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At Nightfall

Bei Anbruch der Nacht- Kapitel 7 komplett
von

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Kapitel 2

Kapitel2
 

Juuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuhhhhhhhuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu!!!!!!!
 

Endlich, endlich… Ich hab’s geschafft!

I’ m back in blue. (Meine derzeitige Klamotten Auswahl)

Sorry das es so lange gedauert hat, doch ich hatte zwei “kleine” Computerprobleme. Sie kamen in Form von zwei 53 jährigen Mitbewohnern…

Kurz… meinen Eltern!

Das ist halt das Problem, wenn man immer noch keine neue Festplatte für den zweiten PC hat… *heul*

Aber was soll’s…

Jetzt bin ich ja wieder da und kann euch mit einem neuen Kapitel erfreuen!!! *smile*

Als erstes möchte ich mich bei meinen Kommi Schreibern bedanken! Sind zwar leider nur zwei geworden *schnief*, aber besser als gar keiner!!!

Und als zweites möchte ich euch bitten mir weiter Kommis zu schreiben, auch mit Verbesserungsvorschlägen. (wenn welche gibt!)

Sooooooooo… was noch??? Hmmm….
 

Lange Rede, kurzer Sinn:

Ich hoffe euch gefällt das Kapitel, genauso wie die Anderen.
 

Viel Spaß beim lesen, des neuen Kapitel, wünscht euch…
 

Eure Ice- Queen
 

Kapitel 2:
 

Ishizu kam an diesem Abend erst spät aus dem Restaurant, es war schon längst dunkel.

Meistens arbeitete sie morgens, ab und zu auch über die Mittagszeit; an diesem Tag aber hatte sie zum ersten Mal noch beim Abend- Ansturm ausgeholfen, denn zwei andere Mitarbeiter hatten sich krank gemeldet. Ishizu musste deswegen zwar eine Vorlesung ausfallen lassen. Aber sie brauchte das Geld nötiger als den Unterricht, weil sie ihr Studium mit einem kleinen Stipendium und dem, was sie dazuverdienen konnte, finanzieren musste.

An ihrem letzten Tisch hatte ein Mann gesessen, nicht mehr richtig jung, auf jeden Fall älter als ein Student, aber auch nicht richtig alt. Er trug schwarze Jeans und eine schwarze Jeansjacke und, obwohl es schon dunkel wurde, eine Sonnenbrille. Als sie ihm seinen Wein gebracht hatte, war der ein wenig übergeschwappt, doch er hatte netterweise nur gelächelt und den Tropfen von der Hand geleckt.

“Entschuldigung!”

“Schon in Ordnung.”

“Danke.”

“Übt ihr Boss Druck auf Sie aus?”, fragte er.

“Nein, sie sind alle sehr anständig hier. Aber natürlich kommt es nicht gut, wenn ein Gast sich beschwert.”

“Das kann ich mir vorstellen. Hey, wissen Sie, ob es hier irgendwo ein Theater gibt, dass Schauspieler sucht?”

“Hmmm… es gibt nur eins, aber ob die welche suchen weiß ich nicht! Da müssten Sie selber fragen, ob das Domino Theater noch jemanden sucht.”

“Ja, das müsste ich wohl. Sie können mir meine Rechnung bringen. Sie sehen ziemlich müde aus. Sie wollen doch bestimmt auch Schluss machen und ich bin der Letzte.”

“Das haben sie bemerkt?”, fragte sie erstaunt.

“Ja.”

“Ich hatte nicht vor, die Gäste rauszuekeln.”

“Das haben Sie auch nicht. Sie waren sehr hilfreich.”

“Ach so, das Theater…

“Ja.” Er zuckte mit den Schultern. “Ich bin Schauspieler, aber momentan ohne Engagement. Es wäre schön, einen Job beim hiesigen Theater zu bekommen. Vielleicht kann ich ein paar dramatische Stücke spielen…

Aber jetzt bringen Sie mir lieber meine Rechnung, damit Sie hier rauskommen.” Er lächelte breit. “So soll ich Sie heimfahren?”

“Nein! Vielen Dank. Das ist sehr nett von Ihnen, aber nicht nötig.”, sagte sie schnell. Er war ja ganz nett, aber sie war nicht so naiv, sich von Fremden heimbringen zu lassen.

“Schon gut, blöde Frage”, meinte er, nahm die Rechnung in Empfang und drückte ihr Geld in die Hand. “Dann bis Bald!”

“Danke”, sagte Ishizu.

“Er stand auf und ging. Sie merkte, dass er ihr sehr viel Geld gegeben hatte. Sie drehte sich um, weil sie sich bedanken wollte.

Doch er war schon weg!

Zweimal an diesem Tag hatte sie großes Glück bei Männer gehabt.

Das dachte sie zumindest.

Als sie gehen konnte, war auf den Straßen nicht mehr viel los.

Das Problem war nur, dass sie einen ziemlich langen Heimweg hatte. Leider konnte sie nicht in der Nähe des Restaurants parken, den es war sehr eng hier. Und an einen Tiefgaragenplatz war nicht zu denken. Sie musste die geschäftige Einkaufsstraße jeden Tag hinter sich lassen und ein paar dahinter liegende Straßen durchqueren.

Heute hatte sie das Auto ziemlich weit weg parken müssen!

Im Mondlicht wirkten die jetzt verlassenen Straßen, richtig unheimlich.

Mondlicht, dass mit den Schatten spielte.

Der Himmel war heute etwas bewölkt. Ab und zu waren die Straßen völlig dunkel.

Ishizu hatte etwa die Hälfte des Weges zu ihrem Auto zurückgelegt, als sie die Schritte hörte. Nicht ihre eigenen. Deren rasches, rhythmisches Echo hatte sie von Anfang an vernommen.

Sie drückte ihre Handtasche fest an die Brust. Toll. Sollte sie etwa an dem ersten Tag, an dem sie richtig gut verdient hatte, überfallen werden? Die beiden allein stehenden Typen, der erste am Morgen, der zweite der letzte Gast am Abend, waren fast schon übertrieben großzügig gewesen. Der Erste hatte eine Tasse Kaffee mit einem 1000 Yen- Schein bezahl!

Nachdem sie den ganzen Tag auf Achse gewesen und sich die Absätze schief gelaufen hatte, hatte sie etwa 5000 Yen in der Tasche. Gutes Geld, Geld, das sie dringend brauchte.

Klack, Klack. Sie wirbelte herum und versuchte zu sehen, wer sie verfolgte.

Dein Leben ist mehr wert als alles Geld der Welt!

Die Worte ihrer Mutter klangen ihr in den Ohren. Sie biss sich auf die Unterlippe. Ihre Mutter hatte recht. Ihr war nie klar gewesen, wie recht sie hatte- bis zu diesem Moment.

Sie lief schneller.

Wieder vernahm sie die Schritte. Wieder wirbelte sie herum. Und wieder zurück.

Dort…

Hinter ihr! Schwarze Schatten.

Nein! Da, vor ihr! Ein fliegender Schatten. Nein, das war das Mondlicht, das ihr einen Schrecken einjagen, ihr einen Streich spielen wollte…

Doch dann…

Klack, klack, klack- das Geräusch von Schritten, Verstohlen. Bedrohlich.

“Hey!”, schrie Ishizu. “Ich habe Pfefferspray dabei!”

Pfefferspray? Albern, oder?

Ein Lachen…

Hatte sie jemanden lachen hören, oder war es nur ein gespenstisches Echo in ihrem Kopf?

Sie strengte sich an, etwas zu erkennen.

Wirbelte wieder herum.

Dort war niemand.

Schatten, Lachen, Schritte…

Sie begann zu rennen.

Und das Klack, Klack, Klack wurde ebenfalls schneller und schneller. Der Schatten… baute sich vor ihr auf wie ein Dach über ihrem Kopf. Und dann…

… packte sie jemand… und sie schrie.
 

Yami Muto kam spät, und er sah müde aus, wie Joey sofort bemerkte.

Offenbar hatte er den Artikel in der Zeitung gelesen. Sein Blick viel fragend auf Joey.

Er wusste, was in Schottland passiert war, und nahm an, dass Joey beunruhigt war.

Aber er wurde an der Haustür nicht von Joey begrüßt, sondern von einem ganzen Knäuel von Leuten. Alle Partygäste, die ganze Donnerstagsgruppe, stand da und beobachtete ihn.

Er stand auf der Schwelle und hob die Brauen, dann blickte er zu Joey und lächelte. Yami war wirklich der Typ, der Herzen schmelzen ließ, ein Mann mit allem, was Man(n) sich wünschen konnte. Ja, wirklich mit allem!, gab sich Joey fast ein wenig ärgerlich zu bedenken. Natürlich freute er sich, ihn zu sehen, aber gleichzeitig freute er sich auch wieder nicht. Er hatte alles, was Joey sich in seinem leben wünschte, und doch hatte er das merkwürdige Gefühl, als wäre eine Beziehung mit Yami wie ein Verrat an einem anderen. Aber an wem? Er wusste es nicht. Aber vorhin, auf dem Balkon, hatte er eine seltsame Empfindung gehabt: Ihm war es vorgekommen, als berührte ihn jemand. Der Windhauch war fast unerträglich sinnlich gewesen. Ja, ich warte…

Fast hätte Joey diese Worte dort draußen laut gesagt. Doch dann hatte Serenity nach ihm gerufen, und er war sich idiotisch vorgekommen.

“Komm rein, wenn sie dich reinlassen”, meinte er und lächelte Yami an.

Auch Yami grinste. (1)

“Hi, Leute!”

“Nichts mit Hi, Leute!”, meinte Tristan sofort streng. “Ich weiß, dass du Cop bist und lesen kannst, auch zwischen den Zeilen. Diese Schätzchen hier verharmlosen alles, was ich sage. Und Joey hat Angst…”

“Na, ja, eigentlich,… nicht”, murmelte Joey.

“Er wird noch völlig ausrasten, wenn Tristan so weitermacht”, kommentierte Serenity trocken.

“Er muss unbedingt aufpassen”, meinte Tristan.

“Hey, wie wär’s mit einem Schluck Sekt, Yami? Wir haben heute was zu feiern”, erinnerte ihn Duke.

“Sekt? Klar, warum nicht?”, meinte Yami. “Herzlichen Glückwunsch, Duke. Du kommst ja richtig groß raus.”

“Also, was meinst du, Yami?”, fragte Serenity.

Er warf einen zögernden Blick auf Joey, dann zuckte er die Schultern. “Ich meine, dass Nagasaki ziemlich weit weg ist.”

“Unter den Mordopfern war einer, der Schottland überlebt hat”, sagte Joey. “Shuichiro Oji.”

“Hey”, warf Duke plötzlich ein. “Vielleicht ist es ja nur der selbe Name und nicht derselbe Typ.”

“Es passieren manchmal die komischsten Sachen!”, erklärte Mai Valentine. “Wir- Valon und ich- haben vor kurzem einen Artikel über eine Frau gelesen, die vier Zugunglücke überlebt hat. Beim fünften ist sie dann gestorben. Ich mein ja nur- solche Dinge passieren tatsächlich.”

“Wie alt war denn der Typ, den du in Schottland getroffen hast, Joey?”, fragte Jenny nach einer kurzen Pause.

“Zweiundzwanzig, dreiundzwanzig vielleicht.”

Tristan nahm die Zeitung zur Hand. “Na, das trifft sich ja gut: Der Knabe hat seinen Kopf rein zufällig im Alter von dreiundzwanzig Jahren verloren.”

“Ich kann das alles überprüfen lassen”, sagte Yami. “Wir brauchen nicht hier rum zustehen und zu spekulieren.”

Alle starrten ihn an.

Er räusperte sich. “Später, meine ich. Heute Abend feiern wir eine Party, oder?”

“Richtig. Auf den Erfolg!”

Serenity kam mit einem Sektglas. “Also dann: Sekt für den Cop!”

”Nett von Ihnen, My Lady, vielen Dank!”

“Es war mir ein Vergnügen. Auf Joey und Duke!”

“Auf Schauer und Grusel und auf den Erfolg”, meinte Mai zu Duke. “Und auf die Geschichte und auf die großartigen Kathedralen und Kirchen. Auf unsere Freunde!”, fuhr sie fort und prostete erst Duke und dann Joey zu.

“So ist es!”, rief Tea. “Macht mich zu eurem Lehrling und teilt mit mir, dass Geheimnis des Erfolges!!!”

“Wie könnt ihr nur so herumalbern, wenn etwas Schreckliches passiert ist!”, rief Tristan. “Und du, Yami! Du bist doch ein Polizist.”

Yami holte tief Luft, dann betrachtete er Tristan mit festem Blick. “Ganz genau, ich bin Polizist. Ich sehe und höre jeden Tag schreckliche Dinge. Du solltest weiterleben und dein Leben genießen, denn du weißt nicht, wann es zu Ende sein kann.”

“Ach so, da fällt mir ein…”, meinte Yami anschließend noch. “Ich muss heute Abend noch mal für ein paar Stunden Arbeiten.”

“Warum?”, fragte Joey. Nein, das kann doch nicht sein Ernst sein!

“Heute Abend ist ein schlimmer Unfall passiert. Ich muss noch in die Gerichtsmedizin, um mehr über die Studentin herauszufinden, die zu Schaden kam.”

“Eine Studentin?”, fragte Joey leise.

“Ja. Ich muss herausfinden, ob Drogen im Spiel waren, und mich um die Angehörigen kümmern…”

“Wie schrecklich”, meinte Tea.

“Bitter”, fügte Duke hinzu.

“Tja, wie schon gesagt…”

“Ich glaube, ich muss mal an die frische Luft”, meinte Joey. Er zog Yami mit auf den Balkon. Dort lehnte er sich mit dem Rücken an die Brüstung und blickte hinauf zu den Sternen am Himmel, die gerade nicht von Wolken verdeckt wurden.

Der Mond stand hoch am Himmel. Es war eine wundervolle Herbstnacht, nicht kalt, nur ein wenig kühl.

Yami lehnte sich neben ihn und sah ihn in die Augen. “Geht es dir wirklich gut?”

“Diese Nachrichten haben mich schon etwas beunruhigt.”

“Ja. Eine ziemlich bizarre Geschichte. Weißt du, Joey- es könnten tatsächlich dieselben Leute sein. Man hat sie nie wegwischt.”

“Ein ziemlich weiter Weg, oder?”

“Es gibt ziemlich verrückte Sekten, das weißt du ja. Und wenn jemand mit viel Vermögen, solche Leute unterstützt… oder wenn jemand mächtiges hinter ihnen steht…”

“Und es ist wieder auf einem Friedhof passiert.”

“Ja.” Yami beobachtete Joey. “Du gehst vorläufig doch nicht auf Friedhöfe, oder?”

“Na ja, zur zeit nicht, aber manchmal halte ich mich schon dort auf. Wenn man über historische Kathedralen oder Kirchen schreiben will, muss man ab und zu über Friedhöfe gehen. Aber am Tage bin ich dort, Nachts nein. Mit Sicherheit nicht mehr! Glaubst du wirklich, es könnten dieselben sein?”

“Ich weiß es nicht. Aber die Möglichkeit besteht.”

“Das mit Shuichiro Oji ist völlig verrückt. Wenn er es wirklich ist.”

“Du hast mir doch erzählt, dass die Leute damals alles Studenten waren, weißt du noch? Mitglieder von Studentenverbindungen, Raucher, Drogenkonsumenten, Witzbolde.”

“Sie waren noch jung. Jung und wild”, erklärte Joey.

“Leider sind die Jungen nicht gegen Unheil gefeit, auch wenn sie das manchmal glauben.”

“Musst du heute Abend wirklich noch mal zur Arbeit?”

“Ja, leider!” Er stöhnte auf. Dann wollte er das Sektglas auf der Brüstung abstellen, doch es fiel ihm aus der Hand und zersprang.

Yami fluchte.

Joey lachte. Drinnen hatte jemand Musik angemacht, und es wurde gelacht. Die Party ging ohne sie weiter.

Bestimmt hatte Serenity dafür gesorgt, dass ihnen niemand folgte.

“Dein schönes Glas”, meinte Yami bedauernd.

“Es ist doch nur ein Glas”, beruhigte Joey ihn.

“Stimmt, zum Teufel damit”, murmelte er und zog Joey in die Arme. Er fuhr ihm durch die Haare, presse ihn an seinen warmen, harten Brustkorb. Joey spürte sein Herz pochen, spürte, dass es schneller zu schlagen begann. Yamis Finger bewegten sich, sein Mund fand Joeys. Sie hatten sich schon früher geküsst, schon früher berührt. Er war gut. Hart, fordernd, sinnlich…

Joey erwiderte den Kuss, schmiegte sich an ihn, war bereit, wartete, wollte…

… seine Erregung spüren.

Sie ließ auf sich warten.

Sie hätte kommen sollen. Verdammt sie hätte…

Es war ihm egal. So oder so, heute Abend würde es passieren.

Yami rückte ein wenig von ihm ab und betrachtete ihn verlangend. Joey spürte einen kalten Luftzug auf seinen feuchten Lippen. Auch sein Herz pochte heftig. Er blickte Yami in die Augen. Bitte, lieber Gott, lass ihn nicht sehen, dass da nichts ist. Lass ihn nicht wissen, dass ich ihm mit einer Lüge antworte, dass ich im Begriff bin, den Verstand zu verlieren, dass ich…

“Komm zurück, wenn du fertig bist”, sagte er.

“Es könnte ziemlich spät werden.”

“Egal.”

“Vielleicht erst im frühen Morgengrauen. Und eigentlich sollte ich nicht mit dir zusammen sein. Ich hätte dich gar nicht küssen dürfen. Irgendetwas steckt mir in den Knochen.”

“Eine Erkältung?”

“Wahrscheinlich. Ich bin ziemlich fertig. Richtig müde.”

Er zuckte verlegen mit den Schultern. “Irgendwie kriege ich es nicht recht los, aber ich…”

“Es ist mir egal, ob du eine Erkältung hast.”

“Ich würde dich nicht gern…”

“Das Risiko nehme ich auf mich.”

“Und es macht dir wirklich nichts aus, wenn ich erst sehr spät komme?”

“Ich gebe dir einen Zweitschlüssel.”

“Okay, klingt gut.”

“Gib mir einen Abschiedskuss.”

“Ich sollte das nicht…”

“Ich lebe das Risiko!”

Yami grinste. Dann küsste er Joey noch einmal. Es war bewegend, leidenschaftlich. Seine Berührungen hier, auf dem Balkon, waren fast schon unanständig.

Er schnaufte ihm ins Haar. “Ich glaube, ich muss jetzt los. Und ich versuche, so früh wie möglich wieder da zu sein.”

Joey nickte benommen. Hand in Hand kehrten sie zu den anderen zurück. Serenity hatte für Musik gesorgt. Sie versuchte gerade, Duke das Tangotanzen beizubringen. Tea saß in einem großen alten Sessel und erteilte Anweisungen. Mai und Valon kicherten und strengten sich an, die Schritte hinzukriegen.

Als Tea Yami und Joey sah, sprang sie auf.

“Joey, ich habe darauf gewartet, dass ihr wieder reinkommt. Ich wollte mich noch bei dir bedanken und verabschieden.”

“Musst du auch schon los?”, fragte er.

Sie nickte und blickte auf Yami.

“Ich bin angefunkt worden. Sie brauchen noch Unterstützung in der Gerichtsmedizin.”

“Ach so.”

Die Tangomelodie endete abrupt, als Serenity den CD- Player ausmachte.

“Nun, heute ist Freitag, ein ganz normaler Werktag”, meinte Valon. “Ich glaube, auch wir sollten langsam aufbrechen. Was meinst du, Süße?

“Wahrscheinlich schon”, erwiderte seine Frau. “Vielen dank für die Einladung, Joey.” Lächelnd trat sie vor, umarmte Joey und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. “Nochmals herzlichen Glückwunsch! Und genieß den Augenblick. Zerbrich dir nicht den Kopf über die Vergangenheit oder über irgendwas Böses.”

Sie bedachte Tristan mit einem strengen Blick.

“Gute Nacht, ihr Lieben”, meinte Tea, holte ihre Jacke von der Garderobe im Flur und ging.

Yami folgte ihr. “Am besten fahre ich gleich zusammen mit Tea”, erklärte er Joey. Er küsste ihn flüchtig, hielt inne, küsste ihn ein weiteres Mal.

Dann ging er grinsend hinaus.

Joey war sicher, dass seine Schwester es gesehen hatte.

Mai und Valon gingen ebenfalls. Dann beschloss Tristan offenbar, dass er den Abend mit einer Gruppe spatzenhirniger, dummer Menschen verbracht hatte, und verkündete, dass er ebenfalls gehen wollte.

“Tja, dann zieh ich wohl auch los”, meinte Duke. “Es war eine tolle Party, Joey. Vielen Dank- eigentlich uns beiden.” Er umarmte ihn und drückte Joey einen Kuss auf die Wange.

“Hey, nimm doch den Kaviar mit”, schlug Serenity vor und schnitt eine Grimasse.

“Du kannst ihn zu mir rüberbringen, ich finde das Zeug nicht schlecht”, schlug Tristan vor.

“Ach ja? Soll ich das als Einladung verstehen?”, fragte Duke.

“Immer mit der Ruhe, ich wohne ja gleich nebenan”, meinte Tristan. Duke stand unschlüssig da. Tristan seufzte. “Ja, ich lade dich zu mir ein. Bring den Kaviar mit. Hey, Joey, können wir uns noch eine Flasche Sekt nehmen?”

“Na klar, nur zu und viel Spaß”, sagte dieser und verkniff sich ein Grinsen.

Doch sobald die beiden draußen waren, sahen Joey und Serenity sich an und prusteten los.

“Pssst!” Joey legte seiner Schwester die Hand auf den Mund. “Sonst hören sie dich noch.”

“Dann musst du aber auch ruhig sein!”

Einen Moment lang rissen sie sich zusammen, doch dann prusteten sie wieder los. Serenity griff sich eine Sektflasche und nahm einen tiefen Schluck, dann reichte sie diese an Joey weiter, der ihrem Beispiel folgte. Schließlich ließen sie sich auf das Sofa fallen und tranken weiter abwechselnd aus der Flasche.

“Er nimmt sich immer so wahnsinnig wichtig”, meinte Serenity.

“Wer? Tristan?”

“Wer denn sonst?”

“Er kann eben nicht anders. Offenbar fühlt er sich von uns nicht ernst genommen.”

“Aber woher kommt das? Die Leute loben ihn doch ständig und er ist so bekannt wie sonst keiner aus unserer Gruppe.”

“Weil er in Talkshows auftritt.”

“Stimmt.”

“Aber wie viele Leute kennst du, die seine Bücher tatsächlich gelesen haben?”, fragt Joey leise.

“Na, irgendwer wird sie schon kaufen.”

“Sicher werden sie verkauft, aber eben nicht im großen Stil. Richtig reich wird er damit nicht.”

Serenity hob die Sektflasche hoch. “In der Welt der Literatur wird keiner danach beurteilt, wie viel Geld er verdient, mein Lieber!”, meinte sie, Tristan perfekt imitierend.

“Was im Klartext bedeutet, dass er mehr Geld will. Jedenfalls ist das meine Vermutung.”

“Warum gibt er es nicht einfach zu?”

“Keine Ahnung. Aber ich nehme an, wir alle möchten so manches, was wir nicht zugeben.”

“Ich habe kein Problem damit, zuzugeben, was ich will”, meinte Serenity.

“Und das wäre?”

“Einen anständigen Mann.”

Sie blickte auf ihren Bruder und grinste ihn breit und fröhlich an. “Früher wollte ich einen fantastischen Mann, jetzt nur noch einen anständigen. Im Laufe der Zeit gibt man sich mit immer weniger zufrieden. Ist das nicht traurig?”

“Serenity, du bist gerade mal vierundzwanzig!”

“Fünfundzwanzig, im nächsten Monat.”

“Das ist kein Alter!”

“Stimmt. Aber ich will leben, solange ich jung Bin, solange ich die Energie habe, jede Sekunde zu genießen!”

“Serenity…”

“Ich will jemanden kennen lernen, mich verlieben, heiraten und Kinder haben, bevor ich dreißig bin. Schön, bis dahin habe ich noch ein bisschen Zeit. Aber ich lerne nicht mal einen netten Kerl kennen, mit dem ich ausgehen möchte. Wie soll ich da die Liebe meines Lebens finden, den Mann, den ich wirklich heiraten will? Natürlich könnte ich auch irgendeinen heiraten, Kinder kriegen und mich wieder scheiden lassen, den Idioten loswerden. Das ist heutzutage offenbar modern. Oder vielleicht lässt mich der Idiot auch sitzen. Aber hey- du hast den perfekten Mann an der Hand! Und er kommt heute noch zurück, oder?

“Ja. Aber spät.”

“Na gut, dann geh ich jetzt lieber.”

“Aber er ist doch noch gar nicht da.”

“Na, vielleicht stellst du schon mal den Sekt kalt.”

“Eigentlich steht er mehr auf Bier.”

“Dann stell ein paar Biere kalt. Aber gönn dir auch ein schönes Bad und mach dich fein.”

“Genau das hatte ich vor.”

Serenity war schon auf den Weg nach draußen. Joey stand auf, um sie an die Tür zu begleiten. Serenity drückte ihm einen Kuss auf die Wange und umarmte ihn. Dann sah sie ihm tief in die Augen.

“Stimmt etwas nicht?”

“Warum? Nein!”

“Hast du Angst?”

“Wovor denn? Wenn du diese Nagasaki Geschichte meinst, nein. Es geht mir gut. Wirklich.”

“Na klar. Dein Cop kommt zurück.”

“Hm.”

“Er ist etwas ganz Besonderes.”

“Ich weiß.”

Serenity musterte ihn noch einmal forschend. Joey hatte das Gefühl, dass seine Schwester lesen konnte, was in ihm vorging, dass sie spürte, dass…

… dass Joey nichts spürte. Dass er sich nur verzweifelt bemühte, die Beziehung zu Yami zu vertiefen.

Er lächelte breiter. “Danke, Schwesterherz! Danke für alles!”

“Ich danke dir! Und ich kann es kaum erwarten, morgen mit dir zu reden. Ruf mich an, sobald du wieder allein bist. Versprochen?”

“Versprochen.”

Er schloss die Tür hinter Serenity und lehnte sich lange dagegen. Schließlich sperrte er ab und machte sich ans Werk.

Er stellte zwei Flaschen Bier in den Kühlschrank. Dann ging er ins Bad, entschlossen, sich ein schönes, langes Bad zu gönnen.

Heißer Dampf stieg auf, während er sich langsam in die Wanne gleiten ließ. Er schloss die Augen und lehnte sich zurück. Die Hitze drang in seinen Körper. Stille umfing ihn. Er spürte die Stille fast körperlich, sie umgab ihn weich und glatt wie das Wasser. Süß, sinnlich, wie eine Liebkosung. Das Wasser war herrlich, beruhigend, verführerisch. Fast schlief er ein, begann zu träumen. In diesem Traum trat eine Gestalt durch den Nebel und den Dampf auf ihn zu.

Hier bist du also, im Wasser.

Ich bin hier.

Ich komme.

Ich warte…

Er sagte die Worte nicht laut, sie waren nur ein Teil seines Traumes. Aber er sah ihn, den Geliebten, auf den er wartete. Er bewegte sich geschmeidig, zuversichtlich, wie eine Katze, eine muskulöse, agile, drahtige, herrliche Katze.

“Komm, ja, komm zu mir…”

Joey zuckte zusammen, erschrocken über sich selbst, denn diese Worte hatte er laut gesprochen.

Das Wasser wurde kühler. Der Dampf hatte sich aufgelöst.

“Ich ertrinke noch in dieser Wanne”, knurrte er verärgert. “Herr im Himmel, Joey, was ist nur los mit dir?”

Er richtete sich auf, stand auf, trocknete sich mit einem großen Frotteetuch ab und hüllte sich darin ein. Sein Blick fiel auf sein Spiegelbild über dem Waschbecken. Er sah bleich aus.

“Ist mir so komisch, weil ich Angst habe?”, flüsterte er seinem Spiegelbild zu.

Aber er hatte keine Angst, jedenfalls keine, die an Panik grenzte. Mit diesem Gedanken öffnete er die Tür zum Schlafzimmer. Er war froh, dass er das Licht dort hatte brennen lassen. Nichts. Dann ging er ins Wohnzimmer, in die Küche, in das zweite Schlafzimmer, das er zum Büro umfunktioniert hatte.

Schließlich trat er an die Balkontür und dachte nach.

Ja, er hatte sie zugemacht und auch verschlossen, als Serenity gegangen war.

Er rüttelte daran. Ja, sie war noch verschlossen.

Auch die Eingangstür war zugesperrt.

Yami hatte einen Schlüssel.

Seufzend ging er ins Schlafzimmer und schaltete den Fernseher ein. Auf einem Sender lief ein alter Western mit Clint Eastwood. Er hörte mit halben Ohr zu, während er sich eine enge, heiße, alles gut betonende Boxershorts anzog. Perfekt. Er kämmte sich seine blonden Haare, putzte sich die Zähne und kroch mit den Vorsatz ins bett, Clint Eastwood zuzuschauen. Er war ein sehr guter Schauspieler.

Doch seine Lieder wurden schwer. Er war an diesem Morgen sehr früh aufgestanden. Der Tag war lang gewesen.

Es war schon ziemlich spät…

Ich muss unbedingt wach bleiben!, ermahnte er sich. Er hatte Yami zwar den Schlüssel gegeben, aber…

Diese Nacht war wichtig. Sie war wirklich wichtig. Er musste unbedingt wach bleiben, ihn begrüßen, ihn verführen, ihn kennen lernen, den Mann, mit dem er vielleicht den Rest seines Lebens verbringen würde.

Irgendetwas hatte nicht gestimmt.

Aber es würde gut werden. Er würde dafür sorgen.

Trotzdem war er müde. Schrecklich müde.

Konzentriere dich auf den Wester!, befahl er sich.

Der Western. Clint Eastwood war großartig, seine Partnerin die perfekte Ergänzung…

Ihm fielen die Augen zu. Zu viel Sekt.

Oder nicht genug…

Nicht einschlafen… nicht einschlafen…
 

Tea war an die Pathologie gewöhnt.

Domino konnte ein ziemlich hartes Pflaster sein.

Es störte sie nicht, dass man sie so spät noch gerufen hatte. Sie kannte sich aus in ihrem Handwerk, befolgte die Anweisungen des Pathologen, hatte das richtige Instrument zur rechten Zeit parat.

Es lastete nicht der Druck auf ihr, möglicherweise einen tödlichen Fehler zu machen.

Sie war gut in ihrem Job, aber es war auch wirklich nur ein Job für sie. Sie brauchte das Geld, und es war ihr egal, wenn es einmal zu später Stunde Arbeit gab, weil etwas so schrecklich war, dass es nicht aufgeschoben werden konnte, oder jemand meinte, er habe zu viele Fälle am Hals und müsse endlich vorankommen.

Tea hatte alte Menschen gesehen, manche von ihnen so friedlich, als schliefen sie, andere verzerrt vom letzten Schmerz ihres Herzinfarktes oder vom Krebs und Emphysemen (2) verwüstet.

Sie hatte Kinder gesehen, was immer traurig war.

Säuglinge. Einige von ihren Eltern so heftig geschüttelt worden, dass sie gestorben waren.

Mordopfer: Ehemänner, denen das Messer noch im Bauch steckte. “Die Todesursache festzustellen ist hier wohl kein Problem, stimmt’ s Doc?” Ehefrauen, die grün und blau geprügelt worden waren. In den drei Jahren, die Tea in diesem Job arbeitete, hatte sie alles gesehen.

Nein.

Als man das Laken von dem Unfallopfer wegzog, hätte sie sich fast übergeben.

Von wegen, alles gesehen. Nichts hatte sie gesehen, noch gar nichts!

Bis zu diesem Moment…
 

Joey wurde sich langsam bewusst, dass sich in seiner Umgebung etwas verändert hatte. War er aufgewacht? Wenn ja, dann wusste er im ersten Moment nicht, warum. Der Raum um ihn herum blieb dunkel, nur vom Fernseher drang ein wenig Licht herüber. Der Western war zu Ende.

Seufzen, Flüstern drangen an sein Ohr. Ein Mann und eine Frau liebten sich.

Nebel erfüllte den Raum. Er lag inmitten des Nebels, war eingehüllt davon, weich und warm. Der Nebel umgab ihn wie Seide. Er hörte Musik, ein Geräusch, so leise, dass es auch aus ihm hätte dringen können, wie der Rhythmus seines Pulsschlages. Er hatte auf ihn gewartet. Ja.

Und er war da. Neben ihn.

Joey spürte, wie er ihn berührte, spürte sein Gesicht auf seinem Körper, seinen Atem auf seiner Haut. Es war etwas unglaublich Sinnliches an der Art, wie er Joeys Duft, seinen Geschmack in sich aufnahm. Seine Finger streiften Joeys Körper nur ganz leicht.

Joey schmiegte sich an ihn, staunte, dass es so leicht war, wunderte sich über die Stärke seines eigenen Verlangens. Sein Körper spannte sich, schmerzte, brannte.

Seine Finger bewegten sich, waren wie flüssiges Feuer, berührten Joey, streichelten ihn, verführten ihn unendlich langsam…

“Du bist da”, flüsterte Joey.

“Sollte ich?”

“Ich habe dich eingeladen.”

“Ja, du hast mich eingeladen. Ich hätte nicht kommen sollen. Ich sollte nicht hier sein. Aber du hast mich eingeladen.”

“Ich habe auf dich gewartet, ich wollte dich haben.”

Joey spürte die Seide der Boxershorts auf seiner Haut, Seide und Schatten und Nebel. Er spürte das Gewicht des anderen, er streichelte seine Wangen mit seinen Fingerrücken, die Seide rieb an Joeys Körper, des anderen Körper, die sanfte Macht seiner Brust, sein Kuss…

Es erregte Joey, wie ihn noch nie etwas erregt hatte. In ihm erwachte neues Leben. Um ihn herum wirbelten Farben, Schatten von Rot, von Feuer, Flammen zügelten auf, tanzten, hüpften vor einem Feld aus Nebel und Dunkelheit. Ein kühler Nebel, ein kühler Windhauch streiften ihn, Feuer züngelte an ihm hoch, das Feuer war sein Kuss, der ihn von oben bis unten durchzuckte. Feuer, Farben, wellenförmiger Nebel- Joey spürte die Stärke seines Gegenüber, seine Wärme, seine Brust…

Einen Pulsschlag.

Seinen Herzschlag.

Nein, seinen eigenen.

Dann…

… Blitze.

Die Sonne, die Sterne, Explosionen einer Nova… In ihm explodierte ein Feuer, er konnte nicht mehr atmen, nicht mehr denken; er wurde versengt, gewaltig, pulsierend, wellenförmig. Joey schaffte es kaum, in diesem Meer von Empfindungen nicht unterzugehen. Dennoch drang ein leises Flüstern an sein Ohr…

“Warum wolltest du mich haben?”

“Weil du vollkommen bist.”

“Alles andere als das!”

“Du bist vollkommen, du bist so anständig…”

“Lieber Gott, nein, von Anstand bin ich unvorstellbar weit entfernt. Das gefällt dir? Nein, mein Schatz, geh nicht dorthin. Meine Sünden wiegen so schwer wie die Last der ganzen Welt.”

“Du bist nicht der, für den ich dich halte.”

“Ich bin genau der, für den du mich hältst. Du hast es gesehen, du hast mich erkannt.”

“Nein.”

“Du kannst die Augen nicht schließen.”

Aber Joeys Augen waren geschlossen. Er schüttelte den Kopf. Er wollte weder denken noch sprechen, er wollte nur fühlen. Die Sonne und die Erde und der Himmel waren in ihm, neue Sterne explodierten, noch nie hatte er etwas so Sinnliches, Erotisches, unbändiges… Gutes erlebt.
 

Er erwachte schweißgebadet auf. Die Erinnerungen trieben ihm die Schamröte ins Gesicht und verwirrten sein Herz.

Im Zimmer war es düster. Es ist noch sehr, sehr früh, dachte er schläfrig. Die Sonne war noch nicht aufgegangen.

Er hörte merkwürdige Geräusche.

Der Fernseher war noch an.

Er streifte sich die feuchten, verfilzten Haarsträhnen aus der Stirn und blickte blinzelnd auf den Bildschirm. Ja, das Softporno- Programm, das gestern Nacht auf den Kanal gelaufen war, lief noch immer. Verwundert über sich selbst schüttelte er den Kopf.

Verlegen.

Er tastete mit der Hand sein Bett ab, suchte nach Yami. Er wusste, dass er gestern Nacht noch gekommen war und dass seine Ängste lächerlich gewesen waren. Yami war vollkommen. Alles, was er sich immer von einem Mann gewünscht hatte.

Klug, anständig, und…

Ob er ihm in die Augen blicken konnte?

“Yami…”

Er streckte die Hand aus. Er war nicht da.

Stirnrunzelnd richtete er sich auf. Seine Boxershorts lag auf dem Boden, die Bettdecke war zur Hälfte weggezerrt.

“Yami?”

War er aufgestanden, um Kaffee aufzusetzen? Oder, da es für ihn ja noch mitten in der Nacht war, um sich ein Bier zu holen?

Er kroch aus dem Bett, zog sich die Boxer wieder an und ging ins Wohnzimmer.

“Yami?”

Keine Antwort.

Dann hörte er, wie jemand die Haustür aufschloss.

Er runzelte die Brauen.

Yami kam herein. Er sah erschöpft aus, völlig erledigt. Er starrte ihn an, er starrte zurück und spielte unschlüssig mit dem Schlüssel in der Hand.

“Es tut mir leid, es tut mir echt leid.”

“Yami?” Seine Stimme war kaum hörbar. “Du warst doch schon da, oder?”

“Ich habe dir doch gesagt, dass es spät werden könnte, richtig spät- oder früh”, entschuldigte er sich. “Ich hätte nicht herkommen dürfen, Joey. Es ist schon spät, und die Nacht war so schrecklich. Und ich fühle mich immer kränker, ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten. Ich glaube, ich muss jetzt nach Hause.”

“Ja, aber… aber warst du denn nicht hier?”

“Du hast doch gesehen, wie ich eben die Tür aufgeschlossen habe.”

Ihm wurde eiskalt. Er erstarrte, hatte das Gefühl, gleich umzukippen.

“Joey?”

Seine Stimme drang kaum zu ihm durch.

Die Welt füllte sich mit…

…Nebel.

Und er brach zusammen.
 

Yumi Aogiri gähnte.

Grundsätzlich arbeitete sie gern in der Frühschicht im Krankenhaus, aber heute Morgen war sie müde. Trotzdem hätte sie nie in einer anderen Schicht arbeiten wollen, selbst wenn sich das auf ihr Gehalt ausgewirkt hätte. So kam sie früher raus und konnte ihre Zwillinge, die gerade eingeschult worden waren, abholen, Essen kochen, Hausarbeiten erledigen und sogar noch ab und zu zum Einkaufen gehen, wenn auch nur in einem der 24 Stunden- Läden, um Zeit zu sparen. Sie war allein erziehend. Ihre Mutter, die sieben Kinder ohne einen Mann weit und breit aufgezogen und bei einem reichen Filmstar geputzt hatte, verdankte sie eine gute Schulbildung. Und jetzt hatte sie als ausgebildete Krankenschwester einen guten Job, sie hatte tolle Kinder- obwohl auch sie mit den Männern nicht viel Glück gehabt hatte- und liebte ihre Mutter. Yuri Matsumoto sollte niemals, nein, niemals, in ein Seniorenheim kommen. Nicht, solange Yumi noch ein Fünkchen Kraft im Leib hatte.

Aber heute Morgen…

Es fiel ihr ein wenig schwer, in die Gänge zu kommen.

In der Notaufnahme hatte sie ein paar MTAs stehen sehen. Alle hatten über den schrecklichen Unfall gesprochen, bei dem eine Studentin so gut wie enthauptet worden war. Es passierten wahrhaftig die irrwitzigsten Dinge. Man denke nur an die Morde in Nagasaki. Aber auch in Domino ging es manchmal verrückt zu.

Gottlob war die Arbeit als Krankenschwester nicht bizarr, sie war nur manchmal ein wenig eintönig. Doch Yumi war eine gute Krankenschwester.

Sie ging in den zweiten Stock, wo sie in der Chirurgie arbeitete. Die Nachtschwestern erledigten noch Papierkram und machten sich zum Gehen fertig. Wie üblich plauderten die Neuankömmlinge mit denen von der Nachtschicht, die gleich gehen würden. Sie sprachen über die Patienten, über neue und über alte.

Yumi dachte, sie hätte etwas gesehen. Einen schwarzen Schatten, der am Schwesternzimmer vorbeihuschte. Sie hatte das äußerst merkwürdige Gefühl, Flügel gesehen zu haben: große, flatternde, weite Flügel.

Schatten…

Unsinn. Hier war es doch ganz hell.

Sie ging aus dem Stationszimmer nach links in den Gang. Hier waren tatsächlich Schatten. Die hellen Lampen aus dem Arbeitsbereich warfen hier nur noch ein schwaches Licht, und der betriebsame Alltag hatte noch nicht begonnen; erst in einer halben Stunde würde die Verteilung von Medikamenten und Frühstück losgehen. Draußen ging soeben die Sonne auf.

Trotzdem…

Irgendetwas zog sie in Richtung Vorratsraum.

Dann blieb sie abrupt stehen.

Dort, direkt vor ihr, kaum drei Meter entfernt, stand ein Mann. Er schien im Schatten zu stehen.

Oder war er selbst nur ein Schatten?

Trug er einen Umhang? Was hatte er hier zu suchen? Wer war er?

Plötzlich krümmte er sich. Wie jemand, der schlimme schmerzen hat.

Sie eilte zu ihm, ganz tüchtige Schwester. “Kommen Sie, ich helfe Ihnen. Was ist los? Ich bringe Sie erst mal auf ihr Zimmer.”

Er war nie in einem der von ihr betreuten Zimmer gewesen, dessen war sie ganz sicher. Sie hätte sich bestimmt an ihn erinnert, wenn sie ihn schon einmal- auch nur flüchtig- gesehen hätte. Er war so anders, so betörend, so groß, so auffällig, so männlich, so attraktiv…

Kalt.

Eiskalt.

Woher wusste sie, dass er sich kalt anfühlte?

Weil sie die Kälte spürte. Wellen von Kälte schlugen ihr entgegen.

Er war bleich und hatte blaue Flecken. War er mit einem Messer verletzt worden? Blutete er?

“Sie sind verletzt”, meinte sie. Ihr Mitleid war stärker als alles Unbehagen.

Ganz kurz lächelte er, ein seltsam charmantes Lächeln. Erschreckend…

Charmant.

“Ach, was soll’s ; Sie hätten mal den anderen Burschen sehen sollen. Aber eigentlich… na ja, wissen Sie, ich dachte, mir würde nichts fehlen, und dann habe ich noch kurz bei einem Sahneschnittchen vorbeigeschaut… Ich hab mich wohl etwas übernommen.”

“kommen Sie, ich helfe Ihnen.”

Sie versuchte, ihn mit der Schulter zu stützen. Er war wirklich charmant. Was für ein Lächeln! Doch plötzlich knirschte er mit den Zähnen.

“Nein, gehen Sie!”, beharrte er und schüttelte heftig den Kopf. Seine Stimme war tief, rau, scharf, gebieterisch. Er war es gewöhnt, dass man ihm gehorchte.

“Sie sind verletzt.”

Sie erhaschte einen kurzen Blick auf seine Augen, sein Gesicht. Eiseskälte schlug ihr entgegen. Er war aschfahl. Ein weiteres mal lächelte er, doch sein Lächeln verblasste rasch.

Seine Augen starr auf sie gerichtet.

Gerichtet auf…

… ihren Hals.

Angst kroch ihr über den Rücken, doch sie war wie gelähmt. Ihr war, als lächelte er trotz des rasiermesserscharfen Blickes, mit dem er sie betrachtete.

Ein bedauerndes Lächeln.

Offenbar hatte er nicht gesehen werden wollen.

Ihr Herz hämmerte. Sie spürte das Blut in ihren Adern pulsieren. Es war wie…

… Musik.

“Gehen Sie!”, sagte er endlich schroff.

Sie stand da wie angewurzelt.

“Gehen Sie!”, wiederholte er. “Stimmt, ich bin verletzt. Holen Sie Hilfe!”

“Er schubste sie weg. Sie machte einen Satz, dann blieb sie stehen und drehte sich noch einmal zu ihm um, sah, wie er langsam zu Boden sank. Das merkwürdige Gefühl, das sie gespürt hatte, verblasste. Hilfe, sie brauchte Hilfe. Er war zu groß, sie konnte sich nicht allein um ihn kümmern.

Toya, einer der Pfleger, war gerade auf die Station gekommen. Er war ein freundlicher Mann, dessen Kraft im Krankenhaus oft genug sehr willkommen war.

“Toya, rasch, wir haben einen Patienten. Oder vielleicht auch nicht…”, meinte sie, als sie kurz vor dem Stationszimmer auf ihn stieß.

“Wie bitte?”

“Dort drüben im Gang ist ein Verletzter…”

“Ein Patient ist aufgestanden und stolpert auf dem Gang rum?”

“Vielleicht ist er auch kein Patient, er ist nur ein Mann, der…”

“Ist er jetzt ein Patient oder nicht?”

“Ich weiß es nicht, verdammt noch mal. Aber, Toya, dort drüben im Gang ist ein Mann, und dieser Mann ist verletzt, und er ist ziemlich groß. Er ist… er ist zu groß für mich. Hilf mir!”

“Na klar, ich komme schon”, erwiderte Toya, dessen dunkle Augen etwas verwirrt, aber nicht zweifelnd wirkten.

Er gab sich einen Ruck, als ob er gerade erst gemerkt hatte, dass er sich rascher hätte in Bewegung setzen müssen. Dann folgte er Yumi, die schon wieder umgekehrt war, um den Mann zu finden.

Sie blieb abrupt stehen. Er war verschwunden. Hier war niemand. Nichts. Kein Tropfen Blut, kein Fetzen Haut, nicht die geringste Spur von dem Mann.

“Sehr schwer war er offenbar nicht verletzt”, meinte Toya.

“Toya, ich schwöre dir, er stand genau hier.”

“Ich glaub’ s dir ja. Aber ich denke- hey, vielleicht war es eine Schussverletzung? Und er hat es mit der Angst zu tun bekommen und ist verschwunden? War jung oder alt? Wie hat er denn ausgesehen, Yumi? Vielleicht ist er ja doch schon Patient bei uns. Teufel noch mal, vielleicht ist er aus dem Irrentrakt ausgebrochen.”

Yumi ging ein Stück weiter. “Er hatte bestimmt keine Schussverletzung. Hier ist nirgends Blut.”

“Hey!”, meinte Toya plötzlich. “Sieh mal!”

Die Tür zum Vorratsraum, die sonst immer verschlossen war, stand speerangelweit offen. In diesem Raum wurden Anästhetika (3) aufbewahrt. Und die Blutkonserven.

Sie blickte Toya an, er blickte sie an. Fassungslos starrten beide in den Raum.

Der Vorratsraum war verwüstet. Er sah aus, als ob ein Taifun durch ihn gefegt wäre: Regale waren ausgeräumt, Schränke umgekippt, Schubladen geleert.

Dennoch…

Überall lagen Morphiumampullen herum.

“Toya…”

“Yumi”, entgegnete er leise und starrte sie mit großen Augen an. “Hier drinnen ist kein Tropfen Blut mehr!”
 

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(1) was für ne grinserei…

(2) Emphysem- Krankhafte Ansammlung von Gas in Geweben und Organen

(3) Schmerzbetäubungsmittel
 

Puuhh… endlich geschafft!!!
 

Ich hoffe es hat euch gefallen. Mal sehen wie lang ich fürs nächste Kapitel brauche…

Ich hoffe es kommt nicht wieder irgendetwas dazwischen!
 

Bis bald…
 

Eure Ice- Queen
 

PS: Ich bitte (mal wieder) um Kommis!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  moonlily
2007-11-03T21:43:43+00:00 03.11.2007 22:43
Hallo ice-queen05,

wie du siehst, hab ich mich gleich ans nächste Kapitel gesetzt.
Wer hat denn da die arme Ishizu überfallen? Etwa ein Vampir, vielleicht Bakura? Hat er sie gebissen?

Zwischen Seto und Joey scheint ja schon eine besondere Verbindung zu bestehen, wenn er meint, nicht mit Yami schlafen zu können, weil er das Gefühl hat, jemanden zu betrügen. ^^

Wer das Opfer in der Gerichtsmedizin ist, weswegen Yami und Tea weg müssen, lässt sich ja an einer Hand abzählen. Arme Ishizu. Schade, dass sie so einen kurzen Auftritt bei dir hatte.
Mit den Scheidungen hat Serenity leider, leider Recht. Den richtigen Mann zu finden, ist gar nicht so einfach. Joey kann sich glücklich schätzen, Yami zu haben – zumindest bis Seto richtig mitmischt.

Hmm … hat Joey jetzt geträumt oder war Seto gerade wirklich bei ihm … Auf jeden Fall ist es gut beschrieben. ^^ Und er denkt, es wäre Yami gewesen? Da ist er aber ganz schön auf dem Holzweg.

Ishizu und so gut wie enthauptet? Welchen Verrückten hast du da losgelassen, zum Teufel? Wenn das Bakura ist, tut Seto mehr als gut daran, ihn schnell aufzuhalten.
Dann die Szene im Krankenhaus. Gehe ich recht in der Annahme, dass es Seto war? Über seine ganze Joey-Observation scheint er vergessen zu haben, dass er auch mal was trinken muss – und was bietet sich da mehr an, als dem örtlichen Krankenhaus einen kleinen Besuch abzustatten, das ja bekanntermaßen immer einen Vorrat an Blutkonserven hat. ^^

In diesem Sinn, ich freue mich auf dein nächstes Kapitel.

Liebe Grüße,

Moonlily



Von:  lillicat-san
2007-10-30T18:41:53+00:00 30.10.2007 19:41
Hi! ;)
Hab mir grad deine Fanfic druchgelesen...Ich find deinen Schreibstil sehr schön, vor allem, dass deine Beschreibungen, weil sie immer passen!^^
Du bringst das Thema auch mit Stil rüber, gefällt mir sehr, sehr gut^^
Von mir kriegst du nen erhobenen Daumen und mach bitte, bitte schnell weiter!!! ;D

LG Lillicat


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