Animos - Die Kinder der Götter von abgemeldet (Die Rettung von Teraden) ================================================================================ Kapitel 4: die Streuner ----------------------- Missmutig sah ich zu, wie Noame das Haus verliess. Ich war stinksauer. Wie gerne wäre ich jetzt mit meinen Freunden draussen durch die Stadt gestreift. Stattdessen war ich zum Babysitten verdammt. Nun war ich eben die Älteste von Noame’s Schützlingen und musste auf die jüngeren aufpassen wenn sie arbeiten ging. Leider war das oft am Abend, damit sie sich tagsüber um ihre Kinder kümmern konnte. Nun, ich konnte es nicht ändern. Zum Glück schliefen die zwei Jüngsten Ryu und Sulu schon. Wogi und Sotahi spielten in einer Ecke mit ein paar alten Puppen. Ich nahm mir ein Buch von Noames Büchergestell und setzte mich damit in eine stille Ecke. Ich schlang mir meinen langen Katzenschwanz um die Beine und begann zu lesen. Das Buch hiess Salben und Tinkturen aus Wiesenpflanzen. Noame hatte mir schon viel über Heilkräuter gelernt und es interessierte mich auch wirklich sehr. Aber heute Abend konnte ich mich einfach nicht richtig konzentrieren. Ich stellte mir vor, was meine Freunde jetzt gerade alles anstellten ohne mich. Das Klopfen an der Haustüre lies mich aus meinen Träumen aufschrecken. Neugierig öffnete ich. „Yoke! Was tust du denn hier?“ Ich blickte den Jungen erstaunt an. Ich hatte ihnen doch gesagt, dass ich heute nicht raus konnte. Yoke grinste mir zu. „Ohne dich ist es einfach nicht das Selbe. Komm doch auch, Jasha, bitte!“ Er sah mich so süss an, dass ich beinahe einfach losgerannt wäre. Aber ich wusste ja, dass das nicht ging: „Und was mache ich mit denn Kleinen? Yoke, ich kann hier nicht einfach weg!“ „Dann schick sie einfach ins Bett. Und sobald sie eingeschlafen sind, gehen wir!“ Ich dachte nach. Es könnte funktionieren. Noame arbeitete meist sehr lange. Und ich sehnte mich so danach, mit den anderen Haldo unsicher zu machen. ..meine Freunde, meine Stadt, mein Leben.. Wir mussten ja nur rechtzeitig zurück sein. Die Kleinen konnten auch ohne mich schlafen. Schliesslich nickte ich. Ich lies Yoke hinein und versteckte ihn in der Besenkammer. Wenn Sotahi ihn Sähe, würde sie mich bestimmt bei Noame verraten. Ich schickte sie und Wogi, sich zu waschen. Dem Jungen musste ich noch helfen. Dann brachte ich sie zu ihren Strohmatten und deckte sie zu. Ich pustete die Kerze aus und wünschte ihnen eine gute Nacht. Yoke wartete schon ungeduldig auf mich. Flink verliessen wir das Haus und ich zog schnell die Tür hinter uns zu. Dann atmete ich die kühle Nachtluft. Über uns spannte sich der Sternenhimmel. Der Mond schien uns den Weg. An der nächsten Hausecke trafen wir die Restlichen vom “Clan der Strassenkatzen“. Mimi und Momo umarmten mich herzlich. Die beiden Zwillinge konnte man kaum auseinander halten. Rushi klopfte mir mit seiner gewaltigen Hand auf die Schulter. Irgendetwas knackte ziemlich unangenehm. „Na Jasha, alles klar?“, fragte er mit seiner tiefen Bärenstimme. Ich nickte und lächelte gequält. Als er sich Yoke zuwandte, rieb ich mir seufzend die Schulter. Das gab mal wieder einen blauen Fleck. Aber es war mir egal. Etwas abseits stand Ondras. Aber als er mich sah, lächelte er. „Schön, dass du doch noch gekommen bist.“ Fast lautlos schlichen wir durch die Strassen. Wir waren wirklich fast wie Streuner. Wir kannten uns alle schon seit Jahren. Und irgendeinmal hatten Mimi und Momo dann geglaubt, wir bräuchten endlich einen Namen. Und weil wir soviel herum zogen und uns alle aus Haldo nur “Die Streuner“ nannten, war Ondras dann auf “Der Clan der Strassenkatzen“ gekommen. Anfangs war ich davon nicht so begeistert gewesen, weil mein gemischtes Blut wohl nicht ganz unschuldig an diesem Namen war, aber mittlerweile gefiel er mir auch. Nach einer Weile setzten wir uns an einer Hausmauer auf den Boden. Oft sassen wir so und starrten Ewigkeiten den Sternenhimmel an, ohne etwas zu sprechen. Aber plötzlich sagte Rushi: „Wir könnten eigentlich mal die Glocke läuten!“ Sofort schauten wir alle den Glockenturm rauf. „Ist ziemlich hoch“, meinte Ondras. Auch Yoke sah ziemlich skeptisch aus. Aber Momo und Mimi waren begeistert und ich fand die Idee auch toll. Und so war die Sache beschlossen. Im Schatten der Häuser näherten wir uns dem Turm. Ich sah mir die Wand genauer an. An den Ecken waren Figuren in den Stein gehauen. Daran konnte man sich halten. Auch Unebenheiten und Querbalken in der Wand konnten als Griffe dienen. Dennoch würde es ganz schön schwer werden. Ich huschte zurück zu den anderen, die in einer Hausnische sassen. „Es ist schwierig, aber nicht unmöglich“, sagte ich zu meinen Freunden. Ein übermütiges Licht blitzte in meinen Augen auf. Momo, Mimi und Rushi grinsten. Ondras sah noch einmal am Turm hoch, aber dann lächelte auch er und sagte: „Wer sollte da schon hochkommen, wenn nicht wir?“ Nur Yoke sah ganz und gar nicht erfreut aus. Ich ging auf ihn zu und nahm seine Hände. „Hey, was ist denn los? Freust du dich nicht?“ Yoke sah mir verzweifelt in die Augen. „Ich habe Angst“, flüsterte er. „Ich habe Angst, dass dir etwas passieren könnte. Wenn du dort oben runter fällst...“ „Hey, mir wird schon nichts passieren.“ Ich umarmte ihn und drückte ihn ganz fest. Er seufzte, aber dann ging er los. Rushi, Ondras und die Zwillinge warteten schon auf uns. Wir kletterten rund um den Turm verteilt alle gleichzeitig los. Rushi kam ganz schön ins Schwitzen und schnaufte wie ein Flusspferd. Er fluchte ununterbrochen. Ich konzentrierte mich ganz auf die Wand. Als Erste erreichte ich den Glockenraum. Hinter mir kam Yoke. Ich schaute zu ihm runter. In dem Moment gab die Figur unter seinem rechten Fuss nach und er verlor den Halt. Er stürzte. Ich spürte, wie mein Herz einen Schlag aussetzte. Im letzten Augenblick konnte er sich an einer Figur weiter oben festklammern. Ich hechtete nach vorne und umklammerte seine Handgelenke. Schliesslich gelang es mir, ihn in den Glockenraum zu ziehen. Keuchend und immer noch zitternd vor Schreck setzte ich mich auf den Boden. Zärtlich legte er denn Arm um meine Schulter. „Tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken… Danke!“ Ich sah ihn an, seine zerzausten braunen Haare und die wunderschönen blauen Augen. Ich war so unheimlich erleichtert, dass er hier neben mir sass. ..wenn er gefallen wäre.. Ich hätte mir das nie verziehen. In dem Moment spürte ich, wie seine Finger sanft über meine Hand strichen. Er lächelte sanft und brachte mich damit total aus der Fassung, aber ich konnte meinen Blick einfach nicht abwenden. Langsam näherten sich unsere Gesichter. Das erste Mal fiel mir auf, wie schön geschwungene Lippen er hatte. Dann schloss ich die Augen. Doch genau in dem Augenblick purzelten Momo und Ondras heftig schnaufend zu uns in den Glockenraum, dicht gefolgt von Mimi. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis auch Rushi oben ankam. Er schnaufte wie ein Wal beim Auftauchen und lehnte sich erschöpft gegen die Wand. Yoke und ich waren immer noch etwas verlegen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass Momo und Ondras nichts gesehen hatten. Yoke hatte nun schlechte Laune und schnauzte Rushi an, weil er so unsportlich war. Doch schliesslich standen wir alle verteilt um die grosse Glocke, die mitten im Raum hing. Ein Strick baumelte hinunter, mit dem man die Glocke läuten konnte. Direkt unter der Glocke war eine Falltür, unter der meines Wissens die Treppe liegen musste. Wir zogen alle gleichzeitig an dem Strick. Und dann läutete es. Der Krach so dicht bei der Glocke war kaum zu ertragen, aber wir lachten dennoch alle. Als die ersten Türen aufgingen, öffneten wir schnell die Falltür und rannten die Treppe hinunter. Unten angekommen versteckten wir unter der Treppe, gerade noch rechtzeitig. Schon schloss jemand den Glockenturm von aussen auf, und etwas fünf Menschen stürzten hinein und die Treppe hoch. Als sie aus unserem Blickfeld verschwunden waren, krochen wir schnell hervor. Das war unsere Chance. Prüfend blickte Mimi nach draussen. Die Luft war rein. Wenn wir schnell genug wären, würde uns niemand sehen. Wir preschten los, schnell wie Falken und beinahe unsichtbar. Im Schatten des nächsten Hauses warteten wir kurz, um zu sehen, ob uns jemand bemerkt hatte. Aber das schien nicht der Fall zu sein. Nun rannten wir weiter, durch die Gassen und Strassen, über Plätze und durch Gärten. Beim Marktplatz trennten wir uns. Momo, Mimi und Ondras wohnten im östlichen Teil der Stadt. Zusammen mit Rushi und Yoke ging ich weiter. Wir erschreckten noch kurz einen älteren Mann, dann mussten auch wir uns trennen. Aber mir war noch überhaupt nicht danach. ..Yoke.. ..ich kann nicht einfach gehen.. Yoke schien ähnlich zu denken. Zu Rushi sagte er: „Geh schon mal vor, ich komme gleich.“ Die beiden wohnten gleich nebeneinander. Rushi verstand und verschwand im Schatten der Finsteren Gasse. Verlegen sah ich Yoke an. Er lächelte schon wieder so schelmisch. Doch in dem Moment nahm ich aus den Augenwinkeln ein Licht war. Sofort sah ich mich um. Nein, ich hatte mich nicht getäuscht. In Noames Haus brannte Licht. ..sie ist schon da.. ..sie hat mich erwischt.. ..wird soo enttäuscht sein.. Ich musste sofort nach Hause. „Ich muss gehen!“ Yoke tat mir so leid. Ich wollte ihn nicht einfach so stehen lassen. Aber Noame würde mir den Kopf abreissen. Schnell gab ich ihm einen Kuss auf die Wange und wollte losrennen, aber er hielt mich am Handgelenk zurück. „Warte“ Er zog mich an sich und seine Lippen berührten meine. Es fühlte sich so wundervoll an. Wie gerne wäre ich jetzt die ganze Nacht hier mit ihm so gestanden. Aber dann liess ich doch von ihm ab und rannte so schnell ich konnte zum Haus. Ich hatte Noame noch nie so wütend erlebt. Sie war wirklich ausser sich. Sie schrie mich an, dass ich ihr Vertrauen missbraucht habe und dass ich nicht als Unsinn im Kopf habe. Dann schlug sie mich, mitten ins Gesicht. Sie hatte mich noch nie geschlagen. Ich verstand das einfach nicht. Es war nicht das erste Mal, dass ich etwas angestellt hatte. ..was ist bloss passiert?.. Schliesslich schickte sie mich ohne weitere Erklärungen ins Bett. Ich ging ohne ein Wort, um sie nicht noch mehr zu verärgern. Als ich ins Schlafzimmer kam, war Sotahi noch wach. Von ihr erfuhr ich gleich darauf, was wirklich passiert war. Ryu hatte Durst bekommen und hatte in die Küche gehen gewollt. Aber es hatten keine Kerzen mehr gebrannt und alles war dunkel gewesen. Deshalb hatte er versucht eine Öllampe anzuzünden. Allerdings hatte er sich irgendwie die Finger verbrannt und die Lampe war zu Boden gefallen. Und dann hatte irgendwie Sulus Strohlager Feuer gefangen. Zum Glück war in dem Moment Noame heim gekommen. Natürlich hatte sie auch gehört, dass die Alarmglocke geläutet worden war. Deshalb war sie überhaupt so früh nach Hause gekommen. Sie hatte schon geahnt, dass es meine Freunde und ich gewesen waren. Sotahi war eingeschlafen, sofort nach dem sie aufgehört hatte, zu erzählen. Ich fühlte mich so mies, wie nie zuvor. Ich hätte beinahe Sulu getötet! ..ich wollte das nicht, Noame.. ..bitte verzeih mir.. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)