nicht, wie meine verbrannten Hände zucken. Es tut weh, so weh... Hören diese Schmerzen denn niemals auf? “Geh, such Kairi. Oh, und bevor ich es vergesse... Was ich ihr angetan habe, tut mir leid.” “Das kannst du ihr selbst sagen, wenn wir sie finden!”, ruft Sora, und er presst seine Lippen auf diese niedliche, sture Art zusammen, wie es auch Roxas immer getan hat. Armer Kleiner. Er muss sich verantwortlich fühlen. Obwohl er mich nicht kennt, obwohl ich sein Feind war, obwohl ich mit ihm gespielt und ihn benutzt habe, obwohl ich seine Freundin entführt habe, fühlt er sich verantwortlich für mich. Vielleicht ist es Roxas, der da aus ihm spricht. Ich möchte es gern glauben. Ich möchte glauben, dass er so viel für mich empfunden hat, dass selbst Sora es noch fühlen kann. “Ich verzichte.”, erwidere ich lächelnd und schreie innerlich vor Schmerz. Ich danke allen Göttern, die einem Niemand zuhören wollen, dass sich wenigstens nicht die Haut von meinem Gesicht abschält. Ich will nicht, dass er sieht, wie sehr es schmerzt. Weil ich noch immer glauben will, dass Roxas irgendwo dort drin ist und mich sieht. Weil ich nicht will, dass Roxas meinetwegen noch mehr leidet. “Ich wäre einfach nicht mit ganzem Herzen bei der Sache, weißt du? Hab keines.”, versuche ich wieder zu scherzen, und beinahe gegen meinen Willen muss ich lachen. Es zerreißt mich innerlich, und ich kann fühlen, wie das Feuer sich in meine Lunge frisst. Es fällt mir immer schwerer zu atmen. Und dennoch lache ich. Verrückt. “Axel... was wolltest du erreichen?” Hm. Ja, was wohl? “Ich wollte Roxas sehen.”, höre ich mich selbst antworten, und für jemanden, der kein Herz hat, hörte sich das verdammt rührselig an. Aber es ist die Wahrheit. Und warum soll ich das jetzt noch verschweigen? Ich löse mich gerade in Rauch auf! Und vielleicht... vielleicht kann er mich hören. Vielleicht... “Er... war der Einzige, den ich gern hatte. Durch ihn hatte ich das Gefühl... als hätte ich ein Herz...” Ich lächle wieder, trotz allem. Es ist seltsam, aber plötzlich... ist es nicht mehr schlimm. Die Schmerzen, die Angst... alles nicht so schlimm. Ich habe das Richtige getan, und es fühlt sich gut an. “Es ist... seltsam... Du lässt mich... genauso fühlen.” Weil du Roxas bist. Weil ich in deinen Augen ihn wiedersehe, auch wenn er mich wieder nicht erkennt. Dieser Dummkopf. Denkt doch tatsächlich, einer wie ich bekommt eine zweite Chance. “Wir sehen uns im nächsten Leben wieder.” Kleiner Dummkopf. Das hier ist sein nächstes Leben, er lebt in Sora weiter. Für mich... für mich ist hier Endstation. Ich kann mich kaum noch bewegen, meine Organe sind wahrscheinlich schon zum Großteil verkohlt, und Dunkelheit beginnt sich in mein Blickfeld zu drängen. Alles rund um mich nimmt einen grauen Schleier an, und das diffuse Licht in dieser seltsamen Zwischenwelt scheint dunkler zu sein. Das Atmen fällt mir schwer. Es fällt mir schwer, die Augen offen zu halten. Flüssiges Feuer brennt in meinen Adern, und der Rauch, der von meiner Kleidung aufsteigt, wird dichter. Das Feuer dringt nach draußen. Mehr Asche löst sich von meinem Körper, steigt auf, wird weggeweht, von einem Wind, den ich nicht mehr fühlen kann. “Kairi ist im Verlies.”, presse ich hervor, weiter Luft in meine brennenden Lungen zwingend. Ich hebe meine Hand, beiße mir auf die Zunge, um nicht zu schreien. Ich hoffe, er bemerkt nicht die verbrannte Haut unter dem schwarzen Material der Handschuhe. Kein schöner Anblick. “Geh.”, keuche ich noch, dann versagt meine Stimme. Ich bekomme keine Luft mehr. Ich weiß, dass meine Lunge nun wohl endgültig kollabiert sein muss, aber ich weigere mich, nach Luft zu schnappen wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ich unterdrücke den Impuls und konzentriere mich stattdessen auf das Öffnen des Portals, das Sora in die Welt Die Niemals War bringen wird. Ein letztes Mal rufe ich den Schatten, dränge die Wirklichkeit beiseite, schaffe einen Durchgang zwischen den Welten. Und dann ist alles Schwarz. Das letzte, was ich in mit in die Dunkelheit nehme, ist der Anblick großer, unglaublich blauer Augen, die sich langsam mit Tränen füllen, und der Klang meines Namens, ausgesprochen mit einer Wärme, die ich nie zuvor vernommen habe. Und für einen winzigen Moment sieht es aus, als würde braunes Haar zu goldenem, und ich weiß... ... das hier war es wert. Roxas lebt, und er erinnert sich an mich. Das hier... war es wert... wenn es ihn nur retten kann. Authors Notes: Nur der Prolog, da kommt schon noch mehr, keine Angst. Außerdem möchte ich im Vorhinein um Entschuldigung bitten, falls der Dialog nicht exakt mit dem im Spiel übereinstimmt. Ich habe die englische Version gespielt, und der Dialog hier ist nur eine grobe Übersetzung von mir. ;P Konstruktive Kommentare sind erwünscht und werden gern gesehen! Teil 2 - Roxas -------------- Teil 2 – Roxas: Ich beobachte durch Soras Augen, wie die Sonne untergeht, und im Moment wünsche ich mir nichts sehnlicher, als sie schließen zu können. Der Sonnenuntergang auf den Schicksalsinseln ist wunderschön. Das Licht glitzert auf der ruhigen Wasseroberfläche, vereinzelte Wolken färben sich rot, orange, rosa... Dort drüben liegt die kleine Insel, auf der Sora früher mit seinen Freunden gespielt hat. Eine sanfte Brise zerzaust Soras Haar, vereinzelt zwitschert ein Vogel, die Palmen rascheln leise. Mehr Idylle ist eigentlich unmöglich. Ich hasse es. Ich wünschte, ich müsste es niemals wieder sehen. Niemals, niemals, niemals wieder... Aber Sora wendet sich nicht ab. Das tut er nie. Ich hasse den Sonnenuntergang, weil er mich an Dinge erinnert. Dieser hier ist wunderschön, aber er ist nicht wie die Sonnenuntergänge in Twilight Town. Wenn ich den Sonnenuntergang sehe, will ich nicht an einem Strand sitzen, sondern auf einem Uhrturm. Ich will nicht den salzigen Geruch des Meeres riechen, sondern Meersalzeis essen. Ich will nicht das sanfte Rollen der Wellen hören, sondern die Glocken des Uhrturms. Ich hasse den Sonnenuntergang, weil er die Welt rot färbt. Rot war seine Farbe. Alles sieht aus, als würde es brennen, selbst das Meer. Das Feuer war sein Element. Wieder und wieder und wieder bettle ich Sora an, endlich damit aufzuhören. Natürlich hört er mich nicht. Er hört mich fast nie. Und wenn er mich hört, versteht er mich nicht. Manchmal kann ich ihn Dinge spüren lassen, aber nicht mehr. Ich weiß, dass er es nur gut meint. Er denkt, ich würde die Sonnenuntergänge vermissen. Das stimmt auch. Aber vor allem vermisse ich die Menschen, mit denen ich die Sonnenuntergänge geteilt habe. Hayner, Pence, Olette. Und... und... er... Bei Kingdom Hearts, es tut sogar weh, seinen Namen nur zu denken! Ich wünschte, ich könnte um ihn weinen. Ich wünschte, ich könnte Soras Augen übernehmen, seine Stimme, um zu schreien, seine Hände, um mir das Gesicht zu zerkratzen... he, wenn ich ein Gesicht hätte. Ich wünschte, ich könnte vergessen. Hm... ich scheine mir viel zu wünschen in letzter Zeit. Ziemlich vermessen für einen Niemand. Für ein Nichts. Für eine kleine Stimme im Kopf eines inzwischen sechzehn Jahre alten Jungen, die dieser Junge noch nicht einmal verstehen kann, so schwach ist sie. Es ist über ein Jahr her, und noch immer träume ich davon. Nein, nicht ich... Sora träumt, und ich sehe den Träumen zu, wandere herum, betrachte alles von allen Seiten. Ich sehe Dinge, die Sora erlebt hat. Seine Träume sind sehr lebendig. Lebendiger als ein Niemand wie ich. Oft sind es fröhliche Kindheitserinnerungen. Das Floß. Das Floß kommt sehr oft vor. Kairi bastelt alle möglichen Dinge aus Muscheln. Riku zieht Sora wegen Kleinigkeiten auf. Manchmal sind die Erinnerungen weniger fröhlich. Die Tür, die in der Höhle auf der Spielinsel auftauchte. Riku verschwindet. Kairi verschwindet. Sora sucht sie überall, kann sie nie finden. Und manchmal... manchmal gelingt es mir, wenigstens seine Träume zu beeinflussen, um ihn wieder zu sehen. Ich sehe, wie er stirbt, und ich kann es nie verhindern. Aber wenigstens kann ich mich von ihm verabschieden. Ich kann ihm versprechen, dass ich auf ihn warten werde. Ich kann seine Hand halten, während ich zusehe, wie sein eigenes Element ihn verzehrt. Und dort, in Soras Träumen, kann ich um ihn trauern. Dort kann ich um ihn weinen. Ich hasse den Sonnenuntergang. Er erinnert mich jedes Mal daran, wie er starb. Verdammt, Sora, hör auf damit! Hör auf, die Sonne anzustarren! Geh nach Hause, geh zu Kairi und heul dich darüber aus, dass du bemerkt hast, dass du in Riku verliebt bist, aber nicht weißt, wie er für dich empfindet. Oder geh zu Riku und gestehe es ihm endlich, weil er verdammt noch einmal genauso empfindet und vielleicht noch unsicherer ist als du. Oder geh einfach heim, leg dich in dein Bett, zieh dir die Decke über den Kopf und weine dich in den Schlaf, wie du es so oft tust in letzter Zeit... Meine zornigen Gedanken werden unterbrochen, als Sora mit einem Seufzen die Augen schließt. Ich fühle, wie er seinen Kopf auf seine Arme legt und wieder seufzt. “Was willst du von mir, Roxas?”, fragt er, und hätte ich einen Körper gehabt, hätte ich ihn mit offenem Mund angestarrt. Kann... kann er mich doch hören? Kann er... “Was willst du von mir?”, wiederholt er müde, und plötzlich fühle ich mich schlecht. Wenn er wirklich spürt was ich fühle, muss er sich schrecklich fühlen. Ich bin beinahe immer wütend... und wenn ich nicht wütend bin, bin ich traurig. Wer hätte gedacht, dass ein Herz zu haben so weh tun würde? “Ich verstehe es nicht.”, fährt er leise fort, und jetzt sieht er wieder auf, starrt den Sonnenuntergang an und blinzelt. Erst jetzt bemerke ich, wie verschleiert sein Blick ist. “Ich dachte, du würdest dich freuen, den Sonnenuntergang zu sehen. Erinnert er dich nicht an Zuhause?” Ich habe kein Zuhause. Nicht mehr. Nicht, seit er weg ist. Twilight Town war es nie, die Welt Die Niemals War war es auch nicht. Mein Zuhause war dort, wo er war. “Was willst du, Roxas?”, fragt Sora wieder, viel sanfter als zuvor, und ich frage mich, ob er meine Gedanken gerade verstanden hat. “Zeig es mir.” Ich versuche es. Ich versuche es wirklich angestrengt. Ich stelle mir mit aller Kraft vor, was ich mir am meisten wünsche. Ich stelle mir eine schlanke Gestalt vor, gekleidet in die schwarze Robe der Organisation, schlanke Hände in schwarzen Handschuhen, lange, dünne Finger, die mir ständig das Haar zerzaust haben... Ich stelle mir Haar vor, rot wie Feuer und stachelig und im Sonnenlicht schimmernd, das knapp bis zu schlanken Schultern reicht, und schwarze Tätowierungen auf blassen Wangen... Tätowierungen in Form von umgedrehten Tränen... Ich stelle mir ein Lächeln vor, dünne, blasse Lippen, die beinahe immer zu diesem einzigartigen, immer etwas spöttisch oder überheblich wirkenden Grinsen verzogen waren... Ich stelle mir... Ich versuche... Ich... Oh, Gott... Ich kann mich nicht an seine Augen erinnern! Ich kann nicht... Aber... Warum? Ich... ich... Ich spüre Sora lächeln. Wie kann er nur lächeln? Ich kann mich nicht erinnern, wie seine Augen ausgesehen haben! “Grün.”, sagt er leise. “Seine Augen waren grün. Das weißt du.” Grün. Ja... grün... Grün und hell und strahlend und mit diesem schelmischen Funkeln, so... lebendig. Seine Augen waren niemals die eines Niemands. Unter allen Niemanden der Organisation war er immer der lebhafteste. Grüne Augen, beinahe immer dunkel geschminkt. Eigentlich... mochte ich seine Augen immer mehr, wenn er sie nicht geschminkt hatte, aber er konnte das nicht ausstehen. Er war eben eigenartig. Sora schließt die Augen, und ich kann ihn vor mir sehen. Rotes Haar, wie Feuer, grüne Augen, wie Smaragde. Ein Mann, wie tanzende Flammen im Wind. Lachend und ungestüm, unzähmbar. Zerstörerisch und wärmend zugleich. “Axel...”, wispern Sora und ich gleichzeitig. Beinahe hört sich Soras Stimme wie meine an. Sora öffnet die Augen, sieht wieder zum Horizont. Das Meer hat die Sonne beinahe verschluckt, die ersten Sterne funkeln bereits am Himmel. “Du Dummkopf.”, flüstert Sora traurig. “Warum gehst du dann nicht zu ihm?” Was? “Du hast es ihm versprochen.”, fährt Sora fort. “Dass ihr euch wieder seht, im nächsten Leben.” Aber... “Weißt du... es geht auch anders herum.”, meint er und wischt sich mit beiden Händen über die Wangen. “Ich weiß, dass du meine Erinnerungen sehen kannst. Ich weiß, dass du da bist, wenn ich träume. Aber ich kann dich auch sehen. Ich kann deine Erinnerungen sehen. Du hast es ihm versprochen.” Ja... “Es ist jetzt mehr als ein Jahr her. Bestimmt wartet er schon auf dich.”, meint Sora, und jetzt lächelt er wieder. “Du solltest ihn suchen gehen.” Aber ich bin... ein Teil von dir... “Du bist weit mehr als das.”, antwortet Sora, und er muss meine Überraschung spüren, denn er lacht kurz auf. “Ja, ich habe dich verstanden. Keine Ahnung wieso.” Ich kann nicht weg. Ich bin ein Teil von dir. “Nicht mehr.”, erwidert Sora ruhig. “Du bist viel mehr als das. Du bist eine eigenständige Persönlichkeit. Du bist Roxas. Und du solltest endlich gehen, um dein eigenes Leben zu führen.” Er schweigt einen Moment. “Erinnerst du dich... an das Gespräch, das ich und Kairi letzte Woche geführt haben?” Oh ja. Natürlich. “Ich denke... ihr beide unterscheidet euch zu sehr von uns. Du und Namine. Ihr habt so lange ohne uns gelebt, und ihr habt euch... weiter entwickelt. Wir passen einfach nicht mehr zusammen. Du musst deinen eigenen Weg finden.” Aber wie? “Das weiß ich nicht.”, gibt Sora zu, aber er lächelt wieder dabei. “Aber du findest einen Weg. Er ist dir wichtig. Du willst ihn doch wieder sehen, nicht wahr?” Mehr als alles andere. “Dann geh... und finde dein nächstes Leben. Du wirst ihn finden, da bin ich mir sicher.” Aber... wenn nicht? “Dann suchst du weiter.” Sora lacht wieder. “Wenn du nur ein bisschen bist wie ich, wirst du so lange nach ihm suchen, bis du ihn gefunden hast.” So wie du Riku gesucht hast? “Ja...”, bestätigt Sora, nun wieder etwas traurig. “So wie ich ihn gesucht habe.” “Mit wem redest du?” Sora zuckt zusammen und wirbelt herum, lacht nervös auf. “H-Hey, Riku...”, ruft er übertrieben fröhlich. Hey, Arschloch. Ich verstehe wirklich nicht, warum Sora ausgerechnet mit diesem überheblichen, eingebildeten, kalten Mistkerl befreundet ist. Da steht er, in Jeans und einem leichten Sweater, Arme verschränkt, silberfarbenes Haar im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. Kürzere Strähnen fallen ihm in die Stirn, verdecken teilweise seine hellen, aquamarinfarbenen Augen. Er starrt Sora stirnrunzelnd an. Da steht er, sieht aus wie ein Model, obwohl er völlig normal angezogen ist, und schafft es nicht, seinen besten Freund anzulächeln. Kalt wie ein Fisch, der Kerl. “Mit wem hast du geredet?”, fragt er wieder, und ich fühle Sora ein wenig frösteln. Kein Wunder, dass er nicht glaubt, Riku würde seine Gefühle erwidern. Seine Stimme klingt so kalt, fast emotionslos, und sein Blick ist so misstrauisch und zurückhaltend... Aber manchmal, wenn Riku denkt, Sora würde es nicht sehen, sieht er ihn so... eigenartig an. Hm, nun, Sora sieht es auch nicht, aber ich sehe es. Diesen eigenartigen, sehnsüchtigen Blick... Manchmal konnte ich sehen, wie Riku versuchte, ein Lächeln zurückzuhalten, wenn er Sora beobachtete. Ich weiß, dass es Sora wehtut, seinen Freund nicht mehr lächeln zu sehen. Seit sie zurück gekommen sind, hat Riku kaum mehr gelächelt. “Mit niemandem.”, antwortet Sora niedergeschlagen, und ich fühle seine Frustration und Angst. Er denkt, er verliert seinen besten Freund. Kann ich ihm nicht verübeln. Riku ist ein Idiot. “Du lügst.”, knurrt Riku, und seine hellen Augen verengen sich etwas. He. Nein, er hat nicht gelogen. Sora hat mit mir geredet... mit einem Niemand. Aber natürlich glaubt Riku ihm nicht. Misstrauisches Arschloch. Sora muss mich gerade wieder gespürt haben, denn er zuckt etwas zusammen, und ich fühle leisen Protest in ihm. Riku ist nicht so. Er wird wieder wie früher. Er ist eigentlich nett, aber er hat so viel durchgemacht... Du liebst ihn. Ja... Dann sag es ihm. Warte nicht, bis es zu spät ist. Diesmal bin ich es, der Soras Augen schließt. Ich bin es, der Soras Hände zu Fäusten ballt. Ich kann alles um uns herum fühlen, und für einen kurzen Moment regt sich in mir der Niemand, der ich einst war... Verlangt von mir, so zu bleiben, einfach Soras Körper zu übernehmen und zu leben, wie ein normaler Mensch, wie ich es doch immer wollte... Aber das kann ich nicht. Ich könnte es Sora nicht antun. Und außerdem... ... Ich habe jemandem ein Versprechen gegeben. Langsam verliere ich jedes Gefühl. Weit entfernt höre ich noch immer das Rauschen der Palmen, das sanfte Geräusch der Wellen, und weit entfernt höre ich Riku etwas rufen. Ich fühle ganz schwach, wie Soras Körper nach hinten kippt und in den weichen Sand fällt, und ich fühle kräftige Arme, die ihn hoch heben und stützen. Aber alles ist schon so weit weg... Leb wohl, Sora. Ich danke dir für alles. Und dann wird alles Schwarz. Teil 3 - Riku ------------- Teil 3 – Riku: Oh nein. Oh nein, oh nein, oh nein! Bei Merlins Bart, was ist mit ihm los? Eben reden wir noch, und plötzlich kippt er einfach um? Was soll das? “Hey, Sora!”, flüstere ich, nehme ihn sanft in die Arme und kriege Panik, als ich bemerke, wie blass er ist. Er atmet. Kingdom Hearts sei Dank! “Sora?”, wiederhole ich und tätschle seine Wange, ziehe meine Hand entsetzt wieder zurück, als sie eiskalte Haut berührt. Verdammt, warum ist er so kalt? Mir wird beinahe schwindlig vor Angst, aber irgendwie schaffe ich es, ihn hochzuheben und loszulaufen, so schnell ich kann. Er ist leicht, so furchtbar leicht... Er isst nicht genug in letzter Zeit. Vielleicht ein Schwächeanfall? Warum wacht er nicht auf? Bei der Dunkelheit, zum Glück ist Kairis kleines Haus, das sie allein bewohnt, ganz in der Nähe... Ich laufe hin, so schnell ich kann, trete kurzerhand die Verandatür ein und sehe mich fieberhaft um. Keine Spur von Kairi. Fuck! “Kairi!”, brülle ich wütend, mich nach ihrem Telefon umsehend. Krankenwagen, Krankenwagen, ich brauche einen verdammten Krankenwagen, wo bei Hades ist das verdammte Telefon? Ich sehe auf den Jungen in meinen Armen hinunter, und er ist immer noch so kalt und blass... Und plötzlich bemerke ich, wie verschwommen mein Blick ist. Ich blinzle schnell, und spüre wie Tränen über meine Wangen kullern. “Bleib bei mir, Sora.”, höre ich mich selbst flüstern, und ich drücke ihn fester an mich. Ehe ich mich davon abhalten kann, küsse ich sanft seine kalte Stirn. Und es fühlt sich... richtig an. “Ich bin gleich wieder da.” Vorsichtig lege ich ihn auf die Couch im Wohnzimmer, dann renne ich die Treppe hinauf zu Kairis Zimmer, reiße ohne anzuklopfen die Tür auf... ... und erstarre, als ich Kairi sehe, wie sie halb auf dem Boden, halb auf dem Bett liegt, ein Arm quer über das frische Laken gelegt, die Augen geschlossen. Sie sieht genauso blass wie Sora aus. Was ist hier los? Aber bevor ich mich in die Panik, die mich zu übermannen droht, hineinsteigern kann, öffnet Kairi die Augen. Sie sieht mich direkt an, aber ich bezweifle, dass sie mich sieht. Ihre Augen sind leer und dunkel vor Furcht und Trauer, und als sie so durch mich hindurch starrt, wird mir plötzlich kalt. Kairi steht schwankend und unsicher auf, hält sich an der Kommode fest, als sie langsam auf mich zu kommt. Ich will etwas sagen, aber meine Stimme gehorcht mir nicht. Sie stößt mich einfach zur Seite, und ich sehe verblüfft zu, wie sie die Treppe hinunter verschwindet. Seit wann ist sie kräftig genug, mich einfach zur Seite zu schubsen? Einen Moment lang kann ich ihr nur nach starren, dann fange ich mich und laufe ihr hinterher. Eigentlich hätte ich es erwarten sollen, aber was ich unten angekommen sehe, überrascht mich dennoch. Sora und Kairi sitzen auf der Couch, sich aneinander fest klammernd und beide weinend. Kairi schluchzt laut und hemmungslos, beide Hände in Soras T-Shirt gekrallt, Sora weint lautlos, Tränen laufen über seine blassen Wangen und tropfen von seinem Kinn, während er beruhigend Kairis Rücken streichelt. Ich hasse dieses vertraute Gefühl, das sich in meinem Herzen ausbreitet. Ich kenne es nur zu gut, und ich hasse es. Ich bin eifersüchtig. Ich sollte mir Sorgen um die beiden machen, ich sollte versuchen, ihnen zu helfen, aber das einzige, was ich denken kann, ist... ich... Oh Gott. Ich bin eifersüchtig auf Kairi! Warum auf sie? Ich sollte mir Sorgen um sie machen! Ich sollte... ich... sollte... Ich sollte nicht denken, dass ich derjenige sein müsste, der Sora tröstet. Warum Sora? Sora geht es gut, er ist stark, er kann auf sich aufpassen, er... Er starrt mich an. Seit wann starrt er mich an? Ich fröstle, als ich seinen Blick erwidere. Seine großen, blauen Augen sind dunkler als sonst, und sie glänzen noch immer feucht, aber die Tränen scheinen versiegt zu sein. Aber ich sehe, wie seine Lippen zittern, ich sehe, wie er ruckartig nach Luft schnappt, und es hört sich wie leises Schluchzen an, und wieder will ich ihn einfach in die Arme nehmen und nicht mehr loslassen. “Sie ist weg!”, schluchzt Kairi plötzlich, und wieder regt sich in mir das schlechte Gewissen. Ich sollte an sie denken, nicht an Sora. Nein, Moment, ich sollte an sie beide denken... ich bin ihr Freund, sie beide sind meine Freunde, aber irgendwie... irgendwie... scheint Sora plötzlich ein bisschen wichtiger zu sein... “Ich weiß.”, antwortet Sora leise, und seine Stimme zittert und klingt erstickt, als würde er noch immer Tränen zurückhalten. “Er auch.” Wer, bei Hades? Wovon reden sie? “S-Sie sagte... sie sagte, sie... will ihm helfen... sein nächstes Leben...”, fährt Kairi fort, und wieder werde ich eifersüchtig, als ich sehe, wie zärtlich Sora ihr durchs Haar streicht, wie er sie ansieht. Was ist nur los mit mir? Ich wusste, dass das früher oder später passieren würde. Die zwei sind füreinander bestimmt. Und überhaupt, ich war doch immer in Kairi verliebt, oder nicht? Wenn überhaupt, sollte ich auf Sora eifersüchtig sein. “Ich weiß.”, wiederholt Sora, und jetzt kullert wieder eine einzelne Träne über seine Wange. “Es tut mir so leid, Kairi, ich glaube ich habe...” “Nein, es ist nicht deine Schuld.”, wehrt sie sofort ab, legt einen Finger über seine Lippen. “Sie wollten es beide schon lange.” “Aber ich habe ihn dazu angestiftet!”, schluchzt Sora laut und umarmt Kairi plötzlich fest. Diesmal ist sie es, die ihm beruhigend durchs Haar streicht und ihn so zärtlich ansieht, und das ist noch viel schlimmer. “Ich habe ihm gesagt... ich... Er ist einfach weg! Was, wenn er... wenn er tot...” “Nein, nein, Sora.”, beruhigt sie ihn und schütteln heftig den Kopf. “Wir sehen Nami und Roxas bestimmt wieder...” Ah. Hätte ich mir denken können. Diese nichtsnutzigen Niemande. Der verdammte blonde Mistkerl von einem Niemand ist daran schuld, dass Sora weint. Ich hätte ihn einfach töten sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte, das hätte Sora eine Menge erspart... Ich sehe weiter zu, wie die beiden sich in den Armen liegen und sich gegenseitig trösten, und plötzlich komme ich mir noch mehr ausgeschlossen vor als sonst. Ich bin völlig überflüssig. Ich war es immer. Die beiden haben einander, und mehr brauchen sie nicht. Ich würde ohnehin nicht verstehen, was sie durchmachen... Kairi hat mir meinen besten Freund gestohlen. Damit habe ich niemanden mehr. Was mache ich überhaupt noch hier? Und gerade jetzt, als ich mich gerade umdrehen und gehen will, sieht Sora wieder zu mir auf. “Wag es nicht!”, zischt er, und ich zucke zusammen. Ich habe ihn noch nie so wütend reden gehört. Noch nicht einmal, als wir gegen Xemnas gekämpft haben. Sein zorniger Blick bricht mir mein schwarzes, verkrüppeltes Herz. Aber ich bleibe stehen, beobachte immer nervöser werdend, wie Sora Kairi kurz ansieht, seine Augen nun wieder so warm wie immer. Und die Eifersucht, die schon die ganze Zeit an mir nagt, beginnt langsam, mir die Luft abzuschnüren. Kairi lächelt ihn an und nickt, und ich halte es nicht mehr länger aus. Ich drehe mich einfach um und gehe, Soras zornigen Aufschrei einfach ignorierend. Was will er von mir? Er hat Kairi, Kairi hat ihn, alles in Butter. Wozu soll ich noch bleiben? Ich störe doch nur. Es war von vornherein klar, dass alles sich ändern würde, als wir hierher zurück kamen. Es war mir klar, dass die Fehler, die ich gemacht habe, unsere Freundschaft belasten würden. Vielleicht wäre es besser gewesen, ich wäre für immer in der Dunkelheit verschwunden. Es wäre leichter für Sora und Kairi. “Bleib stehen!”, höre ich Sora rufen, aber ich denke nicht daran. “Verdammt, Riku! Warte!” “Solltest du dich nicht um Kairi kümmern?”, frage ich schärfer als beabsichtigt. Natürlich fühlt es sich schrecklich an, Sora so zu behandeln. Er hat das nicht verdient. Ich bin derjenige, der mit seinen Gefühlen für Kairi ein Problem hat, ich bin der, der ein Problem mit allem hat. Es ist nicht richtig, ihn so zu behandeln, aber ich kann nichts dagegen tun. Sora antwortet nicht, und das hätte mich vorwarnen sollen. Eine Sekunde später schließt sich eine Hand um meinen Arm und hält mich zurück, und den Bruchteil einer Sekunde später tritt er mir hart in die Kniekehlen und zerrt gleichzeitig an meinem Arm, und ich falle rücklings in den warmen Sand. Der Aufprall treibt mir die Luft aus den Lungen, und ich keuche überrascht. Mist. Ich werde langsam. Noch vor einem Jahr hätte Sora mich niemals so überrumpeln können. Ich will wieder aufstehen, aber plötzlich kniet Sora über mir und packt meine Arme, hält sie mit aller Kraft fest. Sein Griff ist so hart, dass meine Handgelenke bald schmerzen, aber das ist im Moment nur nebensächlich. Viel schlimmer ist dieser kalte, zornige Ausdruck in seinen unglaublichen Augen. Sein Blick weckt in mir den Wunsch, mich in einem Loch zu verkriechen und elendig zu verrecken. “Ich sagte, du sollst stehen bleiben, Riku!”, faucht er, und für einen kurzen Moment scheint mein Herz auszusetzen. “Lass mich in Ruhe!”, erwidere ich kindisch und versuche halbherzig, mich loszureißen. Ich bin noch immer stärker als er, aber irgendwie... will ich gar nicht weg. Irgendwie, auf eine seltsame, verdrehte Art gefällt mir diese Nähe. Selbst wenn er wütend auf mich ist, genieße ich jede Berührung von ihm. “Warum bist du so ein Dummkopf?”, schreit er, und ich schrecke zusammen, als eine Träne von seinen Augen auf mein Gesicht tropft. Das wollte ich nicht. Ich wollte nicht, dass er weint. “Warum bist du immer so kalt? Gib mir meinen Riku wieder!” Seinen Riku? “Deinen Riku?”, entschlüpft es mir, ehe ich mich zurückhalten kann. “Wovon redest du?” “Ich will meinen Riku zurück!”, wiederholt er, beinahe schon hysterisch. “Ich will den Riku zurück, der mich getröstet hat, wenn ich hingefallen bin, ich will den Riku zurück, der mich aufgezogen hat, wenn ich beim Wettrennen gegen ihn verloren habe, ich will den Riku zurück, der mir gegen die größeren Jungs in der Schule geholfen hat, ich will den Riku zurück, der mich überredet hat, ein Floß zu bauen um übers Meer zu segeln... Ich will den Riku zurück, mit dem ich über alles reden konnte, mit dem ich stundenlang Fische beobachten konnte, mit dem ich den Sonnenuntergang beobachtet habe, mit dem ich Eiscreme gegessen habe, bis uns beiden schlecht war, mit dem ich lachen und streiten und trainieren und spielen und einfach alles machen konnte... Wo ist dieser Riku hin?” “Vielleicht ist er ja in der Dunkelheit geblieben.”, murmle ich und sehe weg. “Lass mich los.” Einen Augenblick herrscht verblüffte Stille. Als ich wieder hoch sehe, starrt Sora mich an, pure Überraschung quer über sein Gesicht geschrieben. Und dann... Auch das hätte ich vorausahnen müssen, hätte es verhindern müssen, aber ich denke nicht einmal daran, seinen Schlag abzuwehren. Mein Kopf wird herum gerissen, und meine Wange brennt höllisch, wo Soras flache Hand sie getroffen hat. Vielleicht hätte ich es abwehren können, aber... ich habe es verdient, nicht wahr? Ich habe Schlimmeres verdient als das, und ich werde mich auch nicht wehren, egal was Sora vorhat. Er hat recht. Er hat ja so recht. Ich habe mich verändert, und nicht zum Besseren, wie es aussieht. Ja, wo ist dieser Riku hin, von dem Sora so zärtlich spricht? Wo ist dieser Riku hin, den Sora zu vermissen scheint? Ich wünschte, ich wüsste es. Ich wünschte, ich könnte Sora eine Antwort geben. An manchen Tagen scheint es, als wäre er noch da, dieser Riku, an manchen fühle ich mich, als wäre er tot. Wo ist der Junge hin, der mit einem Floß die Welt umsegeln wollte? Ja, ich wünschte, ich wüsste es. Unglaublich, dass es erst etwas mehr als zwei Jahre her sein soll, dass ich die Tür zur Dunkelheit geöffnet habe. Manchmal fühle ich mich so unendlich viel älter. So müde. So überflüssig. Ich habe die Inseln in Gefahr gebracht. Ich habe meine Freunde in Gefahr gebracht. Ich habe Kairi in Gefahr gebracht... Aber am Schlimmsten ist... Ich habe Sora in Gefahr gebracht, nur durch meine Arroganz... durch meinen Stolz, meine Überheblichkeit. Ich habe ihn im Stich gelassen. Alleine dafür sollte man mich töten. Alleine dafür... Mein Kopf ruckt wieder herum, als Sora plötzlich beide Hände in meinen Sweater krallt und seine Stirn an meine Brust legt. Eine Sekunde starre ich auf seinen wirren, braunen Haarschopf hinunter, dann richte ich den Blick gen Himmel, versuche, mein rasendes Herz wieder zu beruhigen. Ich spüre, wie ein Ruck durch Soras schlanken Körper geht, und höre ein leises Schluchzen, das aus seinem Mund dringt. Ein weiterer Grund auf der bereits endlos langen Liste, warum ich besser verschwunden geblieben wäre. “Gib ihn mir wieder!”, wimmert er mit erstickter Stimme, und alleine die Art, wie er die Worte ausspricht, so verwirrt und hilflos und einsam, lässt mich wünschen ich könnte alles ungeschehen machen, ich könnte alles zurücknehmen, was ich jemals gesagt oder getan habe, um ihn zu verletzen. Es ist falsch, so falsch, Sora so traurig zu sehen. Sora ist nicht so. Sora ist stark, bei weitem stärker als ich es jemals sein könnte, er ist optimistisch und selbstlos. Er ist der wahre Meister des Schlüsselschwertes, und dazu der beste Freund, den man sich nur wünschen kann. Sora ist... perfekt. Vielleicht... zu perfekt für jemanden wie mich. “Das kann ich nicht.”, wispere ich, und fühle wie etwas Warmes, Nasses über meine Wange rollt. Die Sterne über uns verschwimmen plötzlich, und ich schnappe einmal verzweifelt nach Luft, gegen dieses erdrückende Gefühl des Selbsthasses und der Verzweiflung ankämpfend, das sich in mir ausbreitet. “Bitte!”, fleht Sora und drückt sein Gesicht fest an meine Schulter. “Bitte, gib ihn mir wieder. Bring ihn zurück zu mir. Komm zurück, Riku, bitte!” Wieder ein Schluchzen, und diesmal kann ich es selbst nicht zurückhalten. “Hör auf, mich immer auszuschließen. Rede mit mir! Bitte, Riku!” “Warum?”, schreie ich und presse meine geballten Fäuste so fest gegen meine Augen, dass es schmerzt. “Warum, Sora? Warum versuchst du ständig mit mir zu reden? Warum?” “Weil ich dich brauche, du Idiot!”, brüllt er zurück, noch immer ohne aufzusehen. “Das tust du nicht.”, widerspreche ich störrisch. “Du hast Kairi, und Tidus und die anderen, du hast so viele Freunde in all den anderen Welten dort draußen! Wozu brauchst du mich? Du bist meinetwegen beinahe...” Weiter komme ich nicht. Warme, etwas raue, süß schmeckende Lippen verschlucken den Rest meiner Worte und bringen mich effektiv zum Schweigen. Obwohl meine Augen offen sind, kann ich für einen Moment nichts sehen. Ich kann für einen Moment nicht einmal atmen, kann nicht denken, kann nur fühlen, und das Gefühl ist überwältigend, obwohl der Kuss nicht einmal eine Sekunde dauert. Als sich mein Blick wieder klärt, sieht Sora wieder auf mich hinunter, überrascht und traurig und frustriert, und wieder sehe ich Tränen in seinen großen Augen. “Roxas hatte recht.”, flüstert er erstickt und macht Anstalten aufzustehen. “Du bist wirklich ein misstrauisches Arschloch. Und ein Idiot.” Was ist hier gerade passiert? Unfähig mich zu bewegen oder etwas zu sagen sehe ich zu, wie Sora sich mit einer Hand über die Augen wischt und aufsteht. Hat er... hat er gerade... hat er gerade wirklich...? Ehe ich den Gedanken zu Ende führen kann, reagiert mein Körper automatisch, meine Hand packt Soras Handgelenk und reißt ihn unsanft zurück. Diesmal ist er es, der in den Sand fällt, und diesmal knie ich über ihm und sehe auf ihn hinunter, starre in große, wunderbar blaue Augen, die vor Überraschung weit aufgerissen sind, fühle, wie mein Herz doppelt, dreifach, zehnfach so schnell schlägt wie vorher... Diesmal bin ich es, der sich zu ihm hinunter beugt, um ihn zu küssen. Aber dieser Kuss ist bei weitem nicht so sanft und zärtlich wie der erste, sondern hart, fordernd und gleichzeitig suchend und flehend. Diesmal ist es Sora, der für einen Moment wie erstarrt ist, aber dann erwidert er meinen Kuss zaghaft, hebt seine Arme und streicht mit beiden Händen beruhigend durch mein Haar. Ich kann ein ersticktes Schluchzen nicht zurückhalten und küsse Sora wieder, viel, viel sanfter als zuvor. “Ich brauche dich auch.”, wispere ich, als ich mich endlich wieder von ihm lösen kann, und versuche zu lächeln. Ich weiß nicht, ob es besonders gelungen ist, aber Sora lächelt auch, und es ist das schönste Lächeln, das ich jemals gesehen habe. Perfekt, wie alles an ihm. Er lacht hell auf, und ich gebe auf, gegen das Lächeln anzukämpfen, das sich langsam über mein Gesicht ausbreitet. “Hat ja auch lang genug gedauert, du Dummkopf!”, kichert er und schubst mich weg, setzt sich auf und klopft sich den Sand von seiner Kleidung. Er lächelt noch immer, während er mich aus den Augenwinkeln beobachtet. “Ja.”, bestätige ich leise, während ich wieder eine Hand nach ihm ausstrecke und sanft mit den Fingerspitzen über seine Wange streiche. Ich muss gestehen, dass mir die Art, wie er nervös lächelt und leicht errötet, viel zu gut gefällt. “Lang genug.” Sterne funkeln über uns, kalt und weit entfernt, Diamanten auf dem schwarzen Samt des Himmels, und jetzt, in diesem Moment, weiß ich, dass auf keiner dieser Welten dort oben jemand glücklicher sein kann als ich. Teil 4 - Sora ------------- Teil 4 – Sora: Neun Monate ist es jetzt her. Neun Monate, seit Roxas gegangen ist. Manchmal frage ich mich immer noch, wie es ihm wohl geht. Ob er wohl seinen Weg in sein nächstes Leben gefunden hat? Ob er es wohl geschafft hat, seinen Freund zu finden? Neun Monate ist es her. Neun Monate, seit ich und Riku uns zum ersten Mal geküsst haben. Und zum zweiten Mal. Und... ja, einige Male. So vieles hat sich verändert. Vor einigen Jahren hätte ich mir das niemals träumen lassen. Oh Mann, wenn mir damals jemand erzählt hätte, dass ich mich in meinen besten Freund verlieben würde... ich hätte ihn ausgelacht. Aber trotzdem ist alles wie früher. Riku und ich sind noch immer beste Freunde, und wir beide unternehmen noch immer viel mit Kairi, so wie früher. Es ist nur... ein bisschen anders. Wenn wir jetzt zu unserer Insel gehen, ziehen mich die beiden über diese Zeichnung in der Höhle auf, die, wo ich und Kairi eine Papoufrucht teilen. Es scheint so lange her zu sein, seit ich das gezeichnet habe. Ich rede noch immer stundenlang mit Kairi, meist entweder über Riku oder über unsere Niemande. Ich trainiere noch immer mit Riku, aber inzwischen kann ich ihn schon beinahe so oft schlagen wie er mich. Und unsere Trainings enden immer öfter mit heißen Küssen im warmen Sand, mit zitternden Händen auf erhitzter Haut... Nein, noch ist nichts dergleichen passiert, aber... wir trainieren inzwischen nur noch auf der Spielinsel, um nicht überrascht zu werden, sollten wir doch einmal weiter gehen... Oh, Mist. Ich werde schon wieder rot! Verdammt, in letzter Zeit passiert mir das viel zu oft. Eigentlich sollte ich mir vermutlich Sorgen machen. Immerhin liegt meine Mutter gerade in den Wehen. Ja-haaaaa, ich werde großer Bruder! Cool, eh? Vor etwa fünf Monaten haben meine Eltern es uns eröffnet... Eigentlich waren keine Geschwisterchen für mich geplant, immerhin sind meine Eltern so gut wie nie zuhause, sie sind wegen ihren Jobs beinahe ständig auf Reisen und wollten keine Kinder mehr bekommen. Deshalb habe ich mich auch sofort gemeldet, mich um die Kleinen zu kümmern, immerhin bin ich ja beinahe erwachsen. Es ist schon seltsam, aber irgendwie finde ich es toll. Jedenfalls freue ich mich unheimlich auf meine Geschwister. Ja, Zwillinge. Soweit ich weiß, ein Junge und ein Mädchen. Kairi ist schon ganz aus dem Häuschen. Sie hat sofort angeboten, den Babysitter zu spielen und mir zu helfen, wenn meine Eltern verreist sind. Sie hat sich immer eine Schwester gewünscht. Und da meine Eltern sie ja schon beinahe adoptiert haben und sie wie eine Schwester für mich ist... Nun ja, sie gehört einfach zur Familie. Sie hat sogar geholfen, die Kinderzimmer einzurichten. Ich musste mein altes Zimmer aufgeben, Riku und ich bekommen das Gästezimmer. Kingdom Hearts sei Dank ist unser Haus gerade groß genug. Seit Rikus Eltern ihn hinausgeworfen haben, wohnt auch er bei mir, und Kairi kommt beinahe jeden Tag vorbei. Wir werden eine ziemlich große Familie, denke ich, selbst wenn meine Eltern nicht zuhause sind. “Sora, setz dich endlich.”, sagt Kairi und blättert weiter in einer dieser komischen Krankenhauswarteraumzeitschriften. “Du machst mich nervös.” “Du hast ja auch Angst vor Schattenlurchen.”, meint Riku von seinem Platz aus grinsend. Kairi verpasst ihm einen leichten Klaps gegen den Hinterkopf. “Autsch!” “Weichei.”, murmelt sie und vergräbt ihre Nase wieder in dieser Zeitschrift über Babys. “Zicke.”, erwidert er freundlich. Ich seufze tief und wende mich wieder der Tür zu. Dieser großen, kalten, unglaublich hässlich grünen Tür, die sich hinter meinen Eltern geschlossen hat... vor etwa... hm... sechs Stunden. Ich war nicht einmal in der Lage, mir Kaffee zu holen, weil ich Angst habe, ich könnte etwas verpassen. Verdammt. Oh! Oh, oh, oh, ich sehe was! Das ist Dad! In einem dieser hässlich grünen Kittel! Und, und... Er strahlt ja regelrecht! Sofort als die Tür sich öffnet, versuche ich an ihm vorbei zu schlüpfen, aber er hält mich lachend zurück. “Sind sie da? Sind sie daaaaaa? Komm schon, ich will sie sehen! Daddyyyyyy!!”, bettle ich und winde mich in seinem Griff. Er lacht wieder und umarmt mich kurz. “Sie sind da, und sie sind beide gesund und munter, genau wie deine Mutter.”, bestätigt er, und seine blauen Augen funkeln. “Ich bringe dich hin, komm mit.” Er wendet sich an Kairi und Riku, die sich uns unbemerkt genähert haben. “Derzeit dürfen nur Familienmitglieder hinein, tut mir leid.” “Schon gut.”, erwidert Kairi lächelnd. “Sora kann uns alles erzählen.” “Bin ohnehin nicht scharf darauf, mir diese kleinen rosa Würmer anzusehen.”, brummt Riku und grinst, als Kairi ihn unsanft anrempelt. Dad lacht wieder, dann zieht er mich hinter sich her. Die Tür schließt sich wieder hinter uns. Oh Mann. Oh Mann, oh Mann... Ich bin ja so gespannt... “Haben sie schon Namen?”, frage ich nervös und spiele mit meinen Handschuhen. Dad schüttelt den Kopf. “Deine Mutter und ich wollten euch drei mitbestimmen lassen.”, antwortet er. “Eigentlich wollten wir das morgen mit euch besprechen. Aber deine Geschwister hatten andere Pläne.” Ich nicke zerstreut und lächle schwach. Überall höre ich Babygeschrei... Ob ich wohl auch so laut war, als ich auf die Welt gekommen bin? “Du warst der lauteste von allen.”, bestätigt mein Dad lächelnd, und ich werde rot. Habe ich das gerade laut gesagt? Oh Mann... “Ganz anders als diese Kleinen hier. Sie sind so brav, einfach unglaublich...” “Wohl eher wie Mom, wie?”, scherze ich, und er nickt grinsend. “Hier, Sora. Geh schon hinein. Ich muss noch mit den Ärzten sprechen.” Er deutet auf eine der Türen. “Bin gleich wieder da.” Ich sehe ihm kurz nach, dann öffne ich langsam und vorsichtig die Tür. Meine Güte, so nervös war ich zuletzt... hm... ist schon länger her. Mom sitzt aufrecht in einem dieser Krankenhausbetten, zwei kleine Bündel auf den Armen. Sie lächelt mich an, als sie mich bemerkt. “Komm her, mein Schatz.”, flüstert sie. Die Babys scheinen zu schlafen. Ich nicke und schleiche so leise wie möglich näher. “Willst du deinen kleinen Bruder halten?” “Was, ich?”, entschlüpft es mir, und sofort regt sich eines der kleinen Bündel unruhig. Ich schlage beide Hände vor meinen Mund. “Tschuldige.”, füge ich kaum hörbar hinzu. “Hier, nimm ihn.”, wiederholt sie und hebt den rechten Arm etwas. “Ganz vorsichtig. Und pass auf den Kopf auf... ja, gut so.” Okay... das ist... merkwürdig. Definitiv merkwürdig. Ganz vorsichtig ziehe ich die Decke etwas beiseite. Der ’kleine rosa Wurm’ scheint zu schlafen... Augen geschlossen, eine winzig kleine Faust im Mund, winzige Nasenflügel blähen sich, als er einatmet. Mom schiebt die Decke ihres Bündels ebenfalls beiseite, und hier bietet sich mir derselbe Anblick. Ich kann wirklich keinen Unterschied erkennen... Winzige Gesichter, winzige Finger, winzige Köpfe... ein ganz leichter, blonder Flaum auf kleinen Köpfen. Aber sie sehen irgendwie gleich aus. “Dein Vater und ich wollten morgen mit euch die Namen besprechen.”, sagt Mom leise, und ich nicke vorsichtig. “Habt ihr denn schon etwas überlegt?” “Nicht wirklich...”, antworte ich, und erstarre, als sich das Baby in meinen Armen wieder bewegt. Schuldbewusst sehe ich nach unten, beobachte, wie eine winzige Faust aus einem kleinen Mund genommen wird, wie sich zwei winzige, dünne Ärmchen strecken und sich das winzige Gesicht ein bisschen verzieht. Dann öffnet das Baby die Augen. Es sind seine Augen. “Roxas...”, keuche ich unwillkürlich, und ich blinzle ein paarmal, dann begutachte ich das Baby genauer. Keine Ahnung, warum ich das gerade gesagt habe. Mein Gott, viele Babys haben blaue Augen, nicht wahr? Und viele Kinder sind bei der Geburt blond... Mom ist auch blond, vielleicht haben sie die Haarfarbe auch von ihr, aber... aber irgendwie... Als ich in diese großen, unschuldigen Babyaugen starre, bin ich mir sicher, dass er es ist. Beinahe kann ich ihn in meinem Kopf lachen hören, ein freies, unbeschwertes Lachen, wie ich es niemals von ihm gehört habe. Und alleine die Art, wie das Baby den Kopf schief legt, mit einer Hand nach meiner Nase schnappt... aus irgendeinem Grund sagt mein Herz mir, dass ich gerade meinen Niemand in den Armen halte. “Ein hübscher Name.”, bemerkt meine Mutter vom Bett her. Ich sehe sie verwirrt an, und das Baby in meinen Armen beginnt zu schreien. Schrill und durchdringend und unangenehm, aber trotzdem muss ich lächeln. “War Roxas nicht einer deiner Freunde, damals bei dieser Reise?”, fragt Mom nach, während ich ihr den kleinen Schreihals wieder zurückgebe. Jetzt wacht auch das Mädchen auf und stimmt in das Geschrei ein. Einer meiner Freunde. So könnte man es sagen, ja. Ich habe meinen Eltern nie alles erzählt, was damals vorgefallen ist... Das meiste hätten sie mir ja doch nicht geglaubt. Dass sie sich überhaupt an Roxas erinnert... Ich habe ihn vielleicht ein-, zweimal erwähnt... “Möchtest du, dass wir ihn so nennen?”, fragt Mom sanft, und ich nicke zögernd. Der kleine Roxas sieht zu mir auf, dann kneift er die Augen zusammen und brüllt aus vollem Hals, und das Mädchen öffnet jetzt die Augen und starrt mich an. “Und Namine...”, wispere ich, als ich in ihre Augen sehe. Was hat Kairi damals gesagt? Namine wollte Roxas helfen, sein nächstes Leben zu finden... “Ich dachte, ihr hättet euch noch keine Namen überlegt?”, fragt Mom und schüttelt den Kopf. “Aber ist schon in Ordnung. Es sind beides sehr schöne Namen.” Sie lächelt mich sanft an und nickt in Richtung Tür. “Ich bin sicher, dein Vater ist auch einverstanden. Sagst du ihm Bescheid?” Ich beuge mich kurz über sie und küsse ihre Stirn, als eine Krankenschwester den Raum betritt. “Ich liebe dich, Mom.”, flüstere ich noch, ehe ich so schnell ich kann aus dem Zimmer laufe, um meinen Vater zu suchen. “Und?” Kairi stürzt sich sofort auf mich, als ich die Säuglingsstation des Krankenhauses wieder verlasse. Ich werde das breite Grinsen auf meinem Gesicht einfach nicht mehr los. Mein Blick wandert von Kairi zu Riku, und ich muss kichern, als er fragend eine silberne Braue hebt. “Wehe, du gehst noch einmal mit einem Schlüsselschwert auf meinen Niemand los.”, kichere ich und lache noch lauter, als Riku verwirrt die Stirn runzelt. “Weil er jetzt mein kleiner Bruder ist!” “Was?”, fragt er verwirrt, wird aber von einem überglücklichen Schrei von Kairi unterbrochen. Sie packt meine Hand mit beiden Händen und strahlt mich an. “Roxas?”, fragt sie glücklich, und sie quietscht wieder so fröhlich als ich nicke. “Und Namine.”, füge ich hinzu, und jetzt starrt sie mich ungläubig an. “Sicher?”, fragt Riku, noch immer etwas ungläubig. “Woher willst du das wissen?” “Misstrauisches Arschloch.”, antworte ich freundlich und grinse, als er amüsiert lächelt. Das war Roxas’ Spitzname für ihn. “Ich spüre es einfach.” “... und Namine...”, wiederholt Kairi flüsternd, noch immer meine Hand fest umklammernd. Sie blinzelt und schüttelt den Kopf, dann erhellt ein weiteres, strahlendes Lächeln ihr Gesicht, und sie umarmt mich stürmisch. “Sie hat es mir gesagt, aber ich habe ihr nie geglaubt! Sie hat gesagt, sie würde einen Weg zurück finden!” “Das hat sie.”, bestätige ich, und Kairi lässt mich los, um Riku ebenfalls um den Hals zu fallen. “Oh, ich muss sofort den anderen davon erzählen!”, lacht sie und lässt Riku wieder los. Sie winkt uns noch zu. “Wir sehen uns später, ja? Sora, sag deinen Eltern doch bitte, dass ich noch einmal vorbei komme, ja? Bis später!” Und schon ist sie weg. Riku sieht ihr kopfschüttelnd nach, ein schwaches Lächeln auf den Lippen. Dann wendet er sich wieder mir zu. “Und ich dachte schon, ich wäre diese kleine blonde Pest endlich los.”, ätzt er und kichert, als ich ihm schmollend einen Nasenstüber verpasse. “Und du bist sicher, dass er es ist?” “So sicher, wie ich weiß, dass ich dich liebe.”, erwidere ich und lege meine Arme um seinen Hals. Er wird etwas rot, und ich muss wieder kichern. Er kommt nicht besonders mit diesem verliebten Kram zurecht. “Na fein, dann muss ich mich wohl in diesem Leben mit ihm arrangieren.”, meint er die Nase rümpfend und küsst mich sanft. Und lässt mich noch mehr errötend los, als rund um uns die Leute überrascht nach Luft schnappen. “Du bist niedlich, wenn du so rot wirst.”, sage ich grinsend, ohne ihn loszulassen. Mir macht es nichts aus, dass es offenbar noch immer Leute hier auf den Inseln gibt, die sich an unserer Beziehung stören. Riku ist es manchmal noch immer unangenehm. “Ich bin nicht niedlich.”, erwidert er knurrend und ergreift sanft meine Arme. “Natürlich nicht.”, bestätige ich und küsse ihn noch schnell, was wieder ungläubiges Getuschel rund um uns auslöst. Er seufzt tief, wehrt sich aber nicht dagegen. Er hat es lange aufgegeben, mich davon abzuhalten. Ich kann nichts dafür, ich bin eben eine sehr gefühlsbetonte Person. “Irgendwann wirst du noch mein Tod sein.”, seufzt er. “Du denkst doch nicht wirklich, ich würde dich jemals sterben lassen?”, erwidere ich scherzhaft. Er verdreht die Augen, aber wenigstens lächelt er wieder. Ich liebe dieses Lächeln. Es macht mich immer ganz kribbelig und nervös, aber auf eine gute Art. Weil ich weiß, dass ich der einzige bin, den er auf diese Art anlächelt. Mein Riku. Er küsst mich noch einmal, und diesmal stört ihn nicht einmal die beinahe greifbar unbehagliche Atmosphäre in dem kleinen Warteraum. Und zum ersten Mal seit langem habe ich das Gefühl... dass alles in Ordnung ist. Teil 5 - Riku ------------- Teil 5 – Riku: Radiant Garden ist gewachsen. Und zwar um einiges, soweit ich das beurteilen kann. Ich frage mich, warum Leon Sora sprechen wollte. Es ist jetzt schon so lange her... Mehr als vier Jahre, um genau zu sein. Mehr als vier Jahre, seit Sora und ich Xemnas besiegt haben. Roxas und Namine sind schon zwei Jahre alt, und noch immer gibt es auf den Schicksalsinseln Leute, die denken, die beiden wären Soras und Kairis Kinder. Manchmal tut das weh. Manchmal tut es noch immer weh, die beiden mit den Kleinen zu sehen, weil sie wirklich wie eine Familie aussehen, und manchmal denke ich noch immer, dass ich einfach nicht in dieses Bild passe. Aber jedesmal, wenn ich denke, dass die Dunkelheit mich wieder zu verschlingen droht, bemerkt Sora es und vertreibt die Dunkelheit, manchmal nur mit einem sanften Lächeln. Ich habe jemanden wie ihn nicht verdient, wirklich. Und ich danke den Göttern, dem Licht und dem Dunkel jeden Tag, dass ich neben ihm aufwachen darf. Es sei denn, Roxas weckt uns auf, indem er laut schreiend ins Zimmer läuft und auf unser Bett springt, um sich zwischen uns zu kuscheln. Ja, okay, es macht mir nicht wirklich etwas aus. Der Kleine ist anbetungswürdig niedlich, selbst wenn er eifersüchtig auf mich wird, wenn Sora sich um mich kümmert und nicht um ihn. Er braucht ziemlich viel Aufmerksamkeit, und er ist ein Meister im Schmollen, aber etwas Meersalzeis versöhnt ihn jedesmal wieder. Namine ist viel stiller, wie damals Kairis richtiger Niemand. Sie hat bereits wieder zu malen begonnen, seit Kairi ihr Wachsmalkreide geschenkt hat. Sie und die Kleine verbringen oft Stunden damit, bunte Bilder zu malen. Die Kleinen sind wirklich süß. Roxas erinnert mich oft an Sora, als er noch klein war. Sie haben die gleichen Augen. Aber ich schweife ab. Vor etwa einer Woche erhielt Sora eine Nachricht von Leon, aber da Soras Mutter bereits ein Jahr nach der Geburt wieder zu arbeiten begonnen hat, und Sora die Zwillinge nicht allein lassen will, solange sie noch so klein sind, habe ich mich bereit erklärt, hierher zu kommen. Eigentlich hätte ich ja heute zwei Vorlesungen, aber wer will bitte mir etwas über die Abgründe der menschlichen Psyche erzählen? Ja, ich studiere Psychologie. Ich bin bereits zwanzig, und gerade im dritten Semester. Kairi und Sora haben sich nach Abschluss der High School bereit erklärt, noch ein oder zwei Jahre auszusetzen, um bei den Zwillingen bleiben zu können. Soras Eltern bezahlen ihnen dafür ein Taschengeld, sind aber nie zuhause. Nun ja. Vielleicht nicht die beste Art, Kinder groß zu ziehen, aber ich beschwere mich nicht. Andererseits gibt es wohl keine liebevolleren ’Eltern’ als Sora und Kairi. Ich? Ich bin eher der coole Onkel. Ich sehe mich neugierig um, als ich durch die Stadt schlendere. Das Schloss ist beinahe vollständig wieder aufgebaut. Beeindruckend, wenn man die Schäden von damals bedenkt... Meine Schritte hallen durch die hohen Gänge, als ich den Raum suche, den Leon mir genannt hat. Ich finde ihn auch schnell, öffne die Tür ohne zu klopfen und trete ein. Leon sieht von einem Stapel Dokumente auf, nickt mir mit unbewegter Miene zu und deutet auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Er hat sich auch kaum verändert, er trägt sein dunkles Haar jetzt nur meist zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. “Danke, dass du so schnell kommen konntest.”, sagt er nach einer Weile ruhig und nimmt die Lesebrille ab, die er inzwischen tragen muss. Er legt sie beiseite und steht auf. “Ich möchte dir etwas zeigen. Komm.” Ich folge ihm neugierig. Leise höre ich Schreie und Poltern, dann lautes Weinen, wie von einem Kind. Ein Kind, hier? Ich denke, Sora wüsste davon, wenn einer seiner Freunde ein Kind in die Welt gesetzt hätte... Aber das Gezeter wird lauter, als Leon auf eine bestimmte Tür zu steuert. Als er sie öffnet, höre ich als erstes Aeriths müde Stimme, die offensichtlich jemanden bittet, etwas Bestimmtes nicht zu tun. Die Antwort ist ein lautes Klirren. “Ich war’s nicht!”, ruft eine laute Kinderstimme sofort, offenbar völlig verängstigt. “Ich weiß, ich weiß.”, beruhigt Aerith sofort, aber das Kind scheint sie gar nicht zu hören. “Ich war’s nicht! Ich war’s nicht! Ich hab nichts gemacht!”, heult das Kind ängstlich. “Bitte nicht weh tun! Nicht mir weh tun!” Ich runzle verwirrt die Stirn und will Leon etwas fragen, aber er ignoriert mich und öffnet eine weitere Tür. Und mir bleibt der Mund vor Überraschung offen stehen. Aerith sieht auf und atmet erleichtert auf, aber ich beachte sie gar nicht. Stattdessen starre ich das Kind an, das inmitten von Scherben auf dem Boden hockt und sich mit Tränen in den Augen umsieht und versucht, die Scherben aufzuheben. Aerith hebt den kleinen Jungen sofort hoch und nimmt ihm die scharfen Scherben vorsichtig aus der Hand. Es ist offensichtlich ein Junge. Er ist, ich weiß nicht, vielleicht drei oder vier Jahre alt, trägt offenbar neue, aber bereits zerrissene Kleidung und klammert sich völlig verängstigt an Aerith fest. Grüne Augen. Rotes Haar. “Axel?”, frage ich verblüfft. Der Kleine dreht den Kopf und starrt mich an, dann wirft er seine dünnen Arme um Aerith und verbirgt sein Gesicht in ihrem langen Haar. Kein Zweifel. Sein Haar ist natürlich kürzer, aber es hat dieselbe, unverwechselbare Farbe und steht schon jetzt stachelig von seinem Kopf ab, und die Augen haben die gleiche Farbe und Form... Natürlich ist sein Gesicht viel runder und kindlicher, und die auffälligen Tätowierungen von damals fehlen, aber... So wie von Anfang an klar war, dass Soras Geschwister Roxas und Namine sind, ist dieses Kind dieser verrückte, feuerliebende Niemand, der damals Sora geholfen hat. “Wir haben ihn vor einer Woche gefunden.”, erklärt Leon ruhig. “Ich habe sofort die Nachricht an Sora geschickt. Der Kleine hat unsere Küchenabfälle durchwühlt. Offensichtlich kümmern sich seine Eltern nicht um ihn. Er war völlig verängstigt und halb verhungert, und er weigert sich, uns zu sagen, wer seine Eltern sind. Er verrät uns nicht einmal seinen Namen.” “Papa tut mir weh, wenn ich es verrate.”, ertönt ein dünnes Stimmchen, etwas gedämpft durch Aeriths Haar. “Ich darf nicht mit Fremden reden.” Aerith seufzt und streicht ihm sanft durchs Haar. “Wir werden verhindern, dass er dir weh tut, mein Schatz.”, sagt sie beruhigend. “Niemand will dir weh tun.” Aber der Kleine schüttelt trotzdem den Kopf, ohne sie anzusehen. “Er wurde offensichtlich vernachlässigt, wenn nicht gar missbraucht. Alles deutet darauf hin.”, fährt Leon düster fort, während Aerith den kleinen Jungen sanft wiegt und ihm beruhigende Worte zuflüstert. “Yuffie hat ihn entdeckt und zu Aerith gebracht. Glücklicherweise hat Aerith ein gutes Gedächtnis, und sie konnte sich gut an Soras Beschreibung von diesem Niemand erinnern...” “Axel.”, stelle ich klar. “Ja, Axel.”, nickt Leon. “Deshalb forderten wir die Daten der Simulation aus Twilight Town an, da wir wussten, dass er damals dort eingedrungen war, um Roxas zu retten. Tron konnte ein Abbild seiner Daten in Ansems Simulation erstellen und es mit diesem Jungen vergleichen. Laut Tron besteht eine Wahrscheinlichkeit von 99,97 %, dass es sich bei den Beiden um ein und dieselbe Person handelt. Und deine Reaktion sagt mir, dass du ihn erkennst?” “Er ist es.”, bestätige ich, ohne meinen Blick von dem wilden, feuerroten Haarschopf zu nehmen. Axel hat Aeriths Hals inzwischen losgelassen und umklammert stattdessen den Kragen ihres Kleides mit beiden Händen, ohne sie anzusehen. Eine kleine Unterlippe schiebt sich etwas vor, und erneut treten Tränen in helle, grüne Augen, als Aerith beruhigend auf ihn einredet. Sie setzt ihn wieder ab, aber er hält sich sofort wieder an ihrem Rockzipfel fest und starrt auf seine Füße hinunter. Ab und zu schnieft er leise. “Er versucht immer wieder auszureißen. Er fühlt sich hier nicht wohl.”, meint Leon leise. “Ich dachte, Sora sollte Bescheid wissen. Wir wissen nicht, was wir tun sollen. Wir können ihn nicht gegen seinen Willen festhalten.” Verrückt. Selbst der hier hat es geschafft, sein nächstes Leben zu finden. Allerdings scheint er nicht so viel Glück gehabt zu haben wie Roxas und Namine. Sora hat mir erzählt, wie Axel gestorben ist. Es war sicher kein schöner Tod. Und Sora sagte auch, dass er und Roxas sich versprochen haben, sich im nächsten Leben wieder zu sehen. Ich frage mich... Ich trete vorsichtig näher und setze mich vor dem kleinen Jungen auf den Boden. Er weicht ängstlich zurück, versteckt sich hinter Aerith. “Hey.”, sage ich so ruhig wie möglich. Er antwortet nicht. “Ich bin Riku.” “Ich darf nicht mit Fremden reden.”, kommt die gemurmelte Antwort. “Ja, klar.”, erwidere ich lächelnd. “Aber du kennst jetzt meinen Namen. Riku. Kannst du dir das merken?” Sofort horcht er auf, starrt mich mit großen Augen an und beißt sich nachdenklich auf die Unterlippe. “Ri-ku...”, wiederholt er langsam. “Ri-ku. Riiiiiiku. Rikuuuuuuu. Ri-... Sora?” O-kay. Das war jetzt unheimlich. “Erinnerst du dich an Sora?”, frage ich, ohne mir meine Überraschung anmerken zu lassen. Der Kleine legt die Stirn in Falten und scheint nachzudenken. Dann schüttelt er den Kopf. “Warum hab ich das gesagt?”, fragt er verwirrt. “Nicht wichtig.”, erwidere ich. “Du kennst jetzt meinen Namen. Und wie ist deiner?” “Das weißt du doch schon!”, antwortet er, und jetzt lacht er. “Du Dummkopf! Du hast ihn vorhin gesagt! Axel! Kannst du dir das meeeeeerken?” “Stimmt, ich Dummkopf.” Ich schlage mir gegen die Stirn. Er lacht wieder. “Und wie alt bist du?” “Drei!”, ruft er fröhlich und hebt eine Hand, und nach kurzem Überlegen hebt er drei dünne Finger. Viel zu dünn für ein Kind in seinem Alter. Der Ärmel seines T-Shirts rutscht hinunter, und auch sein Arm ist viel zu dürr. “Drei, hm? Ganz schön alt.”, sage ich, noch immer lächelnd, aber jetzt begutachte ich ihn genauer. Er ist wirklich dünn, aber recht groß für sein Alter, und ich bemerke eine erst kürzlich verheilte, hässlich aussehende Schnittwunde an seinem Arm und einen fast nicht mehr sichtbaren Bluterguss an seinem Kiefer. Seine neu aussehende Hose ist an den Knien zerrissen, und außerdem bemerke ich einen kleinen Schnitt an seiner Hand, wahrscheinlich von den Scherben von vorhin. Er ist in einem furchtbaren Zustand, aber jetzt lacht er, und seine hellen, von eigenartig dichten, roten Wimpern umsäumten Augen funkeln vergnügt. “Du bist viel älter!”, protestiert er, dann kichert er, lehnt sich etwas vor und flüstert mir vertrauensvoll ins Ohr. “Aber der da, der ist noch viiiiiiiiel älter.” Er zeigt auf Leon, der fragend eine Braue hebt. “Oh ja, und er lacht niemals.”, bestätige ich ebenso leise, und Axel kichert verstohlen in seine Hand. “Axel... wo wohnst du?” Sofort hört das Kichern auf, und der Glanz verschwindet aus seinen mandelförmigen, grünen Augen. “Darf ich nich’ sagen.”, antwortet er und scharrt nervös mit einem Fuß herum. “Möchtest du dorthin zurück? Dann musst du es mir sagen, damit ich dich dorthin bringen kann.”, bohre ich weiter, und jetzt beißt er sich wieder auf die Unterlippe. Schließlich schüttelt er den Kopf. “Will nich’ zurück. Mama schläft immer, und Papa schreit und tut mir weh.” Er schnieft leise. “Ich bin ein böser Junge. Wegen mir ist mein kleiner Bruder tot. Das sagt Papa. Und dann tut er mir weh.” Einen Moment lang kann ich ihn nur entsetzt anstarren, und ich höre auch Aerith erschrocken nach Luft schnappen. Was für ein furchtbarer Kerl ist dieser Vater bloß? Wie kann man einem so kleinen Kind erzählen, sein kleiner Bruder wäre seinetwegen tot? Wie kann man so ein kleines Kind nur schlagen? “Hm... was sollen wir denn dann machen?”, frage ich und tue so, als würde ich überlegen, während ich mühsam versuche, die Beherrschung nicht zu verlieren. “Möchtest du hier bleiben? Bei dem alten Kerl und Tante Aerith?” Ein kleines Kichern entkommt ihm doch, aber dann wird er wieder ernst und schüttelt den Kopf. “Hier is’ es unheimlich.”, murmelt er. “So hohe Wände und... und... alles ist so... so wie früher.” Er stampft mit dem Fuß auf und verschränkt schmollend die Arme. “Ich weiß nicht. Ich kann nicht schlafen, weil dann kommen die Niemande und holen mich!” Ich wechsle einen überraschten Blick mit Leon, aber der schüttelt verwirrt den Kopf. “Niemande?”, hake ich nach, und Axel nickt finster. “Ja, die wohnen in so großen Häusern wie hier.”, erklärt er mir. Soso... Er scheint sich zumindest unbewusst an das Schloss in der Welt Die Niemals War zu erinnern. Oder an Schloss Oblivion. Oder beide. “Tja, was machen wir denn dann?”, frage ich und verschränke die Arme. Er macht mich nach und sieht zu Boden, schiebt eine zitternde Unterlippe etwas vor und blinzelt ein paar Mal. Klare Tropfen glitzern auf seinen Wimpern. “Hey.”, sage ich so sanft wie möglich und streiche ihm mit einer Hand beruhigend über das stachelige Haar. Es fühlt sich überraschend weich an. “Axel, was hältst du von einer Insel?” Er sieht mit Tränen in den Augen zu mir auf. “Was ist eine Insel?”, fragt er, seine dünne Stimme unsicher und schwankend. “Eine Insel? Dort gibt es Palmen, und Strände... weißt du, was ein Strand ist?” Er schüttelt den Kopf. “Dort gibt es Sand, und dahinter so viel Wasser, wie du dir nur vorstellen kannst, bis zum Horizont. Dort gibt es Fische, die im Wasser schwimmen, und Muscheln und so’n Zeug...” “So’n Zeug.”, wiederholt er kichernd, und die Tränen versiegen wieder. “Dort ist es fast immer warm. Ich wette, du magst es, wenn es warm ist, hm?” Ich lächle, als er heftig nickt. “Und wenn du von einer Insel zur anderen willst, musst du mit einem Boot über das Wasser fahren. Das viele Wasser zusammen nennt man übrigens Meer. Ich wohne auf so einer Insel, weißt du?” “Ooooooh...”, haucht er ehrfürchtig, die Augen weit aufgerissen. “Würdest du auch auf so einer Insel wohnen wollen?”, frage ich, und er nickt wieder heftig. “Kommst du mit mir mit?” “Aber...” Er beißt sich wieder so unsicher auf die Unterlippe und sieht zu den Scherben auf dem Boden. Offenbar sollten sie mal eine Vase darstellen. “Ich... Ich mach dauernd Sachen kaputt...” “Weißt du, ein Freund von mir hat das auch immer gemacht, als er so alt war wie du.”, entgegne ich grinsend. “Aber ich bin ein böser Junge.”, beharrt er störrisch. “Das ist nicht wahr. Du bist einer von den Guten.”, widerspreche ich sanft. Nun, zumindest am Ende war er das. Auf welcher Seite er damals wirklich stand? Nun, keine Ahnung. Er war am schwersten zu durchschauen von allen Gegnern, mit denen wir es zu tun hatten. “Aber...”, versucht er es noch einmal, und ich schüttle den Kopf. “Also, Axel, du musst mir jetzt sagen, ob du mit mir kommen willst.” “Auf die Insel.” “Auf die Insel, ja.” Ich lächle wieder. “Ich habe Freunde dort, die dich bestimmt gern wiedersehen würden.” “Wieder-sehen?”, fragt er verwirrt und legt den Kopf etwas schief. Ich ignoriere das einfach. “Mein Freund hat Geschwister, die ein bisschen jünger sind als du. Du hättest also jemanden zum spielen.” “Jünger als ich?”, fragt er skeptisch. “Aber Papa...” “Dein Papa”, sage ich langsam und ergreife sanft seine dünnen Arme, “ist ein Dummkopf und hat ziemlich blöde Dinge gesagt. Du bist ein guter Junge, und außerdem brauche ich jemanden, der mir und meinem Freund hilft, auf Roxas und Namine aufzupassen. Einen großen Jungen wie dich.” Ich beobachte ihn genau, als ich diese Namen erwähne, aber er wirkt nicht, als würde er sie wiedererkennen. Er starrt nur zurück, dann grinst er mich plötzlich an. “Papa ist blöd.”, wiederholt er strahlend. “Ich bin ein großer Junge. Ich kann aufpassen auf Rokass und Nani... Nanime?” “Roxas und Namine.”, wiederhole ich langsam. “Roooksass... Ros... Roxas.”, spricht er mir nach und strahlt, als ich nicke. “Nani... Naaaaaamine?” “Mhm. Also, kommst du mit?” “Ooooooookeeeee!”, antwortet er gedehnt. “Auf die Insel!” Als wir beim Gummischiff ankommen, bemerken die anderen mein Anhängsel natürlich. “Meine Güte!”, quietscht König Mickey sofort, und Donald schnattert irgendwas, das ich unmöglich verstehen kann. Nur Goofy scheint nur milde überrascht zu sein. “Gwarsh, Riku. Wo hast du den Kleinen denn aufgelesen?” Er beugt sich zu Axel hinunter, der ihn misstrauisch beäugt. Der Kleine versteckt sich hinter meinem Bein und lugt vorsichtig hervor. “Das war Leons Überraschung.”, antworte ich ruhig. Goofy lacht sein eigenes, glucksendes Lachen und versucht, Axel mit dummen Grimassen hervor zu locken. Tatsächlich höre ich leises Kichern. “Grundgütiger, Goofy!”, wettert Donald und schnattert wieder unverständlich. “Lass doch das Kind in Ruhe, du großer Tollpatsch!” Axel kichert wieder, versteckt sich aber noch mehr, als nun auch König Mickey versucht, einen genauen Blick auf ihn zu erhaschen. “Riku...”, sagt Mickey langsam und sieht zu mir hoch. “Ist dir bewusst, dass... dieser Junge aussieht wie...” “Axel, sag hallo.”, sage ich, packe den Jungen und hebe ihn hoch. Er quietscht erschrocken und wirft beide Arme um meinen Hals, gleich darauf sieht er aber zu den anderen hinunter. “Boah, ist das hoch.”, entfährt es ihm erschrocken. Heh. Er sollte sich daran gewöhnen. In ein paar Jahren ist er größer als ich. “Wenn du mit auf die Insel willst, musst du höflich sein.”, sage ich laut. Er blinzelt ein paar Mal, dann lächelt er nervös. “Hallo.”, sagt er, und dann fügt er schnell “Du bist eine Maus!” hinzu. “Unbestreitbar.”, stimmt Mickey ihm zu. “Du willst ihn also mit auf die Schicksalsinseln nehmen?” “Er und Roxas haben es sich versprochen.”, erwidere ich achselzuckend. “Warum sollte ich nicht nachhelfen?” “Nun ja.” Mickey überlegt kurz. “Ich denke, du und Sora werdet mit ihm fertig. Schön. Wir sollten ohnehin los.” Er grinst. “Junge, Junge, was für ein Jahr, wie?” Axel winkt dem Gummischiff begeistert nach, nachdem Mickey uns auf den Schicksalsinseln abgesetzt hat. Er hat beinahe den ganzen Flug damit verbracht, seine kleine Nase an einem der Fenster platt zu drücken. Aber er hat sich nicht getraut, sich weiter als zwei Schritte von mir zu entfernen. Jetzt weiß ich auch, wie Sora sich mit Roxas fühlt... Apropos... “Riku!”, höre ich Soras vertraute Stimme von Haus her. Ich drehe mich um, und ich sehe, dass er wohl gerade den Jungen entdeckt hat, der sich jetzt wieder hinter mir versteckt. Sora reißt die Augen weit auf, und Roxas, den er gerade im Arm hält, sieht seinen Bruder verwirrt an, ein bereits tropfendes Meersalzeis in der einen Hand haltend, während er mit der anderen vor Soras Augen herumfuchtelt. Hinter den beiden kommen Kairi und Namine aus dem Haus, und auch Kairi starrt Axel ungläubig an. Namine sieht verständnislos zu ihr hoch und zupft an ihrem Kleid. Eine Weile ist alles still, bis auf das Rauschen der Wellen und vereinzelte Möwenschreie. “Riku, ist das...”, beginnt Sora und versucht den Namen auszusprechen, schafft es aber nicht ganz. “Hallo!”, piepst der Kleine hinter mir und versteckt sich wieder, als Sora und Kairi nur schwach lächeln. Er zupft an meinem Armband. “Die mögen mich nicht!” “Ach was.” Ich ergreife seine Hand und ziehe ihn etwas vorwärts, ohne auf seine schwächlichen Proteste zu achten. Ich schiebe ihn vor mich. “Sag Hallo.” “Ich hab schon Hallo gesagt!”, schmollt er und sieht nervös zu Boden. Er sieht nicht einmal auf, als Sora Roxas vorsichtig absetzt. Der blonde Junge starrt den rothaarigen eine Weile an, beobachtet, wie der größere Junge mit einem Fuß Muster in den Sand scharrt. Schließlich scheint er sich zu einer Entscheidung durchzuringen. Er geht auf Axel zu und hält ihm sein Eis hin. Die ganze Szene ist so klischeehaft kitschig, dass es schon wieder niedlich ist. “’Allo.”, sagt Roxas vorsichtig, klebrige Finger im Mund, während das Eis in seiner anderen Hand schmilzt und auf den Boden tropft. Axel starrt ihn einen Moment lang an, hoffnungsvoll, beinahe sehnsüchtig... dann ist der Moment vorbei, und der rothaarige Junge grinst breit. “Hallo.”, sagt er und nimmt das Eis dankbar entgegen. Sobald die kalte Süßigkeit Roxas’ Hand verlassen hat, scheint der blonde Junge es sich allerdings wieder anders zu überlegen, denn er verzieht langsam das Gesicht. Oh-oh. Der Gesichtsausdruck verheißt nichts Gutes... Gleich plärrt er los... Axel scheint es zu bemerken, denn er kostet nur ein wenig und gibt das Eis sofort wieder zurück. Roxas nimmt es strahlend wieder entgegen und steckt es sich sofort wieder glücklich in den Mund. “Deine Haare sind rot.”, stellt der kleinere der beiden Jungen schließlich fest, und er lässt sein halb zerlaufenes Eis einfach fallen. “Ich mag dich.” “Deine Augen sind hübsch.”, fügt Namine hinzu, und beide Zwillinge sehen den größeren Jungen mit großen Augen an. “Ooooh...”, macht Axel und dreht sich zu mir um. “Guck, sie sehen sich total ähnlich!” “Sind ja auch Zwillinge.”, entgegne ich, seinen verwirrten Gesichtsausdruck ignorierend. “Also, das hier ist Roxas, und das Namine.” Ich zeige nacheinander auf den Jungen und das Mädchen. “Leute, das hier ist Axel. Zeigt ihr ihm bitte den Garten? Ich muss mit Sora und Kairi reden.” “Aber So-So wollte mit uns eine Sandburg bauen!”, protestiert Roxas und schmollt. Meine Güte. Sora sah genauso niedlich aus, als er noch klein war... “Wir bauen nachher alle zusammen eine Sandburg.”, verspricht Sora ihm und zerzaust sein blondes Haar. “Geht mit Axel spielen. Wir kommen gleich.” “Was ist eine Sandburg?”, piepst Axel ganz kleinlaut, und sofort wird er von den Zwillingen belagert. “Du weißt das nicht?”, fragt Roxas, beinahe entsetzt, dann schüttelt er den Kopf und stemmt die kleinen Hände in die Hüften. “Dagegen müssen wir was tun!” Wir ’Erwachsenen’ kichern, als er das sagt. Irgendwann hat er das von Sora aufgeschnappt, und seitdem sagt er es ständig. Wir sehen ihnen nach, als Roxas Axels Hand nimmt und ihn in den Garten führt, Namine dicht hinter den beiden. “Er sieht genauso aus...”, murmelt Kairi verblüfft. “Nur kleiner.”, fügt Sora hinzu. “Ist das wirklich...” “Axel.”, bestätige ich. “Es passt. Er ist drei Jahre alt. Leon hat ihn in Radiant Garden aufgelesen. Er erinnert sich nicht an Roxas, aber... er weiß über Niemande Bescheid, zumindest unbewusst.” “Hm...” Sora tippt sich nachdenklich mit einem Finger ans Kinn. “Sieht so aus, als hätte Axel seinen Weg zurück schneller gefunden als Roxas.” “Er sieht so dünn aus.”, meint Kairi mitleidig. “Er hatte wohl nicht so viel Glück mit seiner neuen Familie wie Roxas und Namine.”, erwidere ich achselzuckend. “Was ist? Ich habe ihm versprochen, dass er hier bleiben kann.” “Ja, klar, nur...” Sora kratzt sich am Kopf. “Uns gehen langsam die Zimmer aus...” “Er kann bei mir wohnen.”, fällt ihm Kairi sofort ins Wort. Wir starren sie beide überrascht an. “Was ist? Ich habe ein Gästezimmer übrig.” “Aber er hat versucht, dich zu entführen!”, protestiert Sora. “Mach dich nicht lächerlich.”, winkt Kairi ab. “Er ist drei Jahre alt. Außerdem...” Sie seufzt traurig. “Irgendwie... konnte ich ihn verstehen. Er wollte einfach Roxas wiedersehen, so wie ich euch beide wiedersehen wollte. Ihm konnte ich schon damals nicht böse sein.” Sie rümpft die Nase. “Im Gegensatz zu Saȉx.” “Aber...”, versuche ich nun auch zu protestieren, aber mich lässt sie gleich gar nicht zu Wort kommen. “Ich habe Platz, und es ist gleich um die Ecke, also kann er Roxas jeden Tag sehen, wenn er will.”, erklärt Kairi, und diesen Blick kennen wir nur zu gut. Sie hat sich etwas in den Kopf gesetzt. “Wenn es ihn nicht stört, kann er bei mir wohnen. Zumindest fürs erste.” “Wird ihn denn niemand vermissen?”, fragt Sora vorsichtig. “Leon kümmert sich um die Formalitäten.”, erwidere ich. “Aber er hat bereits mit den Behörden verhandelt, um Axel von seinen Eltern wegzuholen. Er wird versuchen, uns das Sorgerecht zu übertragen. Ich habe dem zugestimmt.” “Alles schon erledigt, wie?”, lacht Kairi, und Sora schüttelt ebenfalls lächelnd den Kopf. “Selbstverständlich wartet er auf unsere Zustimmung.”, füge ich hinzu. “Aber ich hatte nicht wirklich Zweifel, dass ihr es so sehen würdet wie ich.” “Dann sind wir uns wohl einig, denke ich.”, meint Sora grinsend. “Meine Güte, unsere Familie wird immer größer!” Teil 6 - Sora ------------- Teil 6 – Sora: Seufz. Sie streiten schon wieder. Müde sehe ich von meinen Unterlagen auf und reibe mir die Augen. Ich sollte dieses Kapitel über den Muskelaufbau bis morgen durchgelesen haben, aber irgendwie halten sie mich den ganzen Tag vom Lernen ab. Ich stehe gerade kurz vor den Abschlussprüfungen in Sportwissenschaften. Morgen findet eine der ersten dieser Abschlussprüfungen statt. Eigentlich auch eine der leichteren, aber mir wäre dennoch wohler, wenn ich wenigstens dieses eine Kapitel durch hätte... “Gib das zurück, Axel!”, höre ich meinen kleinen Bruder schreien. “Das gehört mir!” “Dein Name steht nicht drauf!”, antwortet der andere Junge spöttisch. “Aber wenn du es willst, dann hol es dir doch!” Seufzend stehe ich auf und gehe aus dem Arbeitszimmer, folge den Stimmen ins Wohnzimmer und lehne mich mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen. Eine Weile beobachte ich die beiden, wie sie durch das Zimmer laufen, und ich beneide Namine, die einfach daneben sitzen und zeichnen kann, als wären ihr Zwilling und der Rotschopf nicht gerade dabei, das Zimmer zu zerlegen. Offenbar hat Roxas wieder einmal einen meiner Schlüsselanhänger geklaut. Er scheint zu glauben, die Anhänger seiner alten Schlüsselschwerter gehören ihm. Egal, wo ich sie verstecke, er findet sie immer wieder. Und dann hat Axel ihn ihm wohl wieder gestohlen. “Welcher diesmal?”, frage ich müde und reibe mir wieder die Augen. “Sternentreue oder Memoire?” Die beiden Jungen hören auf zu schreien, Roxas bleibt sofort stehen, während Axel sich auf die Couch fallen lässt. Er betrachtet etwas in seiner Hand interessiert, während Roxas ihm wütende Blicke zuwirft. Roxas ist jetzt sieben Jahre alt. Axel ist acht. Meistens sind sie unzertrennlich, aber manchmal treibt Axel Roxas dermaßen auf die Palme, dass mein Bruder sich wütend in seinem Zimmer einsperrt und oft stundenlang nicht herauskommt. Axel ist recht groß für sein Alter, und obwohl er mehr isst als Roxas und Namine zusammen, ist er beinahe beängstigend dürr. Er war ja schon damals ziemlich dünn, aber jetzt, wo ihm noch der Muskelaufbau eines Erwachsenen fehlt, fällt es noch viel mehr auf. Inzwischen ist sein Haar länger geworden, aber er bindet es beinahe immer im Nacken zusammen. Oft verschwindet er stundenlang, um die Inseln zu erkunden, manchmal so lange, dass Roxas sich Sorgen um ihn macht. Aber er taucht immer wieder auf, ehe Roxas völlig ausflippen kann, nimmt ihn in die Arme und beruhigt ihn mit zwei, drei ausgewählten Sätzen. Roxas ist danach immer wütend auf ihn, aber dennoch sind sie die besten Freunde. Axel konnte mit vier bereits unsere Namen buchstabieren, und er war einer der besten Schüler in seiner Klasse. Aber in letzter Zeit interessiert ihn das immer weniger, und er beginnt bereits, sich mehr und mehr für Musik zu interessieren. Roxas hingegen ist der sportlichere von den beiden. Er klettert auf jeden Baum, schwimmt bereits weite Strecken, fährt Skateboard, ist im Fußball- und im Schwimmteam der Schule und ansonsten ein eher durchschnittlicher Schüler. Aber er ist fleißig, und würde Axel ihn nicht so oft vom Lernen abhalten, wären seine Noten bestimmt immer Top. Er ist, ganz im Gegensatz zu seinem Freund, eher klein geraten. Erinnert mich sehr an meine eigene Kindheit. Axel macht sich oft einen Spaß daraus, Roxas’ Sachen so zu verstecken, dass der kleinere Junge sie nicht erreichen kann, so wie Riku es früher auch bei mir gemacht hat. Viele Leute sagen, Roxas sähe mir zum Verwechseln ähnlich, bis auf die Haarfarbe. Natürlich sind da auch andere Unterschiede. Seine Augen sind eine Spur dunkler als meine, dafür ist seine Haut heller. Sein Lächeln ist völlig anders, jedenfalls meiner Meinung nach. Aber wir beide haben denselben, eher zierlichen Körperbau und das rundliche Gesicht (Rikus Worte, nicht meine), und wenn man meine Kindheitsfotos mit Roxas vergleicht, sind die Ähnlichkeiten wirklich unglaublich. Namine ist noch immer das liebe Mädchen von früher, und sie ist künstlerisch außergewöhnlich begabt. Meistens ist sie es, die zwischen den beiden Jungs Frieden stiften muss. Ich verstehe nicht, warum sie so oft streiten. In einem Moment sind sie unzertrennlich, im nächsten kommt Roxas weinend angelaufen, weil Axel ihn gehänselt hat. Ob das wohl früher auch so war? Keiner der drei scheint sich an ihr früheres Leben erinnern zu können. Nur Roxas macht manchmal Bemerkungen, die das vermuten lassen würden. Ich weiß von Riku, dass Axel damals, als er ihn aus Radiant Garden geholt hat, meinen Namen und Niemande erwähnt hat, aber seitdem hat er sich dazu nicht mehr geäußert. Nur Roxas. Nur mein kleiner Bruder scheint sich wenigstens ein bisschen zu erinnern. An Dinge wie seine Schlüsselschwerter. “Also?”, frage ich wieder, als keiner der beiden Streithähne mir antwortet. “Welchen Anhänger hast du diesmal geklaut?” “Er gehört mir.”, schnieft Roxas trotzig, störrisch Tränen der Frustration zurückhaltend. “Axel soll ihn mir wieder geben!” “Aber es ist weder Sternentreue noch Memoire.”, meldet sich Axel zaghaft zu Wort. “Wie heißt der hier?” Ich trete näher und nehme ihm den Schlüsselanhänger ab. Oh. Ausgerechnet der hier? “Flammenfesseln.”, antworte ich und werfe Roxas einen überraschten Blick zu. “Und der gehört ganz bestimmt nicht dir, Roxas.” Ich betrachte das Miniaturchakram an der Kette nachdenklich. “Wenn überhaupt, gehört er Axel.” “Mir?”, ruft Axel verwundert und versucht, mir den Anhänger wieder wegzunehmen. Ich halte ihn über meinen Kopf und wehre Axel mit der anderen Hand ab. “Wenn diese Schlüsselanhänger nicht alle mir gehören würden.”, füge ich ruhig hinzu. “Er gehört mir!”, schreit Roxas wieder und ballt die Hände zu Fäusten. “Er wollte ihn mir schenken!” “Wer?”, frage ich überrascht. Das meinte ich. Manchmal sagt er Dinge, die er eigentlich nicht wissen kann, aber er kann sich selbst nicht erklären, woher er diese Dinge weiß. Genau wie jetzt. Ich sehe zu, wie Roxas versucht zu antworten, dann aber verwirrt wieder den Mund zuklappt und zu Boden sieht. Er sagt nichts mehr, sondern dreht sich einfach um und läuft davon. “Wasn jetzt los?”, fragt Axel verwirrt, während Namine sofort aufspringt und ihrem Zwilling folgt. Ich seufze wieder. “Nichts.”, antworte ich und lege ihm eine Hand auf die Schulter. “Ich rede mit ihm. Solltest du nicht schon lange zuhause sein? Kairi macht sich bestimmt Sorgen.” “Ist Roxas böse auf mich?”, fragt er erschrocken, packt meine Hand und sieht mich flehend an, seine hellen, mandelförmigen Augen weit aufgerissen. “Er darf nicht böse auf mich sein! Ich wollte nicht...” “Ich weiß. Es ist nicht deine Schuld.”, antworte ich sanft und tätschle ihm den Kopf. Meine Güte, er scheint über Nacht wieder gewachsen zu sein... “Keine Sorge, er ist nicht böse auf dich. Wohl eher auf mich. Geh nach Hause.” “Aber...” “Axel!” Ich hebe drohend einen Zeigefinger. “Aber...” “Sora hat recht, Kleiner.”, meldet sich plötzlich Riku zu Wort. Irgendwie schafft er es immer wieder, sich unbemerkt anzuschleichen. “Ihr seht euch morgen wieder. Kairi wartet bestimmt schon auf dich.” Er umarmt mich kurz und küsst mich zur Begrüßung. “Ich bringe ihn nach Hause, okay?” Ich lächle ihn an und nicke. Ich weiß nicht, wie er das macht, aber irgendwie scheint Axel mehr auf ihn zu hören als auf Kairi oder mich. Nicht, dass der Kleine ein Problemkind wäre, wie wir es eigentlich insgeheim befürchtet hatten. Nein, er ist nur manchmal etwas... stur. Und manchmal auch etwas aufbrausend, aber er ist im Großen und Ganzen recht gut erzogen. Manchmal prügelt er sich mit anderen Kindern, aber nur, um die Zwillinge zu verteidigen, die oft von älteren Kindern gehänselt werden. Und selbst hier verlegt er sich immer öfter darauf, sich mit Worten zu wehren anstatt mit den Fäusten, oft mit Erfolg. Viele Kinder lassen sich von seinen scharfzüngigen, oft erstaunlich erwachsen wirkenden Antworten verunsichern. Er ist ein guter Junge, so wie Riku es ihm immer wieder sagt. “Danke.”, antworte ich, und Riku lächelt müde. Er kommt in letzter Zeit immer spät nach Hause. Seit er sein Studium abgeschlossen hat, arbeitet er in einer Forschungsgruppe an der hiesigen Universität, an einer Studie über die Korruption der Persönlichkeit durch Macht oder so etwas. Jedenfalls hat er sehr viel mit den alten Forschungsarbeiten von Ansem... Xehanort zu tun, und natürlich hat er in der Beziehung seinen Arbeitskollegen einiges voraus. Riku legt eine Hand auf Axels Schulter und führt den schmollenden Jungen hinaus, der immer wieder nervöse Blicke in die Richtung wirft, in die Roxas verschwunden ist. Ich werfe den Schlüsselanhänger in die Luft und fange ihn wieder auf, wieder die kleinere Ausgabe der Waffe betrachtend, die Axel früher benutzt hat. Seltsam. Dass Roxas Sternentreue und Memoire als sein Eigentum betrachtet, ist ja auch irgendwie verständlich. Irgendwann werde ich sie ihm ohnehin überlassen, aber jetzt ist er noch zu klein dafür. Aber Flammenfesseln? Er scheint sich also doch an seine Freundschaft zu Axel zu erinnern. Ich klopfe vorsichtig an die Tür zu seinem Zimmer. “Nein!”, kommt sofort die laute Antwort. “Roxas?”, rufe ich dennoch. “Kann ich rein kommen?” “Nein hab ich gesagt!”, schreit er wütend. “Geh weg!” Ich öffne trotzdem die Tür und schließe sie leise hinter mir. Roxas sitzt auf seinem Bett, Namine neben ihm, und sie hält seine Hand. Er hat offensichtlich geweint, seine Augen sind ganz rot, und er wischt sich schniefend mit einer Hand immer wieder über die Augen. Ich bleibe eine Weile stumm. Das wirkt am besten. Roxas lässt sich nur helfen, wenn er zu erzählen beginnt, was ihn bedrückt. Fragt man ihn, zieht er sich nur noch mehr zurück. Also schweige ich. Für eine Weile hört man nichts außer Roxas’ leises Schniefen hier im Zimmer. “Warum habe ich das gesagt?”, fragt er schließlich verzweifelt. “Ich habe den Anhänger gesehen, und ich... ich... wollte ihn einfach haben und... dann...” Wortlos trete ich näher und schnappe mir eine Schachtel mit Taschentüchern auf dem Nachttisch. Ich gebe ihm eines, und Roxas putzt sich laut die Nase. Wie soll ich einem siebenjährigen Jungen erklären, dass der Anhänger in einem früheren Leben seinem besten Freund gehört hat, der für mich gestorben ist? Er würde es nicht verstehen. Aber es wird zunehmend schwieriger. Er erinnert sich nicht, und irgendwie erinnert er sich doch. Dass Axel sich nicht erinnern zu können scheint, macht es nicht leichter. “Ist schon gut, Roku.”, sage ich leise und nehme ihn in den Arm. Dabei fällt mir der Anhänger aus der Hand, und Namine hebt ihn hoch. “Das... kenne ich.”, sagt sie langsam, und sie hebt ihren Zeichenblock vom Boden auf, blättert darin etwas herum. Roxas und ich beobachten sie dabei, und mir wird zunehmend unwohler. “Hier!”, ruft sie schließlich und zeigt uns eine Zeichnung. Das hatte ich befürchtet. Sie erinnert sich also auch, ohne sich zu erinnern. Das Bild zeigt Sternentreue und Memoire, gekreuzt über einem von Axels Chakrams. Das Chakram steht in Flammen, während Memoire in Schatten und Sternentreue in Licht gehüllt sind. Feuer, Licht und Schatten verbinden sich zu einem seltsamen Muster, und im Hintergrund sieht es aus, als würden sich zwei Hände nacheinander ausstrecken, ohne sich zu berühren. Es ist außergewöhnlich realistisch gezeichnet, selbst der metallische Glanz der Schlüsselschwerter und des Chakrams sind sichtbar. Die Hände wirken lebensecht, eine sehr schlank und in einem schwarzen Handschuh, die andere etwas kleiner, mit mir äußerst bekannten Schmuckbändern an zwei Fingern, eines weiß, eines schwarz. Roxas beginnt beim Anblick des Bildes zu weinen, und Namine lässt es betroffen wieder sinken. “Oh, es tut mir so leid, Roku!”, ruft sie und nimmt wieder seine Hand. “Gefällt es dir nicht? Ich werfe es weg wenn du...” “Nein!”, unterbricht er sie heftig, aber er klammert sich nur noch fester an mir fest. “Aber... ich...” “Warum weinst du, Roku?”, frage ich ihn sanft. “Ich weiß es nicht!”, wimmert er, sein kleines Gesicht in meiner Jacke vergrabend. “Ich kann mich nicht erinnern! Ich... ich... weiß nicht... Ich weiß nicht, wie seine Augen ausgesehen haben, Sora!” Oje. Diese Diskussion hatten wir doch schon einmal... “Grün.”, antworte ich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. “Seine Augen waren grün.” “Er... er wollte mir Flammenfesseln schenken.”, schluchzt er verzweifelt. “Aber ich wollte es nicht. Ich bin einfach gegangen, und er... und... er hat... Ich kann mich nicht an ihn erinnern, aber er war wichtig ... und...” Er bringt keinen zusammenhängenden Satz mehr heraus, und er gibt bald auf und weint sich an meiner Schulter aus. Auch Namine beginnt zu weinen, und ich nehme auch sie in den Arm. Sie weinen beide, bis sie vor Erschöpfung einschlafen, und ich beobachte sie, wie sie unruhig schlafen. Ob sie von ihren früheren Leben träumen? Ob sie wirklich alles vergessen haben? Obwohl Roxas sich scheinbar immer wieder erinnern kann, und nun auch Namine erste Anzeichen zeigt, sind Szenen wie diese eher unüblich. Roxas war noch nie so aufgelöst deswegen wie heute. Meist ist er einfach verwirrt und wird deswegen wütend, meist auf Axel, hat aber einige Stunden später alles wieder vergessen. Wenn man ihn dann darauf anspricht, sieht er einen nur mit diesem unschuldigen, ahnungslosen Blick an und beteuert, dass er nicht weiß wovon man spricht. Keine Ahnung ob er es wirklich vergisst oder ein guter Lügner ist. Ich bete jedesmal, dass er wirklich vergisst. Denn wenn nicht, muss es sehr schmerzhaft für ihn sein. Was soll ich nur sagen? Wie soll ich ihm erklären, dass dieser wichtige Mann auch jetzt hier ist? Dass dieser Mann, an den Roxas sich so verzweifelt zu erinnern versucht, ihn ebenfalls vergessen hat? Was soll ich nur tun? Ich schlafe diese Nacht nicht. Irgendwann kommt Riku zurück, sieht vorsichtig in das Zimmer, und ich schließe die Augen und tue so, als wäre ich mit den Zwillingen eingeschlafen. Ich höre, wie die Tür sich wieder schließt, und dann öffne ich die Augen wieder, sehe zum Fenster hinaus und betrachte den Mond, während ich sanft Roxas’ Haar streichle. Er bewegt sich immer wieder unruhig, es scheint, als hätte er einen Alptraum. Irgendwann, als bereits der Morgen dämmert, schläft er tief und fest ein. Ich möchte ihn nicht aufwecken, darum bin ich besonders vorsichtig, als ich aufstehe. Roxas und Namine kuscheln sich sofort aneinander, und ich decke sie vorsichtig zu. Riku ist bereits wach. Er schläft nie besonders lange, obwohl er erst gegen zehn zu arbeiten beginnt. Ich finde ihn auch jetzt bereits in der Küche, wo er über einer Tasse dampfenden Kaffee und einem seiner Berichte brütet. Er sieht sofort auf, als ich den Raum betrete. “Hey.”, begrüßt er mich, und das Lächeln auf seinem Gesicht wirkt besorgt. “Ich bin okay.”, sage ich leise und hole mir meine eigene Tasse Kaffee. “Roxas kann heute zuhause bleiben, wenn er will.” “Okay.” Riku sieht mich über den Rand seiner Tasse hinweg an. “Was war gestern los?” “Roxas hat wieder einen meiner Schlüsselanhänger gestohlen.”, antworte ich. “Sternentreue oder Memoire?”, fragt Riku lächelnd. “Flammenfesseln.”, erwidere ich, und Riku runzelt verwirrt die Stirn. “Er... hat sich an Axel erinnert. Aber er weiß nicht...” Ich lache kurz auf, obwohl mir gerade so gar nicht danach zumute ist. “Er sagt, jemand, der ihm sehr wichtig ist, wollte ihm den Anhänger schenken, aber er hat ihn abgelehnt. Und... er hat... keine Ahnung, dass dieser wichtige Jemand näher ist, als er denkt.” “Es ist seltsam.”, erwidert Riku nachdenklich. “Warum kann Axel sich nicht erinnern? Seit dieser Meldung über die Schlösser der Niemande hat er nichts dergleichen mehr angedeutet...” “Vielleicht die Rache, weil Roxas ihn damals vergessen hat.”, antworte ich bitter und reibe mir müde die Augen. Mist. Die Prüfung heute kann ich wohl abhaken. “Wir sollten mit ihnen darüber reden.”, meint Riku, und ich schüttle nur müde den Kopf. “Sie sind noch zu klein.”, widerspreche ich, aber jetzt ist es Riku, der den Kopf schüttelt. “Das denkst du nur, weil die Zwillinge deine Geschwister sind.”, sagt er sanft, und ich seufze tief. “Irgendwann müssen wir es ihnen sagen.” “Irgendwann, ja. Aber nicht, solange Roxas der einzige ist, der sich erinnern kann. Es wäre nicht fair ihm gegenüber.”, entgegne ich etwas gereizt, und Riku kennt mich gut genug, um das Thema auf sich beruhen zu lassen. Er steht auf und geht herüber zu mir, nimmt mich in den Arm und küsst sanft meine Stirn. Ich lehne mich an ihn und schließe die Augen, atme seinen vertrauten Duft ein und lausche seinem Herzschlag. Es gibt nichts Beruhigenderes für mich in solchen Situationen, und das weiß er ganz genau. “Dann lass uns hoffen, dass Roxas sich auch diesmal nicht mehr erinnern kann.”, höre ich ihn flüstern, und ich nicke nachdenklich. Ja. Hoffentlich vergisst er wieder... ... Doch insgeheim wünsche ich ihnen, dass sie beide sich wieder erinnern können, und ich hasse mich dafür. Sie haben so viel durchgemacht, Roxas und Axel, und niemand sollte sich an solche Dinge erinnern müssen, aber dennoch... dennoch glaube ich, dass ihnen etwas Wichtiges gestohlen wurde, die Erinnerung an ihre Freundschaft. Die Gefühle, die sie füreinander hatten, müssen stark gewesen sein. Ich wünschte, sie könnten sich daran erinnern, auch wenn damit all die schlimmen Erinnerungen wiederkommen würden, und ich schäme mich dafür, den Kindern etwas so Grausames zu wünschen. Ich beginne zu weinen, um Roxas, um Axel, um ihre verlorenen Erinnerungen, um ihre verlorene Freundschaft, und fühle mich noch schlechter deswegen, und Riku hält mich fest, ohne zu fragen. Teil 7 - Roxas -------------- Teil 7 – Roxas: Dieser... dieser... Ich hasse ihn, diesen verdammten Angeber! Verflucht! Dort steht er und flirtet schamlos mit dieser... dieser... wunderschönen, langbeinigen, vollbusigen Blondine aus seiner Klasse, mit der er seit etwa einem Monat etwas hat... keine Ahnung, ob man dieses ’etwas’ eine Beziehung nennen kann... Wie hieß sie gleich? Mistkerl. Versetzt mich einfach wegen diesem... Flittchen! Fuck, das klang vielleicht eben schwul... “Weißt du... wenn Blicke töten könnten, wären die Überreste eines gewissen Rotschopfs bereits rauchend an der Mauer dort drüben verteilt.”, meint Namine neben mir und nimmt einen kleinen Schluck von ihrem Milchshake. “Ich bin nicht eifersüchtig!”, schnappe ich sofort und erröte, als mir klar wird, was ich gerade gesagt habe. “Habe ich niemals behauptet.”, behauptet sie süffisant grinsend und nimmt einen weiteren Schluck. Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt! Was ist nur los mit mir? Und warum ist plötzlich alles so... verschwommen? Ich blinzle, und plötzlich fühle ich etwas Warmes, Nasses von meinen Augen tropfen. Oh, Mist. “Roku?” Namine legt mir eine Hand auf den Arm. Sie hört sich besorgt an. “Ich bin okay.”, flüstere ich und sehe auf meine Hände hinunter. Wann habe ich sie eigentlich zu Fäusten geballt? Namines Griff um meinen Arm wird fester, und ich nehme ihre Hand und ziehe sie sanft weg. Sie weiß doch genau, was los ist. Sie ist die einzige, die es weiß. Manchmal denke ich, sie wusste es schon vor mir. “Ich fühle mich nicht gut.”, sage ich und stehe auf, hebe meinen Rucksack auf und lächle meine Zwillingsschwester an. Sie lächelt zurück, aber sie sieht dabei sehr traurig aus. “Ich verstehe.”, erwidert sie sanft, und sie ist auch die Einzige, der ich das glaube. Außer Sora. Er würde es auch verstehen, wenn er nur Bescheid wüsste. Tante Kairi hat mir einmal erzählt, wie das zwischen meinem Bruder und Onkel Riku abgelaufen ist. Sie beide würden es verstehen, wenn ich es ihnen nur erzählen könnte... “Geh nach Hause. Leg dich hin.”, fügt Namine hinzu und küsst sanft meine Wange. Ich vertraue meiner Stimme nicht mehr, deshalb nicke ich einfach. Ich schnappe mein Skateboard und will gerade vom Strand verschwinden und zum Weg hinauf laufen, als jemand seinen Arm um meine Schultern legt. “Hey, Süßer, wohin so eilig?”, flüstert er mir ins Ohr, und ich möchte am liebsten schreien vor Frustration. Warum tut er das? Warum tut er das immer wieder? Warum muss er immer so ein Arschloch sein? “Lass mich in Ruhe, Axel.”, wispere ich heiser, und ich wage es nicht, ihn anzusehen. Er würde die Tränen sehen und mich wieder deswegen aufziehen. Oder, schlimmer, er würde nett zu mir sein. Er würde mir Hoffnung machen. “Ich weiß, ich bin spät dran.”, lacht er und zerzaust mir das Haar, so wie er es immer tut. “Hatte noch was zu erledigen. Also, was lernen wir heute? Mathe, richtig?” “Chemie.”, erwidere ich kaum hörbar. Er nickt, lässt mich los und setzt sich neben Namine. Ich kann nicht anders, ich muss ihn einfach anstarren. Er ist ziemlich groß für seine sechzehn Jahre, und so dünn, dass ich mir daneben fett vorkomme. Dabei bin ich eigentlich sehr zierlich gebaut, obwohl ich viel Sport treibe. Er ist einfach dürr. Aber es ist nicht wie bei anderen Jungs, er sieht nicht linkisch aus oder so. Er ist einfach sehr schlank und sehnig, aber es... passt zu ihm. Heute trägt er sein Haar offen. Das macht er nicht oft. Es steht ihm, finde ich. Seit neuestem schminkt er sich auch, zumindest die Augen. Damit die Augen zu den Tattoos passen, die er sich neulich zugelegt hat, sagt er. Ich weiß nicht, warum Tante Kairi es ihm erlaubt hat, aber er hat jetzt Tätowierungen auf den Wangen, die aussehen wie umgedrehte Tränen. Inzwischen sind sie wieder verheilt, und die dunklen Tattoos heben sich deutlich gegen seine blasse Haut ab. Er wird nie braun, egal wie oft er draußen ist. Er lächelt Namine an, und die Tränen kehren zurück. Sein Lächeln... es verfolgt mich in meinen Träumen, aber er lächelt niemals mich so an. Wenn er mich ansieht, ist es immer mehr ein verschmitztes Grinsen als ein richtiges Lächeln. Weil ich ja nur... sein Freund bin. Namine lächelt er an, als wäre sie seine Schwester. Sora lächelt er an, als wäre er sein Bruder. Wenn er Kairi, seine ’Ersatz-Mom’, anlächelt, strahlt er regelrecht. Und Riku, seinen ’Ersatz-Dad’, sieht er an, als würde er ihn anbeten. Ich bin nur ein Freund. Ich bin keines seiner Lächeln wert. Und trotzdem klopft mein Herz jedesmal schneller, wenn ich dieses Lächeln sehe. Weil seine Augen dann noch mehr strahlen als sonst, und wenn sie das tun, erinnert er mich an... ... an ihn. “Chemie, wie?”, fragt er und schnappt sich Namines Buch, das noch auf dem Tisch liegt, an dem wir gesessen haben. Namine lächelt zurück, aber dann wirft sie mir einen besorgten Blick zu. “Ja, aber ich denke, Roxas fühlt sich nicht besonders...”, murmelt sie, und Axel hebt fragend die Brauen. Und dann sieht er mich an. Und dann... Ich verliere mich in seinen Augen, wie immer. Ich betrachte diese merkwürdigen Tätowierungen auf seinen blassen Wangen, wie immer. Ich bestaune die anmutige Art, wie er sein feuerrotes Haar zurück streicht, wie immer. Und wie immer und immer und immer wieder erinnert er mich an jemanden, an den ich mich einfach nicht erinnern kann! Er lacht, und ich erinnere mich... beinahe. Er redet, und ich erinnere mich... nicht ganz. Er lächelt, und ich erinnere mich, dass er mich so angelächelt hat, früher... obwohl es nicht stimmt! Er ist wichtig. Er war einmal der wichtigste Mensch in meinem Leben, aber ich kann... ich kann mich einfach nicht erinnern... Und... und jetzt... Ich... ich... I-Immer öfter... Immer öfter ertappe ich mich dabei, wie ich Axel beobachte. Richtig beobachte. Ich beobachte, wie das Sonnenlicht sein ungewöhnlich gefärbtes Haar glänzen lässt, und wie er sich mit einer Hand durchs Haar streicht, und wie er immer an seinem Stift knabbert, wenn er lernt, und wie er mit seinem Feuerzeug spielt, wenn er nachdenkt... Wie er lautlos zu seiner Musik mitsingt, wie seine blassen, dünnen Lippen sich bewegen, wenn er das tut... Ich beobachte Axel, und ich habe Angst, ihn zu vergessen. Es ist verrückt. Axel war es erst, der mich an ihn erinnert hat, aber seit zwei Jahren... denke ich immer öfter über Axel nach, nicht über diesen geheimnisvollen Fremden, der einmal meinen Lebensinhalt darstellte. Und an den ich mich nie erinnern kann. Es ist verwirrend, und es tut weh, und ich kann nichts dagegen tun. Einfach nichts. Ich bin dabei, mich in meinen besten Freund zu verlieben. Und darüber jemanden zu vergessen, an den ich mich nie erinnern konnte. Und es ist furchtbar. Es ist höllisch, es zerreißt mir das Herz. Dieses verräterische, verfluchte Herz. Hätte ich doch bloß keines! “Roxas?” Und jetzt sieht er mich wieder an, und er wirkt so besorgt, dass ich ihn am liebsten umbringen würde. Das ist er. Das ist dieser verdammte Blick. Als würde er... als würde er sich wirklich Sorgen um mich machen. Als würde er mich nicht ständig wegen irgendwelcher schöner Mädchen versetzen. Als würde er mich wenigstens... mögen. “Hey, Süßer!”, ruft er, und ich fühle lautes Schreien in meiner Kehle hoch kriechen. Ich hasse es, wenn er mich so nennt. Weil ich es liebe, wenn er das tut. Weil er mich verrückt macht. Und weil er mir immer, immer wieder Hoffnung macht. Er steht wieder auf, und er streckt eine Hand nach mir aus, und ich schlage eine Hand vor meinen Mund, um nicht laut zu schreien. Er sieht besorgt aus, so besorgt. Mir wird übel... Mir ist schwindlig, mir ist kalt, und ich möchte so laut schreien, dass es mir die Kehle zerreißt. Ich starre ihn eine Sekunde lang an, starre in wunderschöne, smaragdgrüne Augen und kann beinahe hören, wie mein Herz bricht. Dann wirble ich herum, laufe hinauf zum Weg und knalle mein Skateboard auf den Asphalt, springe darauf und rase davon, ohne auf Axel zu achten, der meinen Namen ruft. Es ist ein Wunder, dass ich heil zuhause ankomme. Tränen verschleiern mir die Sicht, aber irgendwie schaffe ich es dennoch, den Leuten auf den Gehwegen auszuweichen. Diesmal lasse ich das Skateboard einfach im Garten vor dem Haus liegen und laufe hinein, knalle die Tür hinter mir zu. “Roxas?” Ich wirble herum, und sehe Sora aus der Küche treten. Onkel Riku lugt auch um die Ecke, und ich rieche Essen. Oh, nicht doch. Die beiden haben heute ihren freien Tag, ich und Namine sollten eigentlich bei Tante Kairi übernachten... Eigentlich wollten wir doch mit Axel nach Hause... “Roxas?”, sagt Sora wieder, und jetzt legt er sanft eine Hand auf meine Schulter. Er ist jetzt zweiunddreißig, sieht aber keinen Tag älter aus als fünfundzwanzig. Die wenigsten Leute glauben, dass wir Brüder sind, obwohl mir immer wieder gesagt wird, dass ich aussehe wie Sora in meinem Alter. Und trotz des großen Altersunterschieds ist Sora eigentlich mein bester Freund... nach... Axel. “T-Tut mir... Tut mir leid.”, stammle ich und weiche zurück, taste nach der Tür. “Ich wollte nicht... Ich... Tut mir leid, ich bin schon weg, ich wollte nicht stören, ich... Oh Sora, es tut mir...” “Hey, schhhh, ist schon gut.”, versucht Sora mich zu beruhigen, aber ich verstehe ihn gar nicht richtig. “Nein, ich wollte wirklich nicht...”, versuche ich es wieder, und jetzt legt er mir einfach eine Hand über den Mund. “Ist schon gut.”, wiederholt er. “Ist schon gut, Roku. Was ist los?” Ich sehe ihn an, und da ist nichts als reines Verständnis in seinen blauen Augen. Ich will mich entschuldigen, aber die Worte sind einfach nicht mehr da. Ich sehe über seine Schulter hinweg, und Onkel Riku sieht mich genauso an wie Sora. Genauso verständnisvoll. Keine Spur von Ärger. Wie können sie nur so ruhig bleiben? Ich habe ihnen ihren freien Tag versaut! Mein Blick wandert zwischen ihnen hin und her, und irgendwann, als Sora wieder so sanft meinen Namen sagt, breche ich weinend zusammen. Sora fängt mich auf und hält mich fest während ich mich an ihm fest klammere und laut schluchze. Meine Augen brennen, ich kriege beinahe keine Luft, aber am schlimmsten schmerzt mein blutendes Herz. Nach einer Weile hebt Sora mich einfach hoch und trägt mich nach oben. Riku folgt uns leise, öffnet die Tür zu meinem Zimmer. Sora setzt mich auf mein Bett und setzt sich neben mich, und Riku lässt sich auf der anderen Seite nieder. Sie bleiben beide bei mir, während ich mir die Augen aus dem Kopf heule, und sie sagen kein Wort, fragen nicht nach dem Grund. Sie sind auch noch da, als ich völlig erschöpft in einen tiefen Schlaf falle. Als ich wieder aufwache, sind die beiden verschwunden. Jemand hat mich zugedeckt, und auf dem Nachttisch neben meinem Bett stehen ein Glas Wasser und ein Teller mit meinen Lieblingskeksen. Obwohl mein Kopf höllisch weh tut, muss ich lächeln. Ist ja gut gemeint, aber im Moment ist mir so gar nicht nach Essen zumute... Ich setze mich auf und schließe einen Moment lang die Augen. Ich kann nicht lange geschlafen haben, denn durch das Fenster fallen gerade die letzten Sonnenstrahlen. Die Sonne färbt das Meer rot, und für einen kurzen Moment ist mir wieder nach Weinen zumute. Aber diesmal unterdrücke ich die Tränen und stehe auf. Oh Mann, mein Kopf... Müde greife ich nach dem Glas Wasser und stürze es in zwei, drei großen Zügen hinunter, was die pochenden Kopfschmerzen zu neuen Höchstleistungen anzustacheln scheint. Mir die Augen reibend gehe ich zur Tür und öffne sie... und bleibe wieder stehen, als ich Stimmen aus dem Wohnzimmer höre. “Und warum kann ich nicht zu ihm?” Etwas zornig, sehr verwirrt, ein bisschen flehend. Axel. “Weil du dich heute ziemlich daneben benommen hast, du Idiot.” Ungewöhnlich zornig, trotzdem zurückhaltend. Namine. “Was habe ich getan? Ich habe den ganzen Tag nichts gesagt, was...” Mehr Verwirrung, weniger Zorn. “Genau darum geht es!” Mehr Zorn, weniger Zurückhaltung. “Du hast ihn den ganzen Tag ignoriert! Ihr wolltet heute gemeinsam zu Mittag essen, und nach der Schule wollten wir gemeinsam lernen, und du hast ihn einfach versetzt! Wie schon den ganzen verdammten Monat! Seit du mit dieser Jessie zusammen...” “Wowowow, mal ganz langsam!” Wieder etwas zorniger. “Das mit Jessie war nach zwei Tagen wieder vorbei!” “Ach? Warum verbringst du dann noch immer...” “Ich bin einfach nett zu ihr! Wir sind Freunde, nichts weit-” “Ach? Und ist Roxas etwa nicht dein Freund?” “Was? Er ist mein bester Fr-” “Und warum verbringst du dann mehr Zeit mit ihr als mit ihm?” “Das tue ich doch gar...” “Oh doch, das tust du! Genau das tust du! Was war denn Samstag, als ihr euch beim Skatepark treffen wolltet und du den ganzen Tag nicht aufgetaucht bist? Oder vor zwei Tagen, als wir Essen waren und du einfach mit Jessie und ihren Freunden abgehauen bist, als sie aufgetaucht sind? Oder gestern, als du zehn Minuten nachdem der Film angefangen hatte angerufen hast, um abzusagen, weil du mit Jessie lernen musstest? Roxas musste sich den Film allein ansehen!” “Moment, ich habe zehn Minuten vorher angerufen, und er hat gesagt es macht ihm nichts aus!” “Natürlich hat er das gesagt! Weil er nicht so ein Egoist ist wie du!” “Das reicht, Namine.”, mischt sich Sora schließlich ruhig ein. “Lass ihn in Ruhe.” “Nein! Er tut Roxas weh...” “Ich will ihm doch gar nicht...” “Warum tust du das? Was hat er dir getan? Willst du dich für irgendetwas rächen?” “Wovon redest du?” “Namine, geh auf dein Zimmer.” Wieder mischt sich Sora ein, und noch immer klingt seine Stimme ruhig. Aber jetzt höre ich eine gewisse Schärfe darin. “Aber...”, versucht Namine zu widersprechen. “Sofort!” Dieses eine Wort ist scharf wie ein Peitschenschlag. So habe ich Sora noch niemals gehört... Er klingt so ernst, das passt gar nicht zu ihm. Auch Namine scheint das zu bemerken, denn sie verstummt. Ich kann mir deutlich vorstellen, wie sie Sora verblüfft anstarrt. Dann höre ich Schritte, die rasch näher kommen. Gleich darauf läuft Namine um die Ecke, sich wütend mit beiden Händen über die Augen wischend. Sie sieht mich gar nicht, läuft einfach an mir vorbei in ihr eigenes Zimmer und knallt die Tür hinter sich zu. Oh nein... das ist alles meine Schuld... Verdammt... Einen Moment überlege ich, ob ich ihr folgen soll, aber dann zieht es mich doch zur Treppe. Ich setze mich oben auf die Stufen und sehe nach unten. Natürlich fällt mein Blick als erstes auf grellrotes Haar. Axel sitzt auf dem Sofa und hält sich den Kopf. Er sieht niedergeschlagen aus. Einem kleinen, rachsüchtigen Teil von mir gefällt es, ihn so zu sehen. Aber der bei weiterem größere Teil will dort hinunter gehen und ihm sagen, dass ich ihm nicht böse bin, auch wenn es nicht stimmt. So ist es immer. Immer lächle ich ihn an und entschuldige mich, selbst wenn ich ihn am liebsten umbringen würde. Ich habe immer Angst, ich könnte ihn verletzen, und das will ich nicht. Aber jetzt... Alles, was Namine gesagt hat, ist wahr. Die letzten Wochen hat er mich ständig wegen Jessie versetzt, und das tut weh. Und jetzt hat Sora seinetwegen Namine angeschrien, und das ist noch viel schlimmer. Sora schreit niemals. Namine auch nicht. Heute haben sie es beide getan, und alles nur meinetwegen. Weil ich mich verliebt habe, und zwar in einen Mann, und zu allem Überfluss in einen, den ich niemals haben kann. Meine Geschwister sind beide wütend, weil ich meine Gefühle nicht unter Kontrolle habe. Das muss aufhören. Sora läuft im Wohnzimmer auf und ab, finster vor sich hin brütend. Riku und Kairi sitzen Axel gegenüber und beobachten abwechselnd Axel und Sora. “Hab... Habe ich wirklich... Habe ich Roxas wirklich...”, sagt Axel schließlich langsam, aber er wird sofort unterbrochen. “Ob du Roxas weh getan hast?”, zischt Sora, und Axel zuckt zusammen und sieht ihn an. Selbst über diese Entfernung kann ich sehen, dass seine hellen Augen seltsam glänzen und sein Make-up verschmiert ist. “Ja, das hast du.”, fährt Sora fort, ohne ihn anzusehen. “Du hast ihn beinahe die ganze letzte Woche ignoriert, was hast du erwartet? Dass es ihm egal ist?” “Er hat nie etwas gesagt!”, protestiert Axel, und er klingt etwas unsicher. “Natürlich hat er das nicht.”, entgegnet Sora finster. “Er ist ja auch mit Sora verwandt.”, murmelt Riku. Axel starrt ihn völlig entgeistert an, und zu meinem Erstaunen sehe ich eine Träne eine dunkle Spur aus Mascara auf seiner blassen Haut hinterlassen. “Findest du das witzig?”, fragt er und wischt sich mit dem Handrücken über die Augen. “Wie kannst du Witze darüber machen? Roxas ist wütend auf mich, und ihr lasst mich nicht zu ihm, und...” “Hört auf.”, sagt Kairi leise, und tatsächlich verstummen alle drei Männer sofort. “Wir sollten morgen darüber reden.” “Aber...”, versucht Axel zu widersprechen, aber ein einziger Blick von ihr bringt ihn zum Schweigen. “Besonders du solltest ihm heute nicht mehr zu nahe kommen, Aku.”, sagt Kairi und schüttelt den Kopf, als er wieder etwas sagen will. “Er ist wohl gerade ziemlich aufgeregt... Du bist auch aufgeregt, Sora macht sich Sorgen um seine Geschwister und will wohl gerade nach ihnen sehen, und wenn Sora sich Sorgen macht, dann macht sich Riku auch Sorgen. Und ich mache mir Sorgen um dich, Aku. Du solltest vielleicht erst darüber schlafen, ehe du mit Roxas sprichst. Lass ihm doch ein wenig Zeit, und denk darüber nach, was Namine gesagt hat. Du wirst sehen, morgen sieht es nicht mehr so schlimm aus.” “Aber...”, flüstert Axel wieder, und diesmal klingt seine Stimme viel erstickter als vorher. “Aber ich...” Ein leises Schluchzen entkommt ihm nun doch, und sofort werden Soras und Rikus Blicke weicher, und Kairi setzt sich nun neben ihn und nimmt Axel in den Arm. “Ich... ich will nicht... dass er böse auf mich ist, Kairi... Ich weiß, ich habe Mist gebaut, aber ich ertrage es nicht, wenn er... wenn er... I-Ich ertrage es nicht, w-wenn er m-mich wieder so ansieht...” Oh... Oh nein... Ich wollte nicht... Ich will ihm doch nicht weh tun, ich... “Ich bin...”, höre ich jemanden sagen, und als plötzlich alle mich anstarren, merke ich, dass es wohl ich war. Okay. Ich kann genauso gut wieder lügen. Alles, damit es ihm nur besser geht. Ich halte das nicht aus. “Ich bin nicht böse.”, vervollständige ich den Satz und lächle, obwohl mir nicht danach zumute ist. Ich kann Axel nicht einmal ansehen. Wie er mich anstarrt... Sein Make-up ist verschmiert, seine Augen sind etwas gerötet, und trotzdem... und trotzdem lässt sein Anblick mein Herz schneller schlagen. “Ich bin nicht böse, Axel.”, flüstere ich noch einmal und stehe auf. “Wir sehen uns morgen in der Schule, okay?” Ohne eine Antwort abzuwarten drehe ich mich um und gehe. Ich sollte aufhören, es überhaupt zu versuchen. Ich werde niemals mehr für ihn sein als ein Freund. Und als ein Freund sollte ich für ihn da sein, und nicht immer so klammern. Ich sollte ihm seine Freiheit lassen. Ich kann das. Soll er sich doch mit dieser Jessie treffen. Ich habe auch andere Freunde als ihn. Ja, ich sollte ihn... einfach... gehen... lassen... Ich sollte nach Namine sehen. Ihr geht’s bestimmt nicht gut. Teil 8 - Axel ------------- Teil 8 – Axel: Was ist nur los mit mir? Ich fühle mich furchtbar. Ich habe letzte Nacht nicht geschlafen, ich bin müde, mein Kopf tut weh. Und Roxas ist nicht da. Ja, genau. Ich brauche meinen Roxy-Teddybär, damit ich mich wieder besser fühle. Mein Gott, bin ich eine Memme. Es ist furchtbar. Ich habe Mist gebaut. Alles, was Namine gestern gesagt hat, stimmt. Ich habe Roxas in den letzten Wochen vernachlässigt, und ich sollte mich bei ihm entschuldigen... Scheiße, ich will mich ja entschuldigen, aber... Ja, genau, er ist nicht da! “Hey, Ax!”, ruft jemand hinter mir, und ich werfe einen genervten Blick nach hinten. “Hey, Jess.”, antworte ich trotzdem und lächle dünn. Sie strahlt mich an und wirft ihr langes, goldblondes Haar zurück. Zum Teufel, warum treffe ich mich eigentlich noch mit ihr? Wir waren nur zwei Tage zusammen, und selbst da war mir nicht wohl dabei. Es war... als würde... ich jemanden hintergehen. Ich weiß auch nicht. Es war einfach nichts Ernstes. “Wartest du auf jemanden?”, fragt sie und setzt sich neben mich. Viel zu dicht neben mich. “Yep.”, antworte ich kurz angebunden und sehe weg. Bis ich etwas spüre... wie eine Hand... auf meinem Knie...? Was zum... “Soll ich dir Gesellschaft leisten?”, fragt sie und lächelt mich an, als ich sie böse ansehe. Fuck! Was soll das? “Was soll das, Jess?”, frage ich finster. Sie kichert, und die Hand auf meinem Bein wandert... etwas... höher... Bis ich sie packe und wegziehe. “Und lass das gefälligst!” “Was denn?” Und jetzt tut sie auch noch unschuldig! “Hör auf, mich anzubaggern!”, schreie ich und stoße sie weg von mir. Sie starrt mich verwundert an, ebenso wie sehr viele andere Leute an der Promenade. “Was?”, fragt sie und legt ihre Stirn in Falten. “Was ist los mit dir? Ich dachte... wir wären...” “Wir sind gar nichts.”, unterbreche ich sie finster. “Das hier hört auf, und zwar sofort!” “Ach, jetzt tust du plötzlich so, als wäre es dir unangenehm?”, faucht sie, aber sofort verschwindet der finstere Gesichtsausdruck und macht einem schmeichelnden Lächeln Platz. Und wieder beugt sie sich vor und versucht, eine Hand auf meinen Arm zu legen. “Aber Axel, du musst es doch auch spüren... Zwischen uns, da...” Ich fange ihre Hand ab und halte ihr Handgelenk fest. “Zwischen uns, da ist nichts mehr.”, sage ich so ruhig wie möglich. “Zwischen uns war nur zwei Tage irgendetwas, und selbst da bin ich mir nicht sicher, was es war. Aber wenn du denkst, wir hätten noch eine Chance, täuschst du dich. Und wir werden uns nicht wieder sehen, klar?” “Es ist wegen diesem Mädchen, nicht?”, fragt sie und starrt mich fassungslos an. “Wegen dieser blonden Göre, die dir ständig mit ihrem Bruder folgt...” “Namine?” Okay, das ist lächerlich. Ich lache kurz auf und lasse ihre Hand los, rutsche etwas von ihr weg. “Du spinnst.” “Oh doch!”, beharrt sie und rutscht wieder näher. Ich stehe auf und schnappe meine Büchertasche. “Du hast ständig zu ihr gesehen!” “Lächerlich.”, erwidere ich ruhig und grinse spöttisch. “Oh doch, du hast ständig in ihre Richtung gesehen!”, ruft sie wieder und springt nun ebenfalls auf. “So ein Quatsch...”, meine ich wieder, aber dann verstumme ich, und das Grinsen fühlt sich plötzlich falsch an. Nein, ich habe nicht zu Namine gesehen. Ich habe... ich habe Roxas angesehen. Roxas. Nicht Namine. Roxas. Aber... wie konnte ich dann nur übersehen, wie sehr es ihn verletzt hat, dass ich ihn ständig versetzt habe? Wie konnte ich... Warum habe ich ihn ständig versetzt? Wegen dieser Göre, die schon wieder versucht, mich anzufassen? “Lass das!”, zische ich wieder, und sie schreckt zurück, mit Tränen in ihren großen Augen. Es ist mir egal. Diese Tränen berühren mich gar nicht. Hundertmal schlimmer waren die getrockneten Tränen auf Roxas’ ungewöhnlich blassen Wangen, seine etwas geröteten Augen, als er gestern dort auf der Treppe gesessen hat. Und die Art, wie er gelächelt hat. Dieses Lächeln... es war so falsch... so... kalt... Jessie sagt irgendetwas, aber ich höre sie gar nicht. Ich drehe mich einfach um und gehe weg, ignoriere, wie sie wütend meinen Namen schreit, ignoriere, wie die Leute mich anstarren. Das einzige, woran ich denken kann, ist Roxas. Wie er mich angesehen hat, mit diesen großen, unglaublich blauen Augen, dem traurigen Lächeln. Verflucht. Vielleicht habe ich noch größeren Mist gebaut, als ich dachte... “Hey, Axel.”, ruft plötzlich jemand, und ich zucke zusammen. Oh, verdammt. “Hey.”, antworte ich kleinlaut und drehe mich zu Namine um, die mich etwas nervös anlächelt. Moment. Roxas ist nicht bei ihr. Roxas ist doch immer bei ihr... “Ich... wollte mich entschuldigen, für gestern.”, sagt sie und sieht zu Boden. “Ich wollte dich nicht so anschreien.” “Schon okay.”, antworte ich schief grinsend, noch immer nach ihrem Zwilling Ausschau haltend. “Schätze, ich hatte es verdient.” “Roxas ist nicht hier.”, meint sie sanft, als sie meinen suchenden Blick bemerkt. “Er sagt, es tut ihm leid, aber er hat noch etwas zu erledigen.” Was? Roxas hat noch nie eines unserer Treffen abgesagt! Soll das die Rache dafür sein, dass ich ihn in letzter Zeit vernachlässigt habe? ~Das ist nicht fair, er war es doch, der...~ Was? Nein, Roxas hat mir nichts getan, er... ~Er hat mich einfach zurückgelassen! Er hat nicht einmal zurück gesehen!~ Nein, er... er ist mein bester Freund, er... ~Er hat mich verraten! Er hat die Organisation verraten!~ Organisation? Verdammt, was... Ich schüttle den Kopf und starre Namine wieder an. Es fällt mir schwer, mich auf sie zu konzentrieren, aber irgendwie schaffe ich es doch. “Wie... geht es ihm?”, frage ich und verfluche dieses Zittern in meiner Stimme. Ich stopfe meine Hände in die Taschen meines Mantels, um deren Zittern vor Namine zu verbergen. Sie schweigt einen Moment, und mein Herz schlägt plötzlich langsamer. Sie wagt es nicht, mich anzusehen, als sie mir antwortet. “Schlecht.”, sagt sie schließlich. “Er versucht, es sich nicht anmerken zu lassen, aber... ich glaube, es geht ihm schlecht. Ich glaube, er... er ist sehr verletzt.” Meinetwegen. Nur meinetwegen. ~Er hat mich auch verletzt!~ Was? Nein, hat er nicht! “W-Wo... ist er?”, bringe ich irgendwie hervor, obwohl meine Stimme sich gar nicht mehr wie meine eigene anhört, so sehr schwankt sie. Namine sieht mich traurig an, und sie hebt eine Hand, um sanft über meine Wange zu streichen. Erst jetzt spüre ich die Feuchtigkeit auf meiner Haut, und wie verschwommen plötzlich alles aussieht. “Ich muss... ich muss mich entschuldigen. Wo ist er?” “Er will dich nicht sehen.”, erwidert Namine leise, und sie schreckt nicht einmal zurück, als ich sie am Arm packe. “Wo ist er?”, brülle ich wieder, und höre deutlich, wie meine Stimme am Ende bricht. “Ich muss mich bei ihm entschuldigen! Wo ist er, verdammt?” “Er will dich nicht sehen!”, wiederholt sie etwas schärfer. “Gib ihm wenigstens einen Tag Zeit! Er sagte du würdest dich ohnehin mit Jessie treffen, also könnte er genauso gut etwas anderes...” “Ich habe mich nicht mit Jessie... Ich wollte nicht...”, versuche ich zu widersprechen, aber sie unterbricht mich sofort. “Ich weiß.”, sagt sie zu meiner großen Überraschung. “Ich habe euch beide zwar gerade gesehen, aber ich weiß, dass du sie abgewiesen hast. Trotzdem ist es gut, dass Roxas es nicht gesehen hat. Es würde ihm das Herz brechen.” “Wo ist er, Nami?”, flüstere ich noch einmal flehend, aber sie schüttelt wieder den Kopf. “Ich wünschte, ich wüsste es.”, antwortet sie diesmal bekümmert. “Nach der Schule ist er mit ein paar Freunden weggegangen. Ich weiß nicht, vielleicht ist er auch schon zuhause, aber er...” “Ich weiß, dass er mich nicht sehen will, aber ich muss ihn sehen.”, wispere ich erstickt. Plötzlich wird mir kalt. Warum ist es so kalt? Namine nickt und lächelt mich an, dann umarmt sie mich kurz. “Such ihn.”, flüstert sie mir zu. “Du hast ihn immer gefunden.” Sie haucht mir einen Kuss auf die Wange, dann lässt sie mich wieder los. Und ich drehe mich um und laufe weg, so schnell ich kann. Ich finde mich vor seinem Haus wieder, ohne zu wissen, wie ich dorthin gekommen bin. Soras und Rikus Haus, seit Soras und Roxas’ Eltern nach Radiant Garden gezogen sind. Ich klopfe nicht einmal, sondern reiße einfach die Tür auf, ignoriere Riku, der verwundert von seinem Buch aufsieht, und renne zur Treppe, nach oben, zu Roxas’ Zimmer. Die Tür steht etwas offen. Er ist nicht da. Er ist nicht da! Dennoch zieht es mich dorthin, meine zitternde Hand stößt die Tür auf. Das Zimmer ist leer, etwas unordentlich, wenn auch nicht annähernd so schlimm wie mein eigenes Zimmer. Eigentlich sollte ich jetzt gehen, sollte ihn weiter suchen, aber... ich kann nicht. Mein suchender Blick bleibt am Schreibtisch hängen, und meine Beine bewegen sich wie von selbst, dann meine Hände, sie greifen nach den Hälften einer zerrissenen Zeichnung, die auf dem Tisch liegt, fügen sie zusammen... Namine muss das gezeichnet haben, allerdings verwirrt mich das Motiv. Zwei gekreuzte, seltsam geformte Schlüssel über etwas, das wie ein mit Metallspitzen bewehrtes Rad aussieht. Eine wilde Mischung aus Flammen, Schatten und Licht umgibt diese seltsamen Gegenstände ~Waffen~ und im Hintergrund strecken sich zwei Hände vergeblich nacheinander aus. ~Meine Hand. Seine Hand. Seine...~ Das ist lächerlich. Es ist nur ein Bild, offensichtlich ein etwas älteres, an den Rändern zerknittert und bereits etwas verblichen... Und dennoch, je länger ich es betrachte, desto weiter breitet sich die Kälte in mir aus. So kalt... “Axel?” Ich drehe mich um und starre Riku an. Die Zeichnung entgleitet meinen klammen Fingern. “Wo ist er?”, flüstere ich, und jetzt wirkt er bekümmert. “Nicht hier.”, antwortet er leise und streicht sich das silbrige Haar aus der Stirn. Er scheint keinen Tag gealtert zu sein, seit ich ihn kenne. Seit er mich damals aus Radiant Garden geholt hat. Hätte er mich doch dort gelassen. Hätte er mich doch dort auf den Straßen verrecken lassen! “Das sehe ich auch!”, zische ich und durchquere den Raum mit zwei großen Schritten. Riku wehrt sich nicht einmal, als ich den Kragen seines Hemds packe. “Wo ist er?” “Nicht hier!”, wiederholt er ruhig, aber jetzt wirken seine aquamarinfarbenen Augen etwas kälter. “Stell dich nicht so an. Du siehst ihn morgen.” “Ich muss ihn sehen, und zwar jetzt!”, brülle ich mit überschnappender Stimme, aber Riku bleibt ruhig. “Beruhige dich erst mal.”, erwidert er und packt meine Hände, zieht sie einfach weg. Verdammt, wie kann er noch immer stärker sein als ich? Er muss wohl noch immer mit Sora trainieren... “Wenn du so zu ihm gehst, erreichst du gar nichts.” “Aber...” “Was ist hier los?”, mischt sich plötzlich Sora ein, der gerade die Treppe hoch kommt, mit nassen Haaren und einem Handtuch um seine Schultern. Er lächelt, als er mich sieht, aber das Lächeln verblasst sehr schnell wieder. “Axel... hast du geweint?” “Wo ist Roxas?”, schreie ich wieder und reiße mich von Riku los. “Und komm mir bloß nicht damit, dass er mich nicht sehen will. Ich muss mit ihm reden!” “Natürlich musst du das.”, antwortet er und sieht weg. “Aber nicht jetzt. Er ist mit Freunden unterwegs.” “Das ist mir egal!”, zische ich wütend, und jetzt sieht Sora mich wieder an. Plötzlich sind seine sonst so warmen, freundlichen blauen Augen kalt und hart. Plötzlich schnürt Angst meine Kehle zu. “Ich weiß, dass es dir egal ist.”, sagt er leise, und die Kälte in seiner Stimme lässt mich frösteln. “Wenn es um Roxas ging, war dir schon immer alles andere egal. Für ihn bist du über Leichen gegangen.” Was? Einen Moment starre ich Sora verwirrt an, dann wende ich den Blick ab. Frustriert und hilflos balle ich die Hände zu Fäusten, und frische Tränen treten mir in die Augen. Sie wollen mir also nicht helfen. Schön, dann finde ich ihn eben allein. Die Insel mag zwar groß sein, aber ich finde ihn. Ohne ein weiteres Wort laufe ich an den beiden vorbei, die Treppe hinunter, zur Tür hinaus. Ich finde ihn. Ich habe ihn immer gefunden. Weit weg höre ich Sora und Riku meinen Namen rufen, aber ich achte nicht darauf. Ich laufe hinunter zum Strand, an der Promenade entlang, ständig nach Roxas Ausschau haltend. Meine Augen schweifen suchend über die Menschen dort, und nicht wenige starren mich verwundert an. Egal. Alles, was im Moment wichtig ist, ist Roxas. Ich muss mich entschuldigen. ~Ich will ihn nicht wieder verlieren, wo ich ihn endlich gefunden habe...~ Dann sehe ich ihn, und plötzlich wandelt sich diese Kälte, die ich den ganzen Tag gefühlt habe, in unerträgliche Hitze. Ich sehe ihn, und ein Feuer, heißer als Lava, beginnt in mir zu brennen. Dort sitzt er, vor dem kleinen Café neben dem Skatepark, und strahlt mit der Sonne um die Wette. Er lächelt, und er wirkt so zufrieden und entspannt, wie ich ihn seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Sein goldblondes Haar ist noch etwas mehr zerzaust als sonst, er trägt einfache Sachen, Jeans und ein leichtes, weißes Sweatshirt mit schwarz gestreiften Ärmeln und Kapuze. Offenbar kommen er und seine Freunde gerade aus dem Skatepark... Er ist umringt von Jungen und Mädchen, die ich nicht kenne, unterhält sich mit ihnen, lacht und scherzt mit ihnen... Er wirkt glücklich. Er wirkt glücklicher als sonst. Er wirkt glücklicher, als wenn er mit mir zusammen ist. Und seine Hand hält die eines hübschen, brünetten Mädchens. Versteckt, unter dem Tisch, damit die anderen es nicht sehen, aber ich sehe es. Nein. Nein! Ich bin sein bester Freund! Er sollte so glücklich sein, wenn er mit mir zusammen ist! Warum hat er niemals so gelacht, wenn ich bei ihm war? Bin ich nicht gut genug, um eines seiner Lächeln zu verdienen? ~Früher war ich der einzige, den er so angesehen hat. Ich war der einzige, den er angelächelt hat.~ Wie kann er diese Gören mir vorziehen? ~”Hayner! Pence! Olette!”~ Wie kann er mir das nur antun? ~Er hätte meinen Namen rufen sollen!~ Der Drang zu schreien wird beinahe unerträglich, und der heiße Zorn in mir breitet sich aus, legt sich über meine Gedanken, erstickt jeden rationalen Gedanken. Wie kann er mich nur wieder so hintergehen? Ich kann ihn nicht wieder verlieren. Ich brauche ihn! Ohne ihn war alles sinnlos. ~Ich bin nur zurück gekommen, um ihn wieder zu sehen. Er darf mich nicht wieder irgendwelcher Gören wegen zurück lassen!~ Dann hört er plötzlich auf zu lachen. Er richtet sich auf, sieht sich um. Seine wundervollen, blauen Augen weiten sich, als er mich sieht. Auch der letzte Rest des Lächelns verschwindet von seinem Gesicht, macht einem leeren, traurigen, ein wenig erschrockenen Ausdruck Platz. Seine Lippen formen meinen Namen. Die Welt geht unter im Brüllen der Flammen. Teil 9-30 - Roxas, Sora, Riku, Axel ----------------------------------- Teil 9 – Roxas: Oh ja, genau das habe ich gebraucht. Ein Tag ohne ihn. Ein Tag, an dem ich einfach nicht an ihn denken muss, oder an meine hoffnungslosen Gefühle. Einfach nur Spaß haben, Skaten, mit Leuten aus meiner Klasse Eis essen... Doch ständig nagt das schlechte Gewissen an mir. Ich hätte Axel wenigstens Bescheid sagen können... Nein. Er wird es verstehen. Ich will ihn einfach heute nicht sehen. Es ist seltsam. Mir fällt das Lachen hier so leicht, unter all den Leuten, die ich doch kaum kenne, aber wenn ich bei ihm bin, dann schäme ich mich beinahe dafür. Besonders seit ich weiß, dass ich mehr für ihn empfinde als reine Freundschaft, scheint mir das Lachen immer schwerer zu fallen, wenn er bei mir ist. Hier ist es einfach. Wem will ich etwas vormachen? Hier kann ich lachen, eben weil ich diese Leute kaum kenne. Weil es hier nichts bedeutet. Aber wenn Axel in meiner Nähe ist, dann bedeutet es etwas. Dann bedeutet es alles. Wenn Axel in meiner Nähe ist, habe ich einfach ständig ein schlechtes Gewissen. Weil ich ihm am liebsten meine Gefühle aufzwingen würde, obwohl ich weiß, dass er sie niemals erwidern würde... Gestern hat sich das alles noch so einfach angehört. Ihm Freiraum lassen. Ihn gehen lassen. Als ob ich wirklich die Kraft dazu hätte. Ich kann ihn niemals gehen lassen. ~Nicht nachdem ich ihn endlich gefunden habe.~ Trotzdem versuche ich es den ganzen Tag. Ich habe mich nicht einmal gewehrt, als Keira plötzlich mit mir zu flirten angefangen hat. Und jetzt hält sie meine Hand, und obwohl es sich so unglaublich falsch anfühlt, lasse ich es zu. Und lache mit ihr und den anderen, und ich genieße es, und gleichzeitig fühle ich mich furchtbar. Und dann spüre ich etwas. Ein... Brennen, das über meine Haut streift. So etwas habe ich noch nie erlebt, und trotzdem wirkt es vertraut. ~So hat es sich angefühlt, wenn er mich angesehen hat.~ Ich sehe auf, und mein Blick bleibt an etwas Rotem hängen. Ein leuchtendes Rot, wie ein Sonnenuntergang. Axel starrt mich an, mit weit aufgerissenen Augen, sein schlanker Körper angespannt. Sein Make-up ist verlaufen, sein Gesicht etwas gerötet, und er atmet schwer. Ansonsten bewegt er sich nicht, während rund um ihn lachende, fröhliche Menschen in bunter Kleidung die Promenade entlang schlendern. Zwischen ihnen fällt er noch mehr auf, in seiner schwarzen und zornig roten Kluft. “Axel...”, wispere ich heiser. Und wage es nicht, mich zu rühren, als plötzlich Flammen rund um ihn explodieren. Rund um mich schreien Menschen auf, rund um ihn laufen sie in Panik davon. Keira lässt meine Hand los und springt auf, rennt mit den anderen weg. Jemand zerrt an meiner Schulter, lässt jedoch sofort wieder los, als ich mich nicht bewege und stattdessen am Tisch fest klammere. Wahrscheinlich bleibe ich allein zurück, aber ich kann mich nicht rühren. Menschen schreien, Kinder weinen. Die Flammen schlagen aus dem Boden rund um ihn, aus seinen halb erhobenen Händen, Schlangen aus purem Feuer schlängeln sich um seinen schlanken Körper. Und seine Augen, seine wunderschönen Augen, diese smaragdgrünen, wunderbaren Augen, selbst sie scheinen zu brennen. Gebannt beobachte ich, wie er eine Hand hebt. Schlanke Finger bewegen sich anmutig, formen eine Kugel aus Feuer, die etwas über seiner Handfläche schwebt. Wie schön es ist, das Feuer. Noch schöner, als ich es in Erinnerung hatte. Rot und Orange und Gelb, es bildet einen faszinierenden Kontrast zu der blassen Haut und den grünen Augen des Mannes, der es erzeugt hat. Ich spüre, wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet. Auch wenn er wahrscheinlich gleich diesen Feuerball nach mir werfen wird und ich vielleicht sterbe, zum ersten Mal seit sehr langer Zeit bin ich glücklich. Er hat mich gefunden. Wie habe ich nur daran zweifeln können? Er hat mich doch immer gefunden. Mein Freund, mein Partner, mein Geliebter. Nummer 8 der Organisation, Tanzende Flammen im Wind. Axel. Als er ausholt und wirft, schließe ich einfach die Augen. Dieser Hitzkopf. Er hatte immer Probleme, sein Temperament unter Kontrolle zu halten. Und ich warte... und warte... ich kann nichts weiter hören als das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren, aber ich fühle... ich spüre einen leichten Luftzug. Da ist keine Hitze. Wo bleibt das Feuer? Ich öffne die Augen und sehe, wie Onkel Riku eine seltsam geformte Waffe ~Pfad des Zwielichts~ hebt, und vor ihm leuchtet etwas, das wie ein Schild ~Dunkler Schild~ aussieht, der aus wabenförmigen Elementen zusammengesetzt zu sein scheint. Letzte kleine Flammen zerfasern gerade daran, dann verschwindet der Schild wieder. Dann wirft Onkel Riku mir etwas zu. Und dann kann ich wieder hören, und über das Tosen des Feuers höre ich einen Schrei, so voller Schmerz und Trauer und Verzweiflung, dass es mir das Herz bricht. Teil 10 – Sora: Roxas bewegt sich nicht einmal. Axel holt gerade aus, um den Feuerball zu werfen. Verflucht, warum läuft er nicht weg? “Roxas!”, schreie ich, aber er schließt die Augen. Warum zum Teufel schließt er die Augen? Mit einer Hand ziehe ich zwei Schlüsselanhänger aus meiner Tasche. Ich wollte sie Roxas ohnehin möglichst bald geben. “Riku!”, rufe ich und werfe sie ihm zu. Er fängt sie ohne Mühe auf, dann deutet er auf Axel, dann auf sich, dann auf Roxas. Okay, ich übernehme Axel, er schützt Roxas. Ich rufe mein Ultima Schlüsselschwert. Teil 11 – Riku: Kingdom Hearts sei Dank sind wir Axel gefolgt... Wer hätte gedacht, dass er immer noch diese Feuertricks drauf hat? Ich packe die Schlüsselanhänger fester und rufe Pfad des Zwielichts. Oh, verdammt, er wird den Feuerball werfen... Ich springe vor Roxas und hebe meine Waffe. Ich hoffe nur, ich habe meine Tricks ebenfalls noch nicht verlernt... Es ist schwer, sich an die Dunkelheit zu erinnern, aber so sehr ich mich auch bemüht habe, ich konnte sie niemals völlig aus meinem Herzen verbannen. Es ist schwer, aber ich schaffe es, einen Dunklen Schild aufzubauen, gerade als der Feuerball mich erreicht. Teil 12 – Axel: Was machen die beiden denn hier? Riku steht vor Roxas, seine Waffe erhoben, Entschlossenheit in seinen kalten Augen. Und dann ist plötzlich Sora bei mir, seine eigene Waffe erhoben, und ich muss ihm ausweichen. Das Feuer rund um mich erlischt, aber das Feuer in mir brennt umso heißer weiter. Oh, es tut so gut, endlich wieder diese Wärme zu spüren. Mein Blick fällt auf Roxas. Er starrt Riku an, der ihm gerade etwas zu wirft. Roxas. Mein Roxas. Wie konnte er mich nur wieder zurück lassen? Ein Schrei kriecht meine Kehle hoch, und ich bin viel zu aufgeregt, um ihn zurück zu halten. Zur gleichen Zeit, als der Schrei von meinen Lippen fällt, brechen neue Flammen aus meinem Inneren hervor. Nur das hier kann den Schmerz bändigen. Teil 13 – Roxas: Wieder sind da Flammen, und ich sehe, wie mein Bruder zurückweicht. Das Feuer verfolgt jede Handbewegung von Axel. Er hört nicht einmal auf zu schreien. Meine Finger schließen sich fest um die beiden Schlüsselanhänger. Onkel Riku bewegt sich, er baut schnell einen dieser Schilde vor Sora auf, als ein weiterer Feuerball ihn zu treffen droht. Sora hebt eine Hand. “Eisga!”, brüllt er, dann macht er eine kreisende Bewegung. Rund um den Feuerdämon, in den sich Axel verwandelt hat, bildet sich eine schwebende Barriere aus reinem, klarem Eis. Es beginnt sofort zu schmelzen, und als Axel weitere Feuerbälle wirft, löst sie sich in Dampf auf. Dann breitet er die Arme aus, Flammen tanzen über seine schlanken Glieder, und Schatten beginnen über seine Finger zu huschen. Sie bilden kreisförmige Gebilde aus Rauch und Feuer, die sich allmählich zu mir sehr bekannten Waffen verdichten. Axel sieht wieder auf, Chakram in beiden Händen, sein langer Mantel weht um seine schlanke Gestalt. Teil 14 – Sora: Oh nein, nicht noch einmal... Axel hebt seine Chakrams, kreuzt seine Arme vor der Brust, ehe er sie mit aller Kraft wirft. Er wirft sie nach meinem Bruder, das kann ich sehen. Riku sprintet in Roxas’ Richtung, als ich ebenfalls los laufe. Wir beide packen unsere Waffen fester. Riku schafft es, eines der Chakrams beiseite zu schlagen, dann packt er Roxas’ Arm und reißt ihn zur Seite. Das zweite stachelbewehrte Rad trifft das große Fenster des Cafés, und es zerspringt klirrend. Axel streckt eine Hand aus, und beide Waffen kehren zu ihm zurück. Ich schlage nicht besonders hart zu, weil ich Angst habe, Axel zu verletzen. Er will Roxas nichts tun, das weiß ich genau. Er pariert meinen Hieb schnell mit einem seiner Chakrams, das Gesicht zu einer wütenden Grimasse verzerrt. Teil 15 – Riku: Ich kann Roxas im letzten Moment zur Seite reißen. Das Chakram zischt über uns hinweg, und ich kann die Hitze fühlen, die davon ausgeht. So gut es geht versuche ich, Roxas vor den Splittern des Fensters zu schützen. Er scheint noch immer wie erstarrt zu sein. Sein Blick wandert von den Schlüsselanhängern zu Axel und wieder zurück, und wieder zu Axel, als Sora auf ihn los geht. Sora hält sich zurück, das kann ich selbst von hier aus sehen. Axel wehrt seinen ersten Schlag ab, dann wirft er wieder eine seiner Waffen. Sora springt beiseite und rollt sich ab, springt sofort wieder ab und kontert einen weiteren Feuerball mit einem einfachen Eis-Zauber. Eine Wolke aus Dampf breitet sich zwischen den beiden aus, und Sora greift wieder an. “Roxas!”, rufe ich und schüttle den regungslosen Jungen unsanft. Er reagiert nicht einmal. Teil 16 – Axel: Ich pariere den nur halbherzig geführten Hieb meines Gegners, dann werfe ich ein Chakram nach ihm. Es fällt mir schwer, durch den roten Schleier des Zorns sein Gesicht zu erkennen. Er will mich davon abhalten, Roxas für das zu bestrafen, was er getan hat, das ist das einzige, was ich sicher weiß. Das Feuer in mir brennt heißer als jemals zuvor, und ich lasse einen Teil davon entweichen. Mein Gegner pariert es mit einem lächerlich niedrig dosierten Eis-Zauber, dann kommt er wieder näher. Ehe er mich erreichen kann, springt er hoch und versucht, mich von oben zu treffen. Ich springe zur Seite, fange die Waffe, die ich zuerst geworfen habe, und fange das Schlüsselschwert mit beiden Chakrams ab. Dann höre ich jemanden etwas rufen. Einen Namen. Seinen Namen. Das Feuer brennt heißer. Teil 17 – Roxas: Ich höre, wie Riku meinen Namen ruft, aber ich kann nichts tun. Ich bin noch immer wie erstarrt, die beiden Schlüsselanhänger mit beiden Händen fest umklammernd. Die Flammen brennen nun rund um die beiden Kämpfenden, die Luft über ihnen flimmert vor Hitze, es regnet Asche, es riecht verbrannt. “Bei der Dunkelheit, Roxas! Du musst uns helfen!”, schreit Riku, und ich höre Wut und etwas Angst in seiner sonst so ruhigen Stimme. “Wenn du nichts tust, könnte er jemanden verletzen! Oder wir müssen ihn schwer verletzen, um ihn aufzuhalten! Willst du das?” Was? Nein, natürlich nicht! Niemand soll verletzt werden. Aber... ich... “Fuck!”, flucht Riku, dann lässt er meine Schulter los und sprintet auf das Feuer zu, setzt darüber hinweg und pariert eine der gefährlichen Wurfwaffen, die eigentlich für meinen Bruder gedacht war. Sora und Riku gehen nun gemeinsam auf Axel los, und er hat Mühe, die schnellen Schläge und Hiebe zu parieren. Nicht wenige durchbrechen seine Deckung, und er schreit schmerzerfüllt auf, ehe er sich mit einem Sprung in Sicherheit bringt. Teil 18 – Sora: Der Sand unter seinen Füßen schmilzt, verwandelt sich in Glas. Es ist zu heiß. Das Feuer, es ist bei weitem zu heiß! Teil 19 – Riku: Was ist nur los mit ihm? Er ist doch sonst so ein guter Junge... Roxas muss ihm unheimlich viel bedeuten... Er schreit und wirft wieder seine Chakrams nach uns, und Sora und ich schlagen sie beiseite. Teil 20 – Axel: Heißer! Es muss heißer sein! Zu wenig, zu wenig, so kann ich sie nicht besiegen! Es ist zu wenig, ich brauche mehr Hitze! Mehr Feuer, mehr, mehr! Teil 21 – Roxas: Das darf er nicht! Nein, das darf er nicht tun! Er würde meinen Bruder und Onkel Riku töten, und es würde ihn selbst umbringen! Das darf nicht passieren! Ich rufe Sternentreue und Memoire. Teil 22 – Sora: Axel weicht wieder aus, dann lässt er seine Waffen los. Sie beginnen um ihn zu kreisen, hinterlassen Spuren aus reinem Feuer rund um ihn. Oh nein! Teil 23 – Riku: Er schwebt nun über dem Boden, die Arme ausgestreckt, seine Chakrams wirbeln um ihn herum. Seine Augen sind geschlossen, seine Hände zu Fäusten geballt. Das Feuer, es ist zu heiß, wir können nicht näher... Was hat er nur vor? Teil 24 – Axel: Ja, mehr... Mehr Hitze, mehr Feuer, mehr Kraft! Ich konzentriere jeden Funken Energie, den mein Körper noch zu geben hat, und es ist wundervoll... Die Schmerzen sind nebensächlich, denn das Feuer ist rein und zerstörerisch... Teil 25 – Roxas: Ich springe über die Feuerwand hinweg, laufe an Riku und Sora vorbei, die sich mit einem Dunklen Schild, überzogen mit Eis, zu schützen versuchen. Das Feuer ist heiß, aber das macht mir nichts aus. Die Flammen scheinen sich im Gegenteil vor mir zurückzuziehen. Er konnte mir noch nie wirklich weh tun. Teil 26 – Sora: “Roxas!”, brülle ich und versuche ihm zu folgen, aber Riku hält mich zurück, zerrt mich wieder hinter die schützende Barriere. Mein Bruder hält nun seine Schlüsselschwerter in den Händen, als er auf Axel zu läuft, der noch immer das Feuer um sich konzentriert. Es ist zu gefährlich! Er kann doch nicht alleine... Ich versuche mich wieder loszureißen, und wieder hält Riku mich zurück. Er lässt Pfad des Zwielichts fallen und schließt beide Arme um mich. Ultima fällt ebenfalls zu Boden, als ich meine Hand nach meinem kleinen Bruder ausstrecke, den ich in diesem Inferno kaum noch erkennen kann. Aber... Das Feuer scheint ihn nicht zu berühren... Nein, die Flammen weichen vor ihm zurück... Roxas springt, genau auf die noch immer kreisenden Chakrams zu. Teil 27 – Riku: Es bereitet mir Mühe, Sora zurück zu halten. Obwohl ich noch immer trainiere, hat er als Sporttrainer an der hiesigen High School sicher einen Vorteil... Doch dann hört er plötzlich auf, an mir zu zerren. Ich sehe auf und keuche überrascht. Das Feuer, es berührt Roxas gar nicht! Die Flammen weichen vor ihm zurück... Aber da sind noch die Waffen, die Axel noch immer umkreisen. Axel hat seine Augen noch immer geschlossen, er scheint Roxas nicht einmal zu bemerken... Roxas springt genau auf die Chakrams zu, Sternentreue und Memoire vor sich gekreuzt. Und im letzten Moment reißt er beide Waffen hoch, verhakt mit unglaublicher Geschicklichkeit den Bart jedes Schlüsselschwerts mit den Griffen in der Mitte der Chakrams und schleudert sie schwungvoll zur Seite. Als hätte er das schon tausendmal gemacht. Und dann sind die Schlüsselschwerter verschwunden. Roxas prallt gegen Axel und reißt ihn zu Boden. Teil 28 – Axel: Ich höre ein Klirren, und weit weg spüre ich, dass meine Chakrams sich von mir entfernen. Dann prallt etwas gegen mich, und Schmerzen explodieren in meinem Inneren. Ich schreie auf, dann wird mir die Luft aus den Lungen getrieben, als ich zu Boden falle. Ich reiße die Augen auf, und für einen Moment kann ich nichts sehen... dann wird die Welt rot und weiß, die Schmerzen breiten sich aus, und ich schreie wieder. Es brennt, es brennt so höllisch, flüssiges Feuer fließt durch meine Adern und verbrennt mich... “Axel.” Nur ein Flüstern, kaum hörbar über das Tosen der Flammen, und dennoch lindert die sanfte Stimme den Schmerz. Eine kühle Hand legt sich auf meine Wange. Meine Augen schließen sich kurz, und mit einem Seufzen versuche ich trotz der Schmerzen, näher zu dieser herrlichen Kühle zu gelangen. Als ich die Augen unter Schmerzen wieder öffne, drängen sich andere Farben in mein Blickfeld, neben Rot nun auch das Blau des Himmels, und das Grün der Palmen, und das Gelb des feinen Sandes am Strand, aber mehr als alles andere fesselt mich der Goldton seines Haares, das tiefe, kühle, beruhigende Blau seiner Augen, neben dem selbst der Himmel verblassen muss. Nummer 13 der Organisation, der Schlüssel der Bestimmung... “Roxas...”, wispere ich, obwohl mein ganzer Körper dagegen mit heftigen Schmerzen protestiert. Auch gegen das Lächeln, das sich auf meinem Gesicht ausbreitet. Ich habe ihn gefunden. Teil 29 – Roxas: Wie schon tausendmal zuvor hake ich meine Schlüsselschwerter zwischen den Griffen der Chakrams ein und schleudere sie mit aller Kraft beiseite. Das war immer seine Schwäche. Er braucht zu lange, um sie zurück zu holen, wenn ich sie weit genug weg schleudere. Rund um mich prasselt das Feuer, aber es berührt mich nicht. Auch das ist wie immer. Ich lasse Sternentreue und Memoire verschwinden und springe, bekomme das weiche Leder seines Mantels zu fassen. Ich pralle gegen ihn und reiße ihn mit mir zu Boden. Er schreit auf, keucht überrascht, als wir zu Boden fallen, reißt die Augen auf und schreit wieder. Seine Augen sind so weit weg, er sieht mich nicht einmal... Ich rapple mich auf und beuge mich über ihn, strecke meine Hand nach ihm aus. Seine Haut scheint zu glühen. Dieser Dummkopf... beinahe hätte sein Limit ihn vernichtet... “Axel.”, flüstere ich sanft und lege meine Hand an seine gerötete Wange. Er schreckt erst etwas vor mir zurück, dann schließt er die Augen und seufzt leise, drängt seine Wange fester gegen meine Hand. Seine Haut fühlt sich ungesund heiß an, aber es ist nicht zu spät. Kingdom Hearts sei Dank. Er öffnet die Augen wieder, und langsam, langsam klärt sich sein Blick. Wieder verliere ich mich in ihren smaragdgrünen Tiefen, aber dieses Mal schäme ich mich nicht dafür. Und er erkennt mich. Endlich erkennt er mich wieder, so wie ich ihn endlich erkannt habe. Dieses Phantom, das mich so lange in meinen Träumen verfolgt hat, der Mann mit dem roten Haar, der mir immer der wichtigste Mensch auf der Welt war, selbst als er noch ein Niemand war, endlich hat er ein Gesicht. Welche Ironie. Er war immer bei mir, und ich habe ihn dennoch nicht erkannt. Das schlechte Gewissen, den Fremden meines besten Freundes wegen zu vergessen, war völlig unbegründet. Weil er es war, die ganze Zeit. Wer sonst könnte auch mein bester Freund sein als er? “Roxas...”, haucht er mühsam, dann lächelt er. Er lächelt mich an, so wie ich es mir immer gewünscht habe, und gegen dieses Lächeln verblasst alles andere. Er hat mich gefunden. Teil 30 – Axel: Er lächelt mich an, und die Schmerzen verblassen. Dieses glückliche, aber auch etwas traurige Lächeln, genau wie früher... “Roxas.”, flüstere ich noch einmal erstickt, und jetzt treten Tränen in meine Augen. Ich war so ein Dummkopf... wie konnte ich ihn nur nicht erkennen? Wie konnte ich nur nicht erkennen, wie viel er mir bedeutet? Wie konnte ich ihn nur so sehr verletzen? “Shhhh...”, macht er und streicht sanft mit einem Finger über meine Lippen. Ich schrecke vor der Berührung zurück, und die Schmerzen flammen wieder auf. “Nicht reden, du Idiot.” Hinter ihm erkenne ich Sora und Riku, die vorsichtig näher kommen. Beide wirken erleichtert, aber auch sehr besorgt, als sie mich mustern. “Ist er okay?”, fragt Riku und geht neben Roxas in die Knie. Er streckt eine Hand nach mir aus, wagt es aber nicht, mich zu berühren. Auch Sora kniet sich neben mir hin. Sie waren wie eine Familie für mich... Riku ist einem Vater wohl am nächsten gekommen, Sora war immer der ältere Bruder, und ich danke es ihnen, indem ich beinahe die ganze Promenade, nein, die ganze Insel in Schutt und Asche lege... “Es... tut mir...”, bringe ich mühsam hervor, aber Sora schüttelt sofort den Kopf und lächelt dieses für ihn typische, warme Lächeln. “Ist schon gut.”, beruhigt er mich, und auch Riku lächelt jetzt eines seiner beinahe nicht wahrnehmbaren Lächeln. “Du solltest wirklich nicht reden.”, fügt Riku ruhig hinzu, und jetzt wirkt er wieder so beherrscht wie immer. “Hast du Schmerzen?” Wenn man das Gefühl, bei lebendigem Leib zu verbrennen, als Schmerzen bezeichnen kann... “Natürlich hat er die.”, meint Sora etwas traurig. “So wie damals, als er dieses Limit eingesetzt hat...” Oh, Mist. Er hat es damals wohl doch bemerkt... “Axel.”, sagt Roxas nun wieder und beugt sich wieder über mich. “Halt das Feuer zurück.” “Kann... nicht.”, presse ich hervor und keuche vor Schmerz, als er sanft meine Hand in seine nimmt. “Du kannst.”, widerspricht er mir und küsst behutsam meine Finger. Auch das tut weh, aber bei weitem nicht so sehr wie es sollte. Irgendwie dämpft er den Schmerz. “Du hast das Limit nicht eingesetzt. Halt das Feuer zurück. Schließe es ein. Es kann dir nichts anhaben, wenn du es nicht willst.” Er lächelt wieder. “Du bist schließlich ’Tanzende Flammen im Wind’.” Das bin ich. Das war ich einmal... Und ich habe das Limit nicht freigesetzt... Ich schließe die Augen und konzentriere mich. Nicht auf das Feuer in mir, oder die kleiner werdenden Flammen rund um uns, sondern auf das kühle Gefühl von Roxas’ Hand in meiner. Ich ziehe die beruhigende Kühle durch meine Haut, lasse sie durch meine Finger streifen, in meiner Hand wachsen... sie löscht das Feuer, beruhigt meine angegriffenen Nerven, pflanzt sich in mir fort, als wäre es das Natürlichste der Welt. Für einen kurzen Moment ist mir kalt, aber das vergeht schnell. Ich dränge mit Roxas’ Hilfe das Feuer zurück, schließe es in meinem Herzen ein. Es geht sogar einfacher als früher, als ich noch kein Herz hatte... Mit einem zufriedenen Seufzen öffne ich die Augen wieder und drücke sanft Roxas’ Hand, dann lasse ich sie los und stemme mich mit beiden Händen mühsam in eine sitzende Position hoch. Roxas wirft mich beinahe wieder zurück, als er mir stürmisch um den Hals fällt. Ich lächle und umarme ihn, obwohl meine Glieder sich immer noch schwer und kribbelig anfühlen. Ein Zeichen der Regeneration. “Du Idiot!”, flüstert er mir zu und drückt mich fest an sich. “Warum musst du immer so übertreiben?” “Tut mir leid.”, antworte ich verlegen. “Ich weiß nicht... ich... habe... Es tut mir leid.” “Ist schon gut...”, wispert Roxas und lässt mich langsam wieder los. “Mach es nur nicht wieder... okay?” “Solange du mich nicht wieder alleine zurück lässt...”, erwidere ich... dann runzle ich die Stirn. Wieder? Warum... Was ist hier passiert? Warum ist hier alles verbrannt? Warum... was... Auch Roxas runzelt verwirrt die Stirn. Er sieht sich ebenso verständnislos um wie ich, verwirrt und unsicher, und er rückt etwas zurück, leicht errötend, als er bemerkt, wie nahe er mir gerade war. Warum war er so nahe? Nicht, dass es mich stören würde, aber... “Sie vergessen es schon wieder.”, stellt Sora fassungslos fest. Roxas und ich sehen ihn verwirrt an, und zu unserer Überraschung treten ihm plötzlich Tränen in die großen, blauen Augen. “Sie vergessen es schon wieder!”, wiederholt er und setzt sich in den warmen Sand, verbirgt sein Gesicht in beiden Händen und stößt einen Laut aus, der halb wie ein Stöhnen, halb wie ein bekümmertes Seufzen klingt. “Oh nein, das werden sie nicht!”, faucht plötzlich Riku. Er erhebt sich anmutig und hebt eine Hand, kneift die Augen konzentriert zusammen und starrt in die Ferne. Ich will ihn schon fragen, was das soll, als sich plötzlich vor ihm etwas öffnet, das wie ein schwarzes, schattenhaftes Loch in der Wirklichkeit aussieht. Roxas neben mir schreit überrascht auf, und ich selbst starre dieses... Ding verblüfft an, während Riku sich zu uns umdreht. Er wirkt zornig. Ich bin viel zu langsam, kann nicht einmal meine Hände heben, als er mich plötzlich am Kragen packt und spielerisch hoch hebt. Ich fühle mich seltsam schwach, als hätte ich drei Tage nicht geschlafen... Neben mir ’hilft’ Sora Roxas auf ähnliche Weise hoch. Ich kann mich nicht einmal wehren, als Riku mich durch dieses Portal schleift, Sora und Roxas dicht hinter uns. Teil 31 - Roxas --------------- Teil 31 – Roxas: Soras Hand umklammert meinen Arm eisern als er mich durch dieses Ding schleift, das Onkel Riku eben geöffnet hat. Abgefahren, wirklich. Und ziemlich unheimlich. Axel sieht genauso erschrocken aus wie ich mich fühle. Was soll das heißen, ’Sie vergessen es schon wieder’? Wer vergisst was? Und warum ist die Promenade in so einem furchtbaren Zustand? Was ist hier passiert, zum Teufel? Aber dann finden wir uns in einer völlig anderen Welt wieder, und der Protest bleibt mir im Hals stecken. Diese Welt ist düster, furchterregend und kalt, aber dennoch so vertraut, dass mein Herz ein paar Schläge aussetzt. Wolken bedecken den Himmel, das einzige Licht kommt von der Neonbeleuchtung der schwarzen, hohen Gebäude. Es ist ein flackerndes, unstetes Licht, kalt und steril wie alles hier. Am Himmel verbreitet etwas, das wie ein herzförmiger, halb zerstörter Mond aussieht, seinen dumpfen Glanz. Es regnet, eigentlich mehr ein Nieseln, der dunkle, rissige Boden glänzt vor Feuchtigkeit. Über dieser schwarzen, tristen Stadt erhebt sich das Schloss. “Das Schloss, Das Niemals War...”, wispere ich und höre Axel exakt dieselben Worte sagen. “Erinnerst du dich?”, fragt Sora mich sanft und lässt mich los. Ich sehe mich staunend um, dann mache ich einige Schritte nach vor. Diese hohen Gebäude, die blinden Fenster, das flackernde Licht... der Regen... hier, genau hier... der Abschied... “Niemand würde mich vermissen.”, höre ich mich plötzlich selbst sagen. “Das stimmt nicht.”, antwortet jemand sofort, und als ich mich umdrehe, bleibt mein Blick an grünen, überrascht geweiteten Augen hängen. “Ich schon.” Oh Gott. Oh nein, beinahe hätte ich ihn wieder vergessen... was ist nur los mit mir? “Eure Herzen wehren sich dagegen.”, meldet sich Riku plötzlich zu Wort. “An die Erinnerungen aus der Zeit, als ihr noch keine Herzen hattet.” “Denkst du wirklich?”, fragt Sora, während ich und Axel uns weiter anstarren. “Warum sollten sie sich wehren?” “Herzen sind eine komplizierte Angelegenheit.”, antwortet Riku nachdenklich. “Die beiden haben es geschafft, Gefühle zu entwickeln, obwohl sie keine Herzen hatten. Aber jetzt versuchen ihre Herzen, diese ’falschen’ Gefühle zu... ’normalen’ zu konvertieren. Aber das ist schwierig, und manche Dinge scheinen... unterdrückt zu werden.” “Woher weißt du das?”, fragt Axel verwirrt und reißt seinen Blick von mir los, um Riku anzusehen. “Ich habe zu viel Zeit mit Ansem verbracht.”, antwortet der und verdreht die Augen. Sora kichert leise. Ich drehe mich um und gehe. Mein Bruder – mein Anderer – ruft meinen Namen, und ich höre Schritte hinter mir. Vor mir huschen Schatten durch die dunklen Gassen. Flackerndes Neonlicht erhellt weiße und graue Haut von seltsamen Wesen, die ich nur aus den Augenwinkeln erkennen kann. Dann trete ich auf den Platz vor dem Schloss hinaus und bleibe stehen. Ein Meer von Weiß und Grau. Obwohl diese Wesen keine Augen besitzen, starren sie mich alle an. Weder erfreut noch ablehnend, nur neugierig. Dämmerlinge, Beschwörer, Spieler, Berserker, Tänzer, Dragoner, Kriecher, Scharfschützen. Alle stehen, schweben, gleiten, kriechen sie auf dem Platz umher, abwartend, und langsam mischt sich eine stumme Anklage in ihre stummen Blicke. Sie sind nicht erfreut, dass ich nun ein Herz habe. Sie beneiden mich. Aber ich muss in dieses Schloss. Ich muss, damit mein Herz endlich aufhört, meine Erinnerungen an Axel zu verdrängen. Er tritt plötzlich neben mich, ohne mich zu berühren. Er hat seine schlanken Arme um sich selbst gelegt und die Lippen fest zusammengepresst, und er sieht etwas ängstlich aus. Aber ebenso entschlossen wie ich. Dann treten Riku und Sora neben uns, und beide halten wieder diese seltsamen Waffen in den Händen. Wenn ich mich nur erinnern könnte, wie ich meine eigenen Schlüsselschwerter gerufen habe... Dann kommt Bewegung in diese weiße und graue Masse dort unten. Neue Niemande drängen sich vor. Meuchler schlängeln sich geschickt durch die anderen Niemande und drängen sie zur Seite. Samurai schieben kleinere Niemande vorsichtig, aber bestimmt mit ihren Schwertern weg. Sie schaffen einen freien Korridor zwischen den Niemanden hindurch, Axels Meuchler halten eine Seite zurück, meine Samurai die andere Seite. Diesmal ist es Axel, der voraus geht. Er lässt sich seine Angst nicht mehr anmerken, stolziert beinahe arrogant zwischen den niederen Niemanden hindurch. Aber ich sehe, wie eine seiner Hände kurz, beinahe liebevoll über den Kopf eines der Meuchler streicht. “Komm.”, sagt Sora sanft und legt eine Hand auf meine Schulter, schiebt mich etwas vorwärts. “Gehen wir.” Wir folgen Axel, der mit festen, raschen Schritten durch das leere Schloss eilt. Je weiter wir gehen, desto mehr erinnere ich mich. Ich erkenne immer mehr Räume, obwohl etliche halb verfallen sind. Manche der Gänge sind dunkel, etwas, das es früher niemals gegeben hätte. Manchmal blockieren uns umgestürzte Säulen und herabgefallene Deckenstücke. Axel stößt eine große Tür auf. Ein Saal mit hohen, Thronen ähnelnden Stühlen. Völlig weiß, kalt, steril. Hier haben wir unsere Aufträge entgegengenommen. Hier hat Xemnas mit diesem herablassenden, kalten Lächeln auf uns herabgesehen, hat uns immer schwierigere Aufträge erteilt, in der Hoffnung, wir könnten versagen und unsere Stühle würden sich senken. Wir haben niemals versagt. Wir waren das beste Team, das er jemals hatte. Axel sieht mit steinernem Gesicht hoch zu dem Thron mit der Nummer I. Nach einer Weile wendet er sich wieder ab, schleicht aus dem Saal. Ich folge ihm, dabei Sora und Riku völlig vergessend. Axel steigt eine Treppe hoch. Durch die Fenster dringt das kalte Neonlicht dieser Welt und das diffuse Glühen des zerstörten herzförmigen Mondes, der einmal uns Niemanden ein Herz geben sollte... Die Treppe endet in einem scheinbar endlos langen Korridor, von dem weiße, schlichte, nur mit Nummern und den dazugehörigen Elementen geschmückte Türen abzweigen. Beinahe denke ich, ich kann ihre Stimmen hören... Demyx singt aus vollem Hals, Xaldin schreit ihn deswegen an... Zexion fragt Lexaeus um Hilfe bei einem Forschungsprojekt, der stille Riese brummt eine Zustimmung... Vexen und Marluxia streiten sich über belanglose Dinge, Larxene feuert sie hämisch lachend an... Saȉx und Xemnas unterhalten sich über ihre Pläne, Luxord und Xigbar spielen Poker und lachen dabei laut, meist volltrunken... Axel bleibt stehen und sieht sich um, legt eine Hand über seinen Mund, aber dennoch kann ich sein leises Schluchzen hören. Ich gehe langsam an ihm vorbei, streiche dabei mit einer Hand über seinen Arm. Vor der Tür mit der verschnörkelten, von stilisierten Flammen umgebenen Aufschrift ’VIII’ bleibe ich stehen, strecke eine zitternde Hand aus. Die Tür öffnet sich von selbst, als sie mich erkennt. Der Raum ist dunkel, wie alle unsere Räume es waren. Diese Zimmer waren nur zum Schlafen gedacht. Dennoch sehe ich den furchtbaren Zustand, in dem sich der Raum befindet. Alles ist verbrannt, die ehemals weißen Wände geschwärzt, die Möbel teils zu Asche zerfallen, das einzige Fenster zersprungen. “Ich habe die Beherrschung verloren.”, meldet sich Axel hinter mir heiser zu Wort. Seine Stimme zittert so sehr, dass ich ihn kaum verstehe. Als ich mich zu ihm umdrehe, bemerke ich unvergossene Tränen in seinen hellen Augen. “Als du weg warst, ging ich hierher zurück und blieb drei Tage lang hier. Dann habe ich einfach... die Beherrschung verloren. Ich... wollte... Ich wollte dich zurückholen, aber Xemnas war dagegen. Er dachte, ich würde dich töten, wenn ich dich gefunden hätte, er wusste nicht...” Er schluchzt leise und wischt sich mit einer Hand über die Augen. “Er wusste nicht... sie alle wussten nicht, dass ich dich niemals verletzen könnte... Da bin ich ausgerastet, und sie haben mich hier eingesperrt, bis ich mich wieder beruhigt hatte...” “Axel...”, flüstere ich und strecke eine Hand nach ihm aus, aber er dreht sich um und läuft weg, zu einer anderen Tür, die sich sofort öffnet, sobald er sich nähert. Ich folge ihm in dieses Zimmer und bleibe an der Tür stehen, sehe zu, wie er sich langsam, mit schlafwandlerischer Sicherheit auf das große Bett zu bewegt. Mein Zimmer. Auf der Tür prangt ein schlichtes, silberweißes ’XIII’, beinahe unsichtbar gegen das Weiß der Tür selbst. Der Raum ist beinahe so, wie ich ihn verlassen habe. Schlicht, beinahe spartanisch. Ich war nicht lange genug bei der Organisation, um ihm meinen ’persönlichen Touch’ zu verleihen, wie Demyx es immer ausgedrückt hat. Dennoch war es immer das, was einem Zuhause am nächsten kam, damals, als... als ich ein Niemand war. Weil Axel immer hier war. Jetzt setzt er sich auf das Bett, streicht über das weiße Laken, das aussieht, als wäre es erst gestern gewechselt worden, und greift dann nach einem der Kissen, langsam, während erste stumme Tränen über seine blassen Wangen kullern. Er zieht das Kissen zu sich, packt es mit beiden Händen, vergräbt seine Nase darin und atmet tief ein, während er ins Leere starrt. Für einen Moment bleibt er so, dann wird sein Atem plötzlich mühsam, hektisch, ehe er in Tränen ausbricht und schluchzend sein Gesicht in dem weichen Kissen verbirgt. Ich laufe zu ihm, setze mich neben ihn und nehme ihn in die Arme, während er weint, selbst nur mit Mühe Tränen zurückhaltend. Mein Herz schlägt schnell, als die Erinnerungen zurückkehren. Hier haben wir oft Stunden verbracht, um uns gegenseitig die Wunden aus unseren Kämpfen zu versorgen. Hier hat Axel mich beinahe jeden Tag abgeholt, um mich zum Uhrturm in Twilight Town zu bringen. Hier haben wir stundenlang wach gesessen, um über die absonderlichsten Dinge zu diskutieren. Hier haben wir uns zum ersten Mal geküsst... Ich hatte Menschen dabei beobachtet, wie sie das taten, und wie gefühlvoll sie dabei miteinander umgingen, und ich wollte wissen, ob auch wir etwas dabei empfinden würden, also wollte ich es versuchen... als Axel diesen Abend zu mir kam, fiel ich deshalb einfach über ihn her und küsste ihn, so wie ich es gesehen hatte, und für einen winzigen Moment konnte ich... konnte ich fühlen... Später stritt ich es ab, aber ich wollte es immer wieder versuchen, um wieder dieses Gefühl zu empfinden, und Axel ließ es zu. Ich weiß bis heute nicht, ob er damals auch in der Lage war, dieses Gefühl zu spüren, diese Wärme, diese Geborgenheit... Ich bezweifle es, denn er war es, der diese Gefühle in mir entfacht hat. Wie hätte ich dieses Gefühl in ihm wecken können? Ich war nur ein verwirrter Junge, wie hätte ich ihm dieses Gefühl der Geborgenheit geben können? Trotzdem ließ er mich immer gewähren, und als ich mehr wollte als diese schüchternen, ungeschickten Küsse, hat er mir alles gegeben, was er konnte, und in diesen Nächten konnte ich mein Herz schlagen hören. “Ich habe...”, schluchzt er plötzlich, und ich zucke zusammen und erröte heftig. Aber ich kann ihn nicht loslassen, und jetzt lässt er das Kissen fallen und umarmt stattdessen mich so heftig, dass ich beinahe keine Luft bekomme. Sein Haar kitzelt mein Gesicht, und ich atme seinen unverwechselbaren Duft nach Karamell und Zimt ein und fühle mich sofort wieder geborgen, so wie früher. “Ich habe hier gewartet, jede Nacht...”, flüstert er erstickt, und seine Hände schließen sich um den dünnen Stoff meines Sweaters. “Ich habe darauf gewartet, dass du zu mir zurück kommst, aber du bist nie gekommen... Jede Nacht saß ich hier und hielt das Kissen genau so und konnte nur schlafen, wenn ich wenigstens deinen Duft noch einatmen konnte... Aber jeden Tag, den ich dich nicht finden konnte, verschwand er mehr und mehr, aber ich konnte nicht aufhören, ich... musste trotzdem hier warten... Ich...” Er bricht ab und drückt mich fest an sich. “Wenn ich mit dir hier zusammen war, dann war es, als... als hätte ich ein... Herz... als... könnte ich fühlen...” Jetzt packt er meine Schultern und weicht etwas zurück, sieht mir tief in die Augen. “Sag... sag mir, dass du es auch gefühlt hast, bitte... Bitte, Roxas...” Statt zu antworten lege ich meine Hände an seine Wangen und ziehe ihn zu mir hinunter, presse meine Lippen gegen seine und küsse ihn hart und hungrig und stürmisch, so wie er es immer am liebsten hatte. So lange habe ich auf ihn gewartet, hier, in diesem neuen Leben, so lange... ich kann nicht länger warten, sonst sterbe ich... Egal, ob er mich danach hasst, egal, ob ich die Zeichen falsch deute... Vielleicht ist er nur gerade von den Erinnerungen überwältigt, vielleicht erwidert er meine Gefühle jetzt auch gar nicht mehr, aber... ich... “Ich liebe dich!”, flüstere ich erstickt und küsse ihn wieder, schmecke salzige Tränen und weiß nicht, ob es seine oder meine sind. Er ist wie erstarrt, die Hände auf meinen Schultern erschlaffen und rutschen meine Arme hinunter. Ich habe es versaut. Gut gemacht, Roxas, kleiner Idiot, jetzt hast du ihn völlig... Der Gedankenstrom reißt ab, als seine Hände plötzlich wieder nach oben schießen und mich davon abhalten, den Kuss zu beenden. Jetzt ist er es, der mich küsst, jetzt bin ich es, der wie erstarrt ist. “Du verarschst mich hoffentlich nicht, Roxas!”, keucht er atemlos, als er wieder von mir ablässt, um Luft zu holen. Seine hellgrünen Augen bohren sich tief in meine, und ich kann nur überrascht blinzeln. “Meinst du das ernst?” Warum fragt er das? Will er sich über mich lustig machen? Trotzdem nicke ich, und noch immer verschleiern Tränen meinen Blick. Deshalb erkenne ich beinahe dieses Lächeln nicht, das sich auf seinem schönen Gesicht ausbreitet. “Ich liebe dich auch, Roxas.”, erwidert er schließlich zärtlich und küsst mich noch einmal, sehr viel sanfter als zuvor. “Du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich liebe.” ... Was? Das kann nicht stimmen. Wie... Warum... Das kann einfach nicht... “Ich liebe dich.”, flüstert er wieder und küsst sanft meine Wange, und ich breche zusammen und klammere mich hilflos schluchzend an ihm fest. So lange... so lange habe ich darauf gewartet, diese Worte von ihm zu hören, die endlosen Nächte, als wir noch Niemande waren und gar nicht lieben konnten, als diese Worte noch nichts bedeutet hätten, die endlosen Jahre in diesem neuen Leben... Immer wollte ich sie hören, und immer nur von ihm, das weiß ich jetzt, und jetzt... “Oh... Oh Gott, n-noch einmal, bitte...”, schluchze ich laut und verberge mein Gesicht an seiner Schulter. “B-Bitte, Axel, s-sag es... noch einmal, bitte...” “Ich liebe dich, Roxas.”, sagt er etwas lauter als zuvor, und ich spüre, wie er mir mit einer Hand durchs Haar streicht und sanft meine Stirn küsst, dann legt er seine Wange an meinen Kopf und seufzt. “Das habe ich immer.” Ich flehe ihn wieder und wieder an, es zu wiederholen, kann mich nicht daran satt hören, und er tut es, jedesmal, und dann küsst er mich wieder, und wieder, und wieder, und dieser kalte, leere Raum scheint nicht mehr so kalt zu sein, als er mich sanft in die weichen Kissen drückt und mir zeigt, wie sehr er mich liebt. Er war immer gut mit Worten, aber seine Taten sagten schon immer viel mehr, als er jemals sagen konnte. Endlich fühle ich mich wirklich vollständig. Teil 32 - Sora -------------- Teil 32 – Sora: Für einen kurzen Moment bin ich wirklich besorgt, als die Tür, durch die die beiden verschwunden sind, sich lautlos schließt und nicht mehr öffnen lässt. Ich kann sie noch reden hören, aber ich verstehe nicht, was sie sagen. Jetzt klingt es, als würde Roxas weinen, aber ich bin mir nicht ganz sicher... “Sora.”, sagt Riku hinter mir leise. Er klingt amüsiert. “Lass den beiden doch ein wenig Zeit, hm?” “Aber was ist wenn...”, beginne ich, weiß aber selbst nicht, wie ich den Satz beenden soll. Der Raum war bis auf die beiden leer, soweit ich es erkennen konnte, und selbst wenn es einem der niederen Niemande gelingen würde, in den Raum einzudringen, würden sie spielend mit ihm fertig. Es ist nur... “So-ra.”, wiederholt Riku spöttisch grinsend. “Aber...” Ich horche wieder genauer hin. “Hörst du das? Sie haben zu reden aufgehört, vielleicht ist ihnen etwas...” “Ihnen ist gar nichts passiert.”, meint Riku noch immer so komisch lächelnd. Warum lächelt er so? “A-...” Mir bleibt vor Überraschung der Mund offen stehen, als ich nun doch Geräusche aus dem Raum dringen höre. Und fühle, wie heißes Blut in meine Wangen steigt. Entsetzt starre ich die Tür an, während Riku hinter mir amüsiert kichert. Da! Da war es wieder! Das war Roxas, eindeutig, und er... er... “Du brauchst nicht so schockiert zu tun, mein Lieber.”, sagt Riku und legt einen Arm um meine Schultern. “Immerhin tun wir dasselbe schon beinahe so lange, wie die beiden auf der Welt sind, nicht wahr?” Oh, oh mein Gott, das darf nicht wahr sein... “Kein Grund, so peinlich berührt zu sein.”, meint Riku unschuldig lächelnd und zieht mich sanft von der Tür weg. “Du weißt doch, wie Jungs in dem Alter so sind...” “Oh, hör auf!”, stöhne ich. Nein, ich will mir nicht einmal vorstellen, was die beiden dort gerade anstellen... “W-Wir können sie doch nicht einfach alleine lassen...” “Wenn du willst, dass dein süßer, kleiner, bald nicht mehr ganz so unschuldiger Bruder in Zukunft noch mit dir redet, sollten wir aber genau das tun.”, erwidert dieser silberhaarige Bastard zuckersüß. “Sie alleine lassen, meine ich.” Er küsst sanft meine Stirn und schiebt mich sanft vorwärts. “Komm schon, ich bin mir sicher, Axel kümmert sich gut um ihn.” Er lacht, als ich gequält aufstöhne. Bei der Dunkelheit, diese Bilder werde ich jetzt nie wieder los... Bastard! Aber dennoch muss ich lächeln. Ich zweifle nicht mehr daran, dass sie sich jetzt aneinander erinnern werden. Ich muss an dieses ’Gespräch’ zwischen mir und Roxas denken, damals, am Strand, bevor er mich verlassen hat, um Axel zu suchen. Ist es wirklich schon so lange her? Und nun, endlich, haben sie einander wieder gefunden. “Hat ja auch lange genug gedauert.”, murmle ich, und Riku lächelt ebenfalls. “Ja.”, bestätigt er sanft, als er uns ein Portal öffnet. “Lange genug.” Authors Notes: Jep, das war's. Ich hoffe, es gefällt manchen von euch... Ich glaub ja nicht wirklich, dass ich beim Fanfiction-Wettbewerb eine Chance habe, aber mal sehen. Für Kommentare bin ich immer offen, also haltet euch nicht zurück! ;) Tschü! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)