OS sammlungen von NanXmik ================================================================================ Kapitel 3: Blättertanz ---------------------- Erinnerst du dich noch an den letzten Herbst, wo du lachend mit den roten, braunen und gelben Blättern um die Wette gerannt bist? Jedes mal, wenn nun Herbst ist, sehe ich in den Blättern dein Gesicht, das strahlend mit den Blättern zu Boden fliegt, dabei noch lustige Kapriolen dreht, ehe es zum Boden fällt und in Vergessenheit gerät. Ja, die Blätter und der Herbst haben zu dir gepaßt. Du bist gekommen, wann es dir gepaßt hat, und bist gegangen, wenn du Lust hattest. Wie die Blätter. Auch sie folgen allein ihrem Ruf. Doch auch ihr lustiger Blättertanz hat immer ein Ende, so wie auch du dein Ende hattest Das Leben, welches dich selbst im Tod nicht mochte, hat dir noch nicht einmal deinen letzten Wunsch erfüllt. Du mochtest noch nie gerne Autos, du fandest sie immer so unpersönlich. Wann immer du konntest, gingest du zu Fuß oder fuhrst mit Bus und Bahn. Doch an deinem Todestag, der sich jetzt fast zum 5. Mal Jährt, fuhrest du weder mit Bus und Bahn, noch mit dem Auto. Du ranntest, wie so oft durch den Herbstlichen Wald, sprangest mit den bunten Blättern um die Wette und versuchtest mit ihnen den so unvollkommenen, aber trotzdem wunderschönen Blättertanz zu tanzen. Außer deinem Jugendlichen Lachen, und unseren raschelnden Schritten war nichts zu hören. Doch plötzlich wurde die Stille durch leise Motoren-Geräusche durchbrochen und in weiter Ferne erklangen Sirenen-Geräusche. Doch du hörtest nicht, warst, wie so oft in deiner Eigenen Welt, wo der Blättertanz ewig währt. Als der Lärm näher kam, wollte ich dir zurufen, dass dort Autos kommen würden, doch du hast mich nur Angeguckt und gelächelt, ehe du weiter durch den Wald ranntest. Ich blieb zurück, beschäftigt von deinem Blick, der trotz deines Alters, eine Weisheit und ein Wissen beherbergt hatte, das mich stoppen lies. Als ein gelbes Blatt, welches wie Gold schimmerte sich von dem Knorrigen Ast der Eiche vor mir sich löste und meine Augen wie gebannt auf dem Flug des Blattes achteten, registrierte ich all die Bewegungen, die Saltos, das schwerelose Schweben und wurde mir der Faszination des Augenblicks bewusst. Doch als das Blatt den Boden berührte, und ein dumpfer Knall ertönte, wurde mir klar, dass kein Augenblick ewig währt. Ich wusste, welcher Anblick mich gleich erwarten würde, ich hatte ihn schon in deinen Augen gesehen. Als ich den gewundenen Weg ein Stück rannte, erblickte ich dich, am Boden liegend, das Gesicht nach unten und über deinem Körper tanzten die Blätter einen Tanz, so wunderbar, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Neben dir lag ein umgekipptes Motarrad, sein Fahrer ein Stück weiter weg, ich ging zu deinem Körper, drehte dich vorsichtig um, hörte deinen röchelnden Atem, sah das Blut, welches aus deinem linken Mundwinkel ran. Du sahst mir aus leuchtenden Augen entgegen und sprachst mit brüchiger, angestrengter Stimme, die ich noch nie so glücklich gehört hatte: „Die Blätter. Sie Tanzen.“ Dann schloss du deine Augen. Du sahst glücklich aus, und doch stahl sich ein lächeln auf deine Lippen als ich erwiederte: „Heute tanzen sie nur für dich. Ein Tanz, um dich sicher zu ihnen zu bringen.“ Ein letztes Mal lächeltest du, öffnetest noch einmal deine Augen, doch sahen sie an mir vorbei und das letzte was du sahst, waren die wirbelnden Blätter, die ihren Todestanz tanzten. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass Augenblicke wohl ewig dauern können: Jeder Herbst wird dein Augenblick sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)